So wird Führung in Teilzeit zum Erfolg! - Johanna Fink - E-Book

So wird Führung in Teilzeit zum Erfolg! E-Book

Johanna Fink

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Beschreibung

100 % Teilzeit: Karriere – so wie ich sie will! - Das erste Praxisbuch für Teilzeitführungskräfte auf dem deutschsprachigen Markt  - In Deutschland arbeiten 14 % der Führungskräfte in Teilzeit – in der Schweiz sind es bereits 25 % (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) - Wie Teilzeitführung mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt ermöglicht, die Work-Life-Balance verbessert und Kosten spart Dieses Praxisbuch für Teilzeitführungskräfte ist der erste Ratgeber auf dem Markt, der Führung in Teilzeit umfassend beleuchtet. Egal, ob Sie neben einem erfüllenden Job mehr Zeit für die Familie haben möchten, sich eine bessere Work-Life-Balance wünschen oder sich neben dem Job weiterbilden wollen – dieser Kompass unterstützt Frauen und Männer dabei, Berufs- und Privatleben zu vereinbaren, ohne ihre Führungsposition aufgeben oder eine attraktive Aufstiegschance ausschlagen zu müssen. Teilzeitmodelle wie Jobsharing, das Vertretermodell oder Shared Leadership bieten enorme Chancen sowohl für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch für Unternehmen. Das Modell scheitert in der Praxis leider oft daran, dass Führung in Teilzeit häufig als schwierig oder kompliziert wahrgenommen wird. Es fehlt schlicht an sichtbaren Vorbildern, an denen sich Interessierte orientieren können. Was nur wenige wissen – Führungskräfte in Teilzeit sind schon längst auf dem Vormarsch. Das beweist, dass das Modell längst nicht mehr pure Theorie ist, sondern lebendiger Teil unserer Arbeitswelt. Und das schon längst nicht mehr nur für Mütter und Väter. Erhalten Sie in diesem Buch praxisnahe Einblicke in das Leben von erfolgreichen Teilzeitführungskräften und wertvolle Tipps zur Gestaltung Ihrer Teilzeitkarriere. Erfahren Sie, wie Sie teilzeitfreundliche ArbeitgeberInnen erkennen, mit welchem Mindset und welchen Argumenten Sie als erfahrene oder künftige Teilzeitführungskraft im Mitarbeiter- und Bewerbungsgespräch überzeugen und wie Sie Ihre Karriere nach Ihren Bedürfnissen und Wünschen gestalten können.  Mit einem Vorwort von Katy Roewer, OTTO-Bereichsvorstand Service & HR, Vorständin in 80 % Teilzeitarbeit Mit zweifarbigen Grafiken von Danny Herzog-Braune

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Johanna Fink

so wird führungin teilzeit zum erfolg!

Das Praxisbuch für Teilzeitführungskräfte

Illustriert von Danny Herzog-Braune

Externe Links wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches geprüft. Auf etwaige Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt hat der Verlag keinen Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Ein Hinweis zu gendergerechter Sprache: Die Entscheidung, in welcher Form alle Geschlechter angesprochen werden, obliegt den jeweiligen Verfassenden.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-96739-203-6

ISBN ePUB: 978-3-96740-413-5

Lektorat: Doreen Fröhlich, Chemnitz

Umschlaggestaltung: Tina Mayer-Lockhoff, Berlin

Illustrationen: Danny Herzog-Braune | www.paperwings-consulting.de

Autorinnenfoto: @ privat

Satz und Layout: Lohse Design, Heppenheim | www.lohse-design.de

© 2024 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2024 erschienenen Buchtitel "So wird Führung in Teilzeit zum Erfolg! Das Praxisbuch für Teilzeitführungskräfte" von Johanna Fink.

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

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Inhalt

Vorwort von Katy Roewer

Intro

Einleitung: Die Gretchenfrage – Kann Führung in Teilzeit wirklich funktionieren?

Teil I:

Teilzeit als Arbeits- und Lebensmodell der Zukunft

1

Willkommen am Arbeitnehmermarkt – Teilzeit als Chance für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber

2

Zwischen Lifestyle und Notwendigkeit – Teilzeit ist Trend

3

Who cares? Karriere beginnt zu Hause

Teil II:

So kann Führung in Teilzeit funktionieren!

1

Alles über Jobsharing, vollzeitnahe Teilzeit und Co. – Unterschiedliche Teilzeitmodelle für Führungskräfte

2

Führen in Teilzeit, aber richtig – Was hat Führung in Teilzeit mit New Work zu tun?

3

Fair hält länger – Wir müssen über Geld reden!

Teil III:

Als Teilzeitführungskraft erfolgreich durchstarten

1

Teilzeit und stolz drauf – Die passende Haltung finden

2

It’s a match – Den passenden Arbeitgeber finden

3

Solo, im Tandem oder als Team – Dein ideales

Operating Model

4

Jetzt wird’s ernst – Die ersten 100 Tage als Führungskraft in Teilzeit

5

Bloß nicht durchdrehen – Was tun, wenn mal wieder alles zu viel ist?

6

Das nimmst du mit! – Meine Top Tipps in der Zusammenfassung

Outro

Danke

Literaturverzeichnis

Endnotes

Über die Autorin

Vorwort von Katy Roewer

Liebe Leser:innen,

Anfang 2024 arbeiten in Deutschland 13 Prozent der Führungskräfte in Teilzeit. Ein »Randphänomen«, wie es heißt.1

Ich frage mich: Warum ist diese Zahl so niedrig? Liegt es an der Annahme, dass Führung und Personalverantwortung nur in Vollzeit funktionieren und Führungskräfte eben genau danach ausgewählt oder qualifiziert werden?

