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In den letzten zwanzig Jahren hat Henri Meißner nichts von der Faszination eingebüßt, die er schon in der Schulzeit auf Charlotte ausgeübt hatte. Doch zu ihrem großen Kummer hatte er damals nur Augen für Jennifer.
Als Charlotte ihm jedoch jetzt beim Klassentreffen, ihrem zwanzigjährigen Abi-Jubiläum, gegenübertritt, ist es nicht nur um die inzwischen erfolgreiche Geschäftsfrau und Mutter augenblicklich geschehen.
Auch Henri trifft es wie ein Schlag, und er fragt sich: War Charly schon immer so unfassbar schön? Wo hatte ich nur damals meine Augen?
Doch manchmal entstehen solche großen Gefühle unglücklicherweise zum unpassendsten Zeitpunkt. Denn wovon Henri nichts ahnt: Um Charlottes Hand hat kürzlich bereits ein anderer Mann, ein reicher Adeliger, angehalten! Nun muss sich zeigen, für wen ihr Herz wirklich schlägt ...
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Seitenzahl: 105
Cover
Das Klassentreffen
Vorschau
Impressum
Das Klassentreffen
... und plötzlich sind die aufregenden Gefühle wieder da
Von Claudia von Hoff
In den letzten zwanzig Jahren hat Henri Meißner nichts von der Faszination eingebüßt, die er schon in der Schulzeit auf Charlotte ausgeübt hatte. Doch zu ihrem großen Kummer hatte er damals nur Augen für Jennifer.
Als Charlotte ihm jedoch jetzt beim Klassentreffen, ihrem zwanzigjährigen Abi-Jubiläum, gegenübertritt, ist es nicht nur um die inzwischen erfolgreiche Geschäftsfrau und Mutter augenblicklich geschehen.
Auch Henri trifft es wie ein Schlag, und er fragt sich: War Charly schon immer so unfassbar schön? Wo hatte ich nur damals meine Augen?
Doch manchmal entstehen solche großen Gefühle unglücklicherweise zum unpassendsten Zeitpunkt. Denn wovon Henri nichts ahnt: Um Charlottes Hand hat kürzlich bereits ein anderer Mann, ein reicher Adeliger, angehalten! Nun muss sich zeigen, für wen ihr Herz wirklich schlägt ...
Heute war Sommeranfang, und das Wetter machte ihm tatsächlich alle Ehre – es herrschte strahlender Sonnenschein.
Schaute man aus dem Fenster des Büros, blickte man auf eine Allee schöner alter Ahornbäume. Die frischen, grünen Blätter waren eine Wohltat für das »computergestresste« Auge.
Es war Freitagnachmittag, und Charlottes Mitarbeiter schienen alle in Hochstimmung zu sein, weil das Wochenende vor der Tür stand. Jeder freute sich auf die bevorstehenden freien Tage – nur sie nicht ...
Seit ihrem Studienabschluss war sie bei dieser großen Versicherungsgesellschaft tätig. Und vor sechs Jahren hatte man ihr eine leitende Funktion übertragen, der sie sich mit großem Engagement widmete.
Charlotte war eine sehr attraktive Frau. Sie trug das dunkelblonde Haar modisch kurz. Dass sie gerade ihren achtunddreißigsten Geburtstag gefeiert hatte, vermutete niemand bei ihrer tadellosen Figur, die sie jugendlich und zugleich damenhaft wirken ließ.
Charlotte war bei ihren Mitarbeitern beliebt. Man schätzte ihre fachliche Kompetenz und ihre Entscheidungsfreudigkeit in schwierigen Situationen.
Bis auf ihre Sekretärin hatten sich bereits alle Mitarbeiter verabschiedet.
Und nun steckte auch Frau John den Kopf durch die Tür und sagte mit dem für sie typischen Lächeln: »Na dann, Frau König, ein schönes und erholsames Wochenende! Machen Sie auch bald Schluss.«
»Danke, Frau John, das wünsche ich Ihnen ebenfalls!«, erwiderte Charlotte freundlich. »Es war wirklich eine turbulente Woche. Bekommen Sie denn wieder Besuch von Ihren Kindern?«
»Ja.« Frau John nickte und atmete dabei tief durch. »Morgen kommen sie. Ich habe heute noch alle Hände voll zu tun mit den Vorbereitungen.«
Die beiden Frauen arbeiteten schon seit Jahren zusammen und schätzten sich gegenseitig. Oft genug hatte Charlotte aufseufzend festgestellt: »Was würde ich nur ohne Sie machen, Frau John?«, wenn diese wieder mal in ihrer ruhigen, aber energischen Art dafür gesorgt hatte, dass ihre Chefin ungestört eine dringende Terminsache erledigen konnte.
