Sharpes Beute - Bernard Cornwell - E-Book

Sharpes Beute E-Book

Bernard Cornwell

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Beschreibung

Richard Sharpe im Kampf um Kopenhagen

England, 1807: Im Krieg um die Vorherrschaft in Europa setzt Napoleon alles daran, die dänische Flotte in seinen Besitz zu bringen. Gelänge es ihm und seinen Truppen, wäre die Seemacht England in höchster Gefahr. So wird Captain John Lavisser nach Kopenhagen entsandt, um die Dänen auf die Seite des Königreichs zu ziehen. An seiner Seite: Richard Sharpe. Sein Auftrag: Lavisser und eine Truhe voll Gold sicher ans Ziel bringen. Keine leichte Aufgabe - zumal Sharpe angeschlagen ist. Als Quartiermeister fühlt er sich degradiert, und auch über den Tod seiner großen Liebe und den Verlust seines Hauses ist er noch nicht hinweg. Doch er muss sich zusammenreißen, denn der Feind lauert in den eigenen Reihen ...

Bernard Cornwell erzählt farbenprächtig und mitreißend, ein Leckerbissen für Fans historischer Abenteuer!

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Seitenzahl: 483

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über den Autor

Weitere Titel des Autors bei Bastei Lübbe

Titel

Impressum

Widmung

Karten

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

HISTORISCHE ANMERKUNG

Über dieses Buch

England, 1807: Im Krieg um die Vorherrschaft in Europa setzt Napoleon alles daran, die dänische Flotte in seinen Besitz zu bringen. Gelänge es ihm und seinen Truppen, wäre die Seemacht England in höchster Gefahr. So wird Captain John Lavisser nach Kopenhagen entsandt, um die Dänen auf die Seite des Königreichs zu ziehen. An seiner Seite: Richard Sharpe. Sein Auftrag: Lavisser und eine Truhe voll Gold sicher ans Ziel bringen. Keine leichte Aufgabe – zumal Sharpe angeschlagen ist. Als Quartiermeister fühlt er sich degradiert, und auch über den Tod seiner großen Liebe ist er noch nicht hinweg. Doch er muss sich zusammenreißen, denn der Feind lauert in den eigenen Reihen …

Über den Autor

Bernard Cornwell wurde 1944 in London geboren. Er arbeitete lange für die BBC, unter anderem in Nordirland, wo er seine Frau kennenlernte. Heute lebt er die meiste Zeit in den USA. Er ist der Autor zahlreicher international erfolgreicher historischer Romane und Thriller. Die Sharpe-Serie, die er in den 1980er-Jahren zu schreiben begann, hat Kultstatus und wurde von der BBC mit Sean Bean in der Hauptrolle verfilmt. Im Herbst 2022 hat er nach mehr als fünfzehn Jahren Wartezeit für die Fans endlich ein neues Abenteuer von Richard Sharpe vorgelegt: Sharpes Mörder.

Weitere Titel des Autors bei Bastei Lübbe

Sharpes Feuerprobe

Sharpes Sieg

Sharpes Festung

Sharpes Trafalgar

Sharpes Beute

Sharpes Mission

Sharpes Trophäe

Sharpes Gold

Sharpes Flucht

Sharpes Weihnacht

Sharpes Zorn

Sharpes Gefecht

Sharpes Rivalen

Sharpes Degen

Sharpes Abenteuer

Sharpes Feind

Sharpes Ehre

Sharpes Geheimnis

Sharpes Triumph

Sharpes Rache

Sharpes Waterloo

Sharpes Teufel

Sharpes Mörder

Bernard Cornwell

SHARPESBEUTE

Historischer Roman

Aus dem Englischen vonJoachim Honnef

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2001 Bernard Cornwell

Titel der englischen Originalausgabe: »Sharpe’s Prey«

Originalverlag: HarperCollins Publishers

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2010/2023 by Bastei Lübbe AG, Köln

Prüfung der militärhistorischen Details:

Historisches Uniformarchiv Alfred Umhey

Textredaktion: Rainer Delfs

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München unter Verwendung von Motiven von © Collaboration JS/arcangel; © Leonid Andronov/shutterstock

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-4820-9

luebbe.de

lesejury.de

Für Jarl, Gerda, Bound Christine

KAPITEL 1

Captain Henry Willsen vom »Dreckigen halben Hundert« Seiner Majestät, offiziell das 50. Regiment von West Kent, parierte den Säbel seines Gegners. Er tat es übereilt und ließ seine rechte Hand hängen, sodass sich die Säbelklinge in der Position befand, die den Fechtmeistern als quarte basse bekannt ist, und die sachverständigen Zuschauer hielten die Parade für schwach.

Ein überraschtes Murmeln setzte ein, denn Willsen war gut. Sehr gut sogar. Er hatte angegriffen, jedoch den Konter seines größeren Gegners zu spät erkannt und war jetzt auf desorientiertem Rückzug.

Der größere Mann setzte nach, parierte die quarte basse, sodass Willsen zurücksprang und seine leichten Fechtschuhe auf dem Holzboden quietschten. Allein das Geräusch seiner Schuhe auf dem vibrierenden Boden ließ auf Panik schließen.

Die Säbel klirrten wieder hart gegeneinander, der größere Mann stürmte vorwärts, sein Säbel stieß vor, und Willsen konterte in offensichtlicher Verzweiflung, bis er – so schnell, dass die Zuschauer kaum der Bewegung seines Säbels folgen konnten – zur Seite sprang und bei einer Riposte die Wange seines Gegners traf. Die Riposte schien nicht wuchtig ausgeführt zu sein, denn ihre Kraft kam aus Willsens Handgelenk, statt aus dem ganzen Arm, doch die Säbelklinge traf den größeren Mann, sodass er das Gleichgewicht verlor. Er schwankte, sein rechter Arm fuchtelte herum, und Willsen berührte mit der Spitze seines Säbels fast sanft die Brust eines Gegners, der daraufhin zu Boden stürzte.

»Genug!«, rief der Fechtmeister.

»Verdammt.« Der gefallene Mann schwang seine Klinge in einem Wutausbruch nach Willsens Fußknöchel. Willsen blockte den Hieb leicht ab und wandte sich einfach ab.

»Ich sagte ›genug‹, Mylord!«, rief der Fechtmeister ärgerlich.

»Wie, zum Teufel, haben Sie das gemacht, Willsen?« Lord Marsden zog den gepolsterten Lederhelm mit der Schutzblende vom Gesicht. »Ich hatte Sie schon so gut wie am Arsch!«

Willsen, der den gesamten Ablauf des Kampfes geplant hatte, von dem Moment an, in dem er absichtlich die lässige quarte basse gemacht hatte, verneigte sich. »Vielleicht habe ich einfach Glück gehabt, Mylord.«

»Kommen Sie mir nicht gönnerhaft, Mann«, blaffte Lord Marsden und rappelte sich auf. »Was war mein Fehler?«

»Ihre Cavation war zu langsam, Mylord.«

»Den Teufel war sie«, grollte Lord Marsden. Er war stolz auf seine Fähigkeiten mit Florett oder Säbel, doch er wusste, dass Willsen ihn hereingelegt hatte, indem er einen übereilten Rückzug vorgetäuscht hatte. Seine Lordschaft blickte finster drein. Dann erkannte er, dass er ungnädig war. Er schob den Säbel unter den Arm und streckte eine Hand aus. »Sie sind schnell, Willsen, verdammt schnell.«

Die Hand voll Zuschauer applaudierte bei der sportlichen Geste. Sie waren in Horace Jackson’s Hall of Arms, einer Einrichtung in Londons Jermyn Street, wo wohlhabende Männer die Künste des Boxens, Fechtens und Pistolenschießens erlernen konnten. Die Halle war ein hoher kahler Raum mit Ständern für Degen und Säbel an den Wänden, in dem es nach Tabak und Liniment roch und das mit Bildern von Preiskämpfern, Bulldoggen und Rennpferden geschmückt war. Die paar Frauen in der Halle servierten Getränke und Essen oder arbeiteten in den kleinen Zimmern über der Halle, wo die Betten weich und die Preise hoch waren.

Willsen nahm seinen Helm ab und fuhr sich durch sein langes blondes Haar. Er verneigte sich vor seinem geschlagenen Gegner und trug dann beide Säbel zu den Waffenständern an der Seite der Halle, wo ein großer, sehr schlanker und außergewöhnlich gut aussehender Captain im roten Rock und den blauen Aufschlägen des 1st Regiment of Foot Guards wartete. Der Gardist, ein Fremder für Willsen, warf eine halb gerauchte Zigarre fort, als sich Willsen näherte.

»Sie haben ihn zum Narren gemacht«, sagte der Captain heiter.

Willsen runzelte die Stirn über die Frechheit des Fremden, antwortete jedoch höflich genug. Schließlich war er Angestellter von Horace Jackson’s Hall, und der Captain der Gardisten, nach dem eleganten Schnitt seiner teuren Uniform zu schließen, war ein Kunde. Darüber hinaus der Typ Kunde, der es nicht erwarten konnte, sich gegenüber dem gefeierten Henry Willsen zu beweisen.

