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Volker Graf von Wohlsberg und seine Gattin Camilla führen eine überaus glückliche Ehe, doch ein Kummer belastet die Herzen des Paares. Schon seit zehn Jahren hoffen sie vergebens auf das ersehnte Kind. Da lernt der Graf durch Zufall im Dorf ein vaterloses junges Mädchen kennen, das kurz vor dem Abitur steht und in ärmlichen Verhältnissen lebt. Bald darauf stirbt auch die Mutter, und der Graf beschließt, Karin "aus Barmherzigkeit" im Schloss aufzunehmen. Camilla stimmt zu, doch es befremdet sie zunehmend, wie sehr ihr Gatte dem jungen Mädchen zugetan ist. Und ihre schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich, als Volker sich in das blutjunge Geschöpf verliebt und die Scheidung verlangt ...
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Seitenzahl: 127
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Mit dem Instinkt einer Frau
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Impressum
Mit dem Instinkt einer Frau
Wie Camilla ihre Ehe retten will
Volker Graf von Wohlsberg und seine Gattin Camilla führen eine überaus glückliche Ehe, doch ein Kummer belastet die Herzen des Paares. Schon seit zehn Jahren hoffen sie vergebens auf das ersehnte Kind. Da lernt der Graf durch Zufall im Dorf ein vaterloses junges Mädchen kennen, das kurz vor dem Abitur steht und in ärmlichen Verhältnissen lebt. Bald darauf stirbt auch die Mutter, und der Graf beschließt, Karin »aus Barmherzigkeit« im Schloss aufzunehmen. Camilla stimmt zu, doch es befremdet sie zunehmend, wie sehr ihr Gatte dem jungen Mädchen zugetan ist. Und ihre schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich, als Volker sich in das blutjunge Geschöpf verliebt und die Scheidung verlangt ...
»Nun, Camilla, was wolltest du mir sagen?«, fragte Graf Volker freundlich und setzte sich neben seine Frau.
Gräfin Camilla schaute ihn ängstlich an.
»Volker, ich gebe alle Hoffnung auf ein eigenes Kind auf, wenn du nicht doch noch mit einer Operation einverstanden bist, von der sich die Ärzte einigen Erfolg versprechen.«
»Das gibt es nicht!«, erklärte er kategorisch.
»Bist du denn immer noch dagegen?«, fragte sie verzagt.
»Ich werde immer dagegen sein.«
»Weshalb, Volker? Ich habe dich noch nie ernsthaft um deine Zustimmung gebeten, weil mir deine Abneigung gegen diese Operation bekannt ist. Jetzt möchte ich aber zum ersten Mal genau wissen, was du dagegen hast?«
»Ich habe Angst um dich, Camilla. Um keinen Preis will ich dich verlieren und dich nicht einmal einer Gefahr aussetzen«, erklärte er.
»Auch nicht, wenn ich keine Gefahr darin sehe und mich nicht fürchte?«
»Was verstehst du denn davon, Camilla? Wir können auch allein glücklich sein.«
»Gewiss. Aber es gibt noch eine zweite Möglichkeit, die wir noch nie erörtert haben. Wie wäre es denn, wenn wir ein Kind adoptieren würden?«
Graf Volker sah seine Frau nachdenklich an. Er verstand ja ihren großen Wunsch, Kinder zu haben. Aber alles in ihm sträubte sich gegen den Gedanken, seinen Besitz einmal in fremde Hände zu geben.
»Camilla«, sagte er, »bitte, verstehe mich doch! Dieser Besitz ist jahrhundertelang in den Händen derer von Wohlsberg gewesen, die den alten Adel weiterführten und das Gut entsprechend leiteten. Und nun sollte fremdes Blut alte Tradition zunichtemachen? Lass uns noch warten, Camilla! Ich wehre mich gegen die Annahme, dass uns beiden nicht das Glück beschieden sein sollte, eigene Kinder zu haben!«
Graf Volker küsste ihre schmale Hand. Dann verließ er das Zimmer, angeblich, um dringend mit dem Verwalter etwas zu besprechen. Camilla hingegen wusste, dass Volker jetzt allein sein musste, um mit sich ins Reine zu kommen.
