Sharpes Feuerprobe - Bernard Cornwell - E-Book
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Sharpes Feuerprobe E-Book

Bernard Cornwell

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Beschreibung

Soldat, Held, Halunke - wer Richard Sharpe an seiner Seite hat, braucht nichts zu befürchten


Indien, 1799. Bei der Belagerung der Inselfestung Seringapatam gerät ein britischer Offizier in Gefangenschaft. Verhandlungen zum Austausch kommen für die Briten nicht infrage. Um das Leben der Geisel zu retten, senden sie stattdessen den jungen Soldaten Richard Sharpe aus. Er soll den Mann befreien. Doch die Festung des indischen Herrschers Tippu Sultan ist gefährlicher, als Sharpe sich jemals hätte träumen lassen. Und plötzlich liegt auch das Schicksal der anderen Kameraden in seinen Händen ...


Erleben Sie Richard Sharpe in seinem ersten Abenteuer!


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Seitenzahl: 596

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Inhalt

Cover

Weitere Titel des Autors

Über den Autor

Titel

Impressum

Widmung

Karte

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

Historische Anmerkung

Fußnoten

Weitere Titel des Autors

Sharpes Sieg

Sharpes Festung

Sharpes Trafalgar

Sharpes Beute

Sharpes Aufstieg

Sharpes Mission

Sharpes Trophäe

Sharpes Gold

Sharpes Flucht

Sharpes Weihnacht

Sharpes Zorn

Sharpes Gefecht

Sharpes Rivalen

Sharpes Degen

Sharpes Abenteuer

Sharpes Feind

Sharpes Ehre

Sharpes Geheimnis

Sharpes Triumph

Sharpes Rache

Sharpes Waterloo

Sharpes Teufel

Über den Autor

Bernard Cornwell wurde 1944 in London geboren. Er arbeitete lange für die BBC, unter anderem in Nordirland, wo er seine Frau kennenlernte. Heute lebt er zumeist in den USA. Er ist der Autor zahlreicher international erfolgreicher Historischer Romane und Thriller. Die Sharpe-Serie, die er in den 1980er-Jahren begann, wurde von der BBC mit Sean Bean in der Hauptrolle verfilmt.

Bernard Cornwell

SHARPESFEUERPROBE

Historischer Roman

Aus dem Englischen vonJoachim Honnef

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Für die Originalausgabe:

Copyright © Bernard Cornwell 1997

Titel der englischen Originalausgabe: »Sharpe’s Tiger«

Originalverlag:HarperCollinsPublishers

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2008 by Bastei Lübbe AG, Köln

Prüfung der militärhistorischen Details:

Historisches Uniformarchiv Alfred Umhey

Textredaktion: Rainer Delfs

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München unter Verwendung von Motiven von © Dmitry Argunov/shutterstock.com

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-9432-0

be-ebooks.de

lesejury.de

Sharpes Feuerprobe ist Muir Sutherland undMalcolm Craddock mit großem Dank gewidmet

KAPITEL 1

Es ist seltsam, dachte Richard Sharpe, dass es keine Geier in England gibt. Jedenfalls keine, die er gesehen hatte. Hässliche Viecher waren das. Ratten mit Schwingen. Er dachte viel über Geier nach, und er hatte eine Menge Zeit zum Denken, weil er Soldat war, ein gemeiner, für den die Armee meist das Denken übernahm. Sie entschied, wann er aufwachte, schlafen ging, aß und marschierte und wann er herumgammeln und das tun musste, was er die meiste Zeit tat – nichts. Sich beeilen und nichts tun, so liefen die Dinge bei der Armee, und das hatte er satt. Er langweilte sich und dachte ans Desertieren.

Er und Mary. Einfach abhauen.

Daran dachte er jetzt, und es war komisch, sich ausgerechnet jetzt damit zu befassen, weil die Armee im Begriff war, Richard Sharpe seine erste richtige Schlacht zu bieten. Er hatte bereits an einer teilgenommen, doch das war vor fünf Jahren gewesen, und es war eine schmutzige, verwirrende Sache gewesen, und keiner hatte gewusst, warum das 33. Regiment in Flandern war oder was es dort tun sollte. Letzten Endes hatten sie dort nichts anderes getan, außer zu erwarten, ein paar Schüsse auf die vom Nebel umhüllten Franzosen abzugeben, und die ganze Sache war fast vorüber gewesen, bevor der junge Richard Sharpe gewusst hatte, dass sie begonnen hatte.

Er hatte einige Männer sterben sehen. Am besten erinnerte er sich an Sergeant Hawthornes Tod, weil der Sergeant von einer Musketenkugel getroffen worden war, die eine Rippe aus seinem roten Uniformrock trieb. Es war kaum ein Tropfen Blut zu sehen gewesen, nur die weiße Rippe, die aus dem verblichenen roten Tuch ragte.

»Du könntest deinen Hut dran aufhängen«, hatte Hawthorne erstaunt gesagt, dann hatte er geschluchzt, und danach hatte er Blut gespuckt und war zusammengebrochen.

Sharpe hatte weiter geladen und gefeuert, und dann, gerade als ihm die Sache fast Spaß gemacht hatte, war das Bataillon davonmarschiert und nach England zurückgesegelt. War das eine Schlacht gewesen!

Jetzt war er in Indien. Er kannte nicht den Grund der Invasion von Maisur, und er interessierte ihn auch nicht besonders. König George III. wollte Richard Sharpe in Indien haben, und so war er dort.

Doch der Dienst für den König langweilte ihn jetzt. Er war jung, und er glaubte, dass das Leben mehr zu bieten hatte, als sich zu langweilen und nichts zu tun. Da war Geld zu verdienen. Er war sich nicht sicher, wie er zu Geld kommen konnte außer durch Diebstahl, aber er wusste, dass er sich langweilte und etwas Besseres tun konnte, als am Fuß des Misthaufens auszuharren. Genau dort war er, am Fuß eines Misthaufens, sagte er sich immer wieder, und jeder wusste, wie es da stinkt.

Besser weglaufen, sagte er sich. Um in der Welt voranzukommen, brauchte man nur ein bisschen Verstand und die Fähigkeit, einen Bastard schneller zu treten, als der einen treten konnte, und Richard Sharpe glaubte, dass er genügend Talent dafür hatte.

Doch wohin sollte er in Indien weglaufen? Die Hälfte der Einheimischen schien in britischem Sold zu stehen und würde ihn für eine Hand voll Blechstücke, eines im Wert eines Farthings, gerade mal ¼ Penny, ausliefern, und die anderen Inder kämpften alle gegen die Briten oder bereiteten sich darauf vor, und wenn er zu ihnen desertierte, würde man ihn zwingen, in ihrer Armee zu dienen. Er würde mehr Sold in einer einheimischen Armee bekommen, weitaus mehr als die zwei Pence pro Tag, die Sharpe jetzt nach den Zahlungseinstellungen erhielt, aber warum sollte er eine Uniform gegen eine andere eintauschen?

Nein, er würde irgendwohin weglaufen, wo die Armee ihn nie finden würde, denn sonst würde er an einem heißen Morgen vor dem Erschießungskommando stehen. Eine Salve von Musketenschüssen, das Ausheben der roten Erde für ein Grab, und am nächsten Tag würden die Ratten mit Schwingen ihm die Gedärme aus dem Bauch reißen wie eine Schar Amseln Würmer aus einem Rasen pickte.

Deshalb dachte er über Geier nach. Er dachte, dass er weglaufen, aber kein Futter für die Geier sein wollte. Lass dich nicht schnappen. Regel Nummer eins in der Armee und die einzige Regel, die zählte. Denn wenn man von den Bastarden geschnappt wurde, würden sie einen zu Tode prügeln oder einem die Rippen mit Musketenkugeln umsortieren – und in beiden Fällen wurden die Geier fett.

Die Geier waren immer da, kreisten manchmal mit ausgebreiteten Schwingen im warmen Aufwind und hockten manchmal auf Zweigen. Sie lebten vom Tod, eine marschierende Armee verschaffte ihnen einen reichhaltigen Speiseplan, und jetzt, in diesem letzten Jahr des achtzehnten Jahrhunderts, durchquerten zwei verbündete Armeen diese heiße, fruchtbare Ebene im südlichen Indien.

Die eine war eine britische Armee, und die andere gehörte einem britischen Verbündeten, dem Nizam von Haidarabad, und beide Armeen stellten den Geiern ein Festmahl zur Verfügung. Pferde und Ochsen und Kamele starben, dann sogar zwei der scheinbar so unverwüstlichen Elefanten – und schließlich starben die Menschen.

Die beiden Armeen hatten einen Anhang, der zehnmal länger war als sie selbst: eine Menge von Soldatenprostituierten, Händlern, Hirten, Huren, Frauen und Kindern, und unter all diesen Menschen, wie in den Armeen selbst, grassierten die Seuchen. Menschen starben an Ruhr oder am Fieber oder erstickten an ihrem eigenen Erbrochenen. Sie starben um Atem ringend oder schweißgebadet oder gebärdeten sich mit aufgedunsener Haut wie Wahnsinnige. Männer, Frauen und Kinder starben elendiglich, und ob sie begraben oder verbrannt wurden, war gleichgültig, denn letzten Endes bekamen die Geier sie ohnehin, denn es war nicht genug Zeit, um ausreichend Holz für einen richtigen Scheiterhaufen zum Verbrennen zu sammeln, und so rissen die Geier das halb gekochte Fleisch von den glühenden Knochen. Und wenn die Leichen in der Erde verscharrt wurden, konnte kein Haufen Steine verhindern, dass die Aasfresser das geschwollene, verfaulende Fleisch ausgruben und die Geier ihre Schnäbel in die Reste der Leichen hackten, die zurückgeblieben waren.

