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Vor dem absehbaren Ende seines Lebens will der attraktive und steinreiche, jedoch unheilbar an Krebs erkrankte Baron es noch einmal wissen: vitale Sinnlichkeit unter der Peitsche einer sadistischen Eheherrin fehlt in der Bilanz seines ansonsten recht erfolgreichen Daseins, und er ist entschlossen, sie sich nachhaltig zu verschaffen. In Hanna, die bisher ein Dominastudio betrieben hat, sieht er die ideale Partnerin dafür und macht ihr einen Heiratsantrag. Es kommt schnell zur Eheschließung und Hanna wird nicht nur die unwidersprochene Herrin über Schloss und Besitztümer von Nordgründen, sondern auch über ihren Gatten. Die Skandalpresse hat ihre helle Freude daran – kein Wunder, wenn die frischgebackene Baronesse bei gesellschaftlichen Anlässen in Leder und Latex erscheint und den Baron gefesselt und mit entblößtem, verstriemtem Po vorführt … Doch scheint ein Fluch auf dem Adelsgeschlecht derer von Nordgründen zu lasten: Immer wieder standen die Chefs des Hauses unter dem sadistischem Diktat ihrer Damen; andererseits starben nicht wenige von ihnen unter ungeklärten Umständen, sobald sie ihrem Mann einen Sohn und Erben geschenkt hatten ...
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Seitenzahl: 275
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Titelei
Prolog
1.
2.
3.
4. (Zwischenspiel I: Claudia)
5. (Zwischenspiel II: Henri und Claudia zwölf Jahre zuvor)
6.
7.
8.
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20.
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27.
28.
Epilog
Impressum
"Der Herr Baron sinkt auf die Knie"
SM-Roman
von
Edyta Zaborowska
Edyta Zaborowska wurde 1970 in einem kleinen Dorf in Südostpolen geboren. Ihre Kindheit, Jugend und Erziehung waren geprägt vom Niedergang des Sozialismus und von strenger katholischer Lehre. Nach dem Abitur folgte ein Studium der Musik und Kunst. Im Alter von zweiundzwanzig Jahren siedelte sie nach Deutschland aus. Später folgten verschiedene Anstellungen, unter anderem im kaufmännischen Management, sowie musikalische Engagements im In- und Ausland. Sklave, bis der Tod uns scheidet! ist ihr vierter Erotikroman. Die Printausgabe des vorliegenden ebooks ist im Marterpfahl Verlag erschienen.
Ebenfalls von der Autorin bei BoD veröffentlicht:
Flieg mit mir, mein Schwarzer Schwan!
Der Tanz des Schwarzen Schwans!
Die Wahrheit hinter der Maske
Im Verlagblue banther books:
Entdeckung der Dominanz
Weitere Informationen zu der Autorin und Leseproben unter: Offizielle Webseite der Autorin
© 2015 Edyta Zaborowska
Einbandgestaltung: Lisa Keskin, Wien, www.creadiva.at
Coverfoto: EdytasWelt
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand
Hergestellt in Deutschland
I.
Am 21. Juli 1969 war der große Augenblick gekommen: Neil Armstrongs erste Schritte auf dem Mond wurden von zwei an der Raumkapsel befestigten Fernsehkameras aufgenommen, so dass die Menschen überall auf der Welt live dabei sein konnten. Um 3.56 Uhr deutscher Zeit sagte er seine berühmten Worte: „That’s one small step for a man, one giant leap for mankind!“ – »Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit!«
Baron Wilhelm von Nordgründen starrte konzentriert auf den kleinen Bildschirm des Röhrenfernsehers, der das Ereignis in undeutlichen Grau-, Schwarz- und Weißtönen in das Arbeitszimmer übertrug.
Einer der beiden in weiße Raumanzüge gekleideten Astronauten bewegte sich mit kleinen Sprüngen über die Mondoberfläche vorwärts, als das Fernsehbild sich zu verzerren begann. Der Mond und Neil Armstrong verschwanden vom Bildschirm, das Bild flackerte kurz, und für den Bruchteil einer Sekunde bildete sich auf dem Monitor eine schwarze Erscheinung, die sich sogleich wieder in dem grau-weißen Bildschirmgriseln auflöste. Kurz darauf war alles wie zuvor. Die Astronauten waren jetzt damit beschäftigt, eine US-Flagge im Mondgestein zu befestigen.
Wilhelm stand abrupt auf und verließ den Raum. Er wirkte seltsam teilnahmslos, als er über den roten Teppich des langen Korridors mit der Ahnengalerie schritt.
Er stoppte bei dem Portrait von Lucia. Freiherrin Lucia von Nordgründen, 1835 – 1853, las er unter dem Bilderrahmen und betrachtete aufmerksam die halbnackte Frau, die sich lasziv auf einer Ottomane räkelte.
Nach einer Weile setzte Wilhelm seinen Weg fort. Am Ende des Flurs drückte er die Türklinke so langsam nieder, dass sie kein Geräusch verursachte. Er schlich an die Babywiege heran und streichelte seinem Sohn Ludwig über die Wange, der darauf die Finger ausstreckte und sich an den Mund fasste. Er deckte das Kind sorgsam zu und ging zu dem großen Himmelbett hinüber.
Der Atem seiner schlafenden Frau war kaum zu hören. Wie graziös und wie anbetungswürdig war Charlotte sogar im spärlichen Licht der Babyleuchte, die den gesamten Raum in einen bläulichen Schimmer hüllte! Er gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn, nahm eines der vielen Kissen und presste es auf ihr Gesicht. Sie bäumte sich unter ihm auf und begann krampfhaft zu zucken. Bald schwächte sich der Todeskampf der Frau zu einem letzten Zittern ab. Als sich der Körper nicht mehr bewegte, löste er den Druck und nahm das Kissen von ihrem Gesicht. Charlottes Augen und Mund waren weit geöffnet, ihr gebrochener Blick war zur Seite gerichtet, dahin, wo Ludwigs Bettchen stand.
