... so antworte mit Ja - Herwig Riepl - E-Book

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Herwig Riepl

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Beschreibung

Im 4. Fall von Andrea Steiner tappen die Ermittler lange im Dunkeln. Durch Zufall trifft die Hauptkommissarin eine ehemalige Freundin, von der sie zur Hochzeit eingeladen wird. Leider verläuft bei der Trauung nicht alles nach Wunsch. Als Psychologin ist es nicht einfach, mit dem Zukünftigen auf einem Bauernhof zu wohnen und nebenbei die Kühe zu melken. Bis zum Schluss gibt es keine Gewissheit, ob die Kommissare es mit Mord oder Selbstmord zu tun haben. Nebenbei erwartet der Polizeipräsident eine Idee für einen Wohltätigkeitszweck, die der dänische Kollege und Hauptkommissar Erik Ingvardsen sehr pikant und erotisch in die Tat umsetzt.

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Herwig Riepl

… so antworte mit Ja

© 2021 Herwig Riepl

Umschlag, Illustration: Herwig Riepl

Lektorat, Korrektorat: Andrea Hoppe, Isabella Essler

Übersetzung: Herwig Riepl

Bilder: Herwig Riepl

Verlag und Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback:       978-3-347-12287-1

Hardcover:       978-3-347-12288-8

e-Book:              978-3-347-12289-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Für meine liebe Schwester Elisabeth, niemand lacht so herzlich wie du

Personen, Namen und Handlungen sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Ereignissen oder Personen wäre rein zufällig.

Ausnahmen sind die privaten Erzählungen und Reiseberichte des Hauptkommissars Erik Ingvardsen, welche der Autor auch wirklich selbst erlebt hat.

Herwig Anton Ingvardsen Riepl, wie er mit vollem Namen heißt, wird fast überall Erik genannt und hat noch nie ein Mobil-Telefon besessen. Er zählt sich selbst zu den zehn glücklichsten Menschen der Erde und würde jede Entscheidung seines Lebens wieder so treffen.

Der Autor bemühte sich, in seinem Buch eine interessante Mischung aus Kriminalfall, Erotik und wahren Erlebnissen seiner Reisen darzustellen.

Genieße das Leben schon heute,

nicht erst am Wochenende,

im Urlaub oder in der Pension

Herwig Riepl

Mein 4. Buch als neuer Autor. Irgendwie habe ich meinen Spaß daran gefunden.

Wer zu viel träumt ist mit sich und der Welt unzufrieden. Ich träume nie und akzeptiere die Realität. Deshalb bin ich auch sehr glücklich. Mir Unrealistisches vorzustellen, was sich nicht ändern lässt oder nicht in meiner Hand liegt, lasse ich bleiben. Außerdem lasse ich mich von niemandem und nichts stören. Bei mir gibt es keinen Klingelton, da ich noch nie ein Mobil-Telefon besessen habe und nichts so wichtig sein kann, was ich sofort erfahren muss.

Inhaltsverzeichnis

Entspannt geht es zum Lokal

Der schönste Tag des Lebens

Welches Glas nimmt man zuerst?

Auf nach Tittenkofen

De Küh melken sich net von alloan

Die Treue-Testerin

Für den holts ihr mi von da Årbeit weg?

Fleischpflanzerl, Frikadeller oder Beff-Schteck

Im Zirkus Erotica

Schnaps, Kruzifixe und ein Dildo

Der neue Chef der Mordkommission

Fragen über Fragen

Wenn jeder so denkt, sterben die Bauern aus

Eine Rechnung fällt besonders auf

Kalender und ein Wochenende mit Aussicht

Wer suchet, der findet

Ehrlich, schlau, berechnend, dumm oder naiv?

Manchmal ist eine Nachricht wie eine Bombe

Kuckuck ruft´s aus dem Wald

Zwei Ermittler auf intensiver Spurensuche

Von der Couch zum Brathendl

Hände wie Wärmflaschen

Das ausgepuffte Dreimäderlhaus

Die Macht eines leeren Blattes Papier

Fotos: Herwig Riepl

Riesenschildkröte – Galapagos - Ecuador

Blaufußtölpel – Galapagos - Ecuador

Atacama Wüste – Chile

der Autor auf dem Pferd - Uruguay

Gorilla – Sumatra - Indonesien

Tromsø - Norwegen

Entspannt geht es zum Lokal

Die Staatsanwältin Isabella Fröhlich hat nicht nur einen interessant klingenden Familiennamen, sie hat es sich zur Eigenschaft gemacht, auch selbst immer fröhlich zu sein. Ihr Lebensgefährte Helmut Geil, der Hausmeister im Polizeipräsidium von Fürstenfeldbruck ist, hat einmal bei einer Party gemeint, er versucht auch seinem Namen gerecht zu werden, was großes Gelächter auslöste. Die beiden wohnen direkt am Ammersee und führen eine eher lockere Beziehung. Mit einem Freundespaar, welches sie schon lange kennen, gibt es auch hin und wieder Partnertausch.

Der dänische Hauptkommissar Erik Ingvardsen und seine Chefin Hauptkommissarin Andrea Steiner sind nicht verheiratet und wohnen auch nicht zusammen. So richtig weiß niemand in der Mordkommission, wie man deren Verhältnis nennen mag. Wahrscheinlich wissen sie es selbst nicht einmal oder wollen es gar nicht wissen. Frei und unabhängig sein wollen sie und das Thema Eifersucht nicht diskutieren müssen. Dazu kommt, dass die blonde Kollegin Lena sich gerne vom Dansk Mand, wie er oft genannt wird, vernaschen lässt und auch die Fallanalytikerin Miriam nicht gleich nein sagt, wenn es der Lustbefriedigung dienen sollte.

Der durchaus recht witzige 41jährige Däne mit dem schütteren Haar ist aber kein Kind von Traurigkeit und hat auch schon seine Erfahrungen mit der kräftigen 55jährigen Staatsanwältin gemacht. Zu so genannten one night stands würde er sich sicher nicht hinreißen lassen, aber so wie er Frau Fröhlich kennen gelernt hat und sich beide ganz schnell sympathisch waren, wüsste er auch nicht, warum er nein sagen soll.

Die Hauptkommissarin war vor gut einem Jahr sehr verliebt und wurde von ihrem damaligen Freund gleich mehrfach schwer enttäuscht. Darum ist sie vielleicht jetzt, trotz Zuneigung und großer Sympathie für den Kollegen eher zurückhaltend was eine feste Bindung betrifft, was aber dem Dänen nicht ganz unrecht ist.

Andrea und Erik sind bei Isabella und Helmut eingeladen. Es ist der 21. Juni, Sommerbeginn und Isabella´s 56. Geburtstag. Die Kommissare können sich noch gut an den ersten Besuch bei den beiden erinnern. Damals gab es viel Rum zu trinken, außerdem hat es geschneit, darum haben sie dort übernachtet. Am nächsten Morgen waren alle vier nackt im Pool und es gab einen kleinen Vorgeschmack an Partnertausch. Für Erik nur ganz wenig, er war noch vom Umtrunk der Nacht zu benebelt. Andrea ist eigentlich nicht ganz begeistert von solchen Sachen, hat aber damals mitgemacht.

Heute wurde zuerst gegessen, geredet und gelacht. Dann haben sie sich in den Pool begeben und sind ein bisschen bei angenehmer Hintergrundmusik geschwommen. Jetzt haben sie fast genau dieselben Plätze im Pool eingenommen wie damals. Am einen Ende sind die Staatsanwältin und der Däne, am anderen Ende die Hauptkommissarin und der Hausmeister.

Erik sitzt ganz entspannt am Beckenrand vor Isabella, die im Wasser steht und sein bestes Stück zwischen ihren üppigen Busen versenkt hat.

»Kannst du dich noch an euren ersten Besuch hier erinnern? Damals waren wir auch so weit«, schmunzelt sie.

