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"Raus aus dem Büro, rein in die Fabrik" Termindruck, Meetings, administrative Tätigkeiten und lästiger E-Mail-Verkehr sind nur einige Gründe, weshalb viele Führungskräfte nicht dort sind, wo sie eigentlich sein sollten – am Ort der Wertschöpfung. In der Produktion. Die Folge: Führung erfolgt vom Büro aus anstatt direkt in der Fabrik. Auf der Strecke bleibt die Produktivität, Abweichungen vom definierten Standard werden nicht erkannt, Probleme nicht nachhaltig gelöst. Das muss nicht so sein, so die Meinung des Autors Remco Peters. In seinem Buch 'Shopfloor Management' präsentiert er seinen Lösungsansatz. Shopfloor Management ist für Peters in erster Linie ein Führungsinstrument. Und wie jedes Instrument ist es nur so gut wie derjenige, der es bedient. Aus diesem Grund steht die Führungskraft als aktiv Ausführender im Zentrum. Um produzierende Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten, darf Führung nicht vom Büro aus erfolgen. Sie muss direkt in der Fabrik stattfinden. Nur dann lässt sich eine höhere Produktivität erzielen. Mit dem Rückenwind zahlreicher Umsetzungsprojekte knüpft Peters in dieser zweiten aktualisierten Auflage an aktuelle Entwicklungen in der Praxis an. Ein besonderes Highlight ist das Kapitel zum Thema Lean Leadership. Shopfloor Management, davon ist der Autor überzeugt, kann zur Keimzelle eines unternehmensweiten, schlanken Führungssystems werden.
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Seitenzahl: 143
Remco Peters
Shopfloor Management
Führen am Ort der Wertschöpfung
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar unter http://dnb.ddb.de
ISBN 978-3-932298-62-2
Umschlag und Satz:
Fotosatz Sauter, Donzdorf
Covergrafik:
Justina Trefz, Kornwestheim
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
© 2017 LOG_X Verlag GmbH, Stuttgart
eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de
Der Inhalt auf einen Blick
Vorwort
Geleitwort
Kapitel 1Zukunft der Fabriken Auf dem Weg zum ‚Lean Enterprise‘
Kapitel 2Das Bild klar vor Augen Den Zielzustand definieren
Kapitel 3Führungsverhalten als Fundament Die Voraussetzungen schaffen
Kapitel 4Bewährungsprobe im Alltag Umsetzen und lernen
Kapitel 5Eine Frage der Konsequenz Stabilisieren und Nachhaltigkeit sichern
Kapitel 6Zur Exzellenz führen Vom Shopfloor Management zu Lean Leadership
Praxishilfen und Tipps
Der Inhalt im Detail
Vorwort
Geleitwort
Kapitel 1Zukunft der Fabriken Auf dem Weg zum ‚Lean Enterprise‘
1.1 Lean-Konzepte und ihre Evolution
Die Entwicklungsstufen im Zeitraffer
KVP: Keimzelle der Veränderung (Stufe 1)
Produktionssystem: Wirkzusammenhänge erkannt (Stufe 2)
Lean Management: Den Fokus erweitert (Stufe 3)
Lean Enterprise: Das ‚Unternehmen der Zukunft‘ (Stufe 4)
Die Entwicklung ist kein Selbstläufer
Von der Euphorie zur mentalen Stagnation
1.2 Shopfloor Management: Es geht um Befähigung
Das Beste aus zwei Welten
Die Führungskraft als ‚Change Agent‘
Am Ort der Wertschöpfung führen
Was ist Shopfloor Management?
Ein Ausblick: Vorher und nachher
Kapitel 2Das Bild klar vor Augen Den Zielzustand definieren
2.1 Was wollen wir erreichen? Der Zielzustand
Vor Ort führen
Die Produktion rückt wieder in den Mittelpunkt
Abweichungen erkennen
Probleme nachhaltig lösen und vermeiden
Kein Problem ist ein Problem
Probleme lösen statt Symptome beseitigen
Den Ressourceneinsatz optimieren
2.2 „Wie wäre es, wenn…?“ Chancen und Hürden antizipieren
Die Chancen
Die Hürden
Denken in Fürstentümern
Aufs Gaspedal
Fehlerkultur? Fehlanzeige!