Der Baron sah auf seine Armbanduhr. Er nahm sich vor, in spätestens zwei Stunden seinen Leibarzt rufen zu lassen, der dann eine natürliche Todesursache für das Ableben seiner Gattin Charlotte von Nordgründen feststellen würde.
II.
»… sieht nicht gut aus, es tut mir wirklich leid! Ich hatte nicht erwartet, dass es schon so weit sein würde.«
»Seien Sie ehrlich zu mir, Dr. Cygnus! Wieviel Zeit habe ich noch?«
»Das lässt sich nur schwer sagen. Das Blutbild zeigt, dass der Anteil der Leukozyten noch weiter gesunken ist. Das Problem bei Ihnen ist, dass es so lange unbemerkt blieb. Der Schaden ist zu groß geworden, um ihn wirksam bekämpfen zu können. Selbst wenn wir eine funktionierende Behandlungsmethode fänden, dann …«
»Das war es dann also für mich?«
»Ich kann nichts mehr für Sie tun, Ludwig!«
Dr. Cygnus fasste sich an das Kinn und schien zu überlegen.
»Doktor, sagen Sie mir … was erwartet mich und wie lange habe ich noch?«
»Ich bin mir nicht sicher, wie bald es geschieht, aber ich rechne mit drei oder vier, vielleicht mit fünf Monaten.«
Ludwig hörte die nächsten Worte, als wären sie aus einer anderen Welt zu ihm gesprochen worden:
»Ludwig, nutzen Sie die Ihnen noch verbleibende Zeit, sich von Ihren Freunden und der Familie nach und nach zu verabschieden und die persönlichen Angelegenheiten zu regeln. Und vor allem erfüllen Sie sich die Wünsche, die Sie sich schon immer einmal erfüllen wollten!«, sagte der Arzt und löschte die Beleuchtung für die Röntgenbilder.
Der Behandlungsraum war jetzt in Dunkelheit gehüllt, und Ludwig sah nichts mehr außer einer undurchdringlichen Schwärze. Jedoch spürte er, dass sich jetzt eine angenehme Wärme um ihn legte. Es schien, als würde er in den weichen Schwingen eines riesigen schwarzen Vogels versinken. Der Tod kann auch Geborgenheit geben, dachte Ludwig und erwachte in diesem Moment aus seinem Traum.
Er schlug die Augen auf. Schweiß stand ihm auf der Stirn, und er fror. Es war die Nacht vor seinem 18. Geburtstag, und er hatte Probleme, wieder einzuschlafen, denn immer wieder, wenn er die Lider schloss, hatte er das Bild eines schwarzen Schwans vor Augen.
Der Baron öffnete eines der großen Panoramafenster, die fast bis an die stuckverzierte Decke seines Arbeitszimmers reichten, und spürte die langsam kühler werdende Luft an seinem Gesicht. Es war bereits Spätnachmittag. Er atmete tief ein und genoss den Duft von Blüten und frisch gemähtem Gras, der mit dem milden Südwind zu ihm zog. Vom Arbeitszimmer aus führte eine steinerne Treppe hinab in den herrschaftlichen Garten, der von einem damals bedeutenden Landschaftsgärtner im barocken Stil nach französischem Muster angelegt worden war. Am Ende der nach unten führenden Steintreppe begannen die vielen Kieswege, die vorbei an antiken Skulpturen, Wasserspeiern, Rosenbeeten und Rasenflächen bis zum großen, südlichen Park mit dem uralten Eichenbestand führten. Dort lag in einer Lichtung auch das Familienmausoleum, wo viele seiner Vorfahren ihre letzte Ruhe gefunden hatten.
Er schloss die Augen und presste seine Stirn gegen den Fensterrahmen, fast als wolle er im alten Gemäuer des Schlosses verschwinden und nie wieder herauskommen. Auch er würde schon bald seine letzte Ruhe finden, sein Leichentuch war schon ausgebreitet, dachte er verbittert.
Ein fünfzehnstündiger Arbeitstag, Empfänge und Pflichten, Verantwortung über fast dreitausend Mitarbeiter seines Maschinenbauunternehmens, reichlich Zigaretten, Kaffee und Tabletten, und dabei immer strahlend im Mittelpunkt stehen. Das konnte nicht ohne Folgen bleiben. Aber warum schon jetzt, wo er nicht einmal fünfzig Jahre alt war? Die hellsten Kerzen brennen eben am kürzesten, dachte er, und wie zur Untermalung seiner Gedanken zogen einige schwere Wolken, grau wie Blei, am Himmel vorbei. In den langen Stallungen im östlichen Flügel schnaubten die Pferde auf, er hörte ihr Wiehern und Hufe, die dumpf auf den Boden schlugen.
Der Frühlingswind strich sanft über die Anlage und spielte mit den Blättern der Azaleen, die in voller Blüte standen, während sich die wenigen Sonnenstrahlen in dem unruhigen Wasser des Parkteichs spiegelten.
Weiter im Westen versank die Stadt Nordgründen jetzt langsam im Abendnebel, nur einige höhere Dächer und der Kirchturm schauten noch aus dem Dunst hervor. Die Kleinstadt und eigentlich die gesamte Umgebung war seit Jahrhunderten von seiner Familie abhängig. Waren es früher die Ländereien, die Jagd, die Land- und Holzwirtschaft, so war es heute das Familienunternehmen, welches der umliegenden Region Lohn und Brot gab.