»Nur hat mir damals der Kopf gedröhnt und ich war nicht ganz bei der Sache«, erinnert er sich genau. »Darum habe ich auch schnell abgebrochen.«

Isabella lächelt, beugt ihren Kopf nach unten und nimmt seine Eichel zärtlich in den Mund.

Helmut hat offenbar auch Lust auf Busensex bekommen. Nur liegt in dem Fall Andrea draußen am Beckenrand auf einer weichen Unterlage und der Hausmeister hockt über ihr. Dabei genießt er ihre hübschen Babser und den geöffneten Mund, den sie ihm bereitwillig entgegen streckt.

»Ich glaube, wir wechseln jetzt mal. Du bist es, die heute Geburtstag hat«, sagt Erik und befreit sich aus der weichen Umklammerung mit dem fordernden Mund.

»Setz dich hoch«, sagt er ihr und kurz darauf liegt sie auf einer dieser weichen Unterlage vor ihm.

Die Wassertiefe ist dort so passend, dass er stehend mit seinem Mund genau ihre geöffneten Beine mit der rasierten Intimzone erreicht. Bald darauf stöhnt sie und presst mit den Schenkeln seinen Kopf zusammen, dass er nichts mehr hört und nur noch seine Zunge rotieren lassen kann. Erst als ihr Körper zuckt und bebt, lässt sie seinen Kopf aus der festen Umklammerung wieder frei.

Als der Däne aufblickt geht Andrea gerade an ihnen vorbei in die Duschkabine, um ihre verklebten Babser zu waschen und lächelt den Kollegen an. Auch Helmut verschwindet kurz und als beide kurz darauf zurückkommen, fordert die Staatsanwältin die Kommissare auf: »Legt euch doch zusammen auf die Matratze und habt euch ein bisschen lieb«, wobei sie ihren Lebensgefährten gleichzeitig mit einer Geste zuzwinkert.

Erik und Andrea sind nicht sicher, was Isabella wirklich will darum sagt sie: »Na los, entspannt euch, legt euch seitlich hin und küsst euch ein bisschen.«

Leicht verwundert befolgen die zwei einzigen Geburtstagsgäste ihre Anweisung und beginnen sich auch ganz sanft zu umarmen und küssen.

»Ihr müsst aber seitlich zueinander liegen!«, sagt Helmut erinnernd, wobei die Kommissare noch verwunderter blicken aber trotzdem sich richtig platzieren.

Als Erik´s Küsse intensiver werden, verspüren beide zwischen den Beinen unerwartete Besucher. Für einen Moment blicken sie erstaunt auf, doch Isabella fordert sie auf, einfach weiter zu küssen. Während sich die Zungen der Kommissare umgarnen und tanzen, spielt Isabella´s Zunge an Erik´s Steifen und Helmut´s Zunge in Andrea´s Muschi. So etwas haben die Ermittler auch noch nie erlebt, werden aber mehr und mehr erregt, da sie ja selbst vorhin nicht zu einem Höhepunkt gekommen sind. Heiße gegenseitige und fordernde Küsse, die streichelnde Hand an den steifen Nippeln und was sich sonst noch alles weiter unten an Oralsex abspielt, bringt schließlich das Fass zum Überlaufen. Die Ermittler kommen gemeinsam so heftig und sind von der ganzen Aktion total überrascht, dass es ihnen fast schon ein bisschen peinlich ist. Als sie nach einer Weile aus der innigen Umarmung keuchend aufblicken, haben sich die Staatsanwältin und ihr Lebensgefährte schon längst verzogen. Erst als sie sich leicht erholt haben, erscheinen beide wieder.

»Dürfen wir dem verliebten Paar einen Drink anbieten?«, fragt Isabella und stellt zugleich vier Gläser ab.

»Auf euch beide!«, sagen die Gastgeber dankend … »Auf euch und dich, alles Gute zum Geburtstag!«, erwidern die Gäste und erheben ihr Glas.

Ein bisschen unsicher oder ungläubig schauen die zwei Hauptkommissare schon drein. Selbst Erik, der schon viel erlebt hat und immer recht locker ist, wurde ordentlich überrascht. Außerdem liegt noch das Wort ›verliebt‹ in der Luft, welches Isabella verwendet hat.

»Haben wir etwas falsches gesagt oder getan?«, fragt die Staatsanwältin, da sie merkt, wie die Gehirnzellen der Ermittler rattern und ein Hauch von Unsicherheit zu spüren ist.

»Weder noch«, beschwichtigt Erik. »Aber euer Versuch, jemanden auf diese Art Partnertausch schmackhaft zu machen, ist auch eine interessante Art, muss ich zugeben!«

Andrea nickt dazu und fragt: »Sind wir verliebt?«

Erik lächelt verschmitzt, da dies nie ein zu besprechendes Thema war, doch Isabella meint sehr überzeugt: »Wie nennt man das sonst? Es sind die hingebungsvollen Küsse, nicht das Vögeln, die einen verraten! Außerdem habt ihr zwei keinen Grund, dies zu leugnen oder zu verheimlichen. Was Helmut und ich jetzt mit euch beiden gemacht haben, nennt man heißen Sex und Lustbefriedigung. Ihr aber habt euch dabei auf eine Art geküsst, da spielen auch das Herz und die Seele eine sehr große Rolle. So etwas kann man nicht verheimlichen. Zumindest nicht mir. Ihr verkörpert Liebe und Sex zu einer Einheit.«

Die Hauptkommissarin bekommt plötzlich ein bisschen mehr Farbe im Gesicht und meint: »So deutlich hat das auch noch niemand gesagt« und drückt zugleich Isabella ein Küsschen auf die Wange.

»Auch wenn es mit euch hier so gemütlich ist und ich es noch Stunden genießen könnte, so muss ich jetzt alle daran erinnern, dass wir uns für den Abend fertig machen müssen«, informiert die fröhliche Frau Fröhlich die anderen.

Die geschätzte Staatsanwältin hat das Team der gesamten Mordkommission sowie den österreichischen Gerichtsmediziner am Abend zu ihrem Geburtstag eingeladen. Aber nicht in irgendein Lokal, nein es sollte etwas Besonderes sein. Sie persönlich liebt Filme der 20er Jahre, wo man Clubs und Lokale dieser Zeit sieht. Das wilde und sündige Nachtleben. Die Atmosphäre und Kleidung sowie die Musik und Tänze.

Wie es der Zufall manchmal so will, hat in Fürstenfeldbruck ein neues Lokal eröffnet und heißt . Angeblich sind die Räumlichkeiten und deren Einrichtung genauso wie die Musik seinerzeit gehalten. Einlass gibt es nur für Personen, die auch wirklich passend zu den 20er Jahren gekleidet sind. Angefangen von den Schuhen, der Kleidung bis zur Frisur von damals. Jeans, T-Shirt und Jogging Schuhe bekleidete Personen werden freundlich abgewiesen, um auch die richtige Atmosphäre im Lokal zu schaffen.

Isabella hat sich als Geburtstagsgeschenk gewünscht, dass alle in passender Kleidung erscheinen und sie in dieses Lokal begleiten. Die Hauptkommissare haben ihre Garderobe mitgebracht und somit beginnen sich alle vier zu bekleiden und zu stylen. Andrea hat sich wegen ihrer roten Haare lieber zu einer Perücke entschieden, Isabella belässt es bei ihren halblangen brünetten Haaren, die aber kunstvoll mit Lockenwicklern geformt werden müssen.

»Lackschuhe, nicht schlecht«, grinst Helmut als er sieht, was der Kommissar alles dabei hat und auspackt.

»Äh … und was ist das für eine Paste?«, fragt Erik, als er sieht, was Helmut mit seinem eigenen Lockenkopf macht.

»Die bekommst auch du in dein Haar geschmiert«, lacht er amüsiert. »Damit du schön glänzt!«

»Du meinst eher die Kopfhaut wird glänzen. So viele Haare befinden sich da oben leider auch nicht mehr«, muss der Däne eingestehen, was sogar die Frauen, die sich im Nebenzimmer anziehen, zum Kichern bringt.

