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Endlich wird Kylie herausfinden, was sie wirklich ist … Der 3. Band der Erfolgsserie Shadow Falls Camp »Geh, und stell dich deiner Vergangenheit – dann wirst auch du deine Bestimmung finden!« Diese geheimnisvolle Prophezeiung geht Kylie nicht mehr aus dem Kopf. Gemeinsam mit Hexen, Vampiren, Gestaltwandlern, Feen und Werwölfen ist sie im Shadow Falls Camp – und Kylie hat keinen sehnlicheren Wunsch, als endlich herauszufinden was sie ist und wer ihre wahre Familie ist. Außerdem fragt sie sich noch immer welcher Junge der Richtige für sie ist. Lucas und Kylie kommen sich zwar immer näher, aber dann erfährt sie, dass sein Rudel ihre Beziehung nicht gutheißt. War es falsch, sich für Lucas zu entscheiden? Um sich vom Liebeschaos abzulenken, versucht Kylie einem Geist zu helfen, der sein Gedächtnis verloren hat und es nur schafft, immer wieder eine mysteriöse Nachricht zu wiederholen: »Jemand wird leben … aber jemand anderes muss sterben.« Um diese Botschaft zu entschlüsseln, muss Kylie jedoch den sagenumwobenen, furchteinflößenden Friedhof von Shadow Falls betreten. Vielleicht kann sie dort endlich das Geheimnis ihrer Identität lösen – die ganz anders ist, als sie es sich je hätte vorstellen können.
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Seitenzahl: 572
C.C. Hunter
Shadow Falls Camp - Entführt in der Dämmerung
Band 3
Aus dem Amerikanischen von Tanja Hamer
FISCHER E-Books
Im Leben eines jeden gibt es eine Person, die einem dabei geholfen hat, der Mensch zu werden, der man ist. Ohne diese Person hätte man nicht denselben Weg eingeschlagen. Eine Person, die nicht nur Einfluss nahm, sondern das Sprungbrett war für alles, was man erreicht hat. Danke, Steve, mein Schatz, für alles, was du für mich getan hast. Danke für die Liebe, für all die gemeinsamen Jahre und für das wunderbare Lachen, das wir teilen. Wir sind schon ein Wahnsinns-Team, oder?
Sie waren gekommen. Sie waren wirklich gekommen.
Kylie Galen trat aus dem Speisesaal ins helle Sonnenlicht und schaute zum Büro des Shadow Falls Camps hinüber. Die Stimmen der anderen Campteilnehmer waren hier draußen fast nicht mehr zu hören. Dafür zwitscherten die Vögel, und ein lauer Sommerwind raschelte in den Bäumen. Aber eigentlich hörte sie nur ein Geräusch, nämlich ihr Herz, das in ihrem Brustkorb hämmerte.
Bumm. Bumm. Bumm.
Sie waren hier.
Ihr Puls raste beim Gedanken daran, die Brightens zu treffen – das Ehepaar, das ihren leiblichen Vater adoptiert und aufgezogen hatte. Ihren Vater, den sie vor seinem Tod nicht gekannt hatte – erst durch seine Besuche aus dem Jenseits hatte sie ihn kennengelernt und liebgewonnen.
Sie machte einen Schritt und dann noch einen, verunsichert durch den emotionalen Sturm, der in ihr tobte.
Aufregung.
Neugier.
Angst. Ja, viel Angst.
Aber wovor?
Ein Schweißtropfen rann an ihrer Augenbraue entlang. Sie schwitzte mehr vor Aufregung als von der texanischen Mittagshitze.
»Geh, und stell dich deiner Vergangenheit – dann wirst auch du deine Bestimmung finden!«
Die rätselhaften Worte der Todesengel spielten in einer Endlosschleife in ihrem Kopf. Sie machte noch einen Schritt und blieb dann stehen. Auch wenn sie sich danach sehnte, das Rätsel um ihren Vater und um sich selbst zu lösen, sagte ihr Instinkt ihr gerade, dass sie wegrennen und sich verstecken sollte.
Vor was fürchtete sie sich nur? Vor der Wahrheit?
Bis vor ein paar Monaten, ehe sie ins Shadow Falls Camp gekommen war, war sie davon ausgegangen, nur ein verwirrter Teenager zu sein. Sie hatte gedacht, das Gefühl, anders zu sein, wäre normal. Jetzt wusste sie es besser.
Sie war nicht normal.
Sie war nicht einmal menschlich. Zumindest nicht ausschließlich.
Und ihre nichtmenschliche Seite war ein Rätsel, das es noch zu lösen galt.
Vielleicht mit Hilfe der Brightens.
Sie machte noch einen Schritt. Der Wind, der genauso rastlos zu sein schien wie sie, wurde stärker und wehte ihr ein paar Strähnen ihres blonden Haares ins Gesicht.
Sie blinzelte kurz, dann war die Helligkeit der Sonne verschwunden. Sie sah zum Himmel, wo direkt über ihr eine riesige düstere Wolke die Sonne verdeckte. Der langgezogene Schatten der Wolke fiel bis über den Wald, der die Hütten umgab. Kylie fragte sich, ob das ein schlechtes Omen war. Ihr Herz schlug noch schneller. Sie atmete tief ein. Es roch nach Regen. Als sie noch einen Schritt wagen wollte, spürte sie plötzlich eine Hand an ihrem Ellenbogen. Die Erinnerung an eine andere Hand, die sie gepackt hatte, ließ plötzliche Panik in ihr aufsteigen.
Sie fuhr herum.
»Hola! Alles klar bei dir?«, fragte Lucas und lockerte sofort den Griff um ihren Arm.
Kylie blickte in seine unglaublich blauen Augen.
»Ja. Du … hast mich nur erschreckt. Du erschreckst mich immer. Vielleicht singst oder pfeifst du mal, wenn du dich das nächste Mal an mich ranschleichst.« Sie verdrängte den Gedanken an Mario und seinen kriminellen Vampir-Enkelsohn, Red.
»Sorry.« Sein Daumen bewegte sich in leichten kleinen Kreisen über ihre Armbeuge. Irgendwie fühlte sich diese leichte Berührung seiner Finger schon so … intim an. Wie machte er das nur, dass sich eine einfache Berührung wie eine bittersüße Sünde anfühlte? Ein Windstoß, der jetzt schon fast als Sturmböe durchging, fuhr ihm durch die schwarzen Haare und wehte sie ihm in die Stirn.
Er starrte sie immer noch an, der Blick aus seinen blauen Augen wärmte sie von innen und verscheuchte ihre Ängste. »Du siehst aber nicht so aus, als wäre alles okay. Was ist denn los?« Er strich ihr eine widerspenstige Haarsträhne hinters rechte Ohr.
Sie schaute zur Hütte mit den Büros. »Meine Großeltern … die Adoptiveltern meines leiblichen Vaters sind hier.«
Er musste ihren unterschwelligen Widerwillen bemerkt haben. »Ich dachte, du hast nach ihnen gesucht? Du wolltest sie doch treffen.«
»Das stimmt ja auch. Es ist nur …«
»Hast du Angst?«, fragte er.
Sie gab es nicht gern zu, aber da Werwölfe Angst riechen konnten, war lügen zwecklos. »Ja.« Sie schaute wieder Lucas an, und ein Lächeln umspielte seinen Mund. »Was ist daran so lustig?«
»Du«, antwortete er. »Ich werde aus dir einfach nicht schlau. Als du von einem blutrünstigen Vampir entführt wurdest, warst du nicht so verängstigt. Ganz im Gegenteil, du warst … großartig.«
Kylie lächelte. Nein, Lucas war großartig gewesen. Er hatte sein Leben aufs Spiel gesetzt, um sie aus den Fängen von Mario und Red zu retten. Das würde sie nie vergessen.
»Jetzt mal ehrlich, wenn es das Ehepaar ist, das hier vor ein paar Minuten angekommen ist, dann sind sie alt und nur Menschen. Ich denke, mit denen könntest du es sogar mit gefesselten Händen aufnehmen.«
»Ich hab gar nicht so eine Angst. Es ist nur …« Sie schloss die Augen für einen Moment und überlegte, wie sie ihm erklären konnte, worüber sie sich selbst noch nicht im Klaren war. Doch dann sprudelten die Worte einfach so aus ihr heraus: »Was soll ich ihnen denn nur sagen? ›Oh, ich weiß, ihr habt meinem Vater nie gesagt, dass er adoptiert ist, aber er hat es nach seinem Tod herausgefunden. Und dann hat er mich besucht. Ach ja, er war übrigens übernatürlich. Also, könnt ihr mir bitte sagen, wer seine leiblichen Eltern sind? Damit ich herausfinden kann, wer ich bin?‹«
Die Anspannung in ihrer Stimme musste ziemlich deutlich gewesen sein, denn sein Lächeln verschwand. Stattdessen sah er sie aufmunternd an. »Du wirst schon einen Weg finden.«
»Ja.« Sie wünschte, sie hätte seine Zuversicht. Sie gingen weiter. Seine Anwesenheit und seine Wärme beruhigten sie ein wenig, als sie gemeinsam die Treppe zum Büro hochgingen.
Er blieb neben ihr vor der Tür stehen und strich ihr über den Arm. »Willst du, dass ich mit dir reingehe?«
Sie hätte fast schon ja gesagt, aber diese Sache musste sie allein durchstehen.