»Ich habe ihn zum Narren gemacht?«, fragte Willsen. »Wie?«

»Die quarte basse«, sagte der Gardist. »Sie haben sie absichtlich schwach ausgeführt, stimmt’s?«

Willsen war beeindruckt von der Beobachtungsgabe des Gardisten, ließ sich das jedoch nicht anmerken. »Vielleicht habe ich nur Glück gehabt.« Er war bescheiden, denn er hatte den Ruf, der beste Fechter im »Dreckigen halben Hundert«, vermutlich in der gesamten Armee und vielleicht im ganzen Land zu sein, doch er stellte sein Licht unter den Scheffel, genauso wie er seine Fähigkeiten bei denjenigen herunterspielte, die ihn für den besten Pistolenschützen in Kent hielten. Ein Soldat, pflegte Willsen zu sagen, sollte ein Meister seiner Waffen sein, und so übte er fleißig und hoffte inständig, dass seine Fähigkeiten eines Tages für den Dienst seines Landes nützlich sein würden. Bis dahin verdiente er den Sold eines Captains und, weil das nicht reichte, um Frau und Kind zu unterhalten und die Rechnungen in der Messe zu begleichen, lehrte er Fechten und Pistolenschießen in Horace Jackson’s Hall of Arms. Jackson, ein ehemaliger Profiboxer mit platt geschlagener Nase, wollte, dass Willsen die Armee verließ und in Vollzeit für ihn arbeitete, doch Willsen liebte es, Soldat zu sein. Es verschaffte ihm eine Position in der britischen Gesellschaft. Es mochte keine sehr hohe sein, aber sie war ehrenvoll.

»So etwas wie Glück gibt es nicht«, sagte der Gardist, und jetzt sprach er Dänisch, »nicht, wenn man kämpft.«

Willsen hatte sich abgewandt, doch der Wechsel der Sprache ließ ihn zu dem blonden Gardisten-Captain zurückblicken. Sein erster flüchtiger Eindruck von dem Gardisten war der eines privilegierten Jungen gewesen, doch jetzt sah er, dass der Captain Anfang dreißig war und bei seinem gut aussehenden Äußeren ein zynisches, wissendes Lächeln hatte. Dies ist ein Mann, dachte Willsen, der sich sowohl in einem Palast als auch bei einem Preiskampf heimisch fühlt. Auch ein ernstzunehmender Mann, und einer, der für ihn von besonderer Wichtigkeit war. Er deutete eine Verbeugung an.

»Sie, Sir, müssen der Ehrenwerte Major John Lavisser sein«, sagte er respektvoll.

»Ich bin Captain Lavisser«, bestätigte Captain und Major Lavisser. Die Gardisten gaben ihren Offizieren zwei Dienstränge, der niedrigere zeigte ihre Verantwortlichkeit im Regiment an, während der höhere ein Hinweis darauf war, dass jeder Gardisten-Offizier eine vorgesetzte Person war, besonders im Vergleich zu den ärmeren Kämpfern des »Dreckigen halben Hundert«. »Ich bin Captain Lavisser«, wiederholte der Ehrenwerte John Lavisser, »aber Sie sollten mich John nennen.«

»Ich dachte, Sie wären erst am Samstag zu sprechen«, sagte Willsen, streifte seine Fechtschuhe ab und zog Stiefel an.

»Wir werden für eine ziemlich lange Zeit Gefährten sein …«, Lavisser ignorierte Willsens Feindseligkeit, »… und ich finde, wir sollten Freunde sein. Außerdem, sind Sie nicht neugierig auf unsere Befehle?«

»Meine Befehle lauten, Sie nach Kopenhagen zu begleiten und dafür zu sorgen, dass Sie sicher wieder von dort fortkommen«, erwiderte Willsen steif, während er seinen roten Rock anzog. Die Wolle des Rocks war verblichen, die schwarzen Aufschläge verschlissen. Er schnallte seinen Sieben-Guinea-Degen um, neidisch, weil an Lavissers Hüfte eine wertvolle Klinge hing, aber Willsen hatte seit Langem gelernt, seinen Neid auf die Ungleichheiten des Lebens zu zügeln, auch wenn er sie nicht ganz vergessen konnte. Er wusste nur zu gut, dass sein Captainsposten im »Dreckigen halben Hundert« tausendfünfhundert Pfund wert war, genau so viel, wie es kostete, sich den Rang eines Lieutenant bei den Gardisten zu kaufen, aber was sollte es. Sein dänischer Vater und seine englische Mutter hatten ihn gelehrt, auf Gott zu vertrauen, seine Pflicht zu tun und das Schicksal zu akzeptieren. Das Schicksal hatte ihn jetzt dazu bestimmt, der Gefährte eines Mannes, des Sohns eines Earls, eines Gardisten und Adjutanten von Prinz Frederick, dem Duke of York, dem zweiten Sohn von George III. und Oberbefehlshaber der britischen Armee, zu sein.

»Aber möchten Sie nicht wissen, warum wir nach Kopenhagen gehen?«, fragte Lavisser.

»Ich bezweifle nicht, dass ich zu gegebener Zeit darüber informiert werde«, sagte Willsen immer noch steif.

Lavisser lächelte, und sein schmales, düsteres Gesicht spiegelte Charme wider. »Die gegebene Zeit, Willsen, ist jetzt«, sagte er. »Kommen Sie, erlauben Sie mir wenigstens, Ihnen das Abendessen zu spendieren und Ihnen die Geheimnisse unseren Botengangs zu enthüllen.«

In Wirklichkeit war Captain Willsen fasziniert. Er hatte zwölf Jahre in der britischen Armee gedient und noch nie Pulver gerochen. Er hatte sich danach gesehnt, sich auszuzeichnen, und jetzt, ganz plötzlich, hatte sich die Chance ergeben, weil ein Offizier gebraucht wurde, um den Adjutanten des Duke of York nach Kopenhagen zu begleiten. Das war alles, was Willsen wusste, doch sein befehlshabender Offizier hatte angedeutet, dass seine Fähigkeiten mit Handfeuerwaffen ein großer Vorteil sein könnten.

Willsen war zuerst besorgt gewesen, hatte befürchtet, dass er gegen das Volk seines Vaters kämpfen müsste, doch man hatte ihm versichert, dass die Gefahr in Kopenhagen von den Franzosen kam, nicht von den Dänen, und diese Versicherung hatte ihm erlaubt, die Verantwortung zu akzeptieren. Und sie hatte seine Neugier geweckt. Jetzt bot ihm Lavisser eine Erklärung an, und Willsen, der wusste, dass er mürrisch gewesen war, nickte. »Es wird mir ein Vergnügen sein, mit Ihnen zu speisen, Sir.«

»Mein Name ist John«, sagte Lavisser, als er Willsen die Treppe hinab zur Straße führte. Willsen hatte fast erwartet, dass dort eine Kutsche auf sie wartete, doch Lavisser war anscheinend zu Fuß, obwohl ein leichter Nieselregen eingesetzt hatte. »Kaum zu glauben, dass es Juli ist«, grollte Lavisser.

»Es wird eine schlechte Ernte geben«, bemerkte Willsen.

»Ich dachte mir, wir könnten bei Almacks speisen«, schlug Lavisser vor, »und vielleicht danach ein wenig Karten spielen?«

»Ich spiele nie«, antwortete Willsen. Selbst wenn er es könnte, hätte er sich nie die hohen Einsätze bei Almacks geleistet.

»Wie klug Sie sind«, meinte Lavisser. Sie sprachen beide wieder Englisch. »Und ich dachte mir, es könnte Sie erfreuen, wenn wir vor dem Essen mit Hannsen sprechen.«

»Hannsen?«

»Der Erste Sekretär in der dänischen Botschaft«, erklärte Lavisser. Er bedachte seinen Gefährten mit einem ernsten Blick. »Ich möchte ganz sicher sein, dass unsere Aktivitäten nicht nachteilig für Dänemark sind. Hannsen ist ein anständiger Mann, und ich habe seinen Rat stets sehr gut gefunden.«

Willsen teilte den Wunsch, alles zu vermeiden, was Dänemark schaden könnte, und so gefiel ihm die Idee, mit jemandem von der Botschaft zu reden, doch seine angeborene Vorsicht setzte sich durch. »Müssen wir unsere Ziele der dänischen Regierung preisgeben?«

»Natürlich nicht, und das sollten wir auch nicht tun.« Lavisser blieb stehen und schenkte Willsen sein atemberaubendes Lächeln. »Sir David erzählte mir, Sie haben Skrupel wegen des Besuchs in Dänemark ausgedrückt. Stimmt das? Glauben Sie mir, mein lieber Willsen, mir geht es genauso. Dort lebt die Familie meiner Mutter. Und ich werde nichts tun, nicht das Geringste, was sie in Gefahr bringen könnte.« Er legte eine Pause ein, und dann klang seine Stimme sogar noch ernster. »Wenn Sie und ich Dänemark und Britannien nicht zu einer engeren Freundschaft bringen können, mein lieber Willsen, dann haben wir kein Recht, dorthin zu gehen. Ich möchte von Hannsen nur eine allgemeine Versicherung. Ich will das Neueste über die politische Situation in Dänemark hören. Ich will wissen, welchen Druck die Franzosen ausüben. Die Franzosen sind das Ärgernis, aber sind sie das nicht immer? Und natürlich wird Hannsen den Zweck unseres Besuchs wissen wollen, aber wir werden nur sagen, dass wir unsere Familien besuchen. Was wäre unverfänglicher?« Lavisser lächelte und ging weiter, und Willsen, beruhigt, folgte dem großen Gardisten über die Straße. Ein Straßenkehrer, ein magerer Junge mit einer Schramme auf der Stirn, lief zu einem Pferd, um es aus Lavissers Weg zu schieben. Der Gardist warf dem Jungen lässig einen halben Schilling zu. Dann führte er Willsen in eine Gasse.

