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Egal ob Single, frisch verliebt oder schon in einer festen Beziehung: Fast alle Menschen wünschen sich eine stabile und glückliche Partnerschaft. Doch gestiegene Anforderungen und Erwartungen auf allen Ebenen überfordern viele Paare. Haben wir die ganz einfachen Dinge verlernt, auf die es im Zusammenleben ankommt? "simplify your love" räumt diese Zweifel ein für alle Mal aus - mit einer flammenden Liebeserklärung an die Partnerschaft.
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Seitenzahl: 428
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Küstenmacher, Marion und Werner Tiki
simplify your love
Gemeinsam einfacher und glücklicher leben
www.campus.de
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Copyright © 2006. Campus Verlag GmbH
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E-Book ISBN: 978-3-593-40267-3
|5|Für unsere Kinder Simon, Lukas und Sophia
|6|Die Liebe ist in der Zukunft ansässig, eine Art rückwärts strahlender Stern, dessen Licht uns erreicht, noch ehe er zu existieren begonnen hat – und nicht erst, wenn er längst erloschen ist.
Jill Tweedie
Menschen sind verstreute Inseln im Eismeer der Einsamkeit; Liebe baut Brücken vom Ich zum Du, vom irdischen zum überirdischen Ufer: Ich bin nichts mehr, so sehr bin ich Du. Wer diesen Zustand erreicht hat, den kann nichts zerbrechen.
Zenta Maurina
Liebe Leserin, lieber Leser!
Als wir beide 1998 die Chefredaktion des Beratungsdienstes simplify your life übernahmen und ein Servicetelefon einrichteten, dauerte es nicht lange, bis wir erkannten, welches Thema auf der Kompliziertheitsliste den ersten Platz einnahm: die Beziehungsfrage. Nirgendwo herrschte mehr Verwirrung und Verzweiflung, nirgendwo gab es so viel Anspruchsdenken und Durcheinander auszuhalten. Ein chaotischer Haushalt oder ein in Papierfluten untergegangenes Büro waren ein Klacks dagegen – nichts schrie so sehr nach Vereinfachung wie das große Thema der Liebe zwischen Mann und Frau. Auch wenn wir beide keine Paartherapeuten sind, so haben wir uns doch über all die Jahre immer wieder an der Aufgabe versucht, mit unseren Artikeln ein bisschen Ordnung im großen Haus der Beziehungen zu machen und Brücken zu bauen vom Ich zum Du.
Dem Thema haben wir beide uns unterschiedlich genähert:
Marions langjährige Erfahrungen mit Kursen zur Persönlichkeitsentwicklung haben ihr geholfen, bei Partnerschaftsfragen prozessorientiert |10|zu denken und einen systemischen Blickwinkel einzunehmen. Auf dieser Basis hat sie das Stationenmodell der fünf Wohnungen der Liebe entwickelt, dem die Hauptkapitel dieses Buches gewidmet sind. Viele praktische Einsichten daraus stammen aus dem Dialog mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieser Seminare, denen wir dafür herzlich danken.
Seit 2001 das Buch simplify your life erschienen ist, hat Tiki viele Vorträge gehalten, danach Bücher signiert und in so gut wie jedes Exemplar ein kleines Bild zeichnen dürfen. Das am häufigsten verlangte Motiv war eine Illustration, die er meist am Ende des Vortrags vorgestellt hat. Er hat nicht mitgezählt, aber dieses eine Bild hat er wohl bald 1000-mal zeichnen dürfen. Manche haben Fotos geschickt, wie das Bild über dem Sofa im Wohnzimmer hängt, es wurde Leitmotiv für Hochzeitspredigten und eine Art modernes Wappen auf Visitenkarten. Die überwältigende Resonanz auf diese kleine einfache Zeichnung war es, die uns schließlich ermuntert hat, ein Buch über die Liebe zu schreiben. Wir haben daraus einmal mehr gelernt, welche seelische Unterstützung von einem positiven Bild ausgehen kann: Prozesse brauchen Bilder, und Bilder lösen Prozesse aus.
Zwei Menschen auf zwei Inseln
Das Bild zeigt als Sinnbild einer modernen Partnerschaft zwei Inseln, auf der einen ein Mann, auf der anderen eine Frau. Zwei Menschen, die eigentlich zusammengehören und trotzdem in zwei getrennten Welten leben: er in seiner Welt und sie in ihrer Welt. Es ist ein Bild der Sehnsucht: Wie sehr wünschen wir uns, dass wir einen |11|Partner finden. Dass wir miteinander verschmelzen. Dass wir selbstvergessen auf eine gemeinsame Insel ziehen, und sei sie noch so klein!
Aber die kleine einsame Insel für zwei gibt es nicht, und es hat sie wahrscheinlich nie gegeben. Die romantische Fantasie der völligen Verschmelzung hat für moderne Individuen einen großen Haken: Auch wenn sie ein Paar werden, behalten beide Liebenden ihre unverwechselbare Identität. Jeder von beiden hat weiterhin seine ureigensten Gefühle und Gedanken, seine ganz persönliche Geschichte, seine individuellen Wunschträume und Sehnsüchte, sein eigenes Persönlichkeitsmuster, seine einzigartigen Stärken und Schwächen. Jeder von beiden darf fragen: »Wer bin ich? Wo ist mein Raum?« Sich selbst zu vergessen und für den anderen aufzugeben, das muss heute keiner mehr. Heißt das dann aber, dass wir die ganze Sache mit der Liebe vergessen sollten? Dass die zwei nie wirklich zusammengehören werden?
Wenn diese Frage auftaucht, zeichnet Tiki, wie unter Wasser das Bild weiter geht: Die beiden Inseln sind die Spitzen einer riesigen herzförmigen schwimmenden Insel. Wie bei einem Eisberg liegen 90 Prozent unter der Oberfläche. Das ist nicht nur ein hübscher zeichnerischer Einfall, sondern eine psychologische Tatsache: Ein Paar hat, das lässt sich sogar wissenschaftlich nachweisen, ein gemeinsames Unbewusstes.
Was vor diesem Bild geschah
Als Sie noch allein durch das Meer des Lebens geschwommen sind, war Ihre Persönlichkeit eine vergleichsweise kleine Eisscholle. Sie hat gerade mal für Sie selbst gereicht. Aber dann, als Sie sich gefunden haben, ist etwas Wundervolles passiert: Ihre Persönlichkeit hat sich vertieft|12|. Die Psychologen sagen: Ihr spezifisches Gewicht hat sich erhöht. Sie haben das sicher schon einmal gefühlt: Ein Mann, der eine Frau hat, steht anders da als ein Junggeselle. Eine Frau, die einen Mann hat, schaut fester und gelassener in die Welt als eine ungebundene.
Seit Sie sich gefunden haben, sind Sie innerlich gewachsen, haben Tiefgang bekommen, Stabilität, Sicherheit. Die Fahrt wurde schlagartig ruhiger. Kraft strömte durch Sie hindurch. Eine Kraft, die nicht aus Ihnen kam. Kam sie von dem geliebten anderen Menschen?
Bei näherem Hinsehen werden Sie feststellen: Dem anderen ging es genauso. Die Kraft, die er (oder sie) erlebte, kam nicht vom anderen, sie kam auch nicht aus dem eigenen Inneren, sondern sie kam aus der Tiefe. Die Kraft war größer als Sie beide. Da ist etwas passiert, das stärker war als Ihre beiden Leben zusammen, stärker als die Gefühle von Ihnen beiden, stärker als Ihre gemeinsamen Erfahrungen und Träume.
Bei allem, was Sie an Streit und Unruhe erleben – da ist etwas, das Sie zusammenhält. Sie werden getragen von etwas unter Ihnen, auf das Sie sich verlassen können. Das erleben viele Menschen erst, wenn sie sich trennen wollen. Sie leben in trübem Wasser und sehen nur all die Grässlichkeiten dort oben, durch die sie getrennt sind. »Wir haben uns doch nichts mehr zu sagen.« »Wir haben uns auseinander gelebt.« »Wir sind doch kein Paar, nur zwei nebeneinander her lebende Menschen.« Wie zwei Eisenbahnschienen, die sich erst in der Unendlichkeit treffen, so hat das Paulo Coelho einmal beschrieben. Dann wollen sie auseinander gehen und sind erstaunt, wie schmerzhaft und langwierig das ist. Es ist mühsam und manchmal schier unmöglich, diese mächtige, tragfähige, über oft viele Jahre gewachsene Bindung so einfach zu zerstören.
|13|Zwei verbreitete Fehleinschätzungen
Wir erleben immer wieder: Die Menschen überschätzen, was über dem Wasser ist. Und sie unterschätzen, wovon sie unter der Oberfläche ihres Lebens getragen werden. Was sie bewusst sehen, sind die Gemeinsamkeiten dort oben, auf der Oberfläche der beiden Inseln: die Übereinstimmungen im Alltag, im Geschmack und in den Vorlieben, im gefühlsmäßigen und praktischen Miteinander. Aber sie unterschätzen die Gemeinsamkeiten in ihrer Seele, die sich tief unter ihnen zu einer tragenden Kraft ausgeformt haben.
