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Die lebendige Natur spricht in diesen Geschichten durch wesenhafte Gestalten. Undinen, Baumgeister, Lilienfeen formulieren ihre Bedürfnisse und wollen von den Menschen erlebt werden. Paula und Hanna lernen, dass es nicht nur um Müllbeseitigung in der Natur geht, sondern dass sie eine Beziehung zu den Wesen aufbauen können, um ihnen zu helfen. Der kecke Kobold Klabo stiftet Ungemach und führt das Geschehen doch zu einem guten Ende. Paula und Madita grübeln mit Oma und Opa über die Fragen des Lebens und des Sterbens. Kreative Bilder und eine einfühlsame Sprache ermöglichen Kindern von 4 bis 12 Jahren mit den Qualitäten des Lebendigen in Berührung zu kommen.
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Seitenzahl: 103
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Margarete Jaeckel
Sinnige Geschichten
Sammelband 6
Illustrationen von
Susanne Ledendecker
Lektoriert von
Christine Tremel
© 2021 Margarete Jaeckel
Verlag und Druck:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Hardcover
978-3-347-38037-0
Paperback:
978-3-347-38036-3
e-Book:
978-3-347-38038-7
Illustration Umschlag: Susanne Ledendecker
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Inhalt
Eine geheimnisvolle Begegnung
Im Wald
Das Atmen der Erde
Eine besondere Eulenfamilie
Was einer Hose geschehen kann
Die Lilienfee
Geheime Kraft
Oma erzählt
1
Eine geheimnisvolle Begegnung
Die Entdeckung
Weil Paulas Vater eine neue Arbeitsstelle angenommen hat, musste Paulas Familie umziehen. Das war für alle schwer: Die Freunde zurücklassen, sich von der Schule und dem Kindergarten verabschieden, eben von allem, was man gut kennt und liebgewonnen hat.
Aber du weißt ja noch gar nicht, wer ALLE sind! Da sind einmal Mama und Papa und dann Paulas Schwester Hanna und ihr kleiner Bruder Philipp. Er ist erst vier Jahre alt und der Liebling seiner Schwestern, weil er so niedlich ist. Paula ist acht Jahre alt und geht in die zweite Klasse und Hanna ist schon zehn und in der vierten Klasse.
Zum Glück haben sie ein sehr schönes Haus am Rande der Stadt gefunden, in die Papa jetzt jeden Morgen fährt. Inzwischen fühlen sich alle dort auch richtig wohl. In dem alten, verwinkelten Haus gibt es ständig etwas zu entdecken und in dem großen Obstgarten lässt es sich herrlich spielen.
Hier gibt es ein Tier zu beobachten, dort einen glitzernden Stein; dann wiederum finden die Kinder eine Ecke, die zum Verweilen oder Träumen einlädt.
Es gibt unzählige Verstecke und die Obstbäume verlocken zum Klettern und Naschen. Paula und Hanna streifen auch gerne durch die nähere Umgebung. Bei einem ihrer Ausflüge entdecken sie eines Tages einen kleinen See, der versteckt in einem Wäldchen auf einer Lichtung liegt.
Am Ufer steht hohes Schilf und nur an einer einzigen Stelle können die Kinder das Wasser erreichen. Dort gibt es einen hölzernen, etwas schiefen Steg. Die Bretter sind bemoost und teilweise morsch und am Ende ragt eine Leiter aus dem Wasser, auf deren glitschigen Sprossen man ins Wasser steigen kann.
Die beiden Mädchen setzen sich auf die sonnengewärmten Bretter und lassen die Füße im Wasser baumeln. Zwei grün schillernde Libellen tanzen über der Wasseroberfläche und aus dem Schilf ertönt leises Quaken von Fröschen. Außer ihnen ist keine Menschenseele dort, es ist wie verzaubert.
Jetzt müssen sie nach Hause zurück. Nur schwer können sie sich von diesem besonderen Ort trennen, doch sie wissen, dass Mama auf sie wartet. Auf dem weichen Boden entlang des Sees laufen sie los.