Sie durfte ihm nicht sagen, dass sie vor Monaten schon heimlich in Hamburg in einer Spezialklinik gewesen war, um sich untersuchen zu lassen. Angeblich hatte sie sich damals zu Besuch bei ihrer Internatsfreundin aufgehalten.
Gräfin Camilla dachte über ihre Ehe nach, die so viele Jahre hindurch überaus glücklich gewesen war. Der Graf war ein vollkommener Edelmann vom Scheitel bis zur Sohle. Er war angesehen und beliebt und hatte sie sehr glücklich gemacht.
Das Kind, die letzte Vollendung ihres Glücks, fehlte ihr jedoch. Aber Resignation nützte ihr jetzt nichts, hier half nur noch entschlossenes Handeln.
Die Gräfin meldete sich telefonisch in der Klinik in Hamburg an. Als man ihr einen festen Termin genannt hatte, begann sie ihren Mann vorsichtig auf eine erneute Besuchsreise zu ihrer Freundin in Hamburg vorzubereiten.
»Schon wieder?«, fragte Graf Volker nicht sehr begeistert. Doch dann besann er sich, dass die Abwechslung ihrer gedrückten Stimmung vielleicht abhelfen könnte, und sagte nachgiebig: »Na schön, von mir aus kannst du fahren!«
Damit war der erste Teil ihres Plans bereits gelungen. Sie hatte nicht das Gefühl, dass Volker in irgendeiner Weise misstrauisch geworden war. Ihre Internatsfreundin musste sie natürlich genau informieren.
Anfang Februar rüstete sich Gräfin Camilla zu ihrer schicksalsträchtigen Reise. Sie war entschlossen, alles auf sich zu nehmen, was nun kam.
♥♥♥
Nachdem Camilla das Schloss verlassen hatte, erschien es dem Grafen Volker leer und öde. Ziel- und planlos ging er über den Hof, durch den Gutsbetrieb, hinaus auf die Koppel. Er fand alles in bester Ordnung und erinnerte sich, dass er nicht hinausgegangen war, um den Betrieb zu kontrollieren, sondern lediglich, um sich die Zeit zu vertreiben.
Insgeheim wünschte er, er hätte etwas auszusetzen gefunden und dadurch Gelegenheit gehabt, sich abzulenken.
Immer weiter ging der einsame Graf. Längst hatte er die Koppeln verlassen und war in den angrenzenden Wald eingetreten. Herb und würzig duftete es hier. Man meinte fast, schon das kommende Frühjahr zu ahnen. Dieser Teil des Forstes war bei den Erholung suchenden Großstädtern sehr beliebt. Auch der alte Aussichtsturm, der halb verfallen und efeubewachsen auf einem Hügel stand, war ein viel besuchter Ausflugsort.
Gedankenverloren ging Graf Volker bis zu dem Turm. Er verhielt den Schritt und musterte das bröckelnde Bauwerk. Stimmen und frisches Lachen schallten von dort oben zu ihm herunter. Es schienen wieder Fremde dort zu sein.
Unversehens flatterte ein buntes Seidentuch von oben herab. Es wehte wie ein Schleier durch die Luft, senkte sich dann sacht zur Erde nieder und fiel genau vor die Füße des erstaunten Grafen.
Noch ehe sich Graf Volker bücken konnte, kam ein junges Mädchen aus dem Turm herausgelaufen und griff nach dem Tuch.
Als sie sich wieder aufrichtete, war sie ein wenig atemlos.
»Danke«, sagte sie verwirrt.
Der Graf lächelte amüsiert.
»Ich verdiene den Dank nicht, denn ich habe nichts getan.«
»Aber Sie wollten es, nicht wahr?« Das Mädchen lachte nun unbekümmert.
In diesem Augenblick kam ein weiterer Besucher des alten Turmes durch die kleine Holztür. Als er den hochgewachsenen Mann erkannte, blieb er betroffen stehen.
»Herr Graf, Sie?«, staunte er.
»Allerdings, Holger. Sie haben doch nichts dagegen?«, spottete der Graf amüsiert.
»Durchaus nicht. Natürlich nicht«, druckste der junge Mann herum.