Das ist der fundamentale simplify-Tipp dieses Buchs: Verlassen Sie sich auf die Liebe. Sie trägt. Nehmen Sie’s gelassener. Ihr Leben ist nicht so oberflächlich, wie es Ihnen manchmal erscheinen mag. Da ist etwas unter der Oberfläche, das größer ist als Sie. So ist simplify your love eigentlich nichts weiter als ein großer Kursus in Vertrauen und Gelassenheit.
Die Liebe, die Sie erlebt haben, ob laut oder leise, mit gewaltigem Getöse oder allmählich sanft anschwellend – diese Liebe haben Sie beide nicht erfunden (auch wenn es sich manchmal so anfühlte, als seien Sie zwei die ersten Menschen auf der Erde, denen so etwas widerfährt). Diese Liebe ist die große Kraft des Lebens, uralt und immer wieder neu, das Geheimnis des menschlichen Herzens. Dieser Kraft verdanken Sie, dass Sie geboren wurden. Dass Sie sich verliebt haben. Dass Sie zusammengeblieben sind.
Warum es heute so schwer ist
Obwohl wir ganz und gar keine Nostalgiker sind, denken wir manchmal: Die Paare vergangener Generationen hatten es an diesem Punkt vielleicht |14|besser. Das Schiff »Ehe« haben sie vorgefunden, sie mussten es nicht fortwährend begründen. Früher hat man sich in das fertige, von allen anerkannte Schiff namens Ehe gesetzt. Unter dem Beifall aller ist man feierlich an Bord gegangen und stolz in einer stattlichen Flotte solcher Schiffe mitgefahren.
Heute aber steigen die meisten Liebenden mit schwerem Gepäck in dieses schwimmende Gefährt der Liebe. Sie müssen die Frage beantworten: Wollen wir überhaupt heiraten? Und warum? Populäre Magazine bombardieren sie mit angeblichen wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass der Mensch überhaupt nicht für die Monogamie geeignet sei. Sie lesen frustrierende Statistiken, mit welcher prozentualen Wahrscheinlichkeit ihre Partnerschaft in einer Scheidung enden wird. Sie nehmen es als unabänderlich hin, dass wieder eine Beziehung im Freundeskreis in die Brüche gegangen ist. Sie haben kein Gegenbild im Herzen, aus dem sie Kraft und Vertrauen schöpfen können. Das Bild vom großen Herz im Meer des Lebens ist ein Gegenbild, wenn Sie sich wieder einmal fragen: »Wo bleibt die Liebe?« Es will Ihnen sagen: Diese schwimmende Insel aus Liebe hält eine Menge aus. Sogar, dass einer der beiden vielleicht einmal über Bord geht, sich verirrt und verwirrt nach anderen Inseln Ausschau hält. Wir haben uns mit älteren Paaren unterhalten und dabei erfahren, dass sich einige von ihnen schon einmal fast getrennt hätten, dann aber wieder zusammengefunden haben. Wenn einer über Bord geht, muss das nicht immer seine eigene Schuld sein. Es gibt Stürme in diesem Leben, die auch unsere schwimmenden Inseln der Zweisamkeit tüchtig durcheinander schütteln. Aber die Inseln gehen davon nicht unter. Es gibt eine Menge Chancen, wieder an Land zu krabbeln.
|15|Platz für Sie selbst
Noch eine zweite ermutigende Botschaft enthält das Bild des großen schwimmenden Herzens: Das Inselchen, auf dem Sie sitzen, gehört Ihnen. Jeder von Ihnen hat auf dem großen gemeinsamen Herzen seinen eigenen Platz, den ihm der andere nicht wegnehmen kann. Dazu dürfen Sie das Bild in Gedanken größer machen, Ihren Inselbuckel mit Pflanzen und Bauwerken besiedeln, sich auf Ihrer Grundstückshälfte einrichten. Daran erkennt man ja gerade, dass Sie diese Partnerschaft mit Leben füllen und liebevoll gestalten. Ihr Gebiet trägt Ihre Handschrift, es entspricht Ihrer Art und Weise, zu lieben und Sie selbst zu sein. »Wo bleibe ich?«, fragen sich viele Menschen, die sich nicht trauen, ihren Inselteil für sich schön zu gestalten, in einer Partnerschaft. Unser Bild soll Ihnen die Gewissheit geben: Getragen von der wunderbaren Kraft der Liebe dürfen Sie Ihren Platz einnehmen. Sie werden sogar sehen, dass Sie mehr Platz für sich selbst gewinnen, als Sie jemals allein auf Ihrer kleinen Eisbärenscholle hatten.
Nehmen Sie das Bild des schwimmenden Herzens in Ihr eigenes Herz auf. So wie es als kleines Daumenkino auf jeder Seite dieses Buchs zu sehen ist, ist es die Grundmelodie von simplify your love: Die Liebe trägt. Behalten Sie es vor Augen, wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, sich nun auf die Reise begeben, um die fünf Wohnungen der Liebe kennen zu lernen.
Beginnen Sie mit einem Traum …
Ihr simplify-Traum: Das Land der Liebe
Sie träumen, wie sich eine unbekannte Hand auf Ihre Schulter legt. Sanft und liebevoll, doch zugleich mit einer enormen Kraft, von der Sie mühelos emporgehoben werden. Sie schweben über eine Landschaft im Morgengrauen. Sie sehen hinunter und wissen: Dieses weite Gebiet, bis an den Horizont und weit darüber hinaus, das alles ist mein Land. Mein gelebtes Leben erstreckt sich hier unter mir, und auch mein noch nicht gelebtes. Es ist erstaunlich groß, ein ganzer Erdteil. Über allem liegt zartblauer Nebel. Es ist kaum möglich, sich hier zu orientieren. Aber Sie lieben dieses Land aus tiefstem Herzen. Darüber wundern Sie sich, doch nur einen kurzen Moment. Denn dann fällt Ihnen ein, wie dieses unermesslich weite und wunderbare Land unter Ihnen heißt: Es heißt Liebe.
|17|Liebe, dunkler Kontinent
So hat Ingeborg Bachmann dieses Land genannt, das keiner kennt, nach dem sich aber alle sehnen. Eingehüllt in feinen Nebel wartet es darauf, entdeckt zu werden. Wir möchten Ihnen mit diesem Buch helfen, diesen herrlichen Kontinent zu erforschen und seine Geheimnisse besser zu verstehen. Als Single werden Sie entdecken, dass Ihr Teil des Großreichs Liebe keineswegs so klein ist, wie Sie dachten. Und wenn Sie bereits vergeben sind, werden Sie merken, dass Sie gewaltige Teile neu entdecken und erobern können – ohne dass Sie dafür Ihren Partner wechseln müssen.
Wir beide sind seit 1977 ein Paar und seit 1980 verheiratet. Wir haben in all den langen Jahren im Königreich der Partnerschaft und Liebe – wie unzählige andere Paare auch – folgende Erfahrung gemacht: Das Leben als Paar ist kein festgelegter Zustand. Wir lassen uns im Land der Liebe nicht einfach für immer irgendwo nieder. Wir und unsere Partner verändern uns ständig – allein schon dadurch, dass wir älter werden. Wer sich auf eine Partnerschaft einlässt, unternimmt eine große Reise, auf der er sich selbst und seinem Partner immer wieder anders begegnet. Die Liebe ist eine gemeinsame Abenteuerfahrt, die in zahllosen Mythen vieler Völker in prächtigen Bildern beschrieben wird: quest, aventiure, grand voyage. Die große Reise jedes Paares ist einzigartig und unverwechselbar, so wie kein Mensch dem anderen gleicht. Aber es gibt fünf typische Stationen oder Aufenthaltsorte, die ein Paar bei seiner Reise besucht und die wir Die fünf Wohnungen der Liebe genannt haben.
|18|Für wen simplify your love geschrieben ist
Zum einen ist es für Singles gedacht, die sich für eine Partnerschaft fit machen wollen. Wenn Sie (noch oder wieder) allein leben, ist es nützlich, die Landkarte des Königreichs der Liebe zu kennen, bevor Sie sich dort wieder auf Partnersuche begeben. Es ist, als ob Sie vor einer Reise einen Reiseführer über Ihr ersehntes Urlaubsland lesen. Sie werden träumen, planen, Vorfreude tanken und sich auf mögliche Gefahren besser einstellen können.