„Ist doch nicht meine Aufgabe!“
Der Mensch als Gewohnheitstier
Kapitel 3Führungsverhalten als Fundament Die Voraussetzungen schaffen
3.1 Auf dem Prüfstand Die Führungsmannschaft
Der Managementkreislauf
Ziele setzen
Informieren
Planen und delegieren
Entscheiden
Mitarbeiter fördern und motivieren
Kontrollieren
Führen: Der richtige Mix macht’s
Kommunikative Fähigkeiten stärken
Kooperative Kommunikationsstrategien
Sokratisches Fragen: Auf die Fragetechnik kommt es an
Coaching als Hilfe zur Selbsthilfe
3.2 Mitarbeiter einbeziehen und begeistern Information und Kommunikation
Wollen nicht, sollen aber: Aus Skeptikern begeisterte Promotoren machen
Mitarbeiter einbinden: Mit Leidenschaft überzeugen
Der Einführungsprozess: Vorbereitungen treffen
Kapitel 4Bewährungsprobe im Alltag Umsetzen und lernen
4.1 „Operation Umsetzung“ Die Welt der Methoden
Auf die lernende Grundhaltung kommt es an
Methoden und Instrumente kennen und auswählen
4.2 Schluss mit der Bequemlichkeit Vor Ort führen
Die Shopfloor-Tafel: Betrachtungsumfang festlegen
Der strukturierte Tagesablauf: Absolutes Muss
Besprechungslandschaft definieren
T-Cards: Führungsaufgaben standardisieren
4.3 „Kein Schiff wird kommen…“ Abweichungen erkennen
Standardisierung: Basis für Verbesserung
Visuelles Management: „Auge an Großhirn“
‚Go and see‘: Prozessbeobachtung als Tagesgeschäft
Kennzahlen: Daten für Taten
Wozu werden Kennzahlen benötigt?
Kennzahlen etablieren
4.4 Auf der sicheren Seite Probleme nachhaltig lösen und vermeiden
Der strukturierte Problemlöseprozess: Kompetenz statt Zufall
Wenn die „Fährte noch warm ist“: Das Problem beschreiben
Die Ursachen finden und analysieren
Gegenmaßnahmen treffen und Standards festlegen
‚Weniger ist mehr‘: Startkriterien für den Problemlöseprozess
Mitarbeiter schulen: Alle im Boot
Das A3-Problemlöseblatt: Auf einen Blick
Eskalationskriterien: Unterstützung gefragt
Die entscheidende Voraussetzung: Führungskräfte aktiv einbinden
4.5 Konzentration auf die Wertschöpfung Den Ressourceneinsatz optimieren
Die Ressourcen steuern
Auftragssteuerung mittels Kanban
Auftragssteuerung im indirekten Bereich
Die Ressource Mitarbeiter
Mitarbeiter-Belegung
Mitarbeiter qualifizieren
Mitdenken ist gefordert
Die Ressource Zeit
Fazit
Kapitel 5Eine Frage der Konsequenz Stabilisieren und Nachhaltigkeit sichern
5.1 Hoffnung aufs Finale Erfolgsfaktoren für die Nachhaltigkeit
Kapieren, nicht kopieren
Bei der ‚vor Ort-Präsenz‘ durchhalten
Eine positive Fehlerkultur aufbauen
Die Mitarbeiter überzeugen – nicht überreden
Den Betriebsrat einbinden
Offen kommunizieren
Leuchttürme schaffen
Lernen als Kompetenz
Prävention statt Feuerwehraktionen
5.2 Wie geht es weiter? Fünf Thesen
Die Shopfloor-Tafel als Hightech-Produkt
Führungskräfte werden in eine neue Rolle hineinwachsen
Es wird weniger organisatorischen Zwang geben
Es lohnt sich, heute schon für später zu üben
Wertschöpfungspartner werden unternehmensübergreifend integriert
Kapitel 6Zur Exzellenz führen Vom Shopfloor Management zu Lean Leadership
6.1 Lean Transformation nachhaltig gestalten Die Grenzen von Shopfloor Management
Warum Shopfloor Management nicht ausreicht
Die Vollständigkeit von Führung
6.2 Lean ist mehr als ‚Methoden zur Prozessoptimierung‘ Die Dimensionen von Exzellenz
Prinzipien der Prozessexzellenz
Führungsexzellenz durch Lean Leadership
6.3 Authentisch, konsistent und wirksam Lean Leadership als Erfolgsformel
Die emotionale Grundlage: Werte, Einstellungen und Verhalten
Das Bindeglied: Rollen der Führungskraft
Die rationale Umsetzung: Aufgaben, Methoden und Fähigkeiten
Kleine Führungsspannen: Der Hancho
Routinierte Veränderung: Die Verbesserungs-KATA
Hoshin Kanri oder der Zielentfaltungsprozess
Das Zusammenspiel der Kräfte
Anhang: Praxishilfen und Tipps
Der richtige Mix machts: Verbindlich führen
Checkliste aus Sicht der Führungskraft
Der richtige Mix machts: Partnerschaftlich führen
Checkliste aus Sicht der Führungskraft
Fragetechnik: Tipps und Tricks
Der Einführungsprozess
Shopfloor Management einführen: Bewertungskriterien zur Orientierung
Vor Ort führen
Abweichungen erkennen
Vorwort zur Neuauflage
Als ich 2009 dieses Buch geschrieben habe, standen an dieser Stelle Aussagen, die mir als Lean-Berater in Industrieunternehmen regelmäßig begegnet sind:
Dieses Konzept ist nur was für die Automobilindustrie.