Helmut und Erik haben sich für sehr ähnliche graue Anzüge der damaligen Zeit entschieden. Dazu Krawatte und ein Hut. Die zwei Frauen erscheinen dagegen sehr unterschiedlich. Isabella in einem smaragdgrünen, langen bis an die Wade reichenden Kleid, welches einen Schlitz an der Seite hat. Dazu ein passender weißer Hut mit herunter gezogener Krempe, den man Cloche nennt, wird der Kommissar aufgeklärt. Ihr Augen-Make-up nennt man Smokey eyes, da sie von innen mit ganz dunklen Farben nach außen hin immer heller werden, wobei auch die Smaragdfarbe ihres Kleides eingebaut und berücksichtigt wird. Samthandschuhe von den Fingerspitzen bis zur Mitte des Oberarms, eine Perlenkette und Marie-Janes Schuhe mit dicken Absätzen, die gut zum Lindy Hop-Tanzen geeignet sind, vervollständigen ihr Aussehen. Außerdem hält sie ein Pochette in der Hand, das ist eine Tasche mit schönen Art-Deco-Motiven als Verzierung.

Andrea erscheint im roten, knapp knielangen Charleston Kleid, welches von einer schwarzen Fransenreihe geschmückt wird. Die blonde Perücke hat typische Wasserwellen, dazu ein Federstirnband mit zwei langen roten Federn. Eine Federboa, kurze schwarze Seidenhandschuhe und eine lange Zigarettenspitze, da in dem Lokal geraucht werden darf. Ein auffällig verruchtes Make-up mit schwarz umrandeten Augen und ein tiefroter Puppenmund bringen den Kommissar ins Schwärmen. Als sie sich in einer Vorführpose einmal schnell dreht, fliegen die Fransen und hauchdünne Nylonstrümpfe mit schwarzer Naht werden sichtbar. Erik ist hingerissen und fasst ihr an den Oberschenkel, wobei er ein Strumpfband spürt. Passend zum Kleid trägt sie noch schwarze Lackschuhe mit Absatz, die vorne gerundet sind und eine Ristspange haben. Dazu hat sie eine Beutetasche, die mit Perlen verziert ist und angeblich Dorothy Bag heißt.

»Also, wenn ich euch so sehe, würde ich mir die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts wieder wünschen. Ihr seht umwerfend aus! Davon kann man sich ja gar nicht satt sehen!«, schwärmt der Däne richtig begeistert. Dann geht er zu Isabella und gleitet auch bei ihr mit der Hand ganz langsam über ihren Oberschenkel hinunter und bekommt gleich die passende Antwort.

»Ja, ich trage auch Strapse und Strümpfe und habe auch einen Strumpfhalter umgebunden! Wenn schon, dann soll alles so sein wie damals«, lächelt sie verführerisch, da sie weiß, der Kommissar mag diese Dessous. Dafür stellt sie ihr Bein so raffiniert, dass der seitliche Schlitz des Kleides den Beweis liefert.

»Mit einem gerade erlebten Orgasmus auf eine Party zu fahren macht doch gleich wesentlich mehr Freude«, sagt Helmut am Steuer und blickt dabei in den Rückspiegel auf Andrea, die fast verlegen schaut, weil sie das vorhin ungewöhnliche Erlebnis nicht mal theoretisch geträumt hat.

»Darum sollten wir auch heute den Abend genießen und uns einfach in die 20er Jahre zurück versetzen lassen. Jedenfalls bin ich sehr gespannt, was uns erwartet«, sagt Erik.

»Na und ich erst!«, meint Isabella.

»Wie heißt nochmals das Lokal?«, will er wissen.

»Ganz einfach. . Das ist also recht leicht zu merken.«

Erik drückt sich an Andrea und flüstert ihr ins Ohr: »Du siehst so aufregend aus, ich bin sicher, alle werden dich im Lokal bewundern!«

Auf der Fahrt spielt Helmut Musik der 70er Jahre, aber alle sind schon gespannt auf die Musik und Atmosphäre vom Zwanziger-Lokal. Das Geschrei ist groß, als sich die zwölf Personen im neu eröffneten Lokal treffen. Als erstes gibt es natürlich von allen herzliche Geburtstags-Glückwünsche für die Staatsanwältin Isabella Fröhlich zu hören. Auch Blumen und kleine Geschenke werden überreicht, dann aber beschnuppern und begutachten sich alle ausgiebig.

»So schick im Anzug habe ich dich ja noch nie gesehen«, sagen die Meier´s lachend zum Hauptkommissar.

»Damals im Nonnenkloster ward ihr ja im Trachtenanzug, aber die Kleidung heute steht euch auch sehr gut. Ein heller Anzug mit weißem Hemd und diesen breiten Hosenträgern, Krawatte und Filzhut. Ich staune über euch! Wo bekommt man so etwas überhaupt her?«, fragt der Däne.

»Beziehungen«, grinst der 2er und blickt sich bereits gleichzeitig interessiert im Lokal um.

Miriam musste an ihren schwarzen kurzen Haaren nicht sehr viel ändern. Sie trägt eine weiße Hose, Hemd und Krawatte, dazu einen Glockenhut. Auch sie hat der Zeit passend ein auffälliges Make-up gewählt und saugt außerdem bereits an einer Zigarettenspitze.

Erika, Mike, Sabrina und der Gerichtsmediziner Herwig haben sich ebenfalls sehr hübsch und elegant rausgeputzt und sich offenbar mit der Kleidung der 20er Jahre intensiver befasst. Eine junge Frau versucht aber einmal mehr der Mittelpunkt zu sein. Zumindest muss sie mehrere Stunden mit der Kleidung und ihrem Aussehen verbracht haben.

Als Andrea ihre blonde Kollegin sieht, zieht sie die Augenbrauen erstaunt nach oben und ihr wird einmal mehr klar, wie ausgepufft, frech und locker Lena ihre verrückten Ideen einfach in die Tat umsetzt.

»Die Frau Polizeioberkommissarin will es heute wohl wieder einmal allen hier zeigen«, sagt Andrea, meint es aber lieb, gratuliert ihr und muss anerkennen, dass ihr Aussehen wirklich ein wahrer Hingucker ist, auch wenn sie sich selbst in der Öffentlichkeit nicht ganz so freizügig zeigen würde.

»Danke, trotzdem habe ich aber schwere Konkurrenz von dir«, antwortet Lena und lobt ihre Chefin beeindruckend. »Feuerrot … also wenn du innerlich auch so feurig bist, habe ich heute wenig Chancen gegen dich.«

»Ich würde sagen, ihr seid beide eine Augenweide und wahre Schönheiten«, mischt sich der Däne ein. »Ich möchte mich nicht entscheiden müssen!«

Lena hat sich als sündige Prostituierte im 20er Stil unter dem Motto, ›Weniger ist Mehr‹ sehr verrucht gekleidet. Sie trägt ein goldenes, unterschiedlich lang geschnittenes Paillettenkleid mit sehr tiefem Ausschnitt, dessen Farbe bei jeder Bewegung anders glitzert. An der rechten Seite reicht ihr Kleid bis zur Mitte ihres Oberschenkels, während an ihrer linken Seite der Stoff kaum die Taille verdeckt und somit nicht nur einen Nylonstrumpf völlig frei zeigt, sondern auch den Straps- und Strumpfhalter entblößt. Auch sie trägt ein Stirnband, aber dezenter als Andrea und mit je einer weißen und schwarzen Feder geschmückt. Ihre blonde Mähne hat ein Friseur zu einem Lockenkopf mit Wasserwellen geformt und im Kosmetik-Studio ›Aufgebrezelt‹ hat sie sich ein kräftiges, goldfarbenes Augen-Make-up auflegen lassen. Der knallrote Schmollmund in dem eine lange Zigarettenspitze steckt, schreit fast, geküsst zu werden und die hauchdünnen Strümpfe sind zusätzlich mit einem goldenen Lackspray besprüht worden. Auf ihr Markenzeichen, die ganz hohen roten Stöckelschuhe hat sie aber verzichtet und nur halb so hohe Marie-Janes Schuhe mit nicht ganz dünnen Absätzen gewählt.

