Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 671 - Claudia von Hoff - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 671 E-Book

Claudia von Hoff

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Beschreibung

Als die zweiundzwanzigjährige Barbara Strohmeier den knapp zehn Jahre älteren Richard von Bernsdorff kennenlernt, ist es für sie Liebe auf den ersten Blick. Der überaus attraktive, zuvorkommende und dabei ernste Mann berührt ihr Herz auf eine nie gekannte Weise, und dem Baron ergeht es mit ihr offenbar ebenso. Die beiden verbringen unvergessliche Tage in Richard von Bernsdorffs prachtvollem Gutshaus, umgeben von der blühenden Heidelandschaft und einem warmen Sommerduft. Doch der Baron verbirgt ein Geheimnis vor Barbara, das in einer unheilvollen Stunde mit dramatischer Wucht über sie hereinbricht, und in diesem Moment scheint das Glück des Paares für immer verloren ...


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Inhalt

Cover

Wenn abends die Heide träumt

Vorschau

Impressum

Wenn abends die Heide träumt

Eine unvergesslich schöne Zeit endet dramatisch

Als die zweiundzwanzigjährige Barbara Strohmeier den knapp zehn Jahre älteren Richard von Bernsdorff kennenlernt, ist es für sie Liebe auf den ersten Blick. Der überaus attraktive, zuvorkommende und dabei ernste Mann berührt ihr Herz auf eine nie gekannte Weise, und dem Baron ergeht es mit ihr offenbar ebenso. Die beiden verbringen unvergessliche Tage in Richard von Bernsdorffs prachtvollem Gutshaus, umgeben von der blühenden Heidelandschaft und einem warmen Sommerduft. Doch der Baron verbirgt ein Geheimnis vor Barbara, das in einer unheilvollen Stunde mit dramatischer Wucht über sie hereinbricht, und in diesem Moment scheint das Glück des Paares für immer verloren ...

Abendstimmung lag über der Heide.

Üppig blühende Ginsterbüsche und bizarr geformte Moorbirken warfen lange Schatten im Licht der untergehenden Sonne. Die warme Sommerluft war erfüllt vom würzigen Duft der Heidekräuter, die die sanft gewellte Landschaft wie mit einem rosafarbenem Teppich bedeckten. Bis an den Horizont sah das Auge nichts als blühendes Heidekraut, vereinzelt stehende Büsche und Bäume, sandige Feldwege, kaum eine Straße und nirgends ein Haus.

In das helle Zwitschern der Lerchen, die hoch hinaufstiegen in die blaue Sommerluft, und in das tiefe Summen der Bienen mischte sich jetzt ein neuer Laut: der dumpfe Schlag von Pferdehufen auf weichem Sandboden.

Eine Kutsche kam den Weg entlang. Es war ein hochrädriges Gefährt, ein offener, altmodischer Einspänner. Der Mann auf dem Kutschbock hatte einige Mühe, das lebhafte Pferd zu lenken, denn immer wieder wollte es ausbrechen und musste mit eiserner Hand zu einer regelmäßigen Gangart gezwungen werden.

»Du bist ein richtiger Satansbraten, Düwel!«, rief der Kutscher lachend. »Du hast zu lange im Stall gestanden, deshalb hast du heute Mucken. Komm weiter, bis zur Straße und dann wieder zurück.«

Düwel spitzte die Ohren, als könnte er die Worte seines Herrn genau verstehen. Er senkte den rassigen Kopf, schnaubte mehrere Male und fiel dann endlich in die von seinem Herrn gewünschte Gangart, einen ruhigen, gleichmäßigen Trab.

»Na also. Warum denn nicht gleich so?« Richard von Bernsdorff lehnte sich lässig zurück und ließ die Zügel jetzt locker.

Der schmale Weg mündete auf eine wenig befahrene Straße. Der Baron wollte gerade seine Kutsche wenden, als er das Geräusch eines näher kommenden Autos hörte. Sofort zog er die Zügel an.

