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Seitenzahl: 2050
Jule Mcbride, Leslie Kelly, Cara Summers, Kristin Hardy, Jeanie London, Eugenia Riley, Jill Shalvis, Kay Thorpe, Julie Miller, Michelle Reid
Sinnliche Stunden - zehn betörende Liebesromane für zwischendurch
IMPRESSUM
Heiße Nacht mit einem Fremden erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2004 by Julianne Randolph Moore Originaltitel: „Bedspell“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY SEXYBand 11 - 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Sabine Stitz-Schilasky
Umschlagsmotive: KatarzynaBialasiewicz / Getty Images
Veröffentlicht im ePub Format in 08/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733779269
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Diese Museumspartys sind super“, stellte C.C. fest.
„Göttlich“, bestätigte Diane.
„Jedenfalls stehen wir den vier Frauen aus Sex and the City in nichts nach“, konstatierte Mara begeistert.
„Könnt ihr nicht noch ein paar Minuten bleiben?“ fragte Signe Sargent, die nebenbei Drinks an die kostümierten Gäste verteilte. Sie stand hinter einer improvisierten Bar und blickte ihre drei Freundinnen an. Die drei waren als Katzen verkleidet.
Durch die riesigen Fenster des Metropolitan Museums schien der fast volle Mond hinein und beleuchtete den Tempel von Dendur, der zur permanenten Ausstellung des Museums gehörte.
„Wir würden wirklich gern bleiben“, antwortete C.C. und richtete den Haarreif mit den Katzenohren, „aber wir wollen unbedingt zu Gus, solange unsere Katzenkostüme noch halbwegs frisch aussehen.“ Gus war der Besitzer einer In-Bar in Greenwich Village, wo Signe lebte.
Diane öffnete ihr Lippenstiftetui und kontrollierte ihr Aussehen. „Schade, dass du arbeiten musst, Signe, sonst könntest du mitkommen.“
„Und tausend Dank, dass du uns auf die Gästeliste geschmuggelt hast“, flüsterte Mara.
Diane klickte ihr Lippenstiftetui wieder zu und trank den Rest aus ihrer Sektflöte, bevor sie sie auf ein Tablett neben Signe stellte. „Das Risiko hat sich allemal gelohnt“, sagte sie lächelnd und wedelte vielsagend mit einer Visitenkarte, die sie von einem der begehrten Junggesellen bekommen hatte.
Signe hatte ihre drei Freundinnen unter falschen Namen für die Museumsparty angemeldet, die von einem Computermogul ausschließlich für die Crème de la Crème von New York gegeben wurde.
„Das ist eine der besten Partys des Monats“, seufzte C.C.
„Fantastische Horsd’œuvres“, fügte Mara hinzu.
Signe angelte sich ein kleines Häppchen in Kürbisform und nickte zustimmend. „Ich habe den göttlichen Garrity noch gar nicht gesehen.“
Niemand wusste mehr, wann und wo es angefangen hatte, aber George Garrity wurde praktisch von ganz New York als „der göttliche Garrity“ bezeichnet.
„Der kommt noch“, sagte C.C.
Vielleicht. Signe blickte durchs Fenster hinaus in den Central Park. Im Herbst liebte sie den Park besonders, wenn die Bäume in allen erdenklichen Farben leuchteten. Davon war jetzt in der Dunkelheit zwar nichts zu sehen, stattdessen aber wurden die Baumkronen vom Mondlicht in einen romantischen Silberschein getaucht.
Selbst der verbittertste New Yorker Zyniker musste bei diesem Anblick weich werden. Der Abend war ideal für ein Stelldichein mit dem göttlichen Garrity.
Signe blickte sich ein weiteres Mal suchend im Raum um. Die alten ägyptischen Steinsärge, die Götterstatuen und der Tempel, alles war genauso aufgebaut, wie es über Jahrtausende in Dendur gestanden hatte.
„Ich habe einen Rockefeller kennen gelernt“, sagte Diane.
Signe nickte, hörte allerdings nur mit einem halben Ohr zu, während sie nach dem göttlichen Garrity Ausschau hielt. Bei den Partys im Museum, von denen nur Eingeweihte erfuhren, traf sich normalerweise alles, was in New York Rang und Namen hatte. So kannte sie auch die Gesichter am heutigen Abend beinahe alle aus der Zeitung oder den Klatschblättern.
„Ich habe Ghardi getroffen“, erzählte Mara. „Ihr wisst schon, von den tollen Schuhen im Retrolook mit den nach oben geschwungenen Spitzen.“
„Wir sollten uns jetzt trotzdem auf den Weg machen“, sagte C.C., „sonst sind bei Gus alle wieder ausgeflogen, und ich will doch die Kostüme sehen.“ Heute Abend fand die Halloweenparade in Greenwich Village statt. „So viele Partys und so wenig Zeit.“
„Und an Halloween selbst werden es sogar noch mehr“, ergänzte Mara.
Signe drückte einem Mann in einem Bärenkostüm einen Martini in die Kunstpfote und einer Frau im Hexenkostüm einen Cosmopolitan in die Hand. Dann drehte sie sich wieder zu ihren Freundinnen um und schmunzelte. Obwohl sie alle drei dasselbe Kostüm trugen – einen schwarzen Catsuit mit angestecktem Schwanz und Fellohrenhaarreif sowie schwarze Larven über den Augen – sahen sie sich kein bisschen ähnlich.
C.C. war zierlich und föhnte sich ihr rotblondes Haar so glatt, dass es wie gebügelt aussah. Diane, die stets als Erste die Männerblicke auf sich zog, war mittelgroß, blond und kurvenreich, und Mara schließlich war brünett und attraktiv genug, um selbst mit einem Kurzhaarschnitt und einem Minimum an Make-up ausgesprochen weiblich zu wirken – auch wenn ihr Kleidungsstil an den „Grunge Look“ erinnerte, wie Diane meinte.
„Ich wünschte, ich könnte mitkommen“, sagte Signe bedauernd. „Bleibt’s bei unserm gemeinsamen Frühstück morgen?“
C.C. nickte. „Was haltet ihr von Sarah’s an der West Side? Die haben diesen sündhaft leckeren Apfelkuchen.“
Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen.
„Und was ist mit diesem Hexendings?“ fragte Signe. Diane hatte vor einem Jahr ein Reisebüro in Manhattan eröffnet, Wacky Weekends, in dem sie ausgefallene Kurzreisen für gelangweilte Großstädter anbot. Unlängst hatte sie von einer Gruppe Frauen aus New Jersey erfahren, die in den Catskill Mountains regelmäßige Treffen veranstalteten, bei denen Hexentänze und – beschwörungen stattfanden. Da Diane meinte, diese monatlichen Veranstaltungen könnten für ihre weiblichen Kunden interessant sein, hatte sie ihre Freundinnen gebeten, mit ihr an einem Probewochenende teilzunehmen.
„Es ist dieses Wochenende“, antwortete Diane. „Wird also Zeit, dass wir die organisatorischen Fragen klären.“
„Ich kümmere mich um den Mietwagen“, sagte C.C., die Einzige der vier Frauen, die gern Auto fuhr.
„Nimm ein Cabrio“, schlug Signe vor. „Laut Wetterbericht wird es warm.“
„Hab ich auch gehört“, pflichtete Mara ihr bei.
„Für die Wagenmiete legen wir zusammen“, sagte Diane.
Signe nickte. „Was müssen wir mitnehmen?“
„Aspirin“, kam prompt von C. C. „Angeblich schenken sie dort ein Spezialgetränk aus, das einem den Schädel sprengt.“
„Vergiss das Aspirin“, erwiderte Diane. „Ich bring alles für Bloody Marys mit.“
„Und vergiss auch deinen Badeanzug, Sig“, sagte Mara. „Wenn es warm ist, werden wir nackt im See baden.“
C.C., die ein ebenso gespaltenes Verhältnis zur Natur hatte wie Signe, fragte skeptisch: „See? Was für ein See?“
„Na, die Hütten liegen an einem See“, erklärte Mara.
C.C. und Signe rümpften die Nasen, und Signe sagte: „Das heißt, wir brauchen Insektenschutzlotion. Ich glaube, ich habe noch welche vom letzten Mal übrig, als ich in die Wildnis verschleppt wurde.“
„Ein Glück. Und vergesst nicht, etwas von dem Mann mitzubringen, den ihr mit einem Zauber belegen wollt. Am Samstagabend wird ein Kessel in den magischen Kreis gestellt“, sagte C.C. geheimnisvoll und kicherte.
„Und wir alle werfen etwas hinein, wobei wir unseren Zauberspruch vorlesen“, ergänzte Mara.
„Damit sich ein bestimmter Kerl in uns verliebt?“ fragte Signe und dachte dabei an den göttlichen Garrity.
„Das, oder damit er mit uns ins Bett geht“, antwortete C.C., die von tiefen Gefühlen und Bindungen nicht allzu viel hielt.
Genau in diesem Moment erblickte Signe George Garrity am anderen Ende des Raums und hielt die Luft an. Seit er von der Wall Street wegging, um die Position seines Vaters an der Spitze von Garrity Enterprises zu übernehmen, war er regelmäßig auf den Titelseiten des New York Magazine, der New York Business World und People gewesen. Garrity Enterprises war ein Konglomerat von diversen Unternehmen, die weltweit tätig waren. Und das Aufregendste an dem göttlichen Garrity war, dass er sich für Signe zu interessieren schien.
„Wenn man vom Teufel spricht“, sagte Mara.