Er schritt durch die Tür zurück in das Arbeitszimmer, schloss hinter sich ab und zog die schweren Samtvorhänge zu, verriegelte auch die Tür zum Korridor. Keiner der Bediensteten im Schloss sollte ihn nun stören. Er zündete einige Kerzen an, dann stellte er sich vor den schwarzfleckigen Spiegel und betrachtete sein Gesicht, das durch das flackernde Licht der Kerzen jetzt etwas Unheimliches bekam, so dass er beinahe vor sich selbst erschrak. Seine Augen glänzten, und er war kurz davor, in Tränen auszubrechen.
Der Baron wollte sich gerade umdrehen, als er in der Bewegung innehielt; er zögerte eine Sekunde und brach dann in ein nervöses Lachen aus, bevor er zum Schreibtisch ging und sich in den Lehnstuhl fallen ließ. Er öffnete eine Mappe, nahm das Röntgenbild heraus und hielt es vor sich ins Licht. Schemenhaft waren die Krebstumore wie kleine Schneebänke zwischen den Rippen zu erkennen, eingekreist von den unruhigen Lichtpunkten der Kerzen, die durch das Röntgenbild schimmerten.
Jedenfalls sollte es ein sehr langsam wachsender Krebs sein, so dass ihm die Ärzte vielleicht noch ein halbes Jahr gaben, wenn er Glück hatte. Sein Blick wanderte über das Röntgenbild weiter zur gegenüberliegenden Wand. Sie hing voller Urkunden, Wandteller und Bilder. Eine Fotografie zeigte ihn auf Großwildjagd; stolz hatte er damals seinen Fuß auf den Kopf eines erlegten schwarzen Panthers gestellt. Andere Fotos zeigten ihn mit Politikern und anderen Prominenten. Es gab kaum eine öffentliche Veranstaltung, für die er nicht die Schirmherrschaft übernommen hatte, er war Vereinsvorsitzender, mehrfacher Unternehmer des Jahres und Landtagsabgeordneter gewesen. Sein Werdegang und Erfolg als adlige Führungspersönlichkeit war durch Geburt und strenge Er-ziehung vorbestimmt gewesen.
Was hatte es ihm tatsächlich eingebracht? Eine Scheidung, die durch sämtliche Boulevardblätter ging, und drei Söhne, die er seit einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen hatte und die sich bald darüber freuen würden, endlich über die Erbschaft ihres selbstverliebten Herrn Vaters aus dem Geschlecht derer von Nordgründen verfügen zu können.
Wie nutzlos und müßig erschien ihm nun alles! Er zog die Schublade auf. Das kalte, anthrazitfarbene Metall der Pistole blitzte ihm entgegen. Er legte die Waffe auf die Schreibtischunterlage vor sich. Sollte er vom Krebs aufgefressen werden, oder sollte er sich jetzt mit einem lauten Knall ein schnelles Ende bereiten? Er lachte wieder laut auf, und plötzlich flackerten unter seinen geschlossenen Augen seltsame Bilder auf.
Zunächst erkannte er nicht, welches Risiko die Erinnerungen, die jetzt an die Oberfläche stiegen und nach ihm griffen, mit sich bringen würden. Gesichter tauchten auf und verschwanden wieder: der strenge Vater, eine früh verstorbene Mutter, die er nie kennengelernt hatte, seine durch väterliche Bestimmung arrangierte Ehe mit der Herzogin Charlotte, die sich nach einer Affäre mit einem russischen Diplomatensohn von ihm hatte scheiden lassen. Zumindest hatte die Ehe ihren Zweck zur Sicherstellung des nächsten Stammhalters erfüllt: Charlotte gebar ihm kurz hintereinander drei Söhne. In den darauf folgenden Ehejahren hatten sie sich dann irgendwo zwischen Gleichgültigkeit, tiefem Hass und kleinen Feindseligkeiten eingependelt, ohne dass es jemals zu offenen Streitigkeiten kommen durfte. Die Fassade musste gewahrt werden, denn die neugierige Presse lauerte immer und überall auf einen Skandal. So waren sie immer höflich zueinander, so höflich, dass sie selbst im Streit niemals die Stimmen anhoben. Was hatte er nur im Leben alles verpasst, welche Rolle war ihm nur durch dieses Elternhaus auferlegt worden!
Sollte er so weiterleben und auf den Tod warten oder jetzt einfach die Pistole in den Mund stecken und abdrücken? Mit einem Schuss wäre alles vorbei …
Nein, so durfte es nicht enden. Baron Ludwig von Nordgründen würde einen wahrlich eindrucksvollen Abschied zelebrieren, auf den sich die Sensationspresse hemmungslos stürzen sollte! Seine letzten Tage würden anders aussehen, als man von ihm erwartete, sann er; und langsam, aber sicher reifte ein Entschluss in ihm. Er würde die ihm noch verbleibende Zeit so verbringen, wie es seine tiefsten Sehnsüchte schon so lange von ihm verlangten.
Einmal in seinem Leben wollte er wahres Glück erfahren!
Ein Schmunzeln trat auf sein Gesicht, er klappte den Laptop auf und fuhr das System hoch. Dann suchte er im Archiv einer Tageszeitung einen ganz bestimmten Artikel, den er vor einigen Monaten mit Interesse verfolgt hatte:
Abendzeitung vom 12.11.
Vergewaltiger im Dominastudio festgenommen – Stadtwaldmörder endlich gefasst!