Zum zweiten ist simplify your love ein Buch für Paare aller Altersgruppen. Ihnen möchten wir eine positive Vision geben für das Potenzial, das in ihrer Beziehung steckt. Wenn Sie mehr über die augenblickliche Phase Ihrer Beziehung wissen, sich gegenseitig besser verstehen und miteinander weiterentwickeln möchten, gehören Sie zu den Lesern, die wir beim Schreiben vor Augen hatten.
Bitte lassen Sie sich von uns an der Hand nehmen und brechen Sie auf zu einer Reise in die Innenwelt Ihrer Beziehung. Orientieren Sie sich: Welche der fünf möglichen Wohnungen Ihrer Liebe bewohnen Sie gerade? Welche haben Sie hinter sich, welche noch vor sich? Manche Paare werden nicht alle fünf Wohnungen benutzen – und trotzdem eine tiefe Beziehung miteinander erleben können. Aber gerade dann kann es für Sie wichtig sein, gemeinsam darüber zu reflektieren, warum Sie eine wichtige Station im Land der Liebe nicht besuchen möchten oder können.
Die fünf Wohnungen der Liebe
Am liebsten würden wir Ihnen noch gar nicht alle Stationen verraten, weil das Lesen so am spannendsten wäre. Aber bevor Sie neugierig |19|vorausblättern, hier zum besseren Überblick die einzelnen fünf Domizile Ihrer Zweisamkeit:
Turm,
Liebeszelt,
Gutshof,
Finsterwald und
Schloss.
Die Reise beginnt immer im Turm. Er steht für Sie selbst als einzigartige Persönlichkeit. Hier geht es um Ihre gesunde Ich-Stärke, Ihre lebenswichtige Liebe zu sich selbst und alle Ihre notwendigen Entwicklungsprozesse. Und dieses Bauwerk hat eine geheime Kammer!
Das Liebeszelt ist eine zauberhafte Station, nach der sich alle Verliebten sehnen. In dieser wunderbar leichten, improvisierten Behausung findet sich das Paar. Hier kann es sich der Liebe hingeben, sich vergnügen und die Welt um sich herum vergessen.
Später zieht das Paar um in den Gutshof. Das ist der Ort, an dem sich die zwei Liebenden aneinander anpassen, wo Alltag, Beruf und Familie beide vielfältig beanspruchen und sich ihre Liebe im Alltag bewähren muss.
Direkt angrenzend an alle diese Wohnungen breitet sich der Finsterwald aus, in den sich der eine oder der andere schon einmal verirren kann. Der dunkle Wald steht für schwierige Phasen, für allerlei Krisen und Katastrophen in der Partnerschaft.
Am Ende des Weges winkt der Einzug ins Königsschloss. Das ist die grandiose Verheißung für jedes Paar: Das Zelt ist nicht die größte erfahrbare Ebene der Liebe. Die Anstrengung im Gutshof geht nicht endlos weiter. Der Finsterwald bedeutet nicht zwangsläufig das Ende. Als Paar können Sie hinter all dem Ihr Schloss entdecken und in einer neuen Dimension der Liebe, der Reife und der persönlichen Integration ankommen. Das erhöht gelegene Schloss mit dem fantastischen Panoramablick symbolisiert den umfassendsten |20|Aspekt Ihrer Liebe, der weit über Sie und Ihre Familie hinausgeht. Eine Liebe, die hinausstrahlt in die Gesellschaft, die gut ist für das ganze Land, die sich ins Universale erstreckt und sogar über die Grenzen Ihrer Lebenszeit hinaus reichen kann.
Eine Landschaft ohne Autobahnen
Wenn Sie sich die Landschaft vorne im Buch anschauen, merken Sie sofort: Im Land der Liebe gibt es keine vorgefertigten Wege. Die Wege entstehen dadurch, dass sie von Ihnen allein oder gemeinsam beschritten werden. Wenn Sie dieses Buch lesen, haben Sie sicher schon einiges an Weg kennen gelernt und können sich auch einer der fünf Wohnungen zuordnen.
Ebenso wenig gibt es im Land der Liebe Schnellstraßen, so wie es keine Patentrezepte gibt für das Glück zu zweit: Das Eheversprechen vor dem Traualtar oder dem Standesbeamten ist keine Garantie dafür, dass Ihre Beziehung ewig hält und Sie ein Leben lang glücklich im Land der Liebe verweilen dürfen. Doch auch wenn Sie Ihren Partner bewusst nicht heiraten, bringt das keine Sicherheit für die Beziehung. Kinder sind ebenso wenig ein Rezept für ewige Bindung wie eine geplante Kinderlosigkeit, damit sich die beiden Liebenden ohne Ablenkung ganz auf sich konzentrieren können. Die Möglichkeit, ins Schloss zu gelangen, haben alle: Eltern und Kinderlose, Verheiratete und Geschiedene, Hauptschüler und Akademiker, Arme und Reiche, Gesunde und chronisch Kranke. Nur zwei Gruppen von Menschen bleibt der Zugang vermutlich dauerhaft verwehrt: den Faulen und den Dummen.
|21|Werden Sie liebesfleißig und liebesklug
Vielleicht der größte Beziehungskiller ist die Faulheit. Ob Ihre Partnerschaft gelingt und hält, hängt von Ihrem Einsatz ab. Und zwar dem Einsatz beider. Schon an dieser Stelle möchten wir Ihnen raten: Investieren Sie Zeit, Liebe und Anstrengung in Ihre Beziehung. Sehen Sie sich immer als Gestalter, nicht als Opfer Ihrer Liebe. Bleiben Sie aktiv, auch wenn der andere Ihnen entsetzlich passiv erscheint. Tun Sie weiterhin etwas für Ihre Beziehung, ohne aber den anderen dabei ständig abzuwerten. Es gibt auch einen hektisch-fordernden Aktionismus, der lieblos ist und den Partner erdrückt.
Der andere Hauptgrund für das Scheitern der Liebe ist leider die Dummheit, die mangelnde Bildung in Sachen Zweierbeziehung. Einen Teil der erforderlichen Bindungskraft stellt Ihr Körper am Anfang automatisch bereit, über die Hormone und das Urverlangen nach Sexualität. Für die meisten anderen verbindenden Paar-Erfahrungen aber wird Ihr Geist benötigt, Ihre Fantasie, Ihr Verstand, Ihr Herz und Ihre spirituelle Antriebskraft. Wer heute meint, eine Paarbeziehung ohne innere Weiterbildung meistern zu können, hat schlechte Aussichten. Er wird vermutlich erleben, wie seine Liebe einfriert oder vertrocknet.
Die gute Nachricht aber lautet: So weit wird es bei Ihnen nicht mehr kommen. Wenn Sie jetzt dieses Buch nicht aus der Hand legen, sondern weiterlesen und das Land der Liebe lustvoll erforschen – dann können Ihnen diese beiden ärgsten Gegner eines glücklichen Liebeslebens schon deutlich weniger anhaben.
|22|Woran wir glauben
Viele Paare gehen auseinander, weil einer der beiden sagt: »Mit dir kann ich mich nicht weiterentwickeln.« Wir dagegen glauben, dass ein Mensch, der zu seinen tiefsten und innersten Möglichkeiten finden möchte, das überhaupt nicht allein tun kann. Er wird sich immer in irgendeinem Du spiegeln müssen. Wir glauben an die Liebe als die große gemeinsame Entwicklungsmöglichkeit zwischen Mann und Frau. Wir glauben, dass das nicht nur für wenige »Spitzenpaare« möglich ist, sondern für sehr viele Menschen, die in einer Partnerschaft zusammenleben – und natürlich auch viele, die zurzeit allein leben und eine Partnerschaft hinter beziehungsweise vor sich haben. Wir glauben auch an die großen Gefühle, die Sie im Königreich der Liebe erwarten. Wir glauben aber auch, dass viele Paare einfach keine ausreichende Übersicht haben, was sie in diesem unbekannten Riesenreich der Liebe alles erwartet. Noch einmal: Dieses Buch ist wie ein guter Reiseführer. Er ersetzt nicht die Tour, aber er kann ausgesprochen nützlich sein, damit Sie nicht auf Abwege geraten oder ganz und gar verloren gehen. Aber nun lassen Sie uns die Reise beginnen!
|23|
Der Turm
|24|
Den ganzen Tag denk ich drüber nach, am Abend sag ich’s dann. Woher kam ich, und was erwartet man von mir? Ich habe keine Ahnung. Meine Seele stammt von woanders her, dessen bin ich sicher, und dort zu enden, ist mein Ziel.