„Er sieht hier rüber“, flüsterte C.C. begeistert. „Gleich kommt er her, also machen wir uns lieber aus dem Staub.“
Signe kontrollierte den Sitz ihrer goldenen Bluse und ihrer Seidenhose, dann strich sie sich über die schwarze Perücke. Hoffentlich gefiel ihm ihr Kleopatrakostüm. Bei dem Gedanken, mit George Garrity bloß reden zu müssen, wurde ihr schon ganz heiß. An mehr mochte sie überhaupt nicht denken.
Sie seufzte. „Er ist so unglaublich reich.“
„Versuch dir vorzustellen, er wäre ein ganz normaler Mann“, ermutigte C.C. sie.
Aber an dem göttlichen Garrity war nichts wie bei einem „ganz normalen Mann“. Er war groß, umwerfend gut aussehend und nicht weniger edel als die eleganten Sportsakkos, die er gewöhnlich trug, wenn er mittags ins Café des Metropolitan Museums kam.
„Er will eindeutig hierher, nur diese komische Kuh hält ihn auf, siehst du, die, die sich als Bauernmagd kostümiert hat“, flüsterte Diane.
„Klar kommt er her“, sagte Signe leise. „Er will einen Drink.“
„Ja, natürlich. Und er kommt jeden Mittag ins Museum, weil sie bei Garrity Enterprises keinen Kaffee kochen können“, meinte C. C. kichernd. „Sig, sieh’s endlich ein, der Typ flirtet mit dir.“
Zu demselben Schluss war Signe auch gekommen. „Er hat mir angeboten, George zu ihm zu sagen.“
„Achtung, er kommt!“ zischte Mara.
Signe war schrecklich nervös. Schließlich war sie bloß die Bedienung im Museumscafé. Mit ihrem Job ließ sich wahrlich kein Staat machen. Ihre Freundinnen hatten mittlerweile alle eine Karriere vorzuweisen – Diane mit ihrem Reisebüro, C.C. als Steuerberaterin und Mara als Immobilienmaklerin. Aber Signe gab die Hoffnung nicht auf.
Seit sie Bibliothekswissenschaften und Kunst studiert hatte, träumte sie von einer Stelle als Kuratorin am Metropolitan Museum. Nach dem Examen hatte sie zunächst ein paar Jahre in der öffentlichen Bücherei gearbeitet und sich erfolglos beim Museum beworben. Deshalb hatte sie sich für diese neue Taktik entschieden und einen Job als Kellnerin im Museumscafé angenommen. So konnte sie jede Gelegenheit nutzen, mit den Kuratoren zu sprechen.
Sie liebte das Metropolitan Museum mit seinen langen Korridoren, seinen Marmortreppen und dem Geruch von Ölfarben. Allein die Luft hier drinnen einzuatmen, ließ ihr Herz fast ebenso rasen wie der Anblick von George Garrity. Und wie es aussah, sollten sich sechs Monate Kaffeeausschenken und Bedienen bei privaten Partys bezahlt machen.
Ihr Chef, Edmond Styles, hatte ihr heute Abend erzählt, dass eine der Archivmitarbeiterinnen kündigen wollte. Wenn sie am Montag fristgerecht ihre Kündigung einreichte, würde Signe die Stelle ihrer Träume offiziell angeboten werden.
Sie war so aufgeregt. Ihr Leben sollte eine neue Wende nehmen. Und wo ihr das Glück schon mal hold war, wer weiß, vielleicht bescherte es ihr dann auch gleich eine heiße Nacht mit George Garrity …
Mit einem zufriedenen Seufzer blickte sie sich in der Halle um. Die meisten Statuen hatte sich der Computermogul für die heutige Party bei privaten Sammlern ausgeliehen. Sie standen auf beleuchteten Podesten. Ja, Signe hatte wahrlich gute Arbeit geleistet. Edmond Styles hatte ihr nämlich die verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, die Ausstellungsstücke zu arrangieren. Bis hin zum Einschalten des Alarms für jedes einzelne Exponat hatte sie alles selbst erledigt. Diese Ausstellung war quasi ihr Baby.
„Die Figuren sind wirklich beeindruckend“, bemerkte Diane, die Signes Blicken folgte. Mara kicherte. Bei den meisten handelte es sich um Fruchtbarkeitsgötter mit übertriebenen männlichen Geschlechtsmerkmalen.
„Ich glaube, den da kenne ich“, sagte Diane und zeigte lachend auf eine der Statuen.
„Davon träumst du wohl“, scherzte Mara.
„Ruhe!“ zischte C.C. „Mr. Wonderful kommt.“
Signe atmete tief durch. Zwischen George Garrity und ihr lagen Welten. Zwar waren ihre Eltern gut situiert – ihr Vater war Anwalt und ihre Mutter Geschichtsdozentin –, aber ihr Lebensstil nahm sich doch sehr bescheiden aus, verglichen mit dem der Garritys.
„Verkauf dich ja nicht unter Wert“, ermahnte Mara sie. „Denk dran: Du siehst aus wie Winona Ryder.“
„Ja, vielleicht, aber das muss nicht unbedingt ein Plus sein“, entgegnete Signe, die häufiger auf ihre Ähnlichkeit mit der berühmten Schauspielerin angesprochen worden war. „Habt ihr schon vergessen, dass sie wegen Ladendiebstahls vor Gericht stand?“
„Das ist Jahre her und längst vergessen“, beteuerte Diane.
Signe hörte ihr nicht mehr zu, denn sie starrte fasziniert George Garrity an. Er war als Höfling aus dem siebzehnten Jahrhundert kostümiert, trug einen dunkelroten bestickten Überwurf über einem weißen Hemd mit steifem Spitzenkragen und sogar ein Schwert, dessen reich verzierte Scheide den Blick des Betrachters unwillkürlich auf die sehr eng geschnittene Hose lenkte. Signe fiel sofort die deutliche Wölbung unterhalb der Gürtelschnalle auf.
„Dann mal los, Mädchen“, flüsterte C.C.
Signe zwang sich, weiterzuatmen und woanders hinzusehen. Sie konzentrierte sich auf die üppige weißblonde Perücke und den dreieckigen roten Samthut.
„Vergiss nicht, dass du irgendwas von ihm brauchst, einen Stift oder ein Feuerzeug“, hauchte Mara. „Wir sind dann weg.“
Der Gedanke, George Garrity mit einem Zauber zu belegen, machte ihr eine Gänsehaut. Sollte sie ihn dazu verzaubern, sie zu heiraten oder nur mit ihr schlafen zu wollen? „Ich glaube nicht an Zauberei“, sagte sie.
„Ich auch nicht, aber man kann’s ja mal versuchen“, erwiderte Mara.
„Wir sehen uns morgen bei Sarah’s, um zehn“, sagte C.C.
Signe nickte. „Ja, bis dann.“
Ihr Herz hämmerte wie verrückt, als George Garrity sich einen Moment später lässig an den Bartresen lehnte. „Was kann ich Ihnen bringen“, sie machte eine kurze Pause, „George?“
Er schenkte ihr ein filmreifes Lächeln. „Bringen Sie mich hier raus“, sagte er vertraulich. „Wenn mich noch eine Milchmagd anspricht, die ein Date mit mir will, kriege ich einen Schreikrampf.“
„Und wohin sollte ich Sie bringen?“
„Eine Frau wie Sie? Nun, ich würde sagen, fangen wir mit dem Himmel an und warten ab, wie es von da aus weitergeht.“
Was das Flirten betraf, war der Mann begnadet wie kein anderer. Wann immer er in ihrer Nähe war, fühlte Signe sich wie Cinderella. „Aber Sie geben doch hoffentlich zu, dass die Kunstwerke hier interessant sind?“
„Durchaus. Ich glaube, einige der Stücke sind Leihgaben meines Onkels Harold an Jack.“ Jack war der Vorname des Veranstalters.
Signe versuchte, sich ein Leben in Kreisen vorzustellen, in denen einer dem anderen Kunstwerke für Partys auslieh. Sie sah sich um. Die kostümierten Kinder, die von ihren Eltern mitgebracht worden waren, wuchsen in solchen Kreisen auf und hielten es wahrscheinlich für etwas Selbstverständliches, unvorstellbar teure Kunstwerke zu besitzen.
„Tatsächlich?“ fragte sie.
„Ja, unter anderem der Eros da drüben.“
Signe wurde rot. Angesichts des sehr übertrieben großen Penis, mit dem die Statue ausgestattet war, wollte sie eigentlich nicht hinsehen, andererseits wollte sie auch nicht den Eindruck erwecken, prüde zu sein. Ihre Freundinnen fanden sie nämlich prüde, was George Garrity auf gar keinen Fall wissen durfte.
„Eros haben wir in Kunstgeschichte durchgenommen“, sagte sie und sah in George Garritys unendlich blaue Augen. „Man sagt, eine Statue von ihm verleiht ihrem Besitzer große sexuelle Potenz.“ Allein bei der Erwähnung des Wortes Potenz in seiner Gegenwart wurde ihr schwindlig.
„Wirklich?“ fragte er lächelnd, als wüsste er sehr wohl um diese Wirkung. „Tja, mag sein. Onkel Harold hat sich jedenfalls nicht mit einer Ehefrau begnügt.“
„Im Geschenkeshop verkaufen wir Reproduktionen der Statue, und sie gehen reißend weg.“
„Hat denn eigentlich eine Reproduktion denselben Effekt wie das Original?“
„Offensichtlich ja.“
„Besitzen Sie eine?“
„Eine Eros-Statue?“ Ihr Herz setzte kurzfristig aus. Was konnte sie auf eine solche Frage antworten? Zugegeben, sie hatte in letzter Zeit häufiger davon geträumt, wie sich der göttliche Garrity in ihren Laken rekelte, aber deshalb musste sie ihm ja nicht gleich den Eindruck vermitteln, sie wäre leicht zu haben. „Nein, ich besitze keine. Die einzige Form von Anregung, die ich anbieten kann, wäre so etwas hier“, erklärte sie schließlich und hielt eine Flasche Wein hoch.