»Sie haben anscheinend doch etwas dagegen, dass ich hier spazieren gehe?«, stellte der Graf amüsiert fest.
»Nein, das nicht. Bitte, sagen Sie es nicht meinem Vater!«, bat er.
Graf Volker hatte in dem jungen Mann den Sohn des Wirtes erkannt, mit dem er manchmal einen zünftigen Männerskat zu spielen pflegte.
»Was soll ich Ihrem Vater nicht sagen?«, fragte er verwundert.
»Dass Sie mich hier getroffen haben«, erwiderte der junge Mann verlegen. Ein unsicherer Blick flog zu dem jungen Mädchen hinüber. »Mit Karin.«
Ein wenig brüsk wandte das junge Mädchen den Kopf zur Seite. Die Bitte ihres Begleiters schien ihr nicht zu gefallen. Sie machte Anstalten zu gehen.
»Warte doch!«, rief Holger ihr nach und fügte, zum Grafen gewandt, erklärend hinzu: »Mein Vater wünscht das nicht!«
Dann lief er eilig hinter dem Mädchen her.
Graf Volker setzte versonnen seinen Spaziergang fort. Die Begegnung hatte ihn tief angerührt. Die Frische und Fröhlichkeit des jungen Mädchens gefielen ihm.
Wie wohl fühlte er sich nun, wie getröstet, wie angeregt! Ziellos war er im Wald spazieren gegangen und hatte sich wie verloren gefühlt, bis er von dem Aussichtsturm die frischen jungen Stimmen gehört und dem Mädchen Karin gegenübergestanden hatte.
Jetzt wusste er auch die Empfindungen zu deuten, die er bei ihrem Anblick gehabt hatte. So hatte er sich immer seine Tochter vorgestellt. So wie diese Karin sollte sie aussehen.
♥♥♥
Graf Volker hatte die Begegnung im Wald schon fast wieder vergessen, als er dem Mädchen Karin erneut begegnete. Zwei Tage später hatte er im Dorf Wohlsberg zu tun. Er verließ das Amt gerade in dem Augenblick, als der Bus aus der benachbarten Kleinstadt ankam.
Mit einigen anderen Schülern verließ Karin den Bus. Lachend und schwatzend sprangen sie von dem Trittbrett herunter. Dabei achtete Karin nicht auf die Stufe und knickte mit dem Fuß um. Vor Schmerz verzog sie das Gesicht. Sie bückte sich und hielt sich mit der Hand den schmerzenden Knöchel.
»Was ist passiert?«, fragte Graf Volker freundlich.
Erschrocken hob sich das hübsche Mädchengesicht zu ihm empor, in dem deutlich der Schmerz zu lesen war. Die blauen Augen schimmerten feucht.
»Ich bin umgeknickt«, erklärte sie. Dabei drängte sie die Tränen zurück und zwang sich zu einem matten Lächeln.
»Ja, ich habe es gesehen.«
»Ich glaube, ich habe mir den Knöchel verstaucht«, vermutete sie und versuchte vorsichtig aufzutreten. »Es geht nicht«, stöhnte sie dann verzagt.
»Stützen Sie sich auf mich!«, bot der Graf an. »Ich bringe Sie nach Hause.«
»Das ist bestimmt nicht nötig«, wehrte sie ab.
»Wie wollen Sie denn sonst heimkommen?«, sagte der Graf unmutig, und da nahm sie doch seinen Arm.
Behutsam und sehr väterlich führte er seine Begleiterin zu der Wohnung ihrer Mutter, die erschrocken einen Stuhl für die Tochter zurechtrückte.
Während Karins Mutter sich um den kranken Fuß kümmerte, fand Graf Volker Muße, sich in der engen, aber sehr sauberen Wohnung ein wenig umzusehen. Er nahm die bescheidenen Verhältnisse wahr und spürte, dass hier kein Wohlstand herrschte.