»Golden girl wäre heute die richtige Bezeichnung für dich. Ich muss schon sagen, meine Augen flimmern bei dem Anblick«, sagt Erik beeindruckt und wird dafür gleich fest umarmt und auf die Wange geküsst.

»Ich bin wohl eher die sündige goldene Hure«, kichert sie in sein Ohr, während der Kommissar nicht sicher ist, ob sie überhaupt einen Slip trägt.

Die Einrichtung des Lokals sieht sehr edel aus. Natürlich ist das ganze Inventar in Massivholz gehalten, hauptsächlich in Nuss-Holz dazu viele Strahler und Spiegel. Eine Band gibt es auch, die aber noch nicht zu spielen begonnen hat. Kontrabass, Cello, Saxofon, Banjo, Trompete, Posaune und ein kleines Schlagzeug sind auf der Bühne bereits zu sehen.

Die Staatsanwältin hat einen Tisch für zwölf Personen bestellt, an dem alle Platz nehmen. Gleich darauf wird die Getränkekarte unter die Lupe genommen, die natürlich wie auch die Speisekarte im Stile der 20er Jahre gehalten ist. Absinth, Rum, Martini, Gin, Cognac aber auch Cocktails gibt es neben Bier und Wein zu trinken. Mary Pickford, ein Cocktail aus der Prohibitionszeit, benannt nach dem Stummfilm-Star ist der angebliche Renner des Lokals. Weißer Rum, frischer Ananassaft, Grenadine und Maraschino-Likör beinhaltet das Getränk, welches Isabella zum Anstoßen für alle bestellt.

In dem Moment kommt auch schon die Band auf die kleine Bühne und greift zu ihren Instrumenten. Doch statt heißen Swing gibt es zuerst ein ›Happy birthday to you‹ zu hören, bei dem sogar alle Gäste im Lokal sofort mitsingen. Anschließend erklingt ein selbstkomponiertes Lied und danach geht es mit Jazz und schwungvollen Swing-Rhythmen so richtig los. Die Stimmung ist sofort auf dem Höhepunkt, da alle sich erheben, mittanzen, singen, klatschen und sich der Atmosphäre aus dieser Zeit hingeben. Nach der ersten Runde an diversen Tanzeinlagen und Liedern kehren die Gäste so nach und nach schwer atmend zu ihrem in der Zwischenzeit zauberhaft eingedeckten Tisch zurück. Dort warten bereits kunstvoll zusammengestellte köstliche Schnittchen auf Etageren, dazu Krabbencocktails, Sardinen, Feigen, verschiedene Sorten Nüsse, aber auch leckere Lachsrollen und andere Gaumenfreuden die in dieser Zeit recht typisch waren.

»Du siehst heute richtig entspannt aus«, meint Lena schmunzelnd zu Erik, nimmt seine Hand und legt sie gleichzeitig unter dem Tischtuch auf ihren Oberschenkel.

Der Däne ertastet zwischen den vielen Fransen den Strumpfabschluss an der langen Seite des Kleides sowie ein Band und blickt sofort neugierig unter das Tischtuch. Dabei erkennt er, dass die Kollegin trotz Strumpfhalter an der einen Seite ein breites Band, welches mit einer roten Schleife um den Oberschenkel gebunden wurde, gewählt hat. Ähnlich wie es zu Marie Antoinette-Zeiten getragen wurde. Ganz dezent schiebt Lena langsam seine Hand weiter nach oben, wobei der Hauptkommissar feststellen muss, dass die Kollegin tatsächlich ihren Slip vergessen hat.

»Tanz bloß nicht zu wild«, schmunzelt Erik und greift von dem glatten Schamhügel zu seinem Cocktail-Glas, da einmal mehr die Staatsanwältin auf ihren Geburtstag von ihren Gästen besungen wird.

»Was gab es für ein Geburtstagsgeschenk vom deinem Lebensgefährten?«, fragt Mike.

»Oh, Helmut hat sich etwas sehr Schönes einfallen lassen. Da ich ja ein Sommerkind bin und zu Sommerbeginn meinen Geburtstag habe, fahren wir in zwei Wochen nach Norwegen und machen eine kleine Rundreise im nördlichen Teil. An Namen wie Narvik und Tromsø kann ich mich erinnern. Wir waren einmal in Island, da waren wir schon nahe daran die Mitternachtssonne zu sehen. Darum wollte ich einmal in ein Land, wo es sie wirklich gibt«, sagt Isabella Fröhlich so begeistert wie es ihr Name hergibt.

»Erik, du als Skandinavier hast doch sicher auch schon die Mitternachtssonne gesehen?«, fragt Erika.

»Na ja, nicht in Kopenhagen, das wäre technisch nicht ganz möglich, aber ja, ich war schon einige Male in Norwegen und auch einmal in Grönland und habe dort dieses Ereignis bestaunen dürfen«, berichtet der Däne.

»Wo in Norwegen warst du genau?«, will Helmut wissen, da er sich ein paar Informationen erhofft.

»Ich war mehrmals in Oslo und Bergen. Außerdem in Stavanger, Ålesund und Tromsø. Ich bin auch in mehreren Fjorden wie dem Lysefjord, Vengsøfjord, Nærøyfjord, Oslofjord, Sognefjord, Balsfjord, Osterfjord oder den Geirangerfjord mit dem Schiff entlang gefahren. Dabei sieht man einen Wasserfall nach dem anderen, die von den Bergen und hohen Felsen ins Meer ganz steil hinabstürzen. Auch ein paar schöne Ausflüge mit speziellen Touristenzügen, die an spektakulären Wasserfällen und Schluchten vorbei fahren und sich dabei vom Meer bis auf eintausend Meter Höhe über unzählige Brücken und Tunnel in kürzester Zeit hocharbeiten, waren dabei. Der Preikestolen, was so viel wie Predigtstuhl heißt, liegt im Süden und ist ein Fels mit über 600 Meter Höhe, der kerzengerade nach unten in den Fjord fällt. Ich muss aber gleich anfügen, die berühmte Mitternachtssonne sieht man nur nördlich des Polarkreises.«

»Genau, und Island liegt knapp darunter, auch wenn man glaubt, das Land liegt so weit nördlich«, weiß Isabella gleich zu berichten.

»Das ist richtig, aber die Sonne sieht man dort schon relativ lange. Natürlich in den Städten wie Narvik oder Tromsø werdet ihr sicher 24 Stunden die Sonne sehen. Der Hausberg von Tromsø heißt Storsteinen, ist mit der Gondel zu erreichen, welche auch in der Nacht fährt, was ja dort Tag ist«, kichert Erik »und bietet ein fantastisches Erlebnis. Der Blick über die Stadt, die Inseln, Fjorde und die untergehende Sonne ist atemberaubend«, schwärmt der Däne.

»Du hast doch gerade gesagt, die Sonne geht dort nicht unter!«, wundert sich Lena.

»Das ist auch richtig. Drei Monate scheint dort durchgehend die Sonne, aber um Mitternacht senkt sie sich auch Richtung Meer. Nur … sie verschwindet nicht am Horizont sondern steigt davor schon wieder hoch. Dieses Schauspiel kann man innerhalb einer Stunde von null Uhr bis ein Uhr wunderbar von diesem Berg aus erleben.«

»Wahnsinn, das kann man sich ja überhaupt nicht vorstellen«, sagen gleich mehrere Kollegen.

»Das würde mir auch gefallen«, schwärmt der 2er voller Euphorie. »Tag und Nacht Sonne.«

»Na ja. Moment! Bevor ihr jetzt alle zu sehr schwärmt, denkt die Geschichte vorher zu Ende. Egal in welchem Land und auf welchem Fleck jemand auf der Erde wohnt. Jede Person erlebt im Jahr gleich viele Sonnenstunden. Das ändert auch kein Umzug in ein anderes Land, auch keine unsinnige Zeitverschiebung, um am Abend länger die Sonne zu haben. Die Sonnenstunden pro Jahr sind immer gleich. Überall auf der Erde. Wobei ich aber immer vom blauen Himmel ausgehe und nicht die Wolken meine, die oftmals die Sonne verdecken.«

Plötzlich gibt es Gesichter, die zu überlegen scheinen, ob das wirklich richtig sein kann.