Bremen – Wie kurz vor Redaktionsschluss bekannt wurde, steht der Stadtwaldmord, bei dem vor vier Jahren die Schülerin Melanie H. (17) vergewaltigt und ermordet wurde (wir berichteten), kurz vor der Aufklärung. Unter dringendem Tatverdacht steht ein 56-jähriger Buchhalter aus Bremen, dessen Namen ein Polizeisprecher mit Reinhold Hornstein angab. Die genauen Umstände, die zu der Verhaftung führten, sind noch nicht bekannt. Wie aber mitgeteilt wurde, ist der Mann von Hanna D. (29), der Betreiberin eines Dominastudios, und ihrer Mitarbeiterin Ewa K. (42) nach einer versuchten Vergewaltigung am gestrigen Abend überwältigt worden. Zuvor hatte er die beiden Frauen in dem Studio mit Äther betäubt und gefesselt. Nachdem sich eine von ihnen befreien konnte, gelang es den Opfern, ihren Täter zu überwältigen. Reinhold H. wurde bei dem dramatischen Kampf erheblich verletzt und war nicht ansprechbar, als die Polizei eintraf. Derzeit soll er sich unter polizeilicher Bewachung auf der Intensivstation im Zentralkrankenhaus befinden. Dass Hornstein auch für weitere ungeklärte Vergewaltigungen in den vergangenen Jahren als Täter in Frage kommt, gilt nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen als wahrscheinlich, denn es wurde ein Buch gefunden, dessen Inhalt diese Vermutung stützt. Ausführlicher Bericht in unserer morgigen Ausgabe.
Nachdem Ludwig den Artikel durchgelesen hatte, suchte er auf einer einschlägigen Internetseite nach der Telefonnummer eines Dominastudios in Bremen. Er griff entschlossen zum Telefonhörer. Er hatte die Gerichtsverhandlungen gegen den Vergewaltiger und vor allem die Prozessauftritte der unnahbar wirkenden und doch so attraktiven Frau damals aufmerksam verfolgt Vielleicht war sie in der Lage, ihm das zu geben, was er so lange in sich hatte unterdrücken müssen.
Er wollte keine Zeit mehr verlieren.
***
»Nein, ich bin überhaupt nicht aufgeregt!«, flunkerte Hanna, während sie ihren BH öffnete.
Sie trat vor den großen Schlafzimmerspiegel und zupfte nervös an ihren dunklen
Augenbrauen herum. Obwohl es ihr weitaus besser gefiel, ihre Kunden im Studio zu empfangen, als Haus- oder gar Hotelbesuche zu machen, war sie weitaus unruhiger als gewöhnlich, denn sie erwartete einen ganz besonderen Gast.
So hatte sie schon am frühen Nachmittag begonnen, sich auf den Abend mit ihm vorzubereiten, hatte eine weiße Seidenbluse, ein schwarzes Korsett und einen eleganten Stoffrock sorgsam auf dem Bett ausgelegt, daneben beiderseits schwarze Spitzenstrümpfe – alles mit dem Instinkt einer erfahrenen Domina und der Sicherheit einer stilgewandten Frau. Anschließend hatte sie ein passendes Make-up aufgelegt und ihr dunkles, halblanges Haar zu einem strengen Zopf zurückgebunden.
Sie griff ein Glas von der Kommode, nahm einen Schluck Rotwein und setzte sich dann auf die Bettkante.
Ewa, die Mitbetreiberin ihres Studios, hatte es sich auf einem Stuhl neben dem Bett gemütlich gemacht und beobachtete amüsiert das Treiben ihrer Freundin.
»Ich glaube es noch immer nicht. Der berühmte Baron von Nordgründen! Du wirst noch einmal prominent werden, Hanna!«, stichelte sie grinsend.
»Hmmm, vielleicht nehme ich doch besser den Lederrock«, entgegnete Hanna, stand gedankenverloren vom Bett auf und kramte im Kleiderschrank herum.
»Und der wollte ausgerechnet nur zu dir?«
»Ja, nur zu mir!« erwiderte sie. »Aber er sucht nicht das übliche Spiel von Dominanz und Unterwerfung. Er will bloß mit mir reden!«
»Nur reden? Mehr nicht? Worüber kann solch ein Mann mit dir reden wollen? Will er eine Beichte ablegen bei dir?«
Hanna zuckte mit den Schultern, ging zum Nachttisch, auf dem eine Schachtel mit Zigaretten lag, und zündete sich eine an. Sie war sichtlich nervös. Ewa sah, wie der blaue Dunst langsam von den vollen, roten Lippen ihrer Freundin aufstieg.
»Wenn du schon im Schlafzimmer qualmst, dann muss da wohl wirklich eine ganz große Sache in der Luft liegen. Nun sag schon, worüber will dieser Mann mit dir reden?«
Hanna zuckte wieder mit den Schultern.
»Weiß nicht, der hat sich am Telefon ziemlich bedeckt gehalten. Er will mich besuchen und als untertäniger Verehrer mit der Lady über seine Träume reden. Ich soll allein nur für das Gespräch dreitausend Euro bekommen, sagte er. Das einzige, was er von mir verlangt, ist absolute Diskretion wegen der Presse, die ihm dauernd im Nacken sitzt.«
Der Qualm der Zigarette formte eine Wolke über ihrem Kopf. Ewa verfolgte die Bewegungen des fragilen, blauen Gebildes, das jetzt wie eine Qualle im Wasser durch das Zimmer zu gleiten schien.
Hanna zog die Augenbrauen hoch.
»Ewa, es ist wohl doch besser, wenn du und Henri während des Gespräches vielleicht im Zimmer nebenan bleiben, damit ihr zuhören könnt. Wer weiß, was der tatsächlich will. Ich werde die Verbindungstür einen Spalt offen lassen«, sagte sie, drückte die Zigarette aus und öffnete das Fenster einen Spalt, drehte sich dann wieder zu Ewa.
»Ach, bevor ich es vergesse, ist Seiyoua schon eingetroffen? Sie hat heute um 8 Uhr eine Kundin. Wir müssen die Zimmerbelegung noch regeln.«
»Das habe ich schon getan. Seiyouas heutige Kundin ist die Pastorin. Sie möchte eine Session auf dem Gynäkologenstuhl. Sie wird also die Klinik belegen. Du kannst daher das Kabinett mit dem Baron nutzen. Henri ist noch in seinem Büro; ich ruf ihn an, damit er rechtzeitig hier ist.«
Für einen Moment trat Stille ein. Dann ging Hanna wieder zurück zum Kleiderschrank. Offenbar war sie noch immer nicht ganz zufrieden mit der Auswahl ihrer Garderobe.
