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Heute ist viel von der "Rettung der Demokratie" die Rede. Doch ist diese gar nicht wirklich bedroht, es sei denn durch ihre Rettung. Smenokratie - die Herrschaft der Schwärme - löst die Demokratie weltweit ab, meint aber, sie zu vollenden. Statt um Freiheit geht es künftig um Gleichheit, und statt um die nationale Republik dreht sich schon heute alles um das künftige Weltreich. In ihm werden sich - unter anderen Namen - Kapitalismus und Kommunismus als komplementär erweisen. In Form zweier Aufsätze wird das aktuelle politische Geschehen kulturkritisch auf eigenwillige Weise beleuchtet. Gemeinsam mit den Publikationen "Imperium Humanum" und "Endspiel in Theben" bildet das vorliegende Buch ein Ganzes.
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Seitenzahl: 249
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Das Buch ist dem Andenken meines Vaters (1907-1983) und meiner Mutter (1929-2005) gewidmet.
Adrian W. Fröhlich, Bürger der Schweiz, ist Arzt und Philosoph. Er verbrachte interessehalber viele Jahre seines Berufslebens in der Wirtschaft. In den späten Achtzigern und in den Neunzigern war er Experte für Künstliche Intelligenz (KI), Software Engineering und Projektmanagement und arbeitete als Projektleiter, als Mitglied von Geschäftsleitungen und als Senior Consultant. Ärztlich war er zunächst somatisch tätig und ist es nun seit vielen Jahren als Facharzt für Psychiatrie. Er leitet derzeit eine grössere psychiatrisch-psychotherapeutische Praxis. Als Autor hat er unter anderem (bei BoD) «Imperium Humanum», «Endspiel in Theben» und «Mr. Data und das Braitenberg-Universum» veröffentlicht. Frühere Publikationen bei anderen Verlagen betrafen IT-, KI- und Projektmanagement-Themen. Der Autor wurde 1953 geboren, hat Humanmedizin und (ohne formalen Abschluss) Philosophie in Bern studiert und ist Doktor der Medizin. Neben jahrelanger Mitarbeit in Spielfilmprojekten als Drehbuchautor leistete er bis Ende der Achtziger Jahre auch seinen Dienst als Militärarzt.
Die Lage (…) ähnelt seit 2015 der der Titanic, nachdem sie den Eisberg gerammt hatte. Die Lichter brennen noch, die Heizung funktioniert, die Bar ist gut gefüllt. Nur dass man die, die auf das Leck aufmerksam gemacht haben, über Bord wirft, damit es keine Panik gibt.
Tweet, 2018
Ich sehe die Gefahr, dass geltendes Recht durch persönliche Moralvorstellungen ersetzt wird.
Hans-Jürgen Papier, 2018
«La République, c’est moi!» - French far-left politician @JLMelenchon aggressively screaming at police officer as the headquarters of his party are being searched in connection with possible EU funds misuse.
Tweet, 16.10.2018
Kultur am Scheideweg
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Das Problem ist doch offensichtlich: Es gibt keine Mitte mehr. Entweder gehen Mitte-Positionen in Debatten unter, weil sie nicht attraktiv genug sind, oder sie werden von einem der beiden Extreme als Position des Gegenextrems gebrandmarkt und so aus der Debatte verdrängt.
Karim Dabbouz, Tweet, 03.09.2018
Integration sollte verboten werden. Sie ist ein künstlich erschaffenes Phänomen, das homogenisiert wurde und in gesellschaftlichen Stillstand mündet. Künstlich erschaffen deshalb, weil es eigentlich keine Integration geben kann. Um sich zu integrieren, muss man Teile seiner Persönlichkeit und seines Ichs aufgeben. Sich einpassen, sich verlieren.
Kübra Gümüsay, DeutschPlus, Initiative für eine plurale Republik, 2018
Doch ihr stehen seit einigen Jahren mächtige, dunkle Kräfte entgegen, die uns in die tiefste Vergangenheit zurückzerren wollen, unterstützt durch die politische und die kulturelle Intelligentsia des Westens, die – einer Autoimmunerkrankung erlegen – mit allen nur denkbaren Mitteln gegen ihr Unbewusstes ankämpft. 1 Es ist das klassische Endzeitdrama: Kurz vor dem Abheben klammert sich noch einmal die Erdenschwere an den Flieger und ringt mit dessen Piloten um den Sieg. Jetzt, wo wir es endlich in Griffnähe haben, wo wir den Beweis schon fast in Händen halten gegen den Obskurantismus dieser Welt – auch gegen den unserer eigenen Welt -, ausgerechnet jetzt drängen Millionen religiöser Fanatiker aus einem Kulturraum, der um ein Jahrtausend zurückliegt, in die Metropole, nicht um mitzufliegen, sondern im Gegenteil, um sich die Metropole zu holen, aus Opportunismus, mit einem Wohlfahrtsargument. Dieser Kampf wird um alles geführt, wofür Europa je gekämpft hat.