Falls ja, ist es allerhöchste Zeit, dieses Bild zu revidieren. Denn: Es ist schlichtweg falsch. Wir brauchen eine neue Haltung zu Führung in Teilzeit. Führungskompetenz benötigt keine Vollzeitpräsenz – das eine bedingt nicht das andere. Präsenzstunden allein lassen keine Rückschlüsse auf die Führungskompetenz zu. Im Gegenteil, es sind vor allem persönliche Skills, auf die es ankommt.

Ich spreche aus Erfahrung und eigener Überzeugung. Denn seit 2015 arbeite ich als Managerin in Teilzeit und bin in meiner Rolle für rund 6000 Menschen verantwortlich. Deshalb weiß ich, dass »Chef:in sein« und Teilzeit kein Widerspruch sind, sondern eine große Chance, Führungsrollen neu und anders zu denken.

Was es braucht, sind Aufklärung und Beispiele, wie Führen in Teilzeit funktioniert. Und Rahmenbedingungen mit effizientem Zeit- und Erwartungsmanagement sowie klarer Kommunikation. Einen hilfreichen und klugen Anstoß dazu gibt dieses Buch – das den Weg für ein modernes und faires Verständnis von Teilzeitführung bereitet.

Herzlich,

Katy Roewer

(Bereichsvorständin Service & HR bei OTTO)

Intro

Ich habe lange darüber nachgedacht, dieses Buch zu schreiben. Vor allem deshalb, weil ich mir oft die Frage gestellt habe: Schaffe ich das zwischen Unternehmensgründung und Kinderzeit, zwischen Selbstfürsorge und dem Bedürfnis, aktiv zu einer diverseren und nachhaltigeren Arbeitswelt beizutragen? Denn eines ist klar: Einfach weiter so wie bisher ist keine Lösung mehr. Wir haben es in unserer heutigen Zeit mit den verschiedensten Krisen zu tun – global bedroht uns die Klimakrise, in Europa herrscht Krieg, und der soziale Friede in Deutschland wackelt. Gleichberechtigung und Diversität sind zwar Teil der gesellschaftlichen Diskussion – gleichzeitig sind diese Errungenschaften durch den politischen Rechtsruck in Deutschland und Europa so bedroht wie schon lange nicht mehr.

Was wir brauchen, sind neue Konzepte und Ideen. Auch und besonders für die Arbeitswelt, in der wir uns bewegen. Und genau darum geht es in diesem Buch. Ich möchte tradierte Glaubenssätze und Gewohnheiten in Bezug auf Führung infrage stellen und ein neues Bild von Karriere zeichnen, das vielfältig und attraktiv ist. Ich wünsche mir, dass Arbeit und Leben nicht vereinbart werden müssen, sondern ineinandergreifen. Dass wir unsere Zeit auf unterschiedliche Lebensbereiche aufteilen können, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, uns rechtfertigen zu müssen oder aus dem letzten Loch zu pfeifen. Ich wünsche mir nichts anderes als eine gerechtere, menschlichere Arbeitswelt.

Deshalb möchte ich mit diesem Buch zum einen meinen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs über die Zukunft unserer Arbeitswelt leisten. Aussagen wie »Wir brauchen mehr Bock auf Arbeit«2 und die Diskussionen über die Anhebung der Wochenarbeitszeit auf 42 Stunden lassen mich wütend und auch ein Stück weit fassungslos zurück – denn Ideen und Prinzipien aus dem letzten Jahrtausend werden uns in unserer postindustriellen Arbeitswelt nicht weiterbringen.

Damit zukünftiges Arbeiten gut gelingt, ist jeder und jede Einzelne von uns gefragt. Aber auch Wirtschaft und Politik haben wirksame Werkzeuge in der Hand. 2024 haben Unternehmen wie Henkel mit der Einführung einer geschlechtsneutralen Elternzeit für die ersten acht Wochen nach der Geburt eines Kindes ein Zeichen gesetzt. Das Unternehmen stockt das Elterngeld auf das ursprüngliche Gehalt auf und ermöglicht damit in Deutschland Eltern einen gemeinsamen Start in die Elternschaft, wovon besonders Väter und gleichgeschlechtliche Paare profitieren.3 Die Politik, die die Umsetzung einer längst überfälligen EU-Richtlinie seit geraumer Zeit vor sich herschiebt und nun für 2024 angekündigt hat, schneidet da im Vergleich ziemlich schlecht ab. Denn die Reform des Ehegattensplittings, das Anreize für eine höhere Erwerbsbeteiligung verheirateter Frauen setzt, sowie eine paritätische Aufteilung des Elterngeldes, das zu einer ebensolchen Aufteilung der Elternzeit motiviert, wären wichtige Maßnahmen, um zu einer nachhaltigen Veränderung zu kommen. Wären, wohlgemerkt. Bis es so weit ist, spielen Unternehmen, die heute bereits Fakten schaffen und Teilzeitmodelle auf allen Karrierelevels anbieten, eine entscheidende Rolle in der Etablierung eines neuen Verständnisses besonders von Arbeit in Teilzeit.

