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Verschenkt das Glück auch zweite Chancen? Der gefühlvolle Roman »Sommer im kleinen Laden des Glücks« von Marie Bostwick jetzt als eBook bei dotbooks. Schon immer war Evelyns kleiner Quilt-Laden in New Bern, an der malerischen Ostküste der USA gelegen, ein sicherer Hafen für gebrochene Herzen. Hier will auch die junge Ivy Petermann einen Neuanfang starten: Mit ihren beiden kleinen Kindern und ihren wenigen Habseligkeiten ist sie auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann. Bei Evelyn und ihrem Quilt-Laden findet sie nicht nur Unterkunft und einen neuen Job, sondern auch Freundinnen fürs Leben – und die Hoffnung, ihre Vergangenheit für immer hinter sich lassen zu können. Doch gerade als Ivy anfängt, dem lang ersehnten Frieden zu trauen, holt ihr früheres Leben sie wieder ein … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der warmherzige Frauenroman »Sommer im kleinen Laden des Glücks« von Marie Bostwick. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 603
Über dieses Buch:
Schon immer war Evelyns kleiner Quilt-Laden in New Bern, an der malerischen Ostküste der USA gelegen, ein sicherer Hafen für gebrochene Herzen. Hier will auch die junge Ivy Petermann einen Neuanfang starten: Mit ihren beiden kleinen Kindern und ihren wenigen Habseligkeiten ist sie auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann. Bei Evelyn und ihrem Quilt-Laden findet sie nicht nur Unterkunft und einen neuen Job, sondern auch Freundinnen fürs Leben – und die Hoffnung, ihre Vergangenheit für immer hinter sich lassen zu können. Doch gerade als Ivy anfängt, dem lang ersehnten Frieden zu trauen, holt ihr früheres Leben sie wieder ein …
Über die Autorin:
Marie Bostwick lebt mit ihrer Familie in Oregon. Die amerikanische Bestseller-Autorin stieß in einem Urlaub mit ihren Freundinnen durch Zufall auf einen Schreibworkshop und entdeckte dabei ihre Liebe zum Schreiben. Wenn sie nicht an ihrem neusten Roman arbeitet, liest, kocht oder quiltet sie.
Marie Bostwick veröffentlicht bei dotbooks ebenfalls:
Der kleine Laden des Glücks
Die Website der Autorin: www.mariebostwick.com
Die Autorin im Internet: www.facebook.com/mariebostwick
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eBook-Neuausgabe Juli 2019
Dieses Buch erschien bereits 2010 unter dem Titel Das Band, das uns zusammen hält bei Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2009 by Marie Bostwick Skinner
Published by Arrangement with KENSINGTON PUBLISHING CORP., NEW YORK, NY 10018 USA.
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel A Thread of Truth bei Kensington Books, New York.
Copyright © der deutschen Ausgabe 2010 Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Andrew F. Kazmierski / Muzhik / melnikof / Deanna Laing / Martin Good / Elenemiv / Yuliia Hurzhos / Paul Shang / John 1179 / wedninth / Kelly vanDellen / Valda sowie © pixabay / Mark Martins / delphinmedia
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (aks)
ISBN 978-3-96148-432-4
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Marie Bostwick
Sommer im kleinen Laden des Glücks
Roman
Aus dem Amerikanischen von Ulrich Hoffmann
dotbooks.
Gewidmet den mutigen Frauen, die im Kampf gegen häusliche Gewalt von der Seite der Opfer auf die Seite der Gewinnerinnen wechselten.
Die Beraterin ist jung, blond, hübsch und ganz offensichtlich nervös. Sie überprüft ihr Bild im Wandspiegel, als sie ins Wartezimmer tritt, rückt ihren Kragen zurecht und räuspert sich, bevor sie mir mit einem breiten, eingeübten Lächeln die Hand entgegenstreckt und mich bittet, ihr ins Büro zu folgen.
Nach einem schnellen Kuss und dem Versprechen, dass wir uns in ein paar Minuten wiedersehen, gehen Bethany und Bobby gehorsam mit einer freiwilligen Helferin ins Spielzimmer, wo sie warten werden, bis ich mit dem Aufnahmegespräch fertig bin. Ich folge der Beraterin durch einen breiten Flur mit Deckenstrahlern und einem dicken, beigen Teppich.
Was für ein eigenartiger Ort. Eher ein gehobenes Hotel als ein Frauenhaus, zumindest anders als die anderen Frauenhäuser, in denen wir bisher waren. Alles ist still, und alle Mitarbeiter sind so freundlich, als wären sie allesamt ehemalige Empfangsdamen oder Kinderbibliothekarinnen, freundlich und bewusst ruhig. Na ja, fast alle.
Als wir eine Biegung im Flur erreichen, höre ich zwei Frauen streiten, gesittet, aber hitzig. Eine der Stimmen ist angespannt und kontrolliert, sie versucht die andere, ein wenig lautere Stimme zu beruhigen, die jemandem gehört, der geübt ist darin, in einem gebieterischen Tonfall präzise formulierte Sätze hervorzubringen, die jeden Widerspruch unterbinden. Es ist die Stimme einer Frau, die es gewohnt ist, sich durchzusetzen.
»Abigail, ich bin auf Ihrer Seite. Das wissen Sie doch«, sagt die erste Stimme. »Aber dies ist eine Notunterkunft, kein Einkaufsnetz. Sie können nicht einfach immer mehr Frauen wie Äpfel hineinstopfen, eine nach der anderen, und hoffen, dass alle Platz finden. Ich wünschte, wir könnten jede unterbringen, die zur Tür hereinkommt, aber das geht einfach nicht. Wir haben nur eine begrenzte Anzahl Betten.«
»Aber das ist ja genau mein Anliegen. Jeden Monat kommen mehr Menschen durch diese Tür als im Monat zuvor. Es ist doch lächerlich zu glauben, dass dieser Trend sich plötzlich umkehren würde. Warum also ziert der Vorstand sich so? Nein! Unterbrechen Sie mich nicht. Sie müssen nichts sagen. Ich habe das alles schon zigmal gehört: ›Diese Dinge brauchen Zeit. Wir sollten eine Auslastungsstudie anfertigen lassen. Oder eine Umfrage durchführen. Oder einen Berater engagieren.‹ Blödsinn! Wir müssen nichts davon tun. Wir müssen einen Architekten anheuern und einen Bagger mieten. Am besten heute! Ich habe es satt, in diesen Versammlungen zu sitzen und mir anzuhören, wie Ted Carney davon erzählt, dass wir die Aufnahmebedingungen erschweren sollten, während der Rest des Vorstandes dasitzt, in die Luft glotzt und nichts tut! Wenn es am Geld liegt, schreibe ich noch morgen einen Scheck. Ich ...«
»Abigail«, entgegnet die erste Stimme müde, »es geht nicht ums Geld. Das wissen Sie. Es ist eine Platzfrage. Wir haben einfach nicht genug ...«
Der Mut verlässt mich. Es ist immer dieselbe alte Geschichte; keiner hat Platz für uns. Damit hätte ich rechnen sollen. Jedes Frauenhaus hat mehr Anfragen als Plätze, aber alle sind so freundlich gewesen, seit wir zur Tür hereingekommen waren, dass ich tatsächlich zu hoffen gewagt hatte, dass sie vielleicht Betten für uns finden würden. Vielleicht müssten wir nur noch ein paar Tage warten. Ich fürchte mich davor, wieder im Auto zu schlafen, aber was soll ich sonst machen? Außerdem sah es so nett aus, so ruhig und sauber.
Wenn wir bleiben könnten, wenigstens ein oder zwei Wochen, dann würde ich vielleicht wieder zu Verstand kommen, um mir einen Plan zu überlegen. Damit ich nicht mehr von einer Notunterkunft zur nächsten taumeln müsste und den Kindern ein echtes Zuhause schaffen könnte – zumindest für eine Weile. Ich habe es so satt, jede Nacht woanders zu schlafen. Ich bin es leid, so verdammt müde zu sein. Aber so wie es klingt, würden sie eben doch keinen Platz für uns haben. Ich hätte es besser wissen und mir keine Hoffnung machen sollen.
Als wir um die Ecke kommen, bemerke ich, wie meine Begleiterin ihre Schultern durchdrückt und sich über das Haar streicht. Die Frauen unterbrechen ihr Gespräch, als wir uns nähern. Die Stimme der Beraterin klingt ein wenig höher, als sie uns einander vorstellt. Die erste Frau, erfahre ich, die mit dem ehrlichen Lächeln und den dunkelbraunen Augen, die zu ihrem kurzgeschnittenen Haar passen, ist Donna Walsh, die Leiterin des Frauenhauses. Die zweite Frau, die nicht abwartet, bis die Beraterin so weit ist, teilt mir mit, sie sei Abigail Burgess Wynne und säße im Vorstand des Frauenhauses. Beide sind attraktiv, aber Abigail Burgess Wynne ist schön, beeindruckend schön. Groß gewachsen, gut gekleidet, Achtung gebietend, mit platinweißem Haar, das in ihrem Nacken zu einem strengen Pferdeschwanz zusammengefasst ist, mit hohen Wangenknochen, gewölbten Augenbrauen und reiner Haut; im Alter irgendwo zwischen fünfzig und siebzig.
