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Im 6. Fall muss Hauptkommissarin Andrea Steiner, die Leiterin der Mordkommission Fürstenfeldbruck einen äußerst merkwürdigen Fall aufklären. Noch dazu in einem Swingerclub im sogenannten dark room. Nebenbei bekommt sie eine Menge Probleme mit ihrem Freund und Kollegen Hauptkommissar Erik Ingvardsen. Immerhin erlebt sie bei einem Ausflug nach Amsterdam eine schöne Überraschung.
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Seitenzahl: 522
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Was gibt es Schöneres als ein zufriedenes Leben,
man muss es sich nur richtig einrichten
Herwig Riepl
Stalker und Swinger
© 2023 Herwig Riepl
Umschlag, Illustration: Herwig Riepl
Lektorat: Andrea Hoppe, Isabella Essler
Übersetzung: Herwig Riepl
Bilder: Herwig Riepl
ISBN Softcover: 978-3-347-59652-8
ISBN Hardcover: 978-3-347-59653-5
ISBN E-Book: 978-3-347-59654-2
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Bilder
Langhalsfrauen - Inle Lake – Myanmar
Burj Al Arab – Dubai – Emirate
Burj Al Arab – Lobby – Dubai –Emirate
Kubushäuser – Rotterdam – Niederlande
Victoria Fälle - Livingstone – Zambia
Petronas Towers – Kuala Lumpur - Malaysia
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Erstaunte Gesichter im Swingerclub
Lesben haben es nicht einfach
Der Raum ist wie ein Überraschungs-Ei
Was ist eine Brennsuppn?
Ein sexy String sorgt für reichlich Verwirrung
Das sieht nicht gut aus
Andrea ist sauer und Lena die neue Chefin
Eifersucht, immer wieder Eifersucht
Gute Nachrichten aber keine Versöhnung
Eine Völlig unerwartete Frage
Immer wieder der Ex-Freund
Erik bekommt erneut ein verlockendes Angebot
Verrückte Namensgebungen
Ein fremder Mann mit Hut
Wenn Schallplatten zu Frisbees werden
Eine gute Tat des Hauptkommissars
Zur Samenspende nach Tschechien
Man kann auch zu zweit erotisch swingen
Aus Rexenweg und Hexenweg wird Lesbenweg
Ein Baby sorgt reichlich für Verwirrung
Der 2er darf Lena übers Knie legen
Es war Notwehr
Danksagung
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Erstaunte Gesichter im Swingerclub
Es war Notwehr
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Erstaunte Gesichter im Swingerclub
Auch wenn es keinen aktuellen Fall gibt, so haben die Mitglieder der Mordkommission Fürstenfeldbruck trotzdem genug zu tun. Es muss ja nicht immer gleich ein Mord geschehen, schließlich gibt es auch genug Übergriffe mit Waffen verschiedenster Arten, bei denen es zum Glück nur zu unterschiedlichsten
Verletzungen kommt. Die zwei Polizeimeister, Meier 1 und Meier 2, welche im Falle eines Mordes für die Hauptkommissarin Andrea Steiner arbeiten, werden in der restlichen Zeit als Streifenpolizisten und für andere Delikte eingesetzt. Trotzdem erscheinen sie fast täglich bei den Kollegen in der Mordkommission und berichten von ihren Erlebnissen.
»Heute mussten wir einen Stalker in Nassenhausen in die Schranken weisen«, erzählt der 2er erheitert.
»Nassenhausen? Du meine Güte, wo ist das schon wieder?«, fragt der dänische Hauptkommissar, der die teilweise minikleinen Dörfer in der Umgebung von Fürstenfeldbruck noch immer nicht gut kennt.
»Unser Erik, noch immer auf verlorenem Posten. Jetzt bist du schon eineinhalb Jahre in Bayern und kennst dich noch immer nicht aus«, lacht er amüsiert. »Na gut, manche Dörfer hier in der Umgebung bestehen auch nur aus fünf Häusern, drei Hundehütten, zwei Hühnerställen und einer Milchrampe. Wenn man mit dem Auto am Ortsschild schnell hineinfährt und dabei einmal ordentlich furzt, ist das Dorf schon wieder hinter dir«, grinst er einmal mehr über seinen eigenen Witz. »Nassenhausen liegt vor Luttenwang.«
»Und in deinem Auto stinkt es dann zehn Dörfer weit!«, meint Lena zu wissen und lacht dabei.
»Oh 2er!«, stöhnt der Däne leicht bedrückt. »Gib mir als Namen bitte etwas Größeres als Vergleich!«
»Nicht weit hinter Mammendorf«, erklärt der 1er.
»Das ist mir ein Begriff«, dankt Erik dem 1er Meier. »Vor allem der gute Metzger mit seinen warmen Gerichten ist dort immer wieder ein Zwischenstopp wert.«
»Genau, wo es die guten Wammerl gibt … oder sagst du noch immer Wummerl?«, fragt Miriam kichernd.
»Und die guten Pølse, wo der heiße Käse rausspritzt«, erinnert Lena leicht erotisch mit der Zunge schnalzend, die mittlerweile für die Wurst nur noch das dänische Wort verwendet.
»Und was war mit dem Stalker?«, fragt die Chefin, da sie nicht länger über das Gespräch von Essensgelüsten und diversen ausgesonderten Gerüchen diskutieren will.
»Ah schwierig. Er hat angeblich einmal etwas mit der Nachbarin gehabt. Zu seinem Leidwesen hat sie es aber ganz schnell beendet. Keine Ahnung warum, ist halt so. Nur kommt er damit nicht klar und läuft ihr andauernd hinterher.«
»2er, welche Lösung hast du dafür gehabt? Hast du ihm die Füße gebrochen, damit er ihr nicht mehr nachlaufen kann?«, stichelt die Blondine und wird tadelnd von Andrea angeschaut, weil sie weiß, der Kollege kann leider manchmal ordentlich übertreiben.
»Ich habe ihm gesagt, die schaut doch gar nicht so gut aus. Er soll sich um eine Hübschere umschauen. Die Frau hat ihn mittlerweile mehrmals angezeigt und es gibt sogar eine richterliche Verfügung, dass er sich ihr nicht mehr als 30 Meter nähern darf. Aber dieser Erlass ist eigentlich völliger Unsinn. Er ist der Nachbar und wohnt noch dazu in einer Sackgasse. Das heißt, er dürfte sich weder im eigenen Garten aufhalten, noch an der Straße bei ihr vorbeigehen, um aus dem Ort zu kommen. Das ist halt alles ein bisschen schwierig und verworren. Ich fand ihn ganz okay aber was in seinem Kopf vorgeht weiß ich natürlich nicht.«
»Was würdest du tun?«, fragt die Schreibkraft Sabrina ihre blonde Kollegin Lena.
»Bei unserer blonden Lena wäre es natürlich wesentlich einfacher«, unterbricht der 2er schnell. »Sie würde einfach sagen, ich lass dich noch einmal drüber und dann ist es vorbei. Und das jede Woche aufs Neue«, lacht er. »Was sagt eine Blondine, wenn ihr das Wasser bis über den Bauchnabel reicht? Das geht über meinen Verstand!«, lacht er hämisch.
»Stell dich doch unter die Dusche und zähle die Wassertropfen«, raunzt sie forsch zurück. »Warum sind Blondinenwitze immer so kurz? Damit sie auch dumme Polizisten wie du verstehen.«
»Das mit diesen fanatischen Stalkern ist leider nicht einfach. Ich glaube, da verläuft jeder Fall unterschiedlich und hängt auch von der gestalkten Person ab. Aber es muss schon ein ungutes Gefühl sein, zu wissen, jemand läuft einem immer hinterher und man fühlt sich beobachtet«, meint Erika zu dem Thema.
»In dem Fall ist es sicher verletzte Eitelkeit. Die Frau ist ja verheiratet. Aber was soll sie tun? Das Haus verkaufen und wegziehen?«, fragt der 1er.
»Ich glaube ich werde mich für heute verabschieden und Feierabend machen«, erklärt die Fallanalytikerin, die der Diskussion nur stumm zugehört hat und steht darauf etwas beschwerlich auf.
»Mich wundert es sowieso, dass du überhaupt noch arbeitest«, sagt Mike. »Wann ist es jetzt soweit?«
»In ein paar Wochen«, erklärt Miriam und hält dabei ihren deutlich sichtbaren Bauch. »Nur zu Hause rumsitzen würde mich auch nicht froh stimmen. Noch geht es mir gut.«
»Aber nicht dass du noch hier platzt! Dein Ranzen sieht ja bereits aus als würden sich Drillinge ankündigen die nicht raus wollen«, lacht der 2er überschwänglich. »Oder fehlt dir das Geld zum Entbinden?«
»Mein Ranzen, wie du ihn nennst, ist für eine schwangere Frau zu diesem Zeitpunkt völlig normal. Da brauchst du dir keine Sorgen machen«, hält sie dagegen.