»Würde es Sie stören, wenn wir Hannsen durch den Dienstboteneingang besuchen?«, fragte er. »Man muss damit rechnen, dass die verdammten Franzmänner seine Eingangstür beobachten.«

»Die Franzosen? In London?«

»Sie haben überall Agenten«, sagte Lavisser. »Sogar in London. Aber nicht in dieser Gasse, glaube ich.«

In der engen, düsteren Gasse roch es widerlich. Sie endete an einem Tor, das einen Spalt breit offen stand und in einen schmalen Hof führte, der durch die dichte Wolkendecke dieses grauen Tages und die Wände ringsum noch düsterer wirkte. Das Kopfsteinpflaster des Hofs war mit Abfall bedeckt, der von einem großen, stämmigen Mann auf einen Handkarren geladen wurde. Der Hüne schien überrascht zu sein, zwei Offiziere in roten Röcken in seine schmuddelige Domäne eindringen zu sehen. Er trat hastig zur Seite, nahm seinen verknautschten Hut ab und strich eine Locke aus der Stirn, als die beiden Offiziere vorsichtig durch den Abfall im Hof stiegen.

»Hätten Sie etwas gegen weibliche Gesellschaft nach dem Essen?«, fragte Lavisser.

»Ich bin ein verheirateter Mann, Captain«, sagte Willsen ernst.

»Nennen Sie mich John, bitte.«

Willsen fühlte sich unbehaglich wegen dieser vertraulichen Einladung. »Nach dem Essen werde ich nicht bleiben«, sagte er peinlich berührt und ging um den Karren mit Müll herum.

Henry Willsen war einer der besten Kämpfer in der britischen Armee, und um seine Fähigkeiten mit einer Pistole hätte ihn jeder Duellant beneidet, doch ihm blieb keine Zeit zur Gegenwehr bei dem Angriff, der urplötzlich erfolgte, als er den Müllkarren passiert hatte. Der große, stämmige Mann trat Willsen in die Kniekehle, und als er stürzte, zückte er ein Messer und stieß es ihm zwischen die Rippen. Die Klinge drang bis zum Heft ein, und der große Mann hielt Willsen damit aufrecht, während der Captain aufstöhnend nach dem Griff seines billigen Degens tastete. Er schaffte es, seine Hand um den Griff der Waffe zu legen, doch Captain Lavisser, der sich beim Angriff des großen Messerstechers umgedreht hatte, lächelte nur und schlug Willsens Hand beiseite. »Das hilft dir nicht mehr, Harry«, sagte er.

»Du …« Willsen versuchte zu sprechen, doch seine Lunge füllte sich mit Blut. Er begann zu würgen, und seine Augen weiteten sich, als er den Kopf schüttelte.

»Ich entschuldige mich, mein lieber Willsen«, sagte Lavisser, »aber ich befürchte, deine Anwesenheit in Kopenhagen wäre äußerst peinlich gewesen.« Der Offizier der Gardisten trat schnell zurück, als der große Mann, der Willsen mit seinem Messer aufrecht gehalten hatte, die Klinge aus dem Körper riss. Willsen sackte zusammen, und sein Angreifer ging neben ihn auf die Knie und schnitt ihm die Kehle durch. Willsen zuckte im Todeskampf auf den Pflastersteinen. »Gut gemacht«, sagte Lavisser zufrieden.

»Leichte Arbeit«, grunzte der Hüne. Er stand auf und wischte die Messerklinge an seinem schmutzigen Rock ab. Er war sehr groß, sehr breitschultrig und hatte die narbigen Knöchel eines Boxers. Sein Gesicht war mit Pockennarben übersät, seine Nase war mindestens einmal gebrochen und schlecht gerichtet worden, und seine Augen wirkten wie Steine. Alles an ihm wies darauf hin, dass er aus der Gosse kam, und wenn man ihn nur ansah, war man froh, dass es die Galgen vor dem Newgate-Gefängnis gab.

»Er lebt noch.« Lavisser blickte Willsen finster an.

»Nicht mehr lange«, sagte der Hüne. Dann stampfte er auf Willsens Brust. »Jetzt nicht mehr.«

»An dir können wir uns alle ein Beispiel nehmen, Barker«, sagte Lavisser und trat nahe an den toten Willsen heran. »Er war ein sehr dummer Mann, vermutlich ein Lutheraner. Willst du sein Bargeld haben? Lass es aussehen wie einen Raubüberfall.«

Barker hatte bereits begonnen, die Taschen des Toten aufzureißen. »Meinst du, sie werden einen anderen Scheißer finden, der uns begleiten soll?«, fragte er.

»Sie sind anscheinend wild darauf, mir eine Begleitung mitzugeben«, sagte Lavisser, »aber die Zeit drängt jetzt, und ich bezweifle, dass sie jemanden finden werden. Aber wenn doch, Barker, dann musst du ihn erledigen wie diesen.« Lavisser schien von dem toten Willsen fasziniert zu sein, denn er nahm nicht den Blick von ihm. »Du bist eine große Beruhigung für mich, Barker, und es wird dir in Dänemark gefallen.«

»Wird es das, Sir?«

»Sie sind nette Leute«, sagte Lavisser, der den Blick immer noch nicht von Willsens Leiche nehmen konnte. »Wir werden wie reißende Wölfe unter blökenden Lämmern sein.« Er schaffte es schließlich, sich von der Anblick der Leiche loszureißen, hob träge die Hand und ging an dem Handkarren vorbei durch die Gasse.

Der Regen fiel jetzt stärker. Es war Ende Juli im Jahre 1807, doch das Wetter passte mehr zum März. Es würde eine schlechte Ernte geben, es gab eine neue Witwe in Kent, und der Ehrenwerte John Lavisser ging ins Almacks, wo er beträchtlich mehr als tausend Guineas verlor, doch das störte ihn nicht weiter. Er hinterließ wertlose handschriftliche Notizen, in denen er versprach, seine Schulden zu begleichen, und ging davon. Er befand sich auf seinem Weg zum Ruhm.

Mister Brown und Mister Belling, der eine dick, der andere dünn, standen Seite an Seite und starrten den Armeeoffizier im grünen Rock jenseits des Tisches an. Weder Mister Belling noch Mister Brown gefiel, was sie sahen. Ihr Besucher war ein großer Mann mit schwarzem Haar, hartem Gesicht und einer Narbe an der rechten Wange und wirkte wie ein Mann, für den Narben nichts Fremdes waren. Mister Brown seufzte und wandte sich ab, um den Regen zu betrachten, der auf Londons Eastcheap niederging.

»Es wird eine schlechte Ernte werden, Mister Belling«, sagte er schwer.

»Das befürchte ich auch, Mister Brown.«

»Juli!«, sagte Brown. »Wir haben tatsächlich Juli! Dabei ist es mehr wie im März!«

»Ein Feuer im Juli!«, sagte Mister Belling. »Kaum zu glauben!«

Das Feuer, ein schäbiger Haufen glühender Kohlen, brannte in einem Kamin, über dem ein Kavalleriesäbel hing. Es war die einzige Dekoration in dem getäfelten Raum und deutete auf die militärische Natur des Büros hin. Die Herren Belling und Brown von Cheapside waren Armee-Agenten, und ihr Aufgabengebiet bestand darin, sich um die finanziellen Angelegenheiten von Offizieren zu kümmern, die in Übersee dienten. Sie arbeiteten auch als Makler für Soldaten, die ein Offizierspatent kaufen oder verkaufen wollten, doch in diesem feuchten, kalten Juli verdienten sie nicht viel an Gebühren.

»Leider können wir nichts für Sie tun.« Mister Brown breitete entschuldigend die Arme aus. Seine Hände waren gepflegt, sehr weiß und makellos manikürt. Er entspannte die Finger als sei er im Begriff, Cembalo zu spielen. »Leider«, wiederholte er und schaute den Offizier im grünen Rock an, der ihn von der anderen Seite des Tisches finster anblickte.

»Es liegt an der Natur Ihres Patents«, erklärte Mister Belling.

»In der Tat«, pflichtete ihm Mister Brown bei, »sozusagen in der Natur Ihres Patents.« Er lächelte kläglich.

»Es ist so gut wie jedes andere Patent«, sagte der Offizier angriffslustig.

»Oh, besser«, beteuerte Mister Brown heiter. »Meinen Sie nicht auch, Mister Belling?«

»Weitaus besser«, stimmte Mister Belling begeistert zu. »Ein Schlachtfeld-Patent, Mister Sharpe. Das ist eine seltene Sache. Sehr selten!«

»Bewundernswert!«, fügte Mister Brown hinzu.

»Äußerst bewundernswert«, stimmte Mister Belling zu. »Ein Schlachtfeld-Patent! Für jemand von den Mannschaften! Das ist …« Er überlegte, wie er es ausdrücken sollte, »… einmalig, eine sensationelle Leistung!«

»Aber es ist …« Mister Brown überlegte genau, was er sagen sollte, und seine plumpen Hände öffneten und schlossen sich wie die Flügel eines Schmetterlings. »… nicht verhandelbar.«

»Genau.« Mister Bellings Stimme verriet Erleichterung darüber, dass sein Partner das richtige Wort gefunden hatte, um das Problem zu beenden. »Es ist nicht verhandelbar, Mister Sharpe.«

Für ein paar Sekunden herrschte Schweigen. Im Kamin knisterte das Feuer, Regen prasselte gegen das Fenster des Büros, und auf der Straße knallte ein Fuhrmann mit der Peitsche.

