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Wie unkompliziert ist ihr Leben bisher gewesen! Doch seit der Testamentseröffnung nach dem Tod des Vaters ist für Melanie Volkmann nichts mehr so, wie es war. Sie hat einen Halbbruder, den unehelichen Sohn ihres Vaters. Aber nicht genug damit, dass dieser Bernd Moor Teile des Vermögens erbt, er soll gleichberechtigt mit ihr die Firma weiterführen.
Melanie beginnt einen regelrechten Feldzug gegen diesen »Erbschleicher«, allerdings steht sie schon recht bald allein da, denn weder ihre Mutter noch ihre Freunde haben Verständnis für ihr unmögliches Verhalten.
Und Bernd Moor? Er ist der Einzige, der Melanie sogar versteht und jede ihrer Attacken mit einem nachsichtigen Lächeln quittiert. Bis eine Bemerkung seiner Mutter eine Lawine ins Rollen bringt, die sein Leben total verändert ...
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Seitenzahl: 114
Cover
Wenn ein Herz die Liebe leugnet
Vorschau
Impressum
Wenn ein Herz die Liebe leugnet
Eine junge Frau hat Angst vor ihren Gefühlen
Von Claudia von Hoff
Wie unkompliziert ist ihr Leben bisher gewesen! Doch seit der Testamentseröffnung nach dem Tod des Vaters ist für Melanie Volkmann nichts mehr so, wie es war. Sie hat einen Halbbruder, den unehelichen Sohn ihres Vaters. Aber nicht genug damit, dass dieser Bernd Moor Teile des Vermögens erbt, er soll gleichberechtigt mit ihr die Firma weiterführen.
Melanie beginnt einen regelrechten Feldzug gegen diesen »Erbschleicher«, allerdings steht sie schon recht bald allein da, denn weder ihre Mutter noch ihre Freunde haben Verständnis für ihr unmögliches Verhalten.
Und Bernd Moor? Er ist der Einzige, der Melanie sogar versteht und jede ihrer Attacken mit einem nachsichtigen Lächeln quittiert. Bis eine Bemerkung seiner Mutter eine Lawine ins Rollen bringt, die sein Leben total verändert ...
»Justus, rechne bitte nicht damit, dass ich morgen viel in der Firma sein werde. Ich muss zur Testamentseröffnung. Stell dir nur vor, wie Mama das Ganze wieder mitnehmen wird. Nach dem Gespräch beim Notar muss ich mich ihr bestimmt widmen. Sie wird aufgewühlt sein, weinen und immer wieder über alles reden wollen. Ich kann Pit nicht mit ihr allein lassen, er ist zu jung für diese Belastung. Seit Vaters Tod ist er ohnehin kaum ansprechbar.«
Melanie Volkmann trat ans Fenster hinter Justus Kristensens Schreibtisch und starrte in den grauen Tag hinaus. Ein verhangen trüber Februarmorgen, so, wie er zu ihrer traurigen Stimmung passte.
Justus erhob sich aus seinem Schreibtischsessel, trat zur Tochter seines gerade verstorbenen Chefs und legte den Arm um ihre schmalen Schultern. Er durfte sich das erlauben, weil sie einander mehr als Kollegen zugetan waren. Man konnte durchaus von Freundschaft sprechen, wobei an dieser Stelle unbedingt erwähnt werden muss, dass es sich um eine rein platonische Freundschaft handelte.
»Lass den Kopf nicht hängen, Melanie. Es ist verständlich, dass bei deiner Mutter durch den morgigen Tag alles erneut aufbricht. Aber sie wird auch das verkraften. Sie ist so tapfer gewesen. Ihr alle übrigens«, fügte er hinzu und trat einen Schritt zurück, um Melanies blasses Gesicht besser betrachten zu können.
Wie streng sie jetzt aussah, in dieser dunklen Kleidung, die so gar nicht zu ihr passen wollte!
Wie in einem Film kamen ihm die letzten zwei Wochen ins Gedächtnis, beginnend mit dem Augenblick, da Melanie ihm diese grässliche, einfach unglaubliche Nachricht überbracht hatte.
Peter Volkmann, tödlich verunglückt hinter seinem Lenkrad! Verursacht durch einen Geisterfahrer, der bei dem Unfall so gut wie nichts abbekommen hatte.
Was brachte es, wenn dieser Mensch einen Prozess bekam und seinen Führerschein verlor? Peter Volkmann war tot, aus einem blühenden, arbeitsreichen Leben gerissen, eine Frau hinterlassend, die das Schicksal nicht verstand, einen sechzehnjährigen Sohn und seine Tochter Melanie, auf deren Schultern nun die Leitung des großen Bauunternehmens ruhte.