Dschelaleddin Rumi
|25|Ihr simplify-Traum: Der Turm
Sie blicken immer noch gedankenverloren auf die Landschaft vor Ihren Augen, aber langsam sinken Sie nach unten. Sie kommen sanft auf und spüren dankbar den festen Boden unter Ihren Füßen, umgeben von zartem Nebel. Da sehen Sie ein Licht, vor Ihnen und zugleich über Ihnen: Vor Ihnen erhebt sich ein mächtiger Turm, ganz allein ragt er wie ein Pfeiler aus der Landschaft empor. Er ist wunderschön und Ihnen seltsam vertraut, als wären Sie schon oft hier gewesen.
Das Licht kommt aus einem kleinen Fenster, hoch oben eingelassen in die raue Außenmauer des Turms. Etwas Wundervolles leuchtet da, mild und freundlich. Es zieht Sie hin zu diesem schönen Turm, aus dem das geheimnisvolle Schimmern kommt. Als Sie um den Turm herumgehen, finden Sie eine offene Tür. Sie gehen hinein und werden von einer breiten Wendeltreppe empfangen. Jede Stufe, jeder Stein ist Ihnen vertraut. Gerüche, die Sie aus Ihrer Kindheit kennen, steigen Ihnen in die Nase. Unzählige Erinnerungen kommen hoch, während Sie langsam die Treppe hinaufgehen. Die nächsten davon stammen aus Ihrer Jugendzeit, nach und nach kommen Bilder aus Ihren Erwachsenenjahren dazu. Etwas weiter oben liegt ein fensterloses Zwischengeschoss mit einem Kamin, in dem ein gemütliches Holzfeuer knistert. Ein Sessel lädt Sie ein, sich davor niederzulassen. Sie blicken in die Flammen und sinnieren über den geheimnisvollen Raum, dessen warmes Licht Sie vorhin von außen schimmern sahen. Er muss irgendwo über Ihnen liegen, und es muss einen Zugang geben. Sie wollen dort unbedingt hinein und stehen auf, um weiter nach ihm zu suchen.
Am Beginn der Reise zu zweit steht ein einzelner Turm. Bevor es zwei gibt, die sich lieben, gibt es einen, der sich danach sehnt, zu lieben |26|und geliebt zu werden. Ohne erfüllte Liebe haben die meisten Menschen das Gefühl, einsam zu sein. Darum steht der Turm erst einmal allein da. Ob Sie ein Mann oder eine Frau sind – der Turm ist Ihr Aussichtspunkt in die ganze Welt. Der Turm steht für Sie selbst und Ihren lebenslangen Prozess, Sie selbst zu werden – erst einmal ganz unabhängig davon, ob Sie eine Partnerschaft eingehen werden oder nicht. Ihr Turm ist die Basis Ihres Daseins. Ihr Leben lang bleibt er Ihr persönlicher Bezugspunkt. Von hier aus nehmen Sie sich wahr, wenn Sie »ich« sagen.
Wenn in einem Märchen ein Turm vorkommt, steht er in der Regel für das Ich-Zentrum oder die Persönlichkeit eines einzelnen Menschen. Das Symbol ist mit Bedacht gewählt: Ihre Persönlichkeit ist keine primitive Höhle, keine kleine geduckte Hütte, kein protziger Palast, sondern ein klar strukturiertes und gut sichtbares aufrechtes Gebäude. In unserer Landschaft steht der Turm außerdem nicht an einem belebten, geselligen Ort, sondern eher außerhalb der bewohnten Gegend. Ihr Turm hebt sich damit klar von seiner Umgebung ab. Das alles sagt, dass Sie als Erwachsener ganz zu sich selbst und für sich allein stehen können sollten. Wenn wir erwachsen werden, tun wir nichts anderes, als einen eigenen freistehenden Turm zu bauen. Dieser Turm sollte nicht zu nahe bei den Türmen unserer Eltern stehen oder gar an diese angelehnt sein. Das ist oft gar nicht so einfach und erfordert Mut, Kraft und Einsatz. Ein Turm kann auch schief geraten oder gar einstürzen, wenn er unsorgfältig oder übertrieben hoch gebaut wird. Vor allem aber: Selbst der schönste Turm ist keine wirkliche Wohnung, mag er noch so viel Sicherheit und Schutz bieten.
|27|Es scheint zur Metapher vom Turm zu gehören, dass sein Bewohner aus dem Fenster schaut und sich nach einer anderen Bleibe sehnt. Wer dagegen sein Leben lang ein einsamer Turmbewohner bleiben will, ist vielleicht eine ungewöhnliche oder gar geniale Persönlichkeit, gehört aber, was seine Beziehungskompetenz betrifft, eher zu denen, die im Land der Liebe nicht weit herumgekommen sind.
Psychologisch gesehen ist der stabile Turm also Ihr Symbol für ein gut entwickeltes Persönlichkeitszentrum. Er stellt den Kern Ihrer Person dar, um den Ihr seelisches Geschehen kreist. Wenn Sie Zugang zu diesem Zentrum haben, erleben Sie in sich einen ruhenden Pol: Sie haben Selbstvertrauen und wissen, wer Sie sind. Freuen Sie sich über Ihren Turm! Es ist ein Leben lang spannend, den eigenen Turm zu erforschen und herauszufinden, was sich alles in ihm findet. Das ist besonders wichtig, wenn Sie sich dauerhaft mit einem anderen Menschen zusammentun wollen. Der einfache Grund: Dieser andere besitzt auch einen Turm, seinen eigenen, und macht vergleichbare Prozesse durch.
Haben Sie den Mut, eine Persönlichkeit zu werden
Um zu verstehen, wie sich Ihre beiden Türme zueinander verhalten, unterscheiden wir am besten zwischen einer kollektiv orientierten und einer individuell orientierten Persönlichkeit. Kollektiv heißt: Sie sind stark vom Unbewussten und von der Gesellschaft bestimmt und dadurch von sich selbst getrennt. Sie tun, was man gerade so tut, und Ihnen ist wichtig, was die Leute über Sie denken. Sie gehen in einen Film, weil man den gesehen haben muss; Sie tragen bestimmte Kleider, weil man sie in Ihren Kreisen haben |28|muss; Sie kaufen ein repräsentatives Auto, weil man in Ihrer Position eines haben muss und so weiter. Wenn Sie aber lernen, sich wahrhaft auf sich selbst und auf andere Menschen zu beziehen, werden Sie zu einer individuell orientierten Persönlichkeit. Sie werden dann alles daransetzen, eine echte Persönlichkeit zu werden. Sie werden Ihrem Turm ein eigenes Gesicht geben. Ihr Bauwerk wird unverwechselbar sein, mit Verbindungsmöglichkeiten, Öffnungen, Durchgängen, Fenstern und Gästezimmern, die genau da sind, wo es wirklich sinnvoll ist. Wird das Kollektive überbetont, enden Sie in der Selbst-Entfremdung: Sie haben zwar dann einen perfekt an die allgemeinen Vorstellungen angepassten Turm, aber Sie werden das schreckliche Gefühl nicht los, dass er innen hohl und zu nichts gut ist. Wenn Sie jedoch zu einer Persönlichkeit werden, wird Ihre Individualität gestärkt und auf eine höhere Dimension gehoben. Lassen Sie sich davon nicht durch Stimmen abbringen, die den Individualismus als gemeinschaftsfeindlich verteufeln: Erst wenn Sie es wagen, Ihre eigene innere Wendeltreppe hochzusteigen und damit Ihren individuellen Entwicklungsweg zu beginnen, haben Sie überhaupt die innere Kraft, einen anderen Menschen aus der Tiefe Ihres Herzens heraus zu lieben! Nur zwei individuelle Persönlichkeiten können es wagen, sich in der Liebe zu begegnen, sich füreinander zu öffnen und miteinander ihren Weg finden.