Donna Walsh streckt die Hand aus, und als ich sie schüttele, legt sie die zweite Hand auf meine. Die Geste überrascht mich und ich muss mich bremsen, um meine Hand nicht zurückzuziehen. Es ist so lange her, dass ich mitfühlend berührt wurde. Ich weiß nicht recht, wie ich reagieren soll. »Hallo, Ivy. Willkommen. Nett, Sie kennenzulernen.«
»Danke. Ganz meinerseits.« In letzter Zeit hatte ich wenig Verwendung für gute Manieren, aber ich weiß noch, wie es geht.
»Leslie wird das Aufnahmegespräch mit Ihnen führen?«, fragt sie und sieht die junge Beraterin an, woraufhin diese nickt. »Dann sind Sie in guten Händen. Ich hoffe, wir werden Ihnen helfen können.«
Abigail Burgess Wynne zieht ihre Augenbrauen nach ganz oben, als sie die Leiterin unterbricht. »Ach, machen Sie sich keine Sorgen«, sagt sie streng. »Ich bin sicher, dass wir Ihnen helfen können.«
In Leslies Büro nehme ich Platz in einem festen, aber gemütlichen Sessel ihrem Schreibtisch gegenüber. Ich beobachte, wie Leslie immer wieder den Druckknopf ihres Kugelschreibers mit dem Daumen betätigt, während sie die Formulare ausfüllt – Name, Name der Kinder, Geburtsdaten und so fort. Sie klickt nach jeder meiner Antworten mehrfach mit dem Kugelschreiber.
Das Klicken erinnert mich an Bethanys billige Plastikkastagnetten. Sie hat immer die Nussknacker-Suite aufgelegt, sich die Kastagnetten gegriffen, die Arme über den Kopf gereckt und sie zusammenklackern lassen, dazu drehte sie sich wie eine Flamencotänzerin im Kreis. Sie liebte diese Dinger. Ich wünschte, ich hätte sie mitgenommen, aber wir hatten nicht genug Zeit. Wir mussten so viel zurücklassen.
Ihr fällt auf, dass mir ihr Kugelschreibergeklicke auffällt. Daraufhin lacht sie und gibt zu, was ich bereits vermutet habe. Sie ist neu hier und hat gerade ihre Ausbildung abgeschlossen. Ich bin ihre erste Kundin, jedenfalls die erste, um die sie sich ganz allein kümmert.
»Es muss schön sein, einen neuen Job zu beginnen.«
»Das ist es, aber es wäre noch schöner, wenn solche Jobs nicht nötig wären.« Sie zuckt mit den Achseln. »Lassen wir das, zurück zu Ihnen. Sie sind aus Pennsylvania? Das ist weit weg. Was hat Sie nach New Bern geführt?«
Ich hole Luft, tief, aber nicht zu tief, und schaue sie ganz ruhig an, ich mache dann und wann eine Pause, als müsste ich meine Gedanken sammeln, es soll nicht auswendig gelernt klingen. Ich erzähle ihr die Geschichte, die ich vorbereitet habe, die Details, die ich mir sorgsam überlegt habe, die geschönte Version, die ich sogar mit Bethany geübt habe, bevor wir herkamen. Ich habe ihr eingebläut, wenn sie bei Antworten auf Fragen nicht mehr weiterwüsste oder nervös würde, sollte sie einfach gar nichts sagen. Nach allem, was sie durchgemacht hat, ist Schweigen eine ausgesprochen nachvollziehbare Verhaltensweise bei einem Kind. Niemand wird das infrage stellen.
Leslie nickt mitfühlend mit ihrem hübschen blonden Kopf, über das Klemmbrett gebeugt, sie macht sich Notizen. Sie glaubt mir. Ich bin überrascht, wie einfach das alles ist. Die Lügen gleiten mir über die Lippen wie Faden von einer Spule, und sie glaubt jedes Wort, das ich sage.
Ich wünschte, es wäre anders, aber ich muss tun, was zu tun ist. Mit den weißen Schindelhäusern und ordentlich gestutzten Rasenflächen sieht New Bern in Connecticut aus wie die Erfindung eines Landschaftsmalers, sicher und beständig. Dennoch möchte ich nach der letzten Nacht nicht, dass die Kinder noch länger im Auto schlafen, während wir auf einen freien Platz in der Notunterkunft warten. Wenn es bloß um mich ginge, würde ich es nicht tun, aber wenn ich diese Frau anlügen muss, um meine Kinder zu schützen, dann geht es eben nicht anders. Ich habe keine Wahl. Trotzdem stört es mich, wie gut ich darin geworden bin, Menschen nur noch sehen zu lassen, was ich sie sehen lassen will.
Aber warum sollte ich nicht gut darin sein? Ich habe so viel Übung. Und meine Lebensgeschichte ist ja nicht komplett ausgedacht. Sie ist dicht an der Wahrheit, bloß nicht dicht genug.
Ich habe mit achtzehn geheiratet. Ich habe zwei Kinder, die ich liebe. Bethany ist sechs Jahre, Bobby achtzehn Monate alt. All das ist wahr, und der Rest ist nur ein bisschen erfunden.
Wir waren beinahe eine glückliche Familie.
Aber dieses Wort ist ein Abgrund, der die glücklichen Familien von allen anderen trennt. Beinahe.
Ich frage mich, ob sie das versteht, diese frischgebackene Aufnahmeberaterin, ausgebildet in der Sorge für krisengeschüttelte Frauen? Sie will es verstehen, das kann ich sehen, sie will wirklich helfen, aber etwas an ihr, etwas an der runden Form ihrer Stirn und den scharfen Falten ihrer Hosenbeine, lässt mich erkennen, dass sie nur eine Beobachterin ist, sie steht am Rande des Abgrundes und starrt hinein. Sie war nicht selbst in dem Tal und wird es wahrscheinlich nie sein. Ich hoffe es, ich wünsche es ihr.
Das macht es leichter für sie, meine Geschichte zu glauben. Sie wird sie nicht in Zweifel ziehen, und ich habe alle Unterlagen dabei, oder jedenfalls genügend, um meine Behauptungen zu untermauern. Ich bin, wer ich behaupte zu sein – Ivy Peterman. Ich verschweige allerdings, dass ich nach meiner Hochzeit nie den Namen auf meinem Führerschein und meiner Sozialversicherungskarte habe ändern lassen. Vielleicht habe ich es vergessen. Oder vielleicht wusste ich tief in meinem Innersten, dass es irgendwann so weit kommen würde. Was auch immer der Grund ist, ich habe Unterlagen, die beweisen, dass ich ich bin.
Der Rest der Geschichte – dass mein Mann mich jahrelang misshandelt hat, dass meine Kinder und ich seit Monaten von einer Notunterkunft in die nächste ziehen, die beinahe wahren Teile, dass wir sonst nirgendwohin können, und die Lüge, dass mein Mann bei einem Unfall auf dem Bau ums Leben kam – akzeptiert sie ohne Fragen. Trotz ihrer Ausbildung, zu der ganz sicher die Warnung davor gehörte, nicht an die Vorurteile gegenüber Opfern häuslicher Gewalt zu glauben: Dass sie arm, machtlos und schlicht gestrickt seien. Mit anderen Worten: Nicht wie die Nachbarn dieser Frau, nicht wie die Leute aus den netten und wohlhabenden Vororten, mit ordentlich gestutzten Hecken und nagelneuen Geländewagen in der Auffahrt. Einem Teil von ihr fällt es leichter, meine Geschichte genau deswegen zu akzeptieren, weil sie die Vorurteile bedient: Armes Teenagermädchen heiratet trunksüchtigen, brutalen Arbeiterjungen, von dem sie glaubte, er wäre ihre Erlösung. Sie wusste nicht, worauf sie sich einließ, bis es zu spät war.
Meine Betreuerin kann meine Geschichte leicht glauben, weil sie beinahe wahr ist und weil sie sie glauben will. Die ganze Wahrheit würde ihr zu nahe gehen, würde sie zum Telefon greifen und meinen Hintergrund überprüfen lassen. Aber das hier? Sie kommt nicht einmal auf die Idee, meine Behauptungen infrage zu stellen. Das kann ich sehen.
Sie lächelt und erhebt sich, entschuldigt sich für einen Augenblick und verspricht, gleich wieder da zu sein.
Trotz der eleganten Möblierung und des dicken Teppichs sind die Wände zwischen den Büros überraschend dünn. Ich kann Leslies Stimme hören, hoch und unsicher, wie sie im Flur mit Donna Walsh spricht. Die ruhigere, tiefere Stimme der Leiterin antwortet, gemischt und oft unterbrochen durch die abgehackte, drängende Stimme der älteren Frau, Abigail Burgess was-weiß-ich. Ich kann mich an ihren Namen nicht mehr erinnern.
Ich kann nicht verstehen, was sie sagen, also konzentriere ich mich auf die Geräusche aus dem Spielzimmer nebenan, ich kann Bethanys und Bobbys gedämpfte Stimmen hören. Sie spielen mit der Helferin. Es tut mir gut, zu wissen, dass sie so nahe sind, und es tut mir gut, allein in diesem Zimmer zu sein. Trotz des Stimmengemurmels durch die Wände ist dies immer noch der ruhigste Raum, in dem ich seit Wochen war. Es tut mir gut, allein dazusitzen und nachzudenken. Es ist friedlich.
