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Silva, ein Nephilim - halb Mensch, halb Engel - wacht seit tausend Jahren über das Leben seines alten Meisters. Eines Tages trifft er auf den jungen Pegaso, der, schwer verwundet, in Silvas Leben buchstäblich hineingetragen wird. Doch nicht schlimm genug, dass der quirlige Blondschopf fortan das gewohnte Leben des Wächters gehörig durcheinanderbringt, es droht zudem ein Unheil aus den eigenen Reihen das Schicksal aller Nephilim ins Verderben zu stürzen. Silva findet sich bald in der Situation wieder, mehr als seinen alten Meister beschützen zu müssen. "Ein bisschen Mystik, ein bisschen Magie, ein bisschen Humor und viel Herz... und wenn du magst, werter Freund, dann lausche dieser Geschichte, meiner Geschichte ..." (Silva) Silva - Geschichte eines Nephilim ist der erste Teil von Silvas Geschichte. Silvas Geschichte umfasst vier Bände.
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Seitenzahl: 853
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„Silva, ein Wächter, ein Nephilim - halb Mensch, halb Engel - wacht seit über tausend Jahren an der Seite seines alten Meisters. Eines Tages trifft er auf den jungen Pegaso, der schwer verwundet in Silvas Leben buchstäblich hineingetragen wird. Doch nicht nur schlimm genug, dass der quirlige Blondschopf fortan das gewohnte Leben des Wächters gehörig durcheinanderbringt, es droht zudem auch ein Unheil aus den eigenen Reihen das Schicksal aller ins Verderben zu stürzen.
Silva findet sich bald in der Situation, nicht nur seinen alten Meister, sondern auch den Jungen beschützen zu müssen, während alles um ihn herum zu zerbrechen droht …“
… und die schreibende Hand
Vor vielen Jahren schon beginnt diese gemeinsame und zugleich wundersame Reise. Damals noch in unbewussten Traumkontakten.
Im Jahr 2002 zieht die Schreiberin nach Koblenz am Rhein, wo sie lebt und arbeitet und u.a. eine Ausbildung in mentalem Arbeiten absolviert. Diese Ausbildung ermöglicht ihr 2011, bewusst Kontakt zu Silva herzustellen und das Aufschreiben von Silvas Geschichte zu beginnen.
An die Jahre in Koblenz schließt sich eine weitere schöne Station rheinischen Wohnens, Lebens und Schaffens an. In Oedingen bei Remagen ist die Schreiberin fünf Jahre lang heimisch und genießt mit Freunden, Katzen und anderen Liebgewonnenen die Wildheit des sagenumwobenen Mittelrheintals.
Derzeit, 2019, lebt und wirkt sie in Quierschied, Saarland, ihrer gebürtigen Heimatregion. „Früa odda späda kommen se all widda hemm“, sagt man da.
Stimmt! :-)
Für Silva, meinen (Halb-) Engel …
(K.C.)
„Hallo Mensch!“,
erklang eine Stimme vor meinen inneren Sinnen, und zwei Augen blickten mich an. Grau, mit kleinen, silbernen Sprenkeln darin. Wehmut lag in ihnen und eine alte, tiefe Traurigkeit.
Ich kannte diese Augen gut. Erzählten sie mir doch seit nunmehr sechzehn Jahren beinahe jede Nacht einen Teil ihrer Geschichte.
„Ich habe eine Bitte an dich“, erklang die Stimme weiter, und der Ausdruck in den Augen veränderte sich. Die Wehmut verschwand, und an ihre Stelle trat ein Funkeln, das an Abenteuerlust erinnerte. Die Ränder der Augen zogen sich zu einem fast unmerklichen Lächeln zusammen und hinterließen kleine Falten an den äußeren Seiten der Lider.
„Schreib meine Geschichte für mich auf“, bat die Stimme. „Würdest du das tun? Mit einem Stift und mit Papier. Mit ganz realen Dingen in deiner ganz realen Menschenwelt.“
Ich zog beide Brauen nach oben und staunte nicht schlecht über diese ungewöhnliche Bitte.
Das Lächeln in den grauen Augen mit den silbernen Sprenkeln wurde breiter, fröhlicher.
Das gefiel mir. Unwillkürlich lächelte ich zurück.
Ich wollte, dass sie so blieben, diese Augen. So freudig und strahlend und voller Lebenslust. So, wie sie jetzt waren. Ich wollte, dass die Wehmut aus ihnen für immer verschwand.
Ich versprach es.
Drei Wochen später hatte ich meine Zeit so eingeteilt, dass das Aufschreiben der Geschichte beginnen konnte.
Das Wesen, das zu den grauen Augen gehörte, saß geistig anwesend neben mir. Seine Energie hinterließ beinahe einen Abdruck auf meinem Sofakissen. Er verschränkte die Finger ineinander, drehte die Handflächen nach außen und streckte sich ausgiebig. Ich konnte nicht körperlich anwesende Gelenke vor meinen inneren Sinnen knacken hören. Die Augen blickten erwartungsvoll auf ein uraltes, fast noch weißes iBook, das vor uns stand und als Schreibgerät dienen würde.
„Nicht gerade der neuste Stand der Technik, aber wesentlich besser als Stift und Papier“, legte ich ihm schmunzelnd nahe.
„Dann mal los“, sagte die Stimme entschlossen. „Ich rede, und du schreibst …“
Koblenz am Rhein, Montag 14. November im Erdenjahr 2011 n. Chr.
Einleitende Worte
Am Anfang
Mittendrin
Kapitel:
Tee und Tränen
Kapitel:
Die Befreiung
Kapitel:
Pegasos Bann
Kapitel:
Erinnerungen
Kapitel:
Zwischenzeitlich
Kapitel:
Verräter
Kapitel:
Dunkle Wolken
Kapitel:
Heimreise
Kapitel:
Alte Neue Welt
Kapitel:
Innere Angelegenheiten
Kapitel:
Der Jäger und die Jagd
Kapitel:
Am Abgrund
Nachwort
Hier sind wir also. Mittendrin. Zwischen den Zeiten, zwischen den Welten, zwischen den Arten, mitten zwischen Euch.
In einem irrsinnigen Taumel aus Macht, Bestimmung, Schicksal und dem unausweichlichen Fortschreiten der Zeit reißt es uns, einem Strudel gleich, umher. Mal hier hin, mal dort hin, immer tiefer dem eigentlichen Ziel entgegen: dem Ende.
Es gab Tage, da sehnte ich mich inbrünstig nach diesem Ende. Ich wünschte mir nichts mehr, als angekommen zu sein. An meinem Ziel. In Erfüllung meiner Aufgabe. Unserer aller Aufgabe: dem Niederschreiben der Zeit und der damit verbundenen, geschichtlichen Ereignisse der Welten.
Ihr glaubt, es gibt nur Eure?
Das ist ein Irrtum. Es gibt unzählige Welten.
Viele davon habe ich mit eigenen Augen gesehen. Aber die meisten kenne auch ich nur aus den Erzählungen meiner Artverwandten.
Wir sind Geschichtsschreiber. Das ist unser Lebenssinn. Wir dokumentieren. Alles. Über die Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende hinweg.
Die Ältesten meiner Art werden an die fünftausend Jahre alt. Von ihnen leben nur noch wenige. Aber ihr Wissen um die Welten und Zeiten ist gigantisch.
Nun, ich muss gestehen, dass ich selbst eigentlich gar kein Schreiber bin. Ich bin auch im Erzählen von Geschichten nicht besonders geschickt. Es gibt wesentlich Wortgewandtere als mich. Meine eigentliche Aufgabe war das Beschützen eines alten Schreibers. Ich bin Wächter. Oder zumindest war ich es einmal.
Mein Name ist Silva, und ich denke, es ist an der Zeit, den alten Verpflichtungen meines Volkes nachzukommen: Ich schreibe die Geschichte meines Lebens auf.
Aber ich muss Euch warnen. Sie ist nicht immer schön, diese Geschichte. Es gibt viele dunkle Stellen darin, und es hilft auch nicht, ein wenig Licht in sie hineinzubringen. Sie bleiben so düster, wie sie sind. Ich werde also ehrlich sein und auch schonungslos. Denn das ist mein Leben. So war es bisher, und so will ich es Euch auch zeigen. Ich lege meine dunkelsten Lebenszeiten offen vor Euch hin und tue das aus diesem Grund: weil sie zu mir gehören. Weil sie ein Teil von mir sind. Das habe ich nach scheinbar endlos langer Zeit letztendlich doch akzeptieren müssen.
Hört mich also an, und wenn Ihr wollt, dann lest meine Geschichte mit Mitgefühl in Eurem Herzen. Denn das ist es, was wir zurzeit dringender brauchen als alles andere.
Wir, die Nephilim.
Beginnen wir aber nun am Anfang. Der Geburt unserer Art. Ich könnte mir vorstellen, dass Ihr Euch die Frage nach unserer Herkunft stellt. Daher möchte ich Euch gerne erklären, wie und warum unsere Art entstand.
Faun Nakura. Er war einer der Ersten. Zu wissen, woher wir stammen, haben wir seinen Aufzeichnungen zu verdanken. Bis zu unserer Geburtsstunde hat er sich zurückgewagt. Hat geforscht, erkundet und alle Leiden und Freuden, die ihm auferlegt wurden, auf seiner Reise nach Wissen, still erduldet.