Die geistige Retardierung der herrschenden politischen und kulturellen Intelligentsia des Westens könnte nun aber der wahren Intelligenz und der wahren Kultur den Garaus machen, einer fundamentalistisch überdrehten Toleranz zuliebe, die vor ihrer eigenen Abschaffung nicht haltmacht, deren einzige Substanz das Individuum ist. Siegt dieses Individuum über den enträtselten Menschen (den künstlichen Menschen der Wissenschaft), dann müssen wir zurück auf Feld 1. Dann ist die gesamte abendländische Emanzipation aus den Klauen des Obskurantismus des Egotheismus für die Katz gewesen. Genau das droht. Nicht irgendwann in der Zukunft, es startet jetzt. Die dunklen Kräfte sind im innersten Zentrum der Macht angekommen und dort bereits mächtig am Werk, nicht irgendwo in der Peripherie. Die Burg fällt zuerst, das Land folgt nach.
Das Grundprinzip schöpferischen Lernens lautet: Sich maximal und in voller Breite über etwas aufregen, und dann wie zum Trotz und ausserhalb jedes direkten Zusammenhangs, aber aus dem gleichen Leben gegriffen, einen neuen Baustein akzeptieren, der nach ganz was anderem aussieht – durch ihn fällt plötzlich Licht ins Dunkel, Transfer erfolgt, Verwandlung tritt ein, und die Wut weicht dem Lächeln, ein neuer Horizont taucht auf, und wir sind weiter! Solange wie möglich widerlegen, dann abduzieren, transferieren, konvertieren und den Sprung geniessen. Der Schritt in die Abduktion ist der Schlüssel. Er ist umso potenter, je gebildeter man ist, je neugieriger, je juveniler, je gerechter, je versöhnlicher, je gescheiter, je spielerischer, je schamloser, je erotischer, je tiefer. Mit anderen Worten: Er ist umso mächtiger, je freier man ist. Freiheit ist nicht nur ein politisches Thema, sie ist noch viel, viel stärker ein kognitives. Freisein ist alles! Wer uns verbietet, gewisse Dinge zu denken, zu sagen, zu tun, der ist unser, ist des Menschen, ist des Freien Todfeind. Er arbeitet direkt gegen die Zivilisation an, er dreht am Hahnen, aus dem das Quellwasser der Erkenntnis sprudelt. Immer mehr Menschen drängen heute zu diesem Hahnen, und alle wollen sie ihn zudrehen. Sie sind in panischer Angst vor dem Teufel, als wäre der so zu besiegen oder auch nur zurückzudrängen! Es ist umgekehrt, der Teufel liebt diese Hahnendreher, denn sie verrichten sein Geschäft, ohne es zu merken. Sie schneiden nicht nur den Nazis das Wasser ab, sie drehen allen das Wasser ab, und genau das will er, das ist ihm noch lieber als ein Nazi. Die, die wie Spinoza ein komplett analytisches Universum bauen sind seine Lieblinge, denn es funktioniert nicht, aber es verführt. Diese Systeme sind immer solche der Unfreiheit, der Sklaverei, der Dummheit und der Unterwerfung.
Die Millennials oder Native Digitals – die sogenannte Generation Z -, sind extrem gut vernetzt und über Alltäglichstes informiert, jedoch ohne Tiefe und ohne Fähigkeit zur Analyse. Diese Generation ist die Zielgruppe all der politischen, ökonomischen und kulturellen Interventionen, die seit rund zehn Jahren laufen und immer intensiver werden. Ihr gegenüber stehen die älteren Menschen, die viel weniger vernetzt sind, die Tiefe benötigen und analytisch denken, wenigstens im Ansatz, Menschen mit sogenannter Bildung. Die Generation Z setzt an die Stelle der Bildung die Vernetzung. Sie sucht nicht mehr im Voraus zu wissen, was sein kann, daher benötigt sie keinen Hintergrund mehr. Ihr Ziel ist es, just in time sich die nötige Information holen zu können, und dazu muss sie überall dabei sein, jedoch nirgends belastet mit Tiefenwissen.