Vielleicht kann ich, wenn ich möchte, eine Weile bleiben. Es scheint eine nette Stadt zu sein, voller netter Leute. Leute wie Leslie. Sie ist bloß ein paar Jahre jünger als ich. Zweiundzwanzig, höchstens dreiundzwanzig. Frisch von der Uni. Wie komisch. Alles, was sie über die Welt weiß, hat sie in Büchern gelesen oder von ihren Professoren gehört. Ich bin vierundzwanzig, aber ich habe genug gesehen für drei Leben. Sie gibt mir das Gefühl, so alt zu sein. Und trotzdem ... wenn ich hier lebte, wären wir vielleicht Freunde, würden ins Kino oder einkaufen gehen. Was Freundinnen so machen. Es wäre nett, eine Freundin zu haben, jemanden, der die Wahrheit über mich weiß und mich trotzdem mag, länger hierzubleiben, hier zu leben, vielleicht für immer.
Nein, schalt ich mich. Das ist unmöglich.
Wir können nicht bleiben. Weder für immer noch für eine längere Zeit. Selbst wenn ich recht habe und Leslie meine Angaben nie überprüft. Aber auch wenn ich unrecht habe und sie es irgendwann tut, ganz egal. Wir müssen verschwinden, bevor die Wahrheit ans Licht kommt. Wir müssen einfach.
Wenn wir irgendwo zu lange bleiben, wird er uns finden. Stillstand birgt Gefahren. Aber wenn ich vorsichtig bin – dann vielleicht? Eine Weile? Ich bin es müde, ständig über meine Schulter zu sehen, mein Leben und die Leben meiner Kinder in einem Koffer aus Halbwahrheiten mit mir herumzuschleppen, der nur so groß sein darf, dass er hinten in meinen Kleinwagen passt.
In Gedanken verloren, höre ich die Beraterin gar nicht, als sie ins Zimmer zurückkehrt.
»Mrs Peterman? Ivy? Alles in Ordnung?«
Der Klang ihrer Stimme lässt mich zusammenzucken, ich bin wieder in der Gegenwart und mir wird klar, dass sie eine ganze Weile weg war, mindestens fünfzehn Minuten. »Tut mir leid. Ich war ganz weit weg. Ich bin wohl müde.«
Leslie neigt den Kopf zur Seite und murmelt mitfühlend: »Das kann ich mir vorstellen. Machen Sie sich keine Sorgen. Wir sind fast fertig.« Sie legt ihr Klemmbrett auf den Schreibtisch und setzt sich wieder. »Wir werden Ihnen und den Kindern etwas zu essen besorgen, dann können Sie sich für die Nacht fertig machen.«
»Sie können uns aufnehmen? Heute?« Ich kann gar nicht glauben, was sie sagt. Vielleicht habe ich sie nicht richtig verstanden. »Sie haben jetzt sofort ein Zimmer für uns?«
Sie nickt, sie freut sich darüber, dass ich mich so freue, und sie strahlt, während sie mir die wirklich unglaubliche Neuigkeit mitteilt, als würde sie mir ein wunderbares und unerwartetes Geschenk machen. Und das tut sie.
»Aber ich dachte, als ich Sie im Flur habe reden hören ... ich dachte, Sie sind voll belegt.«
»Ja, das sind wir eigentlich auch, aber Mrs Burgess Wynne hat darauf bestanden, dass wir für Sie und die Kinder sofort ein Bett finden. Sie hat gesagt, wenn wir das nicht schaffen, dann nimmt sie Sie mit nach Hause. Also hat Donna ein paar Verschiebungen vorgenommen, und einige der alleinstehenden Frauen gebeten, ein paar Tage mit anderen zusammenzuziehen, damit wir Platz für Sie und die Kinder haben.«
»Wirklich? Vielen Dank. Ich ... ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
»Sie müssen gar nichts sagen. Ich freue mich sehr, dass wir Sie unterbringen können. Und«, sie grinst, »es wird sogar noch besser: Wir haben einen Platz für Sie im Stanton Center. Nicht heute, aber bald.«
Ich schaue sie fragend an und sie erklärt: »Das Stanton Center ist ein Wohnhaus ausschließlich für Frauen und Kinder, die Opfer häuslicher Gewalt wurden, der Kern unseres Übergangsprogramms. Sie können dort maximal zwei Jahre bleiben, während Sie wieder auf die Beine kommen. Anfangs ist es kostenlos, aber wir unterstützen Sie dabei, so bald wie möglich eine Arbeit zu finden. Danach verlangen wir eine bezahlbare Miete, die sich an Ihrem Einkommen orientiert. Während Sie dort untergebracht sind, können wir Ihnen berufliche, finanzielle und psychologische Beratung bieten, und eine Kinderbetreuung.« Sie macht eine Pause und wartet darauf, dass ich etwas sage, aber ich brauche einen Augenblick.
»Eine Wohnung. Eine richtige Wohnung?« Ich habe Tränen in den Augen.
Sie nickt. »Eine richtige Wohnung. Es gibt einen Gemeinschaftsraum, in dem wir Treffen aller Bewohner abhalten, und einen Spielplatz mit einer Schaukel und einer Rutsche für die Kinder. Das Haus befindet sich an einem geheimen Ort, ohne Hinweisschild an der Tür, und hat ein gutes Überwachungssystem. Da Sie Witwe sind, ist das für Sie nicht so wichtig. Aber viele andere Bewohnerinnen sind aus gewalttätigen Beziehungen geflohen, und wir tun alles, was nur möglich ist, um sicherzustellen, dass die Täter sie nicht finden können. Es ist ein sehr sicheres Haus.«
Ich kneife die Augen für einen Moment zusammen und versuche, nicht zu weinen und Haltung zu bewahren. Ich will nicht, dass sie sieht, welche Wirkung diese Worte auf mich haben – ein sicheres Haus.
Es ist so lange her, dass ich von so etwas auch nur geträumt habe.
»Und?«, fragt sie fröhlich, denn sie ist sich meiner Antwort bereits sicher. »Was sagen Sie? Möchten Sie die Wohnung haben und eine Weile in New Bern bleiben?«
»Ja«, flüstere ich. »Das möchte ich. Ich danke Ihnen.«
»Gut!« Sie erhebt sich und bedeutet mir, ihr zu folgen. »Wir können den Papierkram morgen zu Ende bringen, nachdem Sie sich ein bisschen ausgeruht haben.«
Leslie öffnet die Tür und geht durch die Flure, die uns zu dem Spielzimmer führen, das an ihr Beratungsbüro grenzt. Sie redet im Gehen. Ich stehe immer noch unter Schock und kann ihr bloß kurz angebundene Antworten geben, aber sie spult auch nur die üblichen Erklärungen für neue Bewohnerinnen ab.
»Sie müssen die Beratungsangebote nicht in Anspruch nehmen, aber ich rate Ihnen dazu, das in vollem Umfang zu tun – vor allem die Gruppentherapie. Ihr Mann kann Ihnen nichts mehr antun, aber dennoch leiden Sie noch lange nach dem Ende des Missbrauches unter den Folgen häuslicher Gewalt. Die Beratung kann Ihnen dabei helfen, das aufzuarbeiten. Ich denke, Beziehungen zu Frauen, die mit ähnlichen Problemen konfrontiert waren, werden Sie aufbauen.«
»Ja. Da haben Sie sicher recht«, sage ich, obwohl ich weiß, dass ich nie zu einer dieser Gruppensitzungen gehen werde. Ich werde keine dieser Frauen an mich heranlassen. Ich werde niemanden an mich heranlassen. Das kann ich nicht riskieren.
»Gut.« Sie schaut über die Schulter, froh darüber, dass ich ihr zustimme.
Leslie ist ein guter Mensch. Ein Teil von mir will ihr die Wahrheit sagen, aber ich kann nicht, vor allem nicht jetzt, wo es um eine Wohnung geht. Eine Wohnung! Eine richtige Wohnung nur für uns. Ich kann es nicht glauben.
»Sie hatten Glück. Eine unserer Bewohnerinnen, ehemaligen Bewohnerinnen«, korrigiert sie sich, »hat sich entschieden, zu ihrem Mann zurückzukehren. Deswegen haben wir einen Platz im Stanton Center.« Sie seufzt schwer und schüttelt den Kopf. »Nach allem, was sie durchgemacht hat, würde man glauben, das wäre das Letzte, worauf sie käme, aber es passiert öfter, als man glauben möchte. Das Muster ist sehr schwer zu durchbrechen. Na ja, darüber müssen wir uns bei Ihnen keine Sorgen machen, nicht wahr?«
»Nein.«
Das ist die Wahrheit. Ich werde nicht zurückgehen. Es gab einen Moment, einen einzigen, in dem ich schwankte, aber jetzt nicht mehr. Im Geiste sehe ich das Gesicht meiner Tochter, ein dunkles Spiegelbild im Rückspiegel, klein und ernst und zu jung, um so viel zu wissen. Nein. Wir gehen nicht zurück.