Manche sagen, er sei am Ende seines Lebens verrückt geworden, weil er seinen Tod dem Wunsch zu verdanken hatte, seine eigene Seele mit der eines Planeten vereinen zu wollen.
Andere sagen, er sei am Ende seines Lebens glücklich geworden, weil er es geschafft habe, sich seinen letzten Wunsch zu erfüllen und seine Seele mit der eines Planeten zu vereinen, nämlich mit der Natur Nakuras. Er hat für dieses letzte Wissen um das Leben eines Planeten sein eigenes gegeben.
Wie auch immer.
Ich denke, er lebt in uns allen weiter. Weil sein Wissen in uns allen weiterlebt. Aber seine Seele ist jetzt zu Hause. In Mirage Nakura, seiner Heimat. Einer wundervollen Welt, einem Wanderer zwischen Zeit und Raum.
Faun hat unsere Herkunft erkundet und uns alles, was es darüber zu wissen gibt, in hilf- und detailreichen Geschichten hinterlassen. Von ihm wissen wir, dass die Nephilim Mischwesen sind. Zur einen Hälfte stammen wir von den Seraphen ab, Engel, die eine menschenähnliche Gestalt annehmen können, und zur anderen von den Menschen selbst.
Die Seraphen waren machtvolle Wächter und Lenker. Sie wachten über die Zeitgeschichte einer Welt, eines Volkes oder einer Epoche. In sehr seltenen Fällen wachten sie über einzelne, bestimmte Personen oder Ereignisse, aber ihr eigentliches Anliegen galt der gesamten universalen Ordnung, dem Kosmos.
Sie lebten auf vielen Planeten. Hier und da griffen sie ein, wenn es nötig war. Sie waren allwissend. Ihre Aufgabe war es, den ursprünglichen Lauf der Zeit zu schützen und, wenn nötig, auch zu lenken.
Die Menschen würden sagen, sie waren diejenigen, die Gott, der Quelle oder wie auch immer Ihr den Ursprung nennt, am nächsten standen. Sie überblickten alles.
Wo auch immer sie waren, ihre Materie war von Licht durchdrungen. Ihre Augen waren fesselnd und von abgrundtiefer Schönheit. Wenn sie jemanden ansahen, so änderte das alles.
Aber sie handelten natürlich nicht im Sinne der Menschen und Wesen, in deren Welt und Zeit sie eingriffen, und so kam es, dass die Seraphen für sehr lange Zeit nicht als Lichtwesen, sondern vor allem als Monster gesehen wurden. Viele Nicht-Wissende fingen an, Jagd auf sie zu machen, wenn einer der Seraphen ihre persönlichen Pläne durchkreuzte, weil er sich erdreistete, das kosmische Schicksal einem einzelnen vorzuziehen.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nicht weiß, ob ich nicht genauso gehandelt hätte, wäre ich nicht einer ihrer Söhne.
So kam es, dass die Seraphen bei den Unwissenden keinen guten Stand hatten. Sie galten als gefährlich. Man sagte, dass einem die Augen erblinden würden, würde man einen Seraphen ansehen.
Diese Angst ist bis heute existent, aber absolut widersinnig. Sie sind machtvolle Lenker, die jedes Leben an seinen Platz in der Ordnung erinnern. Ihr Licht lässt erkennen, nicht erblinden!
In Eurer Welt heißen sie Seraphim.
Die meisten Seraphen waren interessanterweise „weiblichen“ Geschlechts, wenn sie einen Körper wählten. Solange sie mit diesem Körper auf einer Welt lebten, mussten sie alle Vorteile und Nachteile erdulden, welche diese Welt mit sich brachte. Sie waren absolut integriert in die sie umgebende Materie.
Ihr Vorteil war: Sie konnten Dinge anfassen und bewegen und hatten somit vollen Zugriff auf das, was sie umgab. Im Gegensatz zu körperlosen Wesen waren sie daher nicht auf die geistige Erlaubnis eines Wesens oder auch eines Volkes angewiesen, um in das Leben dieses Wesens oder Volkes, zum Wohle der Welten, eingreifen zu können.
Vielleicht könnt Ihr erahnen, welche unglaubliche Macht sie damit besaßen und auch, warum sie so gefürchtet wurden.
Ihr Nachteil war: Sie litten Hunger, Durst und empfanden sowohl Lust als auch Leid. Alles, was Ihr als Menschen kennt, war ihnen ebenfalls zu eigen. Sie empfanden Liebe und Zuneigung, Hass, Neid und Zorn. Außerdem waren ihre Körper sterblich. Wurden sie getötet, war es ihnen nicht mehr möglich, ihrer Aufgabe nachzukommen.
Da sie im Laufe der Zeiten weitaus mehr gefürchtet als geliebt wurden, nahmen die Verfolgungen und Tötungen immer mehr zu.
Die Seraphen mussten sich daher etwas einfallen lassen, das ihr Leben schützte, sodass sie ihren Aufgaben weiterhin nachgehen konnten.
Da sie einen Körper besaßen, war es ihnen möglich, sich mit anderen Arten zu vereinen und Nachkommen zu zeugen. Warum sie dies taten, blieb mir lange Zeit verborgen. Ich habe mich das oft gefragt.
Warum haben sie uns erschaffen?
Aus Faun Nakuras Aufzeichnungen weiß ich, dass sie ihr Wissen und ihre Macht in Liebe an uns weitergaben und mit der Macht auch die Verantwortung, Sorge zu tragen, dass die Harmonie und Entwicklung der Welten aufrechterhalten bleibt.
Sie schufen sich ihre eigenen Wächter und Diener.
In jeder jemals existierenden Art gibt es Einkreuzungen von Seraphen. Eine Seraphin wählte einen Helfer aus. Jemand, dem sie vertraute. Sie ließ sich von ihm ein Kind seiner Art zeugen, das mehr Wissen besaß als die anderen. Es war aber im Unterbewusstsein auch an seine Mutter gebunden. Dieses Kind konnte in der Gesellschaft leben, ohne erkannt zu werden, und von dort aus die Arbeit der Seraphin unterstützen.
So vereinten sich viele Seraphen auch mit Menschen und zeugten uns: die Nephilim. Meine Art.
Anfangs waren wir ihre Wächter. Wir schützten das Leben der Seraphen. Aber wir waren auch ihre Diener. Wir bewegten uns in ihrem Auftrag und an ihrer statt innerhalb der Welten und Gesellschaften.
Mit der Zeit ging das Wissen um die Seraphen immer mehr verloren. Da sie im Hintergrund fungierten und nicht mehr so offensichtlich, wie sie das früher taten, brachte niemand mehr Veränderungen und Geschehnisse mit ihnen in Zusammenhang.
Als ihr Leben wieder sicherer wurde, konnten sie sich selbst wieder mehr hervorwagen, ohne gleich um ihren Körper fürchten zu müssen.
Mit der Zeit wurden daher auch unsere Aufgaben als Wächter und Diener zunehmend unwichtiger.
Aber die Seraphen hatten noch einen anderen Auftrag für uns. Da wir, verglichen mit anderen Arten, sehr alt werden, baten sie uns, Zeitgeschehen aufzuzeichnen, und wir kamen ihrer Bitte mit Ehrfurcht und Dankbarkeit nach.
Natürlich gab es und gibt es weiterhin Wächter, so, wie ich, die ihr Leben in den Dienst eines anderen stellen, aber unsere vorrangige Aufgabe ist nun dies: das Aufzeichnen der Zeit.
Allerdings gab es vor rund zweihundert Jahren unserer Zeitrechnung einen Zwischenfall, von dem ich noch berichten werde. Dieses Unglück hat dazu geführt, dass ein großer Teil unserer Aufzeichnungen über uns selbst vernichtet wurde. Sie wurden gelöscht. Nicht nur, was die aktuelle Zeitgeschichte betraf, sondern auch die alten Überlieferungen. Es wurden alte Geschichten sogar umgeschrieben und verändert. Das ganze Ausmaß dieses Unglücks ist uns selbst noch nicht bewusst, aber Fakt ist, dass fast niemand mehr die Wahrheit über unsere Art kennt.
Auf Eurer Erde ist es nicht anders. Ich war doch sehr überrascht, als ich sah, was aus der Wahrheit geworden war.
In einer Eurer Geschichten werden wir als Helden beschrieben. In einer anderen als bösartige Riesen, die alles fressen, was ihnen in den Weg kommt. Ich kann Euch versichern: Wir sind weder das eine noch das andere. Wir sind keine Riesen und auch keine Helden. Auch wenn ich gestehen muss, dass ich Zweites gerne wäre. Aber ich bin es nicht.
Im Grunde bin ich nicht viel anders als Ihr.
Die Nephilim sind Euch ähnlich. Wir sehen aus wie Ihr. Vielleicht empfindet Ihr uns als schön oder interessant oder attraktiv. Vielleicht aber auch nicht. Wir haben gelernt, uns, so gut es geht, anzupassen. Was durchaus zutreffend ist, ist der Glaube und die Tatsache, dass wir machtvoll sind. Das mag sein. Wenn man bedenkt, dass unsere Erinnerungen sehr weit zurückreichen. Wir sind auch ziemlich zäh und unsere Körper besitzen ganz erstaunliche Selbstheilungskräfte.
Einen Nephilim zu töten ist fast unmöglich. Man muss ihm schon den Kopf abschlagen, um sicher zu sein.
Oh, keine Angst, das ist kein Wissen, welches uns noch gefährlich werden könnte. Jetzt nicht mehr.