Das schlägt sich heute in der Firmenkultur nieder. Sie wird entordnet, verschlankt und netzartiger, informeller und sogenannt agil. Agilität ist nicht nur ein Programm für Hunde, sondern auch eines für den Menschen. Im Grunde ist es das, was eine gut ausgebildete Truppe im Kriegseinsatz an der Front schon immer können musste, sich wie Wasser verhalten und dort blocken, wo Widerstand etwas bringt, das heisst, sich stetig umformieren, regruppieren, vorstossen und wieder zurückziehen, verschanzen und sich entfalten. Dort, wo sich ein Durchbruch abzeichnet, wird geklotzt, an den anderen Stellen wird abgebaut oder gehalten. Genau so arbeitet heute die digitalisierte Unternehmung und nennt es Agilität. Der Mitarbeiter geniesst grosse Freiheit, zu tun und zu lassen, was er will, hat aber zugleich immer eine Verantwortung, der er gerecht werden muss. Er orientiert sich am Zweck der Übung, an ihrem Sinn, nicht mehr an einem Auftrag. Das heisst, er denkt operativ und taktisch mit, wie an der Front. Agiles Management probiert ständig Dinge aus und klotzt dort, wo sich ein Durchbruch abzeichnet, bei den anderen Dingen reduziert es den Einsatz oder stoppt sie. Dabei muss alles rasend schnell gehen, fast zehnmal schneller als bisher. Geschwindigkeit ist alles. Das bedeutet, dass das Vorgehen ganz anders sein muss als bisher, es verzichtet auf die klare Abfolge von der Idee bis zur Umsetzung und arbeitet mit Vorstössen, Prototypen, Vorprodukten und häufigen Releases. Alles wird dem Feedback durch die Wirklichkeit unterworfen, der Kunde arbeitet diesbezüglich mit. Man kann sagen, hier handle es sich um eine Organisation, die macht, was Guderian, Rommel und Patten taten, wofür sie berühmt wurden. Just-in-time Warfare, aber aggressiv, schlau und rasant. Nebensächliches bleibt komplett liegen, Ziel ist nur der Kern der Sache. Es hat sich gezeigt, dass mit dieser Methode Marktdurchbrüche geradezu erzwungen werden können. Vorkämpferinnen sind Apple, Amazon, Netflix und Microsoft, sowie Hundertausende von Startups als den mobil-agilen Kampfeinheiten, deren Erfolge dann von den Grossen aufgekauft werden. Das Modell ist eines der Teilhabe. Ein dynamisches, agiles Team bringt ein Produkt auf den Markt und wird dann en bloc in einen Giganten inkludiert, wo es weitermacht, aber nicht aufgelöst wird. Diese Teams arbeiten immer mit neuen Leuten, bisherige Mitarbeiter stossen später dazu, falls überhaupt. Die Trennung bleibt bestehen, Altes und Neues mischen sich organisatorisch nicht.
Dieses Modell netzadäquater und technologisch entgrenzter Produktion, wie es in Startups heute praktiziert und von Giganten weltweit laufend inkludiert wird, die sich dadurch selber agilisieren, spielt auch im Politischen und Kulturellen. Die allem hinterlegte Gruppe ist die Menschheit, die Grundgesamtheit aller Teilnehmer am «Markt». Die sogenannte Zivilgesellschaft ist eine Art neuer «Nation», das menschliche Substrat eines weltumspannenden Imperiums. Die politischen und kulturellen Strömungen, Inseln und Phänomene entstehen jetzt smenokratisch, nicht mehr demokratisch, sie formieren einen dissipativen Schwarm und bilden keine Partei ab, die auf das «Volk» eines bestimmten Staates abgestimmt bleibt. Parteien sind statische Gebilde ohne Agilität. Der Schwarm hingegen ist formbar, bleibt formbar, und er kann auch jederzeit für einen anderen aufgegeben werden, weil er sich nicht auf eine bestimmte statische Struktur bezieht, sondern nur dem Zweck dient, den er sich selber schafft. Er ist wie ein Boot inmitten einer ganzen Flotte von Booten. Eine Partei dagegen ist wie der Pier am Ufer. Man sieht, wenn man begreift, was damit gemeint ist, dass die aktuellen politischen Onta quer durch alle Parteien hindurch verhandelt werden, und dass der sich damit befassende Schwarm viel wichtiger ist als die Parteien selbst. Pro Fragestellung, pro Marktchance gibt es einen Schwarm. Die Marktgiganten ihrerseits sind nun ebenfalls nicht nationale Parteien, sondern Netzwerke, die global agieren und arbeiten wie die Konzerne. Sie inkludieren erfolgreiche Schwärme und verdrängen weniger erfolgreiche vom Spielfeld, quer durch alle Parteien hindurch. Damit kann die Politik eines Landes - wie derzeit in Deutschland - gar nicht mehr nach Parteien gegliedert sein, vielmehr sind die herkömmlichen Parteien nur noch überkommene Strukturen, durch die hindurch die Schwärme flottieren. Man hat es aufgegeben, am Festgefügten festzuhalten, es wird aufgegeben, sobald ein Schwarm attraktiver wird als eine herkömmliche Parteileistung, nach dem Motto: «Was kümmern mich meine Fehler von gestern?» Das Entscheidende daran ist, dass es sich hier nicht um ein Übergangsszenario handelt, sondern um die Organisationsform der Politik der Zukunft.