George Garrity sah sie an und schien einen Moment zu überlegen. „Nein, ich denke, dann entscheide ich mich eher für einen Wodka-Bitterlemon.“
„Kommt sofort“, sagte sie und machte sich daran, seinen Drink zu mixen. Dabei musterte sie ihn verstohlen auf der Suche nach einem Gegenstand, den sie ihm für den Zauber abluchsen könnte.
Schwert, Hut und Gürtel waren sämtlichst zu groß und zu sperrig. Aber sie könnte ihn um einen Schreiber bitten oder eine Visitenkarte.
In dem Augenblick fiel ihr das rote Seidentaschentuch auf, das in seinem Hosenbund steckte. Sie erschauderte. Ihn bloß anzusehen, brachte sie schon vollkommen durcheinander. Der Mann war sagenhaft gut gebaut, besonders seine muskulösen Schenkel. Die verdankte er zu einem wesentlichen Teil seiner Leidenschaft fürs Polospiel, so viel wusste Signe bereits.
Er lächelte sie an, und sie erwiderte sein Lächeln. Sie konnte es einfach nicht glauben. Vor ihrem Flirt mit dem göttlichen Garrity hatte sie nur wenige Gedanken an Sex verschwendet. Nicht, dass ihr Sex nichts bedeutete, doch in Bezug auf Männer dachte sie in erster Linie praktisch.
Bei George Garrity jedoch war alles anders. Da mochte sie sich noch so oft sagen, dass er in einer ganz anderen Liga spielte als sie, bei ihm versagte ihre Vernunft.
Sie gab ihm seinen Drink, trat einen Schritt zurück und täuschte einen Nieser vor. Ohne zu zögern, reichte er ihr sein rotes Taschentuch. Signe tat, als würde sie sich die Nase putzen, und lächelte ihn dankbar an. „Darf ich es waschen und bügeln? Sie bekommen es dann wieder, wenn Sie das nächste Mal vorbeikommen. Sie sind ja häufiger im Museum.“
„Und Sie sind immer hier“, antwortete er schmunzelnd. „Gibt man Ihnen eigentlich nie frei?“
Aha! Wollte New Yorks begehrtester Junggeselle sie etwa um ein Date bitten? „Doch, tut man. Dieses Wochenende beispielsweise habe ich frei und fahre in die Catskills.“
„Wohin da?“
„In den Naturschutzpark. Die Gegend dort heißt Clover Fields.“
„Kleefelder? Bringen Kleeblätter nicht Glück?“
Wollte er etwa andeuten, dass er sich Glück wünschte? „Mal sehen.“ Sie kicherte. „Ich bin in Hütte sieben, vielleicht bringt mir die Zahl ja Glück.“
„Da bin ich sicher.“
Die Hütten waren für jeweils drei Personen ausgelegt. Da sie vier Freundinnen waren, hatte Signe sich freiwillig bereit erklärt, eine Hütte mit einer Frau aus New Jersey zu teilen – die sie bislang noch nicht kannte.
„Reisen Sie allein?“ fragte George.
„Nein, mit Freundinnen“, antwortete sie, doch als er sie enttäuscht ansah, fügte sie hinzu: „Es sei denn, Sie kommen spontan vorbei.“
„Ich? Vorbeikommen?“
Sie war nicht sicher, ob sie gerade etwas vollkommen Idiotisches gesagt hatte. „Na ja, falls Sie zufällig gerade in der Gegend sein sollten.“
Er lächelte. „Stimmt, wir könnten uns tatsächlich zufällig über den Weg laufen.“
Sie blickten sich für eine halbe Ewigkeit in die Augen und hätten es wahrscheinlich noch länger getan, wäre da nicht plötzlich dieser Schrei gewesen.
„Was war das?“ fragte Signe ein wenig benommen.
„Die Eros-Statue!“ rief jemand.
Signe wandte ruckartig den Kopf und sah zu dem Platz, an dem die Statue noch vor wenigen Minuten auf ihrem Podest gestanden hatte. Sie blinzelte. Beinahe bildete sie sich ein, sie noch zu sehen – ungefähr dreißig Zentimeter hoch und aus dunklem Holz geschnitzt – aber sie war fort. Und mit ihr wahrscheinlich auch ihr Traum von einer Stelle im Museumsarchiv.
Am nächsten Morgen, einen Tag vor Halloween, rutschte Signe nervös auf einem Stuhl im Konferenzraum des Metropolitan Museums hin und her, während Detective Alfredo Perez vom 84. Polizeirevier vor ihr auf und ab ging und misstrauisch ihre kleine Reisetasche beäugte. Detective Perez war groß, hager und hatte kurze dunkle Haare sowie einen schmalen Oberlippenbart, der ihn wie einen mexikanischen Schurken aus einem Billigwestern aussehen ließ.
„Ich wollte Ihnen eigentlich gerade mitteilen, dass Sie die Stadt nicht verlassen dürfen.“
Kein gutes Zeichen. „Bin ich verhaftet?“
„Wohin wollen Sie?“ fragte er, statt ihr zu antworten.
„Zu einem Hexentreffen.“
„Hexen?“
„Na, Sie wissen schon, Magie, Hexen.“
„Aha“, sagte er. „Dann sind Sie eine Hexe?“
Großartig! Sie konnte ihm direkt ansehen, was er jetzt dachte. Detective Perez nahm sie spätestens jetzt in den Kreis der Hauptverdächtigen auf, denn wer sonst, wenn nicht eine Hexe, würde eine heidnische Skulptur stehlen? „Nein, bin ich nicht. Und weder habe ich jemals welche gekannt, noch kenne ich heute irgendwelche echten Hexen“, erklärte sie lächelnd.
Er schien nicht amüsiert. „Und wie steht es mit Katzen?“ fragte er und hielt ihr ein Foto hin, das sie mit C.C., Diane und Mara an der Bar zeigte. Scheinbar war die Aufnahme von einer der Sicherheitskameras gemacht worden.
Schlimm genug, dass alle glaubten, Signe hätte den Alarm nicht eingeschaltet, obwohl sie sicher war, dass sie es getan hatte. Aber sie würde ganz bestimmt gefeuert werden, wenn sie zugab, ihre Freundinnen auf die Party geschmuggelt zu haben.
„Ich weiß genau, dass ich den Alarm aktiviert habe.“
Detective Perez betrachtete sie prüfend. „Wer sind diese Frauen?“
Sein Misstrauen verunsicherte sie. „Weiß ich nicht.“ Gewiss würde sich bald herausstellen, dass sie keine Schuld traf, und außerdem hatten ihre Freundinnen nichts mit dem Diebstahl zu tun, also warum sollte sie sie erwähnen? „Wer die Statue gestohlen hat, wird versuchen, sie zu verkaufen“, sagte sie. „Ich meine, sie taucht wahrscheinlich demnächst auf dem Schwarzmarkt auf, denken Sie nicht?“
„Vielleicht.“
Signe interpretierte das als Ja und seufzte erleichtert. Nein, sie würde ihre Zukunft nicht aufs Spiel setzen, indem sie zugab, ihre Freundinnen heimlich auf die Gästeliste gesetzt zu haben.
Detective Perez sah sie ungerührt an. „Worüber unterhalten sich diese drei Katzen?“
Sie überlegte. „Vor allem über Wohltätigkeitsarbeit.“ Ja, das klang passend.
„Und was für Wohltätigkeitsarbeit?“
„Weiß ich nicht mehr genau. Jedenfalls schienen sie ganz nett zu sein, nicht die Sorte Frauen, die herumlaufen und Kunstobjekte stehlen.“
„Das können Sie beurteilen? Ich denke, Sie haben nicht mit Ihnen gesprochen?“
„Na ja“, sagte Signe und schluckte. „Ich schließe es aus der Art, wie sie ihre Drinks bestellten.“
„Wie sie bestellten?“
„Na, sie hörten sich nicht an wie Diebe.“
„Und wie hören sich Diebe an?“
„Eben nicht wie nette Damen.“
„Ich habe den Eindruck, unsere Unterhaltung bewegt sich im Kreis.“
Wenigstens fiel es ihm auf. Signe langte nach unten und griff den Henkel ihrer kleinen Reisetasche. Dabei dachte sie zum ersten Mal seit Beginn der Befragung wieder an George Garrity. Nachdem der Diebstahl entdeckt worden war, hatte er sich ihr gegenüber ausgesprochen freundlich verhalten. Zwar hatte er das Wochenende in den Catskills nicht wieder erwähnt, doch sie schätzte die Chancen mit zehn zu eins ein, dass er heute Abend dorthin kam.
„Hören Sie, Detective Perez, ich möchte Ihnen wirklich helfen, und sollten Sie noch irgendwelche Fragen haben …“
Ausgerechnet in diesem Moment klingelte ihr Handy, und sie holte es aus der Handtasche. „Hallo?“
„Ich sitze in einem traumhaften gelben Cabrio“, verkündete C.C. „Die anderen habe ich schon eingesammelt. Sei in zehn Minuten vorm Museum, ja?“
Signe stellte das Telefon aus und warf einen verstohlenen Blick auf das körnige Foto von ihren drei Freundinnen. Detective Perez sah ihr natürlich an der Nasenspitze an, dass sie ihm etwas verheimlichte, denn Signe war noch nie eine begnadete Lügnerin gewesen.