Diejenigen meiner Art, die noch übrig sind, wurden im Laufe ihrer Zeit wahre Meister darin, ihr Leben zu schützen. Dazu hat uns der „Zwischenfall“ gezwungen, der beinahe ein viertel Jahrtausend lang uns immer tiefer in den Wahnsinn trieb.
Doch zunächst einmal werde ich Euch noch ein bisschen mehr über uns verraten. Und auch über Euch selbst.
Wir sehen also menschlich aus. Wir besitzen zwar Flügel, die wir verbergen können. Aber das tut Ihr auch. Auch wenn Ihr es vielleicht nicht mehr wisst. Wir können unglaublich anziehend und charmant sein und ebenso abstoßend. Aber das könnt Ihr auch. Wir müssen essen. Wir frieren, wenn es kalt ist, können nachts nur sehr begrenzt sehen und die meisten von uns hassen es, alleine zu sein. Wir empfinden Freude, Liebe, Furcht, Angst, Neid, Schmerz. Wir weinen und wir lachen. Wir freuen uns über einen neuen Tag und trauern um einen verlorenen Freund. In all diesen Sachen unterscheiden wir uns nicht in einer einzigen Winzigkeit von Euch.
Aber einen Unterschied gibt es doch, und der ist überlebenswichtig für uns.
So mächtig wir Euch auch erscheinen mögen, ohne Eure Hilfe sterben wir. Denn zum Überleben brauchen wir das Blut anderer Lebewesen. Das kommt daher, dass unser Körper kein eigenes bilden kann. Ohne Blutaustausch verenden wir elendig.
Ich frage mich also, wer hier der Machtvollere ist?
Seid Ihr Euch eigentlich der wundervollen Gabe Eurer Körper bewusst?
Die Menschen sind ausgestattet mit einer kleinen Wundermaschine, die unsereinem fehlt. Euer Körper generiert Euer Blut selbst. Alles, was Ihr esst und trinkt, kann dazu verwendet werden, Blut zu bilden.
Das können wir nicht. Eine Zeit lang können die Nephilim sich untereinander aushelfen, aber irgendwann ist unser Blut verbraucht, und dann sind wir darauf angewiesen, dass andere Lebewesen ihr Leben mit uns teilen.
In den alten Zeiten war es eine Ehre, sein Blut mit einem Nephilim zu teilen. Aber das änderte sich, als das Unglück über uns kam.
Jetzt ist dieser Akt der Hilfe ein Tabu. Kaum ein Wesen bietet uns noch freiwillig seine Lebenskraft an. Die meisten haben Angst oder Ekel davor. Sie denken, sie sterben oder verändern sich dadurch. Was beides nicht zutrifft. Aber sie verweigern sich dennoch, und da wir nicht gewaltsam nehmen, sterben wir.
Ich frage Euch also noch einmal: Wer ist wohl der Machtvollere? Meine Meinung dazu ist: Ich denke, wir sind quitt.
Ihr seht, wir sind in einem verschieden und in vielem gleich. Das Einzige, was uns voneinander abgrenzt, ist die Biochemie unserer Körper. Unsere Herzen und unsere Seelen hingegen empfinden gleich. Wir sind Söhne und Töchter der Engel ebenso wie der Menschen.
Doch kaum jemand weiß noch von uns. Nicht mehr. Das ist nicht Eure Schuld und auch nicht unsere. Ich habe das Unglück, das über uns kam, bereits erwähnt. Wir haben etwas erlebt, was Euch nur zu gut bekannt ist: einen Krieg.
Ich weiß bis heute nicht genau, wieso dieser Krieg entstand. Aber zwei Gefühle sind uns immer wieder feindlich entgegengebracht worden. Das eine war Neid und das andere Angst. Aus beiden wurde letztendlich Hass.
Wir mussten fliehen. Von Eurer Welt. Von den anderen Welten. Von allen Welten. Wir sind heimatlos.
Auch auf Eurer Welt, unserer Geburtswelt, der Erde, wurde unsere Geschichte umgeschrieben und zu unserem Nachteil verändert. Wie auf allen anderen Welten auch gelten wir hier als verbotene Art. In einer Eurer Geschichten hat Gott sogar eine Sintflut geschickt, um uns zu vernichten. Er hat Noah befohlen, die Menschen zu retten, denn ihnen galt die Flut nicht. Sie galt allein uns. Ich weiß nicht, wer auf die Idee kam, dass wir eine verbotene Art sein sollten. Ich weiß nur, unser aller Schöpfer war es nicht.
Aber Fakt ist auch: Irgendetwas hat diesen Hass auf uns heraufbeschworen, der letztendlich unser Verderben wurde. Ich glaube nur nicht, dass es irgendjemand war, denn ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass man einen solchen Akt der Bosheit auf ein einzelnes Wesen zurückführen kann. Aber ich rate und vermute nur und weiß es nicht.
Der Krieg jedenfalls hatte das Ziel, uns auszurotten.
Doch nun ist er zu Ende. Er ist vorbei.
Und er hat, allen Welten sei Dank, sein Ziel verfehlt.
So schnell und unerklärlich, wie er über uns hereingebrochen ist, wurde er wieder von uns genommen.
Auch hier, auf diesem Planeten.
Nach zwei Jahrhunderten Leben im Verborgenen haben wir oder zumindest ich für meinen Teil beschlossen, neuen Mut zu fassen und zu sagen, dass es uns noch gibt. Dass unser Feind, was auch immer er war, es nicht geschafft hat, uns zu vernichten.
Wir sind noch hier. Wir sind verletzt. Manche halb wahnsinnig vor Angst und der Anstrengung, die ihnen das Überleben abverlangt hat.
Wir haben nichts mehr außer uns selbst. Wir stehen bei null.
Manche Wunden werden tausend Jahre brauchen, um zu heilen. Aber wir leben! Wir sind noch hier! Wir sind noch mittendrin. Mitten im Leben. Mitten zwischen Euch.
Mitten zwischen den Zeiten, den Welten, dem, was war, und dem, was kommt.
Widmen wir uns nun also meiner eigenen Geschichte.
Ich hatte Euch ja bereits verraten, dass ich selbst Wächter eines alten Geschichtsschreibers war.
Ihr fragt Euch sicher, warum dann ich derjenige bin, der die Geschichte schreibt, und wieso ich diese Arbeit nicht lieber meinem ehrwürdigen Meister überlasse.
Nun, das liegt daran, dass mein Meister leider nicht mehr unter den Lebenden weilt. Ich war sein Wächter, und sein Tod ist das schlimmste Versagen meines Lebens …
Für Pergamon und alle, die mit ihm gegangen sind …
(Silva)
Silva machte seine Runde durch das Haus seines Meisters. Mitten in der Stadt, am Platz des Volkes liegend, schmiegte sich das altehrwürdige Gebäude in eine Reihe ebensolcher Bauten ein. Auf der anderen Seite des belebten Platzes war der alte Gerichtshof von dem oberen Fenster aus, an welchem Silva jetzt stand, gut zu sehen.
Der Wächter scannte die Dächer des Justizpalastes und der umliegenden Häuser mit geübtem Blick.
Alles war in Ordnung. Keine Bedrohung zu erkennen.
Mit einem leichten Seufzen machte er sich an die unteren Etagen, die auf seinem morgendlichen Wachgang noch vor ihm lagen. Das obere Quartier war sicher. Blieben noch drei.
Von draußen drang der Lärm des beginnenden Tages durch die kleinen, offenen Fenster herein. Fahles Sonnenlicht brach sich zart in dem Buntglas und ließ die Farbspiele, welche die Fenster an die weißen Steinwände des Raumes werfen würden, erst erahnen.
Silva blieb an einem weiteren Fenster stehen. Er hielt eine Handfläche in einen der erwachenden Lichtpunkte, als eine Reflexion auf dem Platz, die er am Rande seines Sichtfeldes wahrgenommen hatte, seine Aufmerksamkeit erregte. Lange Zeit verharrte er regungslos hinter dem Fenster, während er das Treiben der Morgengeschäfte auf dem Platz verfolgte.
Überall wurden Stände aufgebaut. Händler würden ihre Waren anpreisen. Kaufen, Verkaufen, Schätzen, Feilschen. Der lebhafte Alltag eines blühenden Marktes, inmitten einer blühenden Stadt.
Die Reflexion, die seine Aufmerksamkeit erregt hatte, stammte von einem Teestand, an dem der Händler gerade die ersten Tassen auf den Tresen stellte. Hinter dem Justizpalast kam ein kräftigerer Strahl der Morgensonne hervor und brachte die Tassen und Gläser des Teehändlers zum Blitzen.
Der Wächter kannte den Mann, dem dieser Stand gehörte, gut. Wenn sein Meister ausgeschlafen hatte, würde er Silva sicherlich zu ihm hinunterschicken, um schwarzen Tee zu kaufen. Für das Frühstück. Wie jeden Morgen. Zur gleichen Zeit. Silva würde versuchen, ihm zu erklären, dass es sicherer wäre, zu unterschiedlichen Zeiten Tee zu kaufen und damit nicht den Tagesbeginn seines Meisters für jeden offenkundig zu gestalten, aber sein Meister würde ihm wie immer sagen: „Silva, du machst dir zu viele Sorgen. Was soll denn hier in dieser Stadt schon geschehen?“
Er liebte diese alte, melodische Stimme des Älteren. Die Stimme eines Geschichtenerzählers. Sie war so sanft, so ehrwürdig und so unglaublich überzeugend. Silva würde kurz den Mund öffnen, um einen Einwand kundzutun, aber der Blick seines Meisters würde ihm allen Willen dazu nehmen. Wie immer würde der Wächter gehorsam zum Markt gehen, den Tee kaufen und das „Siehst du, alle Sorge umsonst“ des gut gelaunten Älteren, ohne eine Miene zu verziehen, über sich ergehen lassen.
