Sonntag der beleuchteten Fenster - Diana Anfimiadi - E-Book

Sonntag der beleuchteten Fenster E-Book

Diana Anfimiadi

4,9

Beschreibung

Das Rot des Granatapfels und das Orange der Zitrusfrucht leuchten aus diesem Buch so wie die Vanille duftet und der bittere Geschmack von Zwiebeln in der Kehle kratzt: Ungemein sinnlich und exotisch gewährt die Autorin im lockeren Plauderton Einblick in ihr Küchen-Universum, das irgendwo zwischen Griechenland, dem Kaukasus und dem Orient liegt. Genauer gesagt: in Georgien, wo man weiß, wie man aus Einfachem Großartiges machen kann, wo einander Abend- und Morgenland begegnen und wo man versteht zu genießen, ob am Familientisch oder an der Festtafel. Die mit leichter Hand und subtilem Witz erzählten Küchen-Geschichten richten sich an lesende Gourmets ebenso wie an kochende Literaturfreunde, begleitet man doch Diana Anfimiadi von ihren Kindheitserinnerungen über die Studienzeit bis zu ihrem Leben als Ehefrau und junge Mutter. Die studierte Sprachwissenschaftlerin schreibt Gedichte – und kocht mit Leidenschaft. In diesem Buch reist sie nebenbei auch in die Küchen von Lyrikerinnen, studiert die kulinarische Enzyklopädie von Alexandre Dumas und entziffert die handschriftlichen Notizen ihrer Großmutter. Diese kulinarische Biographie aus Georgien bittet die Leser zu Tisch – und mit einer Vielzahl von Rezepten und kulinarischen Tipps auch zu den Kochtöpfen!

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DIANA ANFIMIADI

Sonntag der beleuchtetenFenster

Eine kulinarische Biographie

Geschichten über Menschen undGeschmäcker in Georgien

Übersetzt aus dem Georgischenvon Iunona Guruli

Die Herausgabe dieses Buches wurde gefördertvom Georgischen Nationalen Buchzentrum undvom Ministerium für Kultur und Denkmalschutzvon Georgien.

Titel des Originals:A pesonal cookbook© 2013 Bakur Sulakauri Publisching

A-9020 Klagenfurt/Celovec, 8.-Mai-Straße 12

Tel. + 43(0)463 370 36, Fax. + 43(0)463 376 35

[email protected]

www.wieser-verlag.com

Copyright © dieser Ausgabe 2016 bei Wieser Verlag GmbH, Klagenfurt/Celovec

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Karin Waldner-Petutschnig

ISBN 978-3-99029-232-7

eISBN 978-3-99047-083-1

Das Buch ist meiner Mutter,Nana Anfimiadi, gewidmet,der hübschesten und köstlichstenRetterin meiner Kindheit.

Inhalt

Vorwort

Von Geschmäckern und Menschen

Kochkunst. Maria und Martha. Und noch Dschawachetien

Die Küche aus der Jurazeit

Die Kochkunst und die Liebe

Die kulinarische Reise von Odysseus

Rezept-Gedicht

Barbare

P. S.

Noch einmal über Barbare

Süß, bitter und wertvoll

Maiko und die ingilischen Rezepte

Literatur als Hauptspeise

Das eigene Zimmer und die eigene Küche

Von Tunken und Saucen

Der Geschmack vom Staub des Lächelns

Mutter

Pfannkuchen und ein wenig von anderem

Kulinarischer Egoismus auf einfache Art oder: Drei köstliche, belegte Brote

Begegnungen und andere Glücksrezepte

Die Jungs, und so weiter

Sonntag der beleuchteten Fenster

Großmutter

Lebens- (Rezept-)buch

An Stelle eines Epilogs

Glossar Kulinarik

Orts- und Personenregister

Rezeptregister

Vorwort Das Tischgebet

Du, der mich mit zwei Händen und einer Gabel,

mit einem Löffel und einem Mund – mit viel Kleiderfutter,

mit zwei Stricknadeln und mit dem bunten Garn aus Makkaroni erschaffen hast,

gib mir die Gabe, das Fleisch von Knochen zu trennen,

du, der du mich gelehrt hast, in Not, wie eine Mauer, standhaft zu werden,

auf dem leeren Magen nur mit Zwiebeltränen zu weinen,

dass es besser ist, anstatt es nach Amber, nach Kardamom und Dill duften zu lassen,

dass unser tägliches Brot nur ein Bissen ist,

und deshalb, bis das Wasser sich mit Essig vermischt,

für diejenigen zu beten, die hungrig sind,

die Recht haben, die hungrig sind.

Ich koche ein üppiges Mittagessen:

Aus Schmetterlingspuppen und Termiten,

den Happen, den du mir reichst,

mal will ich nicht, mal kann ich nicht wollen.

Ich koche ein üppiges Mittagessen:

die Kätzchen, die Küken…

Den Happen, den du mir reichst,

will ich nicht, ich teile ihn mit dir:

in den Himmel gegossene Milch, wie in das Meer gegossenes Erdöl,

alle unbekannten Sonnen und Meteoriten und Leuchtkörper,

alle im Himmel vorhandene Himmel und Vögel,

alle im Meer hausende Meere und Fische,

alle Salzbrocken und Zuckerwürfel.

Dein Glas und Teller und Tisch sind voll:

Du, der mir den Hunger gegeben hast,

herrschst über mich, genauso wie über meinen Appetit.

Ich stehe da und strecke den Teller, wie die Hand, nach vorne.

Der Messerrand scheint sich zu verletzen.

Ich erinnere dich an dein Versprechen:

Wenn du mich vergisst, komme ich zu dir und helfe.

Ich, die du sättigen wirst,

und die dich sättigen wird.

Von Geschmäckern und Menschen

Jeder hat ein anderes Gedächtnis.

Eine Freundin von mir kann sich an jede Farbkombination der Kleidung eines zufälligen Passanten erinnern. Meine Oma, wenn sie irgendwo bei einer Familie übernachtete, merkte sich ganz genau, in welchem Zustand der Haushalt und das Bettzeug war, das man ihr zur Verfügung gestellt hatte. Meine zweite Oma erinnert sich an alle Lehrer aus ihrer Schule, einschließlich deren Familienmitglieder und Verwandte; mein Nachbar kann sich Werbetexte merken, in Lekas Gedächtnis bleiben Parfumdüfte haften, in Zazas Ziffern, in Ketos Stimmungen, bei mir – die Geschmäcker.

Genau über diese in Erinnerung gebliebenen Geschmäcker möchte ich erzählen.

Bittere, bittere Zwiebeln

Sie war ein sehr hübsches Mädchen, hatte helle Haut mit Sommersprossen, glattes Haar und lange Beine. In der Kindheit war sie eine hervorragende Seilspringerin. Mir wurde verboten, mit ihr befreundet zu sein, denn ihr Vater war ein Säufer. Aber ich hielt mich trotzdem ständig bei ihr auf – in einer heruntergekommenen Bude, deren Dach den Regen durchließ, weshalb