Aber auch wenn der gute Wille da ist – in der Praxis scheitert Führung in Teilzeit häufig immer noch daran, dass das Konzept als schwierig oder kompliziert wahrgenommen wird und positive Beispiele fehlen. Als ich vor knapp zehn Jahren Führungskraft in Teilzeit geworden bin, gab es für mich wenig bis gar keine sichtbaren Vorbilder – weder auf Unternehmensseite noch im privaten Umfeld. Ich musste vieles allein herausfinden und habe dabei auch Fehler gemacht, die ich mit meinem heutigen Wissen hätte vermeiden können. Was mir geholfen hätte, wäre ein Buch wie dieses gewesen. Ein Buch, das Menschen zu Wort kommen lässt, die den Weg zur erfolgreichen Teilzeitführungskraft bereits gegangen sind, und von deren Erfahrungen ich profitieren kann. Ein Buch, das mir Tools und Techniken an die Hand gibt, die mir bei der Orientierung in der neuen Rolle helfen. Gleichzeitig habe ich gelernt, dass es den einen richtigen Weg nicht gibt – aber es gibt viele hilfreiche Best Practices und Werkzeuge, die dir auf deiner Reise als Teilzeitführungskraft helfen können.

Und das ist der zweite Grund, warum ich mein Wissen in diesem Ratgeber zusammengefasst habe. Mit meinem Unternehmen TEILZEIT. TALENTE, das ich 2023 gegründet habe, begleite ich Organisationen dabei, Führung in Teilzeit erfolgreich zu etablieren. Aber ich wollte auch die Menschen direkt erreichen, die sich auf den Weg zur Teilzeitführungskraft machen wollen oder schon gemacht haben. Seit 2021 spreche ich deshalb in meinem gleichnamigen Podcast mit Teilzeitführungskräften, Expert:innen und Unternehmensvertreter:innen über Führung in Teilzeit. In über 80 Episoden ist so ein wahrer Schatz an Erfahrungsberichten, Erfolgsstorys und Wissenshäppchen entstanden. Dadurch habe ich noch mal viel über das Thema gelernt, und in mir ist der Wunsch entstanden, dieses Wissen in gebündelter Form auch anderen zugänglich zu machen. Das Ergebnis ist dieses Buch, das zu großen Teilen auf meinen Gesprächen aus dem Podcast basiert. Viele der in den letzten drei Jahren geführten Interviews findest du in Ausschnitten auf den folgenden Seiten wieder – einige wenige sind eigens für das Buch entstanden.

Führung in Teilzeit besteht aus drei großen Teilen. Im ersten Teil versorge ich dich mit wichtigen Hintergrundinformationen und Fakten, damit du gute Argumente an der Hand hast, wenn es darum geht, (d)ein Unternehmen von flexiblen Arbeitsmodellen für Führungskräfte zu überzeugen. Im zweiten Teil zeige ich dir, mit welchen Tools und welchem Mindset Führung in Teilzeit wirklich funktionieren kann, und im dritten und letzten Teil widme ich mich den praktischen Fragen auf dem Weg zu einer Führungsposition in Teilzeit und gebe dir Tipps und Tricks für den Start in der Rolle.

Ich wünsche dir viel Freude mit dem Buch und Erfolg auf deinem beruflichen Lebensweg!

Einleitung: Die Gretchenfrage – Kann Führung in Teilzeit wirklich funktionieren?

Dieser Frage habe ich 2021 meine erste Podcast-Episode gewidmet – und auch mehr als zwei Jahre später ist diese Folge immer noch die meistgehörte überhaupt, das Interesse am Grundsätzlichen dieser Frage ungebrochen hoch. Auch wenn ich ins Gespräch mit Unternehmensvertreter:innen gehe, höre ich oft den mehr oder weniger leisen Zweifel heraus, ob das mit der Karriere in Teilzeit wirklich klappen kann.

Als 2015 das langersehnte Angebot für eine Führungsposition auf meinem Tisch lag, habe ich mir diese Frage ebenfalls gestellt. Alles hat gepasst – spannender Job, toller Chef und nette Kollegen. Nur der Zeitpunkt war mies. Ich war gerade mit meinem ersten Kind schwanger. Gleichzeitig war mir schnell klar, dass ich das Angebot gern annehmen möchte, und zwar idealerweise in Teilzeit und mit einem Wiedereinstieg nach sieben Monaten Elternzeit. Denn ich wollte beides – Kind und Karriere. Ehrlich gesagt habe ich damals nicht damit gerechnet, dass mein Chef auf meine Vorstellungen eingehen würde. Doch für mich stand fest: Es geht nur in Teilzeit oder gar nicht. Ich wollte für meine neue Familie da sein und im Beruf weiterkommen. Umso größer waren mein Glück und die Überraschung, als die Zusage kam. Und das war natürlich auch der Moment, in dem es in meinem Kopf zu rattern begann: Schaffe ich das? Kann das funktionieren? Und wenn ja, wie?

Tatsächlich ist es dann ziemlich gut gelaufen. Besser, als ich und vermutlich auch viele andere sich das vorgestellt haben. Gleichzeitig ist meine Geschichte natürlich kein unumstößlicher Beweis dafür, dass Führung in Teilzeit funktioniert. Aber sie ist ein gutes Beispiel. Später habe ich außerdem gemerkt, dass Erfahrungen wie meine wichtig sind, weil sie andere motivieren und inspirieren, diesen Weg ebenfalls zu gehen. Denn erfolgreiche Führungskräfte in Teilzeit sind immer noch viel zu wenig sichtbar in unserer Arbeitswelt. Aber wie kann eine allgemeingültigere Antwort auf die Frage aussehen, ob Führung in Teilzeit wirklich funktionieren kann? Werfen wir zunächst einen Blick auf die Statistik. In Deutschland arbeiten 13 Prozent aller Führungskräfte in Teilzeit.4 Das ist alles andere als die absolute Ausnahme; es gibt diese Teilzeitführungskräfte, und das nicht erst seit gestern. Allerdings sind sie fast ausschließlich Frauen.5 Im Umkehrschluss bedeutet das: Wenn Führung in Teilzeit nicht funktionieren würde, dürfte es diese 13 Prozent gar nicht geben. Für unsere Frage bedeutet das: Sie muss anders lauten. Statt nach dem ob zu fragen, sollten wir uns damit beschäftigen, wie Führung in Teilzeit funktionieren kann und wie alle Beteiligten davon profitieren können.

