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ENDLICH das spannende, romantische, witzige und actionreiche Finale Feen, Hexen, Vampire, Gestaltwandler und Werwölfe: Sie alle sind im Shadow Falls Camp. Auch Kylie möchte dorthin zurück und einfach glücklich sein – doch zuvor muss sie sich ihrem gefährlichsten Gegner stellen und für ihre große Liebe kämpfen. Kylie hat das Shadow Falls Camp verlassen und ist zu ihrem Großvater und ihrer Großtante in die Chamäleon-Gemeinschaft gezogen. Dort will sie mit anderen Jugendlichen ihrer Art mehr über sich erfahren und lernen, wie sie ihre unglaublichen Kräfte anwenden kann. Aber Kylie vermisst das Shadow Falls Camp, vor allem ihre Freunde dort. Als im Shadow Falls Camp etwas Schreckliches geschieht, das auch Kylie in Gefahr bringen könnte, tauchen Burnett und Derek auf, um sie zurückzuholen. Doch die Chamäleon-Gemeinschaft will Kylie nicht gehen lassen, und es bleibt nur eine Möglichkeit … Kylie muss sich entscheiden: Wo ist ihr Zuhause? Und wen liebt sie wirklich – Lucas oder Derek?
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Seitenzahl: 612
C. C. Hunter
Shadow Falls Camp - Erwählt in tiefster Nacht
Band 5
Aus dem Amerikanischen von Tanja Hamer
FISCHER E-Books
Für Val Sturman
Als ich dich das erste Mal getroffen habe, ist mein Leben ein bisschen heller geworden. Du bist durch dein Leben getanzt, mit einem Lächeln auf den Lippen, einer Begeisterung fürs Geschichtenerzählen und mit einem freundlichen Wort für jeden, der lang genug stehengeblieben ist, um dir zuzuhören. Ich fühle mich geehrt und gesegnet, dass du mich zu deinen Freunden gezählt hast. Du wirst uns fehlen.
Kylie Galen sah von dem Peperoni-Salami-Pizzastück auf dem feinen Porzellanteller vor sich auf. Sie versuchte krampfhaft, den Geist zu ignorieren, der direkt hinter dem Rücken ihres Großvaters und ihrer Großtante ein blutiges Schwert durch die Luft schwang. Ihre neu gefundenen Familienmitglieder waren … gute Leute, nur vielleicht ein bisschen konservativ. Und konservative Leute würden es sicher nicht toll finden, wenn ein ungeladener Geist ihre Esszimmerwände mit Blut bespritzte.
Der Geist, eine dunkelhaarige Frau Anfang dreißig, hielt in der Bewegung inne und starrte Kylie eindringlich an. »Du tötest oder du wirst getötet. Es ist wirklich ganz einfach.«
Kylie kommunizierte per Telepathie mit Geistern, indem sie einfach dachte, was sie sagen wollte. Und bei solchen Themen war sie auch echt dankbar, dass niemand zuhören konnte. »Es ist überhaupt nicht einfach«, erwiderte Kylie. »Und ich versuche hier zu essen, also könntest du mich jetzt bitte mal in Ruhe lassen?«
»Das ist aber ziemlich unhöflich«, stellte der Geist fest. »Es ist doch deine Aufgabe, Geistern zu helfen. Du musst dich schon an die Spielregeln halten.«
Kylie knüllte verzweifelt die Stoffserviette zusammen, die sie sich auf den Schoß gelegt hatte. Oookaaay, stand auch etwas davon in den Regeln, dass Geisterseher freundlich zu nervigen Geistern sein müssen?
Aber Moment mal, sie hatte ja gar kein Buch, in dem sie die Regeln nachschlagen konnte. Sie improvisierte fröhlich vor sich hin. Genaugenommen tat sie nichts anderes als zu improvisieren: beim Geistersehen, als Übernatürliche und als Freundin.
Als Exfreundin!
In letzter Zeit kam es ihr wirklich so vor, als würde sie ihr ganzes, verdammtes Leben nur improvisieren und dabei ein heilloses Chaos anrichten. So wie ihre Entscheidung, das Shadow Falls Camp zu verlassen – oder besser das neue Internat für übernatürliche Teenager. Die Entscheidung schien damals die einzig richtige gewesen zu sein.
Schien.
Sie war jetzt knapp zwei Wochen bei den anderen Chamäleons, und inzwischen war sie sich nicht mehr so sicher.
Klar, sie hatte gute Gründe gehabt, hierherzukommen – um mehr über ihre übernatürliche Herkunft zu erfahren. Um Malcolm Summers, ihren Großvater, und ihre Großtante Francyne kennenzulernen.
Aber erst Monate, nachdem sie erfahren hatte, dass sie übernatürlich war, hatte sie endlich herausgefunden, dass sie ein Chamäleon war. Chamäleons waren eine seltene Art Übernatürlicher, die versteckt lebte, nachdem eine Abteilung der übernatürlichen Regierung, die Fallen Research Unit, FRU, sie als Laborratten missbraucht hatte, um ihre Fähigkeiten zu erforschen. Kylies eigene Großmutter war bei solchen Tests gestorben. Und jetzt wollte dieselbe Abteilung auch Kylie für Tests zu sich holen. Da hatten sie die Rechnung aber ohne Kylie gemacht!
Kylies Hauptmotivation, Shadow Falls zu verlassen, hatte allerdings nichts mit der FRU zu tun oder mit ihrer Herkunft. Nein. Es ging ihr nur ums Weglaufen.
Sie wollte weglaufen – vor Lucas, dem Werwolf, in den sie sich verliebt hatte. Dem Werwolf, der seine Seele einer anderen versprochen hatte und von Kylie erwartete, dass sie ihm glaubte, es habe nichts zu bedeuten. Wie hatte er ihr das nur antun können? Wie hatte er Kylie den ganzen letzten Monat lang so leidenschaftlich küssen können – und jedes Mal, wenn er zu seinem Vater ging, mit diesem Mädchen zusammen sein können? Wie hätte Kylie in Shadow Falls bleiben und ihn weiterhin dauernd sehen können?
Das Problem war nur, dass sie vielleicht vor Lucas davongelaufen war, aber ihren Herzschmerz mitgenommen hatte. Und jetzt ging es ihr nicht nur wegen ihres Liebeskummers schlecht, sondern auch, weil … sie Shadow Falls so sehr vermisste. Okay, vielleicht nicht wirklich Shadow Falls, aber sie vermisste die Leute dort. Ihre Freunde, die ihre Familie geworden waren: Holiday, die Campleiterin, die wie eine große Schwester für sie war; den zweiten Campleiter, Burnett, der ernste Vampir, der Freund und Vaterfigur in einem war; ihre beiden Mitbewohnerinnen, Della und Miranda, die sich von Kylie im Stich gelassen fühlten, seit Kylie einfach so gegangen war. Und Derek, der ihr seine Liebe gestanden hatte, obwohl er wusste, dass sie in Lucas verliebt war.
O Gott, wie Kylie sie alle vermisste! Seltsamerweise war sie nur ein paar Kilometer von Shadow Falls entfernt, verborgen an einem abgelegenen Ort, in einer Gegend, die Texas Hill Country genannt wurde. Und doch hätte sie am anderen Ende der Welt sein können.
Sicher, sie telefonierte jeden Tag mit Holiday. Ihr Großvater war anfangs dagegen gewesen, aber ihre Tante hatte ihn zur Vernunft gebracht. Widerwillig hatte er zugestimmt. Aber nur unter der Bedingung, dass sie ein bestimmtes Telefon benutzte und die Gespräche kurzhielt, damit sie nicht zurückverfolgt werden konnten. Und Kylie durfte unter keinen Umständen jemandem sagen, wo sie sich aufhielt.
Wegen der Verbindung zur FRU misstraute ihr Großvater allen im Camp. Und dieses Misstrauen verstärkte in Kylie noch das Gefühl, von denen isoliert zu sein, die sie liebhatte. Sogar von ihrer Mom, die angerufen hatte, um ihr mitzuteilen, dass sie bald mit John nach England fliegen würde. John war der neue Freund ihrer Mutter, und Kylie hielt nicht wirklich viel von ihm. Ihr Großvater hatte ihr zwar erlaubt, ihre Mom zurückzurufen, wenn sie anrief, so dass sie bis jetzt zweimal telefoniert hatten. Aber eben nur zweimal.
Kylie spürte, wie Tränen in ihre Augen stiegen. Sie musste stark sein. Sich zusammenreißen und erwachsen sein.
»Schmeckt dir die Pizza?«, fragte ihre Großtante Francyne.
»Ja, die Pizza ist lecker.« Kylie beobachtete ihre beiden Verwandten, wie sie die Pizza mit Messer und Gabel bearbeiteten, als hätten sie ein Schnitzel vor sich. Sie wusste, dass sie das Essen nur für sie gemacht hatten. Nachdem Kylie die letzten Tage kaum etwas angerührt hatte, hatten sie sich nach ihrem Lieblingsessen erkundigt. Jetzt fühlte sich Kylie verpflichtet, etwas zu essen, wollte aber auch nicht ungesittet wirken, also zwang sie sich, ebenfalls ein Stück Pizza abzuschneiden und steckte es lustlos in den Mund.
Sie war gerade kein Vampir, also sollte sie eigentlich wieder Appetit haben. Aber nein!
Nichts schmeckte richtig.
Nichts fühlte sich richtig an.