Als Kind hatte sie das Lügen sogar vor dem Spiegel trainiert, wenn auch ohne Erfolg. Und als sie sieben war, ließ ihr Vater sie auf die Bibel schwören, niemals Poker zu spielen.
„Wenn das dann alles wäre“, sagte sie und stand auf, „würde ich gern gehen.“
„Eine Frage noch.“
„Ja?“
„Wie steht es mit Ihrem Privatleben, Miss Sargent?“
Sie riss die Augen auf. „Mein Privatleben?“ Wollte er damit etwa andeuten, sie könnte ein Motiv gehabt haben, eine potenzfördernde Statue zu stehlen? Sie wurde rot. „Alles bestens“, sagte sie. Abgesehen von den wöchentlichen Anrufen ihrer Mutter, jeden Donnerstagabend um dieselbe Zeit, bei denen sie sich danach erkundigte, ob Signe nicht inzwischen „einen netten jungen Mann“ kennen gelernt hätte. „Nett“ war für ihre Mutter übrigens gleichbedeutend mit „Akademiker in fester Stellung und mit vielversprechender Zukunft.“
Ehe Detective Perez weitere peinliche Fragen stellen konnte, wandte Signe sich um und ging zur Tür.
„Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie aussehen wie Winona Ryder?“
Sie drehte sich zu ihm um. „Ja“, antwortete sie lächelnd. Bestimmt dachte der Polizist bei dem Namen der Schauspielerin auch gleich an Ladendiebstahl.
Sie verabschiedete sich von ihm und eilte den Flur hinunter Richtung Ausgang. Als sie an der großen Freitreppe vor dem Ausgang ankam, blickte sie nach oben zu dem großen Tiepolo-Gemälde über dem Treppenabsatz. Sie liebte dieses Museum.
Jahrelang hatte sie davon geträumt, den Rest ihres Lebens hier zu verbringen und mit Kunst umzugehen. Und jetzt war sie auf einmal eine Verdächtige in einem Kunstdiebstahl! Viel schlimmer konnte es kaum noch kommen.
„Signe!“ hörte sie Edmond Styles’ Stimme hinter sich. „Kann ich Sie kurz sprechen?“
Das klang überhaupt nicht gut. Sie holte tief Luft und drehte sich um. „Selbstverständlich, Mr. Styles.“
„Es tut mir furchtbar Leid“, begann er ernst, „aber ich habe gerade mit Detective Perez gesprochen, und bis diese Angelegenheit geklärt ist, muss ich Sie leider freistellen.“
„Sieh es mal von der positiven Seite“, flüsterte Diane.
„Und welche soll das sein?“ Signe hatte sich stets für einen optimistischen Menschen gehalten, aber in diesem Fall vermochte sie keine positive Seite zu entdecken. Seit ihrer „Freistellung“ waren Stunden vergangen, und die vier Frauen standen auf einer Lichtung im Wald, in deren Mitte ein Kreis aus Besen lag.
Sie nippten an ihrem gewürzten Kräuterbier und unterhielten sich zwischendurch flüsternd, um die anderen „Hexen“ nicht zu stören, die ungleich ernster als sie bei der Sache waren.
„Na, wenn du nicht arbeiten musst, kannst du mir nächste Woche bei meinem Manhattan-Men-Programm aushelfen“, erklärte Diane.
„Stimmt.“
Das Manhattan-Men-Programm, das Diane anbot, war für Männer gedacht, die nicht aus New York kamen, mehr Geld als Kultur besaßen und in einem einwöchigen Intensivkurs lernen wollten, wie man sich richtig präsentierte. Nächste Woche sollte der erste Probelauf des Programms stattfinden, für den sich bisher immerhin sechs Männer angemeldet hatten.
Sie bekamen jeweils eine Begleiterin zugewiesen – C.C., Mara, Signe sowie drei andere Bekannte Diane –, die ihnen zeigte, wie sie ihre Geschäftsfreunde aus der Großstadt beeindruckten. Zum Kurs gehörte, dass sie eingekleidet wurden, lernten, wie man im Nobelrestaurant richtig bestellte und Wein aussuchte und wie man sich auf Vernissagen, in der Oper und bei Nachmittagseinladungen benahm.
„Mara und ich haben uns eine Woche Urlaub genommen, um mitzumachen“, sagte C.C.
„Klingt gut“, gab Signe zu und trank noch einen Schluck von dem Kräuterbier. „Was meint ihr, was hier drin ist?“
„Reiner Äthylalkohol“, antwortete Diane prompt.
„Danach schmeckt es gar nicht“, meinte Signe, die fast nie Alkohol trank.
„Dafür wirkt es so. Wart’s ab“, sagte C.C.
Signe beschloss, dass sie sich heute ebenso gut einen Schwips antrinken konnte. Die Befragung durch den Polizisten, ihre vorläufige Entlassung und die Tatsache, dass George Garrity nicht wie üblich mittags im Museum gewesen war, gaben ihr wohl genug Grund, nicht unbedingt nüchtern bleiben zu wollen.
Andererseits musste das ja nicht heißen, dass der göttliche Garrity nicht vielleicht doch überraschend hier vorbeikam. Signe seufzte.
C.C. trank ihr restliches Bier mit einem Schluck aus und fächelte sich mit der flachen Hand Luft zu. „Mir ist heiß.“
„Erinnert ihr euch noch an letzte Weihnachten? Da waren es fast zwanzig Grad“, sagte Diane.
„Alles wegen der globalen Erwärmung“, bemerkte Mara. „Die uns aber immerhin nach der Zeremonie ein Nacktbad im See erlaubt. Der Treibhauseffekt hat also durchaus auch sein Gutes.“
Die Zeremonie. Signe blickte zu dem großen schwarzen Kessel in der Mitte des magischen Kreises. Dann griff sie in die hintere Tasche ihrer abgeschnittenen Jeans und holte das rote Taschentuch nebst dem Zauberspruch hervor, den sie sich ausgedacht hatte.
„Er ist nicht besonders toll geworden“, flüsterte sie Diane zu.
„Bei dem Chaos, das derzeit in deinem Leben herrscht, war das wohl auch nicht zu erwarten“, sagte Diane.
Wie wahr! Signe ging hinter den anderen her, die in der Schlange aufrückten. Mara war die Erste, die den als Pforte fungierenden Besen beiseite nehmen und in den Kreis treten durfte. Bei dem Kessel angekommen, hielt sie einen Slip ihres Exfreundes in die Höhe und verlas den Zauberspruch, den sie auf Dean gedichtet hatte, weil er nicht aufhören wollte, sie anzurufen:
„Verzeih mir, Dean, was ich hier tu,
doch lässt du mir ja keine Ruh.
Auf dass der Zauber dich befrei
von deinem Glauben an uns zwei …“
„Mach dich bereit, Sig“, flüsterte C.C. „Du bist die Nächste.“
Signe nickte und sah sich um. Um Minneapolis herum, wo sie aufgewachsen war, gab es jede Menge Naturschutzparks, die sie allerdings kaum genutzt hatte. Sie war durch und durch ein Stadtmensch, und bei Wäldern dachte sie sofort an Insekten, Wildkatzen und Bären, eben an alles, was ihr gefährlich werden konnte.
Glücklicherweise zeigte das Kräuterbier eine entspannende Wirkung, und mit jedem Schluck fühlte sie sich wohler – Wildkatzen und Bären hin oder her. Auf einmal fand sie sogar die einfachen Blockhütten schön, von denen sie eine ganz für sich haben würde, da die Frau aus New Jersey abgesagt hatte, die eigentlich eine Hütte mit ihr teilen sollte.
Unter normalen Umständen hätte sie sicher Angst gehabt, allein in einer Holzhütte zu schlafen, aber hier gab es weit und breit keine Männer, und die Hexen sahen bei näherer Betrachtung auch eher aus wie Mütter von Fußball spielenden Jungen, die diese Veranstaltung nutzten, um endlich mal ein Wochenende weit weg von Mann und Kindern zu verbringen.
„Los geht’s, Sig“, flüsterte Diane und stupste sie mit dem Ellbogen an.
Signe machte alles genauso, wie sie es bei Mara gesehen hatte. Als sie vor dem Kessel stand, schlug ihr eine heiße Wolke entgegen. Sie lugte vorsichtig hinein. Darin blubberte eine dickflüssige Masse vor sich hin, in der unter anderem ein Handy, eine teure Krawatte von Brooks Brothers und ein Absaugeschlauch von einem Zahnarzt trieben. Letzterer stammte von einer Frau, die mit dem dazugehörigen Dentisten liiert gewesen war und ihn heute Abend mit einem Zauber belegte. In ihrem Sprüchlein waren recht holprige Reime vorgekommen, wie etwa „Karies“ auf „vieles“ oder „Zahnstein“ auf „lass mich allein“, aber das Ende war durchaus pfiffig gewesen, als sie ihm wünschte: „Ich füll’ nicht länger die Lücke, drum such dir ’ne andre Brücke.“
Eine temperamentvolle Rothaarige hatte in ihrem Übereifer sogar die Schlüssel zum Lexus ihres Ehemannes in den Kessel geschmissen, bevor ihr einfiel, dass sie sich ja seinen Wagen übers Wochenende geborgt hatte. Eine andere Frau hatte die letzte Locke ihres Freundes hineingeworfen, in der Hoffnung, dem frühzeitig Kahlköpfigen erneuten Haarwuchs herbeizaubern zu können.