Noch bis ins 20. Jahrhundert dachte man, ein gutes Paar entstehe dadurch, dass allein der Mann eine in sich gefestigte Persönlichkeit, also einen fertigen Turm, haben sollte. Die Frau brauchte ihre eigene Turmpersönlichkeit gar nicht zu entwickeln oder sollte sie mit der Ehe schleunigst ganz aufgeben, sich ihrem Mann völlig anpassen und sich völlig auf seine Unterstützung konzentrieren. Je jünger und »unfertiger« eine Frau in die Ehe ging, so dachte man, umso anpassungsbereiter sei sie, und umso besser stünden ihre Chancen auf eine gute Ehe. In unserer Gesellschaft ist dieses Denken zum Glück weitgehend überwunden, und keine Frau wird das Rad wieder dorthin zurückdrehen wollen. Frauen wie Männer haben das |29|Recht, sich selbst als wertvoll und unverwechselbar zu empfinden. Glücklich zu werden durch Selbstaufgabe, im Schatten und als Diener eines anderen, das bringt heute kaum noch eine Frau und noch weniger ein Mann zustande.
Praktisch gesehen heißt das: Die beste Voraussetzung für eine gute Beziehung sind zwei stabile freistehende Türme. Wenn Sie permanent schwach und anlehnungsbedürftig sind, oder wenn Sie meinen, Ihr Partner müsse immer alle Ihre Schwächen ausbügeln, haben Sie als Paar keine guten Karten. Haben Sie darum den Mut, Ihre eigene Persönlichkeit voll zu entwickeln und sich auch einen Partner mit einer Persönlichkeit zu suchen, die der Ihren ebenbürtig ist.
Die Außenmauern: Ihr Ego
Das leuchtet Ihnen sicher unmittelbar ein: Ein guter Turm braucht stabile Mauern. Ihr Selbstbewusstsein ist gut, wenn Ihr Turm ein tiefes Fundament und ein ordentliches Mauerwerk hat. Er wird dann frei stehen können. Bei unsicheren Menschen, die stark angelehnt sind an ihr Elternhaus, an äußere Autoritäten oder einen Partner, gerät dagegen das Gemäuer ins Wanken, sobald man eine dieser Stützen wegnimmt.
Die vielen Steine in den Außenmauern des Turms bilden Ihre eher egozentrischen Persönlichkeitsanteile. Sie setzen sich zusammen aus Ihren Ideen, Wertvorstellungen, Wünschen und Bedürfnissen. Wir können sie alle zusammen kurz »Ego« nennen. Das Ego ist nichts Schlechtes. Es bietet Ihnen Schutz und Halt und fungiert als Leibwächter. Mit seiner Hilfe können Sie sich abgrenzen und definieren. Weil es Ihnen sagt, was Sie mögen und was nicht, mischt das Ego auch kräftig mit bei der Partnerwahl. Haben Sie sehr genaue Vorstellungen, wie der Traummann oder die Traumfrau aussehen |30|soll (lange Haare, blaue Augen, so ein gewisser Schwung in den Augenbrauen)? Dann können Sie ziemlich sicher sein: Das sind die Wünsche Ihres Egos. Ihr Ego möchte gestalten, bestimmen und die Kontrolle übernehmen. Es hat ein bisschen von einem anmaßenden Kleinkind: Ständig sagt es Ihnen, wo es lang gehen soll. Dummerweise hat Ihr Ego die Tendenz, sich um so eiserner zu verfestigen, je williger Sie auf es eingehen – wie ein Kind eben, das stets jeden Wunsch erfüllt bekommt.
Wenn Sie Ihrem Ego stets die Führung überlassen, werden Sie egozentrischer, starrer, sturer – und unsympathischer. Ihr Turm verliert an Lebendigkeit, Flexibilität, Aufnahmefähigkeit und Einfühlungsvermögen. Seine Mauern bilden eine unüberwindliche Abwehrschicht. Ein Ego, das allein das Sagen hat, schottet Sie nicht nur von der Außenwelt ab. Im Endstadium wird es sogar dafür sorgen, dass Ihr Turm zu einem selbst gewählten Gefängnis mutiert, das Sie völlig von Ihren Mitmenschen isoliert. Eine Partnerschaft wird so unmöglich.
Die Schatzkammer: Ihre Seele
Das wären trübe Aussichten, gäbe es da nicht noch etwas anderes in Ihnen. Das wahre Geheimnis Ihres Turms liegt gut verborgen in seinem Inneren. Inmitten der starken Mauern dreht sich eine Wendeltreppe empor, die zu einem wunderbaren Raum führt. Das ist die geheimnisvolle Schatzkammer in Ihrem Turm. Dort wohnt, gut verborgen und geschützt, die wahre Herrin Ihres Lebens. Es ist die eigentliche Mitte Ihrer Persönlichkeit, Ihr wahres Selbst, die Prinzessin Seele.
Als eigentliche Herrin Ihres Turmes sollte Ihre Seele auch das Sagen haben. Wenn Sie von der sanften und zugleich mächtigen Kraft Ihrer Seele geleitet werden, gewinnen Sie Selbstgewissheit und Selbstvertrauen. Sie bekommen auf wunderbare Weise Zugang zu |31|dem, was an guten Kräften noch unentdeckt in Ihnen steckt. Die noble Seele ist nicht stolz oder herrschsüchtig wie das Ego, im Gegenteil: Sie brennt darauf, sich einem anderen Menschen hinzugeben und sich zu verschenken. Sie hat eine fantastische Begabung, sich mit allem in schöpferischer Liebe zu verbinden. Und sie hat eine alles verwandelnde Kraft. Paulus hat es in der Bibel in seinem berühmten Lobgesang über die Liebe, dem Hohelied aus dem 1. Korintherbrief, so beschrieben: »Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie benimmt sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu … sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.«
Das ist keine unrealistische Utopie, sondern die Urkraft der Seele. Liebe ist ihr Element, dafür ist sie geschaffen. Es wäre furchtbar für Ihre Seele, wenn sie im Turm Ihres Egos eingeschlossen bliebe. Sie können darauf vertrauen: Ihre Seele ist begabt, für die Liebe aufs Ganze zu gehen – ganz gleich, ob es sich um die Liebe zu einem Menschen oder zu Gott handelt.
Die Fenster: Ihre Ausstrahlung
Wenn Sie eine große Liebe zu einem anderen Menschen empfinden, dann lieben Sie ihn sowohl mit der Kraft Ihrer äußeren Persönlichkeitsstruktur als auch mit der inneren Kraft Ihrer Seele. Liebe ist immer eine Mischung aus Ego und Seele, aus Ich-Kraft und Hingabe. Doch für eine zuverlässige, lange und tiefe Partnerschaft sollte Ihre Seele tonangebend sein, nicht das Ego. Wenn Sie also Ihre wahre Liebesfähigkeit entfalten wollen, dann werden Sie nicht darum herumkommen, Ihre Mitte zu entdecken und den geheimnisvollen Raum im Turm Ihrer Persönlichkeit zu suchen, in dem Ihre Prinzessin Seele wohnt.
|32|Wenn Sie den versteckten Zugang zur Schatzkammer endlich gefunden haben, dürfen Sie eine Weile staunen. Dann aber sollten Sie die Fenster Ihres Turmzimmers öffnen: Das Licht des Bewusstseins darf hier hinein, damit Ihre Seele hinaussehen und nach außen strahlen kann. Sobald Sie das wagen, werden Sie etwas Faszinierendes bemerken: Man wendet sich Ihnen zu, denn Ihre liebevolle Seele macht Sie attraktiv für andere. Im Französischen heißt der Magnet aimant, der Liebende, weil er anziehend und vereinigend wirkt. Die Seele wirkt also wie ein Attraktor oder Magnet, der andere Menschen anzieht. Der französische Mystiker Franz von Sales hat das einmal so ausgedrückt: Die Seele erzeugt mit ihrer Liebe ein »Kraftfeld des Hingerissen-Werdens«, dem man sich nicht entziehen kann.