»Ruhig, Düwel.«

Er brachte das Pferd zum Stehen. Sicherlich wäre überhaupt nichts passiert, hätte der Fahrer des Wagens nicht in diesem Augenblick auf die Hupe gedrückt.

Das Tier bäumte sich wiehernd auf, jagte blindlings die Straße entlang, und der Baron hatte alle Hände voll damit zu tun, sein durchgehendes Pferd wieder unter Kontrolle zu bringen.

»Ist ja gut, Düwel. So ein idiotischer Fahrer. Ganz ruhig, Düwel.« Er wendete erneut und fuhr die Straße langsam zurück. Es wunderte ihn, dass der Wagen ihn nicht überholt hatte. Ob er zurückgefahren war? »Um Gottes willen!«

Das Auto war offensichtlich von der Straße abgekommen, gegen einen Baum geprallt und hing mit dem linken Vorderrad tief im Straßengraben.

Richard von Bernsdorff brachte seine Kutsche zum Stehen, sprang mit einem Satz herunter auf die Straße, hatte mit wenigen langen Schritten das verunglückte Auto erreicht und riss die Beifahrertür auf.

»Sind Sie verletzt?«

Die junge Frau hielt das Steuerrad fest umklammert und wandte ihm ihr Gesicht zu. Große blaue Augen starrten ihn verständnislos an. Von Bernsdorff begriff sofort, dass die Fahrerin unter Schockeinwirkung stand.

»Kommen Sie. Geben Sie mir Ihre Hand. So. Und jetzt die andere. Können Sie Ihre Arme um meinen Hals legen? Dann kann ich Sie besser herausziehen. Ja, so geht es.«

Er hatte den schlanken Körper in seine Arme gezogen und ihn mit Leichtigkeit aus dem Unglückswagen herausgezogen. Behutsam stellte er das junge Mädchen auf die Füße, hielt es aber vorsichtshalber noch fest.

»Können Sie stehen? Wollen wir es einmal versuchen?«

Sie nickte, und zögernd gab er sie frei, schob vorsichtshalber aber doch seine rechte Hand stützend unter ihren Ellenbogen, denn sie war verdächtig blass.

»Haben Sie Schmerzen? Sind Sie verletzt?«, fragte er noch einmal mit eindringlicher Stimme.

»Nein«, hörte er sie sehr leise sagen, »nein, es ist alles gut.«

Einen Augenblick lang schloss sie vor Schwäche die Augen, atmete mit zitternden Lippen tief durch und bemühte sich sichtlich um Haltung. Aber es gelang ihr nicht, denn jetzt suchten sich Tränen einen Weg durch die goldenen Wimpern und perlten über ihre schmalen, blassen Wangen.

»Entschuldigung«, stammelte sie, bevor sie die Hände vor ihr Gesicht schlug und bitterlich weinte.

»Weinen Sie ruhig. Vielleicht hilft es Ihnen, den Schock zu überwinden.«

Unter normalen Umständen gab es kaum etwas, was von Bernsdorff so abstieß wie reichlich vergossene Frauentränen. Frauen, die schnell weinten, hielt er für überspannt und hysterisch, und seine Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass dieses Urteil meistens richtig war.

Aber in diesem Fall fühlte er nur Mitleid mit dem jungen Geschöpf, das er erneut an seine Brust gezogen hatte, um es zu trösten. Er fühlte ihre Tränen durch sein Oberhemd hindurch, aber er hielt geduldig still und strich nur hin und wieder behutsam über den bebenden Rücken und die seidenweichen, blonden Haare.

›Helens Haare haben sich früher auch einmal so angefühlt, so weich wie diese Locken. Heute ist Helens Haar wie Cellophan, seit sie es jedes Jahr anders färbt‹, dachte er mit einem Anflug von Wehmut und schüttelte gleichzeitig den Gedanken an seine Frau ab, denn das fremde Mädchen strebte aus seinen Armen fort und schämte sich ganz offensichtlich seiner Schwäche und seiner Tränen.