»Aber du selbst könntest schön langsam einmal entbinden«, grinst Lena. »Bei deinem fetten Ranzen könnte man glauben du bist im 6. Monat und das bereits seit vielen Jahren. Mit Tendenz schon zum 7. Monat«, wozu alle lachen und der 2er nur murmelt: »Ich esse halt gerne.«
»Jetzt erzählt mal. Wie war Dubai und vor allem, wie ist dieses berühmte sieben Sterne Hotel wirklich«, fragt Erika, als Miriam gegangen ist, die beiden Hauptkommissare und ändert das Thema.
»Ah, es ist ein Traum. Ich weiß gar nicht, was ich zuerst davon erzählen soll«, schwärmt Andrea und blickt Erik mit glänzenden Augen an. »Alles ist super nobel. Alleine der Eingangsbereich vom Hotel. Die Wasserfontainen und springenden Wasserstrahlen, beleuchtet mit wechselnden Farben. Eigentlich blickt man andauernd nach oben, egal ob man in der Lobby steht, die Rolltreppen hochfährt oder sich weiter oben im Inneren des Hotels aufhält. Es gibt ein unglaubliches Fischrestaurant, bei welchem einem die Fische während dem Essen von allen Seiten zusehen können. Der Innenpool liegt in einer der obersten Etagen, von wo man auf die umliegenden Hotels oder die ins Meer gebaute Palme blickt. Der helle Wahnsinn. Darüber liegen noch das Restaurant und der Helikopterlandeplatz.«
»Alle Zimmer in diesem besonderen Hotel Burj Al Arab reichen über zwei Stockwerke und sind fast dreimal so groß wie meine Wohnung«, gibt Erik zu. »Eigentlich können meine Räumlichkeiten nur mit der Größe des Bades mithalten. Waschbecken für Frau und Mann sind getrennt, goldene Armaturen, die Dusche voller unterschiedlicher Düsen die von allen Seiten auf einen zielen. Eine Toilette, ein Bidet, sogar eine Waage, damit man sieht, wie viel man von den reichhaltigen Buffets gegessen hat«, lacht der Däne. »Und natürlich der Whirlpool mit seinen vielen Funktionen und einem riesigen Mosaikbild dahinter. Ich muss schon sagen, selbst ich habe mich in dem Fall wesentlich länger im Bad aufgehalten.«
»Wie weißt du, welches Waschbecken deines war oder stand dort, für Dänen mit Pimmel?«, fragt der 2er witzelnd.
»Das erkennt man an den vielen Toilettenartikeln die für die Gäste im Badezimmer als Geschenke bereit stehen. Sündhaft teure Parfums welche ich aus Duty Free Geschäften vom Flughafen kenne, Rasierwasser, Rasierschaum …«
»…auch für die Frau oder dürfen die sich in diesen Ländern nicht rasieren?«, unterbricht Lena schelmisch.
»Damenbärte sind ja mittlerweile immer mehr gefragt«, meint der 2er zum Spaß.
»Die speziellen Rasierarbeiten übernimmt doch der Mann bei der Frau«, meint Erik amüsiert, da ihm natürlich klar ist, was die blonde Kollegin damit gemeint hat.
»Es gibt sogar einen 24 Stunden Butler-Service. Ich habe das extra einmal ausprobiert und um 2 Uhr in der Früh einen Kaffee bestellt«, erklärt Andrea weiter. »Wenn es an der Tür läutet, zeigt die Kamera das Bild am Monitor, damit man sieht wer draußen steht und drückt auf den Knopf, damit die Tür entsperrt wird. Auf dem Tablett steht in dem Fall nicht nur ein Kaffee, sondern eine Kanne, Tasse, Zucker, Milch, ein Glas Wasser, kleine Schokoladenstücke, Kekse und eine feine Porzellantasse mit einer blühenden Orchideenrispe.«
»Und das Bett? Gibt es dort gar ein Wasserbett?«, will Lena gleich wissen.
»Nein das nicht. Wasser gibt es im Meer genug, welches das Hotel umspült. Dafür war es ein riesiges Bett mit einem Baldachin in goldenen Farben und vielen bunten Kissen, wo man sich dreimal drehen kann und noch immer nicht runter fällt. Außerdem ist ein sehr großer Spiegel mit dekorativem Goldrahmen an der Decke montiert, damit man sich …«
»… das will ich von euch gar nicht wissen!«, sagt Lena schnell.
»Damit man sieht, ob man nicht doch zu weit an der Seite liegt und rausfällt, wollte ich sagen«, erklärt der Kommissar weiter.
Andrea erzählt bereits von dem Frühstücksbuffet, als Lena an Erik rückt und in sein Ohr flüstert: »Ich hätte gerne im Spiegel gesehen, wie du über mich herfällst und in Ekstase vögelst.«
»… ein Buffet soweit das Auge reicht. Eigentlich bräuchte man eine Speisekarte, um überhaupt zu erfahren, was dort zum Frühstück angeboten wird. Egal was man sieht, alles wird in mehrfachen Varianten angeboten. Kaffee mit Milch klingt ja einfach. Aber … welche Sorte Milch? Von der Kuh, dem Kamel oder dem Schaf. Oder doch lieber Ziegenmilch? Je länger man schaut umso weniger weiß man, was man essen will. Für Erik war es einfacher. Er hat immer gleich ein kleines Steak zum Frühstück gegessen«, lacht die Chefin und schaut ihn schmunzelnd an.
»Na ja, ich habe schon auch sehr viel probiert. Vor allem von den vielfältigen exotischen Obstsorten und den leckeren Backwaren. Aber gut, die Semmel mit Marmelade habe ich weggelassen«, gibt er zu.
»Und jeden Abend diese herrlichen Betthupferl. Das waren keine einfachen Pralinen. Eher eine kleine Bonboniere in einem Lederetui mit handgemachten Köstlichkeiten aus Schokolade aller Art oder Datteln in Schokolade getunkt«, kommt Andrea immer mehr ins Schwärmen.
»Mhm, wenn ich den Lohn einer Hauptkommissarin einmal bekommen soll, leiste ich mir das auch«, sagt Polizeikommissarin Lena Müller bedauernd.
»Glaub jetzt nicht, dass wir so viel mehr verdienen. Es war einfach ein kurzfristiges Angebot, welches unser Vielgereister wieder einmal gefunden hat. Und natürlich, Ende Februar bei unserem Wetter hier war das doppelt verlockend«, erklärt die Chefin informierend. »Aber jetzt hören wir auf, sonst werdet ihr wirklich noch neidisch. Ah, eines noch. Als wir draußen im Pool vor dem Meer geschwommen sind, hat uns der Butler mit Früchte-Spießen versorgt. Und wenn es nichts für ihn zu tun gab, hat er Erik´s Brille die neben den Getränken bei der Liege abgelegt war, geputzt. Wenn wir aus dem Wasser kamen, hat er unser Gesicht vorsichtig mit einem Spray mit Jasmin Duft angesprüht und ein wohlriechendes Handtuch gereicht.«
»Die Kollegen schütteln zu den vielen Erzählungen fast ungläubig die Köpfe nur der 2er fragt: »Hat er auch deinen Arsch abgewischt?«, wozu Andrea aber nicht zum Antworten kommt, weil Lena schneller ist: »Bei dir hätte er den ganzen Tag die Läuse aus den Haaren gerupft.«
»Ich denke, wir können jetzt alle Feierabend machen und sehen uns morgen in neuer Frische wieder«, beendet die Chefin den Arbeitstag. »Hoffen wir, dass es eine ruhige Woche bleibt!«, wogegen natürlich niemand einen Einwand hat und sich alle erfreut verabschieden.
»Miriam erstaunt mich wirklich«, meint Andrea. »Die Schwangerschaft steckt sie bisher recht gut weg. Auch wenn sie kugelrund geworden ist, bewegt sie sich trotzdem noch erstaunlich passabel. Aber bald ist es soweit. Bald ist Ostern, viel länger wird es sicher nicht mehr dauern.«
»Nur zu Hause sitzen und warten auf den Tag X macht es ja auch nicht besser. Vor allem, wenn man keine Probleme hat. Ich kann sie gut verstehen«, gibt ihr der Däne recht.
Obwohl der erste Arbeitstag nach dem Urlaub in Dubai locker war, sind die Kommissare noch müde und haben sich nach dem Abendessen und einen Film bald darauf ins Bett gelegt.
