So schöne blaue Augen - Wolfgang Wagner - E-Book

So schöne blaue Augen E-Book

Wolfgang Wagner

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Beschreibung

Vier Senioren sind die Protagonisten in diesem Buch: Ellie, Norbert, Gerhard und Heinz. Autor Wolfgang Wagner erzählt ihre Lebensgeschichte und über ihre Ängste und Träume. Darin verwoben ist die Geschichte von Dieter, einem Mittdreißiger, der in seiner Jugend gedemütigt, geschlagen und missbraucht wurde. Wird es ihm gelingen, die Mauer um sich herum einzureißen?

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Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Wolfgang Wagner

SO SCHÖNE BLAUE AUGEN

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2016

Wolfgang Wagner, geboren 1944, war bis 2008 Lehrer für Englisch und Französisch an einem Düsseldorfer Gymnasium.

Er lebt mit seiner Frau in Hilden, bei Düsseldorf.

Sie haben drei erwachsene Kinder.

Vom Autor sind bereits im Engelsdorfer Verlag erschienen:

Mathias, das Mädchen und das Meer (2012)

Ein Bunker voller Lügen (2014)

Inhalt

Cover

Titel

Der Autor

Impressum

So schöne blaue Augen

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek

verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Titelfoto: Wolfgang Wagner

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016

www.engelsdorfer-verlag.de

Auf dem Weg zum Speisesaal kam er am Raum C vorbei, wo bald die Schwerstbehinderten gefüttert würden, und am Raum C, wo einige demente Mitbewohner noch selbstständig aßen. Und er fragte sich jedes Mal, wann es bei ihm so weit sein würde. Im Saal angekommen, hatte er die dunklen Gedanken vergessen. Er grüßte die Frühstückenden mit einem leichten Nicken, umarmte diese, gab jenem einen Klaps auf die Schulter.

»Alles klar?«

»Immer doch.«

Er ging auf seinen gewohnten Tisch zu und erwartete, dort Ellie sitzen zu sehen. Aber sie war noch nicht da; wahrscheinlich brauchte sie noch eine gewisse Zeit im Bad. Dafür saß ein Mann dort, der appetitlos in sein halbes Brötchen biss.

»Guten Morgen!«

Der andere schaute kurz auf, gab aber keine Antwort.

»Sind Sie neu hier?«

Keine Antwort, nur ein scheuer Blick. Er versuchte, etwas lauter zu sprechen.

»Ist das Ihr erstes Frühstück hier?«

»Ja, das kann man so sagen.«

»Ich heiße Schmied, Gerhard Schmied.«

Zum Glück hatte er sich daran erinnert, dass man ein Ein-Euro-Stück für den Einkaufswagen benötigte. Seine Vorräte waren aufgebraucht und er brauchte dringend etwas zu essen und zu trinken. Er kaufte Nescafé, Milch, Marmelade und Margarine zum Frühstück. Brot würde er lieber frisch beim Bäcker kaufen. Bananen und zwei Äpfel. Und zwei Fertiggerichte. In den nächsten Tagen würde er sich sicherlich nichts in der Küche zubereiten. Er steuerte auf die Getränke zu, als er einer Mitarbeiterin in die Hacken fuhr. Sie schrie kurz vor Schmerz auf.

»Tut mir leid. Haben Sie sich verletzt?«

»Nein, geht schon.«

Er schätzte sie auf Mitte dreißig und sie hatte eine gute Figur. Was ihm am meisten auffiel, war ihr hübsches Gesicht. Aber in ihren Augen sah er Tränen.

»Sie haben Schmerzen, Sie haben doch Tränen in den Augen.«

Er schaute auf ihr Namensschild und sagte: »Wenn etwas zurückbleibt, Frau Nieland, sagen Sie Ihrem Chef Bescheid. Hier ist meine Karte. Wahrscheinlich komme ich in der nächsten Zeit häufiger hier einkaufen.«

»Wird schon gehen«, antwortete sie, steckte die Karte in die kleine Tasche ihres Arbeitskittels und wischte die Tränen aus ihren Augen.