Ideen, Haltungen, Strömungen arbeiten wie Startups, gesponsort von Parteien, Terakapitalisten oder durch den Staat, und sind sie erfolgreich, reihen sie sich als Inkludate in ein globales Netzwerk ein, ohne sich darin aufzulösen. Daher ist auch keine Verschwörung im Gang. Vielmehr gilt: Anything goes! Probier's einfach! Wenn du erfolgreich bist, wirst du in Netzwerke inkludiert, machst aber weiter, nicht national, nicht territorial, sondern global, planetar. Dein Kunde ist der Mensch, nicht der Citoyen, nicht der Franzose, der Deutsche, der Amerikaner. Am besten greifst du direkt auf den voraussetzungslosesten aller Menschen der Zeit zurück, den Flüchtling, denn er ist zu allem bereit, er ist der ideale Baustein jedes politischen Schwarms. Sei so agil, dass du jede Fluktuation auf dem Markt sofort ausnutzest. Ziel ist die Befriedigung eines menschlichen Bedürfnisses, nicht die Etablierung einer Struktur, einer Kultur, eines tradierbaren Dings.
Wie der, welcher mich versteht, erkennt, löst dieses neue Paradigma, das parallel in der digitalisierten Wirtschaft und in der digitalisierten Politik und Kultur auftritt und weltweit Triumphe feiert, dieses agile, volatile und vergängliche, auf Schwärme gegründete, aggressive, rasante und bedürfnisorientierte Vorgehen die alte Welt heute ab. Jetzt, heute, wird die alte Welt zu Grabe getragen. Sie stirbt ab, die Energie wird ihr einfach entzogen, sie schrumpelt zusammen und dehydriert. Ihre Falten und Runzeln sind deutlich zu erkennen. Es ist ein Gigantenkampf, der Gigantenkampf zwischen der alten Welt der Parteien, der Staaten, der statischen Strukturen und der statischen Gesetzeswerke, abgestimmt auf die jeweilige, überkommene Kultur und Bevölkerung und der neuen Welt der dynamischen, volatilen Strukturen, der sich ständig ändernden Spielregeln, der Basistypen des Menschlichen («Genders», «Frauen», «Männer», «Kinder», Grossrassen wie «Weisse», «Schwarze», etc.) anstelle von homogenen regionalen historischen «Völkern». Der Umbau geht direkt ins Weltreich, der Citoyen wird direkt zum Individuum, das nicht mehr näher regional oder kulturell spezifiziert ist. Auch die Regierungsform wird volatil, agilisiert und kennt den Pantokrator, den unsichtbaren Prinzeps, den jeder Mensch vertritt. Jede und jeder von uns ist Stellvertreterin und Stellvertreter des Prinzeps, nicht umgekehrt! Da regiert keiner an unserer Stelle, kein Monarch, kein Kaiser. Der Prinzeps bleibt unsichtbar, sichtbar bin immer nur ich, bist immer nur du, ist immer nur sie oder er. Das ist eine revolutionäre, neue Kulturebene, die es so noch nie gab. Der Schritt dorthin ist gewaltig. Damit er gelingt, muss alles miteinander vernetzt sein, muss die Automation total werden, muss das Netz selbst zur Intelligenz avancieren, derer man sich bedienen kann und darf, ja muss. Nur so kann die Wirtschaft, die das alles finanzieren soll, durchhalten.
Doch es gibt ein Problem. Die Menschen selbst sind noch nicht so weit, nur die Avantgarde ist es. Die Menschen werden konfrontiert mit unglaublichen Zumutungen, dem Clash der Kulturen, mit dem ganz gewöhnlichen Verbrechen, als einer Folge der radikalen Mischung von Kulturen, Bevölkerungen und Religionen. Diese uralten Strukturen sind wie unsere alten Unternehmen, massiv, statisch und gegen Neuerungen immunisiert. Doch sie reichern sich sukzessive an mit den Startups einer neuen Kultur, jener der instant happiness des Individuums, egal wo es lebe, wer es sei und was es besitze. Dieser Umbau wird das Einundzwanzigste Jahrhundert prägen. Es ist der Umbau der Leistungswelt in die Kolosseumswelt, der Umbau der nationalen Welten in die globale Welt, die Ablösung des Citoyens durch das komplett befreite und ermächtigte Individuum.
Das ist die Vision. Der Anspruch ist riesig, titanistisch, ebenso riesenhaft wie jener, der hinter dem Marxismus oder hinter dem Faschismus gestanden hatte. Es ist der Anspruch des humanistischen Imperialismus, wenn er sich selbst dialektisch ermächtigt und dadurch alles andere hinwegfegt.
