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Das größte Glück ihres Lebens stürzt die hübsche Baroness von Mering gleichzeitig in tiefste Verzweiflung. Der Mann, den sie über alles liebt, bittet um ihre Hand, aber nun muss sie ihm gestehen, welch dunkles Geheimnis Schloss Mering birgt. Schon einmal wandte sich ein Verehrer, der zunächst ernste Absichten bei ihr verfolgte, jäh von ihr ab, als er die bittere Wahrheit erfuhr.
Im Vertrauen darauf, dass der geliebte Vater gewiss einen Ausweg aus der Misere weiß, bittet Baroness Elke ihn um Rat. Das Gespräch mit ihm verläuft jedoch ganz anders als erwartet. Anstatt ihr einen Hoffnungsschimmer aufzuzeigen, legt der Baron vor seiner Tochter eine Lebensbeichte ab, die Elkes junges Leben bis in die Grundfesten erschüttert und ihr den Boden unter den Füßen wegzieht ...
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Seitenzahl: 134
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Das Geheimnis von Schloss Mering
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Impressum
Das Geheimnis von Schloss Mering
Baroness Elke ringt mit dem Schicksal
Das größte Glück ihres Lebens stürzt die hübsche Baroness von Mering gleichzeitig in tiefste Verzweiflung. Der Mann, den sie über alles liebt, bittet um ihre Hand, aber nun muss sie ihm gestehen, welch dunkles Geheimnis Schloss Mering birgt. Schon einmal wandte sich ein Verehrer, der zunächst ernste Absichten bei ihr verfolgte, jäh von ihr ab, nachdem er die bittere Wahrheit erfuhr.
Im Vertrauen darauf, dass der geliebte Vater gewiss einen Ausweg aus der Misere weiß, bittet Baroness Elke ihn um Rat. Das Gespräch mit ihm verläuft jedoch ganz anders als erwartet. Anstatt ihr einen Hoffnungsschimmer aufzuzeigen, legt der Baron vor seiner Tochter eine Lebensbeichte ab, die Elkes junges Leben bis in die Grundfesten erschüttert und ihr den Boden unter den Füßen wegzieht ...
»Für heute machen wir Schluss, Fräulein Borchers.«
Christian Baron von Mering strich sich mit der Hand über die Stirn, eine Geste, die Erschöpfung ausdrückte.
Zwei Stunden lang hatte er seiner Sekretärin diktiert. Die Verwaltung des umfangreichen Besitzes nahm den Gutsherrn sehr in Anspruch.
Helga Borchers raffte Block, Bleistift und Unterlagen an sich und ging mit einem freundlichen Gruß hinaus. Das Zimmer, in welchem sie arbeitete, lag am Ende des Korridors, der in dem geräumigen Herrenhaus von Gut Mering linker Hand von der Halle abzweigte.
Hier schloss die dreißigjährige Sekretärin, eine unscheinbare Frau, die nach allerlei Enttäuschungen auf Gut Mering eine Zuflucht gefunden hatte, ihre Utensilien in den Schrank, zog die Haube über die Schreibmaschine und löschte das Licht.
Ihr Zimmer lag im Dachgeschoss und war gemütlich eingerichtet. Sie freute sich auf den ruhigen Abend. Doch zuvor stieg sie noch in die Küche hinunter, die im Souterrain des Herrenhauses lag. Die Köchin Amanda hielt meist irgendeinen Leckerbissen für sie bereit.
»Nun, wie steht es heute oben?«, wollte Amanda wissen. Sie legte großen Wert darauf, immer über alle Vorgänge im Haus orientiert zu sein.
»Der Baron hat wie ein Besessener gearbeitet«, erwiderte Helga Borchers. »Ich habe den Eindruck, dass er sich mit der Arbeit betäuben will. Er tut mir leid, Amanda.«
»Mir auch. Schwester Luzie war vorhin hier und sagte, dass es der gnädigen Frau heute wieder besonders schlecht geht.«
»Es ist ein Kreuz«, murmelte die Sekretärin, nahm ihren Teller mit dem Abendimbiss und ging zur Tür.
»Ein schweres Schicksal hat das Leben des Barons und seiner Tochter bestimmt.« Amanda nickte und widmete sich wieder ihren Töpfen auf dem Herd.