»Nicht verhandelbar?«, fragte Lieutenant Richard Sharpe.

»Das Patent kann nicht zu Bargeld gemacht werden«, erklärte Mister Belling. »Sie haben es nicht gekauft, also können Sie es auch nicht verkaufen. Sie haben es geschenkt bekommen. Was der König Ihnen schenkt, mögen Sie zurückschenken, aber Sie können es nicht verkaufen. Das ist nicht …«, er legte eine Pause ein und fand das Wort, »… verhandelbar.«

»Man hat mir gesagt, ich könnte es verkaufen!«, sagte Sharpe ärgerlich.

»Da hat man Ihnen etwas Falsches gesagt«, sagte Mister Brown.

»Das war eine Fehlinformation«, fügte Mister Belling hinzu.

»Eine schlimme«, sagte Mister Brown, »leider.«

»Die Bestimmungen sind einfach«, fuhr Mister Belling fort. »Ein Offizier, der ein Patent kauft, kann es verkaufen, aber ein Mann, der ein Patent verliehen bekommt, kann das nicht. Ich wünschte, es wäre anders.«

»Wir beide wünschten das«, sagte Mister Brown.

»Aber man hat mir gesagt …«

»Man hat Ihnen was Falsches gesagt«, erwiderte Mister Belling heftig und bereute im selben Augenblick, dass er so brüsk gewesen war, denn Sharpe erhob sich von seinem Stuhl, als wolle er die beiden Männer angreifen.

Sharpe brachte seinen Zorn unter Kontrolle. Er schaute vom dicken Mister Brown zum dünnen Mister Belling. »Sie können also nichts für mich tun?«

Mister Belling starrte ein paar Sekunden zur vom Rauch gebräunten Decke des Büros, als hoffe er auf eine Eingebung, dann schüttelte er den Kopf. »Da können wir leider nichts tun«, antwortete er, »aber Sie könnten bei der Regierung Seiner Majestät ein Gesuch auf Entschädigung stellen. Ich habe noch nicht gehört, dass so etwas jemals Erfolg gehabt hätte, aber vielleicht macht man bei Ihnen eine Ausnahme?« Er klang sehr zweifelnd. »Gibt es zufällig ranghohe Offiziere, die für Sie sprechen würden?«

Sharpe sagte nichts. Er hatte in Indien Sir Arthur Wellesley das Leben gerettet, doch er bezweifelte, dass der General ihm jetzt helfen würde. Sharpe wollte nur sein Offizierspatent verkaufen, die 450 Pfund nehmen und aus der Armee ausscheiden. Aber anscheinend konnte er sein Offizierspatent nicht verkaufen, weil er es nicht gekauft hatte.

»Solch ein Gesuch würde seine Zeit brauchen«, warnte ihn Mister Brown, »und ich würde nicht mit einem Erfolg rechnen, Mister Sharpe. Sie bitten die Regierung, einen Präzedenzfall zu schaffen, und Regierungen sind damit sehr zurückhaltend.«

»Das sind sie in der Tat«, sagte Belling. »Und so sollte es auch sein. Doch in Ihrem Fall …?« Er lächelte, hob die Augenbrauen und setzte sich dann zurück.

»In meinem Fall?«, fragte Sharpe verwirrt.

»Ich wäre nicht so zuversichtlich«, wiederholte Mister Brown.

»Wollen Sie damit sagen, dass ich beschissen werde?«, fragte Sharpe.

»Wir sagen, Mister Sharpe, dass wir Ihnen leider nicht helfen können.« Mister Brown sagte es ernst, denn er war von Sharpes Vulgärsprache peinlich berührt.

Sharpe starrte die beiden Männer an. Mach beide fertig, dachte er. Zwei Minuten blutige Gewalt, und dann leere ihnen ihre Taschen. Die Bastarde müssen Geld haben. Und er hatte drei Schilling und eineinhalb Pennys in seiner Tasche. Das war’s. Drei Schilling und eineinhalb Pennys.

Aber es war nicht Browns oder Bellings Schuld, dass er sein Offizierspatent nicht verkaufen konnte. Es waren die Vorschriften. Die Bestimmungen. Die Reichen konnten immer mehr Geld machen und die Armen konnten zum Teufel gehen. Er stand auf, und das Klappern seiner Schwertscheide am Stuhl ließ Mister Brown zusammenzucken. Sharpe streifte einen feuchten Mantel über seine Schultern, stülpte seinen Tschako über sein ungebändigtes Haar und nahm seinen Tornister. »Guten Tag«, sagte er schroff und verließ das Büro. Ein Schwall kalter Luft drang ins Büro, als die Tür zufiel und er in den Regen hinaustrat.

Mister Belling stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Sie wissen, wer das war, Mister Brown?«

»Er stellte sich selbst als Lieutenant Sharpe von den 95th Rifles vor«, sagte Mister Brown, »und ich hoffe, ich habe keinen Grund, das anzuzweifeln, oder?«

»Es ist derselbe Offizier, Mister Brown, der mit Lady Grace Hale zusammenlebte, oder sollte ich sagen ihr beischlief?«

Mister Browns Augen weiteten sich. »Nein! Ich dachte, sie hat sich mit einem Ensign, einem Fähnrich, eingelassen!«

Mister Belling seufzte. »Bei den Rifles, Mister Brown, gibt es keine Ensigns. Er ist ein Second Lieutenant. Der niedrigste unter den Offizieren!«

Mister Brown starrte auf die geschlossene Tür. »Allmächtiger«, sagte er leise. Da konnte er seiner Frau Amelia etwas erzählen, wenn er heimkam! Ein Skandal im Büro! In ganz London war getuschelt worden, wie Lady Grace Hale, die Witwe eines prominenten Mannes, mit einem einfachen Soldaten in ein Haus eingezogen war. Sicher, der gemeine Soldat war ein Offizier, jedoch kein richtiger. Kein Mann, der sein Offizierspatent käuflich erworben hatte, sondern ein Unteroffizier, der auf dem Schlachtfeld befördert worden war, was bewundernswert war, aber trotzdem. Lady Grace Hale, die Tochter des Earl of Selby, lebte mit einem gemeinen Soldaten zusammen! Und nicht nur das, sie hatte auch ein Baby von ihm! Das sagten jedenfalls die Gerüchte. Die Familie Hale hatte erklärt, dass der verstorbene Ehemann der Vater des Kindes sei, und das Baby sei neun Monate nach Lord Williams Tod geboren worden, aber nur wenige glaubten das.

»Mir kam der Name gleich irgendwie vertraut vor«, sagte Brown.

»Ich konnte ihn selbst kaum glauben«, pflichtete Belling bei. »Können Sie sich vorstellen, dass die feine Dame solch einen Mann erträgt? Er ist kaum mehr als ein Wilder!«

»Haben Sie die Narbe auf seiner Wange gesehen?«

»Und wann hat er sich zum letzten Mal rasiert?« Belling schauderte es. »Ich befürchte, er ist nicht mehr lange in der Armee, Mister Brown. Das wird eine verkürzte Laufbahn, meinen Sie nicht auch?«

»Ja, das kann nicht gut gehen, Mister Belling.«

»Er pfeift aus dem letzten Loch, hat vermutlich keinen Penny mehr.«

»Zweifellos!«, sagte Brown. »Und er hat seinen Tornister und Mantel selbst getragen! Ein Offizier trägt kein Gepäck! Das hab ich in all meinen Jahren noch nie gesehen. Und er roch nach Gin.«

»Was?«

»Er hatte eine Fahne«, sagte Brown. »Nein, so was! So ein Typ ist das also. Mit so einem hat sich Lady Grace eingelassen. Sie muss verrückt gewesen sein!« Er zuckte zusammen, erschreckt, weil die Tür plötzlich aufgeflogen war. »Mister Sharpe?«, sagte er schwach und fragte sich, ob der große Schütze zurückgekehrt war, um sich an ihnen zu rächen, weil sie ihm nicht geholfen hatten. »Haben Sie vielleicht etwas vergessen?«

Sharpe schüttelte den Kopf. »Heute ist Freitag, nicht wahr?«

Mister Belling blinzelte. »So ist es, Mister Sharpe.«

»Freitag«, bestätigte Mister Brown, der letzte Tag im Juli.«

Sharpe, dunkeläugig, groß und hartgesichtig, starrte abwechselnd zwischen den beiden Männern hin und her und nickte dann widerstrebend. »Das dachte ich mir«, sagte er und verließ ein zweites Mal das Büro.

Diesmal war es Brown, der einen Seufzer der Erleichterung ausstieß, als die Tür zufiel. »Ich kann nicht verstehen«, sagte er, »dass man Männer aus den Mannschaften befördert und das für eine gute Idee hält.«

»Das geht nie gut«, meinte Belling, »sie passen einfach nicht zu dem Rang, Mister Brown. »Und sie fangen an zu saufen, und dann geht ihnen das Geld aus. Es ist keine Vernunft in solchen Typen. Er wird in einem Monat auf der Straße liegen, verlassen Sie sich drauf, in spätestens einem Monat.«

»Armer Kerl«, sagte Mister Brown und schloss die Tür ab. Es war erst siebzehn Uhr, und das Büro sollte bis achtzehn Uhr geöffnet sein, doch irgendwie hielt er es für klüger, heute früher zu schließen. Nur für den Fall, dass Sharpe noch einmal zurückkam.