Ewa schmunzelte etwas in sich hinein, als sie die hektische Aktivität ihrer Freundin beobachtete. Sie kannte Hannas Nervosität und ihren Hang zur Zigarette, wenn die Aufregung in ihr anstieg. Seit fast drei Jahren waren sie nun miteinander befreundet und führten gemeinsam mit Seiyoua das Studio. Ihre Freundschaft hatte begonnen, als Ewa damals zur Leiterin der Einkaufsabteilung in einer Firma für Autozubehör befördert worden war und Hanna zu ihrer Sekretärin gemacht hatte. Zu der Zeit hatte Ewa gerade die so verführerische Erotik von Latexwäsche und die Kraft der weiblichen Dominanz für sich entdeckt und es mit dem submissiven Henri, der ihr Lebensgefährte wurde, ausgelebt. Aus Ewas und Hannas Freundschaft erwuchs gegenseitiges Vertrauen, aus Vertrautheit wurde schließlich Intimität, und so wurde Hanna eines Tages von Ewa und Henri in ihre bizarre Welt der sexuellen Dominanz und Unterwerfung und der damit verbundenen Leidenschaften eingeführt. Hanna freundete sich schnell mit dieser faszinierenden Erotik an – sie scheute ebensowenig vor sadomasochistischen Experimenten zurück wie ihre Freunde.
Als dieser Kreis dann um die japanische Musikstudentin Seiyoua erweitert wurde, entstand Hannas Idee von der Eröffnung eines Dominastudios, welches sie nun seit einigen Monaten erfolgreich gemeinsam betrieben.
»Ich glaube, ich nehme diesen Lederrock und den Perlenschmuck dazu und meine schwarzen High Heels. Die Sachen verbinden Dominanz mit erotischer Eleganz und passen wohl am besten zu einem Kunden wie dem Baron«, unterbrach Hanna Ewas Gedanken und warf einen schwarzen, knielangen Lederrock auf das Bett.
***
Pünktlich um 7 Uhr klingelte es an der Wohnungstür. Ewa griff Henris Hand und zog ihn mit sich in das Nebenzimmer, wo das große Metallbett stand, auf dem sie schon so oft Fesselspiele veranstaltet hatten. Da Hanna die Verbindungstür zum Sessionsraum wie verabredet nicht ganz geschlossen hatte, waren die beiden in der Lage, das gleich folgende Gespräch zu belauschen.
Als Hanna mit ihrem Kunden den Raum betrat, sah Ewa kurz durch den Türspalt, um einen heimlichen Blick auf den prominenten Baron zu erhaschen. Er sah genauso imposant und attraktiv aus, wie sie ihn aus den vielen Titelblättern der Regenbogenpresse kannte: pechschwarze, volle Haare, die nur an den Schläfen leicht zu ergrauen begannen, ein kräftiges Kinn und ein markantes Gesicht. Ihr fielen aber auch die etwas müden oder traurigen Augen des Mannes auf.
Der Baron legte seinen Mantel über eine Stuhllehne. In dem maßgeschneiderten Anzug und den schwarzen Lackschuhen sah er aus wie ein Hollywoodstar der 60-er Jahre. Nicht einmal das Halstuch störte bei diesem eindrucksvollen Erscheinungsbild. Ewa drehte sich zu Henri und gab ihm mit einer Geste zu verstehen, dass ihr der Mann durchaus gefiel, wofür sie einen Stubser von seinem Ellenbogen erntete.
Ewa erkannte aber noch etwas anderes, und das waren Hannas Augen, die plötzlich zu strahlen begannen, als sie den stattlichen Mann vor ihr von oben bis unten musterte.
Was Henri und Ewa nun heimlich mithörten, war allerdings alles andere als lustig, denn der Baron begann von seiner Krankheit zu erzählen und von dem, was er schon seit seiner Pubertät mit sich herumgetragen hatte.
***
Hanna ließ sich auf ihren Dominathron nieder, der in der Ecke des Raumes auf einem etwa breiten Holzpodest stand. Sie hatte sich das extravagante Möbelstück im vergangenen Monat von einem Stammkunden, dem Inhaber einer Tischlerfirma, als Gegenleistung für eine sehr schmerzhafte Behandlung mit der Reitgerte anfertigen lassen. Der Tischler hatte ganze Arbeit geleistet. Der edle Thron aus Mahagoniholz ließ erkennen, wer hier im Raum die Autorität besaß.
Sie legte ihre Füße auf eine dafür vorgesehene Fußbank und ließ den Aristokraten dann schräg vor sich auf einem kleinen Hocker Platz nehmen.
Sie hatte in den vergangenen Monaten schon einige bekannte Personen aus Politik und Wirtschaft vor sich sitzen oder liegen gehabt, die hier Beichten ablegten oder sich wie kleine Würmer voller Lust und Schmerz vor ihr krümmten und dankbar ihre hohen Lederstiefel leckten. Doch dieser Kunde war etwas Besonderes; nicht nur seine kultivierte Erscheinung war außergewöhnlich, er hatte auch eine gewisse Aura um sich, die sie sich nicht erklären konnte. Der Mann strahlte eine faszinierende Mischung aus Aristokratie, Intellekt und Stil aus, was sie in solcher Kombination selten oder nie bei einem Mann erlebt hatte und was im Moment wie ein Magnet auf sie wirkte. Sie spürte etwas in ihrem Bauch, ein Gefühl, das tief in ihr war und sich sanft wie die Flügel eines Schmetterlings zu regen begann. Sie schluckte und musste sich zwingen, dem Mann nicht um den Hals zu fallen, als er begann, von sich zu erzählen.
***
Der Baron senkte den Kopf.