Und dieser heiße Maitag versprach Futter in Hülle und Fülle. Die Geier schienen das zu spüren, denn als der Nachmittag verging, schlossen sich immer mehr Vögel dem Schwarm der Geier an, der über den marschierenden Männern kreiste. Die Vögel schlugen nicht mit den Schwingen, sondern schwebten einfach in der warmen Luft und warteten geduldig, als ob sie wüssten, dass das Festmahl des Todes schon bald ihre Mägen füllen würde.

»Hässliche Bastardvögel«, sagte Sharpe, »nichts als Ratten mit Schwingen.« Doch niemand in der Kompanie des 33. Regiments reagierte darauf. Keiner hatte die Luft, um ihm zu antworten. Die Luft war erfüllt vom Staub, der von den Männern an der Spitze aufgewirbelt wurde, sodass die nachfolgenden Reihen durch eine warme, staubige Dunstmischung wankten, die ihre Kehle ausdörrte und in den Augen brannte.

Die meisten der Männer nahmen die Geier gar nicht wahr, während einige so erschöpft waren, dass sie noch nicht einmal den Kavallerietrupp bemerkten, der plötzlich eine halbe Meile entfernt im Norden aufgetaucht war.

Die Reiter trabten neben einem Baumstreifen mit roten Blüten vorbei und verfielen in Galopp. Ihre gezogenen Krummschwerter reflektierten den Sonnenschein, als sie von den Infanteristen abschwenkten, doch dann, so unerklärlich, wie sie schneller geworden und ausgewichen waren, hielten sie plötzlich an.

Sharpe bemerkte sie. Es war britische Kavallerie. Die feinen Jungs waren gekommen, um zu sehen, wie richtige Soldaten kämpften.

Voraus, von einer niedrigen Anhöhe, wo sich eine zweite Reitergruppe vor dem Himmel abhob, krachte ein Geschütz. Das Donnern der Kanone war gewaltig und hallte dumpf und bösartig über die Ebene. Der Rauch des Geschützes wallte, als die schwere Kanonenkugel in einige Büsche schlug und Blätter und Blüten zerfetzte, bevor sie Staub aus dem harten Boden riss und mit nachlassendem Schwung gegen einen knorrigen, umgestürzten Baum prallte. Der Schuss hatte die rot berockte Infanterie um gut zweihundert Schritte verfehlt, doch der Kanonendonner weckte die Erschöpften auf.

»Jesus!«, stieß jemand in der hinteren Reihe hervor. »Was war denn das?«

»Ein verdammtes Kamel hat gefurzt, was, zum Teufel, hast du denn gedacht?«, antwortete ein Corporal.

»Es war ein verdammt mieser Schuss«, sagte Sharpe. »Meine Mutter könnte ein Geschütz besser ausrichten.«

»Ich bezweifle, dass du eine Mutter gehabt hast«, sagte Private Garrard.

»Jeder hat eine Mutter, Tom.«

»Nicht Sergeant Hakeswill«, sagte Garrard und spuckte eine Mischung aus Staub und Speichel aus.

Die Kolonne der Männer hatte angehalten, nicht auf irgendeinen Befehl hin, sondern eher, weil der Kanonenschuss den Offizier der ersten Kompanie entnervt hatte und er nicht mehr wusste, wohin er das Bataillon führen sollte.

»Hakeswill wurde nicht von einer Mutter geboren«, sagte Garrard hitzig. Er nahm seinen Helm ab und wischte sich mit dem Ärmel Staub und Schweiß aus dem Gesicht. Sein wollener Ärmel hinterließ eine schwache Spur von roter Farbe auf seiner Stirn. »Hakeswill ist vom Teufel ausgespuckt worden«, sagte er und setzte den Helm wieder auf sein weiß gepudertes Haar.

Sharpe fragte sich, ob Tom Garrard mit ihm desertieren würde. Zwei Männer hatten vielleicht bessere Überlebenschancen als einer. Und was war mit Mary? Würde sie mitkommen? Er dachte oft an Mary, wenn seine Gedanken nicht mit etwas anderem beschäftigt waren, und Mary war unauflösbar mit allem sonst verknüpft.

Es war verwirrend. Sie war Sergeant Bickerstaffs Witwe, halb Inderin, halb Engländerin und zweiundzwanzig, im selben Alter wie Sharpe, jedenfalls glaubte er das. Es konnte auch sein, dass er einundzwanzig oder dreiundzwanzig war. Er war sich nicht ganz sicher, weil er nie eine Mutter gehabt hatte, die es ihm hätte sagen können. Natürlich hatte er eine Mutter gehabt, jeder hat eine, aber nicht jeder hatte eine Cat-Lane-Hure als Mutter, die verschwunden war, gleich nachdem sie ihren Sohn geboren hatte.

Das Kind war nach dem wohlhabenden Schirmherrn des Waisenhauses benannt worden, in dem es aufgezogen worden war, doch der Name hatte Richard Sharpe keine Förderung, sondern ihn nur an das stinkende Ende des Misthaufens der Armee gebracht. Dennoch glaubte Sharpe, dass er eine Zukunft haben konnte, und Mary sprach einen oder zwei indische Dialekte, was hilfreich sein konnte, wenn er und Tom desertierten.

Die Kavallerieeinheit zu Sharpes Rechter trieb die Pferde wieder zum Trab, verschwand jenseits der rot blühenden Bäume und ließ nur eine Staubwolke hinter sich, die sich rasch lichtete.

Zwei Kavalleriegeschütze, leichte 6-Pfünder-Kanonen, folgten den Reitern und hüpften gefährlich hinter den Pferdegespannen. Jede andere Kanone in der Armee wurde von Ochsen gezogen, doch die Kavalleriegeschütze hatten Pferdegespanne, die dreimal so schnell waren wie die schwerfälligen Zugtiere.

Die einzelne feindliche Kanone feuerte wieder, und der brutale Knall stieß durch die warme Luft. Sharpe konnte jetzt mehr feindliche Geschütze auf der Anhöhe sehen, aber sie waren kleiner als die Kanone, die soeben gedonnert hatte, und Sharpe nahm an, dass sie nicht die Reichweite der größeren Kanone hatten. Dann sah er eine Spur von Grau in der Luft, wie ein vertikaler Bleistiftstrich am blassblauen Himmel, und er wusste, dass die Kugel der großen Kanone direkt auf ihn zukam. Und während die Kugel auf ihn zuraste, wurde ihm schlagartig klar, dass kein Wind die Flugbahn verändern würde, dass er dem Tod ins Auge sah – doch dann schlug die Kanonenkugel etwa ein Dutzend Schritte vor ihm auf den Boden und hüpfte dann über seinen Kopf hinweg, um harmlos in ein Zuckerrohrfeld zu schlagen und auszukollern.

»Ich nehme an, die Bastarde haben jetzt deine Mutter das Geschütz ausrichten lassen, Dick«, sagte Garrard.

»Jetzt redet niemand!«, schrie Sergeant Hakeswill. »Spart euren gottlosen Atem! Haben Sie gesprochen, Garrard?«

»Ich, Sarge? Nein. Ich habe keinen Atem.«

»Sie haben keinen Atem?« Sergeant Hakeswill eilte an den Reihen der Kompanie entlang und baute sich vor Garrard auf. »Sie haben keinen Atem? Das bedeutet, dass Sie tot sind, Private Garrard! Tot! Nutzlos für den König und das Land, wenn Sie tot sind, aber Sie sind ja ohnehin nie von Nutzen gewesen.« Der böse Blick des Sergeants zuckte zu Sharpe. »Haben Sie geredet, Sharpie?«

»Nein, ich nicht, Sarge.«

»Sie haben auch keinen Befehl dazu. Wenn der König wünscht, dass Sie sich unterhalten, hätte ich Ihnen das gesagt. Geben Sie mir Ihre Muskete. Aber fix!«

Sharpe überreichte dem Sergeant seine Muskete.

Es war Hakeswills Ankunft in der Kompanie, die Sharpe überzeugt hatte, dass es an der Zeit war, von der Armee wegzulaufen. Er hatte sich ohnehin gelangweilt, aber Hakeswill hatte der Langeweile Ungerechtigkeit hinzugefügt. Nicht, dass Ungerechtigkeit Sharpe viel ausmachte, denn in dieser Welt gab es nur für die Reichen Gerechtigkeit, aber Hakeswill war so boshaft ungerecht, dass kaum ein Mann in der Leichten Kompanie nicht bereit war, zu rebellieren. Alle hielt von der Meuterei nur das Wissen ab, dass Hakeswill fast sehnsüchtig darauf wartete, um sie dann dafür bestrafen zu können. Der Sergeant war groß darin, Unverschämtheit herauszufordern und dann zu bestrafen. Er war einem immer zwei Schritte voraus und wartete mit einem Knüppel hinter der nächsten Ecke. Hakeswill war ein Teufel, ein Satan in einem schicken roten Rock, der mit dem Rangabzeichen des Sergeants verziert war.

Doch wenn man Hakeswill genau betrachtete, sah man den perfekten Soldaten. Es stimmte, dass sein sonderbar klumpiges Gesicht alle paar Sekunden zuckte, als verzerre ein teuflischer Geist seine Züge unter der sonnengeröteten Haut, doch seine Augen waren blau, sein Haar war so weiß wie der Schnee, der nie auf dieses Land fiel, und seine Uniform war so elegant wie die eines Wachsoldaten beim Windsor Castle. Er war gedrillt wie ein Preuße, und jede Bewegung war so schneidig und korrekt, dass es eine Freude war, sie zu sehen. Doch wenn es in seinem Gesicht zuckte und es in seinen sonderbar kindlichen Augen flackerte, konnte man den Teufel darin sehen. Als Hakeswill ein Rekrutierungs-Sergeant gewesen war, hatte er sorgfältig darauf geachtet, das Teuflische zu verbergen, und so hatte Sharpe ihn kennen gelernt, aber jetzt, als der Sergeant keine jungen Narren mehr übertölpeln und mit Tricks in die Armee zu locken brauchte, war es ihm gleichgültig, dass man seine Bösartigkeit sehen konnte.