Doch baut diese Vision, baut dieser neue Markt letztlich auf einem Theorem auf, das nicht bewiesen werden kann, auf einem antiteuflischen Theorem, dass nämlich keinerlei Unterschied sei zwischen den Menschen weltweit, dass der Mensch in der Tat nichts anderes sei als komplett austauschbar, weil bis ins Letzte baugleich und zugleich radikal initial leer, bzw. dass die Default-Einstellung bei allen exakt die gleiche sei. Es ist die Vision Rousseaus, aber hoch Tausend. Antiteuflisch darum, weil der Teufel unserer Zeit in der Maske Hitlers das Gegenteil davon stipuliert hat. Das Experiment, dem wir uns verschrieben haben, ist zugleich das grösste aller Zeiten, und zugleich der Schlussgang gegen den Teufel in uns. Doch - wie immer - kann es sein, dass der Teufel siegt. Würde nämlich das Gute jetzt siegen, wäre die Weltgeschichte zu Ende. Es begänne das Gericht Gottes.
Der Teufel kann auf zwei Weisen siegen. Er kann das Experiment durch reale Politik abwürgen und uns in Nationalismen zurückzwingen, ja in Faschismen. Oder es kann sich herausstellen, dass es jenen Rousseauschen Idealmenschen nicht gibt, dass die Grundannahme falsch war. In beiden Fällen ginge die Geschichte weiter, das Gericht würde vertagt, wie bisher immer. Was ist nun wahrscheinlicher? Oder anders gefragt: Handelt es sich bei unserer Epoche um die Singularität - oder etwa doch nicht? Ist unsere Epoche die Singularität? So gross ist der Anspruch! Man braucht die Antwort auf die gestellte Frage bezüglich der wahren Natur des Menschen gar nicht zu kennen, man muss nur erkennen, was wir heute in unserem Experiment dem Schicksal gegenüber beanspruchen. Das reicht aus. Es ist ähnlich wie mit Pascals Wette.
Es gibt nur einen einzigen Weg, das Experiment doch noch zu einem Erfolg zu führen. Wir müssen den Fall technologisch kompensieren, dass der Teufel recht hat. Das heisst, wir müssen Herr unserer Genetik werden, und zwar absolut, radikal und endgültig. Nur wenn wir unser Genom radikal verändern können und dürfen, können wir die Folgen jener Wirklichkeit aufheben, die unweigerlich über uns hereinbräche, falls es den Rousseauschen Idealmenschen nicht geben sollte. Es bedeutet, dass wir lernen, den Menschen zu bauen. Das ist der eschatologische Zweck des Experiments. Wir können nur gewinnen, wenn wir den Menschen machen können, so wie wir ihn haben wollen, wie es uns dient. Das ist die eigentliche Anforderung des Einundzwanzigsten Jahrhunderts: den Bauplan des Menschen zu entwickeln.
Doch - wie oft in solchen Situationen - hat der Teufel bereits vorgesorgt, indem er uns dem Islam geöffnet hat. Nicht, dass der Islam eine Ausgeburt des Teufels wäre, sondern er ist dem Teufel in dieser speziellen Lage überaus dienlich. Er wird sich zum Schwert entwickeln, womit unser Experiment durchschnitten wird, wenn wir nicht schneller und radikaler sind als er. Das Christentum spielt keine Rolle mehr, es wird abgelegt wie eine Schlangenhaut. Die Integration des Islams in den Westen ist also ein weiteres Generalthema des Einundzwanzigsten Jahrhunderts. Noch hat niemand begriffen, was das bedeutet. Es bedeutet nicht nur das mögliche Aus für unser Experiment, sondern ebenso sehr den wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Abstieg und damit das Verfehlen des Ziels, den Teufel zu überlisten, oder ihn gleichsam zu kompensieren, sollte er Recht behalten. Nur wenn wir das genau verstehen, sind wir auf der Höhe der künftigen theologischen Auseinandersetzung. Noch niemand im Islam oder im Christentum sieht die Dimension dieser Auseinandersetzung.
Was ist zu tun? Ich plädiere dafür, dass wir so rasch wie möglich lernen, Menschen zu bauen, Menschen zu machen. Nur so kann der Absturz vermieden werden, der uns auf jedem anderen Weg droht, ja unausweichlich ist. Es droht uns eine neue Steinzeit von hunderttausend Jahren, wenn wir es nicht schaffen.