Es fühlte sich nicht richtig an, Pizza mit Messer und Gabel von einem edlen Porzellanteller zu essen, der so alt und wertvoll aussah, als gehörte er ins Museum. Es fühlte sich nicht richtig an, an diesem feinen Esstisch mit der feinen Tischdecke zu sitzen. Und es fühlte sich erst recht nicht richtig an, dass der nervige Geist jetzt mit erhobenem Schwert auf ihren Großvater zuging.
Kylie starrte den Geist entsetzt an. »Entweder sagst du mir jetzt, was du von mir willst – und es darf nichts mit Mord zu tun haben –, oder du verziehst dich endlich!«
Ein Blutstropfen landete auf dem Kopf ihres Großvaters, der natürlich nichts davon mitbekam. Aber Kylie schon. Der Geist zog diese Show nur ab, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen.
Und es funktionierte auch noch.
»Hör sofort auf damit und zieh Leine!« Kylie funkelte den Geist wütend an.
»Da hat aber jemand schlechte Laune heute, was?«, säuselte der Geist mit Unschuldsmiene.
Ja, allerdings, musste sich Kylie zähneknirschend eingestehen. Das kam vom Liebeskummer, denn der konnte einem die Freude am Leben ordentlich vermiesen. Oder es lag daran, dass sie die anderen alle so vermisste.
Dabei hatte ihr die Zeit bei den Chamäleons schon einiges gebracht. Sie hatte bereits in den letzten zwei Wochen viel über sich und über das Chamäleon-Sein herausfinden können. Sie hatte erfahren, dass es Chamäleons erst seit etwa hundert Jahren gab. Auch wenn sie sich selbst als übernatürliche Art betrachteten, waren sie eigentlich eine Mischung aus allen Übernatürlichen – Individuen, die die DNS und die Kräfte aller Arten in sich trugen.
Das Problem war nur, dass es verdammt schwierig war, diese Kräfte zu kontrollieren. Die meisten Chamäleons brauchten, bis sie Mitte zwanzig waren, um sie richtig zu beherrschen. Allerdings gab es auch nicht gerade viele andere junge Chamäleons, mit denen sie sich hätte vergleichen können. Chamäleons waren äußerst selten. Ihr Großvater hatte ihr erzählt, dass es auf der ganzen Welt nur etwa hundert Gemeinschaften wie diese hier in Texas gab, und insgesamt gab es weniger als zehntausend Chamäleons. Und nur eins von zehn Chamäleon-Ehepaaren konnte Kinder bekommen, weshalb es auch nicht mehr wurden.
Kylie fragte sich, ob sie wohl Kinder bekommen konnte. Aber verdammt, sie war doch erst sechzehn und viel zu jung, um über so was nachzudenken.
»Wie war dein Unterricht heute?«, wollte ihr Großvater wissen.
Kylie konzentrierte sich auf Malcom Summers, der ihr gegenübersaß. Er war schon über siebzig, aber seine Haare waren trotzdem noch strohblond, mit nur wenigen weißen Strähnen. Seine Augen waren hellblau und ähnelten ihren eigenen und denen ihres Vaters.
Jetzt spritzte etwas Blut auf seine Wange. Kylie warf dem grinsenden Geist einen warnenden Blick zu, der das Schwert über Malcolms Kopf in der Luft schwang.
»Ich hab gesagt, du sollst aufhören!« Kylie kniff warnend die Augen zusammen.
»Also, war es nicht gut heute?«, fragte ihr Großvater weiter, der anscheinend ihren Gesichtsausdruck bemerkt hatte.
»Nein, nein, es war gut. Ich … hab es geschafft, mein Muster von Werwolf in Fee zu verwandeln.« Übernatürliche hatten alle ein bestimmtes Gehirnmuster, das nur von anderen Übernatürlichen gesehen werden konnte. Chamäleons hatten ein eigenes Muster, das sie allerdings verbergen konnten. Und anders als alle anderen Übernatürlichen konnten sie sich in andere Arten verwandeln und auch deren Kräfte annehmen.
Das Problem war nur wieder, dass auch diese Kräfte nicht leicht zu kontrollieren waren. Kylies Unterricht hier hatte weniger mit Englisch, Mathe oder Physik zu tun. Stattdessen lernte sie ihre Kräfte zu beherrschen und ihr wahres Gehirnmuster vor der Welt zu verstecken.
»Das ist doch gut. Wieso machst du dann so ein Gesicht?«, wollte ihr Großvater wissen.
»Es ist nur …« Ich bin hier nicht glücklich. Ich will zurück nach Shadow Falls. Die Worte lagen ihr auf der Zunge, aber sie brachte es nicht übers Herz, sie auszusprechen. Nicht, so lange sie es nicht wirklich versucht hatte. Und bis sie wusste, wie sie mit Lucas umgehen sollte.
»Mein Gesichtsausdruck hat nichts mit euch zu tun. Es ist …«
»Kylie hat Besuch«, stellte Francyne fest. Ihre Tante war eigentlich kein Geisterseher, aber irgendwie konnte sie die Anwesenheit von Geistern spüren.
Der Geist hielt derweil das Schwert hoch in die Luft, als wollte er etwas Wichtiges verkünden. »Du wirst bald noch mehr Besuch bekommen.«
Kylie wusste nicht, was das bedeuten sollte, aber sie beschloss einfach, sich auf ihren Großvater zu konzentrieren und den Geist zu ignorieren.
»Besuch?« Ihr Großvater schaute seine Schwägerin verwirrt an. »Oh«, machte er, als er verstand, was sie meinte. Dann riss er die Augen auf. »Ist es meine Frau oder Daniel?«
»Nein.« Kylie wünschte, Daniel, ihr leiblicher Vater, der vor ihrer Geburt gestorben war, würde sie mal wieder besuchen kommen. Sie konnte gerade etwas Trost gebrauchen, und ihr Vater war in den letzten Monaten immer für sie da gewesen. Doch jetzt war seine Zeit als Geist abgelaufen, und er konnte nicht mehr zu ihr kommen.
»Nein, sie sind es nicht. Es ist … jemand anderes«, erwiderte Kylie.
Jemand, der ihr noch dringend eine Erklärung schuldig war. Bisher wusste Kylie nur, dass die Frau wollte, dass Kylie jemanden tötete. Für wen hielt dieser Geist sie eigentlich? Für einen Auftragskiller?
Die Geisterfrau beugte sich zu Kylies Großvater hinab. »Es ist zu schade, dass du mich nicht sehen kannst. Du bist irgendwie süß.« Dann leckte sie ihrem Großvater das Blut von der Wange. Ganz langsam. Und sie schaute Kylie dabei provozierend an.
Kylie ließ ihre Gabel mit einem lauten Scheppern auf den Teller fallen. »Hör sofort auf, meinen Großvater abzulecken!«
Der Geist hielt inne und starrte Kylie an. »Hör auf, dein Schicksal zu verleugnen. Akzeptiere endlich, dass du es tun musst. Lass mich dir zeigen, wie du ihn töten musst.«
»Wen soll ich töten?«, platzte Kylie heraus und zuckte zusammen, als sie bemerkte, dass sie die letzten zwei Sätze laut gesagt hatte.
»Ablecken? Töten? Was?«, stammelte ihr Großvater verwirrt.
»Ach, nichts«, winkte Kylie ab. »Das war nur …«
»Sie hat mit dem Geist geredet, glaube ich«, meinte ihre Großtante mit sorgenvoll hochgezogenen Augenbrauen.
»Darüber, jemanden zu töten?«, fragte ihr Großvater und schaute Kylie vorwurfsvoll an.
Als Kylie nicht antwortete, sah sich Malcolm nervös im Zimmer um. Sein angstvoller Gesichtsausdruck erinnerte sie sehr an die anderen Übernatürlichen in Shadow Falls.
In dem Moment hatte sie eine wichtige Erkenntnis. Sie war zu den Chamäleons gezogen, weil sie dachte, sie würde dort dazugehören. Doch selbst hier, in der Gemeinschaft in Texas Hill Country, wo sie mit fünfundzwanzig anderen Chamäleons lebte, gehörte sie irgendwie nicht dazu. Und es lag nicht nur daran, dass sie eine Geisterseherin war. Sie war auch in anderen Dingen viel weiter als die anderen vier Teenager, die hier lebten. Und das trug natürlich nicht gerade zu ihrer Beliebtheit bei.
Die älteren Chamäleons – inklusive ihres Großvaters und ihrer Großtante – erklärten sich Kylies frühe Entwicklung damit, dass sie auch ein Protector war, also eine spezielle Übernatürliche mit enormen Kräften. Auch wenn sich das ziemlich cool anhörte, war Kylie nicht so richtig begeistert davon.
Ein Grund dafür war, dass Kylie ihre Kräfte immer nur benutzen konnte, um andere zu beschützen und niemals sich selbst. Was Kylies Meinung nach überhaupt keinen Sinn ergab. Wenn sie dafür zuständig war, andere zu beschützen, war es dann nicht auch wichtig, dass sie selbst am Leben blieb? Wer hatte sich nur so was ausgedacht?
Kylie seufzte aus tiefster Seele. War es einfach ihr Schicksal, immer und überall eine Außenseiterin zu sein?
Ihr Großvater beugte sich nach vorn und legte das Silberbesteck neben dem teuren Porzellanteller ab. »Kylie, ich mische mich nur ungern in deine … Geisterangelegenheiten ein, aber warum sollte ein Geist mit dir übers Töten reden wollen?«
Kylie biss sich auf die Unterlippe und überlegte fieberhaft, wie sie ihnen die Sache möglichst schonend beibringen konnte. Sie fand es ja selbst total beängstigend. Als sie gerade den Mund öffnete, um zu einer Erklärung anzusetzen, ertönte eine laute Glocke. Eigentlich war es mehr eine Sirene. Die Lichter des Kronleuchters über dem Esstisch begannen zu flackern.