Lächelnd reichten sich die beiden zum Abschied die Hände.
Niemand konnte Charlotte anmerken, wie ihr heute tatsächlich zumute war. Sie wirkte wie immer – topfit! Aber eine Unzufriedenheit, die sie sich selbst nicht erklären konnte, brannte in ihr. Was war los mit ihr? Sie hatte doch beruflich alles erreicht, was sie wollte. Finanziell ging es ihr blendend.
Und dennoch fragte sie sich in letzter Zeit immer öfter: Sollte das wirklich schon alles gewesen sein?
♥♥♥
Gedankenverloren räumte Charlotte nun auch ihren Schreibtisch auf, schlüpfte in den hellen Blazer und griff nach ihrer weißen Ledertasche eines angesagten Labels.
Im Gegensatz zu allen anderen verließ sie sehr langsam das Büro – wie jemand, der nichts zu versäumen hatte ...
Während sie in ihrem Auto saß und sich durch den Feierabendverkehr kämpfte, schimpfte sie mit sich selbst: »Sei nicht so undankbar. Du hast doch gar keinen triftigen Grund für diese negative Stimmung! Was beschwerst du dich? Du hattest doch Gelegenheit, den Zustand zu ändern – und hast es nicht getan!«
Wahrscheinlich hing ihr »Seelenzustand« aber auch damit zusammen, dass Pauline heute Morgen eine Radtour nach Holland angetreten hatte. Ihre achtzehnjährige Tochter war mit ihrer Abiturklasse unterwegs und wollte in etwa vier bis fünf Wochen wieder zu Hause sein.
Zum Abschied hatte Pauline übermütig gesagt: »Nun mach es dir ordentlich gemütlich, Mami, und genieß die Zeit ohne mich!«
Das war natürlich nur Spaß gewesen, denn Pauline wusste genau, dass ihre Mutter sie sehr vermissen würde.
Um keine Traurigkeit beim Abschied aufkommen zu lassen, war Charlotte auf den locker-heiteren Ton eingegangen.
»Ich werde mich von dir, Quälgeist, erholen – das wird mir guttun! Du wirst staunen! Wenn du heimkommst, erkennst du mich gar nicht wieder – zehn Jahre jünger werde ich aussehen!«
»Aber Mama, das tust du doch jetzt schon! Wo soll das enden? Zum Schluss hält man dich noch für meine Schwester!«
Da hatten sie beide gelacht und sich umarmt.
»Pass gut auf dich auf, meine Süße«, hatte Charlotte noch einmal zum Abschied ermahnt. »Und viel Spaß! Es wird bestimmt eine schöne Zeit für dich. Du hast sie dir auch redlich verdient!«
Pauline war ihr ganzer Stolz, und Charlotte liebte sie von ganzem Herzen. Seit acht Jahren lebte sie allein mit ihrer Tochter, und sie stellte immer wieder fest, wie viel Freude sie ihr machte.
Ihr Abitur hatte Pauline mit einem sehr guten Durchschnitt absolviert, und im Herbst würde sie ihr Studium an der Technischen Universität aufnehmen.
Sie hatten beide oft und lange diskutiert, welche Studienrichtung infrage käme, aber ein abschließendes Ergebnis hatten sie nicht gefunden.
Bis Pauline eines Tages zu ihr gekommen war und strahlend verkündet hatte: »Jetzt habe ich mich endgültig entschieden, Mama! Ich werde Wirtschaftsmathematik studieren! Patrick hat sich ebenfalls zu diesem Studium entschlossen.«
Ja, was hatte sie da noch sagen sollen?
Schon zu Paulines achtzehntem Geburtstag war Charlotte aufgefallen, dass die beiden sich nicht gleichgültig zu sein schienen. Sie hatten immer so ein gewisses Leuchten in den Augen, wenn sie sich anschauten, und das konnte einer Mutter natürlich nicht verborgen bleiben.
Seitdem waren Pauline und Patrick unzertrennlich. Es war schwer zu deuten, wer nun wen inspiriert hatte oder ob sich tatsächlich beide gleichermaßen für diese Studienrichtung begeisterten.