»Entschuldigen Sie bitte, dass ich mich so gehen ließ.« Sie schlug die Augen nieder und konnte deshalb das verstehende Lächeln im Gesicht des Mannes nicht sehen.

»Es gibt nichts, wofür Sie sich entschuldigen müssen. Außer, dass Sie gehupt haben. Hätten Sie das nicht getan, dann wäre Ihnen einiges erspart geblieben.«

»Ich sah Sie kommen mit Ihrer Kutsche. Und da ich nicht wusste, ob Sie mich gesehen hatten, wollte ich Sie warnen«, verteidigte sie sich, während sie mit betrübter Miene auf ihr Auto blickte.

»Mein Pferd ist sehr geräuschempfindlich. Sehen Sie, wie friedlich es schon die ganze Zeit am Straßenrand steht. Aber wenn es eine Hupe oder gar eine Sirene hört, dann dreht es vollkommen durch. So, ich nehme Sie am besten erst einmal mit mir nach Hause. Und damit Sie wissen, mit wem Sie aneinandergeraten sind, werde ich mich Ihnen erst einmal vorstellen: Bernsdorff ist mein Name, Richard von Bernsdorff.«

Sie hob den Kopf, um ihn anzusehen, denn er war viel größer als sie.

»Ich heiße Barbara Strohmeier. Was mache ich denn nur mit meinem Auto?«

»Das werden wir beide sowieso nicht aus dem Graben ziehen können, Fräulein Strohmeier. Deshalb lassen wir es hier, und sobald wir auf dem Gut sind, werde ich meine Werkstatt benachrichtigen. Gibt es noch etwas, was Sie aus dem Wagen brauchen? Ihre Handtasche?«

Barbara nickte.

»Ja, bitte. Und meinen Skizzenblock.«

Er brachte ihr das Gewünschte, ging mit ihr zu seiner Kutsche und hob sie ohne viele Umstände hinein.

»Sitzen Sie gut?«

»Sehr gut.« Lächelnd blickte sich Barbara um und betrachtete neugierig die Kutsche. »Ich habe noch nie in meinem Leben in einer Kutsche gesessen. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas noch gibt, außer im Museum natürlich und bei vornehmen Hochzeiten.«

Der Mann lachte. Sein herbes Gesicht mit den strengen Zügen wurde dadurch ungemein liebenswert.

»Dann wird es wirklich höchste Zeit. Aber wenn Sie hier in dieser Gegend leben, dann haben Sie doch sicher schon einmal eine Planwagenfahrt durch die Heide gemacht?«

»Nein, bisher noch nicht. Ich wohne noch nicht lange in Hannover.«

»Aus Hannover sind Sie? Und was machen Sie dann hier in dieser gottverlassenen Gegend? Ferien?«

»Nein. Ich hatte heute in Fallingbostel zu tun und wollte auf dem Rückweg am Rand der Heide entlangfahren. Irgendwann habe ich die richtige Abzweigung verpasst und mich gründlich verfahren. Ich weiß überhaupt nicht, wo ich hier bin.«

»Zwischen Hermannsburg und Bergen. Wenn Sie von Fallingbostel kommen, dann haben Sie sich wirklich gründlich verfahren. Nun, das ist nicht schlimm. Sobald wir auf dem Gut sind, kümmere ich mich um Ihren Wagen, und dann werde ich Sie nach Hannover bringen, allerdings nicht mit der Kutsche.«

»Schade, es gefällt mir nämlich sehr, so zu fahren. Sie sprechen immer von einem Gut, Herr von Bernsdorff. Wohnen Sie dort?«

»Ja. Ich bin ein richtiger Heidjer.«

»Ein Heidjer? Was ist das?«

»Das ist ein Heidebewohner. Kennen Sie den Ausdruck nicht?«

»Nein. Ich wusste nicht, dass man die Bewohner der Heide so nennt. Ein schöner Name ist das. Dann wohnen Sie immer hier?«