Es war an einem Februarabend gegen halb sieben Uhr. Vor dem Portal des Gutshauses brannten die beiden Laternen, die die Auffahrt erhellten. In den kahlen Ästen der Parkbäume säuselte der Wind.
Christian Baron von Mering war rechtschaffen müde und sehnte sich nach einem ruhigen Feierabend. Er verschloss seinen Schreibtisch und zog den Schlüsselbund ab. Dann öffnete die Tür zur Halle und trat aus seinem Arbeitszimmer.
Sein Vater hatte das schlossähnliche Gutshaus vor etwa fünfzig Jahren erbaut, als Christian, sein einziger Sohn, drei Jahre alt gewesen war.
Im Erdgeschoss lag neben dem Salon das Speisezimmer, und mit dem Letzteren war das Rauchzimmer durch eine Schiebetür verbunden. Dahinter waren dann noch der Musiksalon mit dem Flügel und ein Gartensaal in einem flachen, lang gestreckten Anbau. Der Gartensaal war zum letzten Mal bei Elkes Konfirmation benutzt worden, um die vielen Gäste unterzubringen.
Das nächste Fest wird sicherlich die Verlobung meiner Tochter sein!, dachte der Baron.
Im Obergeschoss gab es sechs Zimmer. Eines gehörte dem Baron, eines seiner Tochter, zwei Zimmer waren für etwaige Gäste bestimmt. Zwei Badezimmer trennten diese vier Zimmer von den zwei anderen am Ende des langen Korridors. Der eine Raum war das Schlafzimmer der Pflegerin, und in dem abgelegenen einzelnen Zimmer lebte die Kranke.
Baron Christian öffnete die Tür zum Rauchzimmer, knipste kurz das Deckenlicht des schweren Kronleuchters an und sofort wieder aus, als er die Stehlampe mit dem gelben Schirm eingeschaltet hatte. Darauf ließ er sich in den Sessel fallen und stieß einen tiefen Seufzer aus.
Die Tür zur Halle, durch die er eben eingetreten war, öffnete sich noch einmal. Eine schlanke, hochgewachsene Frauengestalt trat lautlos ein.
Das schmale, edel geschnittene Gesicht war von dunkelblondem Haar weich und anmutig umrahmt. Ein schlichtes dunkelblaues Wollkleid, dessen einziger Schmuck ein weißer Kragen und einige weiße Knöpfe bildeten, unterstrich die Haltung dieser reifen Frau. Graue Augen mit ausgesprochen klugem Blick sahen dem Baron freundlich entgegen.
Sie legte eine Tageszeitung auf die Platte des Rauchtisches.
»Ich hatte dir deine Zeitung entführt, Christian. Entschuldige! Hier hast du sie wieder.«
»Danke, Luzie. Wie geht es ihr? Hattest du einen ruhigen Tag?«
»Völlig ruhig. Sie ist stiller denn je.«
Er nickte vor sich hin und griff nach dem Lokalblatt. Schwester Luzie ging wieder hinaus.
Ein paar Minuten nachdem ihre Schritte verklungen waren, hörte der Baron erneut Schritte, diesmal auf der Treppe. Er hob lauschend den Kopf und warf einen Blick auf die altmodische, hohe Standuhr neben dem Bücherschrank.
Es war neunzehn Uhr. Das musste seine Tochter sein, die nach Hause gekommen war.
Er hatte ihren Wagen nicht kommen hören. Wahrscheinlich war sie gleich in den Wirtschaftshof und in die Garage gefahren.
Baron Christian hatte die Zeitung sinken lassen, denn er wusste, dass seine Tochter jetzt gleich eintreten würde. Jeden Abend plauderte sie vor dem Essen mit ihm über die Tagesereignisse. Darauf freute er sich immer, denn er liebte sie sehr.
♥♥♥
Da trat Baroness Elke auch schon ein. Sie war mittelgroß und bildhübsch und dem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Auch sie hatte braunes Haar, braune Augen und ein energisches Kinn, allerdings schmaler als das des Barons.
»Guten Abend, Papa«, grüßte Baroness Elke und reichte ihm die Hand. Sie beugte sich zu dem Sitzenden hinab und küsste leicht seine Wange. Dann hielt sie ihm die ihre hin, um auch einen Kuss zu empfangen.