»Gut«, sagt Leslie wieder, noch entschlossener. Sie bestätigt sich gerne. »Es tut mir weh, dass unsere andere Bewohnerin auszieht, aber ich freue mich, dass es Ihnen nützt. Das ist wirklich ein glücklicher Zufall.«
Wir haben das Spielzimmer erreicht. Sie legt ihre Hand auf den Knauf und wendet sich mir zu, bevor sie die Tür öffnet. »Sie haben Glück.«
Wenn, dann wäre es das erste Mal.
Aber andererseits – eine beeindruckende, grauhaarige Frau, an deren Namen ich mich nicht einmal erinnern kann, hat darauf bestanden, dass man Platz für mich und meine Kinder schafft. Eine braunäugige Direktorin, die ich vorher nie getroffen habe, hat alles daran gesetzt, es zu ermöglichen. Und jetzt sagt die süße, nervöse und wohlmeinende Leslie, dass es Platz für uns gibt. Ein sicheres Haus. Heute. Jetzt gleich. Nur ein paar Meilen von hier, irgendwo in dieser hübschen kleinen Stadt, wo die nettesten Menschen der Welt leben, gibt es Platz für uns.
Vielleicht hat sie recht. Vielleicht habe ich endlich einmal Glück.
Ivy PetermanAchtzehn Monate später
Kämpfen oder fliehen? Bis vor Kurzem war das keine Frage. Nicht für mich. Wann immer ich Angst bekam oder mich bedroht fühlte, empfand ich als Allererstes den Drang zu fliehen. Und das tat ich ziemlich regelmäßig.
Ich war sechs Jahre alt, als mein Vater einen Herzanfall hatte und starb. Daraufhin rannte ich in den Wald hinter unserem Haus. Ich konnte meine Mutter nach mir rufen hören, ihre Stimme war rau vor Tränen und Sorge und Wut, aber ich kam nicht aus meinem Versteck hervor. Schließlich schickte sie unseren Nachbarn Pete auf die Suche nach mir.
Kurz nach meinem sechzehnten Geburtstag starb Mom bei einem Frontalzusammenstoß und Pete, der mittlerweile mein Stiefvater war, bekam das Sorgerecht. Er und ich hatten uns nie verstanden, aber das galt schon zehn Minuten nach ihrer Hochzeit auch für ihn und Mom. Nachdem Mom gestorben war, hatte Pete begonnen, noch mehr als vorher zu trinken, also lief ich wieder weg. Diesmal richtig weit, ich kaufte mir einen einfachen Fahrschein in die Stadt. So weit, dass Pete mich niemals finden könnte, obwohl mir heute klar ist, dass er das wahrscheinlich nie versucht hat.
Und natürlich lief ich mit vierundzwanzig vor meinem Mann davon. Diesmal nahm ich meine beiden Kinder mit.
Meine Flucht war nicht sonderlich gut geplant.
***
Der Tag hatte ganz normal begonnen, mit einer Fahrt ins Kaufhaus und einem neuen Lippenstift, aber noch in derselben Nacht befand ich mich auf der Flucht. Ich musste weg. Ich hatte Angst nicht nur um mein Leben, sondern auch um die Leben meiner Kinder. Ich packte bloß ein paar Kleidungsstücke, eine Mappe mit persönlichen Unterlagen, die Kinderbücher, ein wenig Schmuck zum Verkaufen und 288 Dollar in bar ein, fünfundsechzig davon aus dem Kleingeldglas auf dem Küchentresen. Das war alles. Ich hatte Kreditkarten, nahm sie aber nicht mit. Ich fürchtete, Hodge würde uns finden können, wenn ich sie benutzte.
Wenn wir überhaupt einen Platz bekamen, lebten wir in Notunterkünften. Wenn nicht, schliefen wir im Wagen. Das war das Schlimmste. Die Kinder quengelten, und ich auch. Was mir früher selbstverständlich erschien, in meinem hübschen Vororthaus, wo es sauber und warm war, wo wir aufs Klo gehen konnten, wann immer wir wollten, und warmes Essen bekamen, stellte nun ein Problem dar, das mich unaufhörlich beschäftigte. Ich hatte keine Zeit- oder Kraftreserven, mir zu überlegen, wie ich uns aus diesem Schlamassel wieder herausbekam, es reichte immer nur gerade, um den Tag zu überleben.
Eines Nachts schlief ich auf dem Vordersitz des Wagens und hörte ein Geräusch. Ich erwachte und sah ein Wesen, einen Mann, an das Fenster auf der Beifahrerseite vom Rücksitz gepresst, auf dem meine Kinder schliefen. Er versuchte einen Drahtbügel in den Spalt zwischen Fenster und Tür zu schieben. Ich dachte nicht nach, sondern sprang aus dem Wagen und begann zu kreischen: »Lassen Sie die Tür in Ruhe! Rühren Sie sie nicht an! Verschwinden Sie!«
Ich muss die Taschenlampe aus dem Ablagefach in der Tür gegriffen haben. Jedenfalls warf ich immer noch schreiend damit nach dem Einbrecher und traf ihn am Kopf. Er fluchte und rannte davon. Die Kinder wachten auf und begannen zu weinen. Ein groß gewachsener, mürrischer und unrasierter Mann – der Verkäufer des Vierundzwanzig-Stunden-Supermarktes, vor dem ich den Wagen abgestellt hatte, weil ich dummerweise geglaubt hatte, dort wären wir sicher – hörte den Lärm und kam heraus, um nachzusehen, was los sei.
Er warf einen Blick auf mich, ich hatte Tränen in den Augen und versuchte, das Schluchzen von Bethany und Bobby zu stillen, und entschied sich, die Polizei zu verständigen. Trotz meiner Proteste ging er in den Laden, um sie zu rufen. Ich sprang in den Wagen und befahl meinen Kindern, sich anzuschnallen. Ich würde auf keinen Fall hierbleiben und der Polizei einen Haufen Fragen beantworten.
Wenn Hodge mich wegen Kindesentführung angezeigt hatte, würden sie mich einsperren und mir die Kinder für immer wegnehmen. Hodge hatte gesagt, so würde es kommen, wenn ich je auch nur daran dächte, ihn zu verlassen. Und er hatte das nicht aus Liebe gesagt, sondern um mir klarzumachen, was auch immer ich täte und wohin auch immer ich führe, er hätte mich trotzdem unter Kontrolle. Und ich habe ihm geglaubt.
Ich habe Hunderte von Kilometern hinter mir gelassen, aber trotzdem konnte ich seine Macht spüren, die Bösartigkeit, genau wie immer. Wir mussten weg.
Meine Reifen quietschten, als ich vom Parkplatz schoss, meine Gedanken rasten. War es besser, zur Autobahn zu fahren und in eine andere Stadt zu fliehen? Oder sollte ich mir eine dunkle Gasse suchen und dort abwarten, bis die Luft rein war? Ich entschied mich für die Autobahn.
Die Kinder auf dem Rücksitz weinten noch immer. Ich fluchte leise und verwünschte die Verkehrsplaner, die zu geizig oder dumm waren, um für Stadtfremde genügend Hinweisschilder zur Autobahn aufzustellen. Zehn Minuten später hatte ich mich komplett verfranzt. Bethany hatte aufgehört zu weinen, aber Bobby war noch in voller Fahrt.
Ich schaute in den Rückspiegel und sah sein Gesicht, seine dicken Babywangen waren leuchtend rot, seine schwarzen Wimpern verklumpt und tränennass. »Bobby. Beruhige dich, Baby. Mami wird ein ruhiges Eckchen finden, wo wir halten können, und dann können wir alle wieder schlafen, in Ordnung?«
»Nach Hause!«, heulte er. »Nach Hause!«
Und zum ersten Mal fragte ich mich, ob ich das Richtige tat. Noch vor ein paar Wochen hatten meine Kinder ein recht normales Leben gelebt, das überschaubare Leben von Kindern in einem Vorort: drei Mahlzeiten am Tag, eine Schaukel in unserem eingezäunten Garten, ein paar Trickfilmsendungen im Fernsehen, um sieben in die Wanne, um acht ins Bett. Ja, wenn es Zeit wurde, dass Hodge nach Hause kam, dann klammerten sie sich an mich und wurden ganz still. Vielleicht spürten sie meine Angst, wenn ich auf das Knirschen des automatischen Garagentoröffners lauschte und versuchte herauszuhören, mit wie viel Zorn Hodge die Tür seines Wagens zuknallte. Das gab mir einen Hinweis auf seine Laune und wie der Rest des Abends laufen würde.
Aber, sagte ich mir, während ich durch die Dunkelheit fuhr, er war nicht jeden Abend gewalttätig. Nur wenn ich etwas getan oder nicht getan hatte, was ihn wütend machte. Aber er ließ seinen Zorn bloß an mir aus. Nicht an den Kindern. Vielleicht wäre es besser, wenn wir zurückgingen. Zumindest wären sie dort in Sicherheit.
Aber eine Stimme in meinem Kopf erinnerte mich daran, dass das nicht mehr stimmte.
Ich dachte zurück an den letzten Tag, Hodge brüllte und fluchte und hämmerte gegen die verschlossene Badezimmertür, während wir uns auf der anderen Seite zusammenkauerten. Ich erinnerte mich an die Schwellung meines linken Auges, und der Schmerz schoss durch meine blutige Hand, aber schlimmer, so viel schlimmer, war die Erinnerung an die wütenden roten Striemen auf Bethanys blasser Wange.