»Ja. Und ich kann mir keinen anderen Flecken auf der Welt vorstellen, an dem ich leben möchte. Sehen Sie nur, wie schön dieses Land ist.«

Er zeigte mit der Hand auf die herrliche Heidelandschaft, die sie durchfuhren und in der sie vollkommen allein waren. Langsam senkte sich die Dämmerung nieder, und das unwirkliche Licht dieser Stunde zwischen Tag und Traum verzauberte die Landschaft noch mehr. Barbara hatte das Gefühl, ein Märchen zu erleben. Der Unfall war beinahe schon vergessen, denn seit er geschehen war, hatte sich ihre Welt verändert.

Es war nicht nur die äußere Veränderung, dass sie jetzt in einer romantischen Kutsche statt in einem modernen Wagen saß und dass sie durch eine märchenhaft schöne Landschaft fuhr, die sie bisher noch nicht kennengelernt hatte. Ihr Inneres hatte sich verändert, denn sie hatte sich verliebt, auf den ersten, den allerersten Blick. Sie hatte nie geglaubt, dass es so etwas gab. Jetzt glaubte sie es.

Richard von Bernsdorff war genau so, wie sie sich immer den Mann ihrer Träume vorgestellt hatte: von imponierender Größe, schlank und dabei kräftig, mit dichtem, dunkelbraunem Haar, das sich in den Spitzen ein wenig wellte, und mit zwingenden grauen Augen. Er war älter als sie, bestimmt schon dreißig Jahre alt, vielleicht sogar ein bisschen drüber. Ob er verheiratet war? Er trug keinen Ring.

›Lieber Gott, lass‹ ihn frei sein, frei für mich', betete sie im Stillen mit kindlicher Naivität, als könnte sie so das Schicksal zwingen.

»Träumen Sie?« Seine dunkle Stimme schreckte sie aus ihren Überlegungen auf.

»Ein bisschen. Diese herrliche Landschaft verführt dazu. Müssen wir noch weit fahren?«

»Wir sind gleich da. Können Sie die Birkenallee dort hinten erkennen? Das ist die Auffahrt zum Gut. Ich glaube, es wird Ihnen gefallen.«

♥♥♥

Eine Birkenallee öffnete sich. An ihrem Ende standen sich in zwei Halbkreisen mächtige Eichen gegenüber, die sehr alt sein mussten. Und im Schutz dieser Bäume stand der alte Gutshof, ein mächtiges, altes Niedersachsenhaus, ein Fachwerkbau. Das Fachwerk war mit rotem Klinker ausgefüllt und mit einem tief hinabreichenden Reetdach gedeckt.

Rechts und links von diesem prächtigen Gebäude lagen weitläufige Nebengebäude, die in der zunehmenden Dunkelheit schwer zu erkennen waren.

Die Kutsche hielt vor dem großen runden Torbogen, der sich augenblicklich öffnete.

»Fahren wir dort hinein?«, fragte Barbara mit angehaltenem Atem.

»Nein, heute nicht mehr. Danke, Johann, Sie können Düwel in den Stall bringen. Und fahren Sie bitte meinen Wagen vor, die Limousine. Sagen wir in einer halben Stunde.«

»Sehr wohl, Herr Baron.«

»Kommen Sie, Fräulein Strohmeier.« Richard von Bernsdorff war bereits aus der Kutsche gesprungen und wollte seinem Gast beim Aussteigen behilflich sein.

Aber Barbara rührte sich nicht. Mit großen Augen blickte sie auf den Mann hinunter, der ihr mit einer einladenden Geste seinen Arm entgegenstreckte.

»Sie sind ein Baron?«, fragte sie verwirrt, sodass der Mann amüsiert lächelte.