Auch für mich wäre damals eine solch konkrete, konstruktive Fragestellung hilfreich gewesen. Denn was mir wirklich geholfen hätte, wären Informationen und Best Practices dazu gewesen, wie das Arbeitsmodell in der Anwendung aussehen kann, wie es funktioniert und welchen Spielraum ich habe. Mir war klar, dass ich dafür sorgen musste, dass das Team auch ohne meine ständige Anwesenheit funktionieren kann. Mich in alle Aufgabengebiete einzuarbeiten und dort zur Fachexpertin zu werden, erschien mir in 30 Wochenstunden relativ aussichtslos. Gleichzeitig wollte ich nicht nachmittags mit dem Handy am Ohr am Spielplatz stehen und mit meiner Aufmerksamkeit immer woanders sein müssen als bei meinem Kind. Ich brauchte also einen Führungsstil, der für eine klare Ausrichtung sorgt und Mitarbeitenden ein möglichst selbstorganisiertes Arbeiten ermöglicht. Trust and Inspire statt Command and Control war die Devise. Wie das genau gehen sollte, war mir zum damaligen Zeitpunkt aber nicht wirklich klar. Also habe ich Bücher über agiles Management gelesen, mich aber vor allem auf meine Intuition verlassen und einfach losgelegt.

Von den Kolleg:innen wurde ich damals sowohl freundlich begrüßt als auch verhalten beäugt – so etwas wie mich hatte es vorher noch nicht gegeben. Eine Führungskraft in Teilzeit war in ihrem Umfeld ein Novum, und auch ich konnte nicht wirklich mit Erfahrung aufwarten. Nach außen hin habe ich versucht, Zuversicht und Gelassenheit auszustrahlen. In mir drin sah es manchmal jedoch ganz anders aus. Dazu kam, dass ich gerade am Anfang oft mit meiner Entscheidung gehadert habe. Wenn ich morgens das Haus verlassen habe und meine Tochter beim Papa erst mal geweint hat. Wenn ich nachts fast nicht geschlafen habe, weil das Kind krank war. Wenn ich das Gefühl hatte, in der Arbeit mit meiner Situation und den damit verbundenen Herausforderungen allein zu sein. Gleichzeitig habe ich schnell gemerkt, dass mir der Job Spaß macht und ich mit meiner Arbeit etwas bewegen kann. Schon nach den ersten Wochen und Monaten bekam ich immer mehr das Gefühl, dass es gut läuft. Und dieses Gefühl hatte nicht nur ich – auch mein Chef und die meisten Kolleg:innen im Team waren zufrieden mit mir als neuer Führungskraft. Ich hatte es erst einmal geschafft.

Dass das, was ich mir überlegt hatte, funktionierte, mag Zufall gewesen sein oder auch Glück. Wenn ich heute auf mein Wissen zum Thema Teilzeitführung blicke oder mit anderen erfolgreichen Teilzeitführungskräften spreche, werden mein Vorgehen und meine Erfahrungen von damals bestätigt. Auf der anderen Seite gibt es für Teilzeitführung kein Patentrezept, das zu jedem und jeder Teilzeitführungskraft in jedem Unternehmen passt. Denn die Rahmenbedingungen sind höchst unterschiedlich, und Führung in Teilzeit hängt von verschiedenen Faktoren ab: dem Job, der Branche, der Unternehmenskultur, der Teamzusammensetzung und zuletzt auch vom individuellen Führungsstil sowie natürlich der verfügbaren Arbeitszeit. Eine Karriere in Teilzeit mit 20 Stunden in einem eher konservativen Konzernumfeld funktioniert anders als Führung in Teilzeit in einem sogenannten vollzeitnahen Arbeitsmodell mit bis zu 36 Wochenstunden in einem kleinen und agilen Unternehmen.

Deshalb werde ich dir in diesem Buch verschiedene Ansätze vorstellen und dir Best Practices und Role Models aus unterschiedlichsten Kontexten präsentieren. Denn ich wünsche mir, dass du dir daraus ein individuelles Modell zusammenstellen und so von den Erfahrungen anderer profitieren kann. Also genau das erlebst, was mir bei meinem Start als Teilzeitführungskraft gefehlt hat. Immer mit dem Ziel, dass du daraus das für dich und deinen Kontext passende Modell entwickeln kannst.

#1

Es gibt sie, die erfolgreichen Teilzeitführungskräfte – auch wenn Führung in Teilzeit nicht die Norm ist.

#2

Die Frage ist also nicht,

ob

Führung in Teilzeit funktionieren kann, sondern

wie

.

#3

Dafür gibt es nicht das eine Patentrezept, sondern Best Practices passend zu dir und deiner beruflichen Situation.