Die Miene ihres Großvaters verfinsterte sich, und er zog ein Handy aus der Brusttasche seines perfekt gebügelten weißen Hemdes. Er drückte einen Knopf und hielt sich das Telefon ans Ohr. »Was gibt’s?« Er hörte angestrengt zu. »Wer?«, fragte er laut und warf Kylie einen seltsamen Blick zu. »Ich bin sofort da.«
Er schoss aus dem Stuhl hoch und sagte an Kylies Großtante gewandt: »Ihr beide solltet verschwinden. Versteckt euch in der Scheune. Ich bin gleich bei euch.«
Kylie nahm an, dass er mit »verschwinden« meinte, dass sie sich in Luft auflösen sollten – eine besondere Fähigkeit von Chamäleons.
»Was ist denn passiert?«, fragte Kylie neugierig. Ihr fiel wieder ein, dass der Geist etwas von noch mehr Besuch gefaselt hatte.
»Eindringlinge.« Seine tiefe Stimme klang noch ernster als sonst.
»Eindringlinge?«, fragte Kylie.
Er verengte die Augen zu Schlitzen. »Es ist die FRU! Schnell, verschwindet!«
Ihre Tante stand auf und kam zu Kylie rüber. Sie nahm Kylies Hand und verschwand. Kylie schaute an sich herab, und ihre Beine fingen ebenfalls an, sich in Luft aufzulösen.
Drei Minuten später folgte Kylie ihrer Tante in die Scheune. Zumindest hoffte sie, dass es noch ihre Tante war, die sie an der Hand hielt, sie waren immerhin beide unsichtbar.
Kylie hatte eine weitere Fähigkeit der Chamäleons erkannt: Ein Chamäleon konnte andere Leute verschwinden lassen. Sie ging jedenfalls davon aus, denn sie hatte sich eben nicht gewünscht zu verschwinden, deshalb musste es wohl die Berührung ihrer Großtante gewesen sein, die ihren Zustand bewirkt hatte.
In der Scheune roch es nach Heu und Erde. »Sind alle da?« Die Stimme ihrer Tante durchbrach die seltsam gespannte Stille. Kylie spähte angestrengt in die scheinbar leere Scheune. Sie konnte keine Menschenseele entdecken. Aber das bedeutete nichts: Sich selbst konnte sie ja auch nicht sehen.
Sie lauschte und meinte, leise Schritte zu hören.
»Lasst uns durchzählen«, vernahm sie wieder die Stimme ihrer Tante. »Eins«, begann ihre Großtante auch gleich.
»Zwei«, kam es aus einer anderen Ecke.
Die Zählung ging weiter bis vierundzwanzig, allerdings mit etlichen Pausen und fehlenden Zahlen, die nicht genannt wurden. Kylie erkannte die meisten Stimmen. Die vier anderen Teenager waren auch darunter, plus Susie, eine Sechsjährige und ihre Eltern, die die Lehrer in der Gruppe waren. Die fehlenden Zahlen waren ihr Großvater und offenbar die anderen vier Ältesten.
»Und Kylie ist mit mir gekommen«, fügte ihre Großtante noch hinzu. »Kylie, du bekommst die Nummer fünfundzwanzig. Merk sie dir, und das nächste Mal, wenn wir verschwinden müssen, nennst du sie beim Durchzählen, okay?«
Sie nickte, doch dann fiel ihr ein, dass sie unsichtbar war, also schob sie schnell ein »Okay« hinterher. Ihre Gedanken rasten. Sie fragte sich, was die FRU hier wollte. Suchten sie etwa nach ihr?
Und was war mit ihrem Großvater? Sie machte sich große Sorgen um ihn, wenn sie daran dachte, was die Leute von der FRU ihm und den anderen Ältesten antun könnten. Hoffentlich war ihm noch nichts passiert. Vielleicht brauchte er ihre Hilfe oder ihren … Schutz?
»Vielleicht sollten wir die anderen suchen gehen«, schlug sie vor. Ihr Blut begann bereits zu bitzeln, so wie immer, wenn sie wusste, dass jemand in Gefahr war.
»Nein.« Der bestimmte Tonfall ihrer Großtante ließ keinen Zweifel daran, dass sie hier das Sagen hatte. »Wir warten hier. So ist der Plan, und wir halten uns daran.«
Kylie konnte die Anspannung in der Stimme ihrer Großtante hören. War sie auch besorgt? Kylie spürte, wie ihr das Blut warm durch die Adern rauschte.
»War die FRU früher schon mal hier? Wissen sie, dass wir verschwinden können?«, fragte Kylie ins Leere.
»Nur, wenn du es ihnen erzählt hast«, zischte Brandon.
Brandon war einer der Teenager, und er konnte Kylie nicht leiden. Oh, am Anfang hatte er sie sehr gut leiden können. Doch als Kylie dem Siebzehnjährigen deutlich zu verstehen gegeben hatte, dass er mit seinen Annäherungsversuchen nur seine Zeit verschwendete, war er ziemlich eingeschnappt gewesen. Seitdem war er nur noch fies zu ihr. Und jedes Mal, wenn Kylie im Unterricht etwas gelang, wie heute das Wechseln des Gehirnmusters, nahm er ihr den Erfolg übel und war total beleidigt. Dabei war der Unterricht für sie gar kein Wettbewerb. Sie wollte doch nur etwas lernen und dann … wieder nach Shadow Falls zurückkehren.
Nach Hause. Der Gedanke traf sie mitten ins Herz.
»Ich hab denen nie etwas erzählt«, wehrte sich Kylie.
»Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um sich zu zanken«, ging ihre Tante dazwischen.
»Sie ist schuld an all dem«, rief Brandon. »Die FRU ist noch nie hier gewesen. Und wer weiß, was sie mit uns machen, wenn sie uns finden.«
»Sei still«, befahl Francyne.
Doch in der Stille, die folgte, konnte Kylie hören, was die anderen flüsterten. Sie stimmten Brandon zu. Kylie war der Grund dafür, dass die FRU die Siedlung entdeckt hatte.
Kylie bekam ein schlechtes Gewissen. Sie hatte nie daran gedacht, dass sie vielleicht jemanden in Gefahr bringen würde, wenn sie zu ihrem Großvater zog. Und doch war es so gekommen, oder?
Ihr Blut rauschte wieder stärker. Die Sorge um ihren Großvater und die Gewissheit, dass es ihre Schuld wäre, wenn ihm etwas zustieß, beschleunigten ihren Herzschlag.
Kylie versuchte, ihren Arm aus dem Griff ihrer Großtante zu befreien. »Nein«, rief ihre Großtante. »Wenn du loslässt, wirst du wieder sichtbar.«
»Ich muss nur nachschauen, ob bei ihm alles okay ist. Und … ich kann mich selbst verschwinden lassen.«
»Das geht gar nicht«, erwiderte Brandon. »Das kann man erst, wenn man über zwanzig ist. Das weiß doch jeder.«
Kylie verdrehte die Augen. Sie hatte seine blöde Eifersucht so satt.
Plötzlich hörte sie Schritte. Nummern wurden aufgesagt. Kylie erkannte die Stimme ihres Großvaters und der anderen Ältesten.
»Sie werden hier drinnen nach euch suchen«, sagte ihr Großvater. »Die Erwachsenen sollten ihre Kinder gut festhalten. Dann geht ihr alle runter zum südlichen Ende des Geländes.« Kylie hörte, wie Leute die scheinbar leere Scheune verließen.
Sie spürte, wie ihre Großtante den Griff um ihr Handgelenk verstärkte und sie in Richtung Ausgang dirigieren wollte. Doch da erklang wieder die Stimme ihres Großvaters. »Alle außer Francyne und Kylie. Ihr beide geht in die andere Richtung, zum Waldrand.«
Kylie fragte sich, wieso sie und ihre Großtante von den anderen separiert werden sollten.
»Warum?«, fragte Kylie, nachdem die letzten Schritte der anderen verklungen waren. Sie fand es immer noch seltsam, mit jemandem zu sprechen, den sie nicht sehen konnte.
»In einem solchen Notfall werden keine Fragen gestellt.« Die Stimme ihrer Tante hallte durch die jetzt wirklich leere Scheune. Dann führte sie Kylie nach draußen.
Kylie ging zwar widerstandslos mit, konnte aber nicht die Klappe halten. »Was ist denn los? Warum gehen wir woanders hin als die anderen?« Vor der Tür mussten sich Kylies Augen erst einmal wieder an die Helligkeit gewöhnen.
»Offenbar suchen sie nach dir«, antwortete ihr Großvater, der wohl nahe bei ihr stand.
»Aber ich bin doch ein Protector«, erwiderte Kylie trotzig. »Ich sollte bei den anderen bleiben, falls jemand Hilfe braucht.«
»Ich kann dich doch spüren, verdammt! Wo bist du denn?«, ertönte plötzlich eine vertraute Stimme hinter Kylie. Und die Stimme gehörte weder zu ihrem Großvater noch zu ihrer Großtante.
Kylie stockte der Atem, und sie drehte sich blitzschnell um. Etwa fünfzehn Meter weiter stand jemand im hohen Gras – jemand, der ihr sehr wichtig war.