»Ist das so schlimm?«

»Ich weiß nicht.« Sie erhob sich und überließ sich seinen starken Armen, die sie aus der Kutsche hoben, einen Herzschlag lang in der Luft hielten und sie dann auf festem Boden niedersetzten. »Danke. Ich glaube, ich werde gleich aufwachen und feststellen, dass ich nur geträumt habe.«

»Warum?« Seine Finger berührten ihren Arm, als er sie auf das Haus zuführte.

»Erst sitze ich in einer Kutsche, dann fahre ich durch die märchenhafte Heidelandschaft, dann sehe ich dieses unwirklich schöne Gutshaus, und zu allem Überfluss sind Sie auch noch ein Baron. So etwas gibt es doch nur im Märchen oder im Traum.«

Das Lächeln, mit dem er auf sie hinunterblickte, war ungemein zärtlich.

»Sie sind bezaubernd, Fräulein Strohmeier. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es alles Wirklichkeit ist. Kommen Sie, gehen wir hinein.«

Sie betraten eine riesengroße Eingangshalle, die mit wertvollen alten Eichenmöbeln ausgestattet war.

»Das ist die ehemalige Diele oder Tenne, wenn Sie den Ausdruck kennen. Von diesem Zentralraum gehen alle anderen Räume im Erdgeschoss ab«, erklärte er und zog zweimal an einem Glockenstrang neben der Eingangstür.

Barbara blickte sich um.

»Alle anderen Räume sagen Sie? Auch die Ställe?«

»Heute nicht mehr. Früher war das so, dass sich die Ställe dort hinten links anschlossen. Das ist heute nicht mehr der Fall. Allerdings haben wir den alten Grundriss nicht verändert. Das Haus steht mit seinen Mauern heute noch immer so, wie es von meinen Vorfahren erbaut wurde.«

»Und wann war das?«, wollte Barbara wissen.

»Siebzehnhundertachtundneunzig. Seit der Zeit ist das Gut im Familienbesitz.«

»Es ist wunderschön«, bemerkte Barbara mit Inbrunst in der Stimme.

»Ich hatte gehofft, dass es Ihnen gefällt. Sie müssen mich einmal tagsüber besuchen, dann zeige ich Ihnen den ganzen Besitz. Ah, da kommt Frau Mertens. Sie ist der gute Geist dieses Hauses. Paula, würden Sie Fräulein Strohmeier bitte ein Gästezimmer geben, damit sie sich ein bisschen frisch machen kann, bevor ich sie nach Hause fahre? Düwel und ich haben einen Unfall verschuldet.«

»Um Gottes willen! Es ist doch hoffentlich nichts passiert?«, wollte die weißhaarige Dame wissen.

»Zum Glück nicht viel. – Gehen Sie nur mit Frau Mertens, Fräulein Strohmeier, ich kümmere mich in der Zwischenzeit um Ihren Wagen. Ach, Paula, ist meine Schwester zu Hause?«

»Die Baronesse ist vor einer guten Stunde fortgefahren. Sie hat nicht gesagt, wann sie zurückkommt.«

»Danke, Paula.«

»Wenn Sie mir bitte folgen würden, gnädiges Fräulein? Ich werde vorangehen. Hier entlang, bitte.«

»Danke, Frau Mertens.« Barbara schloss sich der rundlichen Haushälterin an, die sie durch die ganze Länge der Diele hindurch zu einer der Türen führte, die in früheren Zeiten zu den Stallungen hinausgegangen waren.

»Oh!« Überrascht blieb Barbara stehen. »Hier ist ja noch eine Diele. Wie groß dieses Haus sein muss. Ich dachte, die Zimmer schlössen sich direkt an die alte Tenne an.«

Paula Mertens bedachte die junge Besucherin mit anerkennenden Blicken, denn sie hörte nichts lieber als ein Lob über dieses prachtvolle, alte Gutshaus, in dem sie ihr Leben lang gearbeitet hatte.