Das Telefon klingelt und die Hauptkommissarin sagt leicht verschlafen: »Wer stört?« Dann hört sie eine Weile zu und antwortet schließlich: »Oje, ja wir kommen. Ein Toter im Swingerclub Dreamworld«, seufzt sie nur und rüttelt am Kollegen. »Meine Hoffnung, die Osterwoche ruhig zu verbringen, ist bereits jetzt schon zerschlagen worden.«
Der Däne blickt verschlafen auf die Uhr und meint etwas frustriert: »Auf Erotik bin ich jetzt nicht eingestellt. Vor allem nicht nach nur knapp zwei Stunden Schlaf. Auf einen Besuch im Swingerclub würde ich sehr gerne verzichten.«
»Ich auch, aber es nützt alles nichts. Du sollst ja auch nicht swingen, sondern dir eine Leiche ansehen. Komm mein heißer Schokobär, wir müssen!«, sagt Andrea bedauernd.
Der bekannte Club liegt direkt am Waldrand und als die zwei Hauptkommissare ankommen, treffen auch die Meier´s sowie Miriam und Lena ein.
»Guten Morgen oder sagt man guten Abend um 0:30 Uhr des Nächtens?«, begrüßt Andrea die Kollegen gähnend und nicht sehr begeistert. »Meier´s sperrt hier vorne gleich einmal alles ab und sorgt dafür, dass alle Personen die das Gebäude verlassen und hier wegfahren wollen, unbedingt ihre Personalien hinterlassen.«
Auf dem Weg hinein meint die Blondine flüsternd und kichernd zu den drei Kollegen: »Ich war noch nie in so einem Club, wäre ja lustig mal gemeinsam einen Betriebsausflug zu wagen.«
»Bist du dir da sicher? Zusammen mit den Meier´s?«, fragt Andrea stirnrunzelnd.
»Äh … na gut, vielleicht doch keine so gute Idee!«, nimmt sie den Vorschlag schnell zurück und will sich den 2er lieber nicht halbnackt vorstellen.
Als die Kommissare von einem Türsteher in das Etablissement hineingelassen werden, sehen sie mehrere Personen recht betroffen an der Theke und auf den Sofas sitzen. Kaum jemand von ihnen spricht, der Schock über das Bekanntwerden einer toten Person ist groß. Eine weißblonde kräftige Frau kommt ihnen leicht aufgeregt entgegen und sagt: »Ich bin Guðríðr Þorbjarnwardóttir, die Besitzerin von dieser Einrichtung.«
Da die drei weiblichen Ermittlerinnen bei dem unaussprechlichen Namen nur verwundert die Augenbrauen heben sagt der Hauptkommissar erklärend: »Das ist ein isländischer Name und die Frau ist unschwer als Isländerin zu erkennen. Ihr könnt sie gerne mit den eingedeutschten Namen Gudridur ansprechen. Hey, jeg hedder Erik Ingvardsen og som du kan høre jeg er Dansker«, klärt er sie darauf in dänischer Sprache auf.
»Ich bin schockiert, was hier heute Abend passiert ist und hoffe, ihr könnt den Fall schnell aufklären. Ich weiß zwar nicht, ob ich eine große Hilfe bin aber ich stehe mit meinen Möglichkeiten natürlich zur Verfügung.«
»Mange tak. Wir tun unser Bestes. Zuerst aber ganz schnell eine Frage: Sind alle Gäste abgesehen von der Leiche hier im Raum?«, will Erik wissen.
»Bis auf ein Pärchen die unbedingt mit den verantwortlichen Kommissaren sprechen wollen und die Frau die die Tote gefunden hat, ja. Die warten hinten.«
»Weißt du wie die tote Frau heißt?«
Da die Isländerin nur den Kopf schüttelt sagt Erik: »Gut. Miriam und Lena, ihr beginnt sofort mit den Personalien und üblichen Fragen. Andrea und ich schauen uns zuerst das Opfer an.« Darauf verkündet er laut: »Bitte ziehen Sie sich alle etwas an und halten Sie sich zur Verfügung. Sie werden jetzt gleich von meinen Kolleginnen befragt und müssen sich dafür auch ausweisen.«
Dann gehen sie durch einen längeren Gang von dem rechts und links verschiedene Räume weggehen, welche mit großen Namensschildern beschriftet sind.
»Wo ist es passiert und sind abgesehen von dem einen Paar und der Frau, die sie gefunden hat wirklich alle vorne?«, fragt der Kommissar nochmals nach.
»Die Tote liegt im dark room. Bis auf das Paar und eine Frau sind wirklich alle im Eingangsbereich. Die drei warten hier hinten und wollen alleine mit euch reden«, sagt sie erneut.
»Ist das hier normal, dass die Gäste Masken tragen?«, stellt Andrea eine erste Frage.
»Eigentlich nicht, aber wir haben heute einen ganz speziellen Themenabend. Das mache ich einmal pro Woche. Dadurch gibt es diese besonderen Aufmachungen. Und heute ist das Thema ›Körper ohne Gesicht‹, was so viel bedeutet wie, wer nicht erkannt werden will, legt sich eine Maske an. Bei den meisten Masken erkennt man die Personen sowieso, da sie eher einen erotischen Zweck darstellen, aber eben nicht bei allen«, werden sie informiert.
Als Andrea und Erik die drei Personen sehen, bedanken sie sich schnell bei der Isländerin und schicken sie gleich wieder zurück, informieren sie aber, dass sie sicher noch ein paar Fragen haben werden. Außerdem soll sie den Gerichtsmediziner sowie die Spurensicherung, sobald die eintreffen, gleich nach hinten schicken. Dann gehen die Kommissare auf das ihnen recht bekannte Pärchen zu und schauen sie nur staunend und etwas schmunzelnd an.
»Diese junge Frau hat die Tote gefunden«, sagt die weibliche Stimme des Paares.
Die Kommissarin macht nur große Augen, während der Däne sofort die junge Frau mit dem weißen blutverschmierten Spitzenbody fragt: »Wie heißt du und was genau ist passiert?«
»Ich bin Sonja Schreber und in diesen finsteren Raum hineingegangen, also, auf allen vieren losgekrabbelt wäre wohl die richtigere Beschreibung, da man ja nichts sehen kann. Irgendwann habe ich einen weiblichen Körper gespürt und mich langsam nach oben getastet. Vielleicht sollte ich erwähnen, ich fühle mich sexuell zu Frauen und Männern hingezogen. Darum habe ich einfach weiter gemacht. Dabei bin ich plötzlich auf ein Messer gestoßen und als ich die Person leicht geschüttelt habe, hat sie weder etwas gesagt noch sich gerührt. Darauf bin ich bereits schreiend aus dem Zimmer gestürzt«, erzählt sie mit Tränen und recht aufgeregt.
»Kennst du die Frau? Hast du noch jemanden hier in der Nähe gesehen?«
»Nein. Weder kenne ich sie noch habe ich hier hinten jemanden gesehen. Nur das Pärchen, das jetzt mit mir gewartet hat. Aber die haben nur ein bisschen rumgeschaut. Ich glaube die sind neu und waren eher mehr neugierig, was es hier alles so gibt und angeboten wird.«
»Zieh dir etwas an und gib vorne an der Theke meinen Kolleginnen deine Personalien«, sagt Erik und bedankt sich.
Sobald die mit Blut verschmierte Frau gegangen ist, beginnt die andere kräftige Frau des Paares aufgeregt zu erzählen. »Denkt was ihr wollt, das erste Mal, wirklich das absolut erste Mal sind wir in einem Swingerclub und dann passiert uns gleich so etwas schreckliches!«, sagt sie verärgert und fast ein bisschen beschämt.
»Hübsch hübsch ihr zwei! Der Mann mit einer Art Penisfutteral und die Frau mit Slip und einem hauchdünnen Negligé. Ihr seht ja wirklich sehr aufreizend aus!«, lobt Erik verschmitzt, wozu Andrea sogar grinsen muss.
»Frau Staatsanwältin Isabella Fröhlich und ihr Lebenspartner Herr Helmut Geil. Es freut mich, Sie hier begrüßen zu dürfen«, sagt die Kommissarin etwas belustigt.
Darauf gibt es aber sofort eine recht herzliche Begrüßung unter den Vieren.
»Isabella, dein üppiger Busen der sich hier so reizend und transparent durchs Negligé drückt, bringt meine Ermittlungen eventuell etwas durcheinander. Zieht euch etwas an und kommt dann wieder hier her, wir sehen uns jetzt die Leiche an«, schlägt der Däne vor.
Im dark room brennt bereits Licht. Eine jüngere Frau liegt mit dem Rücken auf einer riesigen Matratze, die den kompletten Fußboden bedeckt. Sie ist vollkommen nackt. Ein Messer steckt zwischen ihrer Brust. Eine schwarze transparente Gesichtsmaske ist verrutscht und liegt neben dem Kopf. Auch ein Taschentuch und eine Schnur sind zu sehen. An der Seite befindet sich ein roter Body, der offenbar ihr gehört.
Als die Hauptkommissare näher gehen, sagt Andrea: »Was ist da nur passiert? Wie kann hier jemand mit einem Messer rumlaufen? Wurde in diesen Raum Licht gemacht?«
In dem Moment kommen der Gerichtsmediziner und das Team der kriminaltechnischen Untersuchung an.