Danach stünden die Tagesgeschäfte an.
Wenigstens hierbei war Silva ganz und gar davon überzeugt, dass niemand auch nur annähernd irgendeine Regelmäßigkeit darin entdecken würde.
Es gab keine.
Was ihm seine Arbeit als Wächter ungemein erleichterte und seinen Meister ungemein erheiterte, wenn er in die leidvollen Gesichter seiner übrigen Angestellten blickte. Denn das Tagewerk des Meisters war absolut unvorhersehbar.
Silva setzte seinen Rundgang bis zur unteren Etage des Hauses fort.
Alles war sicher.
Dann kehrte er zum Büro im oberen Stock zurück und erwartete weitere Befehle. Er stand nun schon sehr lange Zeit im Dienste des Meisters, und wie er vermutet hatte, gestaltete sich der Morgen in seiner üblichen Abfolge. Er kaufte Tee und kehrte damit zu seinem Meister zurück. Gemeinsam nahmen sie ein kleines Frühstück im Büro des Älteren ein.
„Orient“, sagte der Meister plötzlich, während sie den Tee genossen.
„Wie bitte?“
„Ich sagte: Orient! Ich brauche alles über das Wort. Etymologie, Verwendung, vergangene und derzeitige Bedeutungen und die zukünftigen am besten noch dazu. Außerdem Beschreibungen und Texte, in denen dieses Wort in Zusammenhang mit dieser Stadt“, er machte eine ausschweifende Geste mit seinem rechten Arm, die Silva fast die Tasse aus der Hand fegte, „gebraucht wird. Verstanden? Und jetzt sag nicht, das ist zu viel. Du hast einen ganzen Tag Zeit dafür.“
„Ja, schon gut.“ Auch Silvas Stimme war sanft. Es gab keinerlei Anlass für ihn, sie nicht sanft zu halten. Er diente dem Älteren mit Freuden. Es war ihm eine Ehre, sein eigenes Leben für das des anderen zu geben. Er war Leibwächter.
Der Name seines Meisters war Pergamon.
Unter den Nephilim war der Ältere bekannt wie eine farbenprächtige Blume in der Wüste. Es gab kaum jemanden, der nicht Ehrfurcht vor seinem Namen empfand.
Pergamon war alt.
Er schwieg sich darüber aus, wie alt genau er war, wenn jemand ihn danach fragte, aber man schätzte ihn beinahe an die fünftausend Jahre. Und man sah ihm die Zeichen der Zeit deutlich an. Seine Gestalt war groß und hager. Die kraftvollen Jahre lagen weit hinter ihm. Sein Gesicht wies einige tiefe Falten und Furchen auf. Sein ehemals braunes Haar war von grauen Strähnen durchsetzt. Er trug das, was noch davon übrig war, mit einem Band zusammengebunden lang über seinen Rücken. Es reichte ihm in einem dünnen Strang bis zum Gesäß. Auch der Rest seines Körpers war vom Alter gezeichnet. Die Hände wurden langsam knochig und hier und da knackte eines seiner Gelenke bedenklich, wenn er sich zu hastig bewegte.
Nur seine hellen, wachen Augen verrieten nichts von all dem. Sie waren absolut zeitlos. Sie hätten ebenso gut fünfzig wie fünftausend Jahre gesehen haben können. Sein Geist tat es seinen Augen gleich. Auch er war wach wie in den ersten Jahren und weiser noch dazu.
Allein die Gegenwart des Meisters ließ die jüngeren Nephilim auf die Knie gehen, wenn sie ihm begegneten, ob sie wollten oder nicht.
Was Pergamon jedes Mal peinlich zu berühren schien, denn er mochte es überhaupt nicht, wenn sich jemand vor ihm beugte.
Er konnte so charmant sein wie ein junger Verehrer, der seine Herzdame umwirbt, und so unerbittlich wie Wasser, das Stein höhlt.
Silva spürte selbst nach jahrelangem Zusammenleben noch immer ein leichtes Vibrieren in seinem Körper, wenn er ihm gegenüberstand, ausgelöst allein durch Pergamons Präsenz. Die Macht, die der Ältere ausstrahlte, brachte Silvas Blut zum Schwingen, gleich einem unhörbaren Ton.
„Weißt du, wo du suchen musst?“, fragte der Ältere, während er genüsslich seinen Tee schlürfte.
„Ich weiß. Ich weiß.“ Silva hob beschwichtigend eine Hand, trank den Rest seines eigenen Glases in einem Zug aus und erhob sich von den prächtigen, farbenfrohen Sitzkissen, auf denen sie das Frühstück gemeinsam eingenommen hatten. Er hatte einen Auftrag erhalten und daher keine Zeit zu verlieren.
„Ich werde Lloyd für die Wache im Haus einteilen“, schlug er seinem Meister vor.
„Ich schätze deine morgendliche Gesellschaft sehr, mein lieber Silva“, sagte Pergamon über den Rand seines Teeglases hinweg. „Deine schon. Wenn du allerdings Lloyd zu mir hochschickst, dann sag ihm doch bitte, er solle sich vorher noch baden.“
„Meister!“
Entrüstung und Überraschung zugleich klangen in Silvas Stimme mit. Für einen Moment war er verwirrt. Die Offenheit seines Meisters war ihm peinlich. Er wusste ja, dass Pergamon von allen seinen Wächtern ausschließlich ihn über längere Zeit neben sich duldete, und er wusste auch, dass der Ältere allein seine Anwesenheit jeden Morgen verlangte. Aber, dass er den anderen gegenüber so ablehnend und herablassend war, das war ihm neu. Auch wenn Lloyd ein eher grobschlächtiger, großer Kerl war, rau und standfest wie ein Nordmann, sollte sein Meister dem, was Lloyd für ihn tat, doch etwas mehr Respekt zollen.
Er wurde doch hoffentlich nicht kleinlich auf seine alten Tage.
Pergamon grinste, als er Silvas verblüfften Gesichtsausdruck sah.
„Bist du der Meinung, ich sollte etwas weniger pingelig sein und dankbarer denen gegenüber, die ihr Leben für meins geben?“
„Ich … ähm … das …“
Pergamon lachte schallend auf, als er sich des Ausmaßes der Verwirrung bewusst wurde, die er in Silva angerichtet hatte. „Schon gut, schon gut. So war das ja auch gar nicht gemeint.“ Er winkte ab und spielte ein wenig den Empörten. „Du drehst mir wie immer die Worte im Mund rum! Ich meinte ja nur, er soll sich in Ruhe fertigmachen und in Ruhe noch ein Bad nehmen und in Ruhe etwas essen und dann gut gelaunt seine Wache antreten. Mach ihm nur keine Eile.“ Pergamon grinste bis über beide Ohren, wohl wissend, dass Silva ihn schon richtig verstanden hatte, aber er liebte seine kleinen Späße mit dem Wächter viel zu sehr, als dass er sich eine solche Gelegenheit würde entgehen lassen. Er winkte Silva zur Tür hinaus und wandte sich bester Laune seinen neusten Forschungen zu.
Silva ging mit heißem Kopf zum Wachraum. Er hatte wirklich gedacht, sein Meister beschwere sich darüber, dass einer seiner Leibwächter stinke. Er wusste aber nicht, was ihn mehr empörte. Die Tatsache, dass sein Meister überhaupt Anstoß an so etwas Banalem fand, seine Offenheit oder, dass er eventuell recht haben könnte.
Oder, dass er Silva schlicht an der Nase herumgeführt hatte.
Der Ältere liebte es, mit den Gefühlen anderer zu spielen, und solch ein kleines Scharmützel am Morgen konnte ihm den ganzen Tag versüßen.
Wenn es ihm solche Freude bereitete, würde der Wächter es gerne über sich ergehen lassen.
Silva atmete einmal tief durch und brachte seine Körpertemperatur wieder auf Normalzustand. Er setzte seine übliche, undurchdringliche Miene auf und verbarg alle Gefühlsregungen in seinem Inneren. Wieder völlig ruhig und gelassen ging er in den Wachraum.
Lloyd schlief noch.
Er sollte jetzt vorsichtig sein und ihn nicht verärgern. Der grauhaarige Hüne war der beste Mann für die Wache, wenn Silva selbst nicht im Haus war. Silva vertraute ihm von allen am meisten. Keinem der anderen Wächter gegenüber konnte er bisher das gleiche Vertrauen aufbringen. Es wunderte ihn schon, dass jemand es überhaupt geschafft hatte, dieses Gefühl in ihm hervorzurufen, von dem Meister einmal abgesehen. Er wollte Lloyd, der ein wahrer Morgenmuffel sein konnte, keinesfalls verärgern.
Es war wirklich nicht leicht, Leibwächter für Pergamon zu finden, denn, wie alle Alten, hatte dieser Angewohnheiten, die einfach unumstößlich waren.