»Na, Mädelchen, wie geht's? Setz dich ein bisschen zu mir!«, bat der Vater, der mit seinen dreiundfünfzig Jahren noch sehr jugendlich wirkte.
»Du weißt ja, dass ich nichts lieber tue als das.« Lächelnd sank er in den Sessel ihm gegenüber.
Er betrachtete sie forschend. Ihr Gesicht sah heute ernst aus, beinahe sorgenvoll. Ihren Augen fehlte das heitere Glänzen, das er sonst so an ihnen liebte.
»Hast du Ärger gehabt?«, erkundigte er sich.
»Wie kommst du darauf?«
»Du scheinst mir etwas bedrückt, Elke.«
»Wie du mich kennst, Papa!«
»Also, was ist es? Vielleicht kann ich helfen.«
»Darf ich eine Zigarette rauchen?« Ihre schlanken Finger öffneten schon den silbernen Zigarettenkasten, der auf der Platte des Rauchtisches stand.
»Bitte. So schlimm ist es?«
»Ach, ich fühle mich abgespannt und ratlos.«
Baron Christian umfing seine einzige Tochter mit einem liebevollen Blick und wartete darauf, dass sie fortfuhr.
»Weißt du, ich habe Ursula getroffen, Ursula von Moorbach. Seit der Party damals bei ihr habe ich sie nicht mehr gesehen. Und ich habe mit ihr über Kurt gesprochen.«
»Kurt von Brandau?«
»Ja. Du weißt ja, dass er sich für mich interessierte. Schließlich sind wir fast drei Monate miteinander gegangen, nicht wahr?«
»Ich weiß, mein Kind. Er hatte uns ja auch einen Besuch gemacht.«
»Ja, aber nur diesen einen. Und dann kam er niemals wieder. Ganz allmählich zog er sich von mir zurück. Ich konnte das nicht verstehen, Papa.«
Baroness Elke zog nervös an ihrer Zigarette.
»Ist es dir so nahegegangen, Elke? Ich meine, bedeutete er dir so viel?«
»Gott, was heißt schon nahegegangen! Es hat mich geärgert, weil er mich so einfach abschob, weißt du. Zuerst hat er ein paar Verabredungen abgesagt. Dann hat er sich verleugnen lassen, und endlich rief er gar nicht mehr an. Da habe ich es dann auch gelassen. Ich laufe einem Mann schließlich nicht nach.«
»Nein, Elke, das hast du nicht nötig«, sagte ihr Vater lächelnd. »Du bist ein hübsches Mädchen, das noch tausend andere bekommen kann.«
»Davon bin ich nach dem, was mir Ursula heute gesagt hat, nicht ganz so überzeugt, Vater.«
»Nanu. Wie kommt denn das?«
»Sie sagte, es wäre wegen Mutti.«
»Wegen Mutti?«
»Ja! Ursula hat mit Kurt darüber gesprochen, dass er sich so plötzlich von mir zurückzog. Ich bin ja schließlich ihre beste Freundin. Wenn unser Verhältnis seit der Schulzeit auch nicht mehr ganz so eng ist.«
Das war verständlich, da sie nun ganz unterschiedlichen Beschäftigungen nachgingen. Baroness arbeitete als Übersetzerin englischer Romane, und Ursula ging ihrer Muter im Haushalt zur Hand.
»Ulrike hat also deinetwegen mit Kurt von Brandau gesprochen?«
»Ja, das hat sie. Und da hat er ihr die Gründe gesagt.«
»Ich bin gespannt.« Der Baron gab sich Mühe, seinen Ton leicht und gelassen klingen zu lassen, aber das gelang ihm nicht ganz. Der Ausdruck von Sorge und Ratlosigkeit war jetzt auch in seinem Gesicht.