Zu Hause angekommen erzählen sie Mama atemlos und aufgeregt von ihrer Entdeckung. Ja, sie kennt den See auch schon. Mit Papa zusammen hat sie ihn auf einem Abendspaziergang gefunden.
Da beide Mädchen sehr gute Schwimmerinnen sind, erlaubt Mama ihnen, im See auch alleine baden zu gehen, aber nicht ohne vorher Bescheid zu sagen.
Die geheimnisvolle Begegnung
Gleich am nächsten Tag nach der Schule packen Paula und Hanna flugs die Badesachen und laufen freudig zu ihrem See.
Von dem kleinen Holzsteg aus lässt sich herrlich ins Wasser springen. Es ist klar und frisch und sie können sehen, dass der See hier tief genug ist.
Die beiden Mädchen schwimmen mit kräftigen Stößen bis fast zur Mitte des Sees, immer mit einem Auge bei der anderen Schwester. Sie sind umsichtig und wollen sich nicht in Gefahr begeben.
Paula legt sich auf den Rücken und spielt „Toter Mann“. Sie spürt das seichte Wasser auf ihrer Haut, hört das leise Plätschern der Wellen und sie erinnert sich. Sie erinnert sich an ihren See, an den See, in dem sie bisher immer geschwommen sind. Unzählige, unbeschwerte Sommertage haben sie dort mit ihren Freunden verbracht. Ausgelassene Freude, lautes Rufen und wildes Toben ziehen durch ihre Gedanken. Oh, wie sie das jetzt vermisst! Paula seufzt.
Doch was ist das? Paula schreckt aus ihren Erinnerungsträumen auf und blickt suchend um sich.
Eine zarte Stimme, kaum wahrnehmbar und von einem besonderen Klang, tönt an ihr Ohr.
Nahe der Wasseroberfläche erkennt sie ein luftiges, zartes Wesen in einem bläulich schillernden Kleid.
„Wo kommst du denn her?“, fragt Paula zaghaft und staunend.
„Ich bin immer da!“, erklingt die Antwort.
„Aber, wer bist du?“
„Ich bin ein Wasserwesen!“
„Ich habe so ein Wesen wie dich noch nie gesehen!“
„Ich weiß! Das konntest du auch nicht!“
„Wieso denn nicht?“
„Weil es bisher zu laut war, dort am Wasser, wo du immer warst.“ Das berührt Paula.
„Zu laut, zu unruhig. Und du warst so abgelenkt von all dem Treiben, Toben und Spielen!“
„Heißt das, man sieht dich nur, wenn es ganz ruhig ist?“
„Ja, so ist es!“
„Was machst du denn hier im Wasser?“
„Ich lebe darin. Ich lebe davon. Und das Wasser lebt von mir.“
„Du bist soooo schön!“, flüstert Paula voll Bewunderung.
Da gellt ein Ruf über den See. Es ist Hanna, die nach ihrer Schwester ruft.
Paula winkt ihr schnell zu und dreht sich wieder zu dem zarten Wesen um, doch sie kann es nirgends mehr entdecken.
Still und tief beeindruckt schwimmt sie halb träumend zu ihrer Schwester, die schon wartend auf dem Steg steht.
„Du lagst auf dem Wasser wie tot!“, sagt sie sorgenvoll.
„Ich habe geträumt“, antwortet Paula ruhig.
Aber sie erzählt ihrer Schwester nichts von der geheimnisvollen Begegnung mit der Wasserfee.
Heimlich
Hanna und Paula machen sich auf den Heimweg, denn es ist spät geworden und sie wissen, dass Mama sich Sorgen macht, wenn sie nicht zur verabredeten Zeit zu Hause sind. Paula schweigt den ganzen Weg, worüber Hanna sich wundert.
„Bist du traurig, Paula?“, fragt Hanna.
„Nein, gar nicht!“, antwortet Paula.
„Hast du Heimweh nach unserem alten Zuhause?“
„Nein! Auch nicht mehr.“
Hanna sorgt sich.