Bethany war seine Zornausbrüche gewöhnt, sie war daran gewöhnt zu sehen, wie ich meine Schwellungen mit Eis kühlte, wie ich die Überbleibsel seiner Wut mit Make-up zu überdecken versuchte. Sie hatte er noch nie geschlagen. An jenem Tag war er auch auf sie losgegangen, und mir wurde klar, dass das von jetzt an so bleiben würde.
Auf dem Rücksitz versuchte Bethany, ihren kleinen Bruder zu beruhigen. »Bobby, weine nicht. Wir können nicht nach Hause. Da ist Daddy.«
Sie hatte recht. Ich konnte sie nicht zurückbringen. Nicht jetzt. Es war nicht sicher, zurück zu Hodge zu gehen. Weder für mich noch für meine Kinder. Aber wir konnten auch nicht so weitermachen. Wir konnten nicht auf der Flucht bleiben. Ich war müde und verängstigt und pleite. Irgendwie musste ich mir etwas anderes überlegen. Aber was?
Zu behaupten, dass ich nicht viel Erfahrung mit Gebeten in meinem Leben hatte, wäre eine Untertreibung, aber in jener Nacht, als ich ohne die geringste Ahnung, wohin wir fahren sollten oder was ich tun könnte, wenn wir dort ankamen, durch die Dunkelheit brauste, betete ich schweigend. Ich bat Gott um ein Zeichen oder wenigstens einen Hinweis.
Verloren in unbekanntem Gebiet nahm ich versehentlich die Autobahnauffahrt nach Norden statt nach Süden. Als mir das klar wurde, hatte ich bereits die Bundesgrenze nach Connecticut überquert. So landete ich in New Bern.
Nach drei Wochen in einem kleinen Einzimmerappartement in der Notunterkunft zogen wir in eine weit größere Zweizimmerwohnung im Stanton Center. Die Beraterin sprach mit mir darüber, Wurzeln zu schlagen, eine Arbeit zu finden, Bethany in der Schule anzumelden. Ich nickte, ich stimmte stumm allem zu, was sie vorschlug, aber in meinem Herzen wusste ich, wir würden nur so lange in New Bern bleiben, wie es sich sicher anfühlte. Das ist über ein Jahr her, und glauben Sie mir, niemand ist überraschter als ich. Ohne Evelyn Dixon und einen bestimmten Blockhaus-Quilt hätten wir New Bern schon vor langer Zeit im Rückspiegel gesehen.
Evelyn gehört der Quilt-Laden in New Bern. Außerdem leitet sie einen kostenlosen Quilt-Kurs im Frauenhaus. Anfangs wollte ich nicht am Unterricht teilnehmen und hatte einen Haufen gute Gründe dafür:
Erstens hatte ich mit zwei Kindern zu viel zu tun für Hobbys. Zweitens mochte ich Handarbeiten noch nie, und die wenige Zeit, die mir blieb, sollte ich besser einen Job suchen. Und drittens war Quilten etwas, was Großmütter taten. Vielleicht hatte ich schon viel erlebt, aber ich schien noch nicht bereit zu sein für eine Nickelbrille und den Schaukelstuhl.
Aber nichts davon war der wahre Grund, aus dem ich nicht an Evelyns Unterricht teilnehmen wollte. Die Wahrheit war, dass ich nicht noch einmal scheitern wollte. Es war schon so viel schiefgegangen.
Aber Abigail fand, dass ich es mir anders überlegen sollte. Abigail Burgess Wynne war freiwillige Helferin im Frauenhaus und zugleich seine größte Unterstützerin; außerdem war sie die Frau, die darauf bestanden hatte, dass sie in der Notunterkunft Platz für uns fanden. Abigail ist irgendwie eigenartig. Wunderschön, wie ein Filmstar aus den Fünfzigern, lange Beine und perfekte Aussprache, aber eigenartig.
Sie wirkt wie ein Snob, aber aus irgendeinem Grund mochte sie Bethany. Aus dem Blauen heraus fertigte Abigail einen wundervollen Freundschaftsstern-Quilt für Bethany, und seitdem sind sie dicke Freunde. Sie ist keine Adoptivgroßmutter für meine Kinder, sondern eher eine großzügige Großtante. Und ich muss sagen, auch ich habe mich an sie gewöhnt. Jeder, der meine Kinder liebt, ist für mich in Ordnung, und als sie Bethany den Quilt schenkte, war ich so dankbar, dass ich zu heulen begann. Ich konnte nicht anders.
Wie auch immer, Abigail ist ganz tief drinnen wirklich reizend – allerdings wirklich ganz tief drinnen. Denn sie ist es gewohnt, sich durchzusetzen. Sie kümmerte sich nicht weiter um meine Ausreden, warum ich nicht zum Quilt-Unterricht gehen konnte, sie schoss sie einfach alle auf ihre Art ab, sie schnaufte und sagte mit spitzen Lippen Worte wie »Humbug!« und »Blödsinn!«. So wie der große böse Wolf nicht aufhört, bis er das kleine Haus der drei Schweinchen umgeblasen hat und sie sich nirgendwo mehr verstecken können. Also saß ich mit sechs anderen Frauen in einem Zimmer und ließ mir von Evelyn Dixon die Techniken für unser erstes Projekt erklären, einen Blockhaus-Quilt.
Es ist ein einfaches Muster. Rechteckige Blockstreifen werden aneinandergefügt und um ein Quadrat in der Mitte herumgelegt wie Kinderbauklötze. Wirklich ein einfaches Muster, vielleicht das Einfachste von allen. Ich hätte nie damit gerechnet, dass es mein Leben verändert.
Evelyn brachte eine Auswahl heller und dunkler Stoffe mit, die wir für die »schattigen« und »sonnigen« Seiten des Blockhauses benutzen sollten. Aber für die Mitte jedes Blocks, das »Herz«, sollten wir uns unseren eigenen Stoff suchen. Wir sollten die Quadrate aus etwas zuschneiden, das uns viel bedeutet. Ich wählte Kleidungsstücke meiner Kinder, aus denen sie herausgewachsen waren. Sie hatten sie ein Jahr zuvor auf ihren Bildern mit dem Weihnachtsmann getragen, Bobby ein rotes Cowboyhemd und Bethany einen roten Nickipulli. Ich schnitt kleine Quadrate heraus, so gleichmäßig und gut ich konnte, um sie in die Mitte jedes Blocks zu platzieren.
Und dann geschah etwas Merkwürdiges. Als ich den Quilt nähte, als ich Streifen um Streifen um diese kleinen roten Quadrate anordnete, die auf der Haut und den Herzen meiner Kinder gelegen hatten, begann ich mir jeden sonnigen und schattigen Streifen als ein Stück Schutzwall für meine kleinen Lieblinge vorzustellen. Und irgendwie, auf eine Art, wie es all die wiederholten Beteuerungen meiner Beraterinnen nicht vermocht hatten, begann die Vorstellung in meinem Geist Wurzeln zu schlagen, dass ich uns in Sicherheit bringen und uns ein richtiges Heim schaffen konnte. Im Nähen wurde aus der Idee eine Überzeugung, und die Wurzeln dieser Überzeugung überwucherten all meine Zweifel und bohrten sich bis in mein Herz.
Ich würde meine Kinder in Sicherheit bringen, egal wie. Und wir würden ein Zuhause haben, ein richtiges Heim. Wir wären nicht mehr darauf angewiesen, im Wagen zu schlafen oder von Notunterkunft zu Notunterkunft zu ziehen, von Stadt zu Stadt. Ich würde nicht dauernd über meine Schulter schauen in der Bereitschaft, zu packen und davonzulaufen, kaum dass ich schlecht geträumt hatte oder ein Knirschen hörte, das wie der Garagentüröffner klang. Wir würden eine Familie sein. Alles wäre in Ordnung. Ich würde das hinbekommen.
Und dieser Mahlstrom der Überzeugungen flutete in mein Herz, und meine Augen begannen überzulaufen. Ich saß an der Nähmaschine, nähte jedoch nicht, ich hielt die Schere offen in der Hand, und die stumme Taufe netzte meine Wangen.
Auf der anderen Seite des Raumes beugte sich Evelyn über die Nähmaschine einer anderen Schülerin und half ihr, eine zu knappe Naht zu justieren. Sie sah mich, kam aber nicht zu mir. Sie schaute mich nur lange an, als versuchte sie mich wirklich zu sehen und ergründete meine Tränen, stellte aber mein Recht auf sie nicht infrage.
Als ich sie bemerkte, setzte ich mich ein wenig aufrechter hin und nickte ihr zu. Sie lächelte, als wüsste sie und hieße gut, dass ich in diesem Moment, umgeben vom sanften, stetigen Sticheln der Nadeln in den Stoff, und der stillen Konzentration anderer Frauen, die sich über ihre Nähmaschinen beugten und vorhatten, etwas Schönes und Nützliches aus den verbliebenen Fetzen ihrer Leben zu machen, meine Entscheidung getroffen hatte.
Ich würde nicht mehr davonlaufen.