TeilITeilzeit als Arbeits- und Lebensmodell der Zukunft

Bevor wir darüber sprechen, wie Führung in Teilzeit funktionieren kann, möchte ich einen Blick auf die Hintergründe werfen. Warum ist das Thema Teilzeit heute so wichtig wie nie zuvor? Wieso profitieren nicht nur Arbeitsnehmer:innen von flexiblen Arbeitsmodellen, sondern auch Arbeitgeber? Und wer hat eigentlich alles Interesse an Teilzeitmodellen? Bei der Beantwortung dieser Fragen werden wir feststellen, dass Teilzeit inzwischen für viele Menschen ein Thema ist, egal ob sie Care-Verantwortung tragen oder nicht. Gleichzeitig sind Karrierechancen und Care-Arbeit, sich also um jemanden zu kümmern, natürlich eng miteinander verwoben – insbesondere für Mütter. Als (potenzielle) Teilzeitführungskraft nimmst du aus diesem Kapitel wichtige Informationen mit, die dir helfen, dein Arbeitsmodell bei (d)einem Arbeitgeber besser zu vermarkten, und dir gleichzeitig zeigen, was dein Privatleben mit deinem Erfolg als Teilzeitführungskraft zu tun hat.

1 Willkommen am Arbeitnehmermarkt – Teilzeit als Chance für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber

Warum ist das Thema so wichtig?

Als ich in meine Rolle als Teilzeitführungskraft gestartet bin, habe ich es als großes Entgegenkommen meines Arbeitgebers verstanden, Karriere und Familie miteinander vereinbaren zu dürfen. Ich war unglaublich dankbar und wollte zeigen, dass mein Modell funktioniert – denn das mir entgegengebrachte Vertrauen wollte ich keinesfalls enttäuschen. Heute sehe ich das ein bisschen anders. Mitte der 2000er waren Jobs Mangelware. Die Arbeitslosenquote lag bei 11,7 Prozent, und es gab fast fünf Millionen Arbeitslose in Deutschland.6 Verglichen mit heute war die Lage für mittelmäßige Studienabsolventen wie mich also alles andere als rosig. Bis ich den ersten Job ergattert hatte, dauerte es etwas, und gehaltstechnisch lag ich erst mal ziemlich weit unten. Meine Karriere ist in den folgenden Jahren gut in Schwung gekommen – so ganz sicher, dass es immer weiter bergauf gehen würde, war ich mir dennoch nie. Diese Erfahrung eines nicht ganz einfachen Berufseinstiegs hat mich und sicher auch viele andere Menschen meiner Generation geprägt. Dazu kam, dass wir in einen von der Babyboomer-Generation geformten Arbeitsmarkt eingetreten sind. Arbeitnehmer:innen aus den besonders geburtenstarken Jahrgängen der Nachkriegszeit waren immer im Überfluss vorhanden – wer Karriere machen wollte, musste sich hinten anstellen und vor allem Durchhaltevermögen an den Tag legen. Auch die Arbeitskultur unterschied sich in vielerlei Hinsicht von der Situation heute. Was der oder die Chef:in sagte, war gesetzt. Etwas überspitzt lautete die Devise erst mal: Klappe halten und ranklotzen. Dann durfte man früher oder später vielleicht auch mal mitreden.

Heute sieht die Sache ganz anders aus. Mit 5,3 Prozent ist die Arbeitslosenquote auf dem niedrigsten Level seit der Wiedervereinigung.7 Gleichzeitig erreichte die Fachkräftelücke im Jahr 2022 mit 630 000 ein neues Rekordhoch.8 Bereits heute gibt über die Hälfte aller Unternehmen an, keine passenden Arbeitskräfte mehr zu finden.9 Und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Das liegt daran, dass die Babyboomer in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen und eine riesige Lücke auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen werden. Die Bundesregierung rechnet bis 2035 mit bis zu sieben Millionen fehlenden Fachkräften.10 Und diese Lücke kann nicht allein durch die folgenden Generationen gefüllt werden, da die nachkommenden Jahreskohorten bei Weitem nicht mit den Wirtschaftswunderjahrgängen mithalten können. Gleichzeitig steigt die Teilzeitquote seit Jahren, und die Bedeutung von Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft scheint sich gerade massiv zu verändern. Als Erwerbsarbeit wird bezahlte Arbeit bezeichnet – also beispielsweise die Arbeit in Festanstellung oder als Selbstständige:r. Die aktuellen Diskussionen um die 4-Tage-Woche oder die Arbeitseinstellung der Gen Z – der Nachfolgegeneration der Millennials, also der zwischen 1997 und 2012 Geborenen – zeigen, dass hier etwas in Bewegung geraten ist.

Seitens Politik und Wirtschaft gibt es viele Vorschläge, wie dem Problem entgegengewirkt werden kann. Zuwanderung ist ein Thema, die Diskussion um die Erhöhung der Regelaltersgrenze und der Wochenarbeitszeit ein anderes. Gleichzeitig ist klar, dass wir alle Menschen am Arbeitsmarkt teilhaben lassen müssen, die das gern möchten – und zwar unabhängig davon, ob in Voll- oder Teilzeit. Denn das ist gegenwärtig nicht annähernd der Fall. Wir haben reihenweise qualifiziertes Personal zu Hause oder am Spielplatz sitzen. Und nicht alle dieser Frauen (und inzwischen teilweise auch Männer) haben sich diesen Weg ausgesucht. So wollen Mütter in Deutschland gern mehr arbeiten, als es ihnen tatsächlich möglich ist. Gut ein Viertel aller Mütter geht keinem Beruf nach, offenbar oft unfreiwillig; nur etwa zwölf Prozent wünschen sich tatsächlich keine Erwerbstätigkeit für sich. Wenn sie einen Job haben, arbeiten Mütter zudem häufig gegen ihren Willen in geringen Teilzeitquoten: Gut 21 Prozent sind weniger als 20 Stunden die Woche in ihrem Beruf beschäftigt, ein so kleines Stundenpensum wünschen sich dagegen lediglich zwölf Prozent der Mütter.11 Würden allein die Frauen, die ungewollt in geringen Teilzeitquoten arbeiten, ihr Arbeitszeitvolumen um nur zehn Prozent steigern, hätten wir auf einen Schlag 400 000 Arbeitskräfte mehr.12 In diesem Buch geht es jedoch nicht nur um die Gruppe der Mütter und Eltern-Teilzeit ist heute ein Thema für junge und ältere Menschen, für Menschen mit und ohne Care-Verantwortung. Fakt ist: Viele Länder in Europa haben ein Problem, darunter auch Deutschland, Österreich und die Schweiz.13 Denn trotz wachsender Engpässe am Arbeitsmarkt scheint es nicht zu gelingen, alle arbeitswilligen Menschen in Arbeit zu bringen.