Sharpe stand reglos, als der Sergeant den Lappen abwickelte, den er als Schutz des Musketenschlosses vor dem tückischen roten Staub benutzte. Hakeswill betrachtete das Schloss, fand nichts zu beanstanden und wandte sich dann von Sharpe ab, sodass der Sonnenschein voll auf die Waffe fallen konnte. Er spähte wieder darauf, spannte die Waffe und schien das Interesse daran zu verlieren, als ein Trio von Offizieren ihre Pferde zur Spitze der Kolonne trieb.

»Kompanie!«, brüllte Hakeswill. »Kompanie, Achtung!«

Die Männer standen still, als die drei Offiziere vorbeigaloppierten. Hakeswill hatte eine grotesk steife Haltung angenommen: die Hacken zusammengeschlagen, Kopf und Schultern zurückgeworfen, den Bauch vorgestreckt und die Hände an die Seiten gepresst. Keine der anderen Kompanien des 33. Regiments des Königs hatte stillgestanden, um den vorbeireitenden Offizieren Respekt zu zollen, doch Hakeswills Geste des Respekts wurde trotzdem ignoriert. Der Sergeant schien diese Missachtung nicht zu bemerken, und als die drei Offiziere vorbeigeprescht waren, befahl er der Kompanie zu rühren und starrte dann wieder auf Sharpes Muskete.

»Sie werden nichts daran zu bemängeln finden, Sarge«, sagte Sharpe.

Hakeswill, der immer noch stillstand, rührte flott und stampfte den rechten Stiefel auf den Boden. »Habe ich gehört, dass ich Ihnen die Erlaubnis zum Sprechen gegeben habe, Sharpie?«

»Nein, Sarge.«

»Nein, Sarge. Nein, Sie hatten keine Sprecherlaubnis und reden trotzdem. Das ist eine strafbare Handlung, Sharpie.« Hakeswills rechte Wange zuckte wie in einem Krampf, der sein Gesicht alle paar Sekunden verzerrte, und das Teuflische war plötzlich so intensiv, dass die ganze Leichte Kompanie den Atem anhielt und mit Sharpes Bestrafung rechnete.

Doch plötzlich donnerte wieder die feindliche Kanone, und die schwere Kugel schlug in den grünen Streifen eines Reisfelds. Die Wucht des harmlosen Geschosses, das ausrollte und liegen blieb, nachdem es eine Schneise gerissen hatte, schien Hakeswill abzulenken.

»Verdammt mieser Schuss«, sagte er verächtlich. »Die Heiden können wohl keine Geschütze ausrichten, oder vielleicht spielen sie mit uns. Ha, sie spielen!« Bei diesem Gedanken brach er in Gelächter aus.

Sharpe nahm an, dass die Erwartung von Aufregung Sergeant Obadiah Hakeswill in diesen fast jovialen Zustand brachte, der Gedanke, dass eine Schlacht zu Gefallenen und Leid führen würde, denn Leid war seine Freude. Er mochte es, Männer zu sehen, die litten und Angst hatten, denn das machte sie gefügig, und Sergeant Hakeswill war stets am glücklichsten, wenn er die Kontrolle über unglückliche Männer hatte.

Die drei Offiziere hatten ihre Pferde an der Spitze der Kolonne gezügelt und spähten jetzt durch ihre Fernrohre zum fernen Hügelkamm, über dem nach dem Schuss der feindlichen Kanone Rauch wölkte.

»Das ist unser Colonel, Jungs«, verkündete Hakeswill der 33. Leichten Kompanie. »Colonel Arthur Wellesley persönlich, Gott segne ihn, denn er ist ein Gentleman und ihr nicht. Er ist gekommen, um euch kämpfen zu sehen, also tut das. Kämpft wie die Engländer, die ihr seid.«

»Ich bin Schotte«, sagte eine mürrische Stimme in der hinteren Reihe.

»Das habe ich gehört! Wer hat das gesagt?« Hakeswill starrte wütend zur Kompanie, und in seinem Gesicht zuckte es heftig. In schlechterer Stimmung hätte er den Sprecher herausgefunden und bestraft, doch die Vorfreude auf die bevorstehende Schlacht ließ ihn darauf verzichten. »Ein Schotte!«, stieß er stattdessen verächtlich hervor. »Was ist das Schönste, das ein Schotte jemals gesehen hat? Ich will eine Antwort auf die Frage!«

Keiner sagte ein Wort.

»Die Straße nach England, das ist für ihn das Schönste. So steht es in der Bibel, also muss es stimmen.« Er wog Sharpes Muskete mit der Hand, während er an den wartenden Soldaten entlangspähte. »Ich werde euch im Auge behalten«, schnarrte er. »Keiner von euch hat schon an einem richtigen Kampf teilgenommen, und ich meine richtigen, doch auf der anderen Seite dieses verdammten Hügels wartet eine Horde von Heiden, die es kaum erwarten kann, ihre dreckigen Hände an eure Frauen zu legen. Wenn also einer von euch zu feige zum Kämpfen ist, werde ich euch allen die Haut abziehen. Aber wenn ihr eure Pflicht tut und eure Befehle befolgt, könnt ihr nichts falsch machen. Und wer gibt euch die Befehle?«

Der Sergeant wartete auf eine Antwort, und schließlich gab ihm Private Mallinson eine. »Die Offiziere, Sergeant.«

»Die Offiziere! Die Offiziere!« Hakeswill spuckte bei der Antwort seinen Ekel aus. »Offiziere sind hier, um uns zu zeigen, wofür wir kämpfen. Es sind Gentlemen. Richtige Gentlemen. Männer mit Besitz und guter Lebensart, keine gescheiterten Schankkellner und Taschendiebe mit rotem Rock, wie ihr es seid. Merkt euch das, Jungs. Ihr seid im Begriff, in eine Schlacht gegen Heiden zu marschieren, und wenn ihr nicht auf mich hört, werdet ihr bald tot sein!«

Seine Züge verzerrten sich grotesk, und Sharpe, der das Gesicht des Sergeants beobachtete, fragte sich, ob es die Nervosität war, die Hakeswill so redselig gemacht hatte.

»Also haltet euren Blick auf mir, Jungs«, fuhr Hakeswill fort, »und ihr werdet bei bester Gesundheit bleiben. Und wisst ihr, weshalb?« Er schrie das letzte Wort auf dramatische Weise, als er an der ersten Reihe der Leichten Kompanie entlangschritt. »Wisst ihr, warum?«, fragte er wieder, und jetzt klang er wie ein Prediger, der einen anderen Glauben als seine Kirche vertrat. »Weil ich nicht sterben kann, Jungs, ich kann nicht sterben!«

Er war plötzlich angespannt, und seine Stimme klang heiser und leidenschaftlich. Es war eine Ansprache, die alle Männer der Leichten Kompanie schon viele Male gehört hatten, doch es war bemerkenswert für die meisten, dass Sergeant Green, der durch die kürzere Dienstzeit rangniedriger war als Hakeswill, sich angewidert abwandte.

Hakeswill lachte spöttisch über Green und zerrte dann an der Ledermanschette um seinen Hals und zog sie etwas herunter, sodass eine alte, dunkle Narbe an seiner Kehle sichtbar wurde.

»Die Schlinge des Henkers, Jungs!«, schrie er. »Davon bin ich da gezeichnet, von der Henkerschlinge! Seht ihr das Mal? Seht ihr es? Aber ich lebe, Jungs, stehe lebend auf zwei Füßen, anstatt unter der Grasnarbe zu liegen, ein Beweis, dass ihr nicht zu sterben braucht!« Sein Gesicht zuckte wieder, als er die Manschette losließ. »Gezeichnet von Gott«, fuhr er fort, und seine Stimme klang rau und aufgewühlt, »das bin ich, gezeichnet von Gott!«

»Total durchgedreht«, murmelte Tom Garrard.

»Haben Sie gesprochen, Sharpie?« Hakeswill fuhr herum und starrte Sharpe an, doch Sharpe war so augenscheinlich still und starrte stumm vor sich hin, dass es keinen Zweifel an seiner Unschuld gab.

Hakeswill schritt an der Leichten Kompanie entlang zurück. »Ich habe Männer sterben sehen, bessere Männer als euch Abschaum, richtige Männer, doch Gott hat mich verschont! Also tut, was ich sage, Jungs, sonst werdet ihr Futter für die Aasgeier.« Er stieß die Muskete abrupt in Sharpes Hände. »Saubere Waffe, Sharpie. Gut gemacht, Junge.«

Er wandte sich flott ab, und Sharpe sah zu seiner Überraschung, dass der Lappen wieder ordentlich um das Schloss der Muskete gewickelt war.

Das Kompliment für Sharpe hatte die gesamte Leichte Kompanie erstaunt.

»Er ist in einer selten guten Stimmung«, sagte Garrard.