Signe schloss die Augen und stellte sich George Garrity vor. Sobald sie im Geiste sein Bild vor sich sah, waren die gestohlene Statue, Detective Perez und der verlorene Job vergessen. Was, wenn er tatsächlich heute Abend herkam?
Schließlich hatten sie sich vor der ganzen Aufregung über den Diebstahl noch darüber unterhalten, und er hatte angedeutet, er könnte eventuell „zufällig vorbeikommen“.
Sie öffnete die Augen wieder, räusperte sich und las:
Hört, ihr Geister, meine Bitte,
die mich treibt in eure Mitte,
ist eine Nacht voll Sinnlichkeit,
mit einem Mann, der mich erfreut.
Von ihm stammt dieses seid’ne Tuch,
das unterstütze meinen Spruch.
Macht, dass mich Garrity begehrt,
und falls uns Leidenschaft beschert,
so möge er zur Frau mich wählen.
Helft, Geister, mir – ihr könnt’s befehlen!
Als sie das Seidentaschentuch in den Kessel warf, hatte sie plötzlich ein ganz seltsames Gefühl, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggezogen. Ihr Atem stockte, während sie zusah, wie der letzte Zipfel des roten Stoffs in der Flüssigkeit unterging.
Wahrscheinlich war all das bloß Einbildung, nichts als Wunschdenken, dennoch standen ihr die Nackenhaare zu Berge, als sie aus dem Kreis schritt. Sie spürte ein Kribbeln im Bauch, das anhielt, während Diane ihren Spruch aufsagte, in dem sie um geschäftlichen Erfolg für ihre Firma „Wacky Weekends“ bat, und C.C., die sich eine weitere Beförderung wünschte. Erst als die Frauen sich eine nach der anderen auszogen, um im See zu baden, schwand Signes Hochstimmung.
„Wäre es nicht irgendwie unheimlich, wenn diese Zaubersprüche tatsächlich wirken?“ fragte sie C.C., die sich ihr Sommerkleid abstreifte und es mit einem Stein beschwerte.
Mara entledigte sich gerade ihrer Shorts. „Unheimlich?“
Signe schüttelte nachdenklich den Kopf. „Ja, ich weiß nicht“, sagte sie. „Da hinten, in dem Kreis, hatte ich so ein komisches Gefühl. Mir war, als würde dieser ganze Zauberspruchkram wirklich etwas bewirken.“
„Du meinst, dass du den göttlichen Garrity heiratest?“ fragte Diane.
„Oder bloß mit ihm schläfst?“ ergänzte C.C.
„Wollen wir’s hoffen“, sagte Mara. „So, und jetzt zieh dich aus.“
„Nein, ich schwimme nicht im See.“
Mara sah sie an. „Und warum nicht, wenn ich fragen darf?“
Signe lachte. „Weil ich mit dem Wort ‚See‘ sofort Dinge wie ‚Felsen‘, ‚Fische‘ und ‚ekliger Schlammboden‘ verbinde, die ich sämtlichst nicht verlockend finde.“
„O nein, meine Süße, keine Ausrede“, verkündete C.C. „Wenn ich reingehe, kannst du es auch. Runter mit den Klamotten.“
„Okay, okay“, seufzte sie und stürzte ihren letzten Schluck Kräuterbier herunter, ehe sie sich ihre Shorts und ihren Slip auszog. „Und was, wenn uns jemand sieht?“
„Hier ist niemand“, beruhigte Diane sie.
C.C., die mittlerweile nur noch ihre Dessous trug, schnappte sich die leeren Krüge ihrer Freundinnen und verkündete: „Ich hole uns Nachschub, und dann nichts wie rein ins Wasser.“
Das Kräuterbier schmeckte wirklich gut, da musste Signe ihren Freundinnen Recht geben. Und an einem Abend wie diesem durfte sie ruhig mal ein bisschen über die Stränge schlagen. Sie waren unter sich, der See schimmerte verlockend im Mondlicht, und sollte George Garrity wider Erwarten aufkreuzen, hatte er sicher nichts dagegen, wenn sie ein klein wenig beschwipst war.
Sie spürte schon jetzt die entkrampfende Wirkung des Alkohols. „Ich nehm ein Doppeltes“, rief sie C.C. nach.
Auf einmal war sie es leid, von den anderen dauernd wegen ihres ausgeprägten Schamgefühls geneckt zu werden. Kühn hielt sie das letzte Stück Seidendessous in die Höhe und ließ es im Wind flattern, bevor sie es fallen ließ und Richtung See rannte. Sie hatte ihren drei Freundinnen den Rücken zugekehrt, als C.C. mit den Getränken zurückkam, und bekam nichts davon mit, dass die anderen planten, ihre Sachen zu verstecken.
„Hexen“, murmelte James abfällig. Die halbe Nacht hatten sie ihn wach gehalten. Der Wildhüter zog sich die Decke über die bloßen Schultern. Jeden Monat bei Vollmond kamen sie her und veranstalteten ihre albernen Treffen.
Mindestens die Hälfte der Frauen waren überzeugte Männerhasserinnen, die irgendwelche armen Kerle verfluchten, mit denen sie bis vor kurzem noch zusammen gewesen waren. Die anderen versuchten auf Krampf, nichts ahnende Typen vor den Altar zu zaubern, jenen Ort, an den James keine zehn Pferde bekommen könnten.
Diesen Monat kamen sie auch noch ausgerechnet an dem Tag an, an dem James seine Urkunde als geprüfter Wildkatzenfänger bekommen hatte, die er eigentlich feiern wollte – allein mit Mutter Natur.
Aber daraus wurde wohl nichts, ebenso wenig wie aus der Arbeit an seinem Kriminalroman, denn dafür machten die Frauen da draußen entschieden zu viel Lärm.
Wenigstens hatte er den Wildkatzenfangtest bestanden. Die Katzen waren in letzter Zeit zu einem echten Problem im Park geworden, und wer nicht genau wusste, wie er mit ihnen umzugehen hatte, konnte beim Versuch sie einzufangen aufs Übelste verletzt werden. Einem Wildhüter hatten sie schon beinahe ein Auge ausgekratzt, und ein anderer hatte sich mit Katzenfieber infiziert, was James früher nie für eine echte Krankheit gehalten hatte. Wie er neuerdings wusste, wurde es von Bakterien verursacht, die ausschließlich durch Katzen übertragen wurden. Es gab also einige Gründe, sich vor den Tieren in Acht zu nehmen, es sei denn, man wusste sehr genau, was man tat.
Erst heute Morgen hatte James eine Katze mit ihren sechs Jungen gefunden, eingefangen und hinunter zur Tierstation gebracht, wo man sich bemühte, sie an Familien weiterzuvermitteln. Und seit ein paar Wochen kümmerte er sich um zwei verwundete Katzen, die in den Wäldern in Prügeleien geraten sein mussten. Beide sahen eindeutig wie verwilderte Hauskatzen aus.
James packte jedes Mal die Wut, wenn er daran dachte, dass Leute ihre Katzen hier herauf in die Berge fuhren, um sie im Naturschutzgebiet auszusetzen. Ihm taten die armen Streuner Leid, die in der Wildnis kaum überleben konnten.
Ein Hieb in die Magengegend verriet ihm, dass der rote Tiger beschlossen hatte, mit in James’ Bett zu schlafen. Am Gewicht erkannte er, dass es sich nicht um die kleine schwarze Katze handeln konnte. „Gnade“, murmelte er vor sich hin, auch wenn ihm klar war, dass er heute Nacht ohne Schlaf würde auskommen müssen.
Das Rufen und Kichern der Hexen klang nach wie vor recht lebhaft. Entsprechend durfte er morgen bestimmt reichlich aufräumen. Die Gegenstände, die die Frauen mitbrachten, um ihre nichts ahnenden Opfer zu verfluchen, konnten einem angst und bange werden lassen. James hatte schon Armbanduhren gefunden, Geldklammern, Fernbedienungen und einmal sogar ein Schweizer Taschenmesser, was er als besonderen Tiefschlag empfand, da er sich daran erinnerte, wie er an seinem eigenen gehangen hatte. Aber diesen Frauen war wohl nichts heilig.
Jeden Monat, wenn er den Park hinter ihnen aufräumte, dankte er dem Schicksal dafür, dass er nicht verheiratet war und nie sein würde.
Natürlich war er Frauen nicht grundsätzlich abgeneigt. Gegen Sex mit ihnen hatte er nicht das Geringste einzuwenden. Selbst ein paar von den verrückten Weibern, die hier ihre Hexentänze veranstalteten, konnten ziemlich charmant wirken – vor allem sobald sie von ihrem Kräuterbier beschwipst waren und nackt in den See hüpften.
See? Wasser? War da nicht eben ein tropfendes Geräusch gewesen. Stöhnend vergrub er das Gesicht im Kissen. Kein Zweifel, da war es wieder, ein Tröpfeln. Vielleicht hockte mal wieder eine der Katzen im Küchenwaschbecken. Dauernd versuchten sie, aus dem Wasserhahn zu trinken. James drehte sich um und öffnete die Augen.
Draußen war Vollmond, aber da die Vorhänge zugezogen waren und die Läden geschlossen, herrschte hier drinnen vollkommene Dunkelheit.
„Ist da jemand?“ flüsterte er verschlafen.