„Lloyd. Ich bin außer Haus bis zum Abend und vermutlich die Nacht auch noch hindurch. Mach dich fertig. In Ruhe. Iss was, bade, wenn du willst, und trete dann deine Wache beim Meister an. Wenn mich jemand sucht, ich bin im Stadtarchiv.“
„Jepp“, war alles, was Lloyd dazu sagte. Was für ihn so viel bedeutete wie: „Ja, Silva, ich habe deinen Befehl gehört.“ Der Hüne blinzelte und streckte sich kurz zum Zeichen dafür, dass er wach war.
Silva nahm eine Mappe mit, in der er bereits einige Aufzeichnungen über das Wort, nach dem er suchen sollte, aufbewahrte. Sein Meister hatte ihn vor drei Wochen schon einmal auf die Suche danach geschickt. Aber offensichtlich hatte er damals noch nicht das gefunden, was sein Meister haben wollte. Es war ihm sehr wohl klar, dass Pergamon selbstverständlich wusste, was das Wort bedeutete. Es ging ihm vielmehr darum, welche Bedeutung ihm in dieser Stadt und zu dieser Zeit beigemessen wurde. Er steckte die Mappe in eine Tasche aus Leder und hing sie sich quer über die Schulter.
Mit der gleichen Beiläufigkeit stellte er sicher, dass man die beiden Dolche und die kleinen Wurfmesser, die unter seiner Kleidung verborgen waren, von außen nicht sehen konnte und machte sich auf den Weg.
Die beiden Dolche, die in seinen Stiefeln steckten, waren aus Kristall gefertigt. Sie waren klar wie Eis. Licht konnte sich in ihnen brechen, wenn es im richtigen Winkel darauf fiel, und sie zum Funkeln bringen. Aber sie konnten in seinen Händen ebenso gut unsichtbar sein.
Er hatte sie selbst gefertigt.
Als Abschluss seiner Ausbildung zum Wächter.
Der letzte Teil seiner Prüfung.
Und er hatte diese Prüfung mehr als gut bestanden. Er hätte auch Assassine werden können. Das Wissen und Können war das gleiche. Leben bewahren oder Leben nehmen. Allein die Seite, auf der man stand, war ausschlaggebend.
Der Kristall war leichter, aber gleichzeitig schärfer und härter als Metall. Unnachgiebig, ohne brüchig zu sein.
Manchmal schien es, als wären sie mit Silva verwachsen. Als wären sie ein Teil von ihm geworden. Er legte sie sehr selten ab und niemals aus seiner Reichweite.
Die meisten seiner Gegner waren verwirrt, ob der ungewöhnlichen Art der beiden Dolche. Das hatte ihm schon manchen Kampf erspart, bevor er überhaupt begonnen hatte.
Die Wurfmesser, die er zusätzlich am Leib trug, waren dagegen nur gewöhnliche Anfertigungen. Nur eines von ihnen war so gestaltet, dass es zu seinem Werfer wieder zurückkehren konnte, wenn man es richtig warf.
Als Silva vor die Tür trat, schien ihm die Sonne ins Gesicht. Sie war jetzt ganz über dem Gerichtshof aufgegangen und warf ihr hellgelbes Licht schräg über die Stadt.
Sonne gab es hier in Hülle und Fülle. Ebenso wie Sand. Anuar, die Stadt, die sich vor ihm auftat, lag in einer Gegend, in der es nichts gab als Wüste, Sand und noch mehr Wüste. Umgeben von einer gut befestigten Steinmauer barg sie im Inneren ihren wertvollsten Schatz: die Quelle Anu. Die Stadt lag im Gebiet der An-Wüsten und galt als wichtiger Knotenpunkt mehrerer Handelsrouten. Im Vergleich zu den anderen Städten, die Silva bereist hatte, war das Leben hier eher einfach und naturnah gestaltet. Die meisten Häuser bestanden aus Lehm und Tuch. Nur die wichtigsten Bauten der Stadt, die um die Quelle herum den Mittelpunkt des Lebens und den Platz des Volkes bildeten, waren aus gebrannten Steinen gefertigt. Man reiste mit Hilfe von Tieren und Karren. Es gab zwar Elektrizität, allerdings nicht in uneingeschränktem Maße. Und alles, was damit betrieben wurde, waren kleine elektrische Lampen, welche die Dunkelheit der Nacht nur ein wenig hinauszögerten. Es gab ein kleines Wasserwerk unter der Stadt, ein Windwerk außerhalb und ein paar seltsam anmutende Sonnenkollektoren um die Stadt herum, bei denen sich Silva nie sicher war, ob sie nicht vielleicht doch eher pflanzlicher Natur waren. Sie sorgten für einen mäßigen Stromvorrat bis in die Abendstunden. Waren die Speicher leer, gingen die Lichter der Stadt aus. Dann musste man sich mit Wachs- und Öllampen weiterhelfen.
„Es scheint fast so, als wäre die Zeit hier in manchen Dingen einfach stehen geblieben“, dachte Silva.
Wenn er den Bewohnern Anuars erzählen würde, was er wüsste, dann könnten sie die Stadt bis zum Ende ihrer Tage mit Strom versorgen, ohne auf ihre altmodischen Kollektoren angewiesen zu sein. Sie könnten außerdem weit mehr damit anstellen, als kleine Leuchten zu betreiben.
Aber es stand ihm nicht zu, in die Entwicklung dieser Stadt einzugreifen. Das wäre ein Vergehen seinem Volk und seinem geleisteten Eid als Wächter gegenüber, das mit dem Tod bestraft werden würde.
Und es wäre ein Verbrechen an dem Volk der Anu, das niemals wieder gutzumachen gewesen wäre.
Die Nephilim hatten die Aufgabe, Wissen zu hüten und nicht zu verbreiten. Er war in dieser Stadt nur ein stiller Beobachter.
Aber der Fortschritt, den die Anuarer mit diesem Wissen würden erzielen können …
Vor ihm trugen zwei Männer ein großes, spiegelndes Bruchglasstück vorbei, und er sah sich selbst darin.
Für einen Moment hörte er die Warnung sehr deutlich. „Sieh dich selbst an!“, schien sie zu sagen. „Erinnere dich deiner selbst und lass diesen albernen und gefährlichen Gedanken, den du eben hattest, aus deinem Geist verschwinden!“
Manchmal war es eine Bürde, all das Wissen für sich behalten zu müssen. Doch er kam der Aufforderung nach und sah sich für ein paar Augenblicke selbst an.
Er galt nicht gerade als hässlich. Ganz und gar nicht. Sein Körper war groß gewachsen, schlank, aber kraftvoll. Sowohl seine Statur als auch seine Bewegungen wirkten anmutig. Seine Augen funkelten in der Sonne mit dem Spiegel um die Wette. Sie waren von einem hellen Grau. Winzige, silberne Sprenkel darin sorgten dafür, dass Licht sich in ihnen brechen konnte. War er nachts auf Wache, musste er stets darauf bedacht sein, sie bei Lichteinfall ein wenig zu bedecken, damit ihn nicht eine der winzigen Reflexionen aus Versehen verriet.
Aber jetzt war er nicht auf Wache und es war Tag, und daher hielt er sein Gesicht nach oben gerichtet in die Sonne und genoss die warmen Strahlen auf der hellen, ebenmäßigen Haut. Seine Gesichtszüge waren fein, aber scharf geschnitten. Wenn er sich bemühte, konnte man ihn fast für freundlich halten. Ein Blick in sein Gesicht konnte allerdings ebenso gut dafür sorgen, dass seinem Gegenüber das Blut in den Adern gefror. Strenge und scharfe Wachsamkeit schienen nie ganz aus ihm zu verschwinden.
Bei den meisten Wesen, denen er bisher begegnet war, galt er zwar als ausgenommen schön, aber auch ebenso Furcht einflößend. Es gab selten eine Person, die ihm völlig angstfrei gegenübertreten konnte. Das machte ihm einerseits das Leben als Wächter in vielen Situationen einfacher, konnte aber zuweilen auch sehr hinderlich sein. Zum Beispiel, wenn man eine Auskunft aus dem Stadtarchiv brauchte.
Er erinnerte sich seiner. Erinnerte sich, wer er war und was er war.
Er war Silva, ein Nephilim, ein Wächter, ein Kind der Engel und der Menschen, und doch war er nur einer von vielen in diesem riesigen Universum. Unbedeutend und klein. Es war anmaßend von ihm gewesen, auch nur daran gedacht zu haben, es stände ihm zu, in die Entwicklung dieser Stadt eingreifen zu dürfen. Das war nicht seine Aufgabe.
„Orient“, rief er sich ins Gedächtnis.
Das war das Wort, nach dem er suchen sollte. Doch Wissen sammelte sich nicht von allein. Also richtete er seinen Blick wieder auf die Straße.
Er zog die Kapuze seines leichten Sonnencapes über den Kopf, um seine hellen Haare darunter zu verbergen. Wie flüssiges Silber umspielten sie sein Gesicht. Sie reichten ihm bis zum Kinn. Er schob ein paar Strähnen, die ihm nach vorne über die Stirn fielen, hinter die Ohren und machte sich auf den Weg zum Stadtarchiv. Manchmal wünschte er sich, sein Äußeres wäre ein wenig unauffälliger.
Das Stadtarchiv lag neben dem Haus der Justiz. Beide gehörten zu den altehrwürdigen Steingebäuden der Stadt. Einlass zu bekommen, hatte ihn einige Mühen gekostet, denn der Mann am Empfang hatte sich, wie zu erwarten, vor ihm gefürchtet. Doch jetzt stand er an einem der Fenster der Leseräume.