»Früher war das auch so, gnädiges Fräulein. Aber dieser Teil des Hauses ist vom Vater des jetzigen Besitzers vollkommen umgestaltet worden. Hier liegen mehrere Gast- und Baderäume, dort hinten schließt sich sogar ein Musikzimmer an. Man sieht dem Haus von außen nicht an, wie groß es ist. Das liegt wohl an der kompakten Bauweise und an dem tief heruntergezogenen Dach. Darf ich Ihnen diesen Raum anbieten, gnädiges Fräulein? Diese kleine Tür führt in eines der Badezimmer. Wenn Sie irgendetwas benötigen, dann ziehen Sie bitte an dieser Schnur.«

»Danke, Frau Mertens.« Barbara schenkte der Haushälterin ihr freundliches Lächeln, dann war sie allein.

Sie hatte immer mehr den Eindruck, ein Märchen zu erleben, in dem ihr der leibhaftige Märchenprinz begegnet war. Und dieser Prinz lebte wie im Märchen in einem Schloss, denn ein Haus konnte man diesen herrlichen Besitz nur mit sehr viel Untertreibung nennen. Selbst dieses kleine Gästezimmer war mit erlesenen Stücken alter, bäuerlicher Handwerkskunst möbliert.

Barbaras Finger glitten liebkosend über das alte, seidenweiche Holz einer Kommode, die neben einem behaglich aussehenden Bauernbett stand. Wie gerne wäre sie hier einmal für längere Zeit zu Gast gewesen. Aber hatte der Baron vorhin nicht davon gesprochen, sie müsse einmal tagsüber kommen? Hoffentlich hatte er das ernst gemeint!

Mit einem Seufzer wandte sich Barbara dem Spiegel zu und erschrak.

»Wie sehe ich denn aus!« Auf einmal hatte sie es sehr eilig. Ihr Gesicht zeigte noch die Spuren der vergossenen Tränen, und ihr schönes Haar war ganz zerzaust. Und dabei wollte sie doch schön sein, schön und begehrenswert für den Mann, den sie heute erst kennengelernt hatte.

Sie wusch ihr erhitztes Gesicht und tilgte mit einem Hauch von Puder die letzten Tränenspuren. Dann bürstete sie energisch ihr volles, honigblondes Haar, das ihr bis auf die Schultern fiel und ihr schmal geschnittenes Gesicht mit seiner lockigen Fülle reizvoll umrahmte. Leuchtende blaue Augen gaben diesem Gesicht Farbe und Leben, und diese herrlichen Augen leuchteten heute stärker als jemals zuvor. Lag das daran, dass sie sich verliebt hatte?

Barbara fühlte sich leicht und glücklich und warf ihrem Spiegelbild mit einem übermütigen Lachen eine Kusshand zu. Dann wirbelte sie aus dem Zimmer und ging den Weg zurück zur Diele, in der von Bernsdorff mit einem älteren Herrn offensichtlich auf sie wartete.

»Da sind Sie ja, Fräulein Strohmeier. Darf ich Ihnen Herrn Doktor Burger vorstellen? Er ist unser Tierarzt, versteht aber auch eine ganze Menge von der Menschendoktorei. Stimmt das, Jürgen?«

Doktor Burger ließ ein polterndes Lachen hören.

»Stimmt. Mein Freund hat mich nämlich darum gebeten, Sie mir einmal kurz anzusehen, weil Sie einen Unfall gehabt haben.«

Barbara schüttelte lächelnd den Kopf.

»Mir ist ganz bestimmt nichts geschehen, Herr Doktor.«

»Wollen Sie nicht lieber mich das beurteilen lassen, Fräulein Strohmeier? Das würde uns alle beruhigen. Oder fürchten Sie sich davor, in die Hände eines Viehdoktors zu geraten? Normalerweise sind mir die Vierbeiner ja wesentlich lieber als die Zweibeiner, aber bei hübschen jungen Damen mache ich eine Ausnahme.«