Herwig grinst: »Das wir uns ålle amål in an Swingaclub treffn, het i nit von eich gedåcht.«
»Ich besuche aus Sicherheit diese Clubs wesentlich weiter weg, wo mich niemand kennt«, klärt ihn Gabi, die Chefin der Spusi auf, womit er nicht sicher ist, ob sie das ernsthaft gemeint hat.
»Und wir swingen lieber zu Hause und besuchen gar nicht solche Clubs«, meint Andrea dazu.
Dann schaut sich der Österreicher die Leiche an und sagt ein paar Mal nur »Mhm.« Dabei runzelt er etwas verwundert die Stirn bis er schließlich erklärt: »Sie is maximal a hålbe Stund tot, sågn ma kurz nach Mitternåcht, etwa 0:20 Uhr. Verstehst mich Däne? Was merkwürdig ist, hier gibt es gleich mehrere Mordwaffen die angewandt wurden. Da wollte jemand ganz sicher gehen oder konnte sich nicht für eine Todesart entscheiden. Hier liegt ein Taschentuch an dem man noch den leicht süßlichen Geruch von Chloroform riechen kann. Damit wurde die Frau offenbar zuerst betäubt. Dann sehe ich das Messer. Ein Stich genau zwischen die Brüste. Wie hast du einmal gesagt, heißt dieser Teil bei euch in Dänemark noch?«
»Kavalergang«, sagt Erik.
»Ah genau, der Gang für den Kavalier«, fährt er fort. »Aber das muss nicht die Todesursache gewesen sein. Dann gibt es hier noch diese Bratenschnur um den Hals. Sie wurde stranguliert und das könnte .wohlgemerkt, es könnte die Todesurasche sein. Aber um sicher zu gehen und um welchen Ablauf es sich handelt, muss ich sie genauer untersuchen. Abwehrverletzungen kann ich auf den ersten Blick keine erkennen.«
Erik hebt verwundert die Brauen: »Bratenschnur?«
Der Österreicher grinst dabei, spricht aber immerhin ohne Dialekt weiter: »Eine Bratenschnur verwendet man beim Kochen. Für Rouladen oder Krautwickel. Bei euren Fischen in Dänemark braucht man keine Schnüre. Du kochst wohl nicht und öffnest nur Gulaschdosen?«, lacht er amüsiert.
»Ich koche nicht, ich bereite ein Essen zu. Würde ich kochen wäre ich sicher wenige Sekunden später bereits tot, das solltest du als Mediziner wissen. Außerdem, was ich in der Küche zubereite, läuft mir nicht davon und braucht keine Schnur«, antwortet Erik listig und bringt Herwig mit seiner Erklärung etwas ins Grübeln. Immerhin erkennt er sofort die zweideutige Wortwahl auch wenn sie jeder verwendet. Darum geht er nicht länger darauf ein.
»Egal, bringt sie mir schnell in die Pathologie. Alles andere später … Vormittag, nicht früher!«, wobei er gleich demonstrativ auf die Uhr schaut, als möchte er andeuten, dass er gerne noch ein paar Stunden schlafen möchte. »Pfiat eich«, womit er sich auch schon wieder von den Ermittlern verabschiedet.
»Bei dem Publikum hier brauche ich nicht viel nach Spuren wie Haaren und Fingerabdrücken suchen. Ansonsten könnt ihr einen neuen Ordner mit verschiedenen DNA-Proben anlegen. Wir tun unser Möglichstes. Vielleicht finden wir ja etwas auf dem Messer oder an ihrem Körper«, seufzt Gabi, die Chefin der Spurensicherung bedrückt. »Oder wollt´s ihr gar, dass ich die ganzen gefüllten Kondome einsammle und untersuche?«
»Das wird nicht notwendig sein. Der Täter wird kaum eine DNA in Form von Sperma hier abgegeben haben. Außerdem herrscht sicher Kondompflicht und so etwas kann man mitnehmen oder … was ich eher vermute, es kam gar nicht zum Geschlechtsverkehr. Wer mit einer Bratenschnur, einem Messer und Chloroform getränktem Taschentuch in den Swingerclub geht, hat nicht vor zu swingen. Ich will nicht zu voreilig sein, aber das war ein geplanter Mord. Ob die Frau ein Zufallsopfer ist oder bewusst ausgesucht wurde, müssen wir rausfinden«, meint der Hauptkommissar. »Trotzdem will ich, dass ihr jede Faser zumindest hier um die Leiche einsammelt und registriert. Wer auch immer in diesem Raum gewesen ist, muss die Matratze berührt haben. Vielleicht können wir die Ergebnisse mit späteren Verdächtigen vergleichen und kommen dadurch auf einen Täter.«
Gabi bemerkt sofort etwas kritisch und nicht sonderlich glücklich: »Das gibt sicher sehr viel Arbeit aber … wir tun unser Bestes.«
Dadurch dauert es auch eine Weile, bis die Leiche zum Abtransport bereit ist. Das Team der Spurensicherung hat den Raum blockiert und viel zu tun. Erik bekommt eine SMS geschickt und muss dabei beim Lesen gleich herzlich lachen.
»Unser Swinger-Paar bevorzugt es bei den Kollegen vorne nicht erkannt zu werden. Darum haben sie sich in einem Raum versteckt und warten bis wir sie holen«, klärt er die Chefin auf.
Zurück an der Theke im großen Raum haben die Fallanalytikerin und Lena bereits die Befragungen abgeschlossen und die Personalien aller Gäste aufgenommen. Niemand will in dem dark room gewesen sein und niemand kennt die tote Frau. Darum gibt es auch keinen Grund, die Besucher noch länger festzuhalten und sie werden nach Hause entlassen. Auch die Meier´s können genauso wie die zwei Kolleginnen wieder nach Hause fahren.
»Wir brauchen ihre Personalien. Wo könnte ihr Schrank sein, wo sie sich umgekleidet hat?«, wird die Besitzerin des Ladens gefragt. Die Isländerin geht vorne weg während der Kommissar sie weiter fragt: »Guðríðr, gibt es so etwas wie Videokameras hier drinnen oder vor dem Gebäude? Ich meine versteckt, nicht sichtbar«, fragt er sie auf Dänisch, um ihr gleich zu zeigen und klar zu machen, dass er alles vertraulich behandelt und nicht mal seine Kolleginnen etwas davon erfahren.
»Nein! Natürlich nicht! Weder legal noch illegal, ich würde es dir wirklich sagen und danke für dein Entgegenkommen«, antwortet sie recht erfreut aus einer Mischung aus Dänisch und Isländisch. »Wenn ich so etwas machen würde und das öffentlich wird, würde nie wieder jemand hier her kommen. Das widerspricht absolut jeder Regel.«
»Mange tak«, sagt Erik nur, da er nichts anderes erwartet hat.
Ein Schrank im Umkleideraum ist verschlossen und der Schlüssel, welchen die tote Frau um das Handgelenk hatte passt genau. Andrea öffnet und holt ihre privaten Sachen heraus. Neben der Kleidung befinden sich auch Autoschlüssel, Haustürschlüssel, Geldbörse, das Mobil-Telefon und ein Ausweis.
»Die Frau heißt Agnes Rohnig und ist 30 Jahre. Sie wohnt in Nassenhausen«, sagt Andrea.
Danach holen die zwei Hauptkommissare endlich das wartende Paar, welches heute Swingerclub-Premiere feiert, aus ihrem Versteck heraus.
»Die Luft ist jetzt rein, nur die Chefin ist noch hier und kennt euch ja nicht«, informiert die Kommissarin die beiden.
Da weder Helmut Geil noch die Staatsanwältin Isabella Fröhlich irgendetwas gesehen haben, belassen es die Ermittler vorerst mit weiteren Fragen und wollen zuerst lieber selbst ein bisschen Schlaf nachholen. Außerdem müssen sie noch davor nach Nassenhausen, um die Todesnachricht zu überbringen. Darum verabschieden sie sich von der weißblonden Guðríðr Þorbjarnwardóttir, die noch angibt, am Vormittag wegen ihrer Buchhaltung im Club zu sein, sollte es weitere Fragen geben. Am Parkplatz gibt es eine erleichterte und dankende Abschiedszeremonie mit Isabella und dem Hausmeister.
»Na wie war es das erste Mal in einem Swingerclub?«, fragt Erik kichernd.
»Frage nicht! Wir waren kaum eine Stunde hier. In der Zeit haben wir etwas getrunken und uns ein bisschen umgesehen, wie das in einem Club dieser Art überhaupt so abläuft. Das ist aber nicht unsere Welt, da haben wir uns vertan und nicht einmal Lust verspürt, es mit jemanden zu probieren«, erklären beide gemeinsam und überzeugt.