»Ja, das ist meine traurige Geschichte. Der strahlende Baron Ludwig von Nordgründen, der Nachfahre eines alten Rittergeschlechts aus dem 13. Jahrhundert und Stammhalter der ehemaligen Freiherrn und jetzigen Barone von Nordgründen, ist nur eine Fassade, hinter der eine vollkommen andere Person steckt als die, die nach außen hergezeigt wird.«
Er hatte fast eine ganze Stunde von sich geredet. Nie zuvor hatte er sich getraut, auch nur das kleinste bisschen seiner wahren Bestimmung einer anderen Person anzuvertrauen; und nun hatte er dieser unbekannten Frau alles erzählt. Er fühlte dadurch eine große Erleichterung, denn eine riesige Last war von ihm gefallen. Ohne Hanna anzuschauen, sprach er mit belegter Stimme weiter:
»Ich kann und will es nicht mehr verbergen. Nichts zieht mich mehr an, als der Anblick einer schönen, begehrenswerten Dame wie Ihnen, einer Lady, die neben flammender Leidenschaft zugleich eiskalte Erbarmungslosigkeit ausstrahlt. Ich sehne mich nach einer despotischen Frau, die sich ohne Skrupel das von mir nimmt, was sie begehrt, und das wegschmeißt, dessen sie überdrüssig geworden ist.«
Hanna sah an dem Mann herab, der gebeugt vor ihr saß. Ihre Aufregung war inzwischen verflogen.
»Und du kommst hierher, um mir dein Leben zu beichten? Oder hoffst du, diese Art von Frau in mir zu finden?«, lachte sie auf. »Ich sag dir, viele Männer sind schon an mir gescheitert! Das, was zunächst wie ein Traum erscheint, kann schnell zu einem Alptraum werden! Eines habe ich in den Jahren gelernt: Je devoter eine Frau sich zeigt, desto dominanter wird der Mann. Behandelt sie ihn aber schlecht und gibt ihm zu verstehen, dass sie untreu werden könnte und dass sie mit seinen Gefühlen spielt, desto mehr weckt sie im Mann das Verlangen, sie zu lieben und zu verehren. Das hat mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin.«
Sie griff nach ihrer Reitgerte und sagte:
»Ich kann sehr grausam sein, Ludwig!«
»Lady Hanna, einen großen Teil meiner Kindheit und Jugend verbrachte ich in einem Internat in der Schweiz, wo besonderer Wert auf historische Bildung gelegt wurde. Ich habe dort viel gelernt und bin von den starken Frauen der Mythen und der Geschichte geprägt worden. Ich bin fasziniert von den Geschichten, in denen der Mann einer Frau verfallen ist, was schließlich zu seinem Untergang führt. Ich denke an den biblischen Samson und seine vergötterte Delila, an die kunstvoll poetische Verflechtung von Liebe und Tod in Werken wie der ›Englische Patient‹ oder in der Oper Carmen; die Schwarze Witwe, die ihr Männchen nach dem Geschlechtsakt frisst. Lieben und dabei zu sterben: Die zerstörerische Vergötterung einer Frau, die mich zum Spielball ihrer Launen und Lüste macht, wurde immer stärker zum zentralen Punkt meines Denkens.«
»Wahre Liebe zu einer Frau ist nach deiner Meinung also erst dann definiert, dass sie auf eine gewisse Art feindlich ist und du zu jeder Zeit der Unterlegene bist? Du hast eine komische Definition von Liebe, mein hübscher Baron.«
»Ich kann nur dann meinen Frieden finden, wenn ich mich einer despotischen Frau zuwenden kann, möchte vom Feuer ihrer dämonischen Leidenschaften verbrannt werden. Ich weiß nicht, wieviel Zeit mir noch bleibt, aber ich ziehe den Tod durch die Liebe zu einer Frau dem langsamen Tod eines den Körper und die Seele auffressenden Krebsgeschwürs vor.«
Hanna musste tief einatmen. Sie fuhr mit ihrem Zeigefinger nachdenklich über das mit dünnem Leder überspannte Fiberglas der Reitgerte. Das Gefühl in ihrem Bauch hatte sich im Laufe des Gesprächs wieder verstärkt, und sie durchlebte ein Wechselbad der Gefühle, musste plötzlich an Julia Roberts aus der Filmschnulze »Pretty Woman« denken. Wie schmalzig! Aber sollte nun tatsächlich ihr so etwas widerfahren?
»Und das willst du tatsächlich in mir finden?«
Eine Weile schwieg der Mann.
»Ja, Lady«, wisperte er kaum hörbar.
»Wie stellst du dir das vor, Ludwig? Ich kann deine Meinung nicht so einfach teilen! Erzähl mir mehr von dir, um mich zu überzeugen!«
»Wenn ich vor die Wahl gestellt werde, ob eine Frau mir verfallen sein sollte und alles Erdenkliche für mich tun würde, um mich zu behalten, oder umgekehrt, ich würde mich immer für den zweiten Weg entscheiden: auf Dauer der Sklave einer anbetungswürdigen Herrin wie Sie zu werden, Mistress Hanna.«
Hanna lachte wieder auf.
»Ich habe tatsächlich ein gewisses Talent, um Sklaven so zu erziehen, wie ich sie haben will. Wie bist du überhaupt auf mich gekommen?«
Hanna hob beim Sprechen die Stimme und hielt die Spitze der Reitgerte unter sein Kinn, so dass er zu ihr aufschauen musste.