Gut, dass Melanie ihre Arbeit verstand! Gut, dass sie vor zwei Jahren, nach Beendigung ihres Betriebswirtschaftstudiums, in das Unternehmen eingetreten war! Aber wie sie das nun alles packen sollte, war Justus ein Rätsel.
Er schwor sich, ihr immer hilfreich zur Seite zu stehen, so gut es ihm möglich in seiner Position war. Als vertrauter Mitarbeiter des verstorbenen Chefs hatte er Einblick genug in die Materie.
»Woran denkst du, Justus? Warum sprichst du nicht weiter?«
Melanie rief ihn in die Wirklichkeit zurück.
»Ach, nichts weiter.« Er wollte Melanie nicht noch trauriger machen. »Übrigens, was ich dir sagen wollte, Mellie. Ich bin auch zu eurer Testamentseröffnung geladen. Ich habe das Schreiben gestern erst bekommen.«
»Tatsächlich?« Melanie schaute zu Justus, der nur wenig älter war als sie, auf. »Ach, ich kann's mir schon denken.« Sie lächelte ihm zu. »Sicher hat Vater mit dir etwas vor, ich meine, in Bezug auf die Firma. Es wäre schön. Falls du es noch nicht wissen solltest ...« Ihr gelang ein weiteres Lächeln, auch wenn es etwas schief ausfiel, und sekundenlang ließ sie ihre Hand auf seinem Arm ruhen. »Ich brauche dich hier. Mehr als je zuvor wirst du hier benötigt.«
Der Blick ihrer großen dunklen Augen, ein reizvoller Kontrast zu ihrem hellblonden kurzlockigen Haar, wanderte in die Runde, umfasste alles in weitem Umkreis und deutete an, was sie damit meinte: das Vermächtnis ihres Vaters, das, was Peter Volkmann in Jahrzehnten fleißiger Arbeit aufgebaut hatte.
»Schon gut«, brummte Justus verlegen und wurde unter seiner gesunden Gesichtsfarbe ein bisschen rot. Aber sein attraktives, offenes Männergesicht drückte auch Stolz aus, Freude über das Lob der jungen Frau, die heute seine Chefin war. »Du weißt, dass du auf mich zählen kannst. Aber nun, Mellie, vergiss deinen Kummer, wenigstens ein bisschen. Wenn du magst, komm heute Abend zu uns. Daniela wird sich freuen. Ich muss jetzt los an die Arbeit. Die Einteilung für die Baustellen – du verstehst? Wir sehen uns später, ja? Und wenn nicht, dann eben morgen beim Notar.«
»Gut, Justus. Grüß Daniela von mir. Ich werde wohl besser nicht kommen, sondern bei Mama bleiben. Aber danke für die Einladung.«
Sie sah dem schlanken, hochgewachsenen und so sympathischen Mann hinterher, als er mit langen Schritten davoneilte. Gut, dass sie ihn hatte!
♥♥♥
Der Termin beim Notar für die Testamentseröffnung war für zehn Uhr am nächsten Morgen festgesetzt.
Pit, den das Ereignis insgeheim genauso aufwühlte wie seine Mutter, maulte. Sogar in die Schule wäre er lieber gegangen, als diesen Gang mitzutun. Aber Melanie blieb hart, während Renate Volkmann fahrig durch die Villa hetzte und Dinge suchte, die sie gar nicht benötigte.
»Nun kommt, ihr zwei. Es wird Zeit. Pit, los! Du weißt, dass du dabei sein musst. Ich kann dir das nicht abnehmen.«
Melanie trieb Mutter und Bruder unbarmherzig aus dem Haus und zu ihrem Auto, das sie schon in der Einfahrt stehen hatte.
Justus Kristensen war bereits in der Notarskanzlei eingetroffen, als sie ankamen. Man begrüßte einander kurz, dann wurden sie alle vier auch schon von einer jungen Dame zu Notar Schmidt gebeten.
Sie wunderten sich, dass der Notar nicht allein war. Ein jüngerer Mann saß bei ihm, der sich jetzt, beim Eintritt der Familie Volkmann, höflich erhob und stumm abwartend im Hintergrund stehen blieb.
Melanie fühlte sich von zwei grauen, distanziert blickenden Augen betrachtet. Sekundenlang antwortete ihr Blick, prüfend, irgendwie unsicher. Sie fragte sich, was dieser Mann hier zu suchen hatte. Gehörte er zur Kanzlei?
Wenig später wusste sie es. Es war der Schock ihres jungen Lebens – und der von Pit. Ihre Mutter, das nahm Melanie nur vage im Unterbewusstsein auf, saß mit versteinertem Gesicht und zusammengepressten blassen Lippen neben ihr.