So war Charlotte gar nichts anderes übrig geblieben, als letztlich den Plan ihrer Tochter zu akzeptieren.
»Ich kann dir nur wünschen, Pauli, dass es die richtige Entscheidung ist. Mathe war ja schon immer deine Stärke, und das ist in jedem Fall eine wichtige Voraussetzung.«
♥♥♥
Während Charlotte sich gedanklich so intensiv mit ihrer Tochter beschäftigt hatte, war sie ihrem Ziel zusehends näher gekommen.
Nun parkte sie ihren roten Wagen in der Tiefgarage und fuhr mit dem Fahrstuhl in die vierte Etage hoch, in der ihre schöne, komfortable Dreizimmerwohnung lag.
Charlotte schloss die Wohnungstür auf, zog den Blazer aus und streifte die weißen, hochhackigen Pumps ab. Danach ging sie ins Bad, machte sich frisch und kam in bequemem T-Shirt und schicker Jeans wieder heraus.
Gerade in diesem Moment läutete das Telefon. Sie nahm den Hörer ab und hörte die vertraute Stimme ihrer Freundin, die in Hamburg lebte.
»Hallo, Charly, hier ist Sonja! Grüß dich!«
Erfreut antwortete Charlotte: »Sonja! Schön, dass du dich meldest. Ich wollte dich am Wochenende ohnehin mal anrufen!«
»Zwei Seelen, ein Gedanke, was? Ja, das ist Freundschaft«, erwiderte Sonja vergnügt.
Charlotte spürte, wie sich ihre Stimmung zusehends besserte, und das sagte sie auch.
»Weißt du, Sonja, dein Anruf ist genau die erfreuliche Botschaft, die ich gebraucht habe, um aus meinem Stimmungstief herauszukommen.« Erläuternd fügte sie hinzu: »Pauline ist heute auf Klassenfahrt gegangen, und ich fühle mich irgendwie einsam und verlassen, direkt scheußlich!«
Sonja hatte volles Verständnis für ihre Freundin und meinte: »Na siehst du, dann ist diese Nachricht jetzt für dich genau richtig: Charly, du darfst dich freuen. Unser Abi-Jubiläum findet statt, und es kommt noch besser. Es kann genau am zwanzigsten Jahrestag gefeiert werden! Morgen wirst du vermutlich bereits die offizielle Einladung erhalten. Ist das nicht toll?«
Die beiden Freundinnen plauderten noch eine ganze Weile miteinander. Zum Schluss versprachen sie sich, ein paar Tage vor dem Klassentreffen noch mal zu telefonieren, um Charlottes Ankunft in Hamburg genau abzustimmen. Es war natürlich klar, dass sie während dieser Tage bei Sonja und deren Mann wohnen würde.
Charlotte war ihrer Freundin dankbar, dass diese sie heute mit dieser erfreulichen Botschaft überrascht hatte. Eine ungeheure Vorfreude kam in ihr auf, und sie fühlte sich plötzlich direkt beschwingt.
♥♥♥
Das muss ich Gabi erzählen, dachte Charlotte, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, und machte sich auch gleich auf den Weg zu ihr.
Gabi wohnte mit ihrem Mann und den beiden Kindern zwei Etagen tiefer. Die Frauen kannten sich nun schon viele Jahre und waren enge Freundinnen geworden.
Sie läutete kurz, und wenige Augenblicke später öffnete sich die Tür.
»Grüß dich, Charly, komm rein!«, wurde sie von Gabi erfreut in Empfang genommen.
»Hallo, Gabi! Bist du allein?«
»Ja, bin ich. Uwe kommt heute erst später nach Hause.« Mit einem Blick zum Kinderzimmer erklärte sie: »Franzi spielt drüben, und Kay ist bei seinem Freund. Hast du etwas Bestimmtes auf dem Herzen?«
»Ach, weißt du, ich habe gerade eine Neuigkeit erfahren, die ich dir unbedingt erzählen muss«, antwortete Charlotte strahlend.
Von ihrer schlechten Stimmung war nichts mehr erkennbar.
»Warte einen Moment. Ich mache uns schnell einen Cappuccino, dann können wir uns in Ruhe unterhalten.«
Mit diesen Worten eilte Gabi in die Küche und kam kurze Zeit darauf mit dem verführerisch duftenden Cappuccino zurück.