Von hier aus konnte er das Haus des Meisters sehen.
Er wachte immer über ihn. Auch wenn er nicht neben ihm war. Sollte etwas Ungewöhnliches vonstattengehen, würde er es von hieraus sehen können.
Er dachte noch einmal an den Mann am Empfang.
Es tat ihm leid, dass er Angst empfunden hatte. Silva hatte es deutlich gespürt und sich, so gut es ging, zurückgenommen. Er war freundlich und höflich gewesen, sodass der Mann ihn trotz seiner Vorbehalte durchgelassen hatte. Aber vielleicht, dachte Silva, hatte er ihn auch wegen seiner Vorbehalte durchgelassen.
Der Wächter seufzte. Noch nie hatte er es geschafft, einem anderen Wesen wirklich nahezukommen. Alle waren letztendlich vor ihm zurückgewichen.
„Wieso nur?“, fragte er sich im Stillen.
Das war nicht das Los aller Nephilim. Dessen war er sich sicher. Die meisten erfreuten sich bester Gesellschaft. Diese besondere Gabe besaß offensichtlich nur er. Es lag an ihm. Nicht an seiner Art.
Ein kleiner Stich traf sein Herz, und für den Bruchteil einer Sekunde fühlte er Einsamkeit.
Er war nur froh darüber, dass wenigstens Pergamon standhaft genug war, seine Gegenwart begrüßen zu können.
„Wenigstens stinke ich nicht“, dachte er bei sich selbst und musste schmunzeln. Dann begann er, seine Aufmerksamkeit den Texten zu widmen, die er in den Leseraum bestellt hatte.
Gegen Abend war er mit der Durchsicht der Texte fertig und hatte die wichtigen Passagen zu seinen Notizen hinzugefügt. Seine Recherchen erwiesen sich als lange nicht so ergiebig, wie er das gehofft hatte. Er klingelte nach einem Angestellten, der die Texte wieder an ihre Plätze räumen sollte.
Eine junge Frau kam herein und sah ihn erstaunt an. Der Wächter hatte sein Cape abgelegt und musste wohl Eindruck auf sie gemacht haben. Sie lächelte kurz, dann nahm sie eilig die Texte und verschwand aus dem Raum.
Silva packte seine Sachen zusammen, als er im Augenwinkel sah, dass drei Personen Pergamons Haus betraten. Sie waren allesamt in lange, dunkle Mäntel gehüllt. In Anbetracht der Wüstenstadt auf den ersten Blick eine durchaus übliche Art, sich vor der Sonne zu schützen. Allerdings waren die Mäntel der beiden äußeren Personen tiefschwarz. Eine Färbung, die hier absolut nicht heimisch war.
Er erkannte die beiden an Gang und Gestalt.
Es waren zwei Freunde des Hauses. Sowohl ihm als auch Pergamon wohlgesonnen. Die Person in der Mitte war ihm allerdings unbekannt. Sie hatte ihre Arme um die Schultern der beiden Freunde gelegt. Aber bei genauerem Betrachten sah er, dass sie eher mitgeschleift wurde, denn selbst ging. Ihre Beine bewegten sich kaum.
Das Trio verschwand recht hektisch in der Eingangstür.
Silva beeilte sich mit dem Packen seiner Sachen, warf sein Cape über und folgte dem unerwarteten Besuch schnellen Schrittes.
Die Art, wie der Fremde getragen wurde, verriet ihm, dass irgendetwas im Argen lag.
Er hastete über den Platz des Volkes.
In Anbetracht des geschäftigen Treibens auf dem Markt kein leichtes Unterfangen. Zu den Abendstunden gingen die Geschäfte am besten. Dementsprechend viele Leute drängten sich durch die staubigen, schmalen Gassen zwischen den Ständen.
Lärm drang an Silvas Ohren. Waren wurden lautstark angepriesen. Hier und da versuchten Verkäufer mit mehr Nachdruck, seine Aufmerksamkeit zu erhalten, indem sie ihm das, was sie anboten, direkt unter die Nase hielten, aber er schob derartige Hindernisse geschickt zur Seite und setzte unbeirrt schnellen Schrittes seinen Weg quer durch die Menge fort.
Als er des Meisters Haus erreichte, trat er, ohne zu zögern, durch die Vordertür ein. In der linken Hand verbarg er einen der Dolche, den er unbemerkt aus dem Stiefel geholt und unter seinen Hemdsärmel geschoben hatte.
Nur für alle Fälle.
Lloyd sollte eigentlich auf seinem Posten sein und den seltsamen Besuch bereits bemerkt haben. Aber seine Nackenhaare rieten ihm dennoch zu äußerster Vorsicht.
Leise wie ein Windhauch folgte er einer fast unsichtbaren Spur zu den oberen Etagen hinauf.
Hier herrschte bereits einige Aufregung. Angestellte wuselten umher. Manche trugen Decken, manche Schalen mit Wasser, einige brachten Salben und Verbände, und andere wiederum standen einfach ratlos da. Silva schnappte sich einen der Ratlosen und hoffte, eine Auskunft zu erhalten.
„Was ist hier los?“, fragte er den kleineren Mann.
„Äh. Keine Ahnung. Besuch? Ich glaube, Herr Sting und Miss Lara sind da“, stotterte dieser ein wenig verlegen.
„Das weiß ich schon. Wer ist die dritte Person?“
Silvas Stimme war wesentlich schärfer als noch am Morgen bei der Tasse Tee mit seinem Meister. Der Angestellte schluckte hörbar und beeilte sich, wenigstens eine Vermutung von sich zu geben.
„Ein junger Mann. Schien verletzt.“ Dabei hob er beide Schultern und drehte die Handflächen nach oben. Mehr war nicht aus ihm herauszubekommen, aber das genügte Silva auch.
Der zweite Dolch wanderte, ebenso ungesehen wie der erste, in seine andere Hand. Er verbarg beide unter den langen Ärmeln seines Leinenhemdes. Sie waren am Saum weit genug dafür und würden ihm auch erlauben, die Dolche in einer einzigen Bewegung darunter hervorzubringen.
Die Kristallklingen schmiegten sich kalt an seine Unterarme.
Im falschen Moment mit gezogenen Waffen zu erscheinen, konnte sehr undiplomatisch sein. Im falschen Moment mit ungezogenen, tödlich. Da er nicht wusste, was ihn erwartete, entschied er sich für ein Dazwischen.
Es war recht unwahrscheinlich, dass Sting und Lara in eine Falle getappt waren, aber nicht unmöglich.
Er hastete die letzten Schritte bis ins Büro seines Meisters hinauf und kam dort abrupt zum Stehen. Man hatte den Fremden auf ein paar Decken mitten im Zimmer auf den Boden gebettet.
Es sah übel um ihn aus.
Die beiden Freunde knieten neben ihm und lösten Verbände, mit denen provisorisch Wunden abgedeckt worden waren.
Die Stimme des Meisters war hektisch. „Du, hol noch mehr frisches Wasser. Los! Los!“ Er scheuchte eine seiner Bediensteten mit sanften Schüben aus dem Raum.
„Du! Runter zum Empfang! Alle Termine auf Morgen verschieben. Ähm! Und schicke ein kleines Geschenk, mit der Bitte um Verzeihung, zum Scheich.“ Er schickte einen sehr nobel aussehenden, älteren Mann, mit einer kleinen, runden Brille auf der Nase, hinterher.
Der Portier.
Er stob an Silva vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
Am Fenster des Büros stand Lloyd und hielt die äußere Umgebung des Hauses aufmerksam im Auge.
Silvas Blick wanderte zurück zu dem Verletzten. Er war ein junger Mann. Ein Nephilim. Silva mochte sich täuschen, aber er schätzte ihn, auf den ersten Blick, gerade so auf den Übergang zum Erwachsenenalter. Er war sich nicht sicher, ob der Junge bereits seinen vollen Platz in der Gesellschaft eingenommen hatte.
Als er sah, in welch erbärmlichen Zustand sich der junge Nephilim befand, steckte er die Dolche weg und ging seinen Freunden zur Hand. Diese hielten die Diener und Bediensteten Pergamons auf großem Abstand zu dem Fremden.
Silva bemerkte, dass Sting seine Waffen ungesichert im Rückengürtel untergebracht hatte. Zwei Schusswaffen und ein kleiner Dolch. Außerdem verriet die Körperhaltung seines Freundes große Anspannung. Dieser war ebenso groß wie Silva, nur wesentlich muskulöser und robuster. Sein pechschwarzes Haar war kurz geschnitten.
Stings graublaue Augen, die Farbe von gefrorenem Wasser, sahen Silva warnend an. „Unterschätze ihn nicht. Er ist manchmal …“, er suchte nach den passenden Worten, „… unberechenbar aggressiv.“
Silva zog eine Braue nach oben. Er konnte sich nicht vorstellen, dass dieses Wesen hier auf dem Boden sich in dieser Verfassung überhaupt von alleine bewegen konnte.
„Silva!“ Laras sanfte Stimme gab ihm Instruktionen. „Löse doch mal bitte den Verband am Hals. Sieh nach, ob die Wunde sich bereits geschlossen hat.“ Und mit Nachdruck fügte sie hinzu: „Vorsichtig!“
Auch Lara war groß und muskulös. Ihre dunklen Haare waren heute zu einem langen Zopf geflochten und hingen über ihre Schulter nach vorne. Rehbraune Augen betrachteten die Wunden des Fremden sorgfältig. Lara war eine Augenweide durch und durch.