Wenn wir über Führung sprechen, müssen wir außerdem einen weiteren Aspekt mit in Betracht ziehen: Immer weniger Menschen wollen Führungsaufgaben übernehmen. Nur noch 14 Prozent aller Mitarbeitenden geben an, dass sie gern Führungskraft werden wollen.14 Und auch andere Studien lassen vermuten, dass dieses Zielbild für viele Menschen unattraktiv geworden ist. Über die Gründe lässt sich spekulieren – die immense Arbeitslast und das hohe zeitliche Engagement spielen dabei neben den vielfältigen Anforderungen an Führungskräfte ganz sicher eine Rolle. Gleichzeitig müssen Führungskräfte in Zeiten hoher Unsicherheit auch menschlich Höchstleistung bringen. Kriege, Wirtschaftskrisen und der Klimawandel belasten viele Menschen und Unternehmen. Unsere Welt ist fragiler geworden. Führungskräfte müssen die eigene Unsicherheit aushalten und gleichzeitig anderen Sicherheit vermitteln – ein schwieriger Spagat. Auch hier können Teilzeitmodelle für Führungskräfte beispielsweise durch die Teilung von Führungsverantwortung Abhilfe schaffen, Führung wieder attraktiver und Führungspositionen für Mitarbeitergruppen abseits der Vollzeitnorm zugänglich machen.

Welche Chancen stecken für Unternehmen und Teilzeitführungskräfte in dieser Entwicklung?

Dass sich etwas ändern muss, haben auch viele Unternehmen bereits erkannt. Adressiert werden bisher vor allem Eltern als neue Zielgruppe, denn Familienfreundlichkeit ist ein Label, das sich viele Arbeitgeber inzwischen gern zuschreiben lassen. Ein Großteil aller Unternehmen weiß, dass familienfreundliche Maßnahmen wie flexible Arbeitsmodelle wichtig sind, damit Beschäftigte mit familiären Verpflichtungen ihre vertragliche Arbeitszeit aufrechterhalten beziehungsweise aufstocken können. Demgegenüber stehen 94 Prozent der Beschäftigten mit Kindern, für die diese familienfreundlichen Maßnahmen bei einem Arbeitgeber relevant sind. Aber auch ein Großteil der Mitarbeitenden ohne Care-Verantwortung empfindet das Thema Familienfreundlichkeit als wichtig.15

Arbeitgebende können durch ein familienfreundliches Branding erfahrene Mitarbeitende an ihr Unternehmen binden und ihre Arbeitgebermarke stärken. Gleichzeitig gewinnen sie mit dem Angebot flexibler Karrierewege auch oft sehr loyale Mitarbeitende – die sich bei den Unternehmen durch jahrelange Treue und hohe Produktivität »bedanken«. In einer Studie haben 63 Prozent der befragten Führungskräfte angegeben, dass sie durch die Nutzung flexibler Arbeitsmodelle motivierter sind. 58 Prozent waren der Meinung, dass sich ihre Produktivität gesteigert hat, und weitere 57 Prozent sahen einen Anstieg der Kreativität im Job.16

Gerade für mittelständische und kleine Betriebe kann eine familienfreundliche Arbeitgebermarke die Chance sein, sich gegen die Konkurrenz am Arbeitgebermarkt abzusetzen und erfahrene Mitarbeitende langfristig ans Unternehmen zu binden. Denn sie können in Ballungsräumen oft nicht mit den Gehältern von Konzernen konkurrieren oder haben aufgrund ihrer geografischen Lage Schwierigkeiten, ausreichend qualifizierte Mitarbeitende anzuziehen. Das alles zeigt, dass das Angebot von Führungspositionen in Teilzeit schon lange kein einseitiges Zugeständnis des Unternehmens an die Mitarbeitenden ist. Führung in Teilzeit und generell Vereinbarkeit sind heute Teil einer soliden Fachkräftesicherungsstrategie und ein wichtiger Employer-Branding-Faktor.

Kiki Radicke leitet den Bereich People and Culture bei Adacor, einem mittelständischen IT-Unternehmen. Sie erzählt im Interview, welche Vorteile eine gelungene Vereinbarkeit für das Unternehmen und die Mitarbeitenden hat.

Johanna: Was versteht ihr im Unternehmen unter Vereinbarkeit?

Kiki: Für uns bedeutet Vereinbarkeit, dass wir – egal, wo die Kolleg:innen gerade im Leben stehen – Angebote machen, die dabei unterstützen, Privatleben und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Wir möchten als Unternehmen Partner sein und richten unsere Maßnahmen und Angebote an den Bedürfnissen der Kolleg:innen aus.