Sie dachte, sie hätte Stimmen von drinnen gehört, und schielte zur Tür. Sie würde gar nicht allein sein. Holiday, die Campleiterin, wartete ganz sicher drinnen auf sie und würde sie durch ihre Feen-Berührung unterstützen und beruhigen. Normalerweise hatte Kylie etwas dagegen, dass ihre Gefühle beeinflusst wurden, aber heute würde sie eine Ausnahme machen.
»Danke, aber Holiday ist bestimmt da.«
Er nickte. Sein Blick wanderte zu ihren Lippen, und sein Gesicht kam ihrem gefährlich nahe. Aber kurz bevor sein Mund sich auf ihren senken konnte, überkam sie die vertraute Eiseskälte, die die Toten begleitete. Sie legte ihm zwei Finger auf die Lippen. Küssen war etwas, wofür sie lieber Privatsphäre hatte – das galt auch für Besuch aus dem Jenseits.
Obwohl – vielleicht lag es nicht nur an dem Besuch. War sie wirklich bereit, sich seinen Küssen hinzugeben? Das war eine gute Frage, die sie dringend für sich selbst beantworten musste. Aber eins nach dem anderen. Im Moment musste sie sich um die Brightens kümmern.
»Ich geh dann besser mal.« Sie machte eine Kopfbewegung zur Tür. Die Kälte legte sich wieder um sie. Na gut, sie musste sich um die Brightens und um einen Geist kümmern.
Lucas sah sie enttäuscht an. Dann trat er unruhig von einem Bein aufs andere, als spürte er, dass sie nicht alleine waren.
»Viel Glück.« Er zögerte noch kurz, ging dann aber davon.
Sie schaute ihm hinterher und sah sich dann nach dem Geist um. Ihre Arme waren von Gänsehaut überzogen. Dass sie Geister sehen konnte, war der erste Hinweis darauf gewesen, dass sie nicht normal war.
»Kann das nicht bis später warten?«, flüsterte sie.
Weiße Nebelschwaden erschienen bei den hölzernen Schaukelstühlen auf der Veranda. Der Geist hatte anscheinend nicht die Kraft oder ihm fehlte die Übung, sich sichtbar zu machen. Es reichte allerdings aus, um die weißen Schaukelstühle auf der hölzernen Veranda zum Wippen zu bringen. Das knarrende Geräusch hatte etwas Gespenstisches an sich … was ja auch stimmte.
Kylie wartete. Sie nahm an, dass es sich um den weiblichen Geist handelte, der am Morgen im Auto ihrer Mutter aufgetaucht war, als sie am Friedhof von Fallen vorbeigefahren waren. Wer war die Frau? Was wollte sie von Kylie? Leider gab es keine einfachen Lösungen, wenn es um Geister ging.
»Jetzt ist es echt unpassend.« Es war allerdings zwecklos, das zu sagen. Geister kamen und gingen, wie es ihnen gefiel.
Aus dem Nebel formte sich langsam eine Gestalt, und Kylie wurde plötzlich warm ums Herz.
Es war nicht die Frau, die sie morgens gesehen hatte.
»Daniel?« Kylie streckte eine Hand aus. Ihre Fingerspitzen drangen in den eisigen Nebel ein, während sich eine vertraute Figur daraus formte. Kylie spürte Liebe und Trauer in sich aufsteigen. Sie zog die Hand zurück, aber die Tränen waren nicht mehr aufzuhalten.
»Daniel?« Sie hätte ihn fast Daddy genannt. Aber es fühlte sich immer noch seltsam an. Sie beobachtete, wie er sich bemühte zu erscheinen.
Er hatte ihr einmal erklärt, dass seine Zeit als Geist auf der Erde begrenzt war. Als Kylie realisierte, wie begrenzt, traten ihr noch mehr Tränen in die Augen. Ihre Verlustangst verstärkte sich noch, als sie sich ausmalte, wie schwer es für ihn sein musste. Er wollte dabei sein, wenn sie seine Adoptiveltern kennenlernte. Und sie brauchte ihn hier – sie wünschte, er hätte ihr mehr über die Brightens erzählt –, und mehr als alles andere wünschte sie sich, dass er nicht gestorben wäre.
»Nein.« Er sagte nur dieses eine Wort – eindringlich.
»Nein, was?« Er antwortete nicht, oder er konnte nicht antworten. »Nein, ich soll sie nicht nach deinen leiblichen Eltern fragen? Aber das muss ich tun, Daniel. Nur so kann ich jemals die Wahrheit herausfinden.«
»Es ist nicht …« Seine Stimme brach ab.
»Nicht, was? Nicht wichtig?« Sie wartete auf seine Antwort, aber seine schwache Erscheinung verblasste immer mehr, und die Geisterkälte ließ nach. Die weißen Schaukelstühle bewegten sich nicht mehr, und Stille legte sich um sie.
»Für mich ist es wichtig«, sagte Kylie schnell. »Ich brauche …« Aber die Texas-Hitze verscheuchte die wabernde Kälte.
Er war weg. Kylie kam der schlimme Gedanke, dass er vielleicht niemals wiederkommen könnte. »Das ist nicht fair.« Sie wischte schnell die Tränen von ihrer Wange.
Wieder verspürte sie den Drang, wegrennen zu wollen. Aber sie hatte schon lange genug gezögert. Sie griff nach der Türklinke und ging hinein, um die Brightens kennenzulernen.
Kylie hörte ein leises Murmeln, das vom Konferenzzimmer zu kommen schien. Sie versuchte ihre Ohren für die Geräusche zu sensibilisieren, versuchte, etwas zu verstehen. Aber es funktionierte nicht.
Seit ein paar Wochen hatte sie übernatürliche Hörfähigkeiten entwickelt. Allerdings kam und ging die Gabe bei ihr. Was hatte sie von einer Fähigkeit, wenn sie nicht wusste, wie und wann sie sie benutzen konnte? Das verstärkte nur ihr Gefühl, dass alles in ihrem Leben außer Kontrolle war.
Sie biss sich auf die Unterlippe und betrat den Gang mit einem klaren Ziel vor Augen: Sie wollte Antworten. Wer waren Daniels leibliche Eltern? Was war sie selbst?
Sie hörte, wie Holiday sagte: »Ich bin sicher, sie werden sie lieben.«
Kylies Schritte verlangsamten sich. Lieben?
War das nicht ein wenig übertrieben? Es reichte doch, wenn sie sie mochten. Das war doch völlig in Ordnung. Jemanden zu lieben war … kompliziert. Sogar jemanden sehr zu mögen hatte schon so seine Schattenseiten. Wie zum Beispiel bei einem gewissen Typen, der Halbfee war und beschlossen hatte, dass es zu schwer für ihn war, ihr nahe zu sein … Also hatte er sich aus dem Staub gemacht.
Tja, Derek war in der Tat ein Beispiel für die Schattenseiten des Jemanden-zu-sehr-Mögens. Und er war mit ziemlicher Sicherheit auch der Grund dafür, dass sie noch zögerte, sich Lucas’ Küssen hinzugeben.
Eins nach dem anderen. Sie schob den Gedanken beiseite und trat durch die offene Tür zum Besprechungszimmer.
Der ältere Mann saß mit ineinanderverschränkten Händen am Tisch. »Was für Ärger hat sie denn gehabt?«
»Was meinen Sie damit?« Holiday sah zur Tür und strich sich eine Strähne ihrer roten Haare aus dem Gesicht.
Der alte Mann erklärte: »Wir haben im Internet etwas über das Shadow Falls Camp gelesen. Da stand, es wäre ein Ort für schwierige Jugendliche.«
Na ganz toll! Daniels Eltern hielten sie für einen Problem-Teenager.
»Sie sollten nicht alles glauben, was Sie im Internet lesen.« In Holidays Stimme schwang nun eine leise Verärgerung mit. »Eigentlich sind wir eine Schule für Jugendliche mit besonderen Begabungen, die versuchen, sich selbst zu finden.«
»Bitte sagen Sie uns, dass es nicht um Drogen geht«, schaltete sich die grauhaarige Frau ein, die neben dem Mann am Tisch saß. »Ich bin nicht sicher, ob ich damit umgehen könnte.«
»Ich bin keine Drogensüchtige«, platzte Kylie heraus. Plötzlich konnte sie Della verstehen. Ihre Vampir-Mitbewohnerin wurde auch ständig von ihren Eltern verdächtigt, Drogen zu nehmen. Alle Blicke richteten sich jetzt auf Kylie.
»Oje«, sagte die Frau entschuldigend. »Ich wollte dir nicht zu nahetreten.«
Kylie ging auf den Tisch zu. »Sie sind mir nicht zu nahegetreten. Ich wollte es nur klarstellen.« Sie begegnete dem Blick der Frau und schaute dann den Mann an, als suchte sie … nach was eigentlich? Vielleicht nach einer Ähnlichkeit. Warum? Sie wusste doch, dass es nicht Daniels leibliche Eltern waren. Aber sie hatten ihn großgezogen und ihm wahrscheinlich ihre Werte und Vorstellungen vermittelt.
Kylie dachte an Tom Galen, ihren Stiefvater, der sie großgezogen hatte und von dem sie bis vor kurzem gedacht hatte, dass er ihr wirklicher Vater war. Auch wenn Kylie noch nicht ganz damit klarkam, dass er nach siebzehn Jahren Ehe ihre Mutter verlassen hatte, konnte sie doch nicht leugnen, dass einiges von seiner Erziehung hängengeblieben war. Allerdings gab es deutlich mehr Dinge, die sie offensichtlich von Daniel geerbt hatte – von ihrer Übernatürlichkeit bis zu ihrem Aussehen.