»Ich habe die Berichterstattung und den Prozess über den Vergewaltiger verfolgt, Herrin. Der bedauernswerte Mann hat erfahren, was es heißt, den Zorn einer wahren Mistress wie Sie zu wecken. Ich habe auch Ihr Foto in der Zeitung gesehen.«
Der Mann schloss die Augen, seine Stimme zitterte nun:
»Ich war anfangs nur neugierig auf Sie. Dann fühlte ich es immer wieder wie Blitze in meiner Seele aufflackern. Je länger ich den Prozess verfolgte, desto mehr hatte ich den Eindruck, dass Sie mir eine unsichtbare Kette um den Hals gelegt haben. Ich bemerkte eine Abhängigkeit in mir, die langsam aufkam und unaufhaltsam zunahm; und als ich in der vergangenen Woche die Diagnose von meinem Arzt erhielt, wusste ich, was ich zu tun hatte.«
Der Baron rang um Fassung, seine Mundwinkel begannen zu zucken. Hanna streckte die Hand aus und strich ihm mit dem Lederhandschuh über die Wange. Sie bemerkte, wie sich das Kribbeln in ihrem Bauch immer weiter auf den gesamten Unterleib ausbreitete.
»Rede weiter, die Herrin will alles hören! Was hast du deiner Herrin zu beichten?«
Er schluckte; kurz hüpfte sein Adamsapfel auf und ab.
»Ich habe mich hoffnungslos verliebt und flehe Sie an, Ihr demütiger Ehesklave werden zu dürfen, und ich möchte, dass alle es erfahren!«
Nach drei langen Stunden begleitete Hanna ihren Gast zur Tür und verabschiedete ihn mit einer stummen Geste.
Ewa, Henri und Seiyoua erwarteten ihre Freundin in der Küche. Das meiste von dem Bekenntnis des Barons hatten sie mitbekommen. Der Verlauf des Gespräches ließ für die Wartenden daher kaum einen Zweifel daran aufkommen, welche Entscheidung Hanna innerlich schon getroffen haben musste.
Hanna sagte zunächst kein Wort. Sie schenkte sich ein Glas Wein ein, dann blickte sie aus dem Küchenfenster. Jemand huschte durch den Schein einer Straßenlaterne. Es hatte angefangen zu regnen. Sie nahm einen Schluck aus dem Glas und sah auf die Küchenuhr. Es war schon fast Mitternacht.
»Habt ihr in den kommenden Wochen etwas vor?«, fragte sie mit ernster Stimme, ohne sich umzudrehen.
Seiyoua und Ewa sahen überrascht auf.
»Nein!«, antwortete Seiyoua als erste. »Ich habe keinen Urlaub geplant, und zu meinen Eltern nach Japan reise ich erst im kommenden Jahr.«
Ewa stand auf und deckte den Tisch ab.
»Außer der Tatsache, dass Henri und ich im kommenden Monat unseren fünften Hochzeitstag mit euch feiern wollen, liegt bei uns auch nichts wirklich Besonderes an. Erzähl schon! Ich sehe dir doch an, wie du dich entschieden hast!«, sagte sie lächelnd.
»Ja, ich fühle mich zu diesem Mann hingezogen, und ich möchte ihn heiraten. Ich werde schon bald die Baronesse von Nordgründen sein!«
Aufregung, aber auch Freude schwang in ihrer Stimme mit. Leichter Nieselregen war durch das Fenster hinter ihr als silbriger Lichtschimmer zu erkennen.
Sie drehte sich zu ihren Freunden um und lächelte sie an. Ewa und Henri kannten sich seit fast zehn Jahren und waren inzwischen fünf Jahre glücklich verheiratet. Wieviel Zeit würde ihr bleiben, um mit dem Baron glücklich zu sein?
Hanna hatte auf einem der Korbstühle Platz genommen und ließ sich von ihrem Hausmädchen Kaffee einschenken. Es war später Vormittag, und die Sonne hatte schon fast ihre volle Kraft erreicht; nur noch der große Sonnenschirm spendete auf diesem offenen Teil der großen Terrasse hinter dem Schloss noch kühlen Schatten.
Schnell hatte sie sich an das neue Leben im Jetset gewöhnt und genoss mittlerweile die Vorzüge, die der Luxus mit sich brachte; vor allem war das die Tatsache, dass ihr Kleiderschrank die Mode von edlen Damenausstattern und teuren Modedesignern enthielt, die sie sich zuvor nie zu tragen erträumt hätte! Sie schob ihre Sonnenbrille in die streng zum Zopf gebundenen Haare hoch und schaute an sich herab. Ihr helles, ärmelloses Cocktailkleid von Valentino aus pfirsichfarbener Spitze mit der schmalen, taillierten Silhouette war einfach atemberaubend schön. Die dazu farblich passenden Lackpumps hatte sie in einer Boutique auf einer gemeinsamen Reise mit dem Baron in Mailand gekauft. Die hohen Schuhe rundeten das Bild einer eleganten Dame, die schon bald den Titel der Baronesse tragen würde, durchaus ab, wie sie fand.
Sie trank einen Schluck vom frisch gepressten Orangensaft, nahm dann Lippenstift und Taschenspiegel aus der Handtasche und zog sich die Lippen nach.
»Aimée, räumen Sie bitte den Tisch ab!«
Schweigend trat das Hausmädchen, das sich unauffällig einige Meter hinter ihr aufgehalten hatte, vor. Hanna beobachtete für eine Weile die junge Frau mit dem süßen Pagenschnitt. In dem schwarzen Kleidchen, ihrer weißen Spitzenschürze und dem Häubchen sah sie sehr gefällig aus. Mit geübten Handbewegungen stellte sie das Geschirr auf ein Tablett. Hanna fragte sich, wie alt sie wohl sein mochte.
»Hat Madame noch einen Wunsch?«, fragte das schwarzhaarige Hausmädchen mit französischem Akzent und schaute der neuen Schlossherrin jetzt erstmals in die Augen.
Hanna erwiderte den Blick, so dass das Mädchen schlucken musste und unsicher wurde. Dann spitzte sie den Mund und öffnete ein klein wenig ihre Lippen.
»Lassen Sie den Baron rufen, Aimée. Er möchte in einer halben Stunde zu mir kommen!«, sagte sie schließlich.