Das haben wir schon versucht.
Unser Unternehmen ist anders.
Das Projekt versandet eh’, das sitze ich aus.
Wieso machen meine Mitarbeiter nie, was ich ihnen sage?
Ich kann nichts delegieren; meine Aufgaben kann kein anderer übernehmen.
Mein Vorgesetzter hat keine Ahnung von dem, was ich hier mache.
Es gibt zu wenig Unterstützung von meinen Vorgesetzten.
Was meine Rolle ist, weiß ich eigentlich gar nicht so genau.
Ich bekomme zu wenige Informationen.
Diese Informationsflut kann ich gar nicht verarbeiten.
Das mit den Standards funktioniert bei uns nicht.
Na klar ist das Problem behoben. Die Maschine läuft doch wieder.
Wer am lautesten schreit, bekommt Hilfe.
Diese Daten müsste es im ERP-System geben, aber die sind meistens nicht aktuell.
Ich laufe ständig mit irgendwelchen Zetteln in der Gegend herum.
Ich weiß morgens nicht, wie der Tag verläuft.
Nach meinem Rundgang durch die Produktion verbringe ich den Rest des Tages am PC.
Dafür haben wir keine Zeit. Wir sitzen den ganzen Tag in Besprechungen.
Mein Verleger hat mich gefragt, ob diese Aussagen noch aktuell seien. Es wird Sie nicht überraschen, dass sie nach sieben Jahren nach wie vor repräsentativ sind. Eine Vielzahl erfolgreicher Umsetzungsprojekte quer durch alle Branchen zeigt: Diese Bedenken sind auf rationaler Ebene einfach aufzulösen. Schwieriger sind die Hürden auf emotionaler Ebene zu überwinden. Aber auch diese sind zu meistern – wenn Sie über das nötige Handwerkszeug verfügen. Wenn Sie wissen möchten, wo und wie Sie in Ihrem Unternehmen erfolgreich ansetzen können, lade ich Sie zum Lesen dieses Buches ein.
Stuttgart, im Dezember 2016
Remco Peters
Geleitwort
Seit der ersten Lektüre von The Machine that Changed the World von James P. Womack und Daniel T. Jones in den 1990er Jahren bin ich mit dem Lean-Virus infiziert. Und nicht nur ich. Viele Unternehmen haben sich seitdem mit der Materie beschäftigt, haben Lean in der Produktion, der Entwicklung und den indirekten Bereichen eingeführt. Mit wechselndem Erfolg, nüchtern betrachtet. Zwar gelang und gelingt es immer wieder relativ schnell, Lösungsinseln und Leuchttürme der Exzellenz zu schaffen, doch bleibt die Transformation des gesamten Unternehmens nicht selten hinter den Erwartungen zurück.