»Wir haben nun mal gelesen, dass es ein Camp für schwierige Jugendliche ist«, wiederholte der alte Mann, und es klang wie eine Entschuldigung.
Daniel hatte Kylie erzählt, dass seine Adoptiveltern ihn sehr geliebt hatten und dass sie Kylie genauso gemocht hätten, wenn sie sie gekannt hätten.
Liebe. Gefühle kamen in ihr hoch. Kylie versuchte, die Empfindung einzuordnen, und sie musste an ihre Oma denken – die Mutter ihrer Mom –, wie lieb sie sie gehabt hatte und wie schmerzhaft es gewesen war, sie zu verlieren. Lag es vielleicht daran, dass die Brightens schon so alt waren – dass ihre Zeit irgendwie begrenzt war? Hatte Kylie deshalb das Bedürfnis, sich von ihnen zu distanzieren?
Als ob ihre Gedanken an den Tod es ausgelöst hätten, legte sich plötzlich wieder Geisterkälte über den Raum. Daniel? Kylie rief in Gedanken nach ihm, aber die prickelnde Kälte auf ihrer Haut fühlte sich anders an.
Frostige Luft drang in Kylies Lunge, und der Geist erschien hinter dem Stuhl von Mrs Brighten. Die Gestalt sah weiblich aus, aber auf ihrem kahlen Kopf spiegelte sich das Deckenlicht. Eine blutige Naht zog sich über die nackte Kopfhaut. Bei dem Anblick zuckte Kylie zusammen.
»Wir machen uns doch nur Sorgen«, erklärte Mr Brighten. »Wir wussten ja bisher gar nichts von deiner Existenz.«
»Ich … verstehe«, antwortete Kylie. Sie konnte den Blick nicht von dem Geist abwenden, der das ältere Ehepaar verwirrt anstarrte.
Kylie erkannte das Gesicht des Geistes wieder, es war die Frau vom Vormittag. Anscheinend waren ihr rasierter Kopf und die Naht ein Hinweis für Kylie. Aber worauf?
Der Geist schaute Kylie an. »Ich bin so verwirrt.«
Ich auch, dachte Kylie. Sie hatte keine Ahnung, ob die Frau ihre Gedanken lesen konnte wie die anderen Geister.
»So viele Leute wollen, dass ich dir etwas ausrichte.«
»Wer denn?« Kylie merkte zu spät, dass sie die Worte nicht gedacht, sondern geflüstert hatte, und biss sich auf die Lippen. War es Daniel? Oder Oma? Was sollst du mir denn ausrichten?
Der Geist schien sie verstanden zu haben, denn er antwortete: »Jemand wird leben … aber jemand anderes muss sterben.«
Schon wieder ein Rätsel, dachte Kylie und löste ihren Blick von dem Geist. Holiday schaute sich nach dem Geist um, den sie offensichtlich spürte. Mrs Brighten suchte an der Decke nach einer Klimaanlage, die für die frostigen Temperaturen verantwortlich sein konnte. Doch glücklicherweise verschwand der Geist wieder und mit ihm die Kälte.
Kylie verdrängte das Geisterproblem und versuchte, sich auf die Brightens zu konzentrieren. Der Mann hatte dichtes, weißes Haar und von seiner blassen Haut schloss sie, dass er früher rothaarig gewesen sein musste.
Aus irgendeinem Grund hatte Kylie das Bedürfnis, mit den Augenbrauen zu zucken, um das Gehirnmuster der beiden zu checken. Diesen kleinen übernatürlichen Trick hatte sie selbst erst vor kurzem gelernt. Er half Übernatürlichen, sich gegenseitig zu erkennen und von Menschen zu unterscheiden. Mr und Mrs Brighten waren Menschen.
Normale Menschen und wahrscheinlich anständige Leute. Also, warum war Kylie nur so verdammt nervös?
Sie und Daniels Adoptiveltern betrachteten sich gegenseitig. Kylie erwartete, dass sie etwas sagen würden, wie etwa, dass sie Daniel sehr gemocht hatten. Aber das taten sie nicht.
Stattdessen sagte Mrs Brighten: »Wir freuen uns wirklich sehr, dich kennenzulernen.«
»Ich mich auch«, erwiderte Kylie. Und ich mache mir vor Angst in die Hosen. Sie nahm neben Holiday Platz. Unter dem Tisch suchte sie nach Holidays Hand und drückte sie fest. Ein willkommenes Gefühl von Ruhe durchströmte sie.
»Können Sie mir etwas über meinen Vater erzählen?«, fragte Kylie.
»Aber natürlich.« Mrs Brightens Gesichtsausdruck wurde weich. »Er war ein sehr charismatisches Kind. Er war beliebt. Klug. Freundlich.«
Kylie legte ihre freie Hand auf den Tisch. »Also nicht so wie ich.« Sie biss sich auf die Zunge. Das hatte sie eigentlich nicht laut sagen wollen.
Mrs Brighten schüttelte den Kopf. »Das würde ich nicht sagen. Deine Campleiterin hat uns gerade erzählt, wie toll du bist.« Sie fasste über den Tisch und legte ihre warme Hand auf Kylies. »Ich kann es immer noch nicht glauben, dass wir eine Enkeltochter haben.«
Etwas in der Berührung der Frau weckte Gefühle in Kylie. Es war nicht nur die Wärme der Haut – auch die Tatsache, dass die Haut so dünn war, das leichte Zittern der Finger. Die deutlich sichtbaren Knochen, die von der Zeit gezeichnet waren. Das erinnerte Kylie an ihre Oma – daran, wie die Berührung ihrer Großmutter immer zerbrechlicher wurde, bevor sie gestorben war. Wie aus dem Nichts drohte die Trauer Kylie zu übermannen. Trauer um ihre Oma und vielleicht schon eine Vorahnung darauf, was sie fühlen würde, wenn Daniels Eltern sterben würden. Und wenn man ihr Alter bedachte, konnte das nicht mehr allzu lange hin sein.
»Wann hast du denn erfahren, dass Daniel dein Vater ist?« Mrs Brightens Hand lag immer noch auf Kylies. Es fühlte sich irgendwie tröstend an.
»Erst vor kurzem«, brachte sie mühsam hervor. »Meine Eltern lassen sich scheiden, und da ist die Wahrheit irgendwie ans Licht gekommen.« Das war nicht wirklich gelogen.
»Sie lassen sich scheiden? Du armes Kind.«
Der alte Mann nickte zustimmend, und Kylie sah, dass seine Augen blau waren – wie die ihres Dads und wie ihre eigenen. »Wir sind froh, dass du beschlossen hast, uns zu suchen.«
»Ja, das sind wir.« Die Stimme von Mrs Brighten zitterte leicht. »Wir haben nie aufgehört, unseren Sohn zu vermissen. Er ist so jung gestorben.« Das Gefühl von Verlust und gemeinsamer Trauer hing im Raum.
Kylie biss sich auf die Zunge, um ihnen nicht zu erzählen, wie auch sie Daniel liebgewonnen hatte. Und dass Daniel seine Eltern geliebt hatte. Es gab so viele Dinge, die sie ihnen gern erzählen und sie gern fragen würde, aber es ging nicht.
»Wir haben Fotos mitgebracht«, sagte Mrs Brighten.
»Von meinem Vater?« Kylie war aufgeregt.
Mrs Brighten nickte und beugte sich mit langsamen Bewegungen zu ihrer Alte-Damen-Handtasche, die an der Stuhllehne hing. Kylies Herz klopfte schnell, als Mrs Brighten einen braunen Umschlag hervorholte. Ob Daniel ihr wohl ähnlich gesehen hatte, als er jung war?
Die Frau überreichte ihr den Umschlag, und Kylie öffnete ihn hastig.
Sie schluckte, als sie das erste Bild sah – ein sehr junger Daniel, vielleicht sechs Jahre alt, mit Zahnlücken. Sie dachte an ihre eigenen Fotos aus der Grundschulzeit, und sie hätte schwören können, dass sie sich extrem ähnlich sahen.
Die Fotos nahmen sie mit auf eine Reise durch Daniels Leben – von der Zeit, als er ein Teenager war, mit langen Haaren und ausgefransten Jeans, bis zum erwachsenen Daniel.
Auf dem letzten Bild war er mit einer Gruppe von Leuten abgebildet. Kylie stockte der Atem, als sie sah, wer neben ihm stand. Ihre Mutter.
Ihr Blick schnellte nach oben. »Das ist meine Mom.«
Mrs Brighten nickte. »Ja, das wissen wir.«
»Wirklich?« Kylie war verwirrt. »Ich dachte, Sie hätten sie nie getroffen?«
»Wir haben es uns zusammengereimt«, schaltete sich Mr Brighten ein. »Nachdem wir von dir erfahren haben, haben wir uns gedacht, dass es wahrscheinlich die Frau auf dem Foto war.«
»Oh.« Kylie schaute wieder das Bild an und fragte sich, wie sie das alles aus einem Foto geschlossen hatten. Aber das war nicht so wichtig. »Kann ich die behalten?«
»Natürlich kannst du das«, antwortete Mrs Brighten. »Ich habe Abzüge davon gemacht. Daniel hätte gewollt, dass du sie bekommst.«
Ja, das hätte er. Kylie musste daran denken, wie er vorher versucht hatte, sie zu besuchen, als hätte er ihr etwas sehr Wichtiges zu sagen. »Meine Mom hat ihn geliebt.« Kylie erinnerte sich an die Sorge ihrer Mutter, dass die Brightens es ihr übelnehmen würden, dass sie nicht früher nach ihnen gesucht hatte. Aber sie schienen keinen Groll zu hegen.