Grace, dachte Sharpe, Grace. Gott helfe mir, Grace. Drei Schilling, drei Pence und einen verdammten Halfpenny, das war alles, was ihm geblieben war. Was mache ich jetzt, Grace?

Er sprach oft mit ihr. Sie war nicht da, um es zu hören, jetzt nicht, aber er sprach trotzdem mit ihr. Sie hatte ihm so viel beigebracht, ihn ermuntert, zu lesen und zu schreiben und zu denken, aber nichts davon war geblieben. Nichts.

»Verdammt, Grace«, sagte er laut, und Passanten machten ihm Platz, hielten ihn entweder für verrückt oder betrunken. »Verdammt noch mal!« Tiefer Zorn wallte in ihm auf, eine Wut, die explodieren wollte oder nur durch ein paar scharfe Drinks ertränkt werden konnte.

Drei Schilling, drei Pence und ein verdammter Halfpenny! Davon konnte er sich gut betrinken, doch Ale und Gin, die er am Mittag getrunken hatte, stießen ihm bereits sauer auf. Es war ihm danach, sich mit jemandem zu schlagen, mit irgendjemandem. Es war ein blinder, verzweifelter Zorn.

So war es nicht geplant. Er hatte gedacht, nach London zu kommen, einen Vorschuss von einem Armee-Agenten zu erhalten und dann nach Indien zurückzukehren. Andere reisten dort arm hin und kamen reich zurück. Sharpe, der Nabob, warum nicht? Weil er sein Offizierspatent nicht verkaufen konnte, deshalb nicht. Jeder Rotzbengel mit reichem Vater konnte seinen Rang kaufen und verkaufen, aber ein richtiger Soldat, der sich die Karriereleiter hochgekämpft hatte, konnte das nicht. Zum Teufel mit allen. Und was jetzt? Ebenezer Fairley, der Händler, der mit ihm von Indien aus gesegelt war, hatte ihm einen Job angeboten. Sharpe nahm an, er konnte den Mann in Cheshire darum bitten, aber er wollte jetzt diese Reise nicht antreten. Er brauchte nur ein Ventil für seinen Zorn, und nachdem ihm versichert worden war, dass es tatsächlich Freitag war, ging er in Richtung Tower.

Die Straße stank nach dem Fluss, nach Kohlenrauch und Pferdedung. In diesem Viertel von London, das so nahe an den Docks, dem Zollamt und den großen Lagerhallen lag, die mit Gewürzen, Tee und Seide vollgestopft waren, war Wohlstand. Es war ein Viertel mit Bürohäusern, Banken und Geschäften, ein Nährboden für den Wohlstand der Welt, doch das Geld wurde nicht zur Schau gestellt.

Ein paar Clerks eilten von einem Büro zum anderen, doch es gab keine Straßenfeger und keine Anzeichen des Luxus wie in den eleganten Straßen im Westteil der Stadt. Die Gebäude waren groß, dunkel und geheimnisvoll, und es war unmöglich, zu sagen, ob der grauhaarige Mann mit einem Aktenbündel unter dem Arm ein reicher Handelsfürst oder ein heruntergekommener Angestellter war.

Sharpe ging den Tower Hill hinab. Ein paar Wachtposten mit roten Uniformröcken standen am äußeren Tor des Towers und taten so, als bemerkten sie die Säbelscheide unter dem Mantel nicht, und er ignorierte sie ebenfalls. Es war ihm gleichgültig, ob sie vor ihm salutierten oder nicht. Es interessierte ihn nicht, ob er die Armee jemals im Leben wiedersah. Er war ein Versager. Lagerverwalter im Regiment. Ein verdammter Quartiermeister. Er war von Indien gekommen, wo er einen Posten in einem Regiment mit Rotröcken bekommen hatte, war nach England weggelobt worden, wo er in einen grünen Rock gesteckt worden war.

Zuerst hatte er die Schützen gemocht, aber dann war Grace gestorben und alles war schiefgegangen. Sharpe gab nicht ihr die Schuld, sondern sich selbst, aber er konnte immer noch nicht verstehen, warum er gescheitert war. Die Schützen waren ein neues Regiment, das Fähigkeiten und Intelligenz über blinde Disziplin stellte. Die Schützen arbeiteten motiviert, belohnten Erfolg und ermunterten die Männer, eigenständig zu denken. Offiziere übten mit ihnen, waren sich nicht zu schade, sogar an dem Drill teilzunehmen, und in den Stunden, die in anderen Regimentern mit Putzen und Flicken vergammelt wurden, übten die Grünjacken das Schießen. Männer und Offiziere machten sich gegenseitig Konkurrenz, und alle versuchten, ihre Kompanie zur besten zu machen.

Es war genau die Art Regiment, von der Sharpe in Indien geträumt hatte, und man hatte ihn dorthin empfohlen.

»Ich höre, Sie sind genau die Art Offizier, die wir wünschen«, hatte Colonel Beckwith Sharpe begrüßt, und die Willkommensrede war herzlich gewesen. Sharpe brachte den Grünjacken eine Fülle von Erfahrung in der Schlacht, aber am Ende wollten sie ihn nicht haben. Er passte nicht zu ihnen. Er konnte kein Blabla plaudern. Vielleicht hatte er ihre Art gefürchtet. Die meisten Offiziere des Regiments hatten die letzten Jahre mit Ausbildung an der englischen Südküste verbracht, während Sharpe in Indien gekämpft hatte. Er war bei der Ausbildung gelangweilt gewesen, und nach der Trennung von Grace war er verbittert, sodass der Colonel ihn von der dritten Kompanie weggenommen und ihm die Verantwortung über die Lager übertragen hatte, was genau das war, wo die meisten aus den Mannschaften aufgestiegenen Offiziere in den engstirnigen Rotrockregimentern verwendet wurden. Bei den Schützen hätte es anders sein sollen.

Jetzt war das Regiment aufgebrochen, um irgendwo in Übersee zu kämpfen. Aber Sharpe, der verdrossene Quartiermeister, war zurückgeblieben.

»Es wird eine gute Gelegenheit sein, die Baracken zu säubern«, hatte Colonel Beckwith Sharpe gesagt. »Misten Sie alles aus. Bereiten Sie alles für unsere Rückkehr vor.«

»Jawohl, Sir«, hatte Sharpe gesagt und Beckwith zur Hölle gewünscht. Sharpe war Soldat, kein verdammter Baracken-Ausmister, doch er hatte seinen Zorn verborgen, als er das Regiment nach Norden marschieren sah. Niemand wusste, wohin es marschierte. Einige vermuteten, nach Spanien, andere sagten, ihr Ziel sei Stralsund, das eine britische Garnison an der Ostsee war. Niemand konnte erklären, warum die Briten eine Garnison an der südlichen Küste der Ostsee unterhielten, und einige behaupteten, das Ziel des Regiments sei Holland. Keiner wusste was Genaues, doch alle erwarteten, dass sie in den Kampf zogen, und marschierten frohen Mutes. Sie waren die Grünröcke, ein neues Regiment für ein neues Jahrhundert, aber es war kein Platz für Richard Sharpe darin.

So hatte Sharpe sich entschlossen, abzuhauen. Zum Teufel mit Beckwith, mit den Grünröcken, mit der Armee und allem. Er hatte angenommen, er könne sein Offizierspatent verkaufen und mit dem Geld ein neues Leben beginnen. Doch er konnte es wegen der verdammten Bestimmungen nicht verkaufen. Verdammt noch mal, Grace, dachte er, was soll ich tun?

Er wusste, was er tun würde. Er würde davonlaufen. Aber für den Beginn eines neuen Lebens brauchte er Geld, und das war der Grund, weshalb er sich vergewissert hatte, dass es Freitag war. Jetzt stieg er die Treppe am Fuß des Tower Hill hinunter, nickte dem Fährmann zu, sagte »nach Wapping« und ließ sich im Heck des Bootes nieder.

Der Fährmann legte los und ließ sich von der Strömung des Flusses stromabwärts treiben. An beiden Ufern des Flusses waren Boote und Frachtkähne an Kais festgemacht, geschützt von Fendern aus dicken, geteerten Tauen. Sharpe kannte diese Fender. Die verschlissenen waren zu dem Waisenhaus in der Brewhouse Lane gekarrt worden, wo die Kinder die Teerschicht entfernt und den Hanf gesplisst hatten. Als Neunjähriger hatte Sharpe die Nägel von vier Fingern verloren, als er mit kleinen bloßen Händen und blutigen Fingern die Hanffasern gesplisst hatte. Es war nutzlose Arbeit gewesen. Die Fasern waren dann als Alternative für das Rosshaar zum Versteifen des Mörtels beim Bau verkauft worden. Er blickte jetzt auf seine Hände. Immer noch rau, dachte er, aber nicht mehr schwarz vom Teer und blutig mit eingerissenen Nägeln.

»Rekrut?«, fragte der Fährmann.