Doch muss ich auch sagen, dass der aktuelle Kampf zwischen den linken und rechten Populismen unserem Ziel entgegensteht. Er ist Ausdruck davon, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht erkennt, worum es in der Tiefe geht. Es geht um die Rettung des Menschen, nicht nur der Armen, der Flüchtlinge, der Migranten. Der Mensch selbst ist in höchster Gefahr, und er ist es nicht bloss wegen der Atombombe oder des Klimawandels, er ist es, weil er sich selbst im Kern immer noch nicht begriffen, sich aber darauf angelegt hat, sich selbst so zu behandeln, als habe er sich durchschaut. Diese Täuschung wird für ihn und für seine Zivilisation vorzeitig tödlich enden. Es ist ein Absolutum, dass der (westliche) Mensch nun lerne, sich selber zu bauen, sonst zerstört er sich weltweit nachhaltig, weil er dem Fehler in seiner (veralteten) Theorie zum Opfer fällt. Mittlerweile kennen wir die Anzeichen dessen, was auf unsere westliche Gesellschaft zukommt, wenn wir dieser Theorie treu bleiben. Die folgenden Zitate belegen einen Gräuelangriff des religiösen Fundamentalismus auf die tolerante Gesellschaft und ihre Kultur2:
«Mit den Anschlägen vom 13. November 2015 auf das Bataclan in Paris wurde eine neue Stufe der radikalmuslimischen Gewalt in Europa erreicht.» (…) «Der Chefmediziner der Such- und Eingreifbrigaden BRI, einer Spezialeinheit der französischen Polizei, sagt später: „Ich habe so etwas niemals gesehen. Ein Meer aus Menschen, Dantes Inferno, überall Blut, wir gehen über Leichen, wir rutschen aus im Blut. Im Parkett lagen mehrere Hundert Menschen einer über dem anderen, riefen um Hilfe, eine Mischung aus Toten, aus Verletzten.“ Die Besucher des Rockkonzerts hätten sich überall versteckt, „in abgehängten Decken, unter Sofas“, berichtet der erfahrene Chefmediziner und Polizist.» (…) «Nachdem sie im unteren Bereich bereits zig Menschen mit ihren Kalaschnikows erschossen haben, ziehen sich die Attentäter mit Geiseln in die oberen Etagen zurück und verbarrikadierten sich dort. Diese Menschen werden sie nicht einfach nur umbringen, sondern teilweise regelrecht zerstückeln und schlachten. Einigen werden die Augen ausgestochen, Köpfe werden abgetrennt. Männern werden die Hoden abgeschnitten und in den Mund gesteckt, Frauen mit Messern die Scheide aufgeschnitten und verstümmelt. Manche Körper werden regelrecht ausgeweidet.» (…) «Die Terroristen sagten zu uns: ‚Wir sind hier, um euch den gleichen Dingen auszusetzen, die unschuldige Leute in Syrien erleiden. Hört ihr diese Schreie, dieses Leid? Das tun wir, damit ihr fühlt, was unser Volk in Syrien jeden Tag aushalten muss. Das ist Krieg! Und es ist erst der Anfang. Wir werden Unschuldige abschlachten. Wir wollen, dass ihr diese Botschaft weiterverbreitet.» (…) «(…) die Bilder der Toten seien so schlimm gewesen, dass sie den Angehörigen nicht gezeigt werden konnten. Was sich in den oberen Etagen des Bataclan-Theaters abgespielt hat, wurde der Öffentlichkeit weitgehend verschwiegen, vor allem in Deutschland.» (…) «Paris wird in der IS-Erklärung [der IS übernahm für das Massaker die Verantwortung] als „Hauptstadt der Unzucht und des Lasters“ bezeichnet, die muslimischen Terroristen als „gläubige Gruppe der Armee des Kalifats“ gepriesen. Der Islamische Staat begründete das Attentat auf das Konzert im Bataclan damit, dass sich dort „hunderte Götzendiener in einer perversen Feier versammelt“ hätten.» Die begangene Bestialität wurde unter anderem mit der Koran-Sure 59:2 begründet: «Er (Allah) ist es, der diejenigen vom Volke der Schrift, die ungläubig waren, aus ihren Heimstätten zur ersten Versammlung austrieb. Ihr glaubtet nicht, dass sie hinausziehen würden, und sie dachten, dass ihre Burgen sie gegen Allah schützen würden. Doch Allah kam von (dort) über sie, woher sie es nicht erwarteten, und warf Schrecken in ihre Herzen, so dass sie ihre Häuser mit ihren eigenen Händen und den Händen der Gläubigen zerstörten. So zieht eine Lehre daraus, o die ihr Einsicht habt!»