»Ich bin Witwe«, sagte die Mutter Karins, die dem Blick des Grafen gefolgt war. »Hier ist nicht alles so, wie es sein sollte, aber ich muss arbeiten, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Ich nähe hier in der Wohnung, daher ist es ein wenig unordentlich. Verzeihen Sie!«
»Das stört mich nicht.«
»Ich heiße Maria Berner«, fuhr die Frau fort. »Sie werden uns kaum kennen. Meine Gesundheit ist nicht die beste, daher nähe ich zu Hause Schürzen in Heimarbeit. Mein Mann ist zu früh gestorben. Wir haben nur eine kleine Rente.«
»Aber Ihre Tochter geht in der Stadt zur Schule«, staunte der Graf.
»Ja. Man muss einem jungen Mädchen alle Möglichkeiten bieten«, meinte Frau Berner.
»Das ist richtig. Diese Einstellung ist wirklich anerkennenswert.«
»Karin ist begabt und klug. Sie wird es einmal besser haben als ich.«
Sehr nachdenklich verließ Volker Graf von Wohlsberg die bescheidene Wohnung der Witwe Berner, in der das bezaubernde junge Mädchen zu Hause war. Er fand es in jeder Hinsicht bemerkenswert, dass eine so einfache kränkliche Frau ihrer Tochter die beste Ausbildung zu geben trachtete.
Immer wieder beschäftigte er sich in Gedanken mit den jüngsten Ereignissen. Die Begegnung mit dem jungen blonden Ding hatte ihn mehr angerührt, als er es sich erklären konnte. Sie hatte längst überwunden geglaubte Wünsche und Sehnsüchte in ihm erweckt.
Eine solche Tochter, dachte er immer wieder, eine solche hübsche, begabte und anmutige Tochter müsste man haben! Mehr denn je verstand er Camillas Wunsch nach einem Kind, das man hegen und pflegen, lieben und verwöhnen konnte.
♥♥♥
Am folgenden Tag fand eine Sitzung des Gemeinderates statt, zu der Graf Volker als Gutsherr und als Gast eingeladen war, weil auch einige soziale Punkte auf der Tagesordnung standen.
Er hatte gebeten, die Punkte, bei denen er mitsprechen sollte, an den Anfang der Tagesordnung zu setzen, damit er danach die Sitzung verlassen konnte.
Gleich zu Anfang kam das Gespräch auf die Witwe Berner und ihre Tochter. Dabei erfuhr der Graf die Zusammenhänge und einige für ihn sehr interessante Einzelheiten.
Im Gemeinderat wurde über die Unterstützung für Frau Berner verhandelt. Es war der Verdacht aufgetaucht, dass sie mit ihrer Schürzennäherei inzwischen so viel verdiente, dass sie nicht mehr unterstützungsberechtigt war und die Gemeinde diesen Betrag daher einsparen könnte.
Zu des Grafen großer Verwunderung erwies sich der Dorfwirt als energischer Verfechter dafür, die Unterstützung zu streichen. Graf Volker hatte fast das Gefühl, als ob er persönlich daran interessiert wäre, den beiden Frauen große Schwierigkeiten zu bereiten.
Diesen Verdacht äußerte der Bürgermeister ganz offen.
»Ich verbitte mir deine Verdächtigungen, Bürgermeister!«, fuhr der Wirt erbost auf. »Ich habe mit den Frauen nichts zu schaffen.«
»Du nicht, aber dein Sohn vielleicht?«
»Auch mein Sohn nicht.«
»Na? Mit der Frau vielleicht nicht, mit dem Mädchen ganz bestimmt.«
Stimmengemurmel erhob sich. Interessiert verfolgten die Ratsmitglieder die Auseinandersetzung.
»Zur Sache, bitte!«, warf ein Besonnener ein. »Persönliche Dinge haben hier im Rat nichts zu suchen.«
»Ich muss mich gegen Verdächtigungen wehren«, erklärte der Wirt aufgebracht.
»Ich finde, man sollte die Angelegenheit sachlich sehen und diesen wichtigen Punkt leidenschaftslos behandeln. Schließlich geht es dabei um die Existenzfrage für hilfsbedürftige Menschen«, wandte Graf Volker ein.
Seine Stimme hatte Gewicht. Es gab zwar noch einige Einwände, aber dann stellte der Bürgermeister klar, dass eine eingehende Überprüfung der Verhältnisse angebracht sei.
»Wen beauftragen wir damit?«, fragte er.