Sogar Justus Kristensen war bleich geworden, seine ganze Gestalt drückte Ungläubigkeit aus. Er war wohl der Erste und Einzige, der sich von der Überraschung erholte.
»Ich stelle Ihnen heute Herrn Moor vor, Herrn Bernd Moor.« Der Notar zögerte und machte einen unbehaglichen, fast peinlich berührten Eindruck, wohl, weil er es war, der diese Neuigkeit preisgeben musste. »Herr Moor ist der uneheliche Sohn des Verstorbenen, Ihr Halbbruder, Frau Volkmann, lieber Pit.« Der Notar wandte sich von den zwei weit aufgerissenen Augenpaaren ab und sah dann auf Renate Volkmann. »Es war Ihnen bekannt, Frau Volkmann, dass Herr Moor existiert?«
Das leise »Ja«, das über Renates blutleere Lippen kam, war fast unhörbar.
Melanie saß wie versteinert. Unwillkürlich ergriff sie Pits Hand, der neben ihr saß, und drückte sie schmerzhaft fest. Sie war nicht in der Lage, etwas zu sagen. Nur ein unartikulierter Laut entrang sich ihrem Mund.
Dann hörte sie Pits Stimme krächzen.
»Er ist was? Unser Halbbruder? Aber wieso denn das?«
Unverständnis, Fassungslosigkeit malten sich auf dem Jungengesicht ab. Pit starrte den Mann, der von einer Sekunde zur anderen in ihrer aller Leben eingedrungen war, ungläubig an.
Ja, eingedrungen war Bernd Moor ins Leben der Familie Volkmann! Die Verlesung des Testaments bewies es nur zu deutlich.
»Der Verstorbene hatte die Vaterschaft vor dreißig Jahren, als Herr Moor geboren wurde, sofort anerkannt«, drang die Stimme des Notars wie aus weiter Ferne an Melanies Ohr. »Obwohl keine Kontakte zwischen Peter Volkmann, seinem unehelichen Sohn und dessen Mutter bestanden, ist der Verstorbene doch immer großzügig seinen finanziellen Verpflichtungen nachgekommen. Herr Moor, heute Kaufmann, hat eine sehr gute Ausbildung erfahren. Doch nun zum Testament selbst und seinem Inhalt!«
Melanie sah zu ihrer Mutter, dann zu dem verstörten Pit. Ihre Blicke blieben hilfesuchend an Justus hängen, der genauso hilflos die Schultern hochzog.
Dieser Bernd Moor erbte zu gleichen Teilen wie sie selbst, wie Pit und ihre Mutter! Und es war ein ansehnliches Erbe!
Melanie wusste in groben Zügen um den Familienbesitz, sie kannte das florierende Unternehmen und seinen Geschäftsablauf besser als jeder andere, war sie doch mit Justus Kristensens Unterstützung zwei Jahre lang Vaters rechte Hand gewesen.
Die Bankkonten der Firma wie auch die im privaten Familienbesitz befindlichen waren gut gepolstert, die alte Villa, die Vater noch vor wenigen Jahren hatte umbauen lassen, all das stellte einen beträchtlichen Wert dar. Und der war ab sofort mit diesem Eindringling zu teilen!
Melanie musste an sich halten, um nicht herauszuschreien. Mit letzter Beherrschung riss sie sich zusammen, verließ mit ihrer Mutter und Pit die Kanzlei und stand zitternd auf der Straße. Justus hatte sich zu ihnen gesellt. Wo dieser Bernd Moor abgeblieben war, interessierte niemanden.
Renate Volkmann sprach zum ersten Mal. Sie nahm Justus' Hand und drückte sie.
»Ein Gutes hat das alles«, sagte sie leise. »Wenigstens hat mein Mann Sie im Testament als Geschäftsführer der Firma ernannt. Wir zählen auf Sie, Justus.«
»Kann man das Testament denn nicht anfechten?« Pit hatte die Idee, und Melanie sah ihn dankbar an.
Doch Justus Kirsten kamen sofort Bedenken.
»Kaum«, murmelte er. »Herr Volkmann war im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte, wie es so schön heißt, als er es verfasst hat. Er hat gewusst, was er tat. Und Herr Moor ist sein Sohn. – Also, so was ...«, brummte er und stand wie Melanie und Pit noch ganz unter dem Eindruck des soeben vernommenen letzten Willens seines verstorbenen Chefs.
Melanie straffte die Schultern.