Und gut im Improvisieren.
Sie war zwar keine Ärztin, aber Silva beeilte sich dennoch, ihrer Bitte nachzukommen. Er positionierte sich am Kopf des Jungen und begann, sehr vorsichtig, den offensichtlich hastig angelegten Verband Schicht um Schicht zu lösen. An der untersten angekommen konnte er sehen, dass sich die Wunde tatsächlich bereits geschlossen hatte.
Der Junge verfügte noch immer über hervorragende Selbstheilungskräfte.
Silva legte den Verband zur Seite. Er griff sich einen Schwamm, der in einer mit lauwarmem Wasser gefüllten Schüssel lag, und wischte sachte über den verschmutzten Hals des Jungen.
Zwei eiskalte Augen blickten Silva plötzlich direkt ins Gesicht. Ruckartig schoss der Fremde hoch und fauchte den Wächter boshaft an. Silva erschrak dermaßen, dass er mit einem Satz etwas Abstand zwischen sich und den Jungen brachte.
Das hatte er nicht erwartet.
„Ruhig! Bleib liegen!“, redete Sting sofort auf den aufgebrachten jungen Nephilim ein. „Alles okay. Alles ist gut. Du bist hier in Sicherheit. Alles gut.“
Seine Stimme war sanft wie Samt. Die beruhigenden Worte zeigten Wirkung.
Sting drückte den Jungen zurück in die Decken. Er strich ihm vorsichtig mit der Hand über die Stirn. Der Körper des Verletzten entspannte sich wieder. Mit geschlossenen Augen ließ er alles Weitere ohne eine Regung über sich ergehen.
Silva wagte sich wieder näher heran. Vorsichtig begann er erneut, die Wunde am Hals zu säubern. Er war auf weitere Gegenwehr gefasst, aber sie blieb aus.
„Was ist passiert?“, fragte er die beiden Freunde.
„Das ist eine etwas längere Geschichte.“ Sting antwortete ihm, ohne von seiner Arbeit an den Wunden aufzublicken.
Zu dritt kamen sie nun gut zurecht.
Pergamon schickte die übrigen Angestellten los, zwei Gästeräume für die Nacht vorzubereiten, und schloss hinter ihnen die Tür.
Im Raum war es nun ruhig.
Nur der Meister, Silva, die beiden Freunde und der verletzte, junge Mann waren noch da.
Sting begann zu erzählen.
„Eigentlich waren wir auf der Suche nach etwas ganz anderem“, sagte er mit einem Augenzwinkern und sah seine Gefährtin an.
Er erntete nur einen bösen Blick.
„Aber das ist noch nicht spruchreif und tut jetzt auch nichts zur Sache“, beeilte er sich hinzuzufügen.
Silva kannte die beiden gut. Er wusste genau, dass Lara mal wieder eine Entdeckung gemacht hatte, der sie auf den Grund gehen wollte.
Sie liebte Geheimnisse. Vor allem, wenn sie gelüftet wurden. Von ihr, versteht sich.
Aber so wie es aussah, war ihre Mission nicht ganz so gelaufen wie geplant. Offensichtlich hatten sie nicht das zutage befördert, was sie sich erhofft hatten.
„Silva!“ In Laras sanfter Stimme klang noch immer tiefe Sorge mit. „Was wir entdeckt haben, ist kaum zu beschreiben. Ich kann es noch nicht ganz einordnen. Ich hoffe, dieser junge Nephilim hier wird uns die eine oder andere Frage noch beantworten können. Sofern er überlebt. Was ich dir aber bereits sagen kann, ist Folgendes: So wie es bisher aussieht, hat der Baron seine düsteren Machenschaften weit vorangetrieben. Sehr weit voran.“ Sie erschauderte. Offensichtlich hatte sie etwas erlebt, das sie durch und durch beunruhigte.
Und das wiederum beunruhigte Silva.
Sting kam ihr zu Hilfe.
„Wir haben ein Lager ausgehoben“, berichtete er. „Unbeabsichtigterweise. Wie gesagt, wir waren eigentlich hinter etwas ganz anderem her. Dabei sind wir auf eine Art Verlies gestoßen. Ein stillgelegtes Bergwerk mit kleinen Kammern und endlosen Gängen. Wir dachten zuerst, dass man uns einen Narren aufbinden wollte. Aber es war ernst, Silva. Da waren Wesen in den Kammern. Eingepfercht und gefesselt. Sie gehörten verschiedenen Arten an. Einige von ihnen waren Nephilim. Wir hatten gar nicht vor, uns einzumischen. Wir waren nur zu zweit. Es waren weit über hundert. Einige von ihnen riefen um Hilfe, als sie uns sahen. Andere waren völlig apathisch und starrten nur vor sich hin. Und ein paar wenige waren bereits tot.“
Silvas Magen krampfte sich zusammen.
„Sie lagen in den Kammern auf dem Boden. Es war schrecklich. Wir beschlossen, zu verschwinden und mit mehr Unterstützung wiederzukommen. Aber das Flehen derer, die noch bei Sinnen waren, war einfach zu viel. Einer von ihnen, einer von uns, ein Nephilim, schien noch Manns genug, den übrigen bei einer Flucht behilflich zu sein. Lara öffnete seine Zelle, und er machte sich daran, die anderen zu befreien.“
Sting stand auf, ließ seine Hilfsmittel zum Versorgen der Wunden in eine der Schalen gleiten, ging zu Pergamons Bürotisch und schenkte sich mit zitternden Händen ein Glas Wasser ein.
Pergamon saß auf einem Stuhl vor dem Tisch und verfolgte sowohl die Szene vor sich als auch Stings Erzählungen mit großer Anspannung.
Sting trank und sprach weiter.
„Er machte sich also an die Arbeit, die anderen zu befreien. Aber ich hatte absolut kein gutes Gefühl bei der Sache. Ich dachte nur, wenn wir kämpfen müssen, sind wir verloren. Lara öffnete gerade die Tür zum Kerker unseres jungen Nephilim hier, als ich hörte, dass weiter unten im Gang ein Tumult entstand. Stimmen wurden laut. Irgendwer brüllte hektisch Befehle. Es war nur eine Frage der Zeit, bis man uns entdecken würde. Ich sagte Lara, sie solle sich beeilen. Aber sie war wie erstarrt. Tja, und was soll ich sagen? Als ich sah, wieso, konnte ich es ihr nachempfinden. Ich glaube, das Bild, das sich mir dort bot, wird mir noch viele schlaflose Nächte bereiten.“ Nach einer Pause fügte er hinzu: „Und ihm hier auch.“ Er deutete mit einer Hand auf den Fremden, der jetzt friedlich in der Mitte des Raumes in Decken gehüllt auf dem Boden zu schlafen schien.
„Sie hatten ihn in Ketten gelegt. Er wurde von vier dicken Eisenketten festgehalten. Sein Blick war wirr, aber durchaus wach. Der Kerl da hatte längst noch nicht aufgegeben. Wir mussten weg, aber ich konnte ihn doch nicht einfach so da unten lassen. Ich hoffte inständig, dass er einen Weg hinausfinden würde. Also ging ich zu ihm in die Kammer und wollte seine Ketten von seinem Körper lösen. Aber ist es zu fassen?“ Entrüstung und Bewunderung zugleich schwangen in seiner Stimme mit. „Er ließ mich überhaupt nicht an sich heran.“
Sting schenkte sich Wasser nach und trank ein zweites Glas davon.
„Er war völlig wahnsinnig. Jedes Mal, wenn ich ihm nahe kam, nahm er Kampfhaltung ein und fauchte mich böse an. Also löste ich die Ketten aus den Halterungen an den Wänden. Bis auf eine. Die konnte er nun selbst öffnen. Während der ganzen Zeit starrte er mich an, als wolle er mich töten, würde ich ihm auch nur einen Schritt wieder zu nahe kommen.“
Sting setzte sich auf eines der Sitzkissen neben dem kleinen Tisch, an dem Silva und der Meister am Morgen noch den Tee genossen hatten. Lara gesellte sich zu ihm. Sie sahen beide müde und erschöpft aus.
Silva lehnte sich an eine Kante des Bürotisches. Diese Position war ihm wesentlich lieber, denn er konnte mit einem Satz bei dem Fremden sein, sollte es notwendig werden. Oder neben seinem Meister.