Auf einmal stoppte das Geräusch, und für eine Weile war es absolut still. In der Ferne schrie eine Eule. Dann hickste jemand.
„Wer ist da?“ fragte James. Er hatte nicht gehört, dass die Tür zur Hütte geöffnet worden war. Hatte sich eine der Hexen verlaufen? Er schmunzelte. Möglicherweise sollte er heute Nacht Glück haben, und die Blonde, die vorhin vorbeigekommen war, um sich nach dem Weg zu erkundigen, war zurückgekehrt.
„Hallo, du Göttlicher.“
Ja, das war zweifellos die Blonde. Er lauschte, während sich die Namenlose dem Bett näherte. Als sie sich auf die Matratze setzte, spürte er, dass sie nackt war, auch wenn er nicht sagen konnte, woran er es erkannte. Sie klang eben nackt.
„Hast du dich verlaufen?“ fragte er leise.
Keine Antwort. Etwas Metallenes fiel auf den Holzfußboden. Hatte sie einen Ring abgenommen? Wenn ja, war sie ganz gewiss nicht hier, um nett mit ihm zu plaudern. Gut so.
„Da du schon mal auf bist, warum machst du nicht das Licht an? Es ist direkt neben der Tür“, schlug er vor.
Schweigen. Für einen Moment dachte er, sie wäre wieder verschwunden, doch dann hörte er sie kichern. Sie kicherte wie ein Schulmädchen, und er musste unweigerlich schmunzeln. Nein, er brauchte wohl keinen Polizisten mit Tütchen zu bemühen, um festzustellen, dass sie reichlich von dem Kräuterbier getrunken hatte.
„Ich mag die Dunkelheit“, flüsterte sie.
„Meinetwegen“, sagte er. Das musste eindeutig die Blonde sein. Wer sonst käme nackt und beschwipst in seine Hütte?
„Und hier drinnen ist es sehr, sehr dunkel“, bemerkte sie.
„Wie viel hast du getrunken?“
„Warum?“
„Weil ich, so verführerisch ich dich auch finde, nicht möchte, dass du irgendwas machst, was du im nüchternen Zustand nicht tun würdest.“
Sie hickste. „Sieh an, ein echter Gentleman.“
„Nein, eigentlich nicht, ich lege bloß Wert darauf, dass im Bett beide nur das tun, was sie wirklich wollen.“
„Und ob ich das hier will, mein Göttlicher“, verkündete sie feierlich.
Damit wäre das geklärt, und er durfte guten Gewissens genießen, was jetzt kam. Er versuchte, sich genauer zu erinnern, wie die Blonde ausgesehen hatte. Sie fuhr einen Mustang, so viel wusste er noch, und ihr Parfüm hatte eine Muskatnote gehabt, die er auch jetzt wahrzunehmen meinte. Ihr kurzes Haar hatte die Farbe von frisch geerntetem Weizen gehabt, und gegen das Sonnenlicht war ihr dünnes Kleid fast durchsichtig gewesen, so dass er die Umrisse ihrer Brüste und ihrer schmalen Taille erkannt hatte.
Monat für Monat kamen diese Frauen her, verfluchten oder beschworen ihre Liebhaber und Ehemänner und tranken wie die Seeleute. Am nächsten Morgen dann schlichen sie sich verkatert und mucksmäuschenstill wieder davon und hinterließen ein halbes Fundbüro im Wald. Dies war jedoch das erste Mal, dass eine von ihnen zu ihm kam. Und er hatte nichts dagegen.
Wenn er von dem Besuch gewusst hätte, wäre das Bett natürlich frisch bezogen, doch das ließ sich nun nicht mehr ändern. Er schlug die Decke zurück, unter der er nackt war, und sagte: „Abrakadabra, herein mit dir.“
Wieder kicherte sie. In der Dunkelheit konnte er nicht einmal ihre Umrisse ausmachen, dafür fühlte er, wie sie sich zu ihm beugte. „Hokuspokus“, flüsterte sie und stützte eine Hand auf. Dabei fiel ein Wassertropfen auf James’ Gesicht.
„Du bist eine nasse Hexe“, stellte er fest.
In dem Moment schien sie das Gleichgewicht zu verlieren. Mit einem überraschten Aufschrei landete sie bäuchlings auf ihm. Hätte er nicht instinktiv den Arm ausgestreckt und um ihre Taille gelegt, wäre sie wahrscheinlich über ihn rüber und auf der anderen Seite zu Boden gepurzelt.
„Tut mir Leid“, flüsterte sie. „Ich bin kalt und nass.“
„Dann müssen wir dich eben aufwärmen.“
Er fasste nicht, dass sie tatsächlich auf ihm lag, ihren Busen an seine Brust geschmiegt. James hatte keine Ahnung, womit er dieses unerwartete Geschenk verdient hatte, aber im Stillen dankte er der mysteriösen Vorsehung, der die Frauen hier im Wald scheinbar vertrauten.
„Ich war schwimmen, mein Göttlicher“, erklärte sie. „Nackt.“
„Wie schade, dass ich es verpasst habe.“
Wieder kicherte sie. „Dann findest du es nicht schlimm?“
„Was, dass du schwimmen warst?“
„Nein, dass ich nackt im Park war.“
Dachte sie allen Ernstes, er würde sich als autoritärer Ranger aufspielen und sie verhaften? „Ganz und gar nicht“, versicherte er ihr.
Sie bewegte sich auf ihm, und für einen Moment stutzte er. Vorhin, als sie vor ihm gestanden hatte, war sie ihm eher groß vorgekommen, aber jetzt wirkte sie zierlich, höchstens einsfünfundsechzig. Vielleicht hatte ihn das Sommerkleid getäuscht, das ihr fast bis zu den Knöcheln reichte. Eventuell hatte sie darunter ja auch hochhackige Sandalen getragen, die ihm nicht aufgefallen waren.
Im Augenblick konnte er darüber allerdings nicht weiter nachdenken, denn nun hauchte sie ihm einen Kuss aufs Ohr, dass er erschauderte. Er streichelte ihren noch leicht feuchten Rücken.
„Du trägst gar kein Höschen“, stellte er fest.
„Du doch auch nicht“, konterte sie lachend.
Nein, tat er nicht. Er fasste ihr noch nasses Haar, aus dem kleine Tropfen auf seine Haut fielen. Dann spürte er ihre Lippen auf seinem Mund, und er wusste, dass er kurz davor war, endgültig die Kontrolle zu verlieren.
„Ich bin gar keine richtige Hexe“, gestand sie atemlos.
„Nicht?“ fragte er mit gespielter Verwunderung, bevor er sie wieder ganz nah an sich zog und sie küsste. Sie erwiderte seinen Kuss, und er stöhnte unwillkürlich auf. Ihm war, als würde in ihm etwas freigesetzt, was unentdeckt dort geschlummert und nur auf das Erscheinen dieser kleinen Hexe gewartet hatte.
Er konnte immer noch nicht recht glauben, dass all das wirklich passierte. Sie kannten einander nicht, konnten sich nicht einmal sehen, und doch war die Atmosphäre geradezu elektrisch aufgeladen.
Sein Herz hämmerte ihm in der Brust, und unwillkürlich musste er an eine Ballade denken, in deren Refrain es hieß: „One love, one heart.“ Es war beinahe seltsam, wie perfekt ihre beiden Körper zusammenpassten. Sie schienen dazu geschaffen, eins zu werden.
„Bist du sicher, dass ich das hier nicht träume?“ flüsterte er.
„Nein“, hauchte sie, und sogleich hielt er inne. „Ich meine, ja, doch“, sagte sie kichernd.
„Du weißt genau, dass du echt bist?“ Langsam hegte er da gewisse Zweifel. Bei keiner echten Frau hatte er sich jemals so gefühlt wie jetzt. Und selbst wenn die Blonde heute Nachmittag sehr attraktiv gewesen war, war er doch nicht auf diese Wirkung vorbereitet gewesen.
„Ich bin echt“, sagte sie leise.
„Und wer bist du?“
„Du weißt, wer ich bin.“
Ja, das wusste er. Sie war die Unbekannte, die ihn nach dem Weg gefragt hatte. Doch er wollte mehr von ihr wissen. Wie hieß sie? Wo wohnte sie? Würde sie noch da sein, wenn er morgen früh aufwachte?
Ehe er auch nur eine der Fragen laut stellen konnte, streichelte sie ihn so, dass er fast aufschrie vor Erregung. Hatte sie etwas gesagt? Er war nicht sicher, und ihre Zärtlichkeiten hatten zur Folge, dass sein Verstand sich vollständig verabschiedete.
„Ich bin froh, dass du hier bist“, flüsterte er mit rauer Stimme.
„Ich habe dich mit einem Zauber belegt, mein Göttlicher“, gestand sie.
„Du findest mich göttlich?“
„Natürlich“, antwortete sie.
„Und du hast mich verzaubert?“
„Ja, und deshalb bist du in meinem Bett.“
Sie war in seinem Bett, aber er würde gewiss nicht kleinlich gegenüber einer Frau werden, die ihn als „göttlich“ bezeichnete. Soweit er wusste, hatte ihn noch keine der „Hexen“ mit einem Zauber belegt. „Hast du mich dazu verzaubert, mit dir zu schlafen?“
„Genau“, murmelte sie und knabberte sanft an seinen Lippen. Sie vergrub die Finger in seinem Brusthaar, während er seine Hände über ihre Hüften und ihre Schenkel hinabgleiten ließ.