Evelyn Dixon
Als ich durch meine Haustür hinausging, die paar Stufen hinunter, durch das Gartentor und auf den Bürgersteig, an einem perfekten Frühlingstag in Neuengland, wurde mir wieder einmal bewusst, was für einen wundervollen Arbeitsweg ich habe. Bloß drei Straßenkreuzungen von dem kuscheligen Zwei-Zimmer-Häuschen, in dem ich für eine sehr moderate Miete lebe, zu meinem Geschäft, Cobbled Court Quilts.
Mein Geschäft! Ich liebe es, das zu sagen. In einer Woche wird es seit zwei Jahren mein Geschäft sein, aber manchmal muss ich mich trotzdem noch kneifen, um das glauben zu können. Weniger als drei Jahre sind vergangen, seit ich nach einer schmerzhaften Scheidung und der Aufgabe von im Grunde allem, was ich im Leben für sicher gehalten hatte, in meinen Wagen gestiegen und aus Texas nach Connecticut gefahren war, um die Herbstfarben zu sehen.
Oberflächlich betrachtet ist das nicht sonderlich bemerkenswert, aber jeder, der mich kennt, weiß, dass spontane Handlungen nicht meine Stärke sind. Ich bin ein großer Fan von Listen, nicht nur Aufgabenlisten, sondern auch der Art Listen, auf denen Vor- und Nachteile einer möglichen Entscheidung niedergelegt und dann Tage, Wochen oder sogar Monate bebrütet werden, bevor man handelt oder auch nicht. Wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie Charlie Donnelly, den Besitzer von New Berns bestem Restaurant, dem Grill am Anger, und mein Freund.
Mein Freund. Mit fünfzig kommt es mir albern vor, zu sagen, dass ich einen Freund habe, aber wie sonst soll ich Charlie bezeichnen? Er ist mehr als bloß ein Freund und weniger als mein Verlobter, was er gerne wäre, aber ich bin dazu noch nicht bereit, und Charlie weiß das.
Am Anfang, als Charlie und ich »ein Pärchen« wurden (gibt es irgendwelche Worte für romantische Beziehungen unter Erwachsenen, die nicht so lächerlich klingen?), direkt nach meiner zweifachen Brustamputation, war ich nicht einmal sicher, ob ich für eine Beziehung bereit sei. Mittlerweile habe ich einen Großteil dieser Probleme im Geiste durchgearbeitet, aber wie soll ich es ausdrücken? Nachdem ich ein Leben lang irgendjemandes Tochter, Frau, Mutter war – ich habe meine Existenz darüber definiert, zu wem ich wie gehörte – genieße ich es, eine Weile bloß ich zu sein und mein eigenes Schiff zu steuern.
Charlie weiß das und ist bereit, sich in Geduld zu üben. Ich glaube sogar, dass er durchaus stolz darauf ist, was ich geschafft habe. Und ich bin das auch. Nicht, dass ich es allein geschafft hätte, weit gefehlt, aber nichts davon wäre geschehen, wenn ich nicht irgendwann meine Sammlung von Listen zerrissen und es riskiert hätte, zu leben, ganz allein.
Wussten Sie jemals zu einem bestimmten Zeitpunkt, wussten Sie da einfach, dass Sie etwas tun sollten, obwohl es oberflächlich betrachtet keinen Sinn ergibt? So war es mit mir und dem Quilt-Laden.
Beim Schaufensterbummel an einem Bilderbuch-Herbsttag in New Bern, auf meiner ungeplanten Flucht aus Texas nach Neuengland, erreichte ich eine alte Kopfsteinpflastergasse, die zu einem geräumigen quadratischen Platz führte, und sah dort eine heruntergekommene Ladenfront, die schon seit etwa zwanzig Jahren leer stand. Die Fensterscheiben hatten Sprünge, die Holzrahmen waren von Termiten zerfressen und verrottet noch dazu, das Dach leckte. Aber aus völlig unverständlichen Gründen war ich ganz sicher, dass mein Schicksal darin bestand, diese erbarmungswürdige Ruine zu mieten und darin einen Quilt-Laden zu eröffnen. Also ließ ich zum zweiten Mal in einer Woche alle Vorsicht sausen und tat, was ich wollte.
Alle, und ich meine wirklich alle, haben damals gesagt, dass ich keine sechs Monate durchhalten würde. Und sie hatten beinahe recht. In kosmischer Ironie informierte mich mein Arzt genau an dem Abend, bevor ich Cobbled Court Quilts ersten Quilt-Pink-Tag zugunsten der Brustkrebsforschung veranstalten wollte, dass ich selbst Brustkrebs hatte. Ich war sicher, dass damit alles vorbei sei, dass die Vorhersagen der Zweifler eintreffen würden: Cobbled Court Quilts müsste die Türen schließen, zugleich mit den Türen zu meinen Träumen.
Und genauso wäre es auch gekommen, hätten mir nicht drei Fremde geholfen – Abigail, Margot und Liza – die mittlerweile meine besten Freundinnen geworden sind. Sie haben mich durch die Krebsbehandlung begleitet und im Grunde den Laden geschmissen, während ich gesundete. Ich schulde ihnen alles. Ganz abgesehen von meinem Sohn Garrett, der einen gutbezahlten Job als Computerprogrammierer bei einer großen Firma in Seattle gekündigt hat, um mir zu helfen, den Internethandel aufzubauen. Er erarbeitete mit Margot die Marketingstrategie. Und dann ist da noch Charlie, der mich liebt, mich ermutigt, und der mir, wenn ich mich zu sehr in meinen Listen verheddere, einen leichten Stups in die Rippen gibt oder einen kräftigen Tritt in den Hintern, normalerweise Letzteres. Charlie ist ein Ire, der nicht gut mit Dummköpfen umgehen kann, eigentlich gar nicht. Er hat viele gute Eigenschaften, aber Feinsinnigkeit gehört nicht dazu.
Abigail, Margot, Liza, Garrett und Charlie. Ohne sie hätte Cobbled Court Quilts tatsächlich keine sechs Monate überstanden.
Und jetzt habe ich fast Mary Dell vergessen! Mary Dell Templeton ist eine alte Freundin aus Texas. Wenn sie nicht aus Texas hergeflogen wäre, um wortwörtlich die Jalousien in der Dunkelkammer hochzuziehen, in der ich lag und mir nach meinen Brustamputationen leidtat, bin ich nicht sicher, ob ich je aufgestanden und mit meinem Leben weitergemacht hätte.
Mary Dell ist so texanisch wie paniertes Hähnchenbruststeak mit Soße, Dr Pepper und Fort Alamo zusammen. Außerdem ist sie eine begnadete Quilterin. Einmal haben wir einen Quilt mit dem Texas Stadium von Dallas genäht. Ich habe zugesehen, wie sie die Stücke ausschnitt und zusammennähte, ohne Zuhilfenahme von Pauspapier oder auch nur eines Bleistiftes für die Umrisse, und als sie fertig war, war es perfekt; man wartete praktisch darauf, dass die Cheerleader sich am Spielfeldrand sammelten, so gut ist sie. Das Einzige, was ihrem Quilter-Talent fehlt, ist ... nun ja ... guter Geschmack.
Mary Dell hat so ziemlich den schlechtesten Geschmack von allen, die ich kenne. Je greller, wilder und beißender die Farbkombination, desto besser gefällt sie Mary Dell. Glücklicherweise verfügt Howard, ihr vierundzwanzig Jahre alter Sohn mit Downsyndrom, über ein untrügliches Gespür für Farben, Muster und Texturen. Howard sucht alle Stoffe für Mary Dells Quilts aus. Gemeinsam sind sie ein ungewöhnliches – und unschlagbares – Team. Mary Dell sagt dazu: »Ohne Howard wäre ich in der ganzen Welt bekannt dafür, die am besten komponierten und hässlichsten Quilts in ganz Texas zu machen.«
So aber fielen Mary Dells Quilt-Fähigkeiten und ihre texanisch überbordende Persönlichkeit den Leuten beim Fernsehen auf, wo man jeden Dienstag und Samstag die Sendung Perfekt quilten mit Mary Dell und Howard sehen kann. Das ist doch toll, oder?
Als Howard zur Welt kam, war Mary Dells Mann so verstört darüber, dass sein Baby das Downsyndrom hatte, dass er abhaute und nie zurückkam. In seiner Verzweiflung verschwand er, bevor er begreifen konnte, dass die Templetons zwar nicht das Kind bekommen hatten, mit dem sie gerechnet hatten, Howard jedoch genau das Kind war, das sie brauchten.
Margot würde sagen, so zeigt sich, dass Gott eben Just-in-time-Management betreibt. Er gibt uns, was wir brauchen, selbst wenn wir gar nicht wissen, dass es uns fehlt. Ich bin vielleicht nicht so gläubig wie Margot, aber ich habe trotzdem das Gefühl, sie hat recht.
Ich wollte mich nicht nach vierundzwanzig Ehejahren scheiden lassen, und ich wollte auch nicht meine beiden Brüste an den Krebs verlieren. Nichts von dem, was ich durchgemacht habe, war einfach, aber wenn ich es nicht durchgemacht hätte, hätte ich nie den Traum erfüllt, einen Quilt-Laden zu besitzen, oder diese Freunde gefunden, die mir so wichtig sind wie Familie, oder begriffen, wie stark ich eigentlich bin.