»Das habe ich gehört, Private Garrard!«, rief Hakeswill über seine Schulter. »Ich habe Ohren am Hinterkopf! Ruhe jetzt! Ich will nicht, dass die heidnische Horde denkt, ihr habt Schiss! Ihr seid weiße Männer, gebleicht in dem reinigenden Blut des Lammes, also kein verdammtes Gerede in den Reihen! Nett und ruhig wie die verdammten Nonnen, die nie einen Laut von sich geben, weil ihre Papistenzungen rausgeschnitten sind.« Er schlug plötzlich wieder die Hacken zusammen, stand still mit der Pike vor seinem Körper und salutierte. »Kompanie angetreten, Sir!«, brüllte er so laut, dass er auf dem vom Feind gehaltenen Höhenkamm zu hören sein musste. »Alle anwesend und ruhig, Sir! Sonst würden sie ausgepeitscht, Sir!«

Lieutenant William Lawford zügelte sein Pferd und nickte Sergeant Hakeswill zu. Lawford war der zweite Offizier der Leichten Kompanie, rangniedriger als Captain Morris und ranghöher als die jungen Ensigns (Fähnriche), jedoch neu versetzt zum Bataillon und so erschreckt von Hakeswill wie die Soldaten in den Reihen. »Die Männer können reden, Sergeant«, bemerkte Lawford milde. »In den anderen Kompanien ist es nicht so still.«

»Nein, Sir. Die meisten müssen ihren Atem sparen. Es ist zu verdammt heiß zum Reden, Sir, und außerdem bekommen sie Heiden zum Töten, Sir, da brauchen Sie keine Plaudereien, wenn es schwarzgesichtige Heiden zu killen gibt, Sir. So steht es in der Heiligen Schrift, Sir.«

»Wenn Sie das meinen, Sergeant«, sagte Lawford, nicht bereit, eine Konfrontation herauszufordern. Dann fiel ihm nichts ein, was er sonst noch sagen konnte, und so starrte er unter den Blicken der sechsundsiebzig Männer der Leichten Kompanie zu dem vom Feind gehaltenen Höhenkamm. Doch es wurde ihm bewusst, dass er schmählich vor dem Willen von Sergeant Hakeswill kapituliert hatte, und langsam färbten sich seine Wangen, als er nach Westen spähte.

Lawford war beliebt, hielt das jedoch für Schwäche, doch Sharpe war sich nicht sicher, ob diese Einschätzung richtig war. Er glaubte, dass der Lieutenant noch seinen Weg durch die sonderbaren und manchmal Furcht erregenden menschlichen Strömungen im 33. Regiment suchte und dass Lawford sich im Laufe der Zeit als harter und unverwüstlicher Offizier erweisen würde. Im Augenblick war William Lawford erst vierundzwanzig und erst vor Kurzem zum Lieutenant befördert worden, und das machte ihn noch unsicher.

Ensign Fitzgerald, der erst achtzehn war, schlenderte von der Spitze der Kolonne zurück. Er pfiff vor sich hin und schlug mit gezogenem Säbel nach Unkraut am Weg.

»Geht gleich los, Sir!«, rief er fröhlich zu Lawford, und dann bemerkte er die unheilvolle Stille bei der Leichten Kompanie. »Ihr habt doch keine Angst, oder?«, fragte er.

»Sparen Sie sich Ihren Atem, Mister Fitzgerald, Sir«, blaffte Hakeswill.

»Wir haben Atem genug, um Dutzende Lieder zu singen und immer noch den Feind zu besiegen«, sagte Fitzgerald spöttisch. »Nicht wahr, Jungs?«

»Wir besiegen die Bastarde, Sir«, sagte Tom Garrard.

»Dann lassen Sie mich hören, wie Sie singen«, verlangte Fitzgerald. »Ich kann die Stille nicht ertragen. Wir werden genügend Stille in unseren Gräbern haben, Jungs, also können wir jetzt noch Lärm machen.«

Fitzgerald hatte eine gute Tenorstimme, mit der er das Lied über das Milchmädchen und den Pfarrer anstimmte. Als er den Refrain erreichte, der erzählte, wie der nackte Pfarrer, dem das Milchmädchen die Augen verbunden hatte, schon dachte, sein Herzenswunsch würde erfüllt werden, doch sie steuerte ihn auf Bessie, die Kuh, zu, schrie die ganze Kompanie das Lied begeistert mit.

Sie kamen nicht bis zum Ende. Captain Morris, der befehlshabende Offizier der Leichten Kompanie, ritt von der Spitze des Bataillons zurück und unterbrach den Gesang.

»Halbkompanien!«, schrie er zu Hakeswill.

»Halbkompanien, jawohl, Sir! Sofort, Sir! Leichte Kompanie! Stellt den verdammten Lärm ein! Ihr habt gehört, was der Offizier gesagt hat!«, bellte Hakeswill. »Sergeant Green! Übernehmen Sie die hinteren Reihen. Mister Fitzgerald! Würden Sie Ihren Platz an der Linken einnehmen, Sir! Vordere Reihe! Musketen geschultert! Zwanzig Schritte vorwärts, marsch! Flott, jetzt! Flott!«

In Hakeswills Gesicht zuckte es, als die vorderen Reihen der Kompanie zwanzig Schritte marschierten und Halt machten, während die anderen neun Reihen zurückblieben. An der ganzen Bataillons-Kolonne entlang teilten sich die Kompanien gleichermaßen, und ihr Drill war so schneidig, als wären sie wieder auf ihrem Paradeplatz in Yorkshire.

Eine Viertelmeile vom 33. Regiment entfernt vollführten sechs andere Bataillone mit genau derselben Präzision die gleichen Manöver. Diese sechs Bataillone bestanden aus einheimischen Soldaten im Dienst der Ostindischen Company, doch sie trugen genauso rote Uniformröcke wie die Männer des Königs. Die sechs Bataillone mit Sepoys, den indischen Soldaten in europäischen Diensten der East India Company, die rote Uniformröcke wie die Männer des Königs trugen, entrollten ihre Fahnen, und Sharpe blickte daran vorbei zu den großen Fahnen des 33. Regiments, die aus ihren Wachstuchüberzügen gezogen und in die heiße indische Sonne gehalten wurden. Die erste, die des Königs, war eine britische Fahne mit den aufgestickten Schlachten und Ehrungen des Regiments. Die zweite, die Regimentsfahne, hatte das Abzeichen des 33. Regiments auf einem weißen Feld mit scharlachrotem Kreuz, das gleiche Scharlachrot wie auf den Aufschlägen der Uniformröcke der Männer.

Die mit Quasten geschmückten Seidenfahnen leuchteten. Und ihr Anblick hatte eine plötzliche Kanonade vom Höhenkamm zur Folge. Bis jetzt hatte nur ein schweres Geschütz gefeuert, doch nun schlossen sich abrupt sechs andere Kanonen dem Kampf an. Die neuen Geschütze waren kleiner, und ihre Kugeln reichten nicht bis zu den sieben Bataillonen.

Major Shee, der Ire, der das 33. Regiment befehligte, während Colonel Arthur Wellesley das Kommando über die gesamte Brigade hatte, ritt im kurzen Galopp zurück, sprach kurz mit Morris und galoppierte dann zur Spitze der Kolonne.

»Wir werden diese Bastarde vom Kamm fegen!«, schrie Morris zur Leichten Kompanie und neigte dann den Kopf, um eine Zigarre mit einer Zunderbüchse anzuzünden. »Jeder Bastard, der kneift und abhauen will, Sergeant«, fuhr Morris fort, als seine Zigarre richtig brannte, »wird erschossen. Haben Sie verstanden?«

»Laut und deutlich, Sir!«, brüllte Hakeswill. »Erschossen, Sir! Die Feiglinge werden erschossen!« Er wandte sich um und starrte böse zu den beiden Halbkompanien. »Erschossen! Und eure Namen werden in eurer Heimatkirche ausgehängt, die Namen der Feiglinge, die ihr seid. Also kämpft wie Engländer!«

»Schotten«, grollte eine Stimme hinter Sharpe, jedoch so leise, dass Hakeswill es nicht hören konnte.

»Iren«, sagte ein anderer Mann.

»Keiner von uns ist ein Feigling«, sagte Garrard lauter.

Sergeant Green, ein netter Mann, besänftigte ihn. »Ruhig, Jungs. Ich weiß, dass ihr eure Pflicht tun werdet.«

Die Front der Kolonne marschierte jetzt, doch den hintersten Kompanien wurde Warten befohlen, sodass das Bataillon mit weiten Intervallen zwischen seinen zwanzig Halbkompanien vorrücken konnte. Sharpe nahm an, dass die zerstreute Formation beabsichtigt war, um Ausfälle durch das Bombardement des Feindes zu reduzieren, das immer noch aus extremer Weite feuerte und keinen Schaden anrichtete.

Weit hinter ihm wartete der Rest der alliierten Armeen darauf, dass der Höhenkamm eingenommen wurde. Diese Masse sah wie eine gewaltige Horde aus, doch Sharpe wusste, dass das meiste dessen, was er sah, der zivile Anhang der beiden Armeen war: das Chaos aus Händlern, Frauen, Marketendern und Viehhirten, der Tross, der die kämpfenden Soldaten am Leben erhielt und dessen Vorräte die Belagerung der Hauptstadt des Feindes ermöglichte.

Über sechstausend Ochsen wurden allein zum Transport der Kanonen für die großen Belagerungsgeschütze gebraucht, und all diese Ochsen mussten gehütet und gefüttert werden, und die Hirten hatten ihre Familien dabei, die ihrerseits Ochsen brauchten, um ihre eigenen Vorräte zu transportieren. Lieutenant Lawford hatte einst gesagt, dass die Expedition nicht wie eine Armee auf dem Marsch aussah, sondern wie ein großer Wanderzug. Die riesige Horde von Zivilisten und Tieren wurde von einer dünnen Kruste rot uniformierter Infanterie umgeben, die meisten davon indische Soldaten in europäischem Dienst, deren Aufgabe es war, die Händler, Munition und Zugtiere vor der schnell reitenden, hart zuschlagenden Leichten Kavallerie von Tippu Sultan zu schützen.

Tippu Sultan. Der Feind. Der Tyrann von Maisur und der Mann, der vermutlich das Geschützfeuer von dem Höhenkamm leitete. Tippu herrschte in Maisur, und er war der Feind. Aber Sharpe hatte keine Ahnung, wer Tippu war und warum er ein Feind war oder ob er ein Tyrann, eine Bestie oder ein Halbgott war. Sharpe war hier, weil er Soldat war, und es reichte, dass man ihm gesagt hatte, Tippu Sultan sei sein Feind, und so wartete er geduldig unter der indischen Sonne, die den Schweiß aus seinem großen, muskulösen Körper trieb.