»Da bin ich mir sicher.« Mrs Brighten berührte wieder Kylies Hand. Wärme und echte Zuneigung lagen in der Berührung. Es fühlte sich beinahe … magisch an.
Das plötzliche Piepen von Kylies Handy platzte in die sensible Stille hinein. Sie fühlte sich fast schon hypnotisiert von Mrs Brightens Blick und ignorierte die SMS. Dann, aus einem Grund, den Kylie nicht verstand, schloss sie Mrs Brighten ins Herz.
Vielleicht wollte sie, dass die beiden sie liebhatten. Vielleicht wollte sie dasselbe für sie empfinden. Es machte ihr nichts aus, dass ihnen nicht mehr so viel Zeit zusammen blieb. Oder dass sie nicht ihre leiblichen Großeltern waren. Sie hatten ihren Vater geliebt und ihn verloren. Genau wie Kylie. Es schien ihr nur richtig, dass sie sich nahestanden.
Was hatte ihr Daniel nur versucht zu sagen? Kylie warf einen letzten Blick auf die Fotos und schob sie dann in den Umschlag zurück – in der Gewissheit, dass sie später Stunden damit verbringen würde, sie zu betrachten.
Kylies Handy klingelte. Als sie es ausschalten wollte, sah sie Dereks Namen auf dem Display. Ihr Herz schlug schneller. Wollte er sich bei ihr entschuldigen, dass er weggegangen war? Wollte sie, dass er sich entschuldigte?
Ein anderes Handy klingelte. Diesmal war es Holidays.
»Entschuldigen Sie mich.« Holiday stand auf und wollte den Raum verlassen, das Handy schon am Ohr. Bei der Tür blieb sie abrupt stehen. »Moment, immer mit der Ruhe«, sagte sie ins Telefon. Die Anspannung in ihrer Stimme veränderte die Stimmung im Raum schlagartig. Holiday drehte sich wieder herum und ging auf Kylie zu.
»Was ist los?«, fragte Kylie leise.
Holiday drückte Kylies Schulter mit einer Hand und klappte ihr Handy zu. Sie richtete ihren Blick auf die Brightens. »Es gibt einen Notfall, wir müssen den Termin verschieben.«
»Was ist denn passiert?«, wollte Kylie wissen.
Holiday gab keine Antwort. Kylie sah in die enttäuschten Gesichter der Brightens und spürte, wie sich auch in ihr Enttäuschung breitmachte. »Können wir nicht …«
»Nein«, sagte Holiday bestimmt. »Ich muss Sie leider bitten zu gehen. Sofort.«
Der eindringliche Tonfall der Campleiterin wurde noch unterstrichen von dem knarrenden Geräusch der sich öffnenden Hüttentür und dem Krachen, als sie ins Schloss geworfen wurde. Das ältere Ehepaar zuckte zusammen und starrte die Tür an, während sich donnernde Schritte dem Besprechungsraum näherten.
Drei Minuten später stand Kylie auf dem Parkplatz und sah zu, wie der silberne Cadillac der Brightens davonfuhr. Sie drehte sich zu Della und Lucas um, die kurz zuvor ins Büro gestürmt waren und das Treffen mit ihren Großeltern unterbrochen hatten. Perry war auch dabei gewesen, aber er hatte sich anscheinend schon wieder aus dem Staub gemacht. Holiday, die ihnen nach draußen gefolgt war, telefonierte.
»Würde mir bitte mal jemand sagen, was hier los ist?« Kylie hatte das Gefühl, dass ihre Chance, mehr über ihren Vater zu erfahren, sich gerade in Luft auflöste. Ihr fiel plötzlich auf, dass sie immer noch den braunen Umschlag mit den Fotos von Daniel umklammert hielt, und sie drückte ihn noch fester an sich.
»Mach dir mal nicht ins Hemd. Wir passen nur auf dich auf.« Die Spitzen von Dellas Eckzähnen erschienen in ihren Mundwinkeln. Ihre dunklen, schmalen Augen und ihr glattes schwarzes Haar deuteten auf ihre chinesische Abstammung hin.
»Wieso passt ihr auf mich auf?«
»Derek hat angerufen.« Holiday klappte ihr Handy zu und trat zu ihnen. »Er macht sich Sorgen.« Ihr Telefon klingelte wieder, und nach einem Blick auf das Display hob sie einen Zeigefinger. »Sorry, nur eine Minute.«
Kylie ging langsam die Geduld aus, und sie schaute Della und Lucas vorwurfsvoll an. »Was ist los?«
Lucas meldete sich zu Wort. »Burnett hat uns angerufen und uns gebeten, die Besucher wissen zu lassen, dass wir da sind.« Ihre Blicke trafen sich, und Kylie sah Sorge in seinen blauen Augen.
Burnett, ein Vampir Mitte dreißig, arbeitete für die FRU – die Fallen Research Unit – eine Einheit des FBI, deren Job es war, sich um die Angelegenheiten der Übernatürlichen zu kümmern. Er war außerdem einer der Teilhaber des Shadow Falls Camps. Wenn Burnett eine Anweisung gab, duldete er keine Widerworte. Und in der Regel bekam er auch keine.
»Wieso denn? Ich hab doch noch Fragen an sie gehabt.« Kylie überkam plötzlich die Erinnerung an die Berührung von Mrs Brighten – zärtlich, aber auch zerbrechlich. Sie war verärgert.
»Burnett gibt selten Gründe an«, erwiderte Della. »Er gibt einfach Befehle.«
Kylie schielte zu Holiday rüber, die immer noch telefonierte. Sie sah beunruhigt aus, und Kylie spürte zusätzlich zu all ihren eigenen auch noch Holidays Sorgen.
»Ich versteh das nicht.« Sie bemühte sich, den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken.
Lucas stellte sich neben sie. So nah, dass sie seinen Duft wahrnahm – es roch nach einem Morgen im Wald, wenn der Tau noch in den Blättern glitzert.
Er hob die Hand, als wollte er sie nach ihr ausstrecken, ließ sie aber schnell wieder sinken. Ein Stich der Enttäuschung durchfuhr sie.
Holiday beendete das Telefonat. »Das war Burnett.« Sie ging zu ihnen und legte eine Hand auf Kylies Schulter.
Kylie wollte nicht beruhigt werden; sie wollte Antworten. Deshalb schob sie die Hand der Campleiterin beiseite. »Sag mir einfach, was los ist. Bitte.«
»Derek hat angerufen«, rückte Holiday endlich heraus. »Er ist zu dem Privatdetektiv gegangen, der dir geholfen hat, deine Großeltern zu suchen, und hat ihn bewusstlos in seinem Büro gefunden. Das Handy des Mannes lag auf dem Boden, und es war Blut daran. Kurz gesagt, Derek glaubt nicht, dass es der Privatdetektiv war, der dir die SMS über deine Großeltern geschickt hat. Er hat Burnett angerufen, der jetzt gerade dort ist.«
Kylie versuchte zu verstehen, was ihr Holiday sagen wollte. »Aber wenn mir nicht der Detektiv die SMS geschrieben hat, wer denn dann?«
Holiday zuckte mit den Schultern. »Das wissen wir nicht.«
»Derek könnte falschliegen«, wandte Lucas ein, und in seiner Stimme schwang deutliche Abneigung gegenüber Derek mit, der Halbfee war.
Kylie ignorierte Lucas und versuchte zu begreifen, was Holiday andeutete. »Also … Derek und Burnett denken, dass Mr und Mrs Brighten Betrüger waren?«
Holiday nickte. »Wenn Derek recht hat und die SMS von derselben Person geschickt wurde, die den Detektiv niedergeschlagen hat, dann ist es naheliegend, dass die beiden aus einem anderen Grund hergeschickt wurden.«
»Aber es waren Menschen«, beharrte Kylie. »Ich habe es überprüft.«
»Auf jeden Fall Menschen«, stimmte Della zu.
»Ich weiß«, sagte Holiday, »deshalb hab ich sie auch nicht festgehalten und zur Rede gestellt. Ich will auf jeden Fall vermeiden, dass Shadow Falls noch mehr Aufmerksamkeit erregt. Schon jetzt sitzen uns die Anwohner im Nacken. Aber nur weil sie Menschen sind, heißt das ja noch nicht, dass sie nicht für jemanden arbeiten. Jemand Übernatürlichen.«
Kylie wusste, dass Holiday mit »jemand« Mario Esparza meinte, den Großvater des abtrünnigen Vampirs, der Kylie davon hatte überzeugen wollen, seine Freundin zu werden.
Für den Bruchteil einer Sekunde sah Kylie wieder die zwei jungen Mädchen vor sich, die sie in der Stadt getroffen hatten. Die zwei, die von Red, dem Enkel von Mario Esparza, ermordet worden waren. Wut stieg in ihr auf.
»Aber sie haben mir doch die Fotos mitgebracht.« Sie hielt den Umschlag in die Höhe.