Vergleichen wir die Lean Transformation mit Leistungssport, dann sehe ich viele Parallelen. Zunächst das Fernziel. Eine Vision, die motiviert, anspornt und Orientierung bietet auch im ‚Tal der Tränen‘ – die Teilnahme an der Olympiade in acht Jahren. Die Definition von Meilensteinen und Zwischenzielen im Rahmen einer Roadmap – die Europameisterschaft in vier Jahren. Messwerte und Kennzahlen, um Abweichungen vom Kurs zu verstehen und Aktivitäten abzuleiten – die Videoanalyse, die Stoppuhr oder das Maßband. Lernen und Trainieren außerhalb der ‚Komfortzone‘ – Das ‚Zauberwort‘, das unter Coaches häufig kursiert und wiederholt wird, lautet ‚einschleifen‘, meint: den Rhythmus, die Routinen, feste Abläufe. Alles muss aufeinander abgestimmt sein und automatisch funktionieren. Ohne Coaching und Reflexion ist dies nicht möglich.
Deshalb geht es nach einem Wettkampf bei der Analyse um Fragen wie „Was war gut?“ und „Wo müssen wir uns verbessern?“. Der Effekt: Das Team kann gemeinsam die Erfahrung aus allen Erfolgen, aber auch Misserfolgen, die es gesammelt hat, in das nächste Rennen werfen. Zusammengefasst: es geht um die Steigerung der Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit. Zurück zur Industrie. Aus vielen Projekten wissen wir, dass es insbesondere bei Führungsthemen Nachholbedarf gibt. Dabei haben viele Unternehmen in der Produktion gute Anfänge gemacht und ein funktionierendes Shopfloor Management implementiert. Versteht man dieses Führen am Ort des Geschehens richtig, kann es zur Keimzelle für Lean Leadership werden, das weit über die Produktion hinausgeht.
Aus dieser Sicht ist es folgerichtig, dass Remco Peters die nun vorliegende zweite Auflage seines erfolgreichen Buches um ein Kapitel zu Lean Leadership ergänzt hat. Damit greift er nicht nur die aktuelle Diskussion in den Betrieben auf. Auch wir als führende Lean-Beratung sehen in Lean Leadership und einer ganzheitlichen Lean Transformation wichtige Handlungsfelder für die Zukunft. Eines ist sicher: Beide Themen werden die deutschen Unternehmen in den kommenden Jahren noch stark beschäftigen.
Köngen, im Dezember 2016
Wilhelm Goschy
Kapitel 1:Zukunft der Fabriken Auf dem Weg zum ‚Lean Enterprise‘
„Shopfloor Management baut auf den Erfolgen eines Ganzheitlichen Produktionssystems auf und ergänzt es durch eine aktivere Führung vor Ort. Führungskräfte wieder näher an das Tagesgeschäft heranzubringen ist ein wichtiger und wirksamer Hebel, um die Führungskultur zu verändern.“
1.1 Lean-Konzepte und ihre Evolution
Die Welt des industriellen Managements in Deutschland war bis hinein in die 1980er Jahre weitgehend in Ordnung. Produktionsbetriebe galten per Definition als Systeme mit ganz spezifischen Strukturen, die für ein Optimum in der Beziehung zwischen Input und Output sorgen sollten. Die wesentliche Gestaltungs- und Managementaufgabe bestand darin, eine solche optimale Struktur zu finden und die darin ablaufenden Prozesse zu steuern. Dabei wurde stillschweigend unterstellt, dass es sich um weitestgehend starre Strukturen mit fest verkoppelten und im Idealfall hoch automatisierten Prozessen handelte. Doch dann kam Unruhe in den geordneten Betrieb. Mit der damals so genannten ‚MIT-Studie‘ wühlten die Industrieforscher James P. Womack und Daniel T. Jones Fachwelt und Unternehmenspraxis gleichermaßen auf. Unabhängig davon, wie fundiert oder valide die aus heutiger Sicht doch recht einseitige Studie gewesen sein mag, der Mythos der Überlegenheit japanischer Produktionsmethoden über die des Restes der Welt war geboren und löste eine Entwicklung aus, die bis zum heutigen Tage anhält und noch immer nicht abgeschlossen ist. Die Rede ist von der Entwicklung von Konzepten, die mit dem Schlagwort der ‚Lean Production‘ begann und irgendwann mit der Vision eines ‚Lean Enterprise‘ enden soll. Die Autoren der ‚MIT-Studie‘ sprachen bei deren Veröffentlichung als Buch von einer ‚zweiten Revolution in der Automobilindustrie‘, die mit ihren Entdeckungen begonnen habe – heute, nach mehr als zwanzig Jahren, ist man eher geneigt, von einer ‚Evolution der Konzepte‘ zu sprechen, die sich sichtbar weiterentwickelt und über verschiedenste Industriezweige und Branchen ausgebreitet haben. Bei dieser Entwicklung handelt es sich um einen sehr umfassenden, im Sinne des Wortes globalen Veränderungsprozess industrieller und unternehmerischer Organisationen, der von zwei wesentlichen Kräften getrieben wird: erstens von der Erfordernis, im intensiven weltweiten Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben und zweitens, damit zusammenhängend, von der Fähigkeit, den sprunghaften Veränderungen der Märkte mit organisatorischen Änderungen zu folgen oder diese gar zu antizipieren. Man spricht hier allgemein von der ‚Wandlungsfähigkeit von Produktionsbetrieben‘ und meint damit den evolutionären Prozess, der vom starren, unflexiblen Industriekoloss zur dynamischen, kundenorientierten Fabrik führt.