Captain Morris lehnte sich auf seinen Sattelknauf. Er nahm seinen Zweispitz ab und wischte sich mit einem Taschentuch, das mit Kölnisch Wasser getränkt war, Schweiß von der Stirn. In der vergangenen Nacht hatte er getrunken, und sein Magen und seine Verdauung machten ihm zu schaffen. Wenn das Bataillon nicht in die Schlacht gezogen wäre, dann wäre er davongaloppiert, hätte sich einen privaten Ort gesucht und seinen Darm entleert, doch dies konnte er jetzt kaum tun, weil seine Männer dies als ein Anzeichen auf Schwäche auslegen konnten, und so hob er stattdessen seine Feldflasche und schluckte etwas Arrak in der Hoffnung, dass der Branntwein den Aufruhr in seinem Magen besänftigen würde.

»Jetzt, Sergeant«, rief er, als die vordere Kompanie ausreichend weit vorausmarschiert war.

»Vorwärts, Halbkompanie!«, brüllte Hakeswill. »Vorwärts, marsch! Flott jetzt!«

Lieutenant Lawford, der die Aufsicht über die letzte Halbkompanie des Bataillons hatte, wartete, bis Hakeswills Männer zwanzig Schritte marschiert waren, und nickte dann Sergeant Green zu. »Vorwärts, Sergeant!«

Die Rotröcke marschierten mit ungeladenen Musketen, denn der Feind war noch weit entfernt und es gab weder ein Anzeichen auf die Infanterie von Tippu Sultan noch auf seine gefürchtete Kavallerie. Es gab nur die Geschütze des Feindes und, hoch am Himmel, die kreisenden Geier.

Sharpe marschierte in der führenden Reihe der letzten Halbkompanie, und Lieutenant Lawford, der zu ihm blickte, dachte wieder einmal, dass Sharpe ein gut aussehender Mann war. Sharpes schmales, sonnengebräuntes Gesicht strahlte Zuversicht aus, und seine hart blickenden blauen Augen verrieten Verwegenheit und Kompetenz. Dieses Äußere war beruhigend für einen jungen Lieutenant, der zu seiner ersten Schlacht vorrückte. Mit Männern wie Sharpe können wir nicht verlieren, dachte Lawford.

Sharpe wusste nichts von der Einschätzung des Lieutenants, und wenn man ihm gesagt hätte, dass allein sein Äußeres Anlass zu Vertrauen und Zuversicht gab, wäre er in Gelächter ausgebrochen.

Sharpe hatte keine Vorstellung davon, wie er aussah, denn er schaute selten in einen Spiegel, und wenn er es tat, bedeutete ihm sein Spiegelbild nichts, obwohl er wusste, dass er den Frauen gefiel und sie ihm. Er wusste ebenfalls, dass er der größte Mann in der Leichten Kompanie war, so groß, dass er in der Grenadierkompanie hätte sein sollen, die den Vormarsch des Bataillons anführte, aber als er vor sechs Jahren zum Regiment gekommen war, hatte der befehlshabende Offizier der Leichten Kompanie darauf bestanden, Sharpe in seinen Reihen zu haben.

Captain Hughes war jetzt tot, die Ruhr hatte ihn in Kalkutta umgebracht, doch zu seinen Lebzeiten war es sein Stolz gewesen, die schnellsten und schneidigsten Männer in seiner Kompanie zu haben, Männer, denen er vertrauen konnte, dass sie allein in der Schützenlinie kämpften. Es war Hughes Tragödie gewesen, dass er seine ausgewählten Männer nur einmal dem Feind gegenüber gesehen hatte, und dieses eine Mal war es ein verkorkster Feldzug zu der nebligen Insel vor der Küste von Flandern gewesen, wo keine noch so tollen Kämpfer den Erfolg für einen mit Blödheit geschlagenen General hätten retten können.

Jetzt, fünf Jahre später auf einem indischen Schlachtfeld, marschierte das 33. Regiment wieder gegen einen Feind, doch jetzt wurde die Leichte Kompanie nicht von dem begeisterten und großzügigen Captain Hughes befehligt, sondern von Captain Morris. Ihm war es gleichgültig, wie clever oder schnell seine Männer waren, ihn interessierte nur, dass sie ihm keine Probleme machten. Deshalb hatte er Sergeant Hakeswill in die Kompanie geholt. Und deshalb dachte der große, verwegen gut aussehende Private namens Richard Sharpe ans Weglaufen.

Doch heute würde er nicht desertieren. Heute würde es eine Schlacht geben, und darauf freute sich Sharpe. Eine Schlacht bedeutete anschließendes Plündern – die indischen Soldaten nannten es »Kriegsbeute machen« –, und jeder Mann, der ans Desertieren und an den Aufbau eines eigenen Lebens dachte, konnte ein bisschen Beute als Grundstock dafür brauchen.

Die sieben Bataillone marschierten auf den Höhenkamm zu. Sie waren alle in Kolonnen aus Halbkompanien eingeteilt, sodass sie aus der Sicht der Geier wie hundertvierzig kleine scharlachrote Rechtecke wirkten, die über eine Viertelmeile grünen Lands stetig auf die wartende Linie von Geschützen auf dem vom Feind gehaltenen Höhenkamm vorrückten.

Die Sergeants marschierten neben den Halbkompanien, während die Offiziere entweder ritten oder zu Fuß gingen.

Aus der Ferne sahen die roten Blöcke schick aus, denn das Scharlachrot der Uniformröcke war mit weißen Kreuzgurten unterbrochen, doch in Wirklichkeit waren die Soldaten schmutzig und verschwitzt. Ihre Uniformen waren aus Wolle, geschneidert für die Schlachtfelder in Flandern, nicht Indien, und die scharlachrote Färbung war jetzt in schweren Regenfällen zu Rosa oder mattem Purpur verblichen, und alles war mit getrocknetem Schweiß befleckt. Jeder Mann im 33. Regiment trug eine hohe, steife Lederhalsbinde, die sich in die Haut seines Nackens grub, und jeder hatte sein langes Haar straff zurückgekämmt, mit Kerzenwachs gefettet und dann das Ende um einen mit Sand gefüllten Lederbeutel gedreht, der mit einem schwarzen Lederstreifen gesichert war, sodass das Haar wie eine Keule am Nacken hing. Dann war das Haar mit Mehl gepudert worden, und zwischen dem weißen Mehlstaub gab es einen Tummelplatz für Läuse und Flöhe. Die eingeborenen Sepoys der East India Company waren glücklicher. Sie puderten ihr Haar nicht, und sie trugen auch nicht die schweren Hosen der britischen Soldaten und marschierten barfuß. Sie trugen auch nicht die Lederhalsbinden und, sogar noch erstaunlicher, es gab keine Prügelstrafe in den indischen Bataillonen.

Eine feindliche Kanonenkugel fand schließlich ein Ziel, und Sharpe sah eine Halbkompanie auseinander spritzen, als das Geschoss in die Reihen schlug. Für einen Augenblick glaubte er es über der Formation rötlich wie blutiger Nebel schimmern zu sehen, als die Kanonenkugel hindurchfegte, doch das war vielleicht nur eine Illusion.

Zwei Männer blieben am Boden, als ein Sergeant die Reihen schloss. Zwei weitere Männer humpelten, und einer schleppte sich taumelnd weiter und brach dann zusammen.

Die Trommler, die hinter den Fahnen vorrückten, markierten den Rhythmus des Marsches mit stetigem Trommeln, durchsetzt mit Trommelwirbel, doch als die Jungs an den reglosen Gestalten vorbeimarschierten, die noch vor Sekunden Soldaten der Grenadierkompanie gewesen waren, ließen sie ihre Stöcke schneller wirbeln und beschleunigten so das Tempo des Regiments, bis sich Major Shee im Sattel umdrehte und ihren Übereifer verfluchte.

»Wann werden wir laden?«, fragte Private Mallinson Sergeant Green.

»Wenn es Ihnen gesagt wird, Junge, wenn Sie den Befehl erhalten. Nicht eher. O verdammt!« Letzteres von Sergeant Green war auf eine ohrenbetäubende Kanonade vom Höhenkamm zurückzuführen. Ein Dutzend weitere von Tippus kleineren Geschützen hatte das Feuer eröffnet, und die Anhöhe war jetzt in eine grauweiße Wolke gehüllt. Die beiden britischen Geschütze zur Rechten waren jetzt abgeprotzt und hatten zu feuern begonnen, doch die feindlichen Kanonen waren von ihrem eigenen Rauch verdeckt, und dieser dichte Schirm verhinderte jeden Schaden, den die kleinen Kavalleriegeschütze hätten anrichten können. Weitere Kavallerie trabte zur rechten Flanke des 33. Regiments. Diese Neuankömmlinge waren indische Soldaten mit scharlachroten Turbanen, die lange Lanzen hielten.

»Was sollen wir also verdammt tun?«, beschwerte sich Mallinson. »Einfach mit leeren Musketen zu der verdammten Anhöhe raufmarschieren?«

»Wenn Ihnen das befohlen wird, werden Sie es tun«, sagte Sergeant Green. »Und jetzt halten Sie Ihre verdammte Schnauze.«

»Ruhig da hinten!«, rief Hakeswill von der Halbkompanie voraus. »Dies ist kein verdammter Gemeindeausflug! Dies ist ein Kampf, ihr Bastarde!«

Sharpe wollte bereit sein, und so wickelte er das Tuch vom Schloss der Muskete und stopfte es in die Tasche, wo er den Ring aufbewahrte, den Mary ihm geschenkt hatte. Der Ring, ein schlichtes Band aus abgegriffenem Silber, hatte Sergeant Bickerstaff gehört, Marys Ehemann, doch der Sergeant war jetzt tot, und Green hatte Bickerstaffs Streifen eines Staff Sergeants übernommen und Sharpe sein Bett. Mary kam aus Kalkutta. Das ist eine Stadt, in die man desertieren kann, dachte Sharpe. Da wimmelt es von Rotröcken.