Holiday nahm den Umschlag und schaute die Bilder schnell durch. Kylie hatte das Bedürfnis, sie ihr aus der Hand zu reißen und an sich zu nehmen, als wäre Holidays Handeln irgendwie respektlos. »Da sind gar keine Familienfotos dabei. Man sollte doch meinen, dass die Eltern auf einem der Fotos mit drauf sein sollten.«
Kylie nahm die Fotos und steckte sie wieder in den Umschlag. Sie konnte nicht glauben, was Holiday andeuten wollte. Dann fiel ihr etwas ein. »Aber was, wenn es doch meine Großeltern waren und derjenige, der bei dem Detektiv war, es jetzt auf sie abgesehen hat?« Sie dachte an die Zerbrechlichkeit der alten Frau. Das wenige Leben, das die Frau noch übrig hatte, konnte ihr ganz leicht genommen werden.
Kylie wurde das Herz schwer. Hatte sie Daniels Eltern in Gefahr gebracht, weil sie nach ihnen gesucht hat? War es das, was Daniel versucht hatte, ihr zu sagen? Sie spürte Lucas’ Blick auf sich, als ob er ihr Trost spenden wollte.
Holiday meldete sich wieder zu Wort: »Ich sehe keinen Grund, warum jemand sie da mit hineinziehen sollte. Aber für alle Fälle ist ihnen Perry gefolgt. Wenn jemand versuchen sollte, ihnen etwas anzutun, wird er sich darum kümmern.«
»Ja, Perry kann ordentlich austeilen, wenn er will«, fügte Della hinzu.
»Und ich bin sicher, der Privatdetektiv hat hundert verschiedene Fälle, an denen er arbeitet«, wandte Lucas ein. »Dass er angegriffen wurde, heißt noch lange nicht, dass das etwas mit Kylie zu tun hat. Es könnte auch mit einem anderen Fall zusammenhängen. Privatdetektive bringen dauernd Leute gegen sich auf.«
»Das stimmt«, gab Holiday zu. »Aber Burnett war so besorgt, dass er die Brightens so schnell wie möglich aus dem Camp haben wollte. Wir müssen vorsichtig sein.«
Kylies Gedanken schweiften zu Perry und der Tatsache, dass er es war, der den Brightens folgte. »Was war Perry, als er ihnen hinterher ist?«
Das letzte Mal, als sie Perry in einer verwandelten Form gesehen hatte, war er eine Art Flugeidechse gewesen, die aussah, als wäre sie aus Jurassic Park entflohen. Wobei das noch besser war als der riesige Löwe oder das Einhorn, in die er sich zuvor verwandelt hatte. Ach, verdammt! Wenn Perry nicht aufpasste, würden die alten Leute wegen ihm noch einen Herzinfarkt erleiden.
»Mach dir keine Sorgen«, beruhigte sie Holiday, »Perry würde nichts Dummes tun.«
Miranda stieß genau in diesem Moment zur Gruppe. »Also bitte, Perry und etwas Dummes tun gehören zusammen wie Kröten und Warzen«, kommentierte sie und schnickte sich eine dreifarbige Haarsträhne über die Schulter, als wollte sie ihre Aussage damit unterstreichen.
Miranda war eine von sieben Hexen in Shadow Falls und außerdem Kylies Mitbewohnerin. Mirandas bissigem Tonfall zufolge war sie noch nicht bereit, Perry zu verzeihen. Er hatte ziemlich uncool reagiert, als ein anderer Gestaltwandler Miranda geküsst hatte … und das, wo sie sich doch entschuldigt hatte. Miranda ließ den Blick über die Gruppe schweifen.
»Was?«, fragte sie. »Stimmt was nicht?« Sie sah plötzlich beunruhigt aus, was bewies, dass sie trotz ihres Grolls noch etwas für den Gestaltwandler empfand. »Geht es Perry gut? Jetzt sagt schon.« Sie angelte nervös nach einer pinken Haarsträhne und wickelte sie um einen Finger.
»Perry geht es gut«, sagten Holiday und Kylie wie aus einem Mund. Kylie dachte immer noch über die Sache mit den Brightens nach – ob es wirklich die Brightens gewesen waren oder nicht.
Sie wandte sich an Holiday: »Was hätte denn jemand davon, sich für meine Großeltern auszugeben?«
»Na, einen Zugang zu dir«, meinte Holiday.
»Aber sie sind mir so echt vorgekommen.« Und da fiel es Kylie wieder ein. »Nein. Sie können keine Betrüger gewesen sein. Ich … habe die Todesengel gesehen. Sie haben mir eine Nachricht geschickt.«
»O shit«, murmelte Della. Sie und Miranda wichen hastig einen Schritt zurück. Lucas riss die Augen auf, bewegte sich aber nicht von der Stelle.
Die Legende besagte, dass die Todesengel eine Art Rächer waren, die Strafen erteilten und die Übernatürlichen damit auf dem rechten Pfad hielten. Fast jeder Übernatürliche kannte einen Freund eines Freundes, der sich danebenbenommen hatte und dann von einem rachedurstigen Todesengel in die Mangel genommen worden war.
Kylie spürte zwar die Macht dieser Engel, aber sie war sich nicht sicher, ob deren grausamer Ruf nicht ein wenig übertrieben war. Aber sie hatte bestimmt nicht vor, es auszuprobieren. Immerhin war sie auch nicht gerade frei von Fehlern, und bisher war sie noch nicht von Todesengeln flambiert worden. Sie konnte sich deshalb nicht vorstellen, dass die Gerüchte der Wahrheit entsprachen.
»Was denn für eine Nachricht?« Holidays Tonfall war frei von Unbehagen. Die Campleiterin, die auch Geister sehen konnte, war eine der wenigen, die keine panische Angst vor den Todesengeln hatten.
»Da waren so Schatten … an der Wand im Speisesaal …«
»Als wir da drin waren?«, rief Della entsetzt. »Und du hast uns nicht gewarnt?«
Kylie ignorierte Dellas Einwand. »Ich hab Stimmen in meinem Kopf gehört, die mir gesagt haben, dass ich meine Bestimmung finden werde. Warum sollte ich so eine Nachricht erhalten, wenn das nicht meine Großeltern waren?«
»Gute Frage«, stimmte Holiday zu. »Aber vielleicht haben sie nur gemeint, dass dich die Situation zur Wahrheit führen wird.«
»Sie hätte uns warnen müssen«, flüsterte Della Miranda zu.
Kylie dachte daran, wie beunruhigt Daniel gewesen war, als er aufgetaucht war, und wie wenig er ihr nur gesagt hatte. Sollte sie ihn etwa völlig missverstanden haben? War er gekommen, um sie zu warnen, dass das Ehepaar nicht seine Adoptiveltern waren? Zweifel keimte in ihr auf, und sie wusste nicht mehr, was sie glauben sollte.
Kylie holte tief Luft. Da fiel ihr noch etwas anderes ein: »Wie geht es denn dem Privatdetektiv?«
»Keine Ahnung.« Holidays Blick verfinsterte sich. »Burnett hat gesagt, dass Derek gerade bei ihm im Krankenhaus ist. Burnett untersucht immer noch den Tatort.«
Plötzlich in Sorge um Derek, zog Kylie ihr Handy aus der Tasche und wählte seine Nummer.
Er ging nicht dran, und sie fragte sich, ob er es nur nicht hörte oder ob er wieder mal nicht mit ihr reden wollte. Sie wieder aus seinem Leben ausschloss.
Männer!
Warum meinten Männer eigentlich immer, dass Frauen so schwer zu verstehen sind? Bei ihr hatte es bisher jeder Typ, mit dem sie näher zu tun hatte, geschafft, sie völlig zu verwirren.
Während sich die anderen unterhielten, schlich sich Kylie davon und setzte sich unter ihren Lieblingsbaum hinter der Bürohütte. Sie öffnete den Umschlag und sah sich die Fotos von Daniel noch einmal in Ruhe an. Sie bemerkte dabei viele Kleinigkeiten, wie das Aufblitzen seiner Augen, wenn er lachte, oder die Art, wie seine Haare sich an den Enden wellten, wenn er sie länger trug. Sie sah so viel von sich selbst in ihm, und ihr wurde das Herz schwer, so sehr vermisste sie ihn.
Als sie das Foto von ihm und ihrer Mutter in der Hand hielt, musste Kylie lächeln. Wie er ihre Mutter ansah, und wie sie ihn ansah – das war Liebe. Kylie hatte das Bedürfnis, gleich ihre Mutter anzurufen und ihr von dem Foto zu erzählen, aber in Anbetracht dessen, was Holiday und die anderen vermuteten, wollte sie lieber noch etwas damit warten. Hoffentlich aber nicht zu lange.
»Hey.«
Lucas’ Stimme riss sie aus ihren Gedanken, und sie lächelte. »Hi.«
»Kann ich dir ein bisschen Gesellschaft leisten?«
»Klar, ich teile meinen Baum gern mit dir.« Sie rutschte ein wenig zur Seite.
Er ließ sich neben ihr nieder und musterte sie eingehend. Seine Schulter lag warm an ihrer, und sie genoss seine Nähe. »Du siehst irgendwie glücklich, traurig und verwirrt zugleich aus.«
»Ich bin total durcheinander. Die zwei waren so nett und … ich weiß einfach nicht, was ich jetzt glauben soll. Wie kommen sie nur an diese Bilder, wenn sie nicht wirklich die Brightens sind?«
»Vielleicht haben sie sie gestohlen«, überlegte Lucas.
Seine Worte schmerzten, aber Kylie wusste, dass er recht haben könnte. Aber warum sollte jemand so weit gehen, nur um ihr vorzugaukeln, Daniels Eltern zu sein?
Er schaute auf das Foto in ihrer Hand. »Kann ich mal sehen?«
Sie nickte und reichte ihm den Stapel mit Fotos.