»Oui, Madame, bien sûr!«
Hanna sah ihr nach, als sie mit dem Tablett in der Hand die weitläufige Schlossterrasse überquerte. Der schneeweiße Marmorboden blendete so stark in der grellen Sonne, dass Aimées Konturen mit der hellen Umgebung verschwammen. Hanna musste sich die Sonnenbrille aufsetzen, um die junge Französin besser erkennen zu können. Aimée hatte einen aufreizenden Gang, ihre schlanken Beine wurden durch die hohen, schwarzen Pumps noch verlängert und schienen kaum enden zu wollen. Ob das junge Mädchen wohl einen Freund unter den männlichen Hausbediensteten hatte?, fragte sie sich. Als Aimée in einer der vielen geöffneten Terrassentüren verschwand und das gleichmäßige Klacken ihrer hohen Absätze nicht mehr zu hören war, legte Hanna die Beine hoch und schloss die Augen. Fast drei Monate wohnte sie schon hier, und sie wurde sich immer sicherer, dass sie genau die richtige Entscheidung getroffen hatte.
***
Nachdem Aimée den Baron von Madames Wunsch in Kenntnis gesetzt hatte, eilte sie in das Obergeschoss und stellte sich dicht hinter das Fenster des Gästezimmers. Sie schob die Gardine einen kleinen Spalt beiseite, so dass sie von hier aus die Schlossherrin heimlich beobachten konnte. Die hatte sich in ihrem Liegestuhl zurückgelehnt und eine Zigarette angezündet, zog gerade den Rauch zwischen ihren Lippen ein. Dann sah sie, wie sich die Herrin die hohen Pumps von den Füßen streifte und die Zehen ausstreckte, erkannte von hier oben sogar ihre dunkelrot lackierten Fußnägel. Madames Sonnenbrille und ihr großer Sommerhut verhinderten den Blick auf ihr Gesicht; jedenfalls schien es, als sei sie in Gedanken versunken. Worüber mochte sie gerade nachdenken? Deutlich zeichnete sich der volle Busen der Dame ab, über dem sich der fast transparente Kleiderstoff bei jeder Bewegung leicht verschob. Aimée spürte eine leichte Spannung zwischen den Schenkeln und hätte ihre Hand jetzt gern unter den kurzen Rock geschoben, dorthin, wo sich immer mehr Wärme ausbreitete. Sie biss sich auf die Unterlippe, wehrte sich gegen diese berauschenden Gefühle, die immer stärker von ihr Besitz ergriffen. Wie von selbst fanden ihre Finger den Weg zu den noch beinahe mädchenhaften und doch schon wohlgeformten, fraulichen Rundungen ihrer Brüste.
Aimée sah auf ihre Hand, die sie auf die linke Brust gelegt hatte. Sie war stolz auf ihre Figur, keine Frage. Ihr großzügig ausgeschnittenes Kleidchen mündete in ein ansehnliches Dekolleté, dessen Wirkung sie sich durchaus bewusst war. Kaum einer der übrigen Hausangestellten konnte es sich verkneifen, einen kurzen Blick in die Tiefen ihrer zusammengedrückten Brüste zu werfen; und obwohl es sie einerseits verlegen machte, wenn man ihr in den Ausschnitt sah, liebte sie es doch, ihre Reize zu zeigen, denn sie fand es durchaus schmeichelhaft, wenn sich junge Männer nach ihr umdrehten oder ihr schmachtende Blicke zuwarfen. Vielleicht hätte sie sogar diesem männlichen Werben nachgegeben, aber sie wollte dem Beispiel ihrer Mutter folgen, die ihre Jungfräulichkeit für die Hochzeitsnacht aufgehoben hatte.
Maman! Sie hatte ihre kleine Tochter in endlosen Gesprächen vor den Verführungen des Lebens und des Körpers gewarnt und sie schließlich aus der wohlbehüteten Sicherheit der Stadtwohnung in Paris nach Deutschland geschickt. Nur hier auf einem der bekannten deutschen Schlösser war nach ihrer Meinung der richtige Ort, wo ihr süßes Töchterchen den letzten moralischen und tugendhaften Schliff bekommen sollte. Aimée sollte wie sie ihre Reinheit bewahren für den richtigen Mann und tugendhaft in die Ehe gehen. Wer dieser richtige Mann sein könnte, hatte Mutter allerdings stets offen gelassen, was jedoch wohl eher daran lag, dass sie nie aus der Eintönigkeit ihrer eigenen, kleinbürgerlichen Ehe mit einem Steueranwalt hatte entfliehen können oder wollen.
Mit dem Einzug der neuen Herrin hatten sich Aimées Phantasien seltsamerweise mehr und mehr verschoben. Sie seufzte, denn sie hatte aus dem Kreise der Dienerschaft von Madames Vorleben als Betreiberin eines Dominastudios gehört. Mit solch einer erfahrenen Frau wie ihr würde man bei dem, worüber sie noch viel zu wenig wusste, sicherlich wesentlich mehr Spaß haben!
Aimée ließ die Handfläche über die Brust gleiten, streichelte sanft mit den Fingerspitzen über die feinen Rüschen im Ausschnitt und über die weiche Haut. Wie herrlich wäre es, wenn sie die glatten Lederhandschuhe, die Madame so oft trug, dort spüren und dazu noch von ihr geküsst werden würde? Ein Traum, ein wunderschöner, unerreichbarer Traum! Sie nahm die Brustwarzen zwischen Daumen und Zeigefinger, begann sie streichelnd und zupfend zu stimulieren. Sie verhärteten sich, wurden sensibler, und die Haut außen herum begann sich zu kräuseln. Unvermittelt kniff sie zu.
Wie ein Stromschlag durchzuckte der Schmerz die Brust, so dass sie ein lautes Aufstöhnen unterdrücken musste.