Dann vergaß er jeden Gedanken an Fahnenflucht, denn plötzlich füllte sich die Landschaft voraus mit feindlichen Soldaten. Eine Masse von Infanteristen überquerte das nördliche Ende des niedrigen Höhenrückens und marschierte in die Ebene hinunter. Ihre Uniformen erschienen blasspurpurfarben, sie hatten breite rote Turbane und waren wie die indischen Soldaten der Briten barfuß. Die Fahnen über den marschierenden Männern leuchteten rot und gelb, doch der Wind war so schwach, dass sie herabhingen und den Blick auf das verbargen, was darunter war. Immer mehr Männer tauchten auf, bis Sharpe ihre Zahl nicht einmal mehr schätzen konnte.

»Dreiunddreißigste!«, schrie jemand voraus. »Nach links schwenken!«

»Nach links schwenken!«, antwortete Captain Morris auf den Befehl.

»Ihr habt den Offizier gehört!«, bellte Sergeant Hakeswill. »Links – schwenkt!«

»Im Geschwindschritt!«, rief Sergeant Green.

Die führende Halbkompanie des 33. Regiments hatte angehalten, und jede andere Halbkompanie schwenkte jetzt links zu ihr aus und beschleunigte das Tempo, wobei die letzte Halbkompanie, in der Sharpe marschierte, den weitesten Weg hatte und am schnellsten sein musste. Die Männer fielen in Laufschritt, und ihre Tornister und Patronentaschen und Bajonettscheiden hüpften auf und ab, als sie über die kleinen Felder stolperten. Wie eine Schwingtür drehte sich die Kolonne, die direkt auf den Höhenrücken zumarschiert war, in eine parallele Linie dazu und blockierte so das Vorrücken der feindlichen Infanterie.

»Zwei Reihen!«, rief eine Stimme.

»Zwei Reihen!«, wiederholte Captain Morris.

»Ihr habt den Offizier gehört«, brüllte Hakeswill. »Zwei Reihen. Nach rechts ausschwenken! Flott jetzt!«

All die rennenden Halbkompanien teilten sich jetzt in zwei kleinere Einheiten, jede mit zwei Reihen und zur Rechten ausgerichtet, sodass das ganze Bataillon eine Kampflinie mit zwei Gliedern bildete.

Als Sharpe in Position rannte, erhaschte er einen Blick nach rechts und sah die Trommlerjungen ihre Plätze hinter den Regimentsfahnen einnehmen, die von einer Gruppe Sergeanten geschützt wurden.

Die Leichte Kompanie war als Letzte in Position. Ein paar Sekunden war das Scharren von Füßen zu hören, als die Männer nach rechts blickten und sich ausrichteten, dann herrschten Stille und Schweigen, während die Corporals hektisch die Reihen auffüllten. In weniger als einer Minute, in beeindruckendem Drill, hatte das 33. Regiment des Königs Gefechts formation angenommen, sodass siebenhundert Männer, aufgestellt in zwei langen Reihen, jetzt dem Feind gegenüberstanden.

»Sie können laden lassen, Major Shee!« Das war Colonel Wellesleys Stimme. Er war zu Major Shee galoppiert, der brütend unter den Fahnen des Regiments verharrte. Die sechs indischen Bataillone eilten an der Linken noch vorwärts, doch die feindliche Infanterie war am nördlichen Rand des Höhenkamms aufgetaucht, und das bedeutete, dass das 33. Regiment die nächste Einheit war und ihr höchstwahrscheinlich der Angriff des Tippus galt.

»Laden!«, brüllte Captain Morris zu Hakeswill.

Sharpe fühlte sich plötzlich nervös, als er die Muskete von der Schulter nahm und vor seinen Körper hielt. Schweiß brannte in seinen Augen. Er konnte die feindlichen Trommler hören.

»Ergreift Patron’!«, schrie Sergeant Hakeswill, und jeder Mann der Leichten Kompanie zog eine Patrone aus seiner Munitionstasche und riss mit den Zähnen das Papier auf, sodass sie das bittersalzige Schießpulver schmeckten.

»Pulver auf Pfann’!« Sechsundsiebzig Männer schütteten ein kleines Rinnsal von Pulver aus den geöffneten Patronen auf die Pfannen ihrer Musketen und schlossen die Batteriedeckel.

»Musketen – absetzen!«, befahl Hakeswill, und sechsundsiebzig rechte Hände ließen die Musketenschäfte los, sodass die Waffen mit den Kolben auf den Boden schlugen. »Und ich beobachte euch!«, fügte Hakeswill hinzu. »Wenn einer von euch feigen Bastarden nicht all sein Pulver benutzt, werde ich euch die Haut abschneiden und Salz auf euren miserablen Balg reiben! Also gebt euch jetzt Mühe!«

Einige alte Soldaten rieten, nur die Hälfte des Pulvers einer Patrone zu nutzen und den Rest auf den Boden rieseln zu lassen, damit die Muskete keinen brutalen Rückstoß hatte, doch angesichts eines vorrückenden Feindes dachte an diesem Tag niemand daran, diesen Trick anzuwenden. Sie schütteten den Rest des Patronenpulvers in die Läufe ihrer Musketen und stopften das Patronenpapier mit der Kugel nach dem Pulver hinein. Die feindliche Infanterie war jetzt zweihundert Yards entfernt und rückte stetig zum Rhythmus der Trommeln und der Trompetenstöße vor. Die Geschütze Tippus feuerten immer noch, doch ihre Mündungen wurden jetzt vom 33. Regiment weg gerichtet, weil sie nicht ihre eigene Infanterie treffen wollten, und zielten stattdessen auf die sechs indischen Regimenter, die sich beeilten, die Lücke zwischen sich und dem 33. zu schließen.

»Zieht Ladestock!«, rief Hakeswill, und Sharpe zerrte den Ladestock aus den drei Messingröhren, die sie unter dem 39-Zoll-Lauf der Muskete hielten. Sein Mund war salzig vom Geschmack des Schießpulvers. Er war immer noch nervös, nicht, weil der Feind immer näher rückte, doch weil ihm plötzlich der idiotische Gedanke kam, dass er vergessen haben könnte, wie eine Muskete richtig geladen wird. Er drehte den Ladestock in der Luft und führte dann das tellerförmige Ende in den Lauf ein.

»Stoßt Ladung!«, brüllte Hakeswill.

Sechsundsiebzig Männer befolgten den Befehl und stießen die Kugel, das Papier und die Pulverladung bis zum Fuß des Laufs.

»Ladestock an Ort!«

Sharpe zog den Ladestock hinauf und hörte ihn im Lauf schaben. Dann wirbelte er ihn herum, sodass das schmale Ende in die Messingröhre gleiten würde. Er schob den Ladestock hinein.

»Gewehr ab!«, rief Captain Morris, und die Leichte Kompanie, jetzt mit geladenen Musketen, stand still mit ihren Waffen an den rechten Seiten. Der Feind war noch zu weit entfernt für einen Musketenschuss, um ihn akkurat und tödlich zu treffen, und die lange, zweigliedrige Linie der siebenhundert Rotröcke würde warten, bis ihre Eröffnungssalve richtigen Schaden anrichten konnte.

»Bataillon!«, rief Sergeant Major Bywaters aus der Mitte der Linie. »Bajonett aufpflanzen!«

Sharpe zog die 17-Zoll-Klinge aus dem Futteral, das hinter seiner rechten Hüfte hing. Er schob die Tülle über die Mündung der Muskete, dann drehte er die Nut in die Bajonettwarze, damit sie gesichert war. Nachdem die Klinge befestigt war, wurde das Beladen der Muskete weitaus schwieriger, doch Sharpe nahm an, dass Colonel Wellesley entschieden hatte, eine Salve feuern und dann angreifen zu lassen.

»Das wird ein mächtig schmutziger Nahkampf«, sagte er zu Tom Garrard.

»Sie sind mehr als wir«, murmelte Garrard und starrte zum Feind. »Die Scheißkerle sehen kampfstark aus.«

Der Feind sah tatsächlich robust aus. Die führenden Soldaten hatten im Augenblick verharrt, damit die Männer hinter ihnen aufholen konnten, doch jetzt, wieder zu einer soliden Kolonne formiert, rückten sie erneut vor. Ihre Mannschaften marschierten kerzengerade, ihre Offiziere trugen Schärpen um die Hüften und hielten stark gekrümmte Säbel hoch. Eine der Fahnen wurde hin und her geschwenkt, und Sharpe konnte ausmachen, dass sie eine goldene Sonne vor scharlachrotem Himmel zeigte.

Die Geier stießen tiefer herab. Die Kavalleriegeschütze konnten nicht widerstehen, auf das Ziel der großen Infanteriekolonne zu schießen, und feuerten auf ihre Flanke, doch Tippus Männer ertrugen stoisch den Beschuss, und ihre Offiziere stellten sicher, dass die Kolonne dicht zusammenblieb und bereit war, der wartenden Linie der Rotröcke den vernichtenden Schlag zu versetzen.

Sharpe leckte sich über die trockenen Lippen. Dies sind also Tippus Männer, dachte er. Gut aussehende Bastarde waren das, und sie waren nahe genug, sodass er sehen konnte, dass ihre Waffenröcke nicht blasspurpurn waren, sondern aus einem cremig weißen Stoff, der mit malvenfarbenen Tigerstreifen verziert war. Ihre Kreuzgurte waren schwarz, und ihre Turbane und Schärpen karmesinrot. Heiden mochten sie sein, aber deshalb nicht zu verachten, denn nur siebzehn Jahre zuvor hatten dieselben tigergestreiften Männer eine britische Armee geschlagen und die Überlebenden zur Kapitulation gezwungen. Dies waren die berühmten Tiger-Truppen von Maisur, die Krieger des Tippu Sultan, der das gesamte südliche Indien beherrscht hatte, bis die Briten glaubten, von der Küstenebene aus die Gebirgszüge erklettern und nach Maisur selbst vorstoßen zu müssen.