Es ist die Zukunft der Welt – und es ist zugleich die eigene Vergangenheit. Die Christenheit war um nichts besser, als sie noch unumschränkt herrschte, als sie noch unaufgeklärt war. Man kann es noch bei Voltaire in seiner Schrift über die Toleranz nachlesen. Der Westen hat all das längst vergessen. Er steckt seit zweihundert Jahren in einer ultramodernen, heidnischen Neoantike, was dazu führt, dass er sich die Dummheit und die Animalität des Menschen nicht mehr ausmalen kann, die diesen befallen können, wenn er sich unters Joch eines «Abrahamismus» beugt, wenn er der zirkulärlogischen Welterklärung verfällt, die das Ergebnis der Apotheose eines rasenden (projektiv-identifikatorisch abgewehrten) Narzissmus ist, das Ergebnis purer Egotheosis, die als Monotheose verkleidet in den einigermassen rational unterfütterten, weithin gesitteten, religiösen Diskurs der Völker einbricht.
Ich erinnere den Leser daran, dass die Gesellschaft, die das Attentat im Bataclan in Paris – und zahllose weitere Gräueltaten - einfach wegsteckt, die gleiche Gesellschaft ist, die sich die Metoo-Bewegung, den Gender-Aktivismus und das geradezu beispielhafte Kavanaugh-Schaulaufen, von dem weiter unten die Rede sein wird, leistete und leistet. Diese Gesellschaft befindet sich in einem neuen Rokoko, eine Art Dornröschenschlaf, und sie träumt vom Kuss des Prinzen. Zugleich erfährt sie die grössten Erniedrigungen und Atrozitäten, die wegdiskutiert oder verschwiegen werden, wenn es politisch opportun ist. Es ist eine Gesellschaft, die nichts mehr mit dem alten Europa und der alten USA zu tun hat, die von ihr jedoch ständig beschworen werden. Diese Gesellschaft hat eine Doppelagenda und lebt in zwei Wirklichkeiten, die sich gegenseitig ausschliessen. Man will endlich «abheben», doch da gibt es die Schwerkraft, das Flugzeug erweist sich als überfüllt und untermotorisiert zugleich, wie jene Maschinen, die ausserhalb Stalingrads von der eisigen Piste abheben wollten mit Verwundeten und Heimkehrern aus der Schicksalsschlacht einer verfehlten, kriminellen Weltanschauung.
Beginnen wir ganz dumm. Beginnen wir bei einer kruden Begebenheit unserer Zeit. Um unser Kulturexperiment zu starten, benötigen wir zunächst einmal eine geeignete Fragestellung. Um zu einer solchen zu gelangen, müssen wir uns orientieren.
Beginnen wir mit einem in mehrfacher Hinsicht auffälligen Text: «Der Angstforscher Borwin Bandelow sieht in den Ereignissen von Chemnitz [Ende August/Anfang September 2018] eine neue Dimension von Fremdenfeindlichkeit. «Die Rechten haben Jagd auf alles gemacht, was auch nur ausländisch aussah», sagte der Göttinger Psychiatrie-Professor der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. In Chemnitz sei es nicht um Selbstverteidigung gegangen. «Es hat sich blanker Hass auf Fremde entladen.» Bandelow verglich Fremdenangst dabei mit Furcht vor Spinnen. Diese Angst sei heute «überflüssig, weil es hier keine Spinne mehr gibt, die für uns eine tödliche Gefahr darstellen würde. Bei der Fremdenangst, der Xenophobie, ist das ähnlich.» Fremdenangst steckt in jedem von uns. Fremdenangst sei als «subjektives Gefühl» in einem «sehr einfach strukturierten Teil unseres Gehirns angesiedelt». Dieses «einfache Xenophobie-Gehirn» versuchten «Populisten» anzusprechen. Da dieses «primitive Hirnareal» nicht auf rationale Argumente reagiere, nütze es «nur bedingt», dem Fakten entgegenzusetzen. Allerdings gebe es auch Menschen, die die mit der Migration einhergehenden Probleme realistisch einschätzten. «Ihre Ratio behält gegenüber dem primitiven Angstsystem die Oberhand», führte der Wissenschaftler aus. Xenophobie, so seine Beobachtung, sei nicht nur «unangemessen», sondern auch «genetisch veranlagt». Somit stecke Fremdenangst «in jedem von uns». Als Gegenmaßnahme empfiehlt Bandelow eine Konfrontationstherapie. «Man sollte Kontakt mit Migranten suchen, sich austauschen, sich das Fremde vertraut machen.» Dann würden die Menschen in Sachsen auch «irgendwann nicht mehr befürchten, dass etwa Flüchtlinge mit Macheten durch die Straßen ziehen und Frauen vergewaltigen»».3
Das für uns interessanteste Statement befindet sich am Schluss des Zitats. Ich wiederhole es: Man solle Kontakt mit Migranten suchen, sich austauschen, sich das Fremde vertraut machen. Dann würden die Menschen in Sachsen auch irgendwann nicht mehr befürchten, dass etwa Flüchtlinge mit Macheten durch die Straßen ziehen und Frauen vergewaltigen. Dieses Schlusswort ist im Kern die Arbeitshypothese für unser Experiment. Sie lautet in einer ersten Näherung so:
Jede kulturelle Konfrontation, sowohl im Kleinen wie im ganz Grossen, lässt sich dadurch entschärfen, dass sich die Haltung der Mehrheit gegenüber der Minderheit, bzw. der Autochthonie gegenüber der Allochthonie entspannt. Das wird am schnellsten und effizientesten durch die Aufnahme und Pflege von - gesellschaftlich gesehen - Mikrokontakten zwischen den einzelnen Individuen der beiden Lager erreicht und dadurch auch schon nachhaltig gesichert.