»Derek«, rief sie laut. Dann fiel ihr wieder ein, dass sie niemand hören konnte, außer den Chamäleons, die auch gerade unsichtbar waren.
»Wir müssen los.« Ihre Tante zog an Kylies Arm, doch Kylie bewegte sich keinen Millimeter. Sie stand wie angewurzelt da und betrachtete Derek, hungrig nach jedem kleinen Detail, das sie an ihr Leben in Shadow Falls erinnerte.
Sein hellbraunes Haar fiel ihm tief in die Stirn und war vom Wind zerzaust. In seinen goldgesprenkelten Augen lag Sorge. Was machte er nur hier?
»Wo bist du, Kylie?«, rief er wieder, aber seine Stimme wurde vom Wind davongetragen.
Ihr Großvater hatte doch gesagt, dass die Eindringlinge von der FRU waren. Das war aber doch gar nicht die FRU.
»Geht zum Bach runter!«, befahl ihr Großvater. »Du hättest ihnen nicht sagen dürfen, wo du bist.«
Sein Tonfall und der Vorwurf machten Kylie wütend. Obwohl sie ihren Großvater nicht sehen konnte, wusste sie doch genau, wie sein Gesichtsausdruck jetzt aussah – streng und kompromisslos.
Kylie drehte sich um. »Ich hab ihnen nichts gesagt, und nein, ich werde nirgendwohin gehen. Du hast gelogen. Das ist nicht die FRU.« Sie fühlte sich betrogen.
»Als ich dir gesagt habe, dass es die FRU ist, habe ich lediglich wiederholt, was mir am Telefon von den Torwächtern gesagt wurde. Und außerdem ist es nicht gelogen. Sie arbeiten beide für die FRU.«
Sie? Wer war denn noch hier? Sie hörte Schritte aus der Richtung des Hauses. Ihr erster Gedanke war, dass es sich um Lucas handeln könnte. Ihr Herz machte einen Sprung, als ihr klarwurde, dass sie ihn gleich wiedersehen könnte. Der Schmerz, den er ihr zugefügt hatte, wog immer noch schwer. Als die Schritte näher kamen, hielt sie unwillkürlich den Atem an.
Sie drehte sich um und sah Burnett James, den Campleiter. Nicht Lucas. Enttäuschung wallte in ihr auf, aber Kylie weigerte sich zuzugeben, dass Lucas der Grund dafür war. Sie wollte ihn doch gar nicht sehen. Nicht jetzt und vielleicht nie wieder. Noch während sie das dachte, spürte sie, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte – weil es eine Lüge war.
Immerhin wusste sie auch, dass die Enttäuschung auch etwas mit Burnett zu tun hatte. Sie hatte ihm damals nicht tschüss gesagt, weil sie befürchtet hatte, er könnte sie nicht gehen lassen. Jetzt wollte sie am liebsten zu ihm rüberlaufen und ihn umarmen. Wollte sich entschuldigen, dass sie nicht den Anstand besessen hatte, sich ordentlich bei ihm zu verabschieden.
»Kylie.« Die Stimme ihrer Großtante riss sie aus ihren Gedanken. »Dein Großvater weiß, was das Beste ist. Hör auf ihn. Wir müssen los.«
Kylie atmete tief ein und versuchte, ruhig zu bleiben. Aber dafür schien es fast zu spät zu sein. Ihr schwirrte der Kopf, und die verschiedensten Gefühle drohten sie zu übermannen. Einsamkeit, Reue und Wut. »Er weiß vielleicht, was für ihn das Beste ist, aber nicht für mich.«
»Du musst ihm vertrauen«, beschwor sie ihre Großtante, und ihr Griff um Kylies Handgelenk wurde fester. »Komm jetzt, bitte. Wir wollen dich doch nur beschützen.«
»Ich muss aber nicht vor Burnett und Derek beschützt werden«, erwiderte Kylie möglichst ruhig. »Und es sieht eher so aus, als müsste mein Großvater mir auch mal vertrauen. Ich hab wirklich niemandem gesagt, wo ich bin. Ich hab es euch doch versprochen, und was ich verspreche, halte ich auch.« Kylie konnte nicht verhindern, dass ihr Tonfall verletzt und vorwurfsvoll klang.
»Das ist nicht wichtig«, entgegnete ihr Großvater, doch da war Kylie anderer Meinung. Aber sie kam nicht dazu, diese zu äußern, denn ihr Großvater sprach schon weiter: »Kylie, sie werden versuchen, dich mit zurück nach Shadow Falls zu nehmen. Wir müssen hier weg, um eine Konfrontation zu vermeiden.«
»Sie ist hier irgendwo«, rief Derek Burnett zu. »Ich kann sie fühlen. Ich bin mir sicher, sie ist ganz in der Nähe.«
Kylie schaute in die Richtung, in der sie ihren Großvater vermutete. »Niemand wird mich gegen meinen Willen irgendwo hinbringen. Nicht die … und auch nicht ihr«, fügte sie hinzu. »Ich hatte von Anfang an vor, zurück nach Shadow Falls zu gehen. Das hab ich dir doch gesagt.«
»Und ich habe dir gesagt, dass ich davon nichts halte.« Die Stimme ihres Großvaters klang jetzt gepresst.
Kylie sah sich um, als die Schritte näher kamen. Burnett kam auf sie zu. Sein Gang war wie immer stolz und stark – vielleicht ein wenig zu eigenwillig. Er erinnerte sie in vielerlei Hinsicht an ihren Großvater. Kylie atmete tief ein und wandte sich wieder um. »Es war meine freie Entscheidung, zu euch zu kommen, und wenn ich wieder gehen möchte, werde ich das tun.«
»Du bist einfach zu stur, das wird dir noch mal zum Verhängnis werden«, tönte die Stimme ihres Großvaters aus dem Nichts.
»Und ich weiß auch, von wem ich das geerbt habe«, entgegnete Kylie schnippisch. Dann wandte sie sich wieder zu Derek und Burnett um.
»Komm mit mir, Kylie«, flehte ihre Tante sie an und zog leicht an Kylies Arm.
»Nein«, wiederholte Kylie und beobachtete Burnett, der zu Derek rüberging. Sie wäre am liebsten hinter ihm her gerannt und hätte ihn umarmt.
»Die Pizza im Haus war noch warm«, sagte Burnett zu Derek. »Bist du sicher, dass sie hier ist?«
»Ganz sicher«, antwortete Derek. »Und sie ist aufgebracht.«
Er kann mich nicht sehen und nicht hören, aber er fühlt mich, dachte Kylie. Wie seltsam war das denn? Ihre Tante tätschelte beruhigend Kylies Hand. Doch Kylie war weit davon entfernt, sich zu beruhigen. »Bitte, lass mich gehen«, wandte sie sich an ihre Tante. Aber ihre Tante lockerte den Griff nicht.
»Ist sie in Gefahr?«, fragte Burnett alarmiert.
Derek schloss die Augen, als versuchte er, mit ihren Gefühlen in Kontakt zu treten. Dann öffnete er die Augen wieder. »Ich glaube nicht. Aber sie ist gestresst, und ich spüre noch etwas … Einsamkeit. Und … sie fühlt sich irgendwie, als würde sie zwischen zwei Stühlen sitzen.«
Kylie traten Tränen in die Augen. Auf Derek war Verlass, wenn es darum ging, ihre Gefühle richtig zu benennen. Sie wusste, dass ihr Großvater und ihre Tante sich um sie sorgten und nur das Beste für sie wollten. Aber wie konnte sie hier stehen und sich Burnett und Derek nicht zeigen? Wieso fühlte es sich wie Betrug an ihrem Großvater an?
Sie hatte sich wirklich bemüht, immer alles richtig zu machen. Aber genug war genug.
Burnett drehte sich um, und Kylie hätte schwören können, dass er sie direkt anschaute. »Sind da auch andere Leute?«
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Derek langsam. »Ich kann nur Kylie fühlen, weil …« Er sprach nicht weiter, doch Kylie wusste, wie der Satz weitergehen würde. Er konnte sie deshalb so intensiv fühlen, weil er in sie verliebt war.
Burnett straffte die Schultern. »Mr Summers, ich muss mit Ihnen sprechen. Jetzt gleich!«
»Woher weißt du, dass er hier ist?«, fragte Derek.
»Wenn Kylie hier ist, ist er auch nicht weit.« Burnett ließ den Blick über die hügelige Landschaft wandern. »Zeigen Sie sich!«
Kylie hörte, wie ihr Großvater sich neben sie stellte.
»Du gehörst zu uns, Kind. Lass sie einfach wieder zurückgehen«, murmelte er Kylie zu.
Seine unsichtbare Schulter streifte ihre. Obwohl Kylie sauer auf ihn war, erinnerten seine Berührung und der Klang seiner Stimme sie an ihren Vater. Ihre Verbindung zueinander war nicht zu leugnen. »Das kann ich nicht«, erwiderte Kylie.
»Lass sie ziehen, und wir sprechen später in Ruhe darüber«, bot ihr Großvater an, und sie hörte ihm an, dass er sich bemühte, seinen Ärger hinunterzuschlucken.
»Ich bin doch ruhig«, entgegnete Kylie. Ihre Tante verstärkte wieder den Griff um ihr Handgelenk, und Kylie musste sich beherrschen, ihren Arm nicht einfach wegzuziehen.
»Nein, das bist du nicht«, widersprach er.