Mary Dell ging es genauso. Sie hätte nie gewollt, dass ihr einziger Sohn mit Downsyndrom geboren wird, aber wenn sie Howard nicht hätte, wäre sie dann heute so, wie sie ist? Ich wüsste nicht, wie. Sie ergänzen einander.
Gemeinsam mit Howards Talent für Farben und Formen und Mary Dells Talent für Design und Aufbau, erschaffen Mutter und Sohn die schönsten, feinsten, atemberaubendsten, unglaublichsten Quilts. Quilts, die aussehen, wie Sinfonien sich anhören. Quilts mit der Kraft von Dichtung, Seeluft, selbstgekochter Hühnerbrühe. Quilts, die einen mit der Wärme liebender Arme umschlingen. Quilts, die einem von der Liebe erzählen und von einem gelungenen Leben. Quilts, die Menschen heilen können, die nicht einmal wissen, was ihnen fehlt. Quilts, die das Leben zum Besseren wenden.
Aber andererseits bin ich überzeugt, dass jeder Quilt das kann. Ich habe es bereits erlebt. Und bald sollte mir das erneut passieren.
Evelyn Dixon
Garrett wohnt in dem Einzimmerapartment über dem Laden, in dem ich lebte, bevor ich in mein kleines Häuschen zog, aber ich bin diejenige, die jeden Morgen das Geschäft aufsperrt. Ich komme um acht Uhr dreißig, eine gute Stunde vor den übrigen Mitarbeitern.
Garrett ist unsere Nachteule, er arbeitet bis in die frühen Morgenstunden am Computer, kümmert sich um die Internetbestellungen, optimiert die Datenbank oder aktualisiert unsere Website mit den neuesten Unterrichtsangeboten, Stofflieferungen und Sonderangeboten. Das ist einer der Gründe, warum unser Internethandel so gut läuft; auf unserer Seite gibt es praktisch jeden Tag etwas Neues zu sehen, also schauen die Kunden oft vorbei. Es ist eine umfangreiche Aufgabe, und laut Garrett erledigt man sie am besten nachts, wenn nicht so viele Leute auf der Seite unterwegs sind. Was bedeutet, dass Garretts Arbeitstag etwa gegen Mittag beginnt und gegen Mitternacht endet – heute allerdings nicht. Ich ging über den Kopfsteinpflasterplatz in Richtung des Ladens, lächelte erfreut über die neue Schaufensterdekoration, die Liza bei ihrem letzten Besuch arrangiert hatte: Eine auffallende Mischung goldener, gelber, roter, schwarzer und grüner Stoffe, dazu ein kleiner Garten aus fröhlichen Draht- und Pappmaché-Sonnenblumen, der auf den Sonnenblumen-Quilt-Kurs des nächsten Monats hinwies. Das Licht im Laden war bereits an, und die rote Eingangstür stand einen Spaltbreit auf. Ich öffnete sie ganz, und die Glocken klingelten fröhlich, um mein Kommen anzukündigen. Jemand hatte bereits Kaffee aufgesetzt, es duftete danach.
»Hallo? Margot? Bist du das?« Ich hörte Männerlachen aus dem Pausenraum. Garrett kam mit einem Becher Kaffee heraus und Charlie hinter ihm her. Er grinste und trug einen Teller vor sich, und es sah aus, als lägen frische Zimtschnecken darauf.
»Morgen, Mom.« Garrett gähnte und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar.
»Morgen, Süßer. Du bist früh auf.«
»Na ja, nun, Charlie hat irre früh gegen die Tür gehämmert. Ich habe versucht, ihn zu ignorieren, aber er hat sich einfach draußen auf den Platz gestellt und gerufen, dass ich besser aufmachen soll, weil seine Schnecken sonst kalt werden.«
Ich gab Charlie einen schnellen Schmatz auf die Wange, dann nahm ich mir eine der Zimtschnecken vom Teller und biss hinein. »Kalt schmecken sie nicht.«
»Deswegen war Garrett schließlich zu überzeugen und kam nach unten, um die Tür zu öffnen«, erklärte Charlie in seinem spöttischen irischen Ton. »Ich bin seit Morgengrauen wach, um die für dich zu backen. Noch fünf Minuten in dieser schrecklichen Morgenluft und sie wären endgültig hinüber gewesen. Ich hätte sie alle wegwerfen müssen.«
»Nun, das wäre wirklich eine Schande gewesen, denn sie sind äußerst lecker. Vielen Dank. Warum backst du seit Morgengrauen? Herrscht Zimtschneckennotstand?«
Charlie verdrehte die Augen.
»Heute ist dein großer Tag, meine Liebe! Hast du das etwa vergessen? Heute kommen die Filmleute. Die sind vermutlich schickes Essen und Champagner zum Frühstück gewohnt. Du musst Ihnen etwas Anständiges anbieten, irgendetwas außer diesen zwei Jahre alten, einzeln eingeschweißten Keksen, die du im Büromarkt mitgenommen hast.«
Er schnitt eine angeekelte Grimasse. Als Besitzer von New Berns elegantestem und beliebtestem Restaurant fürchtete er offensichtlich, dass die kulinarische Reputation der Stadt in meinen Händen Schaden nehmen würde.
»Einen Blick darauf, und die Leute packen wahrscheinlich ihre Kameras und fliegen zurück nach Hollywood.«
Ich lachte. »Erstens sind sie aus Texas, nicht aus Hollywood. Großer Unterschied. Zumindest glaube ich, es ist ein großer Unterschied, ich war noch nie in Hollywood. Und zweitens sind es Fernsehleute, keine Filmschaffenden, und ich glaube wirklich nicht, dass es so eine große Sache ist, wie du daraus machst, Charlie. Sie kommen nicht in die Stadt, um die Verfolgungsjagd für den größten Kinohit des nächsten Sommers zu drehen, sondern bloß ein kleines Werbevideo. Mary Dell, ein Kameramann und eine Produzentin – das ist alles. Das Ganze sollte nicht mehr als eine Stunde dauern. Mary Dell hat es mir selbst gesagt. Aber es war süß von dir, dir diese Mühe zu machen, Charlie.«
»War keine Mühe. Alles nur für mein kleines Starlet.«
»Soweit ich weiß, gibt es keine fünfzigjährigen Starlets.«
Er legte seinen Arm um meine Taille, drückte mich und sagte in einem Bühnenflüstern: »Tja, wer weiß? Komm doch später in mein Büro. Ich zeige dir meine Besetzungscouch.« Ich stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen.
»Autsch! Behandelt man so den Mann, der mit der Sonne aufstand, um dir Frühstück zuzubereiten?«
»Muss du dich nicht um dein Restaurant kümmern?«
»Genaugenommen«, er sah auf seine Uhr, »muss ich das. In zehn Minuten habe ich ein Treffen mit meinem Fischgroßhändler.« Charlie küsste mich und eilte zur Tür. »Du bringst Mary Dell und die anderen doch heute Abend zum Essen in den Grill, oder?«
Ich nickte. »Gegen sechs. Danke für die Zimtschnecken. Sie sind superlecker. Genau wie du.« Ich klimperte mit den Lidern.
»Na klar. Jetzt willst du mit mir flirten. Zu spät. Ich muss mit einem Mann über Fisch reden. Wiedersehen, Garrett.«
»Wiedersehen, Charlie.«
Garrett, der jetzt ein bisschen wacher dreinschaute, nahm einen Schluck Kaffee und kicherte vor sich hin.
»Was ist so lustig?«
»Ich habe bloß an Charlie gedacht. Er hat mir heute Morgen einen tollen Witz erzählt.«
»Wirklich? Was für einen?«
»Keinen, den ich meiner Mutter erzählen würde.«
»Aha. Na dann, warum machen wir uns nicht an die Arbeit? Kannst du eine Materialliste an alle mailen, die sich für den Tischläufer-Kurs angemeldet haben? Ich muss die neuen Musterbücher wegräumen, die gestern Abend gekommen sind, und würde das gerne tun, bevor Mary Dell kommt.«
Eine Stimme dröhnte durch die Tür: »Dann hättest du früher aufstehen müssen, meine Liebe!«
»Mary Dell!«, quiekte ich, ließ meine halb gegessene Zimtschnecke liegen und rannte los, um meine Freundin in die Arme zu schließen. »Du bist da! Wie schön, dich zu sehen! Wo ist Howard? Ist er nicht mitgekommen?«
Mary Dell grinste breit. »Howard hat eine neue Freundin – Jena. Er hat sie beim Ball der Downsyndrom-Gesellschaft kennengelernt. Ihre Familie hat Howard eingeladen, mit ihnen dieses Wochenende zum Rodeo zu fahren, also ist er dageblieben. Wir werden das hier so schnell abdrehen, dass es wirklich nichts gebracht hätte, wenn er mitgekommen wäre. Aber für die Übertragung kommt er. Der Rest meiner Leute ist gleich da. Sie schleppen die Ausrüstung. Meine Güte! Du siehst toll aus, Evelyn!«
»Du auch. Aber ich dachte, dein Flug landet erst in ein paar Stunden.«
»Stellt sich doch heraus, das Mädchen, das uns am Flughafen eincheckt, ist eine Quilterin. Sie hat mich erkannt und uns auf einen früheren Flug gebucht. Und dann auch noch erste Klasse. Ich bin wirklich gerne TV-Star«, strahlte sie. »Und dir wird es genauso gehen, Schätzchen. Mein Kameramann wird dein hübsches Gesicht lieben. Eine schöne Abwechslung, nachdem er Tag für Tag meine dämliche Fresse filmen muss. Jedes Mal, wenn er die Kamera einschaltet, fragen wir uns alle, warum ihm nicht die Linsen bersten.« Sie lachte und drückte mich, bevor ich ihr widersprechen konnte, denn das hätte ich sehr wohl getan, wenn sie mir die Gelegenheit gegeben hätte.