Für mich persönlich heißt Vereinbarkeit, dass ich mich nicht zwischen Karriere und Privatleben entscheiden muss, sondern in beiden Bereichen erfolgreich sein kann. Familie und Elternzeit werden nicht als Karrierekiller gesehen, sondern als Teil der persönlichen Weiterentwicklung anerkannt. In dieser Zeit erwerben Mitarbeitende neue Skills, die sie positiv in ihr Berufsleben einbringen. Damit kann Elternzeit zu einem echten Benefit für Unternehmen werden.

Johanna: Was für ein Unternehmen ist Adacor?

Kiki: Wir sind ein mittelständisches Unternehmen mit etwas über 70 Mitarbeitenden, sitzen in Offenbach und begleiten Unternehmen auf ihrer Cloud Journey, das heißt, wir helfen ihnen dabei, ihre Prozesse und Geschäftsmodelle zu digitalisieren, und sind besonders stark in den Themen Compliance für Banken oder den Health-Bereich.

Johanna: Wie ist es dazu gekommen, dass das Thema Vereinbarkeit bei euch so präsent ist?

Kiki: Unsere Gründer haben alle auch Familie, daher besteht seit Beginn ein ausgeprägtes Verständnis für dieses Thema innerhalb der Geschäftsführung, was sich in einem starken Engagement für die Förderung von Familienfreundlichkeit widerspiegelt. Um Fachkräfte konkurrieren wir in Frankfurt mit den namhaften Unternehmen und großen Banken, was bedeutet, dass wir uns als Arbeitgeber differenzieren müssen. Unser Alleinstellungsmerkmal haben wir in der Förderung von Vereinbarkeit gefunden.

Wir sind also ein passender Partner für Mitarbeitende, wenn es darum geht, den Fokus von der ausschließlichen Karriereentwicklung hin zum ausgewogenen Zusammenspiel von Privatleben und Beruf zu verändern. Bei Adacor ist Karriere im Einklang mit Familie möglich – für Frauen wie für Männer. Gleichzeitig erkennen wir, dass das Thema Vereinbarkeit für Mitarbeitende und potenzielle Bewerber:innen von immer größerer Bedeutung ist.

Johanna: Ihr sagt über euch, dass ihr die Elternzeit in die Karriere integriert. Kannst du berichten, wie es dazu gekommen ist, dass ihr euch gerade dem Thema Elternzeit gewidmet habt und was ihr hier anders macht als andere?

Kiki: Die Inspiration stammt aus einem Gespräch mit zwei Frauen außerhalb von Adacor, die mir über ihre Sorge berichteten, in der Karriereentwicklung ihres Unternehmens nicht mehr berücksichtigt zu werden. Sie hatten das Gefühl, unter dem »Generalverdacht des Kinderkriegens« zu stehen, und sahen den Wiedereinstieg nach der Elternzeit als eine undurchsichtige Blackbox an.

Diese Erfahrungen haben uns gezeigt, dass wir bei Adacor einen anderen Weg einschlagen wollen. Um die Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden besser zu verstehen, haben wir einen Workshop organisiert, um ihre Wünsche, Sorgen und Ideen im Zusammenhang mit längeren Auszeiten wie Elternzeit oder Sabbatical zu ermitteln.

Die Ergebnisse dieses Workshops führten zur Entwicklung eines Elternzeitprozesses mit klaren Checklisten und Prozessen, die unsere Mitarbeitenden während dieser Phase unterstützen. Ein zentraler Bestandteil ist das Karrieregespräch, das zu Beginn des Prozesses stattfindet und die beruflichen Pläne der Person nach der Rückkehr thematisiert. So vermitteln wir unseren Mitarbeitenden die Sicherheit, dass wir an ihrer Seite stehen und sie flexibel in ihrer jeweiligen Lebensphase unterstützen.

Darüber hinaus ermöglichen wir bereits vor der Elternzeit, Weichen für den Wiedereinstieg zu stellen, etwa durch einen Rollenwechsel. Nach der Rückkehr Supporten wir mit einem flexiblen Einstieg. Auf diese Weise entsteht eine gemeinsame Zukunftsplanung, die unseren Mitarbeitenden die Integration von Familie und Beruf erleichtert.

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Das Beispiel von Adacor zeigt: Neben den Unternehmen profitieren auch die Mitarbeitenden von mehr Familienfreundlichkeit. Für sie bedeutet es oft eine bessere Vereinbarkeit von Kindern und Karriere oder mehr Zeit für pflegebedürftige Angehörige. Ich habe es sehr geschätzt, meine Kinder an zwei Nachmittagen in der Woche auf den Spielplatz begleiten oder mit ihnen zum Sport gehen zu können. Fester Bestandteil des Alltagslebens der Kinder zu sein und gleichzeitig meine Karriere voranzubringen war für mich der größte Vorteil an der Rolle als Teilzeitführungskraft. Allerdings habe ich auch gemerkt, wie viel Kraft dieser Wechsel zwischen extremer Effizienz und Zielgerichtetheit sowie Ziellosigkeit gepaart mit maximaler Langsamkeit mich gerade mit sehr kleinen Kindern oft gekostet hat. Dennoch glaube ich, dass mich dieser Spagat zur besseren Führungskraft gemacht hat – denn der Blick auf beide Welten ordnet Themen im beruflichen Kontext oft anders ein. Er nimmt beruflichen Herausforderungen und Problemen ein Stück weit die Brisanz und ermöglicht ein ganz neues Level an Empathie. Angstgetrieben treffen wir schlechte Entscheidungen und werden auch für unser Umfeld schwierig zu handeln. Viel zu oft habe ich als junge Projektleiterin schlecht geschlafen, weil mich eine berufliche Frage beschäftigt hat oder ich mir Sorgen über den Verlauf eines Projektes gemacht habe. Mit den Kindern war das vorbei – es gab wichtigere Dinge in meinem Leben. Und das ist gar nicht negativ gemeint, durch die Familiengründung hat sich für mich eher eine gesunde, ausgewogene Einordnung der Dinge entwickelt. Arbeit ist wichtig, meine Kinder sind mir wichtiger. Aber Teilzeit ist nicht immer mit Kindern verknüpft, auch wenn das meinem Erfahrungshorizont entspricht. Für einige ermöglicht Karriere in Teilzeit eine berufsbegleitende Weiterbildung, andere erfüllen sich den Wunsch nach einem Side-Business, schaffen Raum für ehrenamtliches Engagement oder kümmern sich um pflegebedürftige Angehörige.