Kylies eigener Ärger war plötzlich zu groß, um hinuntergeschluckt zu werden. Vielleicht hatte er sie wirklich nicht angelogen, als er behauptet hatte, die Eindringlinge wären von der FRU. Aber er hatte sie absichtlich wegbringen lassen, damit sie nicht sah, wer gekommen war. Seit wann entschied er denn darüber, wen sie sehen durfte und wen nicht?
Die Antwort dämmerte ihr in dem Moment, als sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte. Seit sie hierhergekommen war. Ihr war nicht entgangen, wie eingeschränkt ihre Verbindung zur Außenwelt vom ersten Moment an gewesen war. Kein Handy. Kein Computer. Und das war nicht nur bei ihr so. Der Lebensstil der Chamäleons brachte Isolation mit sich.
»Nein.« Sie fasste mit der freien Hand an die Hand ihrer Großtante. »Lass mich los.« Sie sprach langsam, um zu verdeutlichen, dass sie es ernst meinte.
»Tu, was sie sagt.« Ihr Großvater klang resigniert. Kylie blinzelte, und schon formte sich die Gestalt ihres Großvaters aus dem Nichts. Es sah irgendwie anders aus als das Erscheinen eines Geistes. So als ob sich die Luft teilen würde und er zurück in die Welt gezogen würde.
Ihre Tante ließ ihr Handgelenk los, und Kylie verspürte ein Kribbeln in ihren Füßen. Als sie an sich hinabschaute, konnte sie zusehen, wie ihre Füße und ihre Beine wieder sichtbar wurden.
»Wow!«, machte Derek. Er starrte sie verblüfft an, und Kylie musste sich mit aller Kraft zurückhalten, um ihm nicht freudig um den Hals zu fallen.
Burnett schien ebenfalls überrascht zu sein. Doch er wandte sich schnell Kylies Großvater zu, der sich beschützend vor Kylie gestellt hatte.
»Was haben Sie hier zu suchen?«, knurrte ihr Großvater. Kylie wusste sofort, dass er sich nur ihretwillen so verhielt.
»Kylies Leben ist in Gefahr, und wenn ich sie hier finden kann, dann kann das auch der Abtrünnige, der hinter ihr her ist.«
»Der Abtrünnige ist meine kleinste Sorge«, meinte ihr Großvater und ließ keinen Zweifel daran, dass er die FRU und damit Burnett für die weit größere Gefahr hielt.
»Sie lassen sich von der Vergangenheit blenden.« Burnett redete schon fast beschwörend auf ihn ein. »Ja, die FRU wollte Kylie testen lassen, und wir haben beschlossen, dass das nicht passieren wird. Aber Mario ist derjenige, der bereits zweimal getötet hat, um an Kylie heranzukommen.«
»Ich kann meine Familie beschützen«, erwiderte ihr Großvater stur und straffte demonstrativ die Schultern.
»Wie denn? Indem Sie sie unsichtbar machen? Ist Ihnen bekannt, dass dieser Mann Kylie schon mal entführt hat und dass Kylie herausgefunden hat, dass er auch ein Chamäleon ist? Er kennt Ihren kleinen Trick also. Und wenn er ihn kennt, macht Sie das nur noch verwundbarer.«
»Das weiß ich doch alles«, entgegnete ihr Großvater ungeduldig.
»Dann sollten Sie genug wissen, um besorgt zu sein. Mario hat die letzten fünfzig Jahre nicht so verbracht wie Sie und ihre Freunde, versteckt und immer auf der Flucht. Er hat Unschuldige ermordet. Er hat seine Macht perfektioniert, um andere abzuschlachten. Sogar sein eigener Enkel ist durch seine Hand gestorben, weil er Kylie beschützen wollte. Wenn Mario nicht einmal davor zurückschreckt, sein eigenes Fleisch und Blut zu opfern, wird er wohl nicht zögern, seine Artgenossen zu töten.«
»Moment mal«, unterbrach ihn Kylie. »Woher wisst ihr, dass Mario wieder da ist?«
Burnett wandte sich Kylie zu. »Er wurde gesehen.«
»Von wem denn?«, wollte ihr Großvater wissen. »Von der FRU etwa? Als ob man denen glauben könnte.«
»Ich kann verstehen, dass sie Vorbehalte haben«, erwiderte Burnett, und seine Stimme klang gepresst. »Aber Sie müssen auch verstehen, dass …«
»Sie wagen es, mich um Verständnis zu bitten?« Das Gesicht ihres Großvaters lief vor Wut rot an. »Ich weiß sehr wohl, dass Sie und diese Kriminellen meine Frau auf dem Gewissen haben. Sie sind schuld daran, dass ich niemals meinen Sohn kennenlernen durfte. Und jetzt wollen Sie dasselbe mit meiner Enkelin machen?«
Burnett bemühte sich sichtlich, ruhig zu bleiben, doch er konnte seine aufkeimende Wut nicht verbergen. Kylie musste etwas unternehmen, aber was? Dummerweise blieb ihr keine Zeit, sich einen Plan auszudenken. Ihr Großvater machte bereits einen Schritt auf Burnett zu.
»Hört auf!« Kylie versuchte, sich zwischen die beiden Streithähne zu schieben. Aber es war zu spät.
Die beiden dachten nicht ans Aufhören.
Ihr Großvater schwang als Erster die Faust, und der Schlag landete auf Burnetts Kinn.
Obwohl ihr Großvater wesentlich älter war als Burnett, fehlte es ihm doch nicht an Kraft. Burnett ging zu Boden und stieß dabei ein wuterfülltes Ächzen aus. Keine Sekunde verging, da stürzte sich ihr Großvater schon wieder auf Burnett, und die Prügelei war in vollem Gange.
Derek wollte eingreifen, aber aus dem Nichts formten sich plötzlich zwei Chamäleon-Männer und packten ihn rechts und links an den Armen.
Wie hatte das alles nur plötzlich so aus dem Ruder laufen können?
»Aufhören!« Kylie spürte, wie ihr Protector-Modus ansprang – das vertraute Kribbeln in den Adern, das die übermenschlichen Kräfte in ihrem Körper zu mobilisieren schien. Doch sie war völlig planlos, wie sie ihre Kräfte einsetzen sollte. Sie saß zwischen zwei Stühlen. Dereks Worte kamen ihr wieder in den Sinn. Chamäleons waren ihre Artgenossen. Ihr Großvater war ihr Blutsverwandter. Doch Burnett und Derek waren … auch Familie.
Wieder tauchte jemand wie aus dem Nichts auf. Die Person ging allerdings auf ihren Großvater los, der sich gerade so auf den Beinen halten konnte.
Kylie sah sich gezwungen, etwas zu unternehmen. Ohne nachzudenken, schnappte sie sich den Angreifer und schleuderte ihn am T-Shirt durch die Luft. Erst da schaute Kylie sich die Person genauer an und erkannte die blauen Augen des Durch-die-Luft-Fliegenden.
Lucas.
Also war er doch gekommen.
Die Erinnerung daran, wie er seine Verlobte geküsst hatte, ließ Kylie zusammenzucken. In dem Moment wünschte sie sich, sie hätte ihn noch viel weiter weg geschleudert.
Sie wandte sich ab und rang nach Atem. Dabei fiel ihr Blick auf Derek, der immer noch versuchte, sich aus dem Griff der beiden Chamäleons zu befreien, die ihn festhielten. »Lasst ihn los«, rief Kylie den Männern zu. Sie erkannte die beiden als Freunde ihres Großvaters, aber das war ihr egal. Sie würde nicht zulassen, dass sie Derek weh taten.
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, da fielen die zwei Männer plötzlich wie ohnmächtig zu Boden. Derek warf seinen beiden Angreifern noch einen finsteren Blick zu und straffte dann stolz die Schultern.
Kylie spürte einen Anflug von Panik. Was hatte Derek getan? Sie hatte gewollt, dass die Männer ihn loslassen, aber sie hatte doch nicht gewollt, dass … Doch da fiel ihr wieder ein, dass Derek neuerdings die Fähigkeit besaß, jemanden allein durch die Kraft seiner Gedanken kurzzeitig auszuschalten, ohne dass derjenige dabei verletzt wurde. Zumindest hoffte Kylie das.
Sie schaute sich nach den anderen um, vermied dabei aber den Blickkontakt zu Lucas. Im Augenwinkel sah sie, wie er sie anstarrte. Sein Blick schien um Aufmerksamkeit zu betteln. Doch das konnte er vergessen; sie würde ihm keine schenken.
Noch vor weniger als zwei Wochen hätte sie ihm sogar ihr Herz geschenkt. Ach, wem wollte sie eigentlich etwas vormachen? Sie hatte ihm ihr Herz geschenkt. Deshalb war das doch jetzt alles so schwer.
Kylie blinzelte. Ihr Großvater sah so aus, als würde er jeden Moment wieder auf Burnett losgehen.
Burnett richtete sich angriffslustig auf, Blut tropfte von seiner Lippe. Eigentlich war er niemand, der sich so viel gefallen ließ, doch überraschenderweise hob er jetzt beschwichtigend die Hand. Wenigstens zeigte einer Vernunft, denn Kylie selbst war gerade zu sehr mit ihrem Liebeskummer beschäftigt, als dass sie hätte eingreifen können.