„Tja, jedenfalls“, fuhr Sting fort, „sahen wir zu, dass wir da wegkamen. Zwei Gänge weiter war ein Luftschacht, der nach oben führte. Durch ihn waren wir auch in diese Katakomben hinuntergelangt. Er war geschätzte zweihundert Meter lang und endete direkt auf dem Dach des Bergwerks. Jemand hatte Metallsprossen darin angebracht. Es war sehr eng, aber wir konnten ihn wieder zum Aufstieg nutzen. Als wir auf halber Höhe waren, wurden unter uns schwere Schritte laut. Schritte von Stiefeln. Und wir hörten das Durchladen von Waffen. Es waren wohl an die zehn bis fünfzehn Mann. Ich gab Lara zu verstehen, dass wir besser keinen Mucks von uns geben sollten. Schon der kleinste Stein, der sich aus der Schachtwand gelöst hätte und nach unten gefallen wäre, hätte uns verraten können. Also verharrten wir an Ort und Stelle und warteten. Dann wurde es gruselig. Mir stellen sich jetzt noch die Nackenhaare auf, wenn ich daran denke. Was wir als Nächstes hörten, war Kampfeslärm. Schreie. Entsetzte, erstickende Todesschreie. Alles in allem ging es sehr schnell. Dann war alles still. Plötzlich sprang jemand an die unteren Eisenstufen des Luftschachts. Ich brüllte Lara zu, sie solle klettern. Hoch, so schnell wir konnten. Wäre dieser jemand bewaffnet gewesen, wäre es sowieso zu spät für uns gewesen. War er aber glücklicherweise nicht. Ich feuerte selbst zwei, drei Mal nach unten, aber unser Verfolger wich sehr geschickt aus.“ Bewundernd sah er zu dem Jungen. „Er ist meinen Kugeln einfach ausgewichen. Kannst du dir das vorstellen? Als wir oben ankamen, hatte er ein gutes Stück zu uns aufgeholt. Licht fiel auf seinen Körper, und ich konnte erkennen, dass er es war, der uns folgte. Ich streckte ihm eine Hand entgegen, um ihm aus dem Schacht hinauszuhelfen. Aber er knurrte wie ein tollwütiger Hund. Also machte ich ihm Platz und ließ ihn alleine ins Sonnenlicht treten. Er blutete aus einigen Wunden an den Armen und aus einer Risswunde am Hals. Da, wo vorher das Stahlband gewesen war, an dem eine der Ketten hing. Sonst schien er erst einmal unversehrt zu sein. Was ich ziemlich beachtlich finde in Anbetracht der Tatsache, dass ihm circa zehn bewaffnete Männer im Weg gestanden haben mussten. Wir rannten zum Heli, verwiesen ihn auf den Rücksitz und verschwanden aus dieser Hölle. Tja, und ehrlich gesagt, wussten wir dann nicht so recht, wohin mit ihm. Lara fiel ein, dass Pergamon zurzeit hier auf Nubio in Anuar ist, und das war der vernünftigste, nächstgelegene Ort, der uns einfiel.“ Sting gähnte, während er sich mit einer Hand über Augen und Stirn fuhr.
„Wer steckt hinter all dem?“ Pergamons Stimme war tiefe Verbitterung anzuhören. Alles Fröhliche war aus ihr verschwunden.
„Der Baron, vermute ich“, antwortete Lara verächtlich. „Er wird wohl langsam größenwahnsinnig. Wenn er so weitermacht, wird er uns alle ins Verderben stürzen. Ich weiß nicht, was er mit all diesen Leuten vorhatte, aber allein die Tatsache, dass sie dort waren, lässt nichts Gutes erahnen.“
„Kannst du das beweisen?“
„Nein.“
Der Ältere überlegte.
Er sah sehr betrübt aus. Ein dunkler, alter Schatten schien seine Gestalt einzuhüllen, und er wirkte plötzlich sehr müde.
„Ich werde dem nachgehen“, sagte er seinen beiden Gästen sanft. „Geht und ruht euch aus. Ihr habt genug getan. Vermutlich habt ihr sie alle gerettet. Versucht zu schlafen. Ich habe euch Gästeräume herrichten lassen.“ Und an seinen Wächter gewandt: „Silva, sei doch so gut und hilf den beiden noch, unseren jungen Tapferen hier in einen der Räume zu bringen. Und bitte, wenn irgendwie möglich, leg eine Nachtschicht ein und wache neben ihm. Ich selbst werde auch noch einige Zeit wach sein. Wenn etwas sein sollte, ihr findet mich hier.“ Er stützte seinen Kopf schwer in die eine Hand und winkte die drei mit der anderen zur Tür hinaus.
Silva griff, so vorsichtig wie möglich, unter die Decken, in die der Junge eingehüllt war, und hob ihn hoch. Zu seinem Glück merkte dieser nichts davon, denn er ließ sich ohne einen Zwischenfall in einen der Gästeräume tragen. Dort bettete Silva ihn auf weiche Kissen, mit welchen der Schlafplatz des Raumes ausgestattet war.
Eine Bedienstete wartete vor dem Raum.
„Bitte bringe mir noch Wasser, Verband und Salben“, instruierte Silva sie. „Ach, und noch etwas Brot und Tee für mich.“
Mit einem kurzen Nicken ging die Frau los und kam kurze Zeit später mit den gewünschten Utensilien zurück.
Lara und Sting hatten indessen das Zimmer nebenan bezogen. Die Tür war bereits geschlossen. Silva hörte keinen Laut mehr aus dem Zimmer. Vermutlich waren sie auf der Stelle eingeschlafen. Wer sollte es ihnen verdenken?
„Braucht Ihr noch etwas?“, fragte die Bedienstete.
„Nein, danke. Hab eine ruhige Nacht.“
„Ihr ebenso.“ Sie schloss die Tür.
Auch im Gästezimmer des Fremden wurde es nun ruhig. Ein paar kleine Kerzen, die in Vertiefungen in den Wänden standen, sowie eine Öllampe aus buntem Glas in der Mitte des Raumes spendeten Licht. Es gab zwei Truhen in dem Gästezimmer, ein paar Haken an den Wänden, einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen und die Schlafstelle, mit Kissen und Decken ausgepolstert. Der Raum lag im Inneren des Hauses. Er hatte somit zwar keine Fenster, war aber immer angenehm kühl. Frische Luft drang durch schmale Schächte in das Zimmer, die bis auf das Dach hinaufführten. Kleine Windräder darin sorgten für einen leichten Luftstrom. Die Wände waren geweißt, sodass es trotz der spärlichen Beleuchtung einigermaßen hell war.
Silva setzte sich neben die Schlafstelle. Er vergewisserte sich, dass der Junge auch tatsächlich schlief. Dann gestattete er sich selbst, ein wenig zu ruhen.
Als Wächter konnte er mit einem Teil seiner Sinne aufmerksam bleiben, während die anderen sich erholten.
Die Nacht verlief absolut ruhig.
Am nächsten Morgen war Silva bereits früh wach. Im Haus waren noch keine Geräusche zu hören. Sachte sah er unter die Verbände des noch schlafenden Fremden. Alle Wunden waren bestens verheilt. Er konnte die Verbände abnehmen. Mit dem Wasser aus der Waschschüssel säuberte er die Arme und Beine des Jungen, soweit es ging, ohne ihn umdrehen zu müssen. Er wischte mit dem nassen Schwamm auch über die Haare, die noch voll Dreck und Blut waren.
Sie waren blond.
Ein schönes, sonnengelbes Blond, wenn all der Schmutz erst einmal entfernt war.
Die Augen des Jungen blinzelten.
Silva ging auf Abstand.
Dann öffneten sie sich ganz und sahen Silva an. Sie waren von einem sanften Blau. Himmelblau.
Das war ihm am Abend zuvor gar nicht aufgefallen.
Silva verharrte mitten in der Bewegung, halb damit rechnend, sich gleich verteidigen zu müssen. Aber der Junge blieb ruhig.
Er starrte den Wächter nur weiterhin an.
„Es ist alles okay. Mein Name ist Silva. Du bist in Sicherheit. Verstehst du mich? Kannst du sprechen?“
Ein leises Krächzen drang aus der Kehle des blonden Nephilim, als er versuchte zu antworten.
Silva reichte ihm einen Becher mit Wasser. Mit einer Hand hob er den Kopf des Jungen ein wenig an. Mit der anderen führte er den Becher zum Mund. Der Junge trank einen Schluck.
„Hunger“, brachte er heiser hervor.
„Ich hol dir was.“
Silva legte seinen Kopf sachte wieder auf die Kissen zurück und stellte den Becher zur Seite. Innerlich schalt er sich dafür, dass er nicht umsichtiger gewesen war und gleich Nahrung für den Nephilim besorgt hatte. Er beeilte sich nun, sein Versäumnis wieder gutzumachen.
Es gab zwei Küchen im Haus des Meisters. Die eine war für alle zugänglich, die andere nur für die Nephilim. Die eine enthielt alles, was das Herz beziehungsweise der Magen begehrte. Brote, Trockenfleisch, verschiedene Käse, Obst, Gemüse, Süßgebäck. Was immer der Markt des Tages hergab. Es gab eine kleine, geschützte Feuerstelle, Geschirr, Wasser, Besteck, kurz alles, was zum Zubereiten und Servieren von Speisen benötigt wurde.
Der andere Raum war keine Küche im eigentlichen Sinne. Eher nur eine Steinkammer, die ungewöhnlich kühl im Inneren war. Hier wurde Blut aufbewahrt.
Die Nephilim konnten nicht überleben, ohne fremdes Blut zu sich zu nehmen. Manche kamen Tage lang ohne neues Blut aus. Aber dazu musste der ganze Organismus auf Sparflamme laufen. Weder für Pergamon noch für seine Wächter kam das zurzeit infrage. Sie mussten bei Kräften sein. Daher mussten sie auch jeden Tag neues Blut zu sich nehmen. Und ebenso von dem eigenen abgeben, um den Austausch aufrechtzuerhalten.
Das Schwierige war, das Blut so zu lagern, dass es nicht innerhalb eines Tages verdarb. Die medizinischen Kenntnisse dieses Planeten waren noch lange nicht so weit entwickelt, dass sie dies hätten leisten können. Also hatten sie zusätzlich zur Sicherheit einige Blutkonserven mitgebracht.
Es gab etliche andere Städte, auf anderen Welten, für deren Mediziner es keine Umstände mehr bereitete, Blut so zu verarbeiten, dass es Wochen oder sogar Monate lange seine Konsistenz behielt.