»Wir fahren jetzt erst einmal heim und überlegen dort, was wir tun können. Mama ...« Sie drehte sich zu Renate Volkmann um. »Du wirst uns sicher einiges zu erklären haben.«
Ihre Stimme klang ungewöhnlich hart. Renate hörte es sofort heraus. Sie konnte nur nicken, sagen mochte sie jetzt nichts.
♥♥♥
Als sich die Familie Volkmann wieder in der Villa befand und die Haushälterin den Kaffee bereitgestellt hatte, forderte Melanie ihre Mutter zum Reden auf.
»So, Mama, nun kläre uns auf!«
Renate wusste, dass sie dieses Wissen, seit drei Jahrzehnten gehütet und in sich verborgen, ihren Kindern mitteilen musste. Sie hatten ein Recht darauf.
»Es liegt alles so lange zurück«, begann sie mit leise bebender Stimme. »Wo fange ich an?«
»Am besten ganz am Anfang, Mama«, empfahl Pit, und seine junge Stimme klang so sarkastisch, dass Renate Volkmann zusammenzuckte.
Sie verschränkte ihre Hände im Schoß und betrachtete ihre Finger.
»Gut«, sagte sie dann und sah ihren Sohn und ihre Tochter abwechselnd an. »Euer Vater hat damals, er war schon mit mir verlobt, nun ja ...« Die Witwe wusste sichtlich nicht, wie sie das formulieren sollte. »Also, ich habe ihm diesen Seitensprung, der nicht ohne Folgen geblieben ist, wie ihr heute gesehen habt, verziehen. Es war eine sehr kurze, sehr unglückselige Affäre eures Vaters mit dieser Frau, damals, vor unserer Hochzeit. Es haben dann keine Kontakte mehr bestanden. Euer Vater hat nur noch finanziell für das Kind gesorgt. Wir haben mit Rücksicht auf euch geschwiegen, wir wollten euch das ersparen.«
»Wenn ihr es uns gesagt hättet«, warf Melanie bitter ein, »hätten wir heute diese peinliche Überraschung nicht gehabt.«
»Das stimmt.« Pit war ganz auf der Seite seiner großen Schwester. »Das ist doch wirklich nicht schön! Gerade erst ist Papa gestorben, uns geht es schon schlecht genug. Und jetzt diese Überraschung! Ich finde das nicht richtig.«
»Er ist ein unsympathischer Mann«, meinte Melanie zusammenhanglos. »Und der Typ macht sich jetzt hier breit, vermutlich genauso in der Firma wie hier bei uns im Elternhaus. Es gehört ihm ja alles mit! Mama, ich kann das nicht verstehen. Warum habt ihr uns das nur verschwiegen?«
»Wenn ihr es gewusst hättet, würde es an der jetzigen Situation auch nichts ändern«, erwiderte Renate Volkmann streng. »Es war mir auch nicht klar, dass euer Vater so verfügt hat. Ich bin genauso überrascht und benommen wie ihr. Ich bin auch der Meinung, dass das nicht nötig war. Ich habe Bernd Moor bis heute nie kennengelernt, aber so unsympathisch, wie du ihn darstellst, Melanie, finde ich ihn nicht. Er hat doch gar nichts geredet, nichts getan, was Anlass zu Beschwerden hätte geben können.«
»Genau das wird ja noch auf uns zukommen«, orakelte Melanie und starrte düster vor sich hin. »Warte es nur ab, Mama, wenn er kommt und seine Forderungen stellt.«
»Wenn er hier in die Villa einzieht, gehe ich«, drohte Pit und sah sehr grimmig drein. »Mit dem setze ich mich nicht an einen Tisch!«
Melanie nickte ihrem jüngeren Bruder aufmunternd zu.
»Recht hast du, Pit.« Sie stand auf und verließ den Salon. »Ich möchte ein wenig allein sein und nachdenken.«
Doch kurze Zeit später klopfte Pit an ihre Tür.
»Darf ich?«, fragte er, wartete Melanies Antwort nicht ab, kam herein und warf sich in einen der Sessel im Erker.
Er streckte die Beine von sich und wippte mit den Zehenspitzen.
»Was tun wir jetzt, Mellie? Mit Mama können wir nicht vernünftig reden. Hast du eine Idee?«
»Keine. Noch nicht.« Melanie sah Pit betrübt an. »Aber wir müssen etwas gegen diesen Erbschleicher unternehmen!«
»Dass sie uns das all die Jahre verheimlicht haben! Weißt du, Mellie, das wirkt irgendwie voll daneben – als hätten die Eltern unser Vertrauen missbraucht, obwohl das vielleicht Quatsch ist. Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll. Es ist mir peinlich. Irgendwie schäme ich mich. Dabei können wir beide am wenigsten dafür.«