»2er, die drei Monate durchgehendes Sonnenlicht im nördlichen Norwegen bedeuten auch drei Monate totale Dunkelheit im Winter, wo es nicht einmal eine Minute Sonne gibt. Würde dir das noch immer gefallen?«, schmunzelt Erik. »Und dauerhafte Sommerzeit hier einzuführen würde bedeuten, die Sonne geht im Winter erst nach 9 Uhr auf. Ob das die kleinen Schulkinder und ihre Mütter freut? Was glaubt ihr, warum im hohen Norden viel Alkohol getrunken wird? Damit man mit der Finsternis klar kommt. Depressionen sind in diesen Breitengraden vorprogrammiert. Aber, damit wir jetzt nicht depressiv werden, sollten wir eine weitere Runde tanzen«, schlägt der Däne vor und beendet seine Erzählung.

Anschließend geht es mit dem Charleston-Tanz weiter, wobei man das Ausdrehen der Fersen und gleichzeitige Beugen der Knie berücksichtigen muss. Die Meier´s sind bei diesem Tanz mit ihren Bewegungen eine Klasse für sich und erstaunen die ganzen Kollegen. Auch Tango gibt es zu hören, ebenfalls den Boston, der ist ähnlich einem langsamen Walzer und zu altem Foxtrott darf auch getanzt werden.

Natürlich werden auch immer wieder Fotos gemacht. In solchen besonderen Kleidern trifft man ja die Menschen heute nicht mehr an. Diesmal wäre es schwer einen Gewinner aus der Runde zu benennen. Viel zu unterschiedlich und interessant sind die einzelnen Kleider anzusehen. Trotzdem ist der dänische Hauptkommissar von Andrea und Lena ihren Stirnbändern mit den Federnschmuck am meisten begeistert. Und da er Andrea´s mystisch schwarzes Augen-Make-up dem goldenen von Lena bevorzugt, sieht er in seiner Chefin die persönliche Gewinnerin. Einzig beim Tango-Tanz hätte natürlich Lena ganz klar gewonnen. Nicht nur, dass sie es schon sehr gut durch ihren Kurs beherrscht, so erotisch wie sie sich hingibt, trauen sich wohl nur wenige Frauen zu tanzen.

Erik kommt gerade zum Tisch zurück, als in der anderen Ecke des Lokals ein lauter Aufschrei zu hören ist und er zwangsweise sofort in die Richtung schaut.

»Andrea?! Das darf doch nicht wahr sein!«, hört man es plötzlich im ganzen Lokal.

»Sabine? … ja Wahnsinn, wie lange ist das her?«, jauchzt die Chefin der Mordkommission erstaunt und erfreut.

»Ich denke … fast … 15 Jahre?«, sagt eine etwas chaotisch gekleidete und gestylte Frau.

Dann liegen sich die zwei Frauen zur Begrüßung in den Armen und wollen sich gar nicht mehr loslassen.

»Wir machen hier Polterabend … aber nur im kleinen Rahmen und nicht zu wild. Ich heirate übrigens morgen. Andrea, komm doch zu meiner Hochzeit, ich würde mich so sehr darüber freuen!«

»Wow, gratuliere! Mhm … warum eigentlich nicht. Morgen ist ja Sonntag, ich habe frei. Ah da kommt mein Kollege«, sagt die Kommissarin und stellt ihn vor.

»Hallo, ich bin der Erik.«

»Das klingt jetzt ein bisschen ausländisch. Mhm, lass mich raten … vielleicht Kaskopp… ich meine Holland?«, sagt diese Sabine schnell.

»Fast. Dänemark« … »Oh Wikinger!«, meint sie, während Erik denkt. ›Immerhin eine etwas nettere Bezeichnung für sein Land als für die Niederlande‹.

»Das ist jedenfalls meine gute alte Freundin Sabine Höferich. Sie heiratet morgen«, erklärt Andrea.

»Na dann. Möge die Ehe für immer halten. Alles Gute!«, meint der Wikinger.

»Danke. Äh … sagt mal, ihr beide seid aber nicht nur Kollegen?«, fragt sie schmunzelnd.

»Wie kommst du jetzt auf diese Idee?«, fragt Andrea recht verwundert.

»Na hör mal, eure Augen glänzen ja gewaltig!« … »Das ist der Alkohol und der Rauch hier drinnen«, meint die Hauptkommissarin.

»Mag sein, dass meine Augen jetzt glänzen, aber sieh dir Andrea einmal genau an. Welche Männeraugen oder lesbische Frauenaugen würden bei so einem reizenden Anblick nicht glänzen?«, fragt Erik, was seine Kollegin mit großer Freude aufnimmt und ihn dankend anlächelt.

»Lasst mich raten. Ihr seid beide Single. Eure Blicke sind verliebt und funken Liebe, da könnt ihr mir nichts erzählen. Ich bin Psychologin von Beruf und erkenne sehr wohl, wenn es zwischen zwei Personen funkt und knistert«, kichert sie.

Dabei blicken sich Andrea und Erik an und müssen gleichzeitig leicht schmunzeln, da sie diese Erkenntnis heute bereits schon einmal gehört haben.

»Sagt mal, wollt ihr nicht beide morgen zu meiner Hochzeit kommen?«, fragt sie plötzlich beschwingt nach.

Der Däne ist weniger begeistert, da er ja niemanden kennt und eigentlich überhaupt keine Lust darauf hat, aber Andrea gefällt die Idee, bei ihrer lange nicht mehr gesehenen Freundin dabei zu sein.

»Also, ich weiß nicht …«, beginnt er und wird gleich heftig unterbrochen.

»Papperlapapp, es gibt auch reichlich zu trinken. Die Dänen sind in dem Bereich ja recht gut«, unterbricht sie. »Außerdem könnt ihr beide sehen, wie das genau abläuft, wenn es bei euch mal soweit ist und ihr euch das Ja-Wort gebt.«

Die Hauptkommissare schmunzeln sich an und nach mehrmaligem Bitten kann Andrea sogar den Kollegen schließlich dazu überreden. Erik hat zugesagt, unter der Bedingung, dass er morgen auch Muskelkater vom Tanzen oder einen dicken Kopf vom Trinken haben könnte.

Der schönste Tag des Lebens

Andrea streckt sich, dann schmiegt sie sich ganz eng an den Dänen ran. »Go´ morgen mein Schokobär. Hast du gut geschlafen?«

Erik gibt ihr einen Kuss: »Wer neben so einer scharfen Chefin aufwacht, hat immer gut geschlafen!«

»Du bist lieb. Aber erinnere mich bloß nicht als Chefin an die Arbeit. Zurzeit ist es mal ruhig und ich hoffe, es bleibt eine Weile auch so! Aber gestern der Abend im Restaurant war traumhaft. Das war ein ganz neues Lebensgefühl.«

»Du hast recht. Wir sollten die mordfreie Zeit genießen«, nickt Erik zustimmend. »Aber diese Hochzeit heute … das begeistert mich nicht unbedingt.«

»Tu es bitte für mich. Sabine war damals wirklich eine tolle Freundin, auch wenn sie vier Jahre jünger ist. Dass ich sie nach so langer Zeit wieder getroffen habe und dies auch noch einen Tag vor ihrer Hochzeit ist ein Wunder. Ich freue mich für sie, ihren Mann und den fünfjährigen Sohn!«

»Bisher habe ich ja nur eine Schulfreundin von dir kennengelernt. Kannst du dich erinnern? Wie heißt sie noch … Brigitte. Damals als wir den Dessous-Fetischisten gejagt haben am FKK-Strand. Sie hatte diesen ausrasierten Spruch ›Küss mich‹ am Schamhügel stehen. Über sie hast du nicht so toll gesprochen«, kichert Erik.