Der Lean-Ansatz stellt einen möglichen Weg im Entwicklungsbaum dieser Evolution dar. In vielen Ländern, von vielen Forschern, wurden andere Wege und Lösungen entwickelt (z. B. Die fraktale Fabrik, Agile Manufacturing, Bionic Manufacturing), die ‚Lean-Vertreter‘ können jedoch für sich in Anspruch nehmen, dass ihre Konzepte in der industriellen Praxis die bei weitem größte Resonanz gefunden haben. Und dass Womack und Jones die Initialzündung gegeben haben.
Nun ist dieses Buch kein historischer Abriss der industriellen Organisation, aber unser Thema, das ‚Shopfloor Management‘, stellt einen sehr wichtigen Baustein dar, ohne den die Entwicklung hin zu mehr Wettbewerbs- und Wandlungsfähigkeit stagnieren oder sich sogar umkehren würde. Und zwar im Hinblick auf die Veränderung jedes einzelnen Unternehmens von der trägen ‚Produktionsmaschine‘ zur agilen ‚Fabrik der Zukunft‘ oder eben zum ‚Lean Enterprise‘.
Die Entwicklungsstufen im Zeitraffer
Führt man sich die Evolution der Lean-Konzepte aus betrieblicher Sicht bildlich vor Augen, so kann man vier logische Entwicklungsstufen ausmachen (siehe Bild 1-1). Alles begann mit dem Bestreben, einzelne Prozessabschnitte zu verändern und ‚kontinuierlich zu verbessern‘. Der Keim der Veränderung war gelegt, weitere Bausteine und Initiativen folgten, mit der Konsequenz, dass eine Art kreatives Chaos der Methoden entstand, das erst durch ein geordnetes, ganzheitliches Zusammenspiel dieser Methoden nach bestimmten Prinzipien überwunden werden konnte. Das ganzheitliche Produktionssystem war geboren, die zweite Stufe der Evolution erreicht.
Bis auf diese zweite Stufe bezogen sich die Maßnahmen und Methoden praktisch ausschließlich auf die direkt wertschöpfenden Prozesse, die Produktion im engeren Sinne. Weitgehend unberührt blieben zunächst andere Unternehmensprozesse, vor allem aber die höheren Schichten der Organisation, auf denen das stattfindet, was gemeinhin ‚Führung‘ genannt wird. Nun galt und gilt es, um die nächste Stufe des ‚Lean Management‘ zu erreichen, die indirekten Bereiche in den Veränderungsprozess einzubinden und, in den meisten Unternehmen der kritische Punkt, die Produktion aus ihrer Isolation zu befreien und ‚führungsfähig‘ zu machen. Genau dies ist, aus Sicht der Gesamtentwicklung, die Aufgabe von Shopfloor Management. Die Produktion muss in die Lage versetzt werden, im Sinne der strategischen Unternehmensziele geführt zu werden – und sich gleichzeitig im Sinne der operativen Bereichsziele selbst zu führen. Und zwar so, dass kein mächtiger administrativer Apparat notwendig wird, sondern die Fähigkeiten zur Selbstorganisation gefördert werden.