Graf Volker ärgerte sich über die Selbstzufriedenheit der bessergestellten Bürger, die geringschätzig auf die armen Leute herabblickten und sie am liebsten aus ihrem Kreis verbannt hätten. Er fürchtete, dass sie in diesem Fall vielleicht nicht sachlich genug verfahren würden.
»Wenn Sie mir das Vertrauen schenken wollen, meine Herren?«, bot er sich an, ehe er richtig überlegt hatte, was er tat. »Ich möchte mich der Sache annehmen.«
»Natürlich, das ist die Lösung«, ertönte es. »Der Graf ist unparteiisch. Wir anderen sind mehr oder weniger befangen.«
»Wieso?«, wollte Graf Volker wissen. »Doch nicht nur, weil es arme Leute sind?«
»Nein, nein«, beruhigte ihn der Bürgermeister, »deshalb nicht. Mehr oder weniger haben wir ja alle mit den Berners zu tun. Nur Sie sind unparteiisch.«
»Was liegt gegen die Leute vor?«
»Nichts Besonderes. Nur der Wirt hat seine persönlichen Gründe. Und der Krämer Wiegand, in dessen Haus sie wohnen, glaubt, er könnte für die Wohnung mehr Miete bekommen, wenn er sie an eine andere Familie abgäbe.«
»Sonst nichts?«
»Na ja, der Wiegand hatte die Wohnung gegen das Versprechen vermietet, dass die Karin, die in der Schule ganz gut ist, seinen beiden Kindern bei den Schulaufgaben helfen soll. Aber dann hat sie dafür einen Preis verlangt.« Dem Bürgermeister war sichtlich nicht ganz wohl in seiner Haut, als er dem Grafen diese Erklärungen gab.
»Sollte das kostenlos geschehen? War es so vereinbart?«, wollte Graf Volker wissen.
»Das nicht. Nur war das Mädchen nicht zufrieden mit dem, was der Krämer ihr freiwillig gab. Sie hat für die Stunden ihren eigenen Preis veranschlagt.«
»Den üblichen Preis, wie ich genau weiß. Der Wiegand wollte nur knausern«, erhob sich eine andere Stimme aus dem Gemeinderat. Anscheinend die einzige, die hier für Karin Berner zu sprechen bereit war.
Graf Volker war jetzt mehr denn je an dem Fall interessiert. Frau Berner und ihre Tochter schienen nicht sehr beliebt zu sein, und es war zu befürchten, dass die Prüfung ihrer finanziellen Verhältnisse nicht ganz objektiv ausfallen würde, wenn sie irgendeinem Menschen aus dem Dorf zufallen sollte.
»Ich werde die Sache klären«, schloss er die Diskussion ab. »Damit dürfte der Punkt für heute erledigt sein.«
♥♥♥
Ein paar Tage ließ Volker Graf von Wohlsberg sich Zeit, ehe er Anstalten machte, bei der Witwe Berner vorzusprechen. Er wollte nicht allein und unangemeldet zu ihr gehen. Daher hielt er sich um die Mittagszeit im Dorf auf und wartete auf den Schulbus.
Wieder war Karin Berner unter den wenigen Menschen, die den Bus verließen. Graf Volker stand plötzlich vor ihr.
»Herr Graf, Sie?«, rief Karin überrascht.
»Ich möchte Ihrer Mutter einen Besuch machen«, erwiderte er.
»Meiner Mutter geht es seit ein paar Tagen gar nicht gut«, erklärte sie betrübt.
»Das ist sehr bedauerlich und auch ein wenig enttäuschend für mich. Ich war der Meinung, dass ich sie um diese Zeit, wenn Sie aus der Schule heimkommen, am besten aufsuchen kann.« Graf Volker überlegte, was er jetzt tun sollte.
»Natürlich können Sie gern mitkommen«, versicherte Karin. »Meiner Mutter geht es meistens nicht gut. Es ist also gleichgültig, ob Sie sie jetzt oder ein andermal besuchen.«
An Karins Seite schritt Graf Volker der Wohnung von Frau Berner zu. Da die Straße um diese Zeit menschenleer war, folgten ihnen keine neugierigen Blicke.