»Nein.«

Die schroffe Antwort mochte den Fährmann beleidigen, doch er zuckte nur mit den Schultern. »Geht mich ja nichts an«, murmelte er, während er das Boot mit geschickten Ruderbewegungen auf Kurs hielt, »aber Wapping ist ein ungesundes Pflaster, besonders für Offiziere.«

»Ich bin dort aufgewachsen.«

»Ah.« Der Mann bedachte Sharpe mit einem verwunderten Blick. »Dann kehren Sie heim?«

»Ja, ich kehre heim«, bestätigte Sharpe. Der Himmel war wolkenverhangen und düster vom Rauch aus den Schornsteinen. Ein schwarzer Himmel über einer schwarzen Stadt, durchbrochen nur von einem Streifen Rosa im Westen. Die Heimkehr, dachte Sharpe. Freitagabend. Der leichte Regen sprenkelte den Fluss. Lichter schimmerten aus den Luken der Schiffe auf ihren Liegeplätzen, die nach Kohlenstaub, Abwasser, Walfischtran und Kräutern rochen. Möwen flogen wie weiße Fetzen durch die Abenddämmerung, drehten und verschwanden über dem Execution Dock, wo die Leichen zweier Männer, Meuterer oder Piraten, mit gebrochenem Genick am Galgen hingen.

»Passen Sie auf sich auf«, sagte der Fährmann und lenkte sein Boot geschickt zwischen die anderen Boote am Kai. Er warnte Sharpe nicht vor der glitschigen Treppe am Kai, sondern vor den zwielichtigen Straßen oberhalb davon.

Sharpe zahlte mit Kupfergeld und kletterte dann den Kai hinauf, der von niedrigen Lagerhäusern umgeben war, die von bissigen Hunden und von Schlägern mit Knüppeln bewacht wurden. Auf diesem Platz war es sicher genug, doch in der Gasse dahinter und in den Straßen war es gefährlicher. Er würde wieder in der Gosse sein, aber es war seine Gosse, das Viertel, in dem er aufgewachsen war, und er fürchtete es nicht besonders.

»Colonel!«, rief eine Hure von einem Lagerhaus aus. Sie hob den Rock an und spuckte dann fluchend aus, als er sie ignorierte.

Ein angeketteter Hund sprang nach ihm, als er in der High Street auftauchte, und ein paar kleine Jungs johlten spöttisch beim Anblick eines Armeeoffiziers und fielen hinter ihm in etwas, das sie für Gleichschritt hielten. Sharpe ließ sie etwa zwanzig Schritte höhnisch folgen, dann fuhr er blitzschnell herum und packte den nächsten Jungen an seiner schäbigen Jacke, hob ihn an und stieß ihn gegen die Wand. Zwei der anderen Jungs rannten davon, zweifellos, um Brüder oder Väter zu Hilfe zu holen.

»Wo ist Maggie Joyce?«, fragte Sharpe den Jungen.

Das Kind zögerte, überlegte, es ob es frech oder brav sein sollte. Dann grinste es. »Die ist weggezogen, Mister.«

»Wohin?«

»Nach Seven Dials.«

Sharpe glaubte ihm. Maggie war einst seine Freundin gewesen, jedenfalls hoffte er, dass sie sich noch daran erinnerte, aber sie musste so viel Verstand gehabt haben, Wapping zu verlassen, obwohl Sharpe bezweifelte, dass es in Seven Dials viel sicherer war. Er war hierhergekommen, weil es Freitagabend und er arm war. »Wer ist der Master im Armenhaus?«, fragte er.

Das Kind wirkte jetzt wirklich ängstlich. »Der Master?«, flüsterte es.

»Wer hat da das Sagen, Junge?«

»Jem Hocking, Sir.«

Sharpe ließ den Jungen los, nahm den Halfpenny aus der Tasche und warf ihn durch die Straße, und die Jungen jagten zwischen Leuten, Hunden, Karren und Pferden hinter ihm her.

Jem Hocking. Das war der Name, den er zu hören gehofft hatte. Ein Name aus einer schwarzen Vergangenheit, ein Name, der in Sharpes Erinnerung gärte.

Der Zorn musste ihm anzusehen sein, als er inmitten der Straße ging, denn niemand leerte einen Eimer mit Spülwasser über seinem Kopf aus. Es war ein Sommerabend, die Sonne stand noch hinter Wolken verborgen am Horizont, doch hier herrschte winterliches Zwielicht. Die Häuser waren schwarz, die alten Backsteine von Balken gestützt. Einige der Steine waren heruntergefallen und lagen als Schutthaufen herum. Die Gosse stank. Überall kläfften Hunde.

In Indien waren die britischen Offiziere beim Gestank der Straßen erschauert, und niemand war dort hindurchgegangen. Sharpe fand, dass selbst die schlimmsten Straßen in Indien besser als die in diesem stinkenden Viertel waren, wo die Leute verhärmte Gesichter hatten, eingesunken vor Hunger, und ihre Augen gierig und scharf blickten, besonders, wenn sie den Tornister in Sharpes linker Hand sahen. Sie sahen den schweren Tornister, einen Säbel und schätzten den Wert des Mantels um seine breiten Schultern. Da war mehr Wert an Sharpes Äußerem, als diese Leute in einem halben Dutzend Jahren sahen, obwohl Sharpe sich als arm betrachtete. Er war einmal in seinem Leben reich gewesen. Er hatte dem sterbenden Tippu Sultan die Juwelen abgenommen in dem stinkenden Tunnel beim Wassertor in Seringapatam. Aber diese Juwelen waren weg. Verdammte Anwälte. Gottverdammte Anwälte.

Aber wenn die Leute den Wohlstand an Sharpe sahen, dann bemerkten sie auch, dass er sehr groß und stark und sein Gesicht narbig, hart und verbittert war und Gefährlichkeit ausstrahlte. Man musste schon verzweifelt hungrig sein, um zu versuchen, Sharpe den Mantel oder Tornister zu rauben, und so beobachteten sie ihn, als er sie passierte, wie Wölfe, die Blut rochen, aber befürchteten, ihr eigenes zu verlieren, wenn sie ihm zu nahe kamen. Obwohl ihm einige die Wapping Lane hinauf folgten, blieben sie zurück, als er in die Brewhouse Lane einbog. Dort befanden sich das Armenhaus und das Waisenhaus, und niemand ging zu den düsteren hohen Mauern, wenn es nicht sein musste.

Sharpe stand im Torweg der alten Brauerei, die schon lange stillgelegt war, und starrte über die Straße zu den Wänden des Arbeitshauses. Rechter Hand befand sich das Armenhaus, hauptsächlich für diejenigen, die zu alt zum Arbeiten oder krank oder von ihren Kindern verlassen waren. Vermieter hatten sie auf die Straße gesetzt, und kirchliche Wohlfahrtsorganisationen hatten sie hier untergebracht, die Männer in einem Flügel von Jem Hockings Königreich, die Frauen im anderen. Hier starben sie. Den Ehemännern war es verboten, mit ihren Frauen zu sprechen, und alle waren halb verhungert, bis ihre Leichen in einem Armengrab beigesetzt wurden.

Dies war das Armenhaus, und es war vom Waisenhaus durch ein schmales, dreistöckiges Backsteinhaus mit weiß angestrichenen Fensterläden und einer schmiedeeisernen Laterne über der tadellos geschrubbten Eingangstreppe getrennt.

Das Haus des Masters. Jem Hockings kleiner Palast, der das Waisenhaus überblickte, das wie das Armenhaus ein eigenes Eingangstor hatte: eine schwarze Schranke aus schwerem Holz, das mit Teer beschmiert und mit rostigen, langen Eisenspitzen gekrönt war. Ein Gefängnis für Waisenkinder. Die Behörden schickten schwangere Mädchen hierher, die obdachlos oder zu krank waren, um ihre aufgequollenen Körper auf den Straßen zu verkaufen. Ihre unehelichen Kinder wurden hier geboren, und oftmals starben die Mütter am Fieber. Diejenigen, die überlebten, gingen zurück auf die Straßen und überließen ihre Kinder der Obhut von Jem Hocking und seiner Frau.

Es war einstmals Sharpes Heim gewesen. Und jetzt war es Freitag.

Er überquerte die Straße und hämmerte gegen das Türchen, das ins Eingangstor des Waisenhauses eingelassen war. Grace hatte hierherkommen wollen. Sie hatte sich Sharpes Geschichten angehört und geglaubt, sie könne die Dinge ändern, doch es war nie Zeit dazu gewesen. So würde Sharpe die Dinge jetzt ändern. Er hob die Hand, um von Neuem gegen das Tor zu hämmern, als es sich plötzlich öffnete, und ein blasser, ängstlicher junger Mann vor Sharpes erhobener Faust zurückzuckte.

»Wer sind Sie?«, fragte Sharpe, als er durch das einen Spalt geöffnete Tor schritt.

»Sir?« Der junge Mann hatte dieselbe Frage stellen wollen.

»Wer sind Sie?«, wiederholte Sharpe. »Kommen Sie schon, Mann, ich will eine Antwort. Und wo ist der Master?«

»Der Master ist in seinem Haus, aber …« Der junge Mann verhaspelte sich und versuchte Sharpe den Weg zu verstellen. »Sie können da nicht rein, Mister!«

»Warum nicht?« Sharpe hatte den kleinen Hof überquert und schob jetzt die Tür zur Eingangshalle auf. Als er ein Kind gewesen war, hatte er sie für einen großen Raum gehalten, aber jetzt sah sie schmutzig und klein aus. Kaum größer als eine Kasernenstube in der Kompanie, dachte er.

Es war Abendessenzeit, und dreißig oder mehr Kinder saßen auf dem Boden zwischen dem Werg und den mit Teer verkrusteten Fendern, die sie gesplisst hatten, was ihre tägliche Arbeit war. Sie löffelten jetzt aus hölzernen Schüsseln Suppe, während andere Kinder an einem Tisch mit einem großen Kessel und Brot Schlange standen und sich Suppe und Brot abholten. Eine Frau mit enormen Oberarmen stand hinter dem Tisch, während ein junger Mann mit einer Reitpeitsche auf einem Podium lümmelte, hinter sich an der braun gestrichenen Wand ein in einem Bogen aufgemalter biblischer Text.