Er schaute sie sich langsam durch. »Das muss seltsam für dich sein, jemanden auf den Bildern zu sehen, dem du so ähnlich siehst und den du gar nicht kennst.«
Sie hob den Kopf. »Aber ich kenne ihn doch.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Ich meine … persönlich.«
Sie nickte. Sie konnte zwar nachvollziehen, dass es schwer war, die Sache mit den Geistern zu verstehen, aber sie wünschte sich trotzdem, dass er es versuchte.
»Burnett wird der Sache auf den Grund gehen.« Sein Blick glitt zu ihren Lippen. Für einen Moment dachte sie, er würde sie küssen, aber stattdessen setzte er sich ruckartig auf und schaute zum Waldrand.
Fredericka kam hinter einem Busch hervor und starrte die beiden finster an. »Das Rudel wartet schon auf dich.«
Lucas sah genervt aus. »Ich bin gleich da.«
Sie bewegte sich nicht von der Stelle und starrte die beiden weiter an. »Sie sollten nicht auf ihren Anführer warten müssen.«
Lucas knurrte: »Ich hab doch gesagt, ich bin gleich da.«
Fredericka machte widerwillig auf dem Absatz kehrt, und Lucas schaute Kylie an. »Tut mir leid. Ich glaub, ich muss gehen.«
»Ist was passiert?«, fragte Kylie, die spürte, dass ihn etwas belastete.
»Nichts, mit dem ich nicht umgehen könnte.« Er drückte ihr schnell einen Kuss auf die Lippen und gab ihr die Fotos zurück.
»Ist bei dir alles okay?«, fragte Holiday, als Kylie wieder bei der Veranda des Büros ankam.
Kylie ließ sich schwerfällig in einen der großen weißen Schaukelstühle fallen. Den Umschlag legte sie auf den kleinen Beistelltisch zwischen den Stühlen. Die stickige Hitze schien förmlich an ihrer Haut zu kleben. »Ich komm schon klar.« Sie seufzte. »Glaubst du wirklich, dass das Betrüger waren?«
Holiday saß in dem anderen Schaukelstuhl. Ihre roten Haare fielen ihr lose um die Schultern. »Ich weiß es nicht. Aber Burnett wird keine Ruhe geben, bis er der Sache auf den Grund gegangen ist. Er fühlt sich schuldig, dass er nicht besser aufgepasst und zugelassen hat, dass Mario dich kidnappen konnte. Ich kann mir vorstellen, dass er dich wegen der Sache jetzt nicht mehr aus den Augen lässt.«
»Aber er konnte doch nicht ahnen, was der Typ vorhatte«, meinte Kylie.
»Ich weiß das. Du weißt das. Aber Burnett hat so einen Tick, sich selbst gegenüber immer zu hart zu sein.«
»Ist das vielleicht bei allen Vampiren so?« Kylie dachte an Della und den ganzen emotionalen Ballast, den sie mit sich herumschleppte.
»Eigentlich nicht«, erwiderte Holiday. »Du wärst erstaunt, wie viele Vampire es gibt, die sich weigern, überhaupt irgendeine Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Bei denen ist immer jemand anders schuld.«
Kylie hätte fast gefragt, ob Holiday sich auf einen bestimmten Vampir bezog, der ihr in der Vergangenheit das Herz gebrochen hatte. Aber ihre Gedanken waren schon wieder bei den Brightens. »Du warst doch auch da. Hast du ihre Gefühle lesen können? Waren sie nicht aufrichtig? Ich hab mich irgendwie … mit ihnen verbunden gefühlt.«
Holiday neigte nachdenklich den Kopf zur Seite. »Sie waren sehr zurückhaltend, fast zu sehr, aber … ja, ihre Emotionen schienen aufrichtig zu sein. Besonders bei Mrs Brighten.«
»Also, wie können sie dann …«
»Das Lesen von Gefühlen ist nie hundertprozentig sicher«, unterbrach sie Holiday. »Emotionen können verborgen oder sogar vorgetäuscht werden.«
»Auch von Menschen?«
»Menschen sind besonders gut darin. Besser als Übernatürliche. Ich hab mir schon überlegt, ob sie deshalb so hart daran arbeiten, ihre Gefühle zu kontrollieren, weil sie sonst keine Superkräfte besitzen.«
Kylie versuchte, ihr zuzuhören und nicht die ganze Zeit über die Brightens nachzudenken.
»Narzissmus, Entfremdung, schizophrene Persönlichkeiten, Psychopathen – diese Dinge sind bei Menschen weit verbreitet, natürlich in unterschiedlichen Abstufungen. Außerdem gibt es noch die Schauspieler, die jegliche Emotion in sich hervorrufen können, indem sie sich an vergangene Erfahrungen erinnern. Ich hab schon Theaterstücke gesehen, in denen die Emotionen der Schauspieler so echt waren wie alle anderen Gefühle, die ich sonst so lese.«
Kylie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Ich bin aber auch zum Teil ein Mensch, und ich kann anscheinend gar nichts kontrollieren.«
Holiday sah sie mitfühlend an. »Es tut mir leid, dass ich sie wegschicken musste. Ich weiß, dass du gehofft hattest, etwas von ihnen zu erfahren. Aber ich konnte nichts riskieren, für den Fall, dass Derek recht hat.«
»Das kann ich verstehen.« Und das konnte sie wirklich. Sie mochte es nur nicht. »Mrs Brighten – also, wenn sie wirklich Mrs Brighten war – hat mich an meine Oma erinnert.«
»Deine Oma war nett«, meinte Holiday lächelnd, und Kylie erinnerte sich, dass der Geist ihrer Oma Holiday einmal besucht hatte.
»Ja.«
Holiday seufzte. »Ich weiß, dass das schwer für dich ist.«
Das Handy der Campleiterin klingelte, und Kylie hoffte, dass es etwas Neues von den Brightens, Derek oder dem Privatdetektiv gab.
Holiday schaute auf das Display. »Es ist nur meine Mutter. Ich ruf sie später zurück.«
Kylie zog ein Bein an und schlang die Arme um das Schienbein. Sie schwiegen für einen Moment, und schließlich sagte Kylie einfach, was ihr auf dem Herzen lag. »Ich fühle mich so, als würde nichts in meinem Leben mehr Sinn ergeben. Alles verändert sich.«
Holiday spielte mit einer Haarsträhne und drehte sie zu einer Locke. »Veränderung ist nichts Schlimmes, Kylie. Wenn sich nichts verändert, dann solltest du dir Sorgen machen.«
»Das finde ich nicht.« Kylie ließ das Kinn auf ihr Knie sinken. »Ich meine, ich weiß schon, dass Veränderung nötig ist, um zu wachsen und so weiter. Aber ich hätte so gern eine Sache in meinem Leben, die mich … erdet. Ich brauche etwas, an dem ich mich festhalten kann. Etwas, das sich echt anfühlt.«
Holiday zog die Augenbrauen hoch. »Shadow Falls ist echt, Kylie. Daran kannst du dich festhalten.«
»Ich weiß. Ich weiß, dass ich hierhergehöre, aber ich weiß eben immer noch nicht, wie ich hierhergehöre. Und bitte sag mir jetzt nicht, dass ich es zu meiner Aufgabe machen soll, das herauszufinden. Denn das ist schon seit ich hier bin meine Aufgabe, und ich bin bis jetzt kein Stück weitergekommen.«
»Das stimmt nicht.« Holiday zog ebenfalls die Knie an und sah so in dem übergroßen Schaukelstuhl noch zierlicher aus. »Sieh doch mal, wie weit du schon gekommen bist. Wie du gesagt hast, du weißt, dass du hierhergehörst. Das ist doch schon ein großer Schritt. Und ständig entdeckst du neue Fähigkeiten von dir.«
»Fähigkeiten, die ich zum größten Teil nicht kontrollieren kann und von denen ich nicht weiß, wann sie wieder auftauchen könnten.« Kylie ließ die Stirn auf ihr Knie fallen und seufzte übertrieben. »Aber ich will mich nicht beschweren.«
Holiday lachte.
Kylie schaute auf. »Ich klinge wie ein Jammerlappen, oder?«
Holiday schüttelte den Kopf. »Nein, du klingst frustriert. Und ehrlich gesagt, nach dem, was dir dieses Wochenende alles passiert ist, steht es dir zu, frustriert zu sein. Und du hast wahrscheinlich auch das Recht darauf, wie ein Jammerlappen zu klingen.«
»Niemand hat das Recht darauf, wie ein Jammerlappen zu klingen«, sagte Kylie entschieden.
»Das würde ich nicht sagen. Ich glaube, ich hab mir dieses Recht schon ein paarmal in meinem Leben verdient.« Holiday versetzte ihren Schaukelstuhl in eine leichte schwingende Bewegung.
Kylie starrte die Campleiterin an, und ihr wurde klar, dass es noch eine Menge Sachen gab, die Holiday ihr nicht von sich erzählt hatte.
»Hab ich da vorhin einen neuen Geist gespürt?«, wechselte Holiday das Thema.
»Ja.« Kylie lehnte sich zurück. »Ich werde aus ihr noch nicht schlau. Sie sagt ständig, sie sei verwirrt.« Kylie musste an die fies aussehenden Stiche denken, die sie am Kopf der Frau gesehen hatte. »Ich glaube, sie ist an einem Gehirntumor gestorben oder so etwas. Ihr Kopf war rasiert, und es war eine riesige frische Naht darauf.«
»Hmmm«, machte Holiday.