Als Kylies Großvater auf ihn zuging, sagte Burnett laut: »Sie und ich haben doch keinen Grund, uns zu streiten. Hören Sie auf damit, bevor noch jemand verletzt wird.«
Kylie erwachte aus ihrer Starre und eilte zu ihrem Großvater. »Er hat recht«, redete sie ihm zu. »Hört bitte auf!« Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. In ihrem Bauch wurde es ganz warm. Die Wärme wanderte in ihren Arm und bis in die Fingerspitzen. Dann spürte sie, wie die beruhigende Berührung auf ihren Großvater überging. Und ganz offensichtlich wirkte es, denn Malcolm ließ den Kopf nach vorne sinken und atmete tief durch, als müsste er sich sammeln. Dabei fiel sein Blick auf die beiden Männer zu Dereks Füßen, und er eilte zu ihnen.
»Es geht ihnen gut«, versicherte Derek und wich einen Schritt vor ihrem Großvater zurück, als befürchtete er, Malcolm könnte auch auf ihn losgehen. Doch die Aggressivität, die ihr Großvater gerade noch gezeigt hatte, war wie weggeblasen.
Kylie dachte an die Berührung, mit der sie ihren Großvater beruhigt hatte. Hatte sie sich instinktiv in eine Fee verwandelt? Das musste es sein, oder?
Lucas kam auf sie zu. Kylie schaute zwar nicht zu ihm hin, aber sie nahm seine Bewegung im Augenwinkel wahr. Sie versuchte, etwas von der gelassenen Stimmung, die sie gerade an ihren Großvater weitergegeben hatte, auf sich selbst zu übertragen. Doch es funktionierte nicht. Lucas’ Betrug schmerzte so sehr, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte.
Ihr Großvater meldete sich zu Wort: »Geht bitte. Alle außer Kylie und Mr James.«
»Damit Sie ihn wieder angreifen können?«, schnaubte Lucas. Und obwohl er wütend klang, hätte Kylie schwören können, dass sie auch Reue in seiner Stimme hörte. Sie konnte sich seinen Gesichtsausdruck gut vorstellen, sah ihn aber dennoch nicht an.
»Tut, was er sagt«, befahl Burnett. Er hatte offenbar ebenfalls erkannt, dass ihr Großvater zur Vernunft gekommen war.
Die anderen zogen widerwillig von dannen. Kylie bemerkte, dass auch Lucas sich in Bewegung setzte. Als er hinter ihr vorbeiging, verlangsamte er seine Schritte. Kylie nahm seinen vertrauten Geruch wahr und hörte, wie er ihr zuflüsterte: »Hasst du mich so sehr, dass du mich nicht einmal anschauen kannst?«
Wenn ich dich nur hassen könnte, dachte Kylie.
Dann fuhr er fort, so leise, dass nur sie es hören konnte: »Sie hat mir nie etwas bedeutet. Nur du hast mir je etwas bedeutet.« Seine sich entfernenden Schritte klangen wie die letzten Akkorde eines traurigen Songs.
Obwohl er weg war, hingen seine Worte weiter in der Luft. Sie drangen langsam in Kylies Bewusstsein. Sie wusste, dass Lucas die Wahrheit sagte – wusste es deshalb, weil sie als Fee seine Gefühle lesen konnte. Doch das änderte nichts.
Ob er sie nun absichtlich verletzt hatte oder nicht, es änderte nichts an dem, was er getan hatte. Er hätte doch wissen müssen, dass sie am Boden zerstört sein würde, wenn er sich einer anderen versprach. Wie konnte er denken, dass es sie nicht total verletzte, zu wissen, dass er sich monatelang mit einer anderen getroffen hatte? Und zumindest so getan hatte, als würde er sie mögen?
In dem Moment hörte sie wieder Schritte hinter sich. Sie spürte, wie Fingerspitzen leicht über ihren Rücken fuhren. Es war eine zarte Berührung, die nicht dazu gedacht war, sie zu verführen oder ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Sie war einzig und allein dazu gedacht, Kylie zu beruhigen.
Natürlich ließ die Art der Berührung keinen Zweifel daran, wer hinter ihr stand. Derek.
Der Schmerz in ihrer Brust ließ nach, und sie blinzelte schnell ein paar Tränen weg.
Mit geschlossenen Augen stand sie da und versuchte, ihre unberechenbaren Gefühle zu kontrollieren. Sie atmete tief durch und konzentrierte sich auf die Wärme der Sonne auf ihrer Haut und die leichte Brise, die ihr durchs Haar fuhr.
»Kylie?« Burnetts Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
Ihr Großvater und Burnett standen vor ihr, und beide sahen gleichermaßen besorgt aus.
»Geht es dir gut?«, fragte ihr Großvater.
»Super.« Sie rang sich ein Lächeln ab, das wahrscheinlich ähnlich unglaubwürdig wirkte wie ihre knappe Antwort.
»Dann komm mal mit«, forderte sie ihr Großvater auf. »Wir müssen uns unterhalten. Aber drinnen und bei einer Tasse Tee.«
Im Vorbeigehen spürte sie Burnetts prüfenden Blick. Bestimmt hatte er ihre Lüge entlarvt. Ihr ging es nicht super. Sie war nicht mal annähernd okay. Doch dann merkte sie, dass das nicht alles war. Sie musste seine Gefühle gelesen haben, denn sie spürte seine Angst. Angst, ihr etwas zu sagen, das sie nicht mögen würde.
Burnett hatte ja keine Ahnung, dass Kylie im Moment fast nichts von dem mochte, was ihr gesagt wurde. Da fiel ihr auf, dass sie nur an sich selbst gedacht hatte. Sie war so sehr auf ihren eigenen Schmerz konzentriert gewesen, dass sie gar nicht darüber nachgedacht hatte, weshalb Burnett eigentlich hier war.
Bei dem Gedanken blieb sie abrupt stehen und packte den Vampir am Ellenbogen. »Geht es allen gut? Ist … ist etwas passiert?«
Fünf Minuten später saß Kylie am Esstisch und wartete ungeduldig, bis ihre Großtante den Eistee serviert hatte. Sie hoffte inständig, dass das bevorstehende Gespräch nicht wieder in einer Situation wie vorhin bei der Scheune gipfeln würde. Die Spannung zwischen ihrem Großvater und Burnett war immer noch greifbar. Kylie jedenfalls war gespannt wie ein Flitzebogen. Jemand sollte besser mal anfangen zu reden. Und damit meinte sie Burnett.
Er hatte die Antwort auf ihre Frage aufgeschoben, bis sie an einem Ort waren, wo sie in Ruhe reden konnten. Woraufhin Kylie erst recht beunruhigt war, dass sie mit ihrer Annahme richtiglag.
Auf dem kurzen Weg zum Haus hatte sie sich schon die schlimmsten Szenarien ausgemalt. Jetzt saß sie hier vor den Resten kalter Pizza und kämpfte gegen die Übelkeit an, die ihre eigenen Gedanken ihr verursachten. Immerhin wusste sie schon mal, dass Derek und Lucas nichts passiert war. Und ja, sie sollte sich um Lucas eigentlich keine Gedanken machen, tat es aber trotzdem.
Holiday konnte es nicht sein, wenn ihr etwas passiert wäre, würde Burnett niemals so ruhig hier sitzen. Er liebte sie zu sehr und wäre auf jeden Fall am Boden zerstört. Damit blieben nur …
Sofort schossen Kylie die Bilder ihrer beiden besten Freundinnen in den Kopf. Ihr Großvater hatte ihr vorerst verboten, mit ihnen zu sprechen, und da er schon bei ihren Telefonaten mit Holiday nur widerwillig nachgegeben hatte, versuchte Kylie sich damit abzufinden. Doch … wenn ihnen jetzt etwas passiert sein sollte … O Gott! Allein beim Gedanken daran schossen Kylie die Tränen in die Augen.
Zuerst dachte Kylie an Della. Ihre dickköpfige Freundin war gerade im Auftrag der FRU irgendwo unterwegs. Vielleicht war dabei etwas schiefgegangen. War Della verletzt?
Kylie hatte Della damals gesagt, dass sie es nicht gut fand, dass sie für die FRU arbeitete. Doch als Della sie dann direkt gefragt hatte, ob sie den Auftrag ablehnen sollte, hatte Kylie nicht ja gesagt. Kylie wusste doch, wie gern ihre Freundin für die FRU arbeiten wollte.
Aber jetzt … Sollte Della wirklich etwas zugestoßen sein, würde sich Kylie das nie verzeihen.
Die Sorge um ihre Freunde ließ bei Kylie schließlich den Geduldsfaden reißen.
»Ist es Della?«, platzte sie heraus, sobald ihre Tante das Glas Eistee vor ihr abgestellt und das Zimmer verlassen hatte. »Ist ihr etwas zugestoßen?«
Burnett sah sie verwundert an. »Nein, Della geht es gut … soweit ich weiß. Sie ist noch unterwegs wegen des Auftrags.«
»Wer … Was ist passiert?«
Burnett nahm das kalte Glas in die Hand, machte aber keine Anstalten, daraus zu trinken. Bis auf Blut trank er selten etwas – höchstens sehr starken Kaffee. »Erst wurde Mario im Camp gesichtet, und dann gab es einen Vorfall. Wir wissen aber noch nicht sicher, ob ein Zusammenhang besteht.«
»Wurde jemand verletzt?« Die Worte kamen ihr nur schwer über die Lippen. Irgendwie wusste sie, dass es so war.
Burnett drehte das Glas in den Händen, ehe er antwortete. »Helen wurde angegriffen.«
Kylie stockte der Atem. Helen, eine Halbfee mit der Fähigkeit zu heilen, war wohl die schüchternste, ruhigste Person im Shadow Falls Camp. Wer nur würde auf die Idee kommen, ihr etwas anzutun? Das konnte doch nur Mario sein.