Die Hauptkommissarin raucht noch eine schnelle Zigarette bevor die beiden Ermittler zum Haus von Agnes Rohnig fahren. Da niemand öffnet und die Kommissare auch nicht die ganze Straße durch lautes Klopfen wachrütteln wollen, verschieben sie die traurige Botschaft lieber auf später. Danach geht es endlich wieder zurück in die Schöngeisingerstraße. Noch bevor die beiden in die Wohnung von Andrea kommen, hat sie bereits allen Kollegen per SMS die Information gesendet, dass die tägliche Morgenbesprechung um eine Stunde, auf 9 Uhr, verschoben wird.
Lesben haben es nicht einfach
Die Hauptkommissarin seufzt unzufrieden: »In zehn Minuten ist es bereits 9 Uhr«, meint sie ungeduldig und reißt Erik die Decke vom Körper.
»Das hast du schon vor zehn Minuten gesagt«, murmelt der Kollege verschlafen und sieht, dass seine Chefin bereits fertig angezogen ist und ihm eine Tasse Kaffee reicht. »Wir haben eine Leiche, die läuft schon nicht weg, außer jemand lässt sie verschwinden, wie es damals in der Gerichtsmedizin passiert ist. Ich glaube auch nicht, dass unsere Staatsanwältin flüchtig ist und sie oder Helmut es waren«, wobei er aber ein bisschen schmunzeln muss.
»Oje, die haben aber auch ein Pech! Da sind sie das erste Mal in einem Swingerclub und dann so etwas? Sag mal, würde es dir gefallen, mit mir dorthin zu gehen?«, fragt Andrea und achtet dabei genau auf seine Reaktion.
»Es ist immer gefährlich, schnell nein zu sagen zu etwas, dass man überhaupt nicht kennt. Denk an das asiatische Essen, damals zusammen mit Lena. Das hat euch auch geschmeckt obwohl ihr über den Vorschlag nicht begeistert ward. Liebe und Sex sind zwei Paar Schuhe und kann man auch ganz gut getrennt genießen aber mich würde eine unbekannte Person nicht reizen. Das käme einem one night stand gleich. Vertrauen und Sympathie sind mir wichtig, darum würde ich eher sagen, nein, dafür müsstest du dir jemanden anderen suchen. Ich gebe aber zu, wie es unsere Staatsanwältin macht, jahrelang mit einem Freundespaar auch manchmal Partnertausch zu haben, im selben Zimmer, das könnte, wohlgemerkt … könnte aufregend sein. So wie wir damals beim ersten Besuch alle in ihrem Pool gelandet sind und kurz davor standen …«
»und du so betrunken von der Nacht warst, dass es nichts daraus wurde!«, unterbricht die Kommissarin erinnernd, obwohl sie weiß, am Geburtstag der Staatsanwältin kam es dann doch dazu. Dann sagt sie erneut. »So jetzt aber raus aus dem Bett, wir … besser gesagt, du bist spät dran!«
»Guten Morgen alle zusammen«, beginnt die Chefin und blickt auf die Uhr, die eine Verspätung von 15 Minuten feststellt. »Tut mir leid, unser dänischer Kommissar braucht halt seinen Schönheitsschlaf«, entschuldigt sie sich.
»Und während ihr schlummert, haben wir, Sabrina, Mike und ich, bereits die Eltern des Opfers gefunden und auch schon benachrichtigt«, sagt Erika. »Gemeldet ist sie im Rexenweg in Nassenhausen, zusammen mit einer Gretel Petratz.«
»Danke, aber ihr musstet auch nicht um halb eins in der Früh in den Swingerclub fahren«, versucht sich Erik zu rechtfertigen.
»Ich glaube, da gibt es schlimmere Sachen«, lacht Mike, fügt aber beschwichtigend an, dass Gäste in Dessous und ohne Messer im Bauch sicher aufregender sind.
»Sehr gut, dann brauchen wir die Eltern nicht mehr benachrichtigen und informieren ihre Mitbewohnerin«, bedankt sich Andrea. »Habt ihr vielleicht schon rausgefunden, wo sie gearbeitet hat?«
»Nein, wir wollen ja nicht gleich die ganze Arbeit machen«, meint Mike. »So lange sind wir auch noch nicht hier. Wir kümmern uns jetzt um die finanzielle Situation, Familie und solche Sachen.«
»Mist, dann muss ich wohl heute auch noch was arbeiten«, meint der Däne.
»Der Rexenweg in Nassenhausen ist eine kurze Sackgasse. Genau genommen gibt es dort nur sechs Einfamilienhäuser mit großzügigen Grundstücken. Unter anderem wohnt auch der Stalker dort, den die Meier´s erst erwähnt haben«, informiert Erika.
»Ich habe eine Frage an euch«, meint Sabrina. »Das Opfer lag ja im dark room, also ein unbeleuchteter Raum, wo offenbar Personen Sex mit Unbekannten haben. Wie ist es dort möglich, mit einem Messer eine Person in die Brust zu stechen und sie zu erdrosseln?«
»Darüber können wir bisher nur spekulieren. Ich bin auch kein Swingerclub- Experte«, antwortet Erik.
»Kann es nicht auch eine Frau gewesen sein?«
»Theoretisch ja. Aber wenn wir den Obduktionsbericht haben, wissen wir hoffentlich mehr«, meint Andrea. »Na gut. Machen wir eine Arbeitsaufteilung. Mich will leider der Präsident jetzt sehen«, sagt Andrea. »Lena und Miriam, ihr fragt die Mitbewohnerin des Opfers, Gretel Petratz. Sollte sie nicht zu Hause sein, findet raus wo sie arbeitet. Meier´s, ihr befragt die Nachbarn zu unserem Todesopfer. Und die Swingerclub-Gäste gehören auch befragt.«
»Ich würde sagen, den großen Zeitaufwand für die Besucher vom Club können wir uns sparen. Niemand wird sagen, er kennt die Frau, um nicht weitere Fragen der Polizei beantworten zu müssen. Und der Mörder wird es auch nicht tun. Manche Personen sind vielleicht ohne das Wissen des Partners dort. Die werden sich bedeckt halten. Darum würde ich vorschlagen: Erst wenn wir in den privaten Sachen der Toten einen Namen der Gäste finden, machen wir eine Befragung«, ist Erik´s Vorschlag an die Chefin.
»Ja, das überzeugt mich du Neunmalkluger! Auch die Isländerin … wie heißt sie jetzt noch? Sie müssen wir auch befragen.«
»Guðríðr Þorbjarnwardóttir«, sagt Erik, wobei gleich alle Kollegen bei dem Namen die Augenbrauen verwundert anheben.
»Das übernimmst du, Erik! Zur Staatsanwältin müssen wir auch noch«, meint sie und blickt zum Dänen, da dieses Geheimnis natürlich niemand erfahren soll und nur einer der beiden Hauptkommissare machen kann. »Schaffst du das auch? Dafür gehe ich zur Spusi und in die Gerichtsmedizin, sollte es bereits Neuigkeiten geben«, bietet Andrea an.
Der Hauptkommissar ruft die Isländerin an, um sie zu sehen. Da sie sich aber auf dem Weg in den Club verspätet, begibt er sich darauf zur Staatsanwältin, geht in ihr Büro und schmunzelt sie beschwingt an.
»Guten Morgen Frau Fröhlich! Gut geschlafen? Sind wir auch wirklich fröhlich?«, fragt er.
»Erik! Ich habe leider überhaupt nicht gut geschlafen. Ehrlich gesagt war der gestrige Tag oder besser die Nacht ein Albtraum für mich. Die Idee und Vorstellung war ja anfangs ganz schön, aber dann mussten Helmut und ich feststellen, dass es nicht unsere Interessen weckt. Der Swingerclub selbst ist sehr hübsch eingerichtet. Er wirkt gemütlich und nicht kalt, erotisch, mystisch, interessant, aber wir kamen weder mit den Personen so richtig ins Gespräch noch waren wir von den Anwesenden sonderlich begeistert. Frage mich nicht warum, es hat einfach diese Verbindung gefehlt. Das heißt, es gab dort weder Sex mit anderen Personen noch mit Helmut. Na ja, und dann als Krönung noch ein schrecklicher Mord obendrauf«, seufzt sie bedauernd. Der Hauptkommissar nickt nur stumm dazu, da er eigentlich nicht richtig weiß, was er darauf antworten soll. Darum fragt Frau Fröhlich gleich etwas unsicher weiter: »Meinst du, ihr zwei könnt versuchen unsere Anwesenheit vor euren Kollegen irgendwie geheim halten?«
»Wir versuchen es natürlich, aber versprechen kann ich es auch nicht. Außerdem könnte euch jemand von den Gästen erkannt haben.«, meint der Kommissar.
»Das glaube ich nicht, wir wohnen in Inning am Ammersee und kennen hier nicht sehr viele Personen«, ist sie zumindest in diesem Punkt sicher.
»Sag mal, ist es möglich, dort unbemerkt mit einem Messer umherzulaufen?«
»Ich denke schon. Wenn es keine riesige Klinge hat, sondern ein Klappmesser mit vielleicht zehn Zentimetern Länge, warum nicht? Es ist ja niemand komplett nackt umhergelaufen. Helmut und ich waren fast zu freizügig gekleidet, mussten wir im Nachhinein feststellen. Manche Personen trugen sogar Bademäntel, weil es auch eine Sauna gibt. Ideal für ein Messer als Versteck.«
»Ihr habt auch keinen Schrei oder sonst irgendetwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört? Hat sich vielleicht jemand auffällig oder nervös benommen?«
»Nein, überhaupt nichts«, seufzt sie.
»Na gut. Ich muss jetzt nochmals in den Club fahren und die Besitzerin befragen. Außerdem möchte ich mir den Laden genau ansehen, um zu verstehen, wie es möglich ist dort unbemerkt umher zu laufen.«
»Darf ich mitfahren?«, fragt sie leicht verlegen.
»Äh … Isabella, dir ist aber schon klar, du bist … na ja, tatverdächtig wie alle anderen. Das macht die Sache etwas kompliziert, auch wenn ich sicher bin, dass ihr beide es nicht gewesen seid.«
Die Staatsanwältin seufzt betroffen. Ihr ist der Sachverhalt klar und sie kann auch für sich keine Ausnahme erwarten und ist schon heilfroh, wenn ihr Clubbesuch nicht erwähnt wird. Dann meint sie aber hoffnungsvoll: »Ich könnte dir helfen und zumindest sagen, wer in etwa wo gestanden hat und wie es dort wirklich war.«
Der Däne überlegt kurz: »Also gut. Da hast du natürlich auch wieder recht. Das wäre schon sehr hilfreich, aber bitte denke daran, ich alleine mache die Befragung!«, stellt er klar.
Da die Isländerin um eine weitere Stunde Aufschub bittet, fährt Erik nach Nassenhausen, um bei der Befragung der Freundin des Opfers dabei zu sein.
Von der kriminaltechnischen Untersuchung gibt es leider noch keine brauchbaren Informationen, was Andrea bereits vor ihrem Besuch bewusst war. In einem Swingerclub nach Spuren zu suchen ist eher hoffnungslos. Das Mobil-Telefon beinhaltet viele Namen und dazugehörende Nummern und wurde an Mike weitergereicht, der die Informationen darauf auswertet. Auch das Messer hat keine Fingerabdrücke und wurde offenbar mit Handschuhen benutzt. Beim Präsidenten erlebt die Hauptkommissarin das übliche Gerede. Er macht wie immer jeden Fall zu einem Drama und will den Mord so schnell wie möglich aufgeklärt haben. Andrea ist jedenfalls recht froh, als sie nach wenigen Minuten wieder das Büro vom Polizeipräsidenten Josef Moser verlassen kann.
Miriam und Lena haben von den Nachbarn erfahren, dass Frau Gretel Petratz als Sekretärin tätig ist und sind gleich in die betreffende Firma gefahren. Die Frau schluchzt heftig und ist geschockt, über die Mitteilung, die sie von den beiden Ermittlerinnen zu hören bekommt.
»Aber warum das? Warum Agnes? Sie hat doch niemandem etwas getan«, fragt sie stockend.
»Das werden wir aufklären müssen und darum brauchen wir auch Ihre Hilfe und alle Informationen«, erklärt die Fallanalytikerin. »Sie haben mit ihr zusammen gewohnt. Hatte sie auch einen Freund?«
»Ja, wir wohnen zusammen in Nassenhausen und nein, sie hatte keinen Mann oder Freund wenn Sie jetzt an einen Partner und ihre sexuelle Orientierung denken.« Dann blickt die Frau etwas skeptisch und meint aufgelöst: »Bevor Sie es von irgendwelchen Leuten erfahren, sage ich es Ihnen lieber gleich selbst: Wir sind … waren zusammen.«
»Oh, das tut mir leid, das trifft Sie natürlich umso härter«, bedauert Miriam und blickt kurz erstaunt zu Lena.
Die betroffene Frau spricht auch gleich weiter: »Ja wir sind lesbisch, so etwas soll vorkommen auch wenn es für manche hier in den umliegenden Dörfern nicht vorstellbar ist.«
Doch der Grund der Verblüffung ist nicht die sexuelle Orientierung sondern ihr Bauch, darum fragt Miriam: »Ich bin im 8. Monat und habe nur noch wenige Wochen, wie weit sind Sie?«
»Sieht man das?« fragt sie und blickt dabei auf ihren eigenen Bauch. »Viereinhalb Monate. Ja, es lässt sich nicht mehr ganz verheimlichen«, gibt sie zögernd zu.
»Äh … und wie sieht Ihr Partner diese … nebenbei laufende Beziehung?«, fragt Lena neugierig.
»Es gibt keinen männlichen Partner. Agnes und ich waren fest zusammen«, stellt sie klar und schluchzt bedrückt.
»Das heißt, Sie haben sich getrennt und wollen trotzdem das Kind austragen?«
»Genau«, ist alles was sie dazu zu sagen hat.
Erneut treffen sich fragende Blicke der Ermittlerinnen die natürlich mehr über die ungewöhnliche Beziehung wissen wollen.
»Kann es vielleicht sein, dass der Kindesvater nach der Trennung sauer war und für diese Tat an Ihrer Freundin verantwortlich ist?«, will die Blondine wissen, da dieser Gedanke nicht abwegig ist und Eifersucht immer ein Thema bleibt.
»Das glaube ich nicht.«
»Können Sie uns den Namen von ihm geben, damit wir dies selbst überprüfen?«
»Ich könnte, aber ich mache es nicht und will darüber nicht mehr sprechen«, kommt die schnelle Antwort, was natürlich zu erneuter Verunsicherung der Kommissarinnen führt. »Sie brauchen jetzt gar nicht so zu schauen. Wir waren nie ein Paar, darum werde ich den Namen dieser Person auch nicht preisgeben. Er ist nicht von Bedeutung.«
»Wir könnten …«
»Sie können gar nichts. Kein Gericht der Welt kann mich dazu zwingen«, unterbricht sie heftig, obwohl sie gar nicht die Frage zu Ende gehört hat. »Oder wollen Sie mich dafür festnehmen?«
»Je mehr Personen wir ausschließen, umso einfacher ist es für uns einen Mörder zu finden. Wussten Sie, dass Ihre Freundin in den Swingerclub ging?«, versucht es Miriam wieder etwas sanfter.
»Ja, das wusste ich. Wir haben uns gewisse Freiräume gelassen und wollten nicht die Alleinherrschaft in Sachen Sex über die andere Person erzwingen«, gibt die Sekretärin recht offen zu.
Lena nickt und fragt: »Hat sie im Swingerclub jemanden getroffen, den vielleicht auch Sie kennen? Und was hat sie gearbeitet und wer könnte ihr das angetan haben? Hatte sie Feinde?«
»Äh … ein bisschen viele Fragen: Mir fällt niemand ein der sauer auf Agnes war. Nein, keine Ahnung ob sie mit jemandem in so einem Club verabredet war. Vielleicht finden Sie etwas auf ihrem Handy. Mit der Arbeit hat sie zwei Sachen parallel gemacht. Ein paar Stunden am Tag war sie in einem Geschäft im Verkauf. Sie ist … war«, seufzt die Frau, »eine sehr gute Verkäuferin. Sie konnte Menschen sehr einfallsreich überzeugen, von ihr eine Ware abzukaufen. Darum hat Agnes nebenbei Tupper Ware Partys veranstaltet. Diese Verkaufssachen wo Bekannte zusammenkommen und sie alle überredet hat, etwas von ihr abzunehmen. Das waren neueste Erfindung an Geschirr und Küchenhilfen auch Backformen und dergleichen.«
»Wie lange sind Sie schon zusammen?«
Die Frau überlegt kurz, dann meint sie: »Fest zusammen drei Jahre hier im Haus.«
»Trotzdem haben Sie sich in der Zeit mit einem Mann eingelassen und sind sogar schwanger geworden?«, sagt Lena staunend und lässt in dem Punkt nicht locker.
»Welches Wort von ›ich will darüber nicht sprechen haben Sie nicht verstanden?‹ Egal wie oft Sie das jetzt noch fragen werden, das steht nicht zur Debatte«, bleibt sie hart.
»Wie oft hat Ihre Freundin so einen Swingerclub besucht und waren Sie auch manchmal dabei?«
»Nein, für mich war das absolut nichts und auch bei ihr kam es eher nur recht selten vor.«
»Na gut. Wir möchten gerne ihr Zimmer und ihre privaten Sachen sehen. Computer, Notizbücher. Vielleicht findet sich eine Spur zu ihrem Mörder«, erklärt Miriam.
»Natürlich! Warten Sie, ich frage gleich meinen Chef ob ich den Rest des Tages frei machen kann. Ich glaube, ich bin jetzt sowieso nicht mehr in der Lage, heute noch etwas konzentriert auszuführen«, meint die Sekretärin hilfsbereit.
Kurz darauf fahren die Kommissarinnen Gretel Petratz´s Auto nach und werden ins Haus gebeten, wo auch Erik unerwartet dazu kommt und vorgestellt wird.
»Dürfen wir?«, fragt Lena trotzdem, als sie im Zimmer des Opfers sind und streift sich Handschuhe über.
»Natürlich. Und wenn Sie etwas mitnehmen wollen, ist das auch in Ordnung. Dafür brauchen Sie keine Genehmigung besorgen. Ich will die Polizeiarbeit auch nicht behindern, sondern selbst wissen, wer so etwas macht … aber den Namen meines Kindesvaters werde ich Ihnen nicht nennen. Das ist meine Privatsache«, erklärt sie nochmals eindringlich und sehr dominant.
»Dann gibt es ja etwas zu verheimlichen, was wir nicht wissen dürfen«, sagt erstmals Erik.
»Die Polizei muss nicht alles wissen und er kommt für den Mord nicht in Frage«, antwortet sie zwar freundlich aber bestimmt.
»Müssen nicht. Aber es macht uns misstrauisch. Das heißt, es wird immer dort nachgebohrt, wo jemand nicht mit offenen Karten spielt. Und diesen Verdacht habe ich.«
Die Frau zeigt überhaupt keine Regung und reagiert auf Erik´s Kommentar nicht weiter. Lena und Miriam öffnen alle Schubläden und Schranktüren. Ein gefundenes Adressbuch wird sofort eingepackt. Auch der Laptop und ein Bilderalbum gehören dazu.
»Wir bräuchten eine Liste der Namen, mit denen sie Kontakt hatte«, erklärt Lena und macht nachdem sie eine Schublade aufzieht ein langes »Oooh!«
»Ich mache Ihnen eine Liste aber ich befürchte, darin werden Sie den Mörder sicher nicht finden. Tun Sie sich nur keinen Zwang an und schauen Sie ruhig in die Schubladen hinein. Ich stehe zu dem, was ich mag und dazu gehören auch diese Art Spielsachen, die lesbische Frauen manchmal miteinander verwenden«, sagt sie ganz offen. »Wir mögen … mochten … scheiße Agnes-Häschen, wer hat dir das angetan?!?«, schluchzt sie plötzlich verbittert. Dann fasst sie sich wieder und meint erklärend: »Manchmal mochten wir es härter, dafür gibt es solche … Sachen.«
Miriam sagt nichts dazu und schaut nur ganz kurz in die Schubläden mit dem erotischen Inhalt. Erik hält sich lieber im Hintergrund auf und will sich gar nicht großartig einmischen.
Lena dagegen wirkt interessierter und meint erstaunt: »Oh, ein Doppelter«, wofür sie für den Kommentar etwas mahnend von der Kollegin angeschaut wird.
Frau Petratz scheint das weniger zu stören und erklärt sogar bereitwillig: »Nur weil man lesbisch ist, heißt das nicht, dass man nichts in sich spüren will. Damit kann man auch als Frau das tun, was Männer gerne mit Frauen machen.«
»Wir brauchen die genaue Adresse des Arbeitgebers«, erklärt die Fallanalytikerin schnell, um von der ungewohnten Vorführung wegzukommen und zum Ernst der Sache zurückzukehren.
»Das ist ein Geschäft hier in Fürstenfeldbruck. Aber wie gesagt, sie hat dort nur ein paar Stunden gearbeitet. Als Teilzeitkraft. Ansonsten war sie mehr oder weniger im Außendienst tätig und hat diese Verkaufsnachmittage und Abende organisiert«, meint sie und schreibt den Ermittlerinnen die genaue Adresse auf.
»Hat sie diese Tupperware-Veranstaltungen hier im Haus abgehalten?«, fragt Erik.
»Nein. Meistens war das bei irgendwelchen Interessenten, die auch wieder Freundinnen dazu eingeladen haben. Zu uns Lesben wäre wohl kaum eine Frau aus dem Dorf gekommen.«
»Was hat es mit diesen ganzen Steinen auf sich, die hier überall in den Regalen liegen?«
»Ah, das ist … das war ein Hobby von ihr. In den Bergen zu wandern und gleichzeitig nach seltenen Steinen zu suchen. Sie hat dazu auch eine Menge Bücher gelesen. Ich kenne mich damit aber nicht wirklich aus.«
»Hatte sie Feinde?«
»Die Frage kann ich nicht klar beantworten. Ich sage mal so. Sie hatte keinen Streit als Person aber … outen Sie sich mal hier auf dem Dorf als Schwuler oder Lesbe. Dann haben Sie mehr Feinde als Einwohner.«
»Eine letzte Frage. Wo waren Sie gestern Mitternacht?«
»Zu Hause. Um die Zeit bin ich so gut wie immer schon im Bett, schließlich habe ich auch einen Job. Und nein, ich habe dafür keine Zeugen, falls das die nächste Frage wäre.«
»Na gut, ich glaube, wir haben vorerst keine weiteren Fragen«, beendet Lena das Gespräch.
Als die Ermittler zu den Autos gehen, verabschiedet sich der Däne gleich wieder von den beiden Kolleginnen. Lena sagt dabei flüsternd: »Herr Kommissar, wenn ich dich das nächste Mal besuche, bringe ich auch so einen Doppelten mit und schleiche mich von hinten an.«
»Das wäre unser letztes erotisches Treffen«, kontert er ernst.
Die Meier´s beginnen mit einer Befragung bei Wilhelmina und Rudi Sandtlinger, den direkten Nachbarn der Ermordeten und wollen wissen, ob sie etwas über das Opfer berichten können.
»Die Agnes ist tot?«, sagen beide erschrocken und recht schockiert. »Wir haben eine gute Nachbarschaft geführt. Eigentlich eine sehr gute. Das heißt, wir waren auch oft zusammen im Garten, haben gegrillt und sogar manchmal etwas gemeinsam unternommen. Sie sind unsere Freunde geworden.«
»Gerade als Nachbarn ist es auch wichtig, dass man sich versteht«, meint die Befragte und deutet seufzend in die andere Richtung. »Dort wohnt leider die andere Sorte Nachbarn. Zugegeben, wir hatten einmal etwas miteinander, vor Rudi meinem jetzigen Mann« wobei sie ihn dabei verliebt anblickt. »Aber Rüdiger Kepanski wie er heißt kann das nicht akzeptieren. Er stalkt mich, wo er nur kann und gibt einfach keine Ruhe.«
»Wir sind davon bereits von den Kollegen informiert worden«, sagt der 1er und fragt, wie sich das genau auswirkt.
»Er sitzt oft vor dem Zaun und schaut stundenlang aufs Haus und in den Garten. Ich traue mich manchmal gar nicht raus um einkaufen zu gehen oder einfach unseren Garten zu nutzen«, sagt sie mit einer zittrigen Stimme.
»Und ein klärendes Gespräch? Würde das nichts bringen?«
»Nein, sicher nicht. Er ist einfach in seinem Stolz gekränkt, weil er ausgetauscht wurde und ich einen neuen Liebhaber gefunden habe. Außerdem haben wir bald darauf geheiratet, was für ihn sicherlich den endgültigen Knick bedeutete. Für mich ist er krank. Er hat sogar schon Kleidungsstücke und Unterwäsche von meiner Wäscheleine gestohlen.«
»Haben Sie das beobachtet?«, fragt der 1er erstaunt.
»Nein, aber es fehlen einige Sachen und wer sollte so etwas hier draußen in einer Sackgasse machen?«
»Hat Frau Agnes Rohnig irgendwelche Feinde gehabt? Personen die sie nicht mochte?«
»Darüber wissen wir nichts und sie hat auch nichts erwähnt. Klar, natürlich gab es blöde Bemerkungen. Na ja, wir leben am Land und nicht in der Großstadt. Sie wissen vielleicht, die Agnes und Gretel sind zusammen. Also … haben etwas miteinander. Hatten … Scheiße! Entschuldigung!«, bedauert die Frau ihren Ausraster. »Damit können so manche nicht umgehen und zerreißen sich gerne mal das Maul.«
»Gibt es dazu konkrete Beispiele?«
»Wie lange haben Sie Zeit? Klar gibt es Beispiele. Mehr als genug. Vor allem wenn am Stammtisch ordentlich gebechert wird. In der ›Brennsuppn‹ da hört man fast nur Sprüche unter der Gürtellinie«, erklärt die Frau weiter.