»Erinnere mich bloß nicht an sie! Dieses Luder, die jedem nachsteigt und alles dafür tut, jemanden ins Bett zu bekommen!«, murmelt Andrea.

»Aber du musst zugeben, ihre Idee mit dem Schamhügel damals war ganz lustig«, schmunzelt der Kollege.

»Ja natürlich … Das geht bei mir halt nicht, du rasierst mich ja immer ganz glatt«, kichert sie, nimmt seine Hand und legt diese auf das Beweisstück.

»Weil ich es genauso liebe wie ich es gestern bei dir gemacht habe«, sagt er und will mit seinem Gesicht bereits nach unten gleiten.

»Jetzt aber ganz schnell raus aus dem Bett und fertig machen für die Hochzeit! Schau mal auf die Uhr?«, bekommt er als Anweisung zu hören.

Widerwillig steht der Kommissar auf, begibt sich ins Bad und ist immerhin bald darauf im schicken Anzug fertig angezogen. Seine Kollegin ist in dieser Sache keineswegs langsamer und versteht es immer wieder, sich schnell zu schminken und zu kleiden.

»Hübsch … aber gestern warst du aufregender angezogen«, sagt Erik.

»Gestern waren die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts angesagt, heute sind wir wieder in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts«, meint Andrea.

Der Däne seufzt: »Ich sehe es. Aber der blaue Hosenanzug sieht toll aus«, lobt er sie.

»Wie willst du mich zu unserer Hochzeit gekleidet sehen?«, fragt sie leicht verschmitzt.

Erik schmunzelt kurz und wartet mit seiner Antwort. Dann meint er: »Mit duftenden weißen Frangipani-Blüten im Haar, Kokosnuss-Schalen als BH, Baströckchen und barfuß. Ein kleine Band spielt und ich singe für dich.«

Pokarekare ana, gna wai o Waiapu

Whiti atu koe hine, marino ana e

E hine e, hoki mai ra

Ka mate ahau, i te aroha e

Andrea schluckt. Sie ist zwar nicht sicher, welche Antwort sie jetzt überhaupt erwartet hat, aber diese Aussage bringt sie doch ins Staunen und lässt sie gleich von der Südsee träumen. An das Liebeslied von den Maoris aus New Zealand kann sie sich erinnern, weil es ihr der Kollege schon einmal vorgesungen hat.

Auf der kurzen Fahrt zur Kirche wird nicht viel gesprochen. Irgendwie sind beide ein bisschen angespannt, da sie nicht wissen was sie erwartet.

»Wie heißt überhaupt der Bräutigam?«, fragt der Däne.

»Andreas Hambichler. Er ist Bauer in Jesenwang. Ich kenne ihn nicht. Dafür die Trauzeugin Sonja Stranger. Aber sie war mir nie sonderlich sympathisch. Hat sich damals ein bisschen wichtig gemacht und schon in der Jugendzeit mit dem Geld ihrer Eltern umhergeschmissen. Na egal, wir kommen ja nicht wegen ihr«, lacht Andrea.

Erik rümpft die Nase als er aussteigt und etwa 60 Hochzeitsgäste vor dem Kircheneingang stehen sieht. Sofort ärgert er sich, dass er sich gestern überrumpeln ließ und zugesagt hat und fühlt sich bereits vollkommen deplatziert.

»Steffi!«, ruft Andrea fast ein bisschen zu überschwänglich und laut, dass gleich ein paar Gäste auf sie schauen.

»Steffi, Erik, Erik, Steffi«, stellt die Hauptkommissarin die beiden vor und freut sich, noch jemanden zu kennen.

Der Däne lächelt. Er ist gleich groß wie Andrea und für einen Mann eher klein, aber die Frau die vor ihm steht ist nochmals 20 Zentimeter kleiner. Sie hat graumeliertes kurzes Haar, so eine Bubikopf-Frisur und sieht irgendwie interessant aus. Das Gegenteil von der wesentlich größeren, blonden Lena, aber trotzdem recht hübsch.

»Wieso warst du gestern beim Junggesellinnenabschied nicht dabei?«, fragt Andrea gleich interessiert.

»Ich hatte am Abend einen Job zu erledigen und war leider verhindert«, begründet sie die Abwesenheit.

»Und was arbeitest du oder musstest du an einem Samstagabend machen?«, fragt Andrea bedauernd, als jemand plötzlich laut ruft: »Alle in die Kirche, die Braut ist gleich da«, worauf die Hochzeitsgäste sofort losgehen.

»Erzähle ich dir alles später, wenn wir mehr Zeit haben«, flüstert Steffi nur. »Ich glaube, wir müssen jetzt zum schönsten Tag des Lebens von den beiden!«

Erik fühlt sich wie ein begossener Pudel und geht den zwei Frauen nach. Dabei blickt er sich ein bisschen um und stellt fest, dass fast alle Männer in einer wohl typischen Bayern-Tracht gekleidet sind. Bei den Frauen ist es eher gemischt, von bunten Trachten zum Hosenanzug bis schlichten Kostümen ist alles zu sehen. Zum Glück darf er Andrea folgen und muss nicht getrennt von ihr sitzen. Zumindest hat er von einer getrennten Frauen- und Männersitzordnung schon mal gehört und kann sich gut vorstellen, dass dies in manchen Kirchen noch heute so praktiziert wird. Recht schnell haben sich alle auf die Bänke gesetzt und blicken erwartungsvoll nach hinten, wo die Eingangstüre weit offen steht und gleich die Braut erscheinen soll. Andreas Hambichler steht bereits leicht nervös aber voller Erwartung bereit, um seiner Verlobten das Ja-Wort zu geben. Gleich daneben stehen auf einem Tablett vier bereits eingeschenkte Sektgläser bereit, die offenbar für das Hochzeitspaar und die Trauzeugen gleich nach dem Ja-Wort bestimmt sind. Das Gemurmel wird lauter, da sich minutenlang nichts rührt und der Wagen mit Sabine nicht vorfährt. Noch sind alle guter Dinge, aber mit jeder Minute die mehr verstreicht beginnen die Gäste auf ihre Uhren zu blicken und sich fragend anzuschauen.

»Andreas, vielleicht hat Sabine es sich doch überlegt und keine Lust auf dich und deinen Bauernhof!«, ruft jemand, womit ein leichtes Gelächter zu hören ist. Doch nach weiteren zehn Minuten des Wartens bekommt der Satz immer mehr Gewicht und man sieht mehr und mehr fragende Gesichter.

Erik schmunzelt und flüstert Andrea ins Ohr: »Vielleicht hat sie ja kalte Füße bekommen?«

Ein Sprichwort, dass er erst vor kurzem von seiner Kollegin gehört und erklärt bekam. »Ich habe ja gehofft, dass die Party schnell vorbei ist. Offenbar hat mich jemand erhört«, wofür er aber nur einen nicht begeisterten Blick und einen leichten Ellbogenstoß zu spüren bekommt.

Kurz darauf erklingt die Orgel mit dem klassischen Hochzeitsmarsch von Mendelssohn Bartholdy und der Däne muss mit Bedauern feststellen, dass seine Hoffnung sich nicht erfüllt hat. Als er die Braut sieht, welche von allen Gästen ein langgezogenes Ooooohhh zu hören bekommt, muss er fast grinsen. Ganz in weiß, in einem bodenlangen Kleid mit Schleier erscheint Sabine Höferich.

»Ich dachte, so ein Kleid gibt es nur bei Jungfrauen, aber die haben ja bereits einen fünfjährigen Sohn«, flüstert Erik zu seiner Kollegin, worauf er erneut einen leichten Ellbogenstoß zu spüren bekommt und lieber nichts mehr sagt.