»Kurt hat mich also zuerst sehr gern gemocht und auch gedacht, dass ich die Frau fürs Leben sein könnte. Er hat wirklich ans Heiraten gedacht! Er meinte, dass für den Erben von Gut Brandau, das nicht besonders groß und ertragreich ist, eine Verbindung mit der Erbin von Gut Mering gerade richtig wäre.«
»Wahrscheinlich hat er dabei mit einer guten Aussteuer und diesem Besitz gerechnet, den du einmal erben wirst«, sagte ihr Vater ironisch. »Ich hatte gleich den Eindruck, dass er gut rechnen kann.«
»Das mag ja alles sein, Papa! Vielleicht hätten wir gar nicht zueinandergepasst, weil er zu wenig Gefühl hat. Aber darum geht es jetzt nicht. Es geht um die Gründe, die ihn bewogen haben, die Beziehung zwischen uns plötzlich abzubrechen.«
»Lass hören, Elke.«
»Es ist also wegen Mutti. Er hat sie gesehen, als er uns besuchte. Wir haben ihn zu ihr geführt, aber sie hat kaum Notiz von ihm genommen. Du weißt ja, wie sie ist. Völlig apathisch und mit ihren Gedanken unerreichbar weit weg. Kurt war entsetzt. Ursula hat ihm erzählt, dass Schwester Luzie sie füttern muss und dass du seit Jahren nichts weiter für sie tun kannst, als für ihr Wohl zu sorgen. Ach, Papa, du und ich, wir sind daran gewöhnt. Ursula weiß es auch seit unserer gemeinsamen Schulzeit nicht anders, als dass ich eben eine kranke Mutter habe.«
»Ja, mein Kind.«
»Auf Kurt aber hat es abschreckend gewirkt. Er soll zu Ursula gesagt haben, schließlich handele es sich bei Muttis Leiden um eine Geisteskrankheit, die erblich sei, und es bestünde durchaus die Gefahr, dass auch ich eines Tages so werden würde. Und darum wolle er nichts mehr mit mir zu tun haben. Verstehst du das?«
Sie hatte sich während dieser langen Rede erregt und drückte nun mit bebenden Fingern ihre Zigarette im Aschenbecher aus. Ihre schönen braunen Augen sahen den Vater flehend an.
»Du musst mir jetzt die Wahrheit sagen, Papa! Ist das wirklich so? Ist diese Krankheit erblich, und könnte auch ich einmal so werden wie Mutti? Zum Beispiel nach der Geburt eines Kindes?«
Baron Christian hatte während des Berichts seiner Tochter Zeit gehabt, sich gegen die Panikstimmung zu wappnen, die sich in seinem Innern ausbreiten wollte, und sich eine Entgegnung zurechtzulegen, die er möglichst ruhig und überlegen vortragen wollte.
»Dieser junge Mann übertreibt maßlos«, sagte er und versuchte seiner Stimme Festigkeit zu geben. »Ich muss schon sagen, das zeugt von wenig Liebe. Wenn er jetzt ein Mädchen wählt, in dessen Verwandtschaft es nachweislich keine Krankheit gibt, die erblich ist, und nach zwei, drei Ehejahren erkrankt seine Frau dann plötzlich an Leukämie oder bekommt einen Hirntumor, was dann? Glaub mir, eine Versicherung gegen Schicksalsschläge und Krankheiten gibt es nicht.«
Er erregte sich, denn er zürnte diesem Kurt von Brandau, der seiner Tochter eine tiefe Wunde zugefügt hatte.
»Du hast recht, Papa.« Baroness Elke nickte und faltete die Hände. »Sehen wir einmal von Kurt ab, der mich wahrscheinlich nicht wirklich geliebt hat! Wie steht es aber um die Vererbung dieser Krankheit? Ich will es ganz genau wissen!«
Sie ließ nicht locker. Er kannte sie und wusste, dass sie beharrlich war. So verbissen, wie sie jetzt um dieses Problem rang, hatte sie sich früher auf ihre Aufgaben gestürzt und ein gutes Abitur gemacht.
Auf der Sprachenschule war Elke die beste Schülerin gewesen, und bei dem Verlag, für den sie Romane übersetzte, weil es ihr Spaß machte und sie ein eigenes Einkommen haben wollte, war man sehr zufrieden mit ihr.
Baron Christian stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Deine Mutter war das Kind einer Verwandtenehe. Cousin und Cousine hatten geheiratet und ihr also ziemlich die gleichen Erbanlagen mitgegeben. Das ist ein nicht ungefährliches Unterfangen, und nicht ohne Grund riet man lange Zeit von einer solchen Bindung ab. Oft geht das gut. Es kann aber auch nicht gut gehen, und die Folge ist dann meist eine unheilbare Geisteskrankheit der Nachkommen.«
Wie gebannt hörte die Baroness ihm zu.