»Ist sie … okay?« Die Worte am Leben hatten ihr auf der Zunge gelegen, aber sie traute sich nicht, sie auszusprechen.
»Ja«, antwortete Burnett. »Sie wird wieder gesund. Und wir wissen ja nicht einmal, ob es einen Zusammenhang gibt.«
»Also war es vielleicht gar nicht dieser Mario?«, schaltete sich ihr Großvater ein.
Kylie schaute ihren Großvater verständnislos an. »Burnett wäre wohl kaum hier, wenn er das nicht annehmen würde.«
Burnett nickte widerwillig. »Wir nehmen an, dass es Mario war.« Er wandte sich wieder Kylie zu. »Aber es gibt wirklich keine Beweise dafür. Sie wurde von hinten angegriffen und kann sich nicht erinnern, wie es passiert ist.«
»Wie schlimm ist es denn?« Kylie hoffte inständig, dass Helen keine bleibenden Schäden davontragen würde – emotional und körperlich.
»Helen ist stärker, als wir gedacht hatten.« Er hielt kurz inne. »Ihre Verletzungen waren schwer, aber nicht lebensbedrohlich. Wie du dir vorstellen kannst, weicht ihr Jonathon nicht von der Seite. Ihre Eltern sind ebenfalls bei ihr im Krankenhaus, und es hat ein paar unangenehme Situationen gegeben. Offensichtlich hatte Helen ihren Eltern noch nichts von ihrer neuen Liebe erzählt.«
Kylie konnte genau vor sich sehen, wie Jonathon, ein großer, schlaksiger Vampir mit Piercings, Helens Hand hält, während ihre Eltern danebenstehen. »Ich kann mir auch vorstellen, dass Jonathon bestimmt total wütend ist und Rache will.«
»Ich seh’ schon, du kennst Jonathon ziemlich gut.« Ein leises Lächeln huschte über Burnetts Gesicht. Doch es war schnell wieder verschwunden. »Wir haben Wachen im Krankenhaus postiert, nur für den Fall, dass der Angreifer zurückkommen sollte.«
»Kann ich Helen besuchen?«, fragte Kylie.
»Nein«, sagten Burnett und Kylies Großvater wie aus einem Mund.
Burnett fuhr fort. »Wenn es Mario war, ist es vielleicht sein Plan, dich ins Krankenhaus zu locken.«
Beim Gedanken daran, dass sie allein schuld daran sein könnte, dass Helen angegriffen worden war, wurde Kylie ganz schlecht. Das Gefühl von Hilflosigkeit verwandelte sich jedoch schnell in Wut. Sie hatte es so satt, dass andere leiden mussten, weil Mario hinter ihr her war. Wie konnte sie ihn bloß aufhalten? Das war die große Frage, und Kylie beschloss, so schnell wie möglich eine Antwort darauf zu finden.
Burnett richtete sich auf und wandte sich an Malcolm. »Nach dem Angriff auf Helen mache ich mir um Kylies Sicherheit Sorgen. Wenn ich sie hier finden kann, dann kann Mario das sicher auch. Ich glaube, Kylie wäre im Camp sicherer.«
»Da bin ich anderer Meinung«, widersprach ihr Großvater.
»Sie sind da anderer Meinung?«, stieß Burnett hervor. »Mario hat mehr als deutlich gemacht, dass er Kylie dazu bringen will, sich seiner abtrünnigen Chamäleon-Gruppe anzuschließen. Wenn sie das nicht tut, wird er sie töten. Er fühlt sich von ihrer Macht als Protector bedroht.«
»Das weiß ich bereits«, entgegnete Malcolm. »Sie sind nicht der Einzige, dem sich Kylie anvertraut. Aber wenn der Angriff auf das andere Mädchen den Zweck hatte, Kylie aus ihrem Versteck zu locken, bedeutet das doch, dass er nicht weiß, wo sie ist.«
»Aber wie lange noch? Mario wird nicht so schnell aufgeben«, erwiderte Burnett entschieden.
»Ja, vielleicht. Aber da er doch bereits ins Camp eingedrungen ist, um zu dem Mädchen zu gelangen, wieso sollte ich dann annehmen, dass Kylie dort sicher ist?«
»Weil …« Kylie setzte an, etwas zu sagen, doch Burnetts Blick ließ sie verstummen. Er wollte das offenbar allein klären. Also hielt Kylie die Klappe, auch wenn es ihr äußerst schwerfiel.
»Ich kann Ihre Bedenken verstehen«, meinte Burnett. »Allerdings hat der Angriff nicht auf dem Campgelände stattgefunden.« Er schwenkte den Eistee im Glas und schaute dann tief in die bernsteinfarbene Flüssigkeit, als würde er ernsthaft darüber nachdenken, einen Schluck davon zu nehmen. Er tat es nicht. »Ein weiteres Argument ist, dass wir mehr Leute haben, die helfen können, diesen Kriminellen und seine Bande in die Flucht zu schlagen. Und auch wenn Ihnen das nicht gefällt, wir haben auch die Unterstützung der FRU sicher. Da ein Büro in Fallen ist, können innerhalb von ein paar Minuten hundert ausgebildete Männer zur Stelle sein.«
Malcolms Miene verfinsterte sich. »Sie haben recht, es gefällt mir nicht.« Er hielt inne und schien mit sich zu ringen, bevor er fortfuhr. »Ich muss Ihnen sagen, dass ich nur mit Ihnen hier am Tisch sitze, weil meine Enkelin so viel von Ihnen hält. Als ihr Vater nicht für sie da sein konnte und ihre familiäre Situation schwierig war, haben Sie offenbar ein wenig die Vaterrolle für sie übernommen.«
Burnett strich mit dem Finger ein paar Wassertropfen von seinem Glas Eistee, als wäre es ihm unangenehm, dass Kylie so eine hohe Meinung von ihm hatte.
»Ich hoffe, dass Sie ihren Respekt auch verdient haben.« Kylies Großvater atmete tief ein. »Das mal vorneweg. Doch dann muss ich sagen, dass ich Ihrer Logik nicht folgen kann. Sie behaupten, dass sie meine Enkelin vor der FRU beschützen, und doch würden Sie sie rufen, um Kylie zu beschützen. Wie passt denn das zusammen, bitte?«
»Ich helfe ihr dabei, die Tests zu vermeiden, einfach, weil ich mir nicht hundertprozentig sicher bin, dass sie wirklich ungefährlich sind. Ich befürchte, dass einige bei der FRU ein solch großes Interesse an Antworten haben, dass sie nicht immer Kylies Wohl im Auge haben. Aber verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich will damit nicht sagen, dass sich die Dinge, die in der Vergangenheit geschehen sind, wiederholen könnten. Die FRU ist nicht perfekt, Mr Summers – das ist wohl keine Organisation dieser Größenordnung. Aber die FRU von heute ist nicht mehr die FRU von damals.«
Danach folgte eine spannungsgeladene Stille.
»Lassen Sie mich Kylie zurück ins Shadow Falls Camp bringen, wo sie meiner Meinung nach am sichersten ist – auch vor der FRU«, fuhr Burnett schließlich fort. »Wir haben überall Wachen aufgestellt, die nach Mario Ausschau halten. Und wenn er wieder zuschlagen sollte, sind wir gewappnet. Wir werden ihn schnappen und der ganzen Sache ein Ende bereiten.«
»Das können wir doch auch tun«, widersprach Kylies Großvater.
Burnett verzog das Gesicht. »Sehen Sie mir in die Augen und sagen Sie mir, dass Sie ehrlich glauben, dass Sie und Ihre Leute der Situation gewachsen sind.«
Malcolm verschränkte die Finger ineinander. Dann starrte er seine gefalteten Hände auf dem Tisch an, als wägte er Burnetts Worte ab.
Als er den Kopf hob, schaute er Kylie an. Erst dann wandte er sich wieder Burnett zu. »Ich missbillige Ihren Plan sowie Ihre Einschätzung meiner Leute und ihrer Fähigkeit, einen der ihren zu beschützen. Ich muss jedoch zugeben, dass ich von meinen alten Vorurteilen geprägt bin. Vorurteile, die ich sicherlich bis zu meinem letzten Atemzug in mir tragen werde.«
Er räusperte sich und seufzte schwer. »Wenn mir meine Enkelin in der letzten Zeit irgendetwas über sich hat beibringen können, dann dass sie ihren eigenen Kopf hat. Deshalb bin ich mir bewusst, dass ich sie nur beraten kann, sie aber am Ende ihre Entscheidung selbst treffen wird. Ich habe in meinem Leben schon zu viele Familienmitglieder verloren, als dass ich riskieren könnte, Kylie von mir wegzutreiben, indem ich sie gegen ihren Willen hier festhalte.«
Wieder traten Kylie Tränen in die Augen. Sie berührte die Hand ihres Großvaters. Er nahm ihre Hand. Ihre Blicke trafen sich. »Bleib hier, Kylie. Bleib hier und lerne weiter, wer du bist und wo du hingehörst.« Seine Berührung erinnerte Kylie an ihren Vater, und ihr wurde warm ums Herz.
Ein Teil von ihr wollte gern nachgeben. Doch zu welchem Preis?
Noch bevor Kylie etwas sagen konnte, sah sie am Gesichtsausdruck ihres Großvaters, dass er bereits wusste, wie sie sich entscheiden würde. Und sie sah auch den Schmerz, den sie ihm damit verursachte. Sie konnte ihn fühlen.