„Was immer du in den Kessel geworfen hast, es scheint jedenfalls zu wirken.“ Er streichelte jetzt ihre Oberschenkel, und Signe seufzte genussvoll auf. Er schien genau zu wissen, was ihr gefiel, denn seine Liebkosungen wurden immer wagemutiger.
Seine Lippen schlossen sich um ihre Brustspitze, und als er sanft daran saugte, bog sie sich ihm instinktiv entgegen. Sie umklammerte seine Schultern und stöhnte. So schön hatte sie sich den Sex mit ihrem Traummann nicht vorgestellt.
James spürte, dass es mit seiner Selbstbeherrschung bald vorbei sein würde. Diese Frau trieb ihn in den Wahnsinn. Er streckte einen Arm aus und öffnete die Schublade des Nachttisches.
Für einen Moment erstarrte er, als sie ihre Fingernägel in seine Haut krallte. Keine Frage, von dieser Wildkatze würde er sich gern zerkratzen lassen.
„Was machst du da?“ fragte sie.
„Ich hole ein Kondom.“
„Sehr rücksichtsvoll.“
„Das ist doch selbstverständlich“, sagte er. Sobald er den Schutz angelegt hatte, fasste er ihre Taille. „Setz dich auf mich“, bat er sie.
„Wie auf einen Besenstiel?“ fragte sie leise lachend.
Auch er lachte. „Genau, kleine Hexe.“
Sie hockte sich rittlings auf ihn, beugte den Oberkörper vor und malte die Konturen seiner Lippen mit der Zungenspitze nach. „Hört, ihr Geister, meine Bitte, die mich treibt in eure Mitte, ist eine Nacht von Sinnlichkeit, mit dem Mann, der mich erfreut“, flüsterte sie leise.
Wahrscheinlich war das ihr Zauberspruch. „Ich denke, das lässt sich einrichten.“
„Die ganze Nacht?“ fragte sie.
„Ich verspreche dir, dass du bis zum Morgengrauen nichts als Sinnlichkeit erlebst“, versicherte er ihr. „Vorher hätte ich nur eine Frage.“
„Welche?“
„Na ja, ein Mann und eine Frau können eine Menge nette Sachen miteinander anstellen“, erklärte er. „Also, womit möchtest du anfangen?“
„Heißt das, wir werden nach und nach alles ausprobieren?“ Ihre Stimme klang ein wenig tiefer. Scheinbar erregte sie allein schon die Vorstellung dessen, was sie alles tun könnten.
„Ja.“
„Nun, dann überlasse ich dir die Wahl, was wir zuerst machen.“
„Okay, ich würde gern dabei bleiben, dass du oben bist. Und anschließend …“ Er sprach nicht zu Ende, sondern küsste sie stattdessen – erst auf die Lippen, dann den Hals und immer weiter.
Sie presste die Knie an seine Hüften. „Anschließend was?“ fragte sie, während sie sich ganz langsam hinabließ, so dass er ein kleines Stück in sie eindrang.
„Alles, was du willst“, versprach er ihr stöhnend, während in seiner Fantasie Bilder auftauchten, auf denen er jeden Millimeter ihrer seidigen Haut küsste und ihr mit der Zunge zu höchsten Sinnengenüssen verhalf.
Vielleicht würden sie sogar irgendwann in der Nacht nach draußen wechseln, wo sie sich unter freiem Himmel liebten, bis sie wie die Wölfe den Mond anheulten.
Immerhin war heute Halloween.
Sein Atem drohte auszusetzen, während er mit jeder ihrer Bewegungen tiefer in sie eindrang. Benommen vor Lust und voller Ungeduld, immer noch größere Wonnen zu erleben, fasste er sie und rollte sie zur Seite, so dass er schließlich über ihr lag.
„Halt mich fest, kleine Hexe“, sagte er und versank ganz und gar in ihr. „Der Mann, den du verzaubert hast, wird dir zeigen, wie viel Magie die Nacht bietet.“
Was war geschehen?
Signe tastete ihren Bauch ab, als rechnete sie damit, über Nacht einzelne Körperteile eingebüßt zu haben. Außer ihrer Schädeldecke schien aber noch alles da zu sein. Dieses Kräuterbier war wirklich grausam, da hatte C.C. nicht übertrieben. Diane wohl ebenso wenig, als sie behauptete, es bestünde aus purem Äthylalkohol. Signe fühlte sich wie jemand, der soeben von einem LKW überrollt worden war. Was ihr im Moment nicht einmal unlieb wäre.
Für wenige Stunden hatte sie die gestohlene Statue und Detective Perez erfolgreich verdrängt, nur damit die Erinnerung jetzt mit voller Wucht zurückkehrte und ihren Kater derart verschlimmerte, dass sie leise aufstöhnte.
Sie versuchte, die Augen zu öffnen, gab es allerdings gleich wieder auf, weil es sich als entschieden zu schmerzhaft erwies. Den heutigen Tag würde sie wohl ausschließlich damit verbringen, ihre Augenlider mit eisgekühlten Gurkenscheiben zu beschweren.
Nun fiel ihr auch wieder ein, warum sie normalerweise nicht trank. Gestern Abend hatte das Kräuterbier noch super geschmeckt, doch alles, was von ihm übrig blieb, war das Gefühl, einen Mühlstein an der Stelle zu haben, wo ehedem ihr Kopf gewesen war. Folglich musste es sich bei dem Gehämmer hinter ihren Schläfen wohl um Phantomschmerzen handeln.
Genau genommen tat ihr alles weh. Von ihrem Erinnerungsvermögen schien ihr nur ein großes weißes Loch geblieben zu sein. Sehen tat weh. Atmen tat weh. Ihre Haut tat weh. Einfach alles.
Mit Ausnahme ihres Traums. Würden ihre Lippen nicht ebenfalls wehtun, wäre ihr zum Lächeln zu Mute. Sie hatte nämlich tatsächlich geträumt, der göttliche Garrity wäre da gewesen und hätte in ihrem Bett auf sie gewartet. Und sie hatten Sex gehabt, atemberaubenden Sex, keine Rein-raus-Wegschnarch-Nummer. Es war pure Leidenschaft gewesen, die die ganze Nacht angedauert hatte.
Ihr Traum wirkte bis jetzt erstaunlich real. Zu erstaunlich real, dachte sie und runzelte die Stirn, was sie sogleich bereute, denn auch das tat weh.
Wurde sie etwa langsam verrückt, oder hatte der göttliche Garrity sie allen Ernstes beim Wort genommen und war ihr in die Catskills nachgereist?
Ihre Erinnerung an seine Berührung war täuschend klar, ebenso wie die an seine Küsse und an seinen Duft. Sie wusste noch genau, wie es sich angefühlt hatte, als er seine Brust an ihrem Busen rieb. Er hatte es verstanden, sie so zu erregen, dass sie einen Höhepunkt nach dem anderen erlebte, aber wie war das im Traum möglich?
„Wow!“ flüsterte sie schläfrig, als sie daran dachte, was er in ihrer Fantasie alles mit ihr angestellt hatte. Eine solche Ekstase hatte sie überhaupt noch nie erlebt. Allein das bewies dann wohl, dass es sich auf jeden Fall um einen Traum gehandelt haben musste, denn in Wirklichkeit konnte Sex gar nicht so gut sein.
Nein, Signe Sargent mochte nicht die erfahrenste aller Frauen sein, doch ihre wenigen intimen Begegnungen mit dem anderen Geschlecht hatten sie gelehrt, dass Männer auch nur Menschen sind und ihren Fähigkeiten im Bett entsprechend klare Grenzen gesetzt sind.
Letzte Nacht jedoch …
Konnte der Zauber schuld daran sein? Sie hatten so wilde und verwegene Dinge getan, dass ihr allein bei dem Gedanken heiß wurde. Beinahe glaubte sie, seine Stimme wieder zu hören, die flüsterte: „Der Mann, den du verzaubert hast, wird dir zeigen, wie viel Magie die Nacht bietet.“ Und damit hatte er nicht zu viel versprochen!
Vielleicht war an diesem Hexenquatsch ja doch etwas dran. Sollte der Sex damit in echt auch so gut werden wie in ihrer Fantasie, würde sie jedenfalls sofort zur überzeugten Anhängerin werden.
Was war das für ein Geruch? Katzen?
Signe blinzelte vorsichtig. Sie erkannte zwar nicht allzu viel, aber immerhin genug, um sicher zu sein, dass das hier nicht ihre Hütte war. Vor Schreck war sie wie gelähmt. Wo war sie? Allem Anschein nach handelte es sich nicht um eine Wochenendhütte. Diese hier wurde von irgendjemandem permanent bewohnt.
Und bei der fraglichen Person handelte es sich nicht um einen Ordnungsfanatiker, so viel konnte sie auf den ersten Blick sehen. Der Kleiderschrank an der einen Wand stand offen und gab den Blick auf Männerbekleidung frei, allerdings nicht die Sorte, die Signe beruhigend gefunden hätte – sprich: Anzüge von Brooks Brothers und passende Krawatten von Hermès. Nein, in diesem Schrank hingen jede Menge karierte Flanellhemden.
Auf dem Boden lagen schmutzige Jeans, und neben der Tür lehnten Paddel an der Wand. Ein Stück weiter rechts davon standen schlammverkrustete Arbeitsstiefel. Unweit des Bettes befand sich ein Sofa, auf dessen einer Lehne der Bewohner eine offene Getränkedose abgestellt hatte. Nein, das alles sah ganz und gar nicht gut aus.