Die Franzosen waren die Verbündeten dieser Männer gewesen, und einige Franzosen dienten in Tippus Truppen, doch Sharpe konnte kein weißes Gesicht in der massiven Kolonne entdecken, die schließlich zum Angriff bereit war und schwerfällig zum tiefen Schlag einer einzigen Trommel vorwärts marschierte. Die tigergestreiften Soldaten marschierten direkt auf das 33. Regiment des Königs zu, und Sharpe, der nach links blickte, sah, dass die Sepoys der Kompanie der East India Company noch zu weit entfernt waren, um ihnen Unterstützung zu geben. Das 33. würde allein mit Tippus Kolonne fertig werden müssen.

»Private Sharpe!« Hakeswills Schrei war laut genug, um den Hurraruf von Tippus vorrückenden Soldaten zu übertönen. »Private Sharpe!«, schrie Hakeswill von Neuem. Er eilte hinter der Leichten Kompanie entlang, und Captain Morris, der sofort absaß, folgte ihm. »Geben Sie mir Ihre Muskete, Private Sharpe!«, bellte Hakeswill.

»Damit ist alles in Ordnung«, protestierte Sharpe. Er stand in der vorderen Reihe und musste sich umdrehen, um sich einen Weg zwischen Garrard und Mallinson bahnen und die Waffe überreichen zu können.

Hakeswill schnappte sich die Muskete und gab sie schadenfroh Captain Morris.

»Sehen Sie, Sir!«, sagte der Sergeant. »Genau, wie ich mir das gedacht habe, Sir! Der Bastard hat seinen Feuerstein verkauft, Sir. An einen heidnischen Schwarzen!« In Hakeswills Gesicht zuckte es, als er Sharpe mit einem triumphierenden Blick bedachte. Der Sergeant nahm den Feuerstein von dem Lederpolster und hielt ihn Captain Morris hin. »Das ist ein stinknormales Gesteinsbröckchen, Sir, das weder für Mensch noch Tier taugt. Er muss seinen Feuerstein verscheuert haben, Sir. Verscherbelt für eine heidnische Hure, Sir, nehme ich an. So ein Dreckschwein ist er.«

Morris spähte auf den Feuerstein. »Haben Sie den Feuerstein verkauft, Private?«, fragte er, und in seiner Stimme mischten sich Spott, Vergnügen und Bitterkeit.

»Nein, Sir.«

»Halten Sie den Mund!«, schrie Hakeswill Sharpe ins Gesicht. »Einen Offizier anzulügen! Dafür gibt es Prügelstrafe, Sir. Und den Feuerstein zu verkaufen ist ein weiteres Prügelstrafendelikt. So steht es in den Vorschriften, Sir.«

»Es ist ein Prügelstrafendelikt«, stellte Morris fest, und sein Tonfall klang zufrieden. Morris war groß und schlank wie Sharpe, mit blondem Haar und einem fein geschnittenen Gesicht, das die ersten Anzeichen der Auswirkungen von übermäßigem Alkoholgenuss zu zeigen begann, mit dem der Captain seine Langeweile milderte. Der Ausdruck seiner Augen verriet seinen Zynismus und etwas viel Schlimmeres: dass er seine Männer verabscheute. Hakeswill und Morris, dachte Sharpe, als er sie beobachtete, haben sich gesucht und gefunden. Ein grausames, teuflisches Paar.

»Mit meinem Feuerstein ist alles in Ordnung, Sir«, beharrte Sharpe.

Morris hielt den Feuerstein auf der Handfläche. »Sieht für mich wie ein Stückchen Stein aus.«

»Gewöhnlicher Sandstein, Sir«, sagte Hakeswill. »Nur Dreck, der nichts für Mensch und Tier taugt.«

»Darf ich?«, meldete sich eine neue Stimme. Lieutenant William Lawford war abgesessen, um sich zu Morris zu gesellen, und jetzt, ohne auf die Erlaubnis des Captains zu warten, griff er hinüber und nahm den Feuerstein von Morris’ Handfläche. Lawford war wieder rot geworden. Er staunte über seine Frechheit bei diesem Eingreifen. »Das lässt sich leicht überprüfen, Sir«, sagte er nervös, dann zog er seine Pistole und rieb den Feuerstein über den Stahl. Selbst im strahlenden Sonnenschein war deutlich ein Funken zu sehen. »Scheint mir ein guter Feuerstein zu sein, Sir«, sagte Lawford milde.

Ensign Fitzgerald, der hinter Lawford stand, grinste Sharpe verschwörerisch zu.

»Ein perfekt guter Feuerstein«, sagte Lawford mit größerem Selbstvertrauen.

Morris starrte Hakeswill wütend an, machte dann auf dem Absatz kehrt und schritt zu seinem Pferd zurück.

Lawford warf Sharpe den Feuerstein zu. »Machen Sie Ihre Waffe bereit, Sharpe«, sagte er.

»Jawohl, Sir. Danke, Sir.«

Lawford und Fitzgerald gingen davon, als Hakeswill, gedemütigt, Sharpe die Muskete in die Hände drückte. »Bist ein cleverer Bastard, Sharpie, nicht wahr?«

»Ich muss das Leder ebenfalls haben, Sergeant«, sagte Sharpe, und als er den Feuerstein wieder in das Lederpolster eingepasst hatte, rief er hinter Hakeswill her, der sich angeschickt hatte, fortzugehen: »Sergeant!«

Hakeswill wandte sich um.

»Wollen Sie das hier, Sergeant?«, rief Sharpe. Er nahm ein Steinstückchen aus der Tasche. Er hatte es gefunden, als er das Tuch vom Schloss der Muskete losgebunden und erkannt hatte, dass Hakeswill seinen Feuerstein mit dem gewöhnlichen Stein ersetzt hatte, als er vorgegeben hatte, Sharpes Muskete zu inspizieren. »Ich habe keine Verwendung für dieses Steinchen, Sergeant«, sagte Sharpe. »Hier.« Er warf den Stein zu Hakeswill, der ihn ignorierte. Der Sergeant spuckte stattdessen aus und wandte sich wieder um.

»Danke, Tom«, sagte Sharpe, denn es war Garrard gewesen, der ihm mit einem Ersatz-Feuerstein ausgeholfen hatte.

»Es lohnt sich, in der Armee zu sein, um so etwas zu erleben«, sagte Garrard, und alle Männer ringsum lachten, weil sie mitbekommen hatten, wie Hakeswill und Morris besiegt worden waren.

»Augen geradeaus, Jungs!«, rief Ensign Fitzgerald. Der irische Fähnrich war der jüngste Offizier in der Kompanie, doch er hatte das Selbstvertrauen eines viel älteren Mannes. »Wir haben etwas Schießen zu erledigen.«

Sharpe schob sich in seine Reihe zurück. Er überprüfte, dass der Feuerstein richtig in der Muskete saß. Als er aufblickte, sah er, dass die Masse des Feindes nur noch etwa hundert Schritte entfernt war. Sie schrien rhythmisch und verstummten gelegentlich zwischen einem Trommelwirbel, doch das lauteste Geräusch war das Stampfen ihrer Schritte auf der trockenen Erde.

Sharpe versuchte die Zahl der vorderen Reihe der Kolonne zu zählen, doch er geriet schnell durcheinander, als feindliche Offiziere durch die Kolonne hin und her wuselten. Es mussten Tausende von Tigersoldaten sein, die alle marschierten, um wie ein großer Schmiedehammer in die zwei Reihen starke Linie der Rotröcke zu schlagen.

»Als wollten sie durch uns hindurchmarschieren«, sagte ein Mann nervös.

»Wartet, Jungs, wartet!«, sagte Sergeant Green.

Der Feind füllte jetzt die Landschaft voraus. Er kam in einer Kolonne aus sechzig Reihen von fünfzig Männern, dreitausend insgesamt, und sie wirkten auf Sharpe wie zehnmal so viel.

Keiner von den Männern Tippus feuerte beim Vorrücken. Bei den feindlichen Musketen waren die Bajonette aufgepflanzt, und die Offiziere hielten ihre stark gekrümmten Säbel nach vorne gerichtet. Immer näher kamen sie, und die feindliche Formation schien für Sharpe, der die Kolonne von links der Linie beobachtete, sodass er ihre Flanke sehen konnte, unaufhaltsam zu sein wie ein schwer beladener Farmwagen, der langsam und unerbittlich auf einen schwachen Zaun zurollte.

Er konnte jetzt die Gesichter der Feinde sehen. Sie waren dunkelhäutig mit schwarzen Schnurrbärten und sonderbar weißen Zähnen. Die Tigermänner waren nahe, so nahe, und ihre Sprechchöre begannen sich in individuelle Kriegsschreie aufzulösen. Sharpe dachte: Jeden Augenblick fällt die Kolonne in Laufschritt und greift mit gesenkten Bajonetten an.

»Dreiunddreißigstes!«, ertönte Colonel Wellesleys Stimme scharf unterhalb der Regimentsfahnen. »Bereit machen!«

Sharpe schob seinen rechten Fuß hinter seinen linken, sodass sich sein Körper halb nach rechts drehte, hob seine Muskete senkrecht in Augenhöhe und spannte den Hahn. Das Klicken war irgendwie beruhigend.

Der heranmarschierende Feind hatte den Eindruck, als hätte sich die gesamte britische Linie halb gedreht, und die plötzliche Bewegung der Männer, die so stumm gewartet hatten, hemmte für einen Moment ihren Eifer.

Oberhalb der Tigersoldaten von Maisur, unter einer Gruppe Fahnen auf dem Höhenrücken, wo die Geschütze abgefeuert wurden, beobachtete eine Reitergruppe die Kolonne.

Ist Tippu persönlich dort?, fragte sich Sharpe. Und träumt Tippu, dass er eines Tages dreieinhalbtausend britische und indische Soldaten besiegt und sie in seine Hauptstadt Seringapatam in Gefangenschaft führt?