Mary Dell mit lang herunterhängenden silbern-grünen Kristallohrringen, die bis auf ihre Schultern reichten, einer leuchtend pinken Bluse mit weißen Cowgirl-Fransen, Leopardenfell-Stöckelschuhen, die zehn Zentimeter zu ihren einssiebenundsiebzig hinzufügten, und feuerwehrrotem Lippenstift, der sich mit absolut allem biss, was sie sonst an sich hatte, bot vielleicht kein Bild bescheidener Eleganz. Aber sie hatte wundervolle braune Augen, dichtes, naturblondes Haar, eine schlanke Taille und eine derart glatte Haut, dass sie eher für dreißig als für fünfzig durchging. Mary Dells Mutter war Vize-Miss-Texas 1946 gewesen. Offensichtlich lag gutes Aussehen in der Familie.
»Jiihaa!«, kreischte Mary Dell. »Du siehst klasse aus! Viel besser als letztes Mal, da hast du bloß im Bett gelegen, dir leidgetan und ausgesehen wie ein krankes Kalb. Aber jetzt!« Sie starrte überdeutlich auf meine Brust. »Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen, die Hupen unter deiner Bluse sind echt!«
Garrett verschluckte sich fast an seinem Kaffee.
»Wirklich, Garrett, sieht deine Mama nicht prächtig aus? Ich sage euch, heutzutage kann man mit Silikon alles richten. Vielleicht hole ich mir selbst so ein Paar. Was meinst du?«
Mary Dell streckte sich und reckte ihre üppige Brust hervor.
Garrett schluckte und rang nach Atem. Er grinste, aber ich sah, dass seine Ohrspitzen trotzdem erröteten.
»Ich finde, Sie sehen bereits ganz prima aus, Mrs Templeton.«
»Mrs Templeton! Was du nicht sagst! Du bist doch kein Teenager in Texas mehr, Garrett. Du bist ein erwachsener Mann mit einem Beruf. Du kannst mich Mary Dell nennen. Deine Mama sagt, sie könnte den Laden ohne dich vergessen.«
»Hören Sie nicht auf sie«, sagte Garrett. »Ich kümmere mich bloß um den Internetkram. Margot ist zuständig für Marketing und Buchhaltung.«
»Und vergiss Liza nicht«, unterbrach ich und wandte mich an Mary Dell. »Liza ist Garretts Freundin. Sie besucht momentan die Kunsthochschule in New York, aber am Wochenende kommt sie und hilft bei den Schaufenstern. Und sie stellt neue Stoffpakete und -kombis zusammen. Sie hat ein gutes Auge für Farben. Howard würde sie großartig finden. Lizas Stoffkombis gehören zu unseren bestverkauften Angeboten.«
»Sie ist die Nichte dieser anderen Freundin von dir, nicht wahr?«, fragte Mary Dell. »Die Hochnäsige? Abigail?«
»Abigail ist nicht hochnäsig«, korrigierte ich sie. »Sie ist eigenwillig. Sie stammt aus einer der alten, sehr wohlhabenden Familien Neuenglands, deswegen ist sie – na ja, es dauert ein wenig, bis man sie kennenlernt, das ist alles. Die Menschen in Neuengland öffnen sich Fremden nicht so schnell wie in Texas, aber Abigail ist sehr freundlich und unglaublich großzügig. Sie engagiert sich für alle möglichen wohltätigen Zwecke. Ihr gehören die meisten Immobilien der Stadt. Sie vermietet mir dieses Geschäft, außerdem Garretts Wohnung oben und unseren neuen Arbeitsraum.«
»Und das neue Lager die Straße hoch«, unterbrach Garrett.
»Und all das für zehn Dollar im Monat, plus die Zeit, die es mich kostet, ein paar Quilt-Stunden drüben im Frauenhaus zu geben. Was ich auch gerne ohne Gegenleistung getan hätte. Sage also ja nichts gegen Abigail.« Ich hob gespielt empört den Finger.
»Zehn Dollar im Monat!« Mary Dell pfiff anerkennend. »Na, in dem Fall nehme ich alles zurück, was ich über die hochnäsige, alte ...« Mary Dell unterbrach sich mitten im Satz, als sie mein Gesicht sah. »Tut mir leid! Ich wollte sagen, ich nehme alles zurück, was ich über die liebe nette Abigail gesagt habe. Gott möge ihr beistehen«, sagte Mary Dell unter Verwendung der alten Südstaaten-Formel, wenn Frauen dort etwas Gemeines über jemand anders sagen wollten – aber höflich.
Trotz allem lachte ich. »Hör auf. Man muss sich vielleicht an sie gewöhnen, aber Abigail hat mir und vielen anderen Menschen in dieser Stadt sehr geholfen. Sie kann zickig sein, das gebe ich zu, aber sie ist sich dessen bewusst. Sie geht mit ihrem ehemaligen Anwalt aus, Franklin Spaulding, und er scheint einen guten Einfluss zu haben. Außerdem engagiert sie sich sehr für das Frauenhaus, nicht nur im Vorstand. Sie verbringt auch viel Zeit mit den Bewohnerinnen. Sie ist diejenige, die mir empfohlen hat, Ivy einzustellen.«
»Ivy?«
»Erinnerst du dich nicht? Ich habe dir am Telefon von ihr erzählt. Sie und ihre Kinder wohnen vorübergehend im Frauenhaus. Ivy hat meinen Anfängerkurs besucht. Als ich jemanden einstellen musste, hat Abigail Ivy empfohlen. Ich bin sehr froh darüber. Sie arbeitet hart. Sie ist still, aber freundlich und sehr zuverlässig. Wir haben jetzt ein ganz schön gutes Team.«
Garrett stellte seinen Kaffeebecher ab, stieß sich vom Tresen ab und kam zu mir, er legte mir seinen langen Arm um die Schultern. »Allerdings vergisst sie zu erwähnen, dass nichts von allem funktionieren würde ohne unsere ausgezeichnete Anführerin. Als ich hier zu arbeiten begann, kannte ich Steppen nur aus Fred-Astaire-Filmen, aber inzwischen geht es besser, was mir ehrlich gesagt ein bisschen Sorgen bereitet. Aber Mom beherrscht alles aus dem Effeff. Sie weiß, welche Stoffe und Zubehörteile im Trend sind, sie konzipiert und unterrichtet fast die gesamten Kurse, und sie sorgt dafür, dass alle sich wohlfühlen, die zur Tür hereinkommen. Die Hälfte der Kunden, glaube ich, kommt eher, um mit Mom zu plaudern als um Quilt-Sachen zu kaufen.«
»Ja, ja«, sagte ich abwiegelnd. »Hör nicht auf ihn, Mary Dell. Er will eine Gehaltserhöhung. Aber das wird dir nichts bringen, Süßer. Es läuft besser, soviel steht fest. Es sieht sogar aus, als würden wir dieses Jahr Geld verdienen, aber es ist viel zu früh, um darüber nachzudenken, ob jemand von uns mehr als den Mindestlohn erhält. Und das wird noch eine ganze Weile so bleiben.«
»Nicht, wenn ich etwas damit zu tun habe, Schätzchen«, sagte Mary Dell. Sie schaute zum Ladenfenster hinaus, wo ein Mann und eine Frau mit Taschen, Kisten und Metallständern, die wie Lampenhalter aussahen, über den Platz kamen. Mary Dell ging zur Ladentür und riss sie weit auf.
»Kommt rein, Leute! Baut das Zeug auf. Wir müssen nicht nur einen Werbespot drehen, der die Quilterinnen heiß auf den Quilt-Pink-Tag macht, wir müssen einen hinkriegen, der die Leute dazu bringt, zum Telefon zu rennen, den Computer hochzufahren oder quer durchs halbe Land zu brausen, um ihre Stoffe bei Miss Evelyn Dixon von Cobbled Court Quilts zu kaufen. Also legen wir los, Leutchen! Bald wird es dunkel!«
Ivy Peterman
»Oh, nun komm schon!«, schrie ich und schlug mit der Faust auf das Lenkrad. »Das darf doch nicht wahr sein! Nicht schon wieder!«
Ich drehte noch einmal den Schlüssel im Zündschloss, aber es klang eher schlimmer als die ersten drei Male, die ich es versucht hatte, und das halbherzige Brummen des Motors wich nun einem tiefen, lethargischen Knurren. Wenn ein Automotor gähnen könnte, dann klänge es so. Ganz sicher würde mein Wagen nicht starten. Nicht heute.
Ich schlug noch einmal frustriert mit der Hand auf das Steuerrad und verfluchte im Stillen alle Automechaniker.
Zehn Tage zuvor hatte ich der Werkstatt einen Scheck ausgeschrieben, der mich zwei Wochen Gehalt von meinem Job bei Cobbled Court Quilts