Strahlend geht die Braut mit einem Mann, möglicherweise ihrem Vater, langsam den Mittelgang entlang bis zu ihrem Zukünftigen nach vorn, der sie schließlich die letzten paar Meter hoch zum Pfarrer bringt. Erik hat es nicht so mit dem Glauben, darum hört er auch gar nicht richtig zu, was der Priester alles zu sagen hat. Seine Gedanken hängen lieber am gestrigen Abend und der wunderbaren Idee, im 20er Jahre Stil gekleidet essen und tanzen zu gehen. Erst als er irgendetwas vom Bund der Ehe hört, kommt er gedanklich zurück in die Kirche und konzentriert sich wieder auf die eigentliche Trauung. Andreas Hambichler wird gerade gefragt, ob er die neben ihm stehende Frau zu seiner Gemahlin nehmen möchte.

Dabei denkt der Kommissar für sich: ›Wäre es eigentlich nicht ein Akt der Höflichkeit, zuerst die Frau zu fragen?‹

Aber dann erinnert er sich an die Katholiken, die Frauen noch nie großartig gewürdigt haben. Fast könnte man meinen, das weibliche Wesen ist wohl eher nur zum Kochen und Kinder bekommen erschaffen worden. Zumindest sieht man keine Frau im Vatikan in einer höheren Position. Auch das Priestertum hat ihnen die katholische Kirche verwehrt, was eigentlich schon alles über diese Religion aussagt und für ihn nichts mit Nächstenliebe zu tun hat sondern sehr frauenverachtend wirkt. Darum ist er auch froh, wenn es hier gleich vorbei ist und er schnell wieder aus der Kirche raus kommt.

»Ja«, erklingt es laut und deutlich, wobei die Hochzeitsgäste ehrfürchtig nach vorne schauen, freundliche Gesichter machen und so manche Person eine erste Träne laufen lässt.

Dann dreht sich der Pfarrer endlich zur Frau und stellt ihr dieselbe Frage. »Sabine Höferich, willst du Andreas Hambichler, den Gott Dir anvertraut, als Deinen Ehemann lieben, achten und ehren und die Ehe mit ihm nach Gottes Gebot und Verheißung führen. In guten und schlechten Tagen, bis der Tod euch scheidet, so antworte: Ja, mit Gottes Hilfe.«

Da sie nicht gleich darauf antwortet und es ein paar Sekunden komplett still in der Kirche ist, verspürt man plötzlich eine gewisse Angst und Verwunderung aufsteigen. Der Pfarrer wartet auf das ›Ja‹, der jetzt halb verheiratete Ehemann macht große Augen und von den Hochzeitsgästen dringt eine leichte Unruhe durch die Kirche. Erik grinst in sich hinein und überlegt, ob sie plötzlich Angst bekommt und nein sagt oder ob es so etwas nur im Fernsehen gibt. Doch er hat nicht lange Zeit zu überlegen, da sie plötzlich recht hysterisch losschreit.

»Glaubst du wirklich, ich will dich notgeilen Bock heiraten, der gestern noch fremd gevögelt hat und heute früh im Bett einer fremden Frau aufgewacht ist?! Ich sage nicht nur nein zur Ehe, ich ziehe heute noch bei dir aus!«, faucht sie ihn giftig an. »Es ist aus und vorbei mit uns!«, schreit Sabine Höferich, die fast Braut ihren verdutzten fast Ehemann an.

Dann hebt sie ihr langes Brautkleid leicht an und läuft den Mittelgang Richtung Ausgang hinunter. Andreas Hambichler und die Hochzeitsgäste können gar nicht so schnell reagieren, da ist sie bereits verschwunden.

»Sag jetzt bitte nichts und komm mir nicht mit irgendwelchen Weisheiten!«, flüstert Andrea schnell zu Erik, der gerade dabei ist, den Mund aufzumachen.

Nach der plötzlichen Stille wird es aber sekundenschnell laut in der Kirche und es beginnen heftige Diskussionen der vielen konsternierten Gäste. Weder der perplexe Bräutigam noch die Trauzeugen hatten auch nur einen Funken Vorahnung dieser Absage erkannt. Alle schauen fassungslos vor sich hin. Nein, nicht alle. Ganz vorne ist eine Person aufgestanden und klatscht freudevoll zu diesem unerwarteten Ausgang.

»Bravo! Bravo! Wenn schon mein dummer Sohn nicht mitdenkt, hat wenigstens die Obergescheite eine Sekunde mal klare Gedanken gehabt«, jubelt der Vater des Bräutigams und bekreuzigt sich mehrmals.

Sonja Stranger, die Trauzeugin und Freundin der davongelaufenen Braut seufzt bekümmert auf, greift leicht frustriert aber auch geschockt nach einem bereit stehenden Sektglas und trinkt es in einem Zug leer. Die Diskussionen um das gerade Erlebte werden plötzlich zwischen den Hochzeitsgästen lauter und lauter. Auch der Pfarrer scheint so etwas noch nicht erlebt zu haben und ist völlig ratlos. Andreas Hambichler, der sitzengelassene Ehemann ist sekundenschnell weiß wie eine Wand geworden und setzt sich auf die Stufen.

»Meine Tochter ist keine Obergescheite sondern hat einen angesehenen Beruf erlernt!«, schreit plötzlich der Vater der Braut recht zornig. »Offenbar ist sie zur Besinnung gekommen, dass sie mit einem Gesindel wie euch nichts zu tun haben will!«, legt der Brautvater zum Gegenschlag nach.

Darauf gehen die zwei Väter aufeinander los und werden von ein paar Hochzeitsgästen leicht zurückgehalten. Mitten in diesem Tumult beginnt die Trauzeugin plötzlich zu würgen und kurz darauf fällt sie einfach um und sackt zusammen.

»Schnell, wir brauchen dringend einen Arzt«, ruft jemand, wobei Andrea und Erik zur am Boden liegenden Frau laufen und gleichzeitig den Notarzt verständigen. Doch sie röchelt nur noch, verkrampft und verliert kurz darauf das Bewusstsein.

Die Hauptkommissarin schaut entsetzt auf, dann meint sie nur: »Jetzt kannst du was sagen.«

Der Däne versucht ihren Puls zu ertasten, findet aber nichts und beginnt sofort mit einer Herzmassage und Mund zu Mund-Beatmung. Ein unter den Gästen befindlicher Arzt kommt schnell gelaufen und hilft den beiden Hauptkommissaren bei ihren Wiederbelebungsversuchen. Immerhin hat dieser Vorfall die zwei aggressiven Brautväter veranlasst, voneinander abzuhalten. Der Notarztwagen ist erstaunlich schnell vor Ort und übernimmt sofort die Reanimation. Doch auch ihnen gelingt es trotz modernster Technik nicht, die Frau zurück ins Leben zu holen. Nach zwanzig Minuten brechen sie ab und müssen den Kommissaren den Tod der Frau bestätigen.

»Also … dafür brauche ich keinen Autopsie-Bericht. Für mich ist das ein Giftmord. Ich würde also meiner Chefin vorschlagen, wir brauchen das ganze Programm. Gabi und ihr Team der kriminaltechnischen Untersuchung, unseren Klagenfurter Gerichtsmediziner, die Kollegen, auch wenn heute Sonntag ist und ein Bestattungsunternehmen«, sagt Erik bedauernd.

Andrea seufzt, das hat sie befürchtet. Dann ruft sie zu den Hochzeitsgästen: »Wir sind von der Polizei Fürstenfeldbruck. Ich möchte Sie bitten, dass alle hier in der Kirche verweilen. In wenigen Minuten kommen meine Kollegen und werden Ihre Personalien aufnehmen.«

Andreas Hambichler laufen die Tränen über das Gesicht, aber es ist nicht klar zu erkennen, ob der Auslöser der Tod der Trauzeugin oder die Absage seiner Verlobten ist. Auch Max Fux, der Trauzeuge hat Tränen in den Augen und die ganzen Hochzeitsgäste sind erneut geschockt.