Aber noch einmal zurück zur Arbeitgeberperspektive. Ganz umsonst gibt es diese Vorteile für Unternehmen nicht: Sie müssen sich dafür mit der Teilzeitfreundlichkeit ihrer Strukturen und der Unternehmenskultur auseinandersetzen, denn das sind zwei wichtige Stellschrauben auf Unternehmensseite. Das bedeutet, Zeit und Energie in das Thema zu investieren. Und auch wenn dieses Buch sich an Teilzeitführungskräfte und nicht in erster Linie an Unternehmen richtet, wirst du auf den folgenden Seiten immer wieder auf Beispiele stoßen, was auch Unternehmen tun können, um Führung in Teilzeit zu unterstützen.

Prof. Dr. Anja Karlshaus hat mit Teilzeitführung das Standardwerk zum Thema herausgegeben. Mit ihr habe ich über ihre Key Learnings gesprochen und darüber, was Unternehmen tun müssen, damit das Konzept sich durchsetzen kann.

Johanna: Wie bist du zur Teilzeitführung gekommen, und warum befasst du dich bis heute immer wieder damit?

Anja: Zum ersten Berührungspunkt mit dem Thema ist es tatsächlich in der Praxis gekommen. Während meiner Anstellung in einem Unternehmen und nach der Geburt meiner ersten Tochter habe ich erfahren, wie eine Umstellung von einer Vollzeit- auf eine Teilzeitposition verläuft. Als ich damals rasch wieder in den Arbeitsalltag zurückkehrte, erlebte ich die vielfältigen Herausforderungen, die sowohl für das Unternehmen als auch für die teilzeitbeschäftigte Führungskräfte entstehen.

Mir ist bewusst, welchen zusätzlichen Aufwand und welche Komplexität es für ein Unternehmen bedeutet, Teilzeitführung zu integrieren. Gleichzeitig betrachte ich das Thema als zukunftsweisend. Im Familienbericht NRW wird betont, dass eines der größten Probleme im Führungskräftebereich heutzutage nicht mehr nur finanzieller Natur ist, sondern vor allen Dingen auch das Thema Zeit betrifft. Zeit für Familie, Zeit für das Leben. Mit mittlerweile vier Kindern motiviert mich der Wunsch, dazu beizutragen, dass die Vereinbarkeit von Karriere und Privatleben künftig besser gelingt.

Johanna: Was sind deine Key Learnings, die du aus der eigenen Erfahrung und der wissenschaftlichen Betrachtung des Themas mitgenommen hast?

Anja: Zunächst einmal möchte ich betonen, dass Teilzeit ein relatives Konzept ist. Wie definiert sich eigentlich Teilzeitführung? Im europäischen Vergleich gibt es unterschiedliche Standards einer Normarbeitszeit. Personen, die in Deutschland beispielsweise 80 oder 90 Prozent arbeiten, gelten in anderen Ländern möglicherweise bereits als Vollzeitkraft. Dies ist nur ein Aspekt.

Zudem erlebe ich, dass es in der Praxis immer noch oft an der Umsetzung hapert. Einen Vollzeitvertrag einfach durch einen Teilzeitvertrag zu ersetzen – das reicht nicht aus. Da braucht es mehr, damit Teilzeitführung im Unternehmen funktioniert. Es bedarf vor allem einer entsprechenden Unternehmens- und Führungskultur, damit das Modell erfolgreich etabliert werden kann. Dies erfordert oft auch Zeit, insbesondere in Deutschland, wo eine starke Präsenzkultur vorherrscht. Auf der anderen Seite benötigen Unternehmen möglicherweise auch einfach andere Prozesse oder IT-Tools – vor allem wenn Teilzeitführung in Form eines Topsharing-Modells umgesetzt wird. Die Idee, zwei Führungskräfte auf einer Position zu haben, lässt sich teilweise nicht nahtlos in bestehenden Systemen integrieren und abbilden. Zusätzlich stoßen wir im Bereich der Weiterbildung zum Teil auf Trainingsangebote, die ausschließlich auf Vollzeit ausgerichtet sind. Sogar vermeintliche Kleinigkeiten, wie Meetings, die außerhalb eines gewissen Arbeitszeitkorridors stattfinden, können zu einer unintendierten Diskriminierung führen. All das sind Punkte, die man aktiv als Unternehmen angehen muss. Denn von ganz allein kommt eine erfolgreiche Teilzeitführung nicht zustande.

Johanna: Was können Unternehmen konkret tun, damit es mit der Umsetzung besser klappt?

Anja: Es beginnt damit, eine gründliche Analyse der eigenen Situation durchzuführen, da Teilzeitführung ein äußerst vielschichtiges Konzept ist. Sie kann in verschiedenen Formen auftreten, sei es in einem Topsharing