2013

Er war heilfroh, dass er mit den übrigen Mitarbeitern der Firma wenig zu tun hatte. Er war zuständig für die Wartung der Computer, bestellte neue Software bei großen Firmen wie PAS und dann musste er sie für seine Firma ›customize‹, wie es im Fachjargon hieß. Selten kam jemand in seinen Raum. Wenn seine Augen müde wurden, machte er eine Pause, schaute aus dem Fenster und blickte in den schönen Park. Er bewunderte die Enten, die so elegant auf dem Wasser landen konnten. Und er machte ein paar Übungen, damit seine Glieder nicht ganz einrosteten.

Zum Mittagessen ging er in die Kantine. Dort verabredete er sich regelmäßig mit seinem einzigen Freund, Peer. Sie hatten sich während des Studiums kennengelernt, obwohl sie verschiedene Fachrichtungen gewählt hatten. Wenn Peer auf Geschäftsreise war, verzichtete er zumeist auf das Mittagessen und aß sein mitgebrachtes Butterbrot.

Sie stand vor dem Spiegel in ihrem Badezimmer. Sie tupfte ein bisschen Rouge auf ihre Wangen und diesmal Bienenwachs auf ihre trockenen Lippen. Jeden Morgen dankte sie dem Herrgott, wieder aufgewacht zu sein. Das war nicht selbstverständlich in ihrem Alter. Viele ihrer Freundinnen waren schon gestorben. Sie konnte noch recht schnell gehen, sich bücken und auch noch tanzen, wenn sich die Gelegenheit bot.

Sie war froh, dass sie rechtzeitig ihr Haus verkauft hatte. Mit dem Geld hatte sie sich eine geräumige Eigentumswohnung im Seniorenzentrum Frieden gekauft. Die meisten wohnten im Haupthaus zur Miete. Meistens ging sie zu den Mahlzeiten dorthin, was bei Regen oder Schnee etwas unangenehm war, musste sie doch einen kurzen Weg im Freien gehen. Aber sie nahm die Mahlzeiten lieber mit anderen ein und mit einigen verband sie eine Art Freundschaft.

Die Angebote im Zentrum waren vielfältig und fast täglich war sie unterwegs: zur Wassergymnastik, zur Meditation, zum Ausdauertraining. Sie lächelte, als sie sich zu Ende gekämmt hatte.

Mit Gesundheit hatte der liebe Gott bei ihr nicht gegeizt, aber in Sachen Liebe. Sie hatte viele falsche Entscheidungen getroffen, gemäß dem Sprichwort »Hinterher ist man schlauer«. Das war wohl wahr.

Sie nahm den Wohnungsschlüssel von der Anrichte und ein Päckchen Papiertaschentücher. Sie wollte sich nun das Frühstück und vor allem den Kaffee schmecken lassen.

2000

Man konnte Lou Begas Mambo No.5 hören und die meisten Jecken tanzten wie wild.

»Wollen wir uns da vorn noch ein Alt holen, Dieter?«

»Okay! Wo?«

Sie schlängelten sich durch die johlende Menge, bis sie den Bierstand erreicht hatten. Vor ihnen standen zwei junge Frauen. Die eine trug ein süßes Fledermauskostüm, die andere sah wie eine Wildwestreiterin aus. Peer tippte der Fledermaus auf die Schulter, sie drehte sich um.

»Helau! In welcher Fakultät seid ihr?«

Die Fledermaus bezahlte, nahm das Bier und schrie zurück: »Helau!«

Peer und Dieter hatten nunmehr auch ein Alt ergattert und Peer ging auf die beiden zu.

»Prost! Welche Fakultät?«

»Wir sind zwei Viertelmedizinerinnen.«

»Und das heißt?«

»Bist wohl auch an Karneval sehr neugierig.«

»Immer, bei hübschen Mädchen.«

Mittlerweile konnte man Britney Spears’ Baby, One More Time hören.

»Arzthelferinnen.«

»Dann könnt ihr ja die Erstversorgung übernehmen, wenn ein Besoffener umkippt.« Die vier tranken einen Schluck Bier.

»Peer. Und wie heißt du?«

»Nina. Und der Priester da?«

»Das ist mein Freund Dieter.«

»Ist er etwas schüchtern?«

»Nein, das sieht nur so aus.«

»Wollen wir tanzen?«

Dieter zog sich immer weiter zurück, ohne Ninas Freundin anzusprechen.