»Bitte setzen Sie sich alle auf die Bänke nieder!«, ruft Erik, da es unter den Gästen ein leichtes Durcheinander gibt. »Und niemand fasst die Sektgläser an«, weist er Max Fux, Andreas Hambichler und den Pfarrer neben sich an. Trotzdem macht er schnell zur Sicherheit ein Foto des Tabletts mit den restlichen gefüllten Sektgläsern. Da ein paar Gäste sich erheben und die Kirche verlassen wollen, läuft er sofort nach hinten zur großen Eingangstür. »Einmal mehr, bleiben Sie alle sitzen. Das ist jetzt ein Tatort. Ich bin Hauptkommissar Ingvardsen. Wer die Kirche verlässt, wird von mir daran gehindert, notfalls sogar verhaftet«, sagt er, wobei er gleichzeitig denkt. ›Was für ein Unsinn. Ich habe weder Handschellen noch eine Pistole dabei und könnte gegen ein paar wenige Gäste schon nichts mehr ausrichten. Hoffentlich gibt es bald Verstärkung und die Meier´s kommen schnell. Der 2er schießt zur Not auch mal in die Luft … na ja, hoffentlich nur in die Luft.‹

Zum Glück dauert es nicht lange, bis die ersten Autos vor der Kirche, hier mitten im Zentrum von Fürstenfeldbruck eintreffen. Auch mehrere Streifenwagen sind dabei, um zügig die Personalien aller Hochzeitsgäste aufzunehmen.

Polizeioberkommissarin Lena Müller im knallroten Overall mit wilder blonder Mähne und ihren 12 Zentimeter hohen roten High Heels schreitet langsam und lässig den Mittelgang des Gotteshauses entlang als würde sie sich auf einem Laufsteg präsentieren wollen. Als sie die zwei Hauptkommissare sieht, pfeift sie ganz erstaunt durch ihren hübschen Schmollmund.

»Wie attraktiv ihr zwei. Und der Dansk Mand im Anzug aus der Neuzeit!«, sagt sie augenzwinkernd verführerisch in Anspielung auf die gestrige Garderobe. »Ja, so eine Hochzeit kann gefährlich sein, also überlegt es euch gut«, meint sie noch, als die Spusi und der Gerichtsmediziner einmarschieren.

»Grias eich! Wieda am Suntåg! Offenbår gibts imma noch Optimistn de heiratn und an die ewige Liebe glabn«, seufzt der Klagenfurter.

»Hallo Herwig«, sagt Erik weniger begeistert. »Und es gibt einen dänischen Hauptkommissar, der an die deutsche oder zumindest verständliche Sprache für Ausländer glaubt«, grinst er kichernd zurück.

»Natürlich Herr Wachtmeister. Für sympathische Dänen mach ich doch alles«, sagt der blonde Mediziner mit dem langen Zopf. Dann beugt er sich hinunter und schaut sich nach einer kurzen Information die Tote genauer an. Da es keine äußeren Verletzungen gibt, stellt auch er relativ schnell fest, dass es sich wohl um eine Vergiftung handeln könnte und will, dass die Leiche sofort in die Gerichtsmedizin gebracht wird.

Gabi und ihr Team können leider nicht viel in der Kirche ausrichten. Die Gläser mit Inhalt und das Tablett auf dem sie stehen, werden natürlich sofort sichergestellt. Des Weiteren auch die gekühlten Sektflaschen, die vor der Kirche bereit stehen, um vor allem zu kontrollieren, ob irgendwo durch den Korken ein Gift zugeführt und das Loch wieder versiegelt wurde.

»Wo ist eigentlich die Braut?«, fragt Miriam, da die Fallanalytikerin keine Hochzeiterin sehen kann.

»Die habe ich auch noch nicht gesehen. Vielleicht hat sie ja kalte Füße bekommen«, meint Lena belustigt, wobei sie recht streng von der Chefin angeschaut wird, da auch noch der fast Ehemann und der Trauzeuge dabei stehen und ihren Kommentar zu hören bekommen.

»Erzähle ich euch alles im Präsidium«, sagt Andrea kurz mahnend zu den beiden.

Die Meier´s und andere Polizisten haben gerade begonnen Personalien aufzunehmen, bis dem 2er bei der Ansammlung an Personen die Geduld reißt, er alle für ein Foto zusammen stellt und eine Hochzeitsgästeliste anfordert. Damit ist der Auftritt der Polizei auch schon beendet und die geladenen Gäste dürfen nach Hause gehen.

»Herr Andreas Hambichler. Ich bin Hauptkommissarin Andrea Steiner und leite die Ermittlung. Wie Sie jetzt mitbekommen haben, gehen wir nicht von einem natürlichen Tod aus. Um sicher zu gehen, müssen wir aber den Bericht der Gerichtsmedizin abwarten. Unabhängig davon, können Sie mir sagen, was Sabine, also Ihre … äh, fast Ehefrau gemeint hat?«

»Wenn ich das wüsste? Sie haben es ja gehört. Sie hat etwas von fremdgehen gesprochen, aber das habe ich nicht gemacht«, sagt er aufgeregt.

»Sie muss sich aber sehr sicher gewesen sein, wenn sie so eine Behauptung vor den ganzen Hochzeitsgästen macht. Das kam ja nicht plötzlich sondern recht überlegt. Ich bin übrigens Hauptkommissar Erik Ingvardsen, der Kollege.«

»Ich habe keine Ahnung, woher sie diese Idee hat. Jedenfalls stimmt es nicht, ich habe sie gestern nicht betrogen. Dafür war ich auch zu betrunken. Das können sie gleich mehrere Freunde von mir fragen, die gestern und heute dabei waren«, versucht er sich zu erklären.

»Sie müssen sich vor uns bestimmt nicht rechtfertigen. Das ist Ihre Sache. Ich bin nur überrascht, da ich gestern zufällig Sabine nach sehr langer Zeit wieder gesehen habe und für die Hochzeit heute eingeladen wurde«, meint Andrea.

»Und trotzdem bin ich gestern nicht fremd gegangen. Zugegeben, es ging heiß her. Meine Freunde hatten für mich den Junggesellenabend organisiert, es wurde natürlich viel getrunken, es gab auch eine Stripperin die mich anmachte, aber alles blieb im Rahmen.«

»Wie gut kennen Sie die Tote? Sonja Stranger?«

»Na ja, schon sehr gut. Sie ist … war eigentlich eine Freundin von Sabine. Also ich habe sie durch sie kennen gelernt, aber wir sind ja auch schon sechs Jahre zusammen und haben einen fünfjährigen gemeinsamen Sohn, den Xaver. Er hat hier unten in der ersten Reihe bei unseren Eltern gesessen und ist jetzt sicher draußen.«

»Weil Sie Eltern sagen, Ihr Vater war ja offenbar kein Befürworter dieser Hochzeit, wie wir alle soeben hören konnten?«, fragt die Kommissarin.

»Nein, das war er nicht, aber das ist eine längere Geschichte auf die ich jetzt keine Lust habe«, antwortet er genervt.

»Ist schon in Ordnung. Dafür habe ich vollstes Verständnis nach dieser … Aktion. Wir haben heute sicher noch mehr Fragen an Sie, aber zuerst müssen wir die Ergebnisse abwarten. Haben Sie eine Ahnung, wo Ihre Frau jetzt sein könnte?«, fragt Andrea noch, da sie unbedingt mit Sabine sprechen muss.

»Ich habe keine Ahnung, was der Auftritt hier jetzt sollte. Ich nehme an, sie ist nach Hause gefahren. Sie wohnt bei mir auf dem Bauernhof in Jesenwang«, sagt der nicht geheiratete Bräutigam geschockt.

»Herr Fux, Sie sind Trauzeuge von Andreas Hambichler. Können Sie uns vielleicht irgendetwas zu dem Vorfall sagen, das uns weiter helfen könnte?«, fragt die Kommissarin und ist nicht sicher, ob sie in die Hocke gehen oder auf den kleinwüchsigen Mann hinunter schauen soll.

»Na ja, das Nein von Sabine hat wohl niemand hier erwartet. Und warum jetzt Sonja sterben musste, dazu fällt mir auch nichts dazu ein«, antwortet er mit Tränen in den Augen.