Die Evolutionsstufe des ‚Lean Management‘ benötigt also als notwendigen Bestandteil für die weitere Entwicklung das Shopfloor Management. Letzteres wird damit zum ‚Missing Link‘ für die Unternehmen, die mit der Höherentwicklung bisher gescheitert sind. Das liegt nicht nur mit Blick auf den Evolutionsbaum nahe, sondern ergibt sich sogar zwingend aus dem Wesen organisatorischer Veränderungsprozesse, von denen später noch die Rede sein wird.
Bild 1-1: Die vier Stufen der ‚Evolution‘
Die letzte Stufe der Entwicklung ist, wie gesagt, die Vision des Unternehmens der Zukunft, des Lean Enterprise oder, ganz lapidar, des Unternehmens mit Zukunft.
KVP: Keimzelle der Veränderung (Stufe 1)
In vielen Produktionsbetrieben in Europa begann das ‚Abenteuer Lean‘ damit, dass ein so genannter Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) installiert wurde. Dieser zielt darauf ab, Prozesse ständig in kleinen Schritten zu verbessern, d. h. zu verändern. Im Fokus stand die Einbindung der Mitarbeiter in den Verbesserungsprozess. Die Mitarbeiter sind Träger des KVP, die Verbesserungen in ihrem Arbeitsbereich selbst anregen, planen und idealerweise selbst umsetzen. Damit sind auch die Grenzen dieser anfänglichen Ausprägung des KVP benannt. Er bezieht sich primär auf einzelne Arbeitsbereiche, der Fokus ist nicht auf das Gesamtsystem Produktion ausgerichtet, die Wirkung damit zwangsläufig begrenzt.
Produktionssystem: Wirkzusammenhänge erkannt (Stufe 2)
Von einem Produktionssystem spricht man allgemein dann, wenn die Wertschöpfung eines Unternehmens nach den wichtigsten Lean-Prinzipien ausgerichtet und von einem System an Methoden zielgerichtet unterstützt wird. In der Literatur und vielfach auch in der Praxis haben sich folgende grundsätzliche Prinzipien durchgesetzt: 1. Wert schaffen; 2. Wertströme identifizieren; 3. Fließprinzip befolgen; 4. Ziehprinzip installieren; 5. Perfektion anstreben.
Abhängig von der Erfahrung der Experten und vor allem der Führungskräfte, begann man schnell, nach der Einführung des Produktionssystems das Wirkungsgefüge der Methoden zu verstehen und erkannte den Einfluss, den eine Methode auf die andere ausübt. Man musste lernen, die einzelnen Methoden wie einzelne Zahnräder in einem Getriebe aufeinander wirken zu lassen. Ließ man ein Zahnrad innerhalb des Getriebes weg, funktionierte das gesamte System nicht mehr. Als treibende Kraft kann hier die von Mike Rother in seinem Buch ‚Sehen lernen‘ publizierte Methode genannt werden. Mit Hilfe der Wertstromanalyse werden Abläufe ‚von Rampe zu Rampe‘ transparent gemacht, mit Hilfe des Wertstromdesigns werden die geeigneten Methoden zur ganzheitlichen Verbesserung ausgewählt.
Indem die Optimierungsaktivitäten durch ganzheitliche Produktionssysteme systematisiert wurden, konnte ein besseres Verständnis über den logischen Zusammenhang, den Wirkzusammenhang zwischen den einzelnen Lean-Methoden erreicht werden. Gleichzeitig gelang es, die Zusammenhänge von aufeinander aufbauenden Optimierungsmaßnahmen gedanklich besser zu durchdringen. Ein Beispiel: Wenn Sie in Ihrem Unternehmen Ihre Durchlaufzeit reduzieren möchten und hierfür ein Kanban-System implementieren, müssen Sie ggf. zunächst einmal Ihre Rüstzeiten reduzieren.
Je mehr wir uns mit dem Thema ‚Lean‘ beschäftigen, desto mehr festigt sich in uns die Überzeugung, dass die Entwicklung von Produktionssystemen häufig einseitig angegangen wurde, nämlich zu sehr von Seiten der Methoden. Die Einbindung von Führungskräften und das dazugehörige Führungsverhalten wurden nicht genügend berücksichtigt. Denn Sie müssen Mitarbeiter einbinden und dafür sorgen, dass die Notwendigkeit von Veränderungen bei den Mitarbeitern auch ankommt und akzeptiert wird.
Lean Management: Den Fokus erweitert (Stufe 3)