Denken Sie bitte nicht: Das klingt zwar gut, aber das schaff ich nicht. Sagen Sie nicht: Dazu bin ich zu alt, zu einfältig, zu beschäftigt, zu wenig religiös. Das sind negative Einflüsterungen Ihres Egos, von denen Sie sich nicht entmutigen lassen dürfen. Die Seele kann jederzeit in jedem Menschen erwachen. Dafür ist es nie zu spät. Der große Schweizer Tiefenpsychologe C. G. Jung hat immer wieder betont: Die meisten Menschen haben die schöpferischen Möglichkeiten des Erwachsenseins und des Alters gar nicht wirklich erfasst, weil sie beim Wort »Entwicklung« zu einseitig an die Kindheit denken. Gerade Erwachsene aber können reifen, lernen und sich verändern – wenn sie sich der Regie ihrer Seele anvertrauen und lernen, die Herrschaft der egozentrischen Anteile zu reduzieren.
Ihr Lebensturm ähnelt im Inneren einer Treppe mit großen, flachen Stufen. Stellen Sie sich vor, dass es gut 100 Stufen sind, jede steht für ein Lebensjahr. Sie sind also schon ein ganzes Stück hochgestiegen. |33|Etwa alle sieben Jahre vollziehen sich in der Persönlichkeit jedes Menschen größere Veränderungen. Die ersten drei Phasen von Stufe 1 bis 21 sind markiert durch gesellschaftlich festgelegte Ereignisse: Mit fast 7 Jahren kamen Sie in die Schule. Mit 14 Jahren wurden Sie gefirmt, konfirmiert oder waren bei der Jugendweihe. Mit 21 Jahren wurde noch bis 1975 in Deutschland die Volljährigkeit erreicht.
Vieles spricht dafür, dass der Siebener-Rhythmus darüber hinaus weitergeht. Die amerikanische Psychoanalytikerin Clarissa Estés hat die zwölf weiteren Stadien bis ins hohe Alter erforscht und benannt. Kein Stadium ist dabei besser oder erstrebenswerter als die anderen; jedes hat seinen Sinn und kann Erfüllung bringen.
Lernen Sie die Wendeltreppe Ihres inneren Wachstums kennen
Verwirrung in einer Partnerschaft entsteht häufig dadurch, dass einer nicht erkennt, in welchem Entwicklungsstadium er selbst gerade steckt. Manchmal werden Sie ein Stadium als sehr anstrengend empfinden, eine andere Phase erscheint Ihnen als Erholung. Betrachten Sie alle Phasen als sinnvolle Stufen auf dem Weg zur vollen Entfaltung Ihrer Prinzessin Seele, zu deren Gemach im Turm die große Wendeltreppe Ihres Lebens führt. Dazu können auch massive Ich-Krisen gehören, die in Wahrheit Wachstumsschübe Ihrer persönlichen Entwicklung sind.
Ihr innerer Weg auf der Wendeltreppe im Turm hat stets das eine Ziel: Er führt Sie zu Ihrem wahren Persönlichkeitskern. Mit jeder Stufe wächst Ihre Chance, dass das Licht Ihres guten Wesenskerns immer klarer und feiner durch die Mauern Ihres Turmes hindurchleuchten und sich Ihre Persönlichkeit voll entfalten kann. Mit welchem Tempo diese Phasen durchlaufen werden, liegt an Ihrer einzigartigen Persönlichkeit. Eine 40-Jährige kann schon im Reich der Nebelwesen sein (eigentlich 77–84 Jahre), ein 70-Jähriger noch in |34|der Zeit der Krisen (35–42 Jahre) stecken. Nehmen Sie den Siebener-Rhythmus daher nur als Näherungswert.
Ihr volles Leben: 15-mal sieben Jahre
0–7 Jahre: Zeit der Körperlichkeit. Das intensive Lernen über den Körper: Laufen, Sprechen, soziale Kontakte. Sie erproben im Spiel erste Partnerschaftskonzepte.
7–14 Jahre: Zeit der Unterscheidung. Der rationale Verstand entwickelt sich, Vorstellungskraft und Ich-Bewusstsein wachsen. Eigene Wertvorstellungen werden ausgebaut.
14–21 Jahre: Zeit der körperlichen Vollendung. Die Sexualität erwacht und entfaltet sich. Ihr Äußeres und Ihr Image spielen eine große Rolle, ebenso Cliquen und Freunde. Physisch wird die Reife abgeschlossen, psychisch bleiben oft noch Unsicherheit und Unzufriedenheit mit dem Selbstbild wirksam.
21–28 Jahre: Zeit des Aufbruchs. Sie streben nach mehr Autonomie und lösen sich endgültig vom Elternhaus. Sie entdecken neue Welten des Wissens, des Berufs und der Partnerschaft. Ihr Selbstvertrauen festigt sich.
28–35 Jahre: Zeit der Elternschaft. Eine arbeitsreiche, leistungsfähige Phase, in der Sie Ihre Werte und Konzepte erproben können. Sie sorgen für Ihre Kinder, seien es leibliche oder auch geistige, zum Beispiel ein Arbeitsprojekt oder eine soziale Aufgabe. Auch die Fürsorge für Patenkinder oder ältere Angehörige kommt langsam dazu.
35–42 Jahre: Zeit der Krisen. Der Beginn Ihres verstärkten seelischen Wachstums ist verbunden mit Irritationen, Korrekturen und inneren wie äußeren Kämpfen, auch in der Partnerschaft. Als Belohnung winken innere Tiefe, Authentizität und Wahrheit.
|35|42–49 Jahre: Zeit der ersten Seelenweisheit. Sie sehen klarer zurück als je zuvor, stoßen aber auch an Grenzen. Sie gewinnen Weitblick und erschließen neue innere Kraftquellen – häufig gerade durch eine gesundheitliche, berufliche oder private Durststrecke.
49–56 Jahre: Zeit der Unterwelt. Sie werden mit den dunklen Seiten Ihrer Seele konfrontiert. Ihre nüchternen Einsichten über sich wachsen, während Ihr Partner Ihnen manchmal sehr weit weg vorkommt. Am Ende der Schattenzeit steht die umfassende Einweihung ins Seelische – auch als Paar, das sich in Schwierigkeiten bewährt hat.
56–63 Jahre: Zeit der Entscheidung. Sie finden heraus, welchem Lebensfeld Sie oberste Priorität einräumen wollen. Unwichtiges kann losgelassen werden. Damit markieren Sie die Richtung Ihrer zukünftigen Arbeit. Ihr Partner entdeckt überrascht neue Aspekte an Ihnen: konzentrierte Kraft und das Wissen, worauf es jetzt ankommt.
63–70 Jahre: Zeit der Beobachtung. Das Knäuel entwirrt sich. Sie sehen herab vom »Turm der Achtsamkeit«,
können alles Gelernte neu einordnen und bisherige Widersprüche integrieren. Der partnerschaftliche Umgang ist von Dankbarkeit und gegenseitiger Toleranz bestimmt.
70–77 Jahre: Zeit der Verjüngung. Das klingt angesichts nachlassender Körperkräfte vielleicht etwas seltsam. Aber Ihre innere weise Frau beziehungsweise Ihr innerer weiser Mann gewinnt an Spannkraft und Flexibilität, sobald Sie »die Dinge der Jugend« mit Anmut aufgeben. In einem erweiterten Sinn lassen Sie los und werden noch freier.
77–84 Jahre: Zeit der Nebelwesen. In Demut gewinnen Sie das intuitive Wissen darüber, wie Sie im Geringen immer |36|Größeres finden können. Ihr Blick für das Ganze, geschult durch langjährige Prozesse, erfasst Künftiges ebenso gut wie Vergangenes.
84–91 Jahre: Zeit der Weber. Sie verstehen das Gewebe des Lebens und lernen es zu deuten. Ihr Rat wird kostbar und von anderen als Weisheit erfahren.
91–98 Jahre: Zeit der Feinstofflichkeit. Sie »glänzen von innen«, ruhen in sich selbst, müssen weniger sagen und können immer mehr nur sein.
98 Jahre und darüber: Zeit des großen Atems. Versöhnt existieren Sie zeitlos ganz im Hier und Jetzt.
Notieren Sie – nur für sich, vertraulich und allein für Ihre eigenen Augen bestimmt – die wichtigsten Momente Ihres bisherigen Lebens. Schreiben Sie alles, was Ihnen einfällt, auf einen Zettel, in zeitlicher Reihenfolge und ohne Stress. Was Ihnen als Erstes einfällt, ist in der Regel auch das Ereignis, das Sie am stärksten geprägt hat. Das kann eine schwere Krankheit sein, ein Todesfall, eine besonders glückliche Erfahrung oder auch ein unvergesslicher Traum.