»Als ich deine Mutter kennenlernte, war sie ein bezauberndes Geschöpf, bildhübsch und hochintelligent. Sie studierte und wollte Kinderärztin werden. Ich hatte also allen Grund anzunehmen, dass es sich bei ihr um einen jener Fällen handelte, wo ...«
»... es eben gut gegangen ist«, vollendete Elke den Satz. »Das verstehe ich. Du liebtest sie und hattest Mut. So hast du sie eben geheiratet.«
»Mut? War es wirklich Mut?« Baron Christian dachte zurück und schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich war einfach bis über beide Ohren in Marion verliebt und machte sie deswegen zu meiner Frau. Gedacht habe ich wohl dabei nicht allzu viel.«
Er lächelte versonnen in der Erinnerung an jenes ferne Glück.
»Das ist es«, sagte er leise und weich, »was ich deinem Kurt vorwerfe. Er hat mir zu viel mit dem Verstand geliebt.«
Mit einer gewissen Rührung betrachtete Elke ihren Vater. Sie war ihm zugetan, und er tat ihr außerdem sehr leid.
Mit welcher Tapferkeit trug er doch sein schweres Schicksal! Es war keine Kleinigkeit, eine geisteskranke Frau zu haben.
»In deiner Mutter schlummerte der Keim zu der furchtbaren Krankheit«, fuhr er fort. »Schon als sie dich erwartete, war sie anders als andere Frauen. Oft leiden Frauen in der Schwangerschaft an starken Stimmungsschwankungen, doch deine Mutter bekam eine schwere Depression. Sie war überzeugt, sterben zu müssen, malte sich ständig einen furchtbaren Tod aus und wollte ihrem Leben lieber vorher ein Ende bereiten. Wir mussten sie regelrecht bewachen, damit sie sich nichts antat.«
»Und da wusstest du, was das bedeutete, nicht wahr?«
»Nein, ich wusste es nicht. Das heißt, ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Ich sagte mir, dass ihre psychischen Leiden nach der Entbindung wieder vergehen würden. Sie waren ja mit ihrer Schwangerschaft gekommen, und so mussten sie auch mit ihrem Ende wieder verschwinden, redete ich mir ein.«
»Es muss entsetzlich für dich gewesen sein, als du entdecktest, dass ihr Leiden keineswegs verschwand.«
»Ja, ich dachte, die Welt müsste einstürzen. Ich war wie vernichtet. Nach deiner Geburt verfiel deine Mutter in vollkommene Umnachtung. Sie glaubte, noch immer schwanger zu sein und suchte weiterhin den Tod, um einer grässlichen Entbindung zu entgehen. Und so ist es bis heute geblieben.«
Erneut seufzte der Baron tief.
»Wie oft habe ich mir Vorwürfe gemacht, Elke! Sie hätte nie ein Kind bekommen dürfen. Diese Belastung war zu viel für sie. Aber ich kannte sie nicht genug. Sie wirkte so absolut gesund und normal. Wer konnte denn damit rechnen? Ach, es war schrecklich!«
Baroness Elke beugte sich in ihrem Sessel vor.
»Und genauso könnte es mir auch ergehen, nicht wahr?«
»Warum sollte es? Ich bin dein Vater, ein vollkommen gesunder Mann, Elke, und deine Mutter und ich sind nicht verwandt.«
Elke sprang auf und ging durch das Zimmer, stellte sich vor das Fenster und schaute in den regnerischen Februarabend hinaus.
»Das bedeutet dennoch, dass Kurt letzten Endes recht gehabt hat mit seinen Befürchtungen, Vater. Es heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass es gut gehen kann oder auch eben nicht. Dass ich gesund bleiben, aber auch krank werden kann. Alles ist möglich bei diesen Anlagen, und unter Umständen könnte es mir, wenn ich ein Kind erwarte, genauso ergehen.«
»Elke, bitte! Sprich nicht so! Es zerreißt mir das Herz!«
»Um dich geht es nicht, Vater!« Sie drehte sich um und sah ihn mit flammendem Blick an. »Es geht um meine Zukunft. Kannst du die Verantwortung dafür übernehmen, dass ich gesund bleibe?«
Vor diesem Blick gab es kein Ausweichen. Er senkte den Kopf und seufzte schwer.