»Du tanzt gut, nein ausgezeichnet. Trinkst du noch mit mir ein Alt?«

»Nein, ein Wasser. Morgen ist in der Praxis die Hölle los.«

»Ich möchte dich wiedersehen, Nina.«

»Ich bin doch keine Akademikerin.«

»Na und?«

Peer und Dieter brachten Nina und ihre Freundin nach Hause, wobei Dieter nicht ein Wort sagte. Peer gab den beiden einen Kuss auf den Mund.

»Ist doch Karneval.«

Die meisten, die ihn kannten, hielten ihn für verrückt, auch einige seiner Freunde. Er lebte allein in einem kleinen Haus am Waldrand. Wenn er in seinem Garten arbeitete, konnte er auf einen Reiterhof mit den Stallungen schauen. Er war kein Selbstversorger, aber er baute ein bisschen Obst und Gemüse an.

Als die Kinder noch bei ihnen waren, lebten seine Frau und er in einer großen Stadtwohnung. Aber sie hatten immer von einem freieren Leben geträumt und schließlich das kleine Haus gekauft. Seine Frau hatte leider die neue Freiheit nur noch ein paar Jahre genießen können.

Als sie noch lebte, hatten sie eine Ziege, ein Schaf und ein paar Hühner. Ihm reichte sein Hund Caesar und seine Katze Chat. Den Kater sah er eigentlich nur, wenn er Hunger hatte, aber mit Caesar ging er täglich dreimal spazieren. Caesar konnte nach Herzenslust durch den Wald streifen und er seinen Gedanken nachgehen.

Warum die anderen ihn für ein bisschen verrückt hielten, hatte mehrere Gründe. Während Marion sehr darauf geachtet hatte, dass alles blitzblank war, herrschte nunmehr ein großes Durcheinander, in dem er aber alles sofort fand, was er suchte. Darüber hinaus gab es im Haus keinen Fernseher, keinen Computer, keine Zeitungen. Aber seine Kinder hatten auf einem Handy bestanden. So konnten sie ihn per Telefon erreichen und er hatte den Eindruck, dass sie sich absprachen, weil jeden Tag eins von ihnen anrief.

Wenn er nicht mit seinem Hund unterwegs war, arbeitete er im Garten, sofern das Wetter es zuließ. Er saß viel im Freien und las die Bücher, die er schon früher einmal gelesen hatte. Manchmal brachte eines seiner Kinder ein »neues« Buch mit, das er dann auch brav las. Er hatte noch einen alten CD-Player, den er bei schlechtem Wetter benutzte, wenn er sich drinnen aufhalten musste.

Abends gönnte er sich ein Pils oder ein Glas Côtes du Rhône und eine Pfeife oder auch zwei. Andere saßen dann vor der Glotze oder vor dem Monitor ihres Computers. Er war sich sicher, dass all diese scheußlichen Nachrichten aus aller Welt ihn nicht glücklicher machen würden und helfen konnte er in den Kriegsgebieten auch nicht. Wenn ein Bettler an seine Tür kam, war das etwas anderes. Er bat ihn herein, sprach mit ihm und machte ihm Kaffee. Dann gab er ihm meistens fünf Euro, für alle Fälle. Ihm fehlte eigentlich nichts, nur Marion, mit der er über vier Jahrzehnte verheiratet gewesen war.

2000

Es klingelte dreimal, bis sie den Hörer abnahm.

»Hallo! Hier Nina Schmied.«

»Peer.«

Sie war überrascht und es dauerte ein paar Sekunden, bis sie antwortete: »Oh, du! Ich hatte gar nicht erwartet, dass du überhaupt anrufst. Es war doch Karneval.«

»Ich wollte eigentlich auch nur fragen, ob du dir heute Morgen das Aschenkreuz in der Kirche abgeholt hast.«

»Ich bin evangelisch.«

»Ich möchte dich wiedersehen, Nina.«

Es dauerte wieder eine gewisse Zeit.