Finden Sie das Geschenk
Prüfen Sie nun, ob in der Reihenfolge Ihrer wichtigsten Momente eine innere Logik steckt. Wiederholen sich bestimmte Muster? Notieren Sie unter jedem Ereignis, was Sie daraus Nützliches für Ihr weiteres Leben mitbekommen haben. Das gibt es auch bei den schlimmsten und tragischsten Ereignissen! Fragen Sie Ihre Seele, was sie dazu sagt. Sie wird Ihnen helfen, das verborgene Geschenk hinter den schweren Erfahrungen zu entdecken. Vor allem dieses Geschenk zählt. Es bereichert auch Ihre Partnerschaft.
|37|Warum ist das so? Weil Sie in den prägenden Momenten Ihres Lebens gelernt haben, auf Ihre innere Kraft zu vertrauen. Ihre aktuelle Persönlichkeit setzt sich zusammen aus verheilten Wunden und den daraus gewonnenen Erfahrungen – und längst nicht nur aus unverarbeiteten Verletzungen, wie die alte Psychologie uns bisweilen weismachen wollte. Der Fachbegriff für diese neue psychologische Sichtweise auf Ihre Vergangenheit lautet »ressourcenorientiert«. Sie geht davon aus, dass auch die negativsten Erfahrungen Kräfte in Ihnen wecken, auf die Sie während Ihres weiteren Lebens zurückgreifen können – ein Vorrat (»Ressource«) an heilsamen und sinnstiftenden Denk- und Handlungsmustern.
Noch einen Schritt weiter geht die folgende Methode, mit der Sie Ihren Turm regelrecht in Höchstform bringen können.
Wenn Menschen das Bild vom Turm ihrer Persönlichkeit zum ersten Mal hören, reagieren sie manchmal ablehnend: Ich soll ein Gebäude sein? So allein und abgelegen, so schwerfällig und steinern? Aber dann erzählen wir, dass ihr Turm umgebaut werden kann, wie jedes andere Bauwerk auch. Sie können an Ihrer Persönlichkeit arbeiten, Ihren Turm ganz im Sinne der Lebenspyramide von simplify your life entrümpeln, ihn schöner, wohnlicher, stattlicher und freundlicher gestalten! Wenn Sie eine Beziehung hinter sich haben, heißt die gute Nachricht für Sie: Sie müssen nicht alle Altlasten und Verletzungen mitnehmen in die nächste Beziehung. Sie können mit relativ einfachen Maßnahmen persönlich glücklicher und damit auch für andere attraktiver werden.
|38|Schließen Sie Freundschaft mit sich selbst
Ihre erste Aufgabe im Land der Liebe ist es, Ihren eigenen Turm kennen zu lernen, um Ego und Selbst zu unterscheiden. Bitte missverstehen Sie diese Unterscheidung nicht in dem Sinn, Ihr Ego sei schlecht und Ihr Selbst das eigentlich Gute (so wie ja auch das Wort Egoismus einen negativen Beigeschmack hat). Erst beide zusammen bilden eine harmonische Einheit, der es dann sogar gelingt, ein freundliches Licht in die dunkelsten Ecken Ihres Turmes zu tragen. Es geht nicht darum, dass Sie sich selbst zerfleischen, sondern es geht um etwas viel Erfreulicheres: Ihr Ego und Ihr Selbst sollten freundschaftlich miteinander verbunden sein. Das heilt Ihre innere Zerrissenheit und verhilft Ihnen zur Ganzheit.
Der griechische Philosoph Aristoteles nennt das »Freundschaft mit sich selbst«. Fragen Sie nicht mehr: »Wer bin ich?« So fragt typischerweise Ihr einsames Ego. Ihre gute, beziehungsfähige Seele dagegen will wissen: »Wer sind wir?« Die Seele hat immer einen Blick für große, komplexe Zusammenhänge. Ihre Seele weiß, dass es in Ihnen verschiedene, auch spannungsvolle Aspekte gibt.
Wer ist »ich«? Der unausgeschlafene Typ direkt nach dem Aufstehen? Der heitere Mensch, der vormittags durch den Sonnenschein spaziert? Der liebevolle Tröster, zu dem die anderen gerne kommen, um sich auszuweinen? Das kleine Häufchen Elend, das sich abends so unendlich allein gelassen fühlt? Ist Ihr Ich das, was Sie in Ihrem Bauch fühlen? Das, was in Ihrem Herzen manchmal sticht, manchmal wärmt? Was Sie in Ihrem Kopf über sich selbst denken? Ja, und dann gibt es sogar innerhalb dieses Kopfes verschiedene eigensinnige Gedanken, und innerhalb Ihres Bauches fühlen Sie gegensätzliche Gefühle. Jeder dieser Teile ist ein Ich für sich. Das ist Freundschaft mit sich selbst: all diese Teile so miteinander in Beziehung zu bringen, dass sie zu einem »Wir« werden. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, das zu üben.
|39|Selbstsein. Der beste Startpunkt für bewusstes Bei-sich-selbst-Sein ist Ihr eigener Körper. Sie erfahren Wohlgefühl und Schmerzen, Sie sind gesund und krank, fühlen sich mal wohl, mal ausgesprochen unwohl in Ihrer Haut. Die erste Lektion: Finden Sie diese Gegensätze gut und richtig – nur dadurch erfahren Sie, dass Sie leben! Der Wert »Gesundheit« lässt sich ohne Krankheit nicht erfühlen. Ein gutes Gefühl bekommen Sie nur, wenn Sie sich Ihrem Körper aufmerksam und freundschaftlich zuwenden. Sehen Sie in ihm mehr als nur eine Maschine, die repariert oder mit Medikamenten »eingestellt« werden muss. Ihr Körper ist ein hochsensibler Seismograph, der Ihnen unentwegt subtile Informationen zukommen lässt darüber, wie es Ihnen wirklich geht und was Ihnen gut tut und was nicht. Trainieren Sie die präzisen Wahrnehmungen Ihres Körpergefühls schon jetzt im Turm – in einer Partnerschaft werden Ihre inneren Antennen nicht nur auf den eigenen Körper, sondern auch auf den Ihres Partners eingestimmt sein, später möglicherweise auch noch auf die Ihrer Kinder.
Selbstverwirklichung. Zerstörerisch ist Ihr Ego nur, wenn es meint, die alleinige Führung in Ihrem Turm übernehmen zu müssen. Eine gute Merkhilfe steckt in dem viel gescholtenen Wort »Selbstverwirklichung«: Wenn das Ego allein das Sagen hat, sucht es in allem (auch in der Liebe) nur seinen eigenen Vorteil. Überall entdeckt es nur das eigene Ich, auch in dem Wort SelbstverwirklICHung.
Mit dem klugen Blick der Freundschaft mit sich selbst aber sieht es, dass noch mehr in dem Begriff steckt: SelbstverWIRklichung. Tipp: Sprechen Sie das Wort laut mit den verschiedenen Betonungen aus. Sie werden überrascht sein, wie hart die SelbstverwirklICHung klingt und wie sympathisch sanft die SelbstverWIRklichung.
|40|Selbstliebe und Liebe zu anderen. Nicht erst aus Gründen der Moral, sondern schon aus Eigeninteresse lohnt sich Nächstenliebe: Innerlich wirklich reich werden Sie nicht durch sich allein, sondern durch die Zuwendung und Zuneigung anderer. Wie sollten die zu erreichen sein, wenn Sie mit Ihrem Selbst anderen nichts zu bieten haben? Arbeiten Sie also nicht an Ihrer »Selbstverwirklichung«, sondern daran, die Kräfte dafür zu gewinnen, für andere da sein zu können. Aus guten Gründen heißt es schon im christlichen Liebesgebot: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst«, und eben nicht: »anstelle deiner selbst«. Es ist vergeblich, sich dem Nächsten zuzuwenden, wenn die Selbstliebe nicht die Kräfte dafür zur Verfügung stellt, die verschenkt und verausgabt werden können. Wir sollten uns davon lösen, das für bloßen Egoismus zu halten.