„Aber du bist so still und so anders als sonst!“
„Kann sein“, murmelt Paula.
Auch das ganze Mittagessen über ist Paula sehr still und in sich gekehrt. Mama bemerkt das natürlich auch.
„Unsere Paula wird doch wohl nicht krank werden?“ Liebevoll streichelt Mama ihr über den Kopf. Aber dabei ist sie erstaunt über Paulas strahlende Augen.
Paula will die wundersame Begegnung mit dem lichten Wesen für sich behalten. Nach dem Essen geht sie in ihr Zimmer, legt sich auf ihr Bett und grübelt. Wie gerne würde sie dieses zarte Geschöpf wiedersehen. Doch sicher würde Hanna mitkommen wollen. Ob sie sie doch in ihr Geheimnis einweihen soll? Was, wenn Hanna es dann nicht für sich behalten kann? Das Wasserwesen liebt doch die Ruhe. Und dann würden Hannas Freundinnen vielleicht auch zum See kommen. Es wird dort laut werden und das kleine Wesen wird sich dann wohl nicht mehr zeigen. Nein! Sie muss alleine dorthin! Am besten geht es sicher gleich nach dem Mittagessen. Philipp schläft dann und auch Mama legt sich immer ein wenig hin. Da könnte sie sich davonstehlen. Nur ihren Wecker müsste sie mitnehmen, damit sie am See die Zeit nicht vergisst. Zum Glück kann sie schon die Uhr lesen!
Gleich am nächsten Tag kann sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzen. Es trifft sich gut, dass Hanna heute bei einer Freundin eingeladen ist. Mama und Philipp machen Mittagspause wie immer.
Auf jetzt! Barfuß schleicht Paula zur Haustür und öffnet sie ganz vorsichtig, damit sie nicht knarrt. Sie wagt kaum zu atmen. Leise stiehlt sie sich aus dem Haus.
Draußen schlüpft sie in ihre Sandalen und flitzt mit ihrem Fahrrad zum See. Atemlos kommt sie dort an, außer ihr ist da zum Glück niemand.
Sie setzt sich auf einen dicken Stein am Ufer und beobachtet das Wasser. Wie unberührt es hier ist! Wieder schweben einige Libellen über dem glitzernden Wasser und ab und an springt ein Fisch hoch, um sich eine der Mücken über der Wasseroberfläche zu schnappen. Paula hört die Vögel in den Bäumen zwitschern und das Gequake der Frösche im Schilf. Alles ist so geheimnisvoll und Paula ist ganz gespannt. Ob sich das schöne Wesen wieder zeigen wird? Sie hofft es so sehr!
Vom Warten und Schauen wird Paula ruhig und müde und nur mit Mühe kann sie ihre Augen offenhalten. Sie will doch das zarte Wasserwesen nicht verpassen.
Warm und wohlig fühlt sich alles an und ihre Gedanken kreisen mit den Libellen über dem Wasser. Sie fühlt sich weit und frei.
Da! Eine leise Stimme. Paula horcht auf!
Und wieder schwebt das wunderschöne Wesen vor ihr. Paula wagt kaum zu atmen.
„Da bist du ja!“, flüstert das Wasserwesen. „Ich habe schon gehofft, dass du kommst und bereits auf dich gewartet!“
„Ja! Ich bin so froh, dich zu sehen!“, erwidert Paula. „Ich habe so viele Fragen an dich!“
„Du kannst mich alles fragen!“
„Bist du denn eigentlich ganz allein hier?“
„Nein! Ich bin nicht allein! Wir sind sehr viele und wohnen alle hier am Wasser. Überall, wo es sauberes Wasser gibt und die Natur ringsum noch unberührt und schön ist, kann man uns finden, wenn man empfindsam genug ist.“
„Aber ich sehe nur dich! Warum kann ich die anderen Wasserwesen nicht sehen?“
„Weil nur ich mich dir zeige!“, erwidert es.