»Ich dich auch. Wann?«

»Da gibt es ein kleines Problem. Dieter und ich fahren eine Woche zum Skilaufen.«

»Ist das nicht der Priester?«

»Genau der.«

»Warum seid ihr nicht direkt nach Ende des Wintersemesters gefahren?«

»Ich musste noch ein paar Klausuren schreiben.«

»Seid vorsichtig! Denkt an das furchtbare Lawinenunglück in Galtür im letzten Jahr!«

»Das bedeutet ja, dass du dir um mich Sorgen machst. Du willst mich wirklich wiedersehen. Ich rufe dich an, wenn wir zurück sind.«

»Ich freue mich drauf.«

Die Damen und Herren warteten an ihren Tischen auf das Mittagessen. Es gab Bratwurst, Rotkohl und Kartoffeln. Die Vegetarier konnten an das Salatbüfett gehen. Am Tisch, an dem Gerhard und Ellie saßen, wartete auch der Neue auf das Essen.

»Kennt ihr Tina Teubner?«

»Wohnt sie auch hier bei uns?«

»Nein, das ist eine Künstlerin, eine Kabarettistin. Sie spielt auch ausgezeichnet Geige. Ich habe sie früher mit meiner Frau gesehen und wir waren begeistert.«

»Und warum erwähnst du sie jetzt?«

»Die Kulturamtsleiterin hat sie für eine Seniorenvorstellung in der Stadthalle engagieren können.«

Ellie war begeistert, sie liebte Veranstaltungen aller Art. Ihr Motto war ›Hauptsache was los!‹.

»Und Sie, Herr …, haben Sie auch Interesse?«

Es dauerte eine gewisse Zeit, bis er antwortete: »Ich heiße übrigens Norbert Busch. Muss ich mir noch überlegen.«

»Ihr Programm heißt übrigens ›Männer brauchen Grenzen‹. Ein etwas merkwürdiger Titel, aber wir werden sehen.«

Inzwischen war das Mittagessen aufgetragen worden.

»Guten Appetit!«

»Einen guten!«

Er brauchte unbedingt etwas Nachschub, damit er zu Hause nicht verhungerte. Mittags ging er zuweilen mit einem Mitarbeiter in die kleine Kantine oder in eine nahe gelegene Pizzeria. Nachdem er ein paar Tomaten und Bananen abgewogen hatte, sah er sie, sie, die er vor ein paar Tagen verletzt hatte. Er schob seinen Einkaufswagen etwas langsamer, um seinem Gedächtnis die Chance zu geben, sich an ihren Namen zu erinnern.

»Hallo, Frau Nieland! Haben Sie noch Schmerzen?«

Sie war gerade dabei, die Becher Joghurt einzuordnen. Sie schaute auf und sagte: »Guten Morgen, Herr …!«

Seit dem Zusammenstoß hatte sie noch nicht auf seine Visitenkarte geschaut.

»Ungemein, Peter Ungemein.«

»Nein! Danke der Nachfrage!«

»Mir wäre gerade etwas Schlimmeres passiert.«

»Erzählen Sie!«

»Bei der Post wollte ich über den Zebrastreifen gehen. Aber der Fahrer stoppte nicht. Da er später dann anhielt, habe ich ihn freundlich zur Rede gestellt. Er pöbelte direkt los und fragte mich, ob ich schon am Morgen getrunken hätte. Zum Schluss nannte er mich ›Penner‹ und ging mit seinem Brief zur Post.«

»Sie ein Penner!«

»Manchmal weiß ich wirklich nicht, woher die ganzen Aggressionen kommen.«

»Was meinen Sie, was hier im Supermarkt manchmal los ist! So, ich muss dann weitermachen.«

Er schaute in ihre hübschen, aber traurigen Augen.

»Bis bald!«

2013

Wie an jedem Freitagabend sah er sich zur Entspannung einen Pornofilm an und plötzlich erinnerte er sich an eine, die letzte Szene im FKK-Club. Seine Eltern waren begeisterte FKKler gewesen und sein Bruder Martin und er mussten von klein auf mit. Aber zumeist machte es auch Spaß, mit den anderen Kindern nackt herumzulaufen, zu spielen und zu schwimmen. Außerdem war es mehr als interessant, heimlich die nackten Erwachsenen anzuschauen, die prallen Brüste der meisten Frauen und da unten so viele Haare. Es war üblich, dass sich alle Erwachsenen im Club duzten, aber plötzlich kam der Vorsitzende auf ihren Vater zu und sagte zu ihm, »Ich muss mit Ihnen reden, Herr Busch.«

Von da an gingen sie nie mehr in den Club, und als sie ihre Mutter nach dem Grund fragten, antwortete sie zögernd, »Ihr seid den anderen zu laut.« Sie protestierten, wie das kleine Jungen so tun können, aber es nützte nichts.