Die Hypothese ist trivial. Sie funktioniert immer. Daher erscheint sie dem Schnelldenker logisch und alternativlos. Nicht trivial ist hingegen, was sie im realen gesellschaftlichen Kontext der Auseinandersetzung verschweigt. Verschwiegen wird, dass eine solche Entspannung, in der die Beziehungsaufnahme auf der interindividuellen Ebene die zentrale Rolle spielt, zwangsläufig zu einer Veränderung von Kerneigenschaften der sich entspannenden Seite führt, damit zur Preisgabe des vormals durch Anspannung verteidigten Kulturkerns, dessen, was man gemeinhin als das «Eigene» bezeichnet, das sich durch solche Anspannung erst so richtig definiert. Was eine Kultur als ihr «Eigenes» begreift, wird definiert durch ihre Anspannung und die damit verbundene Anstrengung – man könnte sie unseren Dschihad nennen - bei der Verteidigung gegenüber Anderem und Anderen. Demgegenüber ist eine Definition dieses «Eigenen» in Form von Listen und Beschreibungen sekundär und bleibt immer vorläufig und damit strittig. Wenn also unser obiger Gewährsmann – der uns als «Wissenschaftler» präsentiert wird - davon spricht, dass die jeweilige Mehrheit oder Autochthonie «irgendwann nicht mehr befürchten [müsse], dass etwa Flüchtlinge mit Macheten durch die Straßen ziehen und Frauen vergewaltigen», so meint er damit zweifellos – denn sonst würden seine Sätze nichts bedeuten -, dass die «Flüchtlinge» entweder heute «mit Macheten durch die Strassen ziehen und Frauen vergewaltigen» - weil man ihnen repressiv entgegentritt, angespannt und angestrengt das «Eigene» definierend und verteidigend -, dass sie gezwungen sind, sich zu holen, worauf sie ein menschliches Anrecht haben, oder aber, dass man sich diesen «Flüchtlingen» dann nicht mehr entgegenstellen werde, wenn sie morden und vergewaltigen, weil man inzwischen selber mit diesem Geschäft begonnen hat, so dass der kulturelle Unterschied nicht mehr auffällt. Denn nicht wahr, wenn wir selber mit Waffen durch die Strassen laufen und ab und zu eine uns begegnende Frau vergewaltigen, sofern wir gerade Lust darauf haben und dieses Verhalten zu einem in unserer Kultur zulässigen gemacht haben, dann fällt uns der Unterschied zwischen uns und den «Anderen» in diesem Punkt nicht mehr ins Auge. Die «Anderen» wären dann in der Tat «integriert», durch unsere Assimilationsleistung an sie und an ihre Kultur. Oder aber wir glauben – und darin bestünde die andere Möglichkeit -, dass allein durch interindividuelle Beziehungspflege und die Entspannung unseres Verhältnisses zum «Anderen», diese «Anderen» den Drang verlieren, sich mit Waffen und Vergewaltigungen Respekt und Befriedigung verschaffen zu müssen.
Das verschweigt aber erneut etwas. Glauben wir nämlich, was ich gerade gesagt habe, dann glauben wir implizit stets auch, dass es eine allgemein einklagbare Rechtfertigung für Waffeneinsatz und Vergewaltigung durch Individuen in einer Kultur geben könne, dass man Mord, Totschlag, Beraubung und Vergewaltigung rechtfertigen könne unter dem Hinweis auf bestimmte gesellschaftliche Bedingungen. Und wir glaubten damit immer auch, dass wir selbst uns auch so verhalten würden, wenn wir uns – beispielsweise - in der iranischen Kultur integrieren wollten, diese uns jedoch über Gebühr als Fremdlinge behandelt. Dann sei es nämlich durchaus zu rechtfertigen, wenn wir mit Waffengewalt durch die Lande ziehen und Frauen vergewaltigen. Will das die iranische Kultur nicht, so habe sie sich uns gegenüber zu entspannen und ihre Anstrengung beim Schutz ihres «Eigenen» abzubauen. Dieser ethische Relativismus steht dem ethischen Absolutismus entgegen, der hinter der ganzen Fragestellung steht.