„Die wenigsten können uns überhaupt sehen. Darüber sind wir Wasserwesen oft traurig! Die meisten Menschen haben keine Beziehung mehr zu uns. Sie wissen nichts von uns. Sie erkennen nicht, dass wir da sind. Sie denken gar nicht, dass es uns gibt.
Die Kinder, die noch mehr mit dem Himmel verbunden sind, die können uns sehen und fühlen. Die spüren, dass es uns gibt. Das ist wunderbar für uns!“
„Und gibt es euch nur im Wasser?“
„Nein! Wir haben Freunde in der Luft, in der Erde und im Feuer!“
„Ah! Meinst du vielleicht Zwerge und Gnome?“
„Ja! Es gibt viele verschiedene Wesen. Wir haben überall andere Namen. Uns nennen die Menschen, die von uns wissen, Undinen.“
Da! Ein Knacken und Knirschen schreckt sie auf! Und sofort ist die Undine verschwunden.
Paula schaut um sich. Da sieht sie im Gebüsch auf der anderen Seite des Sees einen Angler, der mit schwarzen Gummistiefeln, einem Eimer in der Hand und einer Angel über der Schulter schwerfällig zum See stapft.
Oh weh! Paula zieht den Wecker aus ihrer Jackentasche. Es ist höchste Zeit! Die Mittagsruhe wird gleich zu Ende sein. Paula schwingt sich auf ihr leuchtend rotes Fahrrad und saust los.
„Hoffentlich hat Mama meine Abwesenheit nicht bemerkt!“, denkt sie.
Aber sie weiß jetzt, dass sie schnellstens wieder zum See fahren will, das muss so bald wie möglich sein. Sie hat das Gefühl, dass die kleine Undine etwas traurig ausgesehen hat. Ein leichter, dunkler Schatten hat sich über ihr schillerndes Äußeres gelegt. Oder ist das nur Paulas Einbildung?
Wunderliches
Leise stellt Paula das Fahrrad in den Schuppen und will sich gerade auf Zehenspitzen ins Haus schleichen, da hört sie Mamas Stimme aus der Küche. Sie klingt ganz aufgeregt:
„Nein, sie war auch nicht im Garten. Sie muss das Haus verlassen haben, als ich geschlafen habe. Ich habe schon überall gesucht.“
Mama telefoniert wohl gerade mit Papa.
„Ja, vielleicht hast du recht. Ich gehe jetzt mal zu dem See. Oh Gott, hoffentlich ist ihr nichts passiert!“, antwortet Mama wieder.
„Bis gleich, beeil dich bitte!“
Paula hört ein Schluchzen und öffnet die Küchentüre. Da steht Mama, kreidebleich, mit tränenverschmiertem Gesicht und schaut Paula an, als würde ein Geist hereinspazieren.
„Paula!“
Mama nimmt Paula ohne ein weiteres Wort in die Arme und weint und lacht gleichzeitig.
Jetzt sitzen sie nebeneinander auf der Bank vor ihrem Haus. Mama blickt Paula mit großen, fragenden Augen an. Paula fühlt sich schrecklich unwohl. Sie senkt den Kopf. Das Herz ist ihr schwer.
„Wo hast du denn gesteckt, Paula? Ich komme in dein Zimmer und es ist leer. Und ich konnte dich nirgends finden. Weißt du, was ich mir für Sorgen gemacht habe? Also, wo warst du?“
Paula spürt, dass sie jetzt nicht mehr schummeln kann. Sie muss Mama erzählen, wo sie gewesen ist. Auch wenn sie damit ihr wunderschönes Geheimnis preisgibt.
„Ich war im Wald am See. Ich habe meine neue Freundin, die Undine, besucht.“
„Was? Du warst im Wald? Und dann auch noch ganz allein? Und wen hast du dort besucht?“
Paula schluchzt. Die ganze Last der Lüge fällt von ihr ab. Und nun erzählt sie ihrer Mama von dem luftigen Wesen, dessen Bewegungen fließend und geschmeidig sind.