Besuchen Sie die Schule des Humors
Hätten Sie gedacht, dass für die meisten Menschen weder Geld noch tolles Aussehen an oberster Stelle bei der Partnersuche stehen? Kurt Starke, Professor an der Leipziger Forschungsstelle für Partner und Sexualforschung, kommt nach langen Studien mit über 60000 Personen zu dem Ergebnis: Der Traumpartner ist intelligent, vertrauenswürdig, einfühlsam und – er hat Humor! Wenn Sie ein humorvoller Mensch sind, ist das nach Ansicht des Soziologieprofessors »das Beste, was dem anderen passieren kann!«
Halten Sie sich gesund durch Heiterkeit
Humor steht für Starke »in enger Beziehung zu Lebensgewandtheit, Souveränität, Solidarität, Freundlichkeit und auch zu Sinnlichkeit und Leidenschaft. Humorlose sind schlechte Liebhaber.« Mediziner haben außerdem festgestellt, dass Lachen Erkältungen |41|heilen, das Immunsystem stärken und Kreativität steigern kann. Auch aus biologischer Sicht ist es also klug, sich einen Partner mit Humor zu suchen: Das Leben an der Seite eines humorvollen Menschen ist einfach gesünder als an der eines Miesepeters.
Ein herzliches Lachen ist der Ausdruck von Vertrauen und Intimität. Je mehr Sie einem Menschen vertrauen, umso lieber lachen Sie mit ihm. Zum erfolgreichen Flirt gehört darum immer auch eine fröhliche Stimmung, durch die sich die Partner gegenseitig vermitteln: »Es ist okay, was du mit mir machst.« Die eigenen positiven Gefühle beim Lachen werden mit dem Flirtpartner verbunden – und der wird dadurch attraktiver.
Vermeiden Sie negativen Humor
simplify-Faustregel: Das gesündeste Lachen ist das Lachen über sich selbst. Beziehen Sie sich bei witzigen Bemerkungen immer selbst mit ein. Witze über Ihren Partner vor Dritten mögen manchmal einen Lacher erzeugen, sind aber für alle Beteiligten verletzend. Vom Humor zum Sarkasmus ist es nicht weit, man kann sich leicht im Ton vergreifen. Doch auch eine langjährige Beziehung ist kein Freifahrtschein dafür, den anderen lächerlich zu machen! Besonders heikel sind permanente ironische Sticheleien über die Schwächen des Partners. Kein Mensch kann ständigen Spott nur als »witzige Bemerkungen« hinnehmen – es sei denn, er darf es mit gleicher Münze heimzahlen. Menschen mit freundlichem Humor eignen sich darum als Partner für eine lange, harmonische Beziehung besonders gut!
|42|Machen Sie mit Ihrem Gegenüber den Humor-Test
Witze eröffnen Ihnen Einsichten in das, was nicht unmittelbar sichtbar ist. Achten Sie bei der Beurteilung eines potenziellen Partners darauf, was für Witze er über das andere Geschlecht macht. Wie gut oder schlecht kommen Frauen beziehungsweise Männer darin weg? Solche Witze geben die wahre Einstellung zu Sex, Liebe und Partnerschaft oft präziser wieder als die »offiziell« geäußerte Meinung. Wenn sich der andere auch über sich selbst und das eigene Geschlecht lustig machen kann, haben Sie gute Aussichten auf eine humorvolle Beziehung. Ist dagegen nur Ihr Geschlecht Zielscheibe für Spott und Hohn, sollten Sie auf Distanz gehen – die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Sie in einer späteren Beziehung abgewertet würden. Hüten Sie sich also vor jemandem, der seine Witze immer nur auf Kosten von anderen macht!
Meistern Sie Ihren Alltag
Das mag in früheren Zeiten ein Ehemodell gewesen sein: Er kann sich nicht einmal ein Butterbrot schmieren, geschweige denn Waschmaschine und Bügeleisen bedienen; sie hütet das Haus und versteht nichts von Geld und Beruf. Zwei auf bestimmten Gebieten völlig lebensuntüchtige Menschen, die dazu gezwungen sind, sich zusammenzutun. Zwei wackelige schiefe Türme, die sich aneinander lehnen müssen, um einigermaßen zu überleben.
Lernen Sie über Ihr Geschlecht hinaus
Heute geht das nicht mehr. Auch früher hat das Modell mit dem Blinden und dem Lahmen, die sich so fantastisch ergänzen sollen, oft überhaupt nicht funktioniert. Eine gute Beziehung besteht aus |43|zwei Türmen, die beide selbstständig aufrecht stehen können. Eine wichtige Vorbereitung auf das Leben zu zweit ist es daher, dass Sie die für den Alltag wichtigen Fälligkeiten erlernen – auch die, die Sie gern dem anderen Geschlecht überlassen würden: eine warme Mahlzeit zubereiten, Banküberweisungen ausführen, Autofahren und sich in fremder Umgebung orientieren, Geschenke für Familienmitglieder besorgen, mit Handwerkern verhandeln, Arztbesuche und Vorsorgetermine organisieren, einen sinnvollen Tageslauf planen und einhalten, Fenster putzen, einen Dübel in die Wand setzen, kleinere Krankheiten selbst kurieren, die Waschmaschine bedienen, bügeln, Wäsche einräumen. Die Liste, Sie ahnen es, ließe sich noch lange fortsetzen.
Allein zu wohnen ist ein gutes Training
Seien Sie vorsichtig bei einem Partner, der niemals wirklich allein gewohnt hat. Wenn ein Mann von der Vollversorgung im Hotel Mama direkt in die Bequemlichkeitszone bei seiner zukünftigen Frau zieht, dann ist das eine schwere Hypothek für eine Partnerschaft. Auch das klassische Modell einer schutzbedürftigen hilflosen Frau, die sich nach den starken Schultern eines Mannes sehnt, ist keine gute Basis für eine dauerhafte Beziehung.
Der Grund: Wer seinem Partner zu besonders viel Dank verpflichtet ist und keinen Ausgleich schaffen kann, bleibt ihm unterlegen. Weil er ihm nie ebenbürtig ist, wird er deswegen eines Tages auf ihn böse.
|44|Verzeihen Sie anderen
Eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einem glücklichen Leben zu zweit sind unverheilte Wunden. Sie machen Ihren Turm rissig und hässlich. Solange Sie einem anderen Menschen böse sind, ist Ihr Persönlichkeitsturm in einem desolaten Zustand. Die Lösung heißt: vergeben und verzeihen. Der amerikanische Therapeut Frederic Luskin führt mit seinem Kollegen Carl Thoresen seit 1999 das Stanford Forgiveness Project durch und ist zu einem erstaunlichen Ergebnis gelangt: Es ist gesund, nicht nachtragend zu sein. Verzeihen senkt den Blutdruck, hilft gegen Rückschmerzen, Depressionen, chronische Schmerzen, Übergewicht, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und viele andere psychosomatische Beschwerden. Und es verbessert Ihre Chancen, zu lieben und geliebt zu werden.
Das Vergebungsprogramm
Luskin und Thoresen haben ein Programm entwickelt, mit dem Ihre Seele aus dem Gefängnis der Hartherzigkeit herausfindet, nachdem Sie von einem anderen Menschen gekränkt oder enttäuscht worden sind.
1. Nüchtern die Fakten sehen. Was genau ist passiert? Was davon sind Tatsachen, was sind Gefühle? Stellen Sie sich zu jedem Geschehnis zwei Skalen von 1 bis 10 vor: die eine misst den faktischen, die andere Ihren emotionalen Verletzungsgrad. Sie leihen beispielsweise einem Freund Ihr Auto, und er beschädigt es dabei leicht: 2 Punkte faktisch. Er streitet allerdings das Geschehene ab und verletzt damit Ihr Vertrauensverhältnis: 8 Punkte emotional. Wie hoch der Schaden auf der emotionalen Seite ist, liegt bei Ihnen!
2. Zum Handeln finden. Fressen Sie das Erlebte nicht in sich hinein, sondern sprechen Sie mit vertrauten Menschen über Ihre Erfahrungen|45|. Das befreit Sie aus dem Teufelskreis des Verletztseins. Die Vergebung ist für Sie bereit! Treffen Sie eine Vereinbarung mit sich selbst: »Ich will und werde etwas tun, damit ich mich besser fühle. Ich schaffe die Wende vom Leiden zum Handeln.« Dabei geht es nicht um »klärende Gespräche« mit dem anderen, sondern darum, dass Sie sich selbst und Ihrem Körper etwas Gutes tun: Nehmen Sie ein Bad, machen Sie einen Spaziergang, treiben Sie eine Runde
Sport, hören Sie Musik.
3. Den Blick weiten.