Die Hurraschreie der Angreifer erfüllten jetzt die Luft, doch immer noch war Colonel Wellesleys Stimme über dem Lärm zu hören. »Legt an!«

Siebenhundert Musketen wurden an siebenhundert Schultern gehoben und auf die Spitze der Kolonne gerichtet, bereit, siebenhundert Unzen Blei auf die führenden Reihen der schnell marschierenden, selbstsicheren Masse zu feuern, die geradenwegs auf die britischen Fahnen zustrebte, bei denen Colonel Wellesley wartete.

Die Tigermänner beeilten sich jetzt, und ihre vordere Reihe brach auseinander, als sie zu rennen begann. Der Wagen war kurz davor, den Zaun zu durchbrechen.

Arthur Wellesley hatte sechs Jahre lang auf diesen Moment gewartet. Er war neunundzwanzig Jahre alt und hatte schon befürchtet, dass er nie eine Schlacht sehen würde, doch jetzt endlich würde er feststellen, ob er und sein Regiment kämpfen konnten, und so holte er tief Luft, um den Befehl zu schreien, mit dem die Schlacht beginnen würde.

Colonel Jean Gudin seufzte und fächerte sich Luft ins Gesicht, zum tausendsten Mal in der letzten Stunde, um die Fliegen zu verscheuchen. Er mochte Indien, doch er hasste Fliegen, was es ihm schwer machte, Indien zu mögen, doch alles in allem, trotz der Fliegen, mochte er Indien sehr. Er liebte es nicht so sehr wie seine heimatliche Provence, doch wo auf der Erde war es schöner als in der Provence?

»Hoheit?«, erlaubte er sich zu fragen und wartete, während sein Dolmetscher sich bemühte, die Aufmerksamkeit Tippus zu gewinnen. Der Dolmetscher übersetzte Gudins Französisch in Tippus Persisch.

Tippu verstand etwas Französisch, und er sprach die Sprache gut genug, doch er zog Persisch vor, denn es erinnerte ihn daran, dass sein Stammbaum bis auf die großen persischen Dynastien zurückging. Tippu fühlte sich immer den dunkelhäutigeren Eingeborenen von Maisur überlegen. Er war ein Moslem, er war ein Perser und Herrscher, während sie größtenteils Hindus waren, und sie alle, ob reich oder arm, groß oder klein, seine ergebenen Untertanen waren.

»Hoheit?«, versuchte es Colonel Gudin aufs Neue.

»Colonel?« Tippu war ein kleiner, rundlicher Mann mit Schnurrbart, großen Augen und vorspringender Nase. Sein Aussehen war nicht beeindruckend, doch Gudin wusste, dass das wenig anziehende Äußere Tippus einen entschlossenen Geist und ein tapferes Herz verbarg.

Obwohl Tippu Gudin zur Kenntnis nahm, drehte er sich nicht um, um ihn anzusehen. Stattdessen neigte er sich im Sattel vor, mit einer Hand auf dem Tigergriff seines gekrümmten Säbels, während er beobachtete, wie seine Infanterie gegen die ungläubigen Briten marschierte.

Der Säbel hing an einer Seidenschärpe über der blassgelben Seidenjacke, die er zu seiner Chintzhose trug. Sein Turban war aus roter Seide und mit einem goldenen Abzeichen befestigt, das eine Tiermaske zeigte.

Die gesamte Ausrüstung Tippus war mit dem Tiger verziert, denn der Tiger war sein Talisman und seine Inspiration, doch das Abzeichen auf seinem Turban zeigte auch seine Verehrung für Allah, denn das Gesicht des fauchenden Tigers wurde aus kunstvollen Lettern gebildet, aus denen man einen Vers des Korans formen konnte: »Der Löwe Gottes ist der Eroberer.« Darüber, angeheftet an die kurze weiße Feder des Turbans, funkelte ein Rubin von der Größe eines Taubeneis im Sonnenschein des Tages.

»Colonel?«, sagte Tippu von Neuem.

»Es wäre klug, Hoheit«, sagte Gudin zögernd, »wenn wir die Kanonen und Kavallerie an die britische Flanke vorrücken lassen würden.« Gudin wies zum 33. Regiment, das in seiner dünnen roten Linie auf den Angriff der Kolonne von Tippus Truppen wartete. Wenn Tippu eine Flanke dieser zerbrechlichen Linie mit Kavallerie bedrohte, würde das britische Regiment gezwungen sein, ein Karree zu formieren und somit drei Viertel seiner Musketen eine Chance nehmen, auf die Kolonne zu feuern.

Tippu schüttelte den Kopf. »Wir werden diesen Abschaum mit unserer Infanterie hinwegfegen, Gudin, und dann die Kavallerie gegen die Bagage einsetzen.« Er ließ den Griff seines Säbels los, um flüchtig seine Finger zu reiben. »Und Allah erfreuen.«

»Und wenn sich Allah nicht freut?«, fragte Gudin. Er hoffte, dass sein Dolmetscher diese unverschämte Frage in etwas für den Sultan Akzeptableres übersetzen würde.

»Dann werden wir sie von den Mauern von Seringapatam aus besiegen«, antwortete Tippu und wandte sich kurz von der Beobachtung der Schlachtvorbereitungen ab, um Colonel Gudin zuzulächeln. Es war kein freundschaftliches Lächeln, sondern eine barbarische Grimasse der Vorfreude. »Wir werden sie mit der Kanone vernichten, Colonel«, fuhr Tippu genüsslich fort, »und sie zerschmettern, und in ein paar Wochen wird der Monsun ihre Überlebenden wegschwemmen und danach, wenn es Allah gefällt, werden wir flüchtende Engländer von hier bis zum Meer jagen.«

»Wenn es Allah gefällt«, sagte Gudin resigniert. Offiziell war er ein Berater des Sultans, geschickt vom Direktorium in Paris, um zu helfen, dass Maisur die Briten besiegte, und der geduldige Gudin hatte sein Bestes getan, um einen Rat zu geben. Es war nicht seine Schuld, wenn dieser in den Wind geschlagen wurde.

Er rieb Fliegen von seinem Gesicht und beobachtete, wie die Männer des 33. Regiments ihre Musketen anlegten. Wenn diese Musketen krachen, dachte der Franzose, wird die Front von Tippus Kolonne zusammenbrechen wie eine Honigwabe unter dem Schlag eines Hammers. Doch das Gemetzel würde Tippu wenigstens lehren, dass Schlachten nicht gegen disziplinierte Truppen gewonnen werden konnten, wenn nicht jede Waffe gegen sie genutzt wurde: Kavallerie, die sie zwang, sich zum Schutz eng zusammenzuschließen, dann Artillerie und Infanterie, um in die massierten Reihen zu feuern.

Tippu wusste das sicherlich, doch er hatte darauf bestanden, seine dreitausend Infanteristen ohne Kavallerieunterstützung in die Schlacht zu schicken, und Gudin konnte nur annehmen, dass er entweder glaubte, dass Allah an diesem Nachmittag auf seiner Seite kämpfte, oder er war so von seinem berühmten Sieg vor siebzehn Jahren über die Briten berauscht, dass er glaubte, sie immer in einem offenen Kampf schlagen zu können.

Gudin schlug wieder nach den Fliegen. Es ist an der Zeit, heimzukehren, dachte er. Sosehr er Indien auch mochte, er war frustriert. Er argwöhnte, dass die Regierung in Paris seine Existenz vergessen hatte, und es war ihm nur zu deutlich bewusst, dass Tippu nicht empfänglich für seinen Rat war.

Er gab ihm daran nicht die Schuld. Paris hatte so viele Versprechungen gegeben, doch keine französische Armee war gekommen, um für Maisur zu kämpfen. Gudin spürte Tippus Enttäuschung und hatte sogar Mitgefühl mit ihm, während Gudin sich selbst nutzlos und verlassen fühlte.

Einige seiner Altersgenossen waren bereits General. Selbst der kleine Bonaparte, ein Korse, den Gudin flüchtig in Toulon kennen gelernt hatte, kommandierte jetzt eine eigene Armee, während Jean Gudin im fernen Maisur gestrandet war, was für ihn den Sieg umso wichtiger machte.

Wenn die Briten nicht hier aufgerieben wurden, dann würden sie mit der massierten Artillerie und den Raketen besiegt werden müssen, die die Mauern von Seringapatam schützten. Dort wartete auch Gudins kleines Bataillon aus europäischen Soldaten, und er nahm an, dass dieser Feldzug in Seringapatam entschieden werden würde. Und wenn es den Sieg gab und die Briten aus dem südlichen Indien hinausgeworfen wurden, dann würde Gudins Belohnung sicherlich die Rückkehr nach Frankreich sein. In der Heimat waren die Fliegen keine solche Plage.

Das feindliche Regiment wartete mit gehobenen Musketen. Tippus Männer schrien Hurra und griffen ungestüm an. Tippu neigte sich vor und biss sich unbewusst auf die Unterlippe, während er auf den Zusammenprall wartete.

Gudin fragte sich, ob seine Frau in Seringapatam die Provence oder ob die Provence sie lieben würde. Oder vielleicht war es an der Zeit für eine neue Frau. Er seufzte, schlug nach Fliegen, und dann erschauerte er.

Denn unterhalb von ihm hatte das Töten begonnen.

»Feuer!«, schrie Colonel Wellesley.

Siebenhundert Männer betätigten den Abzug, und siebenhundert Feuersteine schlugen auf die Batterien. Die Funken entzündeten das Pulver in den Pfannen, es folgte eine kurze Pause, und dann entluden sich siebenhundert Musketen in einem gewaltigen Donnerknall.

Der Kolben der Waffe schlug gegen Sharpes Schulter. Er hatte auf einen Offizier gezielt, der die feindliche Kolonne befehligte, obwohl es selbst auf sechzig Yards Schussweite kaum wert war, mit einer Muskete genau zu zielen, denn es war eine erschreckend ungenaue Waffe. Aber wenn die Kugel tief flog, sollte sie jemanden treffen.