Sei sicher, dass deine Sünde ans Licht des Tages kommen wird …

Etwa sechzig Augenpaare starrten Sharpe erstaunt an. Keinem der Kinder war Furcht vor der stämmigen Frau oder dem jungen Mann mit der Reitpeitsche anzusehen. Alle schwiegen, und Sharpe sagte ebenfalls nichts. Er starrte in den Raum, roch den Teer und kämpfte gegen der Aufruhr der Erinnerungen an. Es war zwanzig Jahre her, seit er zum letzten Mal unter diesem Dach gewesen war. Zwanzig Jahre. Es roch dennoch genauso, nach Teer und Angst und verdorbenem Essen. Er trat an den Tisch heran und schnüffelte an der Suppe.

»Lauch und Gerstenschleim, Sir«, sagte die Frau, die Sharpes silberne Knöpfe, die Tressen und den Säbel sah, und machte einen unbeholfenen Knicks.

»Sieht wie lauwarmes Wasser für mich aus«, sagte Sharpe.

»Lauch und Gerste, Sir.«

Sharpe nahm wahllos eine Scheibe Brot und biss hinein. Hart wie Stein. Hart wie Schiffsbiskuit.

»Sir?« Die Frau streckte eine Hand aus. Sie war nervös. »Das Brot ist abgezählt, Sir.«

Sharpe warf das Stück Brot auf den Tisch. Es juckte ihn, den Tisch mit dem Brot und dem Kessel mit dem Spülwasser umzuwerfen, aber was hätte das bewirkt? Grace hätte gewusst, was zu tun war. Ihre Stimme hätte wie ein Peitschenschlag geklungen, und die Hausdiener hätten sich beeilt, Essen, Kleidung und Seife zu holen, aber diese Dinge kosteten Geld, und Sharpe hatte nur Kleingeld in der Tasche.

»Wen haben wir denn hier?«, dröhnte eine Stimme von der Tür her. »Wen hat der Wind denn heute hergetrieben?« Die Kinder zuckten zusammen, und die Frau machte abermals einen Knicks.

Sharpe wandte sich um.

»Und wer sind Sie?«, fragte der Mann. »Der Colonel des Regiments oder was?«

Es war Jem Hocking. Aufgetaucht wie der Teufel aus den tiefsten Tiefen der Hölle.

Er sah nicht wie ein Teufel aus. Wenn man ihn auf der Straße sah, konnte man ihn für einen erfolgreichen Bauern halten. Die Jahre hatten sein Haar weiß werden lassen, und seine karierte Weste spannte sich über einem dicken Bauch. Er war ein Bulle von einem Mann, breitschultrig und stämmig. Dicke Wangen, buschige weiße Koteletten, eine goldene Uhrkette, dunkelblauer Gehrock mit Samtmanschetten und ein schwarzer Stock mit silbernem Knauf. Er war der Master. Und für einen Moment war Sharpe sprachlos, als er die Einzelheiten in sich aufnahm. Die Erinnerungen an die Grausamkeit dieses Mannes ließen Hass in ihm aufsteigen. Hass und sogar Furcht. Zwanzig Jahre und ein Offizierspatent auf dem Schlachtfeld hatten diese Angst nicht vertreiben können. Er wollte die Kinder imitieren, wollte erstarren, so tun, als ob er nicht da sei, den Atem anhalten.

»Kenne ich Sie?«, fragte Hocking. Der große Mann runzelte die Stirn, versuchte etwas Vertrautes in Sharpes narbigem Gesicht zu erkennen, doch die Erinnerung setzte nicht ein. Er schüttelte verwirrt den Kopf. »Also, wer sind Sie?«

»Mein Name ist Dunnett«, sagte Sharpe. Er benutzte den Namen eines Captains der Grünjacken, der eine besondere Abneigung gegen ihn hatte. »Major Warren Dunnett«, sagte er und beförderte Dunnett vom Captain zum Major.

»Ein Major, so? Und welche Art Uniform ist das, Major? Rotröcke kenne ich, und blaue hab ich gesehen, aber noch niemals grüne.« Er stieß die mageren Knie eines der am Boden hockenden Kinder mit dem Stock zur Seite und trat auf Sharpe zu. »Das ist eine neumodische Uniform, wie? Die Art Uniform, die einem das Recht gibt, Gemeindebesitz zu betreten?«

»Ich habe den Master gesucht«, sagte Sharpe. »Und man sagte mir, er sei in Geschäften im Haus.«

»Und welche Geschäfte haben Sie – außer die Feinde des Königs umzubringen, Major?«

»Wollen Sie das hier besprechen?«, fragte Sharpe. Er nahm einen der Pennys aus seiner Rocktasche und warf ihn hoch. Er glitzerte auf dem Weg zur Decke vor den hungrigen, erstaunten Kindern, dann fiel er in Sharpes Hand und verschwand.

Der Anblick des Geldstücks, selbst eines Pennys, ließ Hocking an Profit denken. Alle anderen seiner Fragen konnten warten. »Ich habe heute Abend Geschäfte außerhalb des Armenhauses«, sagte er. »Es ist Freitag. Trinken Sie ein Ale mit mir, Major?«

»Es wäre mir ein Vergnügen, Master«, log Sharpe.

Oder vielleicht war es keine Lüge, denn Sharpe war zornig, und Rache war für ihn ein Vergnügen. Und diese Rache hatte seit zwanzig Jahren in seinen Träumen geschwelt.

Er schaute ein letztes Mal auf die Aufschrift an der Wand.

Sei sicher, dass deine Sünde ans Licht des Tages kommen wird …

Da hatte wohl jemand ein Bibelzitat frei übersetzt.

Jem Hocking hätte es verinnerlichen und beten sollen.

Denn Richard Sharpe war heimgekommen.

KAPITEL 2

Die Kneipe hatte keinen Namen. Nicht mal ein Schild hing draußen, das sie von den benachbarten Häusern unterschied. Sie strahlte nur eine Spur von Wohlstand in der Vinegar Street aus wie eine Herzogin in einem Hurenhaus. Einige Leute nannten sie »Malones Schenke«, weil Beaky Malone der Besitzer war und sie betrieb. Doch Beaky war jetzt tot. Andere nannten sie das »Vinegar Alehouse«, weil sie in der Vinegar Street war, während einige sie nur als das »Haus des Masters«, bezeichneten, weil Jem Hocking seine »Geschäfte« oft in der Schankstube erledigte.

»Ich interessiere mich für mehr als nur meine Gemeinde«, sagte Jem Hocking großspurig, »ich habe viel am Hals, Major.«

Das heißt, dachte Sharpe, dass er auch noch andere als nur seine Schutzbefohlenen im Arbeitshaus schikaniert. Er war im Laufe der Jahre reich genug geworden, um ganze Häuserblocks in Wapping zu besitzen, und am Freitagabend brachten ihm die Mieter die Miete. Kleine Beträge, doch auch Pennys summieren sich, und Hocking nahm sie in der Schenke entgegen, wo sie in einem Lederbeutel verschwanden, während ein grauhaariger Clerk die Beträge in einem Buch vermerkte. Zwei junge Männer, beide groß und muskulös, bewaffnet mit Knüppeln, waren in der Schenke die einzigen anderen Gäste, und sie bewachten jede Transaktion. »Meine Bulldoggen«, hatte Hocking die beiden Schläger vorgestellt.

»Ein Mann mit Verantwortung braucht Schutz«, hatte Sharpe gesagt und zwei seiner drei Schillinge zum Kauf eines Krugs Ale ausgegeben.

Die Serviererin brachte vier Krüge. Der Clerk bekam anscheinend nichts von der Runde ab. Nur Sharpe, Hocking und die beiden »Bulldoggen« waren eingeschlossen.

»Nur ein Mann mit Autorität erkennt Verantwortung«, sagte Hocking und trank aus seinem Krug. »Was Sie hier sehen, Major, sind Privatgeschäfte.« Er beobachtete, wie eine dünne Frau dem Clerk einiges Kupfergeld aushändigte, und schaute zu, wie sein Mann es zählte. »Aber bei meiner Gemeindearbeit«, fuhr Hocking fort, »bin ich zuständig für die öffentlichen Gelder und die Obhut von unsterblichen Seelen. Ich nehme keine der Pflichten leicht, Major.« Die öffentlichen Gelder waren vier Pence und drei Farthing pro Tag für jeden Armen, von denen Jem Hocking zwei Pence für sich abzweigte und den Rest widerwillig für altbackenes Brot, Zwiebeln, Gerste und Hafermehl ausgab. Die Obhut der Seelen brachte keinen Profit, erforderte aber auch keine Ausgaben.

»Haben Sie eine Inspektion?«, fragte Sharpe und schenkte Hocking und sich Ale nach.