War sie tatsächlich in die falsche Hütte gestapft und hatte mit einem Wildfremden geschlafen, den sie für George Garrity hielt? Wie konnte das überhaupt passieren, wo ihre Freundinnen doch gesagt hatten, es gäbe in diesem Wald keinen einzigen Mann?
Ihr Blick wanderte zu dem Nachtschränkchen, auf dem eine Urkunde lag. Zertifikat zum Wildkatzenfang. Na ja, jetzt durfte der Kerl sich eben brüsten, sich auch auf den Fang von wild gewordenen New Yorkerinnen zu verstehen.
Sie hatte einen entsetzlich ausgetrockneten Mund. Irgendwo in diesem Chaos musste es doch etwas zu trinken geben. Vorsichtig sah sie sich um. Da stand ein Schreibtisch mit hohen Bücherstapeln und jeder Menge Papier darauf. Und dann waren da zwei Katzen. Aha, daher der Geruch.
Es waren nicht mal gewöhnliche Katzen, sondern offenbar kranke Katzen. Die eine, sie war rötlich getigert, hatte den Kopf und beide Vorderpfoten verbunden, der anderen, einer kleinen schwarzen, fehlte ein Bein. Signe ermahnte sich im Stillen, ja ruhig zu bleiben, und hielt sich den schmerzenden Schädel, während sie sich langsam umdrehte. Dabei fühlte sie unter ihrer Hand etwas, das nicht zu ihrem Kopf gehörte.
Ein Blatt? Na großartig. Bei genauerem Tasten fand sie auch noch ein paar kleine Zweigstückchen und Samenkapseln. Sie sah an sich herunter und entdeckte dunkle Schlammstreifen auf ihren nackten Beinen. Ach ja, das Bad im See.
Allmählich erinnerte sie sich wieder, wie sie in den See gerannt war …
Ein Schnarchen! Kein leises, helles Schnarchen, wie es etwa C.C. oder Diane von sich geben würden, wenn sie zu viel getrunken hatten, und das ihr die Gewissheit gäbe, mit ihren Freundinnen zusammen in einer Hütte gelandet zu sein.
Nein, hier hatte sie es eindeutig mit einem männlichen Schnarchen zu tun, dessen Verursacher mindestens einsneunzig groß und muskulös sein musste – genau der Typ Mann, mit dem sie im Traum geschlafen hatte.
Behutsam wandte sie den Kopf und sah über ihre Schulter. Sofort begann neben ihrem Kopf auch noch ihr Herz wie verrückt zu hämmern. Wer war das? Er hatte die Decke bloß bis zu den Schenkeln hochgezogen, und der Anblick ließ sie unwillkürlich an die Statue denken, von der Detective Perez meinte, sie hätte sie gestohlen. Kein Wunder, der Sex hatte sich so fantastisch angefühlt!
Seine Haut war glatt und sonnengebräunt. Er sah göttlich aus, aber er war eben nicht der göttliche Garrity. Was bedeutete, dass sie so schnell wie möglich hier weg musste. Am besten verschwand sie, solange er noch schlief. Gleich jetzt. Bald. Sowie sie aufhören konnte, ihn anzusehen.
Er hatte wunderschönes Haar, dicht und mittelblond, wenn auch einen Tick zu lang für ihren Geschmack. Durch einen Vorhangspalt fielen Sonnenstrahlen herein, die seinen Locken einen goldenen Schimmer verliehen. Für einen Augenblick war Signe wie verzaubert von dem Bild.
Sie blinzelte und sah sich nach ihren Kleidern um. Nein, die hatte sie ja am See ausgezogen und war nackt hierher zurückgekommen. Da hatte sie noch geglaubt, sie wäre in ihrer Hütte. Und er musste geglaubt haben, sie wäre eine andere …
Ja, denn seinen Worten nach zu urteilen, hatte er sie erwartet. Was für ein wunderbarer Schlamassel! Eigentlich waren Verwicklungen wie diese eher C.C.’s Spezialität. Signe war etwas Derartiges noch nie passiert. Also, was würde C.C. tun? Die Antwort war sonnenklar: Wegrennen. Vertrau deinem Instinkt, Sig.
Lautlos setzte sie sich auf und zuckte zusammen, als die Dielen unter ihren bloßen Füßen knarrten. Sie drehte sich um. Der Fremde rührte sich nicht. Gut. Sie stand auf und überlegte, was sie sich nehmen könnte, um ihre Blöße zu bedecken. Wie weit mochte es bis zu ihrer Hütte sein?
Auf Zehenspitzen schlich sie zur Tür und hatte es bis zur Mitte des Raums geschafft, als sie eine Stimme hörte. „Du gehst?“
Sie erstarrte, die Hände zu Fäusten geballt. Sie fühlte sich entsetzlich, weil sie splitternackt dastand, doch sich zu ihm umzudrehen war noch schlimmer.
„Du kannst dir eins meiner Hemden leihen, wenn du willst.“
Sie blickte zum Schrank. Das Angebot war verlockend, doch wenn sie sich ein Hemd lieh, musste sie es auch wieder zurückbringen. „Ähm, nein danke, ich komme schon klar.“ Ihre Stimme hörte sich beschämend zittrig an.
„Sicher?“
Wie konnte er so normal klingen? Hatte er denn schon vergessen, womit sie den größten Teil der Nacht zugebracht hatten? Sie wandte den Kopf und blickte über die Schulter zu ihm, was sie allerdings sogleich bereute. Der Mann sah so unverschämt gut aus, dass sie sich prompt ganz umdrehte.
Einen Augenblick lang starrte sie ihn wortlos an. Dann wurde ihr klar, dass er sie von oben bis unten musterte. Erschrocken verschränkte sie die Arme vor der Brust und überkreuzte die Beine, soweit das im Stehen überhaupt möglich war.
Der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht, als fände er es auch noch witzig, dass sie schrecklich verlegen war. Er hingegen strahlte eine Sicherheit und Stärke aus, die sie um ein Haar dazu gebracht hätte, gleich wieder zu ihm ins Bett zu kriechen.
Dann jedoch dachte sie wieder an die Flanellhemden, die Arbeitsstiefel und die beiden Katzen. Der Mann mochte ein fantastischer Liebhaber sein, aber er war ganz gewiss nicht der Typ, mit dem sich eine vernünftige New Yorkerin wie Signe eine Zukunft ausmalen konnte.
Außerdem hatte sie momentan schon so genug Ärger. Sie war arbeitslos und die Hauptverdächtige in einem Fall von Kunstdiebstahl, da brauchte sie wahrlich keine zusätzlichen Komplikationen in ihrem Leben.
„Ich dachte, du wärst …“
Eine andere. Die Worte hingen in der Luft, auch wenn er sie nicht aussprach, und obwohl sie schrecklich verlegen war, schaffte Signe es, ein halbwegs glaubwürdiges Lächeln zu Stande zu bringen. „Nein.“
Er runzelte die Stirn. „Sind wir uns schon mal begegnet?“
Viel länger hielt sie es nicht mehr aus, nackt vor ihm zu stehen. „Nein“, sagte sie wieder.
Er setzte sich auf, deckte sich glücklicherweise bis zur Hüfte zu und lehnte sich gegen das Kissen, als machte er sich für ein längeres Gespräch bereit. Da musste sie ihn jedoch enttäuschen.
Trotzdem konnte sie sich eine letzte Frage nicht verkneifen. „Und wer bist du?“
„Der Name ist James“, sagte er, und für den Bruchteil einer Sekunde erwartete sie schon, als Nächstes zu hören: „Bond, James Bond“, doch stattdessen folgte: „Der Wildhüter.“
„Der Wildhüter“, wiederholte sie matt. Natürlich. Wie kam sie auch auf die idiotische Idee, den göttlichen Garrity herbeizaubern zu können? „Verstehe.“
Er sah sie fragend und ein wenig gekränkt an. „An wen hattest du denn gedacht?“
„An den göttlichen …“, begann sie, brach aber gleich wieder ab.
Er lächelte, und sein Lächeln stellte wahrlich atemberaubende Dinge mit seinem ohnehin schon atemberaubenden Gesicht an. „Danke.“
„Nein“, sagte sie rasch, weil er sie scheinbar missverstand. „Nein, ich meinte …“, fing sie an, brach jedoch ein weiteres Mal ab, weil ihr einfiel, dass es vielleicht nicht besonders klug war, ihm zu erklären, sie hätte ihn mit dem göttlichen Garrity verwechselt. Von dem nämlich dürfte ein einfacher Wildhüter aus den Catskills noch nie gehört haben. „Egal. Jedenfalls muss ich jetzt gehen.“
„Hm. Und du willst mir nicht mal deinen Namen verraten, Cinderella?“
Nach der letzten Nacht dachte er wahrscheinlich, sie würden sich wiedersehen. Zugegeben, der Gedanke an noch mehr fantastischen Sex hatte seine Reize, aber …
„Ich lebe in Manhattan“, antwortete sie, als wäre damit alles erklärt.
„Da bin ich häufiger“, sagte er strahlend.
„Ähm, okay, Diane Parker-Powell“, log sie. „Ich stehe im Telefonbuch.“ Bestimmt würde Diane ihr vergeben und wenn er anrief – falls er anrief – sagen, sie kenne keine Brünette, die sich im Wald einen Schwips mit Kräuterbier angetrunken habe. Diese Lösung war vielleicht feige, aber sie konnte dem Mann unmöglich auf den Kopf zusagen, dass sie ihn unter keinen Umständen wiedersehen wollte.
„Diane Parker-Powell“, wiederholte er langsam. „Ich werde dich anrufen, Diane Parker-Powell.“