»Und ich glaube, sie ist auf dem Friedhof von Fallen begraben worden.«
»Wirklich? Hat sie dir das gesagt?«
»Nein, aber ich hatte das Gefühl, dass ich sie dort aufgelesen hab. Als wir heute Morgen hergefahren sind, waren wir gerade am Friedhof vorbei, als der Geist plötzlich auf dem Rücksitz aufgetaucht ist.«
»Du könntest recht haben«, meinte Holiday.
»Aber du glaubst es nicht?« Kylie verstand Holidays Logik nicht.
»Ich sag ja nicht, dass es nicht auch so einfach sein kann. Aber nach meiner Erfahrung haben die Geister, die zu uns kommen, mehr … Verbindung zu uns. Man fährt nicht einfach am Friedhof vorbei und liest einen auf. Also, ich will nicht sagen, dass nicht auch ab und zu ein Zufallsgeist dabei sein kann, denn das kann schon mal vorkommen. Neulich ist mir ein alter Mann erschienen, der war patschnass und splitterfasernackt. Er war in der Dusche im Altersheim gestorben. Er sagte mir seinen Namen und wollte, dass ich der Schwester sage, dass sie ihn aus der Dusche holt.« Holiday schüttelte den Kopf.
»Was hast du gemacht?«
»Ich hab im Altenheim angerufen und gesagt, ich wäre eine Bekannte der Familie. Ich hab behauptet, dass ich Mr Banes die ganze Zeit versuche anzurufen und er nicht ans Telefon geht.«
»Und dann ist der Geist verschwunden?«
»Ist sofort hinübergegangen.«
»Ich hoffe, mein neuer Geist ist auch so einfach. Ich könnte echt mal ne Pause vertragen.« Dann fielen Kylie die Worte des Geistes ein. »Weißt du … der Geist hat gesagt, dass da Leute sind, die wollen, dass er mir was ausrichtet.«
»Was denn?«
»Das hab ich auch gefragt, aber … sie hat nur irgendwas gemurmelt von wegen, jemand wird leben, aber … Es hat keinen Sinn gemacht.«
»Das ist am Anfang meistens so.«
Kylie biss sich auf die Lippe. »Könnte es nicht mein Dad sein, der versucht, mir etwas mitzuteilen? Er hat versucht zu erscheinen, bevor ich zu dem Treffen mit den Brightens gegangen bin – oder wer auch immer das jetzt war.«
Holiday hielt im Schaukeln inne. »Was hat er gesagt?«
»Er hat es nicht geschafft, richtig zu erscheinen. Deshalb konnte ich nur ein paar Worte verstehen.« Kylie runzelte die Stirn. »Warum kann er mich nicht weiter besuchen?«
Holidays Gesichtsausdruck war voller Mitgefühl. »Der Tod ist ein neuer Anfang, Kylie. Und man kann nichts Neues beginnen, ohne das Alte gehen zu lassen. Er hat schon sehr lange an der Vergangenheit festgehalten. Er muss jetzt nach vorn schauen. Verstehst du, was ich sagen will?«
Kylie hielt ebenfalls ihren Schaukelstuhl an. »Ja schon. Aber es gefällt mir trotzdem nicht.« Mit einem Seufzer erhob sie sich. »Ich hab Miranda und Della gesagt, dass ich zu ihnen in die Hütte komme.«
»Klar.« Holiday zögerte kurz. »Aber ich dachte, es wäre vielleicht ein guter Zeitpunkt, um ein bisschen über deine neuen Gaben zu reden.«
»Was gibt es denn da zu reden? Nur weil ich eine Mauer eingerannt habe?« Kylie versuchte mit Sarkasmus ihre unsicheren Gefühle zu verbergen.
Holiday grinste. »Und du hast Sara geheilt. Und Lucas.«
Kylie setzte sich wieder hin. »Wir hoffen, dass ich Sara geheilt habe.«
»Von dem, was du erzählt hast, würde es mich sehr überraschen, wenn du das nicht getan hättest.« Holiday sah sie ernst an. »Wenn eine deiner Gaben ist, dass du ein Protector bist, Kylie, dann könnte das der Anfang einer ganzen Reihe neuer Talente sein. Es wundert mich, dass du mich nicht mit Fragen löcherst.«
»Vielleicht liegt das daran, dass ich gern zuerst ein paar Antworten hätte, bevor ich mir neue Fragen überlege. Ich meine jetzt nicht nur über mich selbst, sondern auch was die Brightens angeht. Und ich wüsste gern, was mein Vater mir sagen wollte.«
Holiday schien sie zu verstehen. »Es passiert alles sehr schnell, nicht wahr?«
»Ja, und darüber zu reden wird rein gar nichts ändern.« Kylie fühlte sich erschöpft.
»Doch, das könnte es. Manchmal fühlen sich die Dinge nicht real an, bis wir über sie geredet haben.«
Kylie atmete hörbar aus. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich will, dass es sich noch realer anfühlt.«
»Vielleicht sollten wir einen Ausflug zu den Wasserfällen machen?«
»Nein«, lehnte Kylie ab. Sie war sich nicht sicher, ob sie dort hingehen konnte, ohne auszurasten, wenn sie von dem magischen Wasser nur wieder die Botschaft erhalten würde, dass sie Geduld haben sollte. Sie war doch jetzt wohl lang genug geduldig gewesen, oder? »Können wir nicht einfach später reden?«
»Abgemacht.« Holiday machte Anstalten, sie zu berühren, zog die Hand aber wieder zurück. »Aber es ist nur ein kleiner Aufschub. Wir müssen uns wirklich unterhalten.«
»Ja, ich weiß.« Kylie sprang auf und griff nach dem Umschlag auf dem Tisch.
»Kann ich die erst mal behalten?«, fragte Holiday.
Kylie war enttäuscht. »Aber ich …«
»Nur für ein paar Tage. Ich bin sicher, Burnett würde sie sich gern anschauen, um zu sehen, ob es die Originale sind.«
Kylie nickte. »Die Fotos sind mir sehr wichtig.«
Holidays Lächeln war ehrlich und verständnisvoll. »Ich weiß.«
Kylie machte einen Schritt von der Veranda herunter und drehte sich dann noch einmal um. »Du sagst mir aber sofort Bescheid, sobald du etwas von Burnett oder Derek hörst, ja?«
»Sofort«, versicherte ihr Holiday.
Kylie wandte sich zum Gehen, blieb aber wieder stehen und kam noch einmal zurück, um Holiday zu umarmen. Es war eine herzliche Umarmung.
»Danke«, sagte Kylie.
»Für was?« Holiday klang verwirrt, aber das hielt sie nicht davon ab, Kylies Umarmung zu erwidern.
»Dafür, dass du für mich da bist. Dafür, dass du bist, wie du bist. Und dass du es mit mir aushältst.«
Holiday lächelte. »Du klingst langsam ganz schön melodramatisch, und von da ist es nur ein ganz kleiner Schritt zum Jammerlappen.«
Kylie löste die Umarmung und grinste ebenfalls. Dann machte sie sich auf den Weg zu ihrer Hütte.
Sie hatte gerade die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als sich plötzlich ihre Nackenhaare aufstellten und sie das unverkennbare Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Sie sah nach links zum Waldrand, konnte aber außer Bäumen und Sträuchern nichts erkennen. Sie sah sich um, doch auch auf dem ebenen Gelände konnte sie nichts Verdächtiges entdecken. Dennoch spürte sie es – das Gefühl wurde sogar noch stärker.
Sie schaute in den wolkenlosen blauen Himmel und blinzelte. Ein Vogel kreiste über ihr. Die weite Flügelspanne, der gebogene Schnabel und der weiße Fleck an der Brust deuteten darauf hin, dass es sich um einen Adler handelte. Sie beobachtete das Tier, wie es sich gleiten ließ, als hätte es alle Zeit der Welt oder als würde es … etwas beobachten?
Aber was?
Beobachtete der Vogel etwa sie? Hatte sie deshalb so ein komisches Gefühl? War das nur ein stinknormaler Adler? Oder war es jemand wie Perry, der seine Gestalt in alles verwandeln konnte, was er wollte? Sie schaute beunruhigt nach oben.
Ohne Warnung änderte der Adler plötzlich die Richtung. Er wurde schneller, während er zum Sturzflug ansetzte. Er kam näher. Näher. Sie sah seine Augen. Die Wildheit in seinem Blick ließ sie erschaudern. Oder waren es doch die zum Angriff ausgefahrenen Krallen?
Jetzt war er ganz nah, und sie spürte Wind auf dem Gesicht, den sein Flügelschlag verursachte. Sie schloss schnell die Augen.
Kylie riss die Arme hoch, um ihr Gesicht zu schützen, aber sie konnte nichts spüren – keine Krallen, die sich in ihr Fleisch schlugen. Weder an ihrem Arm noch in ihrem Gesicht.
Sie hörte ein Rascheln an ihren Füßen, begleitet von einem seltsamen Geräusch, das sie nicht zuordnen konnte. Sie nahm die Arme runter und senkte den Blick. Ihr stockte der Atem. Sie machte einen Satz zurück, als sie den Adler sah, der mit seinem gebogenen Schnabel auf eine Schlange einhieb, die direkt vor ihren Füßen gelegen hatte. Wieder war ein rasselndes Geräusch zu hören. Sie erkannte die diamantförmigen Muster auf dem Rücken der braun-beigen Schlange, und ihr Blick wanderte den eingerollten Körper des Reptils entlang bis zu dem trockenen, helleren Schwanzende.