»So, nun erzähl: Was gibt's Neues? Du siehst ja ganz happy aus!«
»Bin ich auch – ich freue mich so! Stell dir vor, meine Schulfreundin aus Hamburg hat vorhin angerufen und mir mitgeteilt, dass unser Abitreffen tatsächlich stattfindet. Wenn ich daran denke, dass ich die alten Klassenkameraden von damals bald wiedersehen werde, fühle ich mich direkt wieder jung!«
»Na hör mal, das klingt ja gerade so, als ob du dich sonst alt fühlst mit deinen achtunddreißig Jahren!«
Nun reagierte Charlotte eine Spur ernster als bisher.
»Um ehrlich zu sein, Gabi, so geht es mir zurzeit wirklich. Ich weiß nicht, was das ist. Es wird doch nicht bereits die berüchtigte Midlife-Crisis sein? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mir in meinem Leben etwas fehlt.«
»Mit einem Wort, dir fehlt ein Mann! Denn alles andere hast du – beruflichen Erfolg, ein gutes Einkommen und eine wunderbare Tochter!«
Ohne sich durch den wütenden Blick ihres Gegenübers irritieren zu lassen, brachte Gabi ihren einmal begonnenen Gedankengang zu Ende: »Glaub mir, diese Dinge sind nicht alles im Leben. Du solltest mal ernsthaft darüber nachdenken. Lass dir das von deiner guten Freundin sagen.«
Mit einem wehmütigen Lächeln erwiderte Charlotte: »Ich habe eben kein Glück in der Liebe ...«
Gabi wusste genau, wovon Charlotte sprach. Sie hatte das Drama mit Charlottes nach zehn Jahren gescheiterter Ehe hautnah miterlebt.
Blutjung waren Charlotte und Bernd damals gewesen. Beide hatten noch studiert, als Charlotte schwanger geworden war ...
Zum Glück hatte sie nicht gerade arme Eltern, sodass sie finanziell jegliche Unterstützung erhalten hatte. Damals hatten die Eltern dem jungen Paar die Eigentumswohnung hier gekauft, und da sie selbst nur zwei Querstraßen weiter wohnten, hatte besonders die Mutter sich rührend um das Kind gekümmert, sodass Charlotte ihr Studium hatte beenden können.
»Ich werde es nie vergessen, als du damals – weiß wie eine Wand – vor mir gestanden und gesagt hast, dass Bernd dich wegen einer anderen Frau verlassen will«, sagte Gabi leise.
»Ja«, antwortete Charlotte, »das war auch der schwärzeste Tag in meinem Leben! An diesem Tag habe ich mir geschworen, mich nie mehr in meinem Leben zu verlieben. Niemals mehr sollte mir ein Mann so wehtun können, wie Bernd es getan hatte. Ich habe ihn damals gehasst und ihm alles Schlechte gewünscht.«
In ihren Augen stand noch immer etwas von dem Schmerz, den sie damals empfunden hatte.
»Aber«, fuhr sie fort, »es ist eigenartig: Mit Abstand betrachtet, nehmen nach einer Weile die meisten Gefühle an Intensität ab. Das ist wohl auch mit der Liebe so – und mit dem Hass.«
Gabi blieb still und ließ sie weiterreden, ohne sie zu unterbrechen.
»Im Grunde ist nur Gleichgültigkeit übrig geblieben«, stellte Charlotte fest. »Fast ein Jahrzehnt habe ich mit Bernd verbracht, und ich müsste lügen, wenn ich behaupten wollte, dass es schlechte Jahre gewesen sind. Nein, das würde einfach nicht stimmen. Wir waren beide wahnsinnig verliebt ineinander. Pauline hat dann unser Glück vollkommen gemacht, obwohl alle gesagt haben, dass wir noch zu jung wären. Wahrscheinlich waren wir es wirklich, denn – trotz aller Unterstützung – waren die ersten Jahre natürlich nicht ganz einfach. Umso unverständlicher war es für mich, dass Bernd sich einer anderen Frau zugewandt hat, nachdem wir es geschafft hatten. Unser Leben hatte zu diesem Zeitpunkt gerade begonnen, in ruhigen und sicheren Bahnen zu verlaufen ...«
»Vermutlich war eben das sein Problem«, unterbrach Gabi die Freundin. »Es gibt nun einmal Menschen, die sich nur wohlfühlen, wenn immer etwas Neues und Aufregendes in ihrem Leben geschieht. Und genau das ist nach zehn Jahren Zusammenleben selten der Fall. Vielleicht hatte Bernd das Gefühl, etwas versäumt zu haben, und wollte es nun nachholen.«