»Du wirst mich nicht verlieren. Wo ich wohne, ist doch egal. Ich werde immer deine Enkelin sein. Aber ich glaube, Burnett hat recht. Ich muss zurückgehen.« Für Kylie war es die einzig richtige Entscheidung.
Shadow Falls war ihr zu Hause, doch das war nur einer der Gründe, wieso sie zurück wollte. Irgendwie wusste sie auch, dass Burnett recht hatte. So mächtig ihr Großvater und seine Chamäleon-Gruppe auch waren, so hatten sie doch den Großteil ihres Lebens damit verbracht, Konfrontationen zu vermeiden, und waren auch nicht darauf vorbereitet. Sie konnten es nicht mit Mario und seiner Killer-Truppe aufnehmen.
Das Problem war nur, dass sich Kylie alles andere als sicher war, dass die Leute im Camp es mit Mario aufnehmen konnten. Und selbst wenn, wie viele würden wie Helen verletzt oder noch schlimmer getötet werden? Es war alles schon passiert.
Kylie ging schweigend neben Burnett auf das Ausgangstor zu, während die Nacht hereinbrach. Im Westen färbte die untergehende Sonne den Himmel rosa, doch Kylie bemerkte es nicht. Als sie am Tor ankamen, sah Burnett zu ihr hinab. »Ich ruf morgen deinen Großvater an, um mit ihm eine Zeit zu vereinbaren, wann wir dich abholen.«
Kylie nickte. Sie hatte darauf bestanden, ihrem Großvater in Ruhe auf Wiedersehen sagen zu können. Doch jetzt, wo Burnett ohne sie gehen würde, wurde ihr das Herz schwer. Sie waren gar nicht richtig zum Reden gekommen. Die letzten fünfzehn Minuten ihres Gesprächs am Esstisch war es nur darum gegangen, wie Burnett sie gefunden hatte. Burnett erklärte, dass er das Maklerbüro hatte ausfindig machen können, über das Malcolm sein Haus verkauft hatte. Der zuständige Sachbearbeiter hatte Burnett dann weitere Unterlagen zur Verfügung gestellt, aus denen hervorgegangen war, dass Kylies Großvater ein weiteres Grundstück besaß.
Jetzt, wo es soweit war, fiel Kylie der Abschied schwer. »Versprich mir, dass es Helen wirklich gutgeht.«
»Es ist so, wie ich gesagt habe. Sie wird wieder gesund.«
»Und mit Dellas Auftrag ist auch alles okay? Sie ist doch nicht in Gefahr, oder?«
»Als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, war alles in Ordnung.«
Kylie nickte. »Und Holiday geht es auch gut?«
»Sie macht sich Sorgen. Aber sie macht sich ja immer Sorgen um euch. Ich glaube, das ist ihr Normalzustand.«
»Aber bei euch beiden, ist doch alles … gut?«
Er lächelte. »Ja. Sehr gut.«
Burnett lächelte so selten, dass Kylie sich ausmalen konnte, wie gut es zwischen den beiden lief.
»Und wie geht es Miranda?«, fragte Kylie schnell.
»Sie ist ein wenig einsam. Ich glaube, so ganz ohne Mitbewohnerinnen fühlt sie sich nicht sehr wohl. Sie wird sich sehr darüber freuen, dass du zurückkommst – genau wie viele andere.«
»Ja, klar. Wenn niemand da ist, dessen verrücktes Muster man ständig checken kann, ist es bestimmt sehr langweilig im Camp.«
Burnett zuckte mit den Schultern. »Du würdest dich sehr wundern, wenn du wüsstest, wie viele Leute nach dir gefragt haben. Du bist viel mehr in die Gruppe integriert, als du denkst, Kylie.«
»Ich vermisse die anderen auch«, gestand Kylie. »Kann ich dich zum Abschied umarmen?«
Burnett hob missbilligend eine Augenbraue, und Kylie wusste sofort, wieso. Burnett war wohl eher von der nachtragenden Sorte.
»Ich dachte, ich werde nicht zum Abschied umarmt«, stellte er leicht beleidigt fest. Kylie hatte sich nicht bei Burnett verabschiedet, als sie das Camp verlassen hatte.
»Das war falsch von mir«, gab Kylie reumütig zu. »Ich hab einfach befürchtet, dass du mich nicht gehen lassen würdest, ohne mit mir zu diskutieren. Es hätte alles schwieriger gemacht.«
»Ich hätte in der Tat mit dir diskutiert. Ich hätte dir gesagt, dass es ein Fehler ist. Und damit hätte ich recht gehabt.«
»Vielleicht nicht ganz. Ich habe schon ein paar Dinge gelernt. Außerdem sind da noch mein Großvater und meine Großtante. Meine Zeit hier war nicht verschwendet.«
»Ich kann ja verstehen, dass du etwas über das Chamäleon-Sein lernen möchtest, und ich stimme dir zu, dass es schön ist, sich mit seiner Familie zu vereinen. Aber nicht in so einer Zeit. Nicht, wenn dein Leben in Gefahr ist.«
Kylie sah ihn groß an. »Also ist das eigene Wohlergehen wichtiger als … die Familie. Sagen wir … Holiday ist deine Familie?« Sie wusste, dass sie gewonnen hatte.
Er versuchte gar nicht erst, weiter mit ihr zu diskutieren. »Ich geb’ auf.«
»Wow, das hab ich ja noch nie erlebt.« Kylie grinste.
»Na, dann genieß es«, meinte Burnett. »Andererseits kennst du meine einzige Schwäche und hast sie schamlos ausgenutzt.«
»Jemanden zu lieben ist keine Schwäche«, erwiderte Kylie. Doch schnell hatte sie die Sorge um ihre Freunde wieder eingeholt. »Wie sicher bist du dir, dass Mario Helen angegriffen hat?«
»Sicher genug, um hier zu sein«, gab er zurück. »Und sicher genug, um heute Nacht hier Wachen aufzustellen. Mario hat deine Macht erkannt, Kylie. Du bedrohst seine Existenz.«
Und dennoch fühlte sich Kylie machtlos. Sie sah durch das Tor hindurch und entdeckte dort Lucas und Derek. Sie standen etwa fünfzehn Meter voneinander entfernt, so als hätten sie nichts miteinander zu tun. Oder als ob … sie postiert wären. Waren sie als Wachen eingeteilt? Der Gedanke, dass Lucas für sie Wache stehen würde, wo er sie doch gerade erst so verletzt hatte, ließ Kylie schmerzvoll das Gesicht verziehen.
»Nicht Lucas«, murmelte sie.
»›Nicht Lucas‹, was?«, fragte Burnett.
Kylie kam sich kindisch vor und wollte eigentlich gar nicht darüber reden, aber sie wollte auch nicht die ganze Nacht daran denken müssen, wie nah Lucas ihr war. Sie würde sich schon früh genug damit anfreunden müssen, wieder in seiner Nähe zu sein, wenn sie morgen ins Camp zurückkehrte. Aber nicht heute Nacht. »Ich will nicht, dass Lucas Wache hält.«
Burnett öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn jedoch wieder, als hätte er es sich anders überlegt. Dann nickte er widerwillig.
Kylie ignorierte seinen missbilligenden Blick und holte sich schnell ihre Abschiedsumarmung ab.
Burnett zu umarmen gab ihr ein wohliges Gefühl, trotz seiner kalten Vampir-Körpertemperatur. Das Wissen, dass sie morgen nach Hause gehen konnte, erleichterte ihr den Abschied, auch wenn Lucas’ Anwesenheit im Camp ihrer Rückkehr einen bitteren Beigeschmack verlieh.
Kylie machte sich auf den Weg zurück zum Haus, doch je näher sie kam, desto weniger Lust hatte sie auf das Gespräch, das ihr zweifellos bevorstand. Sie brauchte ein paar Minuten Verschnaufpause und ging deshalb in Richtung Gartenlaube. Der Himmel leuchtete jetzt in allen Rottönen, und die Dämmerung tauchte alles in ein goldenes Licht. Als sie unter den Eichen hindurchging, fiel ihr Blick auf das Spanische Moos, das von einem Ast hing und leicht in der Brise schwang.
Sie fragte sich, ob sich ihr Großvater nun verpflichtet fühlen würde, wieder umzuziehen, weil Burnett sie so leicht hatte finden können. Sie hoffte es nicht. So unzufrieden sie auch in letzter Zeit gewesen war, so hatte sie doch die Schönheit des Geländes bewundert. Die Geräusche der Natur kündeten bereits von der Nacht – ein Vogel rief, ein paar Grillen zirpten.
Dann plötzlich schien die Szene wie eingefroren, und der friedvolle Moment wurde durch das Knacken eines Zweiges gestört. Kylie stockte der Atem, und sie schaute sich nervös um. Warum dieses kleine Geräusch sie so beunruhigte, konnte sie auch nicht genau sagen. Vielleicht war es nur eine unschuldige Waldkreatur, die sich beim abnehmenden Tageslicht heraus traute.
Doch es klang nicht unschuldig.
Wie aus dem Nichts tauchte ein Schatten auf und verschwand gleich darauf wieder hinter den Bäumen. Kylie konnte nicht erklären wieso, aber statt vor der Person wegzulaufen, fühlte sie sich zu ihr hingezogen.
Sie ging auf die Bäume zu, und da entdeckte sie eine weibliche Silhouette, die sofort wieder in den Schatten verschwand.
Kylie blieb wie angewurzelt stehen, als sie meinte, die Person zu erkennen.