»Ich habe eine Kommission aus Inspektoren«, bestätigte Hocking. »Das ist gesetzlich vorgeschrieben. Also halten wir uns daran.«

»Und wer trägt also die Verantwortung?«, fragte Sharpe. »Sie? Oder die Kommission?« Er sah, dass die Frage Hocking beleidigt hatte. »Ich nehme an, Sie, aber ich muss ganz sicher sein.«

»Die Verantwortung liegt allein bei mir«, sagte Hocking großspurig. »Bei mir, Major. Die Kommission ist mit Mitgliedern der Gemeinde besetzt, Major, und in der Gemeinde haben die verdammten Waisen das Sagen. Und nicht nur unsere eigenen! Einige sind von Schiffen gestrandet. Erst in der letzten Woche fanden die Drecksammler ein Mädchen. Das muss man sich mal vorstellen!« Er schüttelte den Kopf und senkte seinen Kopf zum Schaum des Ales, während sich Sharpe vorstellte, wie die »Drecksammler«, die Männer und Frauen, die das Ufer der Themse nach verwertbarem Angespültem absuchten, ein Kind zur Brewhouse Lane brachten. Armes Kind, das in Hockings Obhut gegeben wurde. »Das Komitee kann sich nicht mit jedem Kind beschäftigen. Es beschränkt sich darauf, jedes Quartal die Rechnungen zu prüfen, bis auf den Penny genau, und es bewilligt jährlich zur Weihnachtszeit eine Prämie als Dank für mich, aber ansonsten ignoriert es mich. Ich bin ein Geschäftsmann, Major, und ich erspare der Gemeinde den Ärger mit den Waisen. Ich habe jetzt sechsundvierzig von diesen kleinen Bastarden im Haus. Und was würde das Komitee ohne mich und meine Frau machen? Wir sind für die Gemeinde ein Gottesgeschenk.« Er hob die Hand, um Sharpe nicht zu Wort kommen zu lassen. Nicht, um ein Kompliment abzuwehren, sondern weil ein dünner junger Mann von der Hintertür der Schenke gekommen war und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Ein rauer Ruf ertönte hinter der Tür.

Sharpe ignorierte den jungen Mann, der einen Strom von Geldmünzen in den Lederbeutel des Clerks kippte und dann Hocking einige schmutzige Zettel gab, die der große Mann in seiner Tasche verschwinden ließ. »Geschäfte«, sagte Hocking schroff.

»In Lewes«, sagte Sharpe, »zahlt die Gemeinde jedem, der eine Waise aus dem Arbeitshaus holt, drei Pfund.«

»Wenn ich so viel Bargeld hätte, Major, würde ich in fünf Minuten all die kleinen Bastarde aus Brewhouse Lane herausholen.« Hocking lachte. »Für ein Pfund pro Kopf! Ein Pfund! Aber wir sind keine so reiche Gemeinde. Wir sind nicht Lewes. Wir haben nicht die Mittel, um die kleinen Bastarde an andere abzugeben. Nein, wir verlassen uns darauf, dass andere uns bezahlen!« Er trank einen Schluck Bier. Dann bedachte er Sharpe mit einem misstrauischen Blick. »Was wollen Sie also, Major?«

»Trommlerjungs«, sagte Sharpe. Das 95. Schützenregiment beschäftigte keine Trommlerjungs, doch er bezweifelte, dass Jem Hocking das wusste.

»Trommlerjungs«, murmelte Hocking. »Ich habe Jungs, die eine Trommel schlagen können. Sie taugen zu nichts anderem, aber das schaffen sie. Aber warum kommen Sie deswegen zu mir, Major? Warum gehen Sie nicht nach Lewes? Warum kassieren Sie nicht drei Pfund pro Junge?«

»Weil das Komitee in Lewes die Jungs nicht zu den Soldaten gehen lässt.«

»Nicht?« Hocking konnte sein Erstaunen nicht verbergen.

»Es sind Frauen im Komitee«, sagte Sharpe.

»Ah, Frauen.« Hocking nickte wütend. »Frauen sind das Ende des normalen Menschenverstands. Es gibt davon keine in unserem Komitee, das garantiere ich Ihnen. Frauen!«

»Und die Behörden in Canterbury bestehen darauf, dass die Jungs zuvor zum Magistrat gehen«, sagte Sharpe.

»Canterbury?« Hocking blickte verwirrt drein.

»Wir haben ein zweites Bataillon in Canterbury«, erklärte Sharpe, »und wir könnten die Jungs von dort bekommen, doch der Magistrat spielt nicht mit.«

Hocking war immer noch verwirrt. »Warum wollen die verdammten Behörden keine Jungs zu den Soldaten schicken?«

»Die Jungs sterben«, sagte Sharpe. »Sie sterben wie die Fliegen. Sie müssen verstehen, Mister Hocking, dass die Schützen die Soldaten sind, die in vorderster Front stehen. Wir sind praktisch vor den Nasen unserer Feinde, und die Jungs müssen die Munition transportieren, wenn sie nicht trommeln. Immerzu werden die Jungs getötet. Wohlgemerkt, wenn sie überleben, haben sie ein feines Leben. Sie können zu den Auserwählten zählen.«

»Eine seltene Gelegenheit«, sagte Hocking, der offenbar jedes Wort von Sharpes Blödsinn glaubte. »Und ich kann Ihnen versichern, Major, dass sich hier keine Komitees oder Magistrate einmischen. Ich gebe Ihnen mein Wort darauf.« Er trank wieder von seinem Ale. »Also, worüber genau sprechen wir hier?«

Sharpe lehnte sich zurück und schien zu überlegen. »Zwei Bataillone?«, schlug er vor. »Zwanzig Kompanien? Sagen wir, wir verlieren vier Jungs pro Jahr an den Feind und weitere sechs sterben an Fieber oder schaffen es, aufzuwachsen. Zehn Jungs pro Jahr? Sie müssen elf Jahre jung sein oder nahe genug dran, um dafür durchzugehen.«

»Zehn Jungs pro Jahr?« Hocking schaffte es, seine Begeisterung zu verbergen. »Und Sie würden bezahlen?«

»Die Armee würde bezahlen, Mister Hocking.«

»Aye, aber wie viel, Major? Wie viel?«

»Zwei Pfund pro Kopf«, sagte Sharpe. Er wunderte sich über seine Zungenfertigkeit. Er hatte von seiner Rache geträumt, in seiner Fantasie geplant, aber nie überlegt, wie er es tatsächlich durchführen würde, doch nun kamen ihm die Worte ganz leicht über die Lippen.

Hocking stopfte eine Tonpfeife und dachte über das Angebot nach. Zwanzig Pfund pro Jahr war eine feine Summe, aber das klang ein wenig zu einfach. Wo war der Haken? Er zog eine Kerze zu sich heran und zündete die Pfeife an. »Die Behörden wollen geschmiert werden«, bemerkte er.

»Sie sagten, es gäbe keinen Ärger von den Behörden«, wandte Sharpe ein.

»Den gibt es nicht, wenn sie geschmiert werden«, sagte Hocking, »und außerdem fallen andere Kosten an, Major.« Er blies Tabakrauch zur Decke. »Haben Sie mit Ihrem Colonel darüber gesprochen?«

»Sonst wäre ich nicht hier.«

Hocking nickte. Das bedeutete also, dass der Major mit dem Colonel einen Preis festgelegt hatte, und er wollte verdammt sein, wenn das nicht zwei Pfund pro Junge war. Wahrscheinlicher fünf Pfund, zwei wollte der Colonel absahnen, und eins blieb für den Major übrig. »Vier Pfund«, sagte Hocking.

»Vier!«

»Ich brauche Sie nicht, Major«, sagte Hocking. »Ich habe Schornsteinfeger, die meine Jungs mögen, und diejenigen, die keine Schornsteine fegen, können den Vogelmist schaufeln.« Er meinte, sie konnten den Taubenmist einsammeln, den sie an die Gerber der Stadt lieferten, die damit Leder behandelten. »Einige Jungs gehen zur See«, sagte Hocking großspurig, »einige fegen Schornsteine, andere schaufeln Scheiße und der Rest landet am Galgen. Sie sind alle Abschaum, Major, aber es ist meiner, und wenn Sie meinen Abschaum haben wollen, dann müssen Sie meinen Preis zahlen. Und das werden Sie, das kann ich Ihnen sagen.«

»Warum werde ich das tun?«

»Weil Sie nicht nach Wapping hätten kommen müssen, um Jungs zu bekommen. Die können Sie überall finden, Behörden hin oder her.« Hocking heftete seinen verschlagenen Blick auf Sharpe. »Nein, Major, Sie kommen wegen etwas ganz Bestimmtem zu mir.«

»Ich kam zu Ihnen wegen Trommlerjungs«, sagte Sharpe, »und weil bei Ihnen keine Behörden stören und es keinen juckt, dass so viele der Jungs sterben.«

Hocking starrte ihn immer noch an. »Fahren Sie fort.«

Sharpe zögerte, dann tat er, als sei er zu einer Entscheidung gelangt. »Und wegen Mädchen«, sagte er.

»Ah.« Hocking grinste leicht. Er verstand Schwäche und Gier und dachte: Endlich lässt er die Katze aus dem Sack!

»Wir hörten …«, begann Sharpe.

»Wer ist wir?«

»Der Colonel und ich.«

»Und wer hat Ihnen was erzählt?«

»Niemand hat mir was erzählt, sondern jemand hat dem Colonel einen Tipp gegeben. Und er hat mich geschickt.«

Hocking lehnte sich zurück und zupfte an seinen Koteletten, während er über die Antwort nachdachte. Er fand sie plausibel und nickte. »Ihr Colonel mag sie jung, nicht wahr?«

»Wir beide lieben sie jung und unberührt.«

Hocking nickte von Neuem. »Die Jungs kosten vier Pfund, und die Mädchen zehn.«