Eine Klapperschlange.
Sie wich weiter zurück. Der Vogel grub seine Klauen in den runden, dicken Körper der Schlange. Die Flügel des Adlers schlugen wie wild, als er die sich windende Schlange etwa einen halben Meter in die Höhe hob. Das Rauschen der schlagenden Flügel und das charakteristische Rasseln des Reptils hallten in Kylies Ohren. Der Adler verharrte kurz auf Kylies Augenhöhe, seine Flügel ruderten in der Luft.
Sie stand in der Mitte des Pfads und sah dem riesigen Vogel hinterher, als er mit seiner Beute davonflog. Als sie wieder auf den Boden schaute, sah sie staubige Abdrücke auf dem Weg, wo die Schlange um ihr Leben gekämpft und verloren hatte. Neben den Abdrücken der Schlange waren ein paar Fußspuren im Boden zu sehen. Ihre eigenen Fußspuren. Wenn der Adler nicht gekommen wäre, hätte sie die Schlange gesehen? Oder würde jetzt gerade das Gift der Klapperschlange durch ihren Körper wandern?
Hatte sie nur Glück gehabt, oder hatte das etwas zu bedeuten? Sie überlegte, zurückzugehen und Holiday zu suchen, aber ihre Vernunft gewann die Oberhand. Sie war in den Wäldern von Texas. Ihr Vater – Stiefvater – hatte sie schon immer vor Schlangen gewarnt.
Sie versuchte sich einzureden, dass das alles nur ein unheimliches Erlebnis mit Mutter Natur war, und ging langsam weiter. Aber sie musste noch einmal nach oben schauen. Der Adler, die Schlange immer noch fest in den Klauen, kreiste wieder über ihr. Sie starrte nach oben, und ihr stockte der Atem. So verrückt es auch war, sie hätte schwören können, dass der Adler sie ansah.
Sie blieb stehen, mit der Hand an der Stirn, um die Augen zu beschatten, und sah dem Adler nach, bis er sich als kleiner dunkler Fleck im unendlichen blauen Himmel verlor. Ihr kam der Gedanke, dass sie dem Adler dankbar sein sollte, aber beim Gedanken an den grausamen Ausdruck in den Augen des Vogels lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken.
Sie nahm die Hand herunter und wollte gerade ihren Weg zur Hütte fortsetzen, als sie sich einem weiteren Paar grausam dreinblickender Augen gegenübersah. Fredericka. Kylie musste daran denken, wie wütend Fredericka gewesen war, als sie Kylie mit Lucas hinter dem Büro gesehen hatte. Dabei hatten sie sich doch nur die Fotos von Daniel angeschaut und geredet.
»Und, wie fühlt man sich so als Spielzeug?« Frederickas Stimme triefte vor Bosheit. Und der Funke Orange, der sich in den dunklen Augen des Mädchens zeigte, ließ darauf schließen, dass sie angriffslustig gestimmt war.
Kylie atmete tief durch und bemühte sich, keine Furcht zu zeigen. »Eifersucht steht dir nicht gerade gut.«
»Ich bin nicht eifersüchtig.« Fredericka grinste breit. »Besonders jetzt nicht mehr.«
Wieso jetzt nicht mehr? Hätte Kylie gern gefragt, aber damit wäre sie auf die Provokation eingegangen, und sie weigerte sich, das zu tun. Stattdessen machte sie kehrt und ging davon. Sie sagte sich, dass sie Fredericka vergessen sollte, sie hatte im Moment wirklich andere Probleme. Kylie zog ihr Handy heraus, um zu sehen, ob Derek sie zurückgerufen hatte. Aber das hatte er nicht.
»Lucas’ Blutlinie ist rein, das weiß er zu schätzen«, rief Fredericka Kylie hinterher. »Die Ältesten wissen das auch zu schätzen. Das haben sie neulich klar gesagt. Also, wenn es so weit ist und er seine wahre Partnerin sucht, wird er wohl kaum seine Blutlinie mit jemandem wie dir verschmutzen.«
So ein Quatsch, dachte Kylie und ging stur weiter. Fredericka redete doch nur Müll. Sie hatte andere Sorgen, wie ihre Großeltern – oder vielleicht auch Betrüger-Großeltern. Da würde sie sich doch nicht von dieser Werwölfin ärgern lassen. In dem Moment fiel ihr wieder der Adler ein. Darüber sollte sie sich vielleicht auch noch Sorgen machen.
Knapp eine Stunde später hatte Kylie immer noch nichts von Derek, Perry oder Burnett gehört. Sie saß mit Miranda und Della am Tisch im Wohnraum der Hütte und hatte ihnen gerade alles erzählt: von der Schlange und dem Adler und ihren Befürchtungen, dass es vielleicht mehr bedeuten könnte.
»Ich hätte es gerochen, wenn Eindringlinge hier wären«, versicherte ihr Della.
»Und ich hätte es gespürt, wenn jemand Magie benutzt hätte, um seine Spuren zu verdecken«, fügte Miranda hinzu.
»Seht ihr, deshalb brauche ich euch, Mädels.« Kylie seufzte. »Ohne euch würde ich noch den Verstand verlieren.« Sie lehnte sich zurück und wünschte sich, die Beteuerungen ihrer Freundinnen hätten all ihre Zweifel zerstreuen können. Andererseits waren es vielleicht gar nicht die Zweifel, die sie belasteten, sondern ihre ganzen anderen Probleme.
Kylies Haustier, Socke Junior – das Kätzchen, das Miranda aus Versehen in ein Stinktier verwandelt hatte –, sprang an ihr hoch und landete auf ihrem Schoß. Kylie fühlte sich zwar immer noch ziemlich verloren in ihrem emotionalen Strudel, aber die Plauderrunde mit ihren Mitbewohnerinnen hatte sie schon etwas zur Ruhe gebracht.
Miranda war als Erste dran, von den Höhen und Tiefen des Wochenendes zu erzählen. Sie gab ihnen haarklein wieder, wie der Hexenwettbewerb für sie gewesen war, bei dem sie am Ende sogar den zweiten Platz belegt hatte. »Das war so cool, dass ich so gut war«, berichtete Miranda. »Ich dachte, meine Mom würde sich auch freuen. Aber nein.« Miranda hielt kurz inne. »Zweiter Platz bedeutet erster Verlierer«, zitierte sie mit verstellter Stimme ihre Mutter. Miranda schien ziemlich verletzt zu sein. »Ich wollte sie beeindrucken, und für einen Moment dachte ich, ich hätte es auch geschafft. Aber ich werde diese Frau wohl nie glücklich machen.«
Della verdrehte die Augen. »Warum willst du sie denn unbedingt glücklich machen?«
»Weil sie meine Mom ist.« Mirandas Antwort kam so von Herzen, dass es Kylie traurig machte. Sie erinnerte sich noch gut daran, dass sie bis vor kurzem dasselbe gegenüber ihrer Mom empfunden hatte.
»Hallo« – Della wedelte mit der Hand vor Mirandas Nase –, »wir reden von deiner Mom, und die ist die größte Hexen-Zicke, von der ich je gehört habe. Meine Eltern benehmen sich wenigstens so scheiße, weil sie sich Sorgen machen, dass ich Drogen nehme und mir damit schade, und nicht weil sie mit mir nicht zufrieden sind.«
Mirandas Augen füllten sich mit Tränen, und sie starrte Della wütend an.
Kylie spürte die Spannung in der Luft. »Ich glaube, was Della meint, ist …«
»Es tut mir leid«, unterbrach Della sie. Der Klugscheißer-Ausdruck verschwand aus ihrem Gesicht, und Della sah schon fast reumütig aus. »Das war gemein und ich … Ehrlich gesagt, wenn meine Eltern die Wahrheit wüssten, hätten sie es lieber, dass ich drogenabhängig wäre als ein Vampir.« Della musterte Miranda und seufzte. »Ich bin nur sauer auf deine Mom. Ich weiß, wie sehr du dich angestrengt hast, um sie zu beeindrucken. Und du hast verdammt nochmal den zweiten Platz gemacht, das ist doch voll cool.«
»Danke«, sagte Miranda, aber ihre Augen blieben feucht.
»Wofür?« Della ließ sich in die Stuhllehne zurückfallen, als wäre ihr gerade aufgefallen, dass sie eine weiche Seite von sich preisgegeben hatte. Della zeigte sich so nur sehr selten. Trotzdem wussten Kylie und Miranda, dass sie diese Seite hatte. Zumindest Kylie tat es. Miranda fiel es schwerer, hinter Dellas Schutzmauer zu schauen.
Miranda richtete sich auf. »Genug davon. Ich hab noch mehr Neuigkeiten. Todd Freeman, ein voll süßer Hexer, hat mich angesprochen und nach meiner Handynummer gefragt. Er ist der heißeste Typ auf meiner Schule. Also ist es wohl doch einem aufgefallen, dass ich im Wettbewerb gut war.« Sie grinste. »Wobei ich nicht glaube, dass er an meinem Pokal interessiert war. Ich hab ihn mindestens dreimal ertappt, wie er mir auf meine Mädels gestarrt hat.«
»Idiot«, meinte Della. »Ich hoffe, du hast ihm statt deiner Nummer ne Abfuhr gegeben.«
»Mann, hast du nicht zugehört? Süßester Typ der Schule? Außerdem ist das doch normal, dass Titten ein Magnet für Jungs sind – so ist das nun mal. Warum sollte ich ihm nicht meine Nummer geben?«