Der 2er hebt die Augen und wartet natürlich auf ein paar Beispiele doch die Frau will lieber nichts sagen, darum meint ihr Rudi helfend: »Von Hexenverbrennung über Lesbenfotzen bis Gotteslästerer hört man so alles dort.« Dann deutet er schräg gegenüber auf das erste Haus der Einbahnstraße. »Feinde hat sie vielleicht nicht gehabt aber die dort drüben, Lukas und Walli Winder … vor allem sie, diese scheinheilige, schreckliche Hexe hat sich oft das Maul über die beiden zerrissen.«
Die Meier´s blicken nur gespannt bis die Frau wieder weiter spricht: »Religion und Lesben passen nicht zusammen. Mehr muss ich wohl nicht sagen. »Die Walli Winder ist so ein Fall. Ihr Mann ist ja zurückhaltend aber sie ist wirklich eine Hexe! Daneben wohnen Karin und Georg Schrampf. Die dagegen sind in Ordnung«, erzählt sie bereitwillig.«
»Und ihr habt das anders gesehen?«
»Was sich in deren Schlafzimmer abspielt, geht uns überhaupt nichts an. Wir haben kein Problem damit gehabt und uns mit beiden sehr gut verstanden«, sagt Wilhelmina Sandtlinger einmal mehr überzeugt.
»Hat der Stalker zu den beiden Frauen auch Kontakt gehabt?«
»Oje, der Vogel! Wenig. Die haben vielleicht Hallo miteinander gesagt, mehr nicht. Sie wussten ja, wie er zu mir ist und haben das auch nicht toleriert. Aber ich glaube nicht, dass es Streit gab, man hat sich einfach nichts zu sagen, wie das so oft zwischen Nachbarn ist«, erklärt der Mann worauf sich die Meier´s verabschieden.
»Schwierig, schwierig. Ich befürchte, das dauert hier noch hundert Jahre bis auch bei der Landbevölkerung Schwule und Lesben akzeptiert werden«, seufzt der 1er im Auto.
»Na na, so schlimm ist es nicht«, sieht es der 2er etwas lockerer.
»Das musst genau du sagen. Denk mal nach wie ich bekannt gegeben habe, dass ich einen Mann heirate. Wenn dich Erik damals nicht überzeugt hätte, wärst du nicht zu meiner Hochzeit gekommen«, wirft er seinem Kollegen und Freund vor der etwas bedrückt dabei aufschaut.
»Aber heute sehe ich es anders und du bist noch immer mein Freund!«, erklärt er versichernd.
»Zum Glück! Aber es hat gedauert. Dank Erik! Und das meine ich mit hundert Jahren.«
Der Raum ist wie ein Überraschungs-Ei
Die Besitzerin Guðríðr Þorbjarnwardóttir vom Dreamworld Swingerclub ist endlich vor Ort und empfängt sofort den Ermittler mit seiner Begleitung.
»Hej Dansker! Unskyld, jeg beklager min forsinkelse«, sagt sie auf Dänisch und schaut plötzlich etwas staunend und überrascht auf seine Begleitperson.
»Du brauchst dich für deine Verspätung doch nicht entschuldigen. Das kann jedem passieren. Ah und das ist die Frau, die gestern auch anwesend war. Sie soll mir sagen, was sich genau abgespielt hat oder wer wo gestanden hat. Unter uns gesagt, ich kenne sie persönlich, also … pssst, kein Wort zu irgendjemandem, okay?«, informiert sie der Kommissar gleich ehrlich.
»Wenn man so ein Etablissement besitzt, dann ist Diskretion natürlich oberste Priorität. So auch für mich! Außerdem ist mir völlig egal, wer mit wem was macht, solange es sich dabei um volljährige Personen handelt und ihre Ausübungen an Liebesspielen freiwillig passieren«, sagt die Isländerin und lächelt dabei die Staatsanwältin sehr interessiert an.
»Guðríðr, wo warst du genau, als die Tat von der jungen Frau entdeckt wurde?«, will der Hauptkommissar wissen.
»Hier, wo wir jetzt gerade stehen. An der Bar. Ich laufe nicht umher und kontrolliere die Gäste. Ich bin beschäftigt beim Ausschank hinter der Theke, da sich zu diesem Zeitpunkt die meisten Gäste auch hier vorne befunden haben. Das ist der eigentliche Bereich, wo man Kontakte knüpft. Wollt ihr vielleicht einen Kaffee?«, fragt sie nebenbei.
»Já takk. Kærar Þakkir«, antwortet der Däne auf Isländisch und wird von Isabelle staunend angeschaut.
Als er mit dem Löffel in der Tasse den Würfelzucker aufrührt, fragt er: »Wie viele Angestellte waren gestern im Club?«
»Zwei Männer und zwei Frauen. Sie arbeiten als Bedienung, animieren aber gleichzeitig ein bisschen die Gäste, welche sich nicht ganz so trauen. Ah … und der Türsteher. Also, mit mir zusammen sechs Personen.«
»Wer zahlt hier Eintritt und wie kann jemand völlig unbemerkt mit einem Messer umherlaufen?«
»Einzelne Frauen zahlen nur einen Minimalbetrag, Single-Männer im Verhältnis dagegen viel mehr, Paare liegen dazwischen. Da hier niemand ganz nackt ist, zumindest hier vorne im allgemeinen Aufenthaltsbereich, ist es natürlich möglich, ein nicht allzu großes Messer dabei zu haben. Manche tragen auch einen Bademantel, wenn sie aus der Sauna kommen und anschließend an der Bar etwas trinken. Du warst wohl noch nie in einem Swingerclub?«, fragt Guðríðr fast schelmisch.
»Doch einmal! Das ist noch gar nicht so lange her. Vor knapp zwölf Stunden«, antwortet er leicht amüsiert auf ihre Anspielung. »Wie finster ist es in diesem dark room wirklich? Oder wird auch manchmal das Licht aufgedreht?«
»Der dunkle Raum sollte eine Art ›Abenteuer‹ oder vielleicht auch nur ›Berührungen mit Unbekannt‹ bieten. Das heißt, es ist wirklich vollkommen schwarz im Zimmer. Damit sich der Gast nirgendwo anstößt, gibt es nur Matratzen und Matten. Außerdem darf man nicht hineingehen, sondern muss auf den Knien hineinkrabbeln und sich langsam vortasten. Wenn man einen Körper gefunden hat, na ja, was diese Besucher ja offenbar wollen, machen dann die zwei was ihnen einfällt. Der Sex dort findet meist recht lautlos statt. Es können sich natürlich auch mehrere Personen gleichzeitig dort aufhalten und vergnügen. Man muss selbst wissen, ob man sich auf diese Sorte Spiel einlässt. Den dark room musst du dir so vorstellen wie …«, sie überlegt kurz, da sie merkt, der Kommissar hat keine Ahnung, »ein Überraschungs-Ei. Das kauft man, ohne zu wissen, was es beinhaltet. Im Vorraum ist das Licht sehr gedimmt, damit sich die Augen bereits ein bisschen an die Dunkelheit gewöhnen können und um beim Betreten keine Helligkeit in den dark room leuchten zu lassen.«
Als sie sieht, dass der Kommissar nur skeptisch schaut, sagt sie lachend: »Du kannst dir das wohl nicht vorstellen, stimmt`s?«
»Nicht richtig. Auch nicht vom Licht her, die Personen wollen ja von drinnen die Tür nach draußen finden. Und der andere Punkt. Sex mit einer Person zu erleben, die ich nicht eine Sekunde vorher gesehen habe, wäre nicht mein Verlangen … ja fast schon unheimlich. Ich muss die Frau nicht super gut kennen, aber ich glaube, ein Mensch verspürt innerhalb weniger Sekunden, ob jemand sympathisch ist oder nicht. Zumindest behaupte ich das von mir und glaube, auch andere können das. Ich könnte dir jetzt zehn Männer zeigen mit denen du nur ganz kurz zwei Sätze sprechen darfst und trotzdem könntest du bereits sagen, wer in Frage käme oder wer sicher nicht deine Lust wecken würde. Können wir einmal nach hinten in diesen Raum gehen, damit ich mir ein Bild machen kann, wie es vielleicht war? Die Frage, die sich mir stellt ist nämlich, wie kann der Täter oder die Täterin was gesehen haben und mit dem Messer einstechen und die Frau erdrosseln?!«
»Wenn du mich fragst, das ist in der Dunkelheit völlig unmöglich! Kommt mit und überzeugt euch selbst. Ich sperre nur hier vorne noch schnell ab«, sagt die Isländerin.
»Mein Gefühl sagt mir, es war ein gezielter Anschlag und keine zufällig ausgesuchte Person. Aber warum hier?«, fragt Erik.
»Vielleicht hat der Täter eine schlechte Erfahrung mit dem Club gemacht und möchte Ihnen schaden?«, meint Isabella zur Laden-Besitzerin.
»Oder die Täterin! Das wissen wir ja noch nicht. Kann natürlich auch ein Grund sein. Aber … Opfer und Täter haben sich bestimmt gekannt. Jemand muss die Frau beobachtet haben, wie sie in den besagten Raum gegangen ist«, glaubt der Däne.