Als er älter war, rückte seine Mutter mit der Wahrheit heraus. Ihr Vater hatte mit fast allen Frauen rumgemacht, was die anderen Männer (und ihre Mutter) nicht so gut vertragen konnten; außerdem war es laut Clubsatzung untersagt.

Seit der Zeit hatte er irgendwie den Spaß an FKK verloren. Peer wollte einmal mit ihm in ein FKK-Schwimmbad gehen, was er aber irgendwie abwenden konnte.

2014

Er wollte sich auch im Alter nicht gehen lassen. Das hatten Marion und er auch nie getan. Er stand sommers wie winters gegen 7 Uhr auf, machte sich Kaffee und wärmte sich ein Körnerbrötchen auf dem Toaster auf. Dann stellte er Chat etwas Milch und etwas zu fressen hin.

Er zog sich seine Jacke über, nahm die Leine und rief: »Komm, Caesar!«

Er kam zur Haustür gerannt und konnte es kaum erwarten, die frische Luft zu schnuppern. Morgens traf er am Feld und im Wald nur ein paar Jogger, andere Hundebesitzer und die eine oder andere Reiterin. Die meisten Hundebesitzer kannte er und er tauschte sich gern mit ihnen aus. Wenn sie über Geschehnisse in der Welt berichteten, konnte er zwar nicht mitreden, aber er hörte mit Interesse zu. Wenn aber jemand begann, über seine Krankheiten zu reden, fand er immer schnell eine Ausrede, sich loszueisen.

»Ich muss jetzt Caesar suchen. Bis bald!«

Einerseits genoss er die Natur, den Duft des Waldes, aber seine Gedanken wanderten bald in Richtung Marion. Sie waren glücklich gewesen, mit den Kindern und später auch ohne. Sie hatten sich immer etwas zu erzählen und sie konnten beide über sich selbst lachen.

»Caesar, wo bist du?«

2000

»Wie hast du es eine Woche mit dem Priester ausgehalten?«

Peer und Nina saßen in einem einfachen Restaurant und hatten gerade zwei Bier bestellt.

»Du meinst mit Dieter! Sehr gut.«

»Kann er denn überhaupt reden?«

Sie schauten in die Speisekarte und Peer blickte auf: »Natürlich. Er ist ein sehr verlässlicher Freund.«

»Und er sagt auch etwas, so wie wir jetzt miteinander reden.«

»Ja, natürlich. Ich glaube, Frauen gegenüber ist er etwas schüchtern.«

»Und woher kommt das? Er sieht doch nicht schlecht aus.«

»Bitte, frag mich etwas Leichteres! Was nimmst du?«

»Einfach Spaghetti mit Tomatensauce.«

»Ich nehme eine Pizza mit Funghi.«

»Und du, bist du auch schüchtern?«, fragte sie lachend.

Normalerweise war um 18:30 Uhr Abendessen, aber diesmal konnten die Bewohner auch noch später etwas essen. Gerhard und Ellie gingen zu ihrem gewohnten Tisch.

»Da haben Sie wirklich etwas verpasst, Herr Busch«, sagte Ellie, etwas außer Atem. Herr Busch trank einen Schluck Tee und schaute die beiden an.

»Warum sind Sie nicht mitgekommen?«

»Das war mir zu umständlich.«

»Umständlich! Der Kleinbus hat uns von hier zur Stadthalle gebracht und hat uns sogar bis zur Eingangstür gefahren.«

»Das war wirklich ein tolles Programm.«

»Und was haben Sie Neues über Männer und Frauen erfahren?«

»Tina Teubner hat auf originelle Weise neue Nuancen geboten, und das sehr spritzig und witzig.«

»Und der Pianist mit der Glatze! Der war klasse. Wie hieß der noch mal?«

»Ich glaube Ben Süverkrüp.«

»Hatten Sie heute Nachmittag Besuch, Herr Busch?«

»Nein, mich kommt keiner besuchen.«

»Haben Sie denn keine Verwandten?«

Norbert Busch räusperte sich, dann sagte er: »Doch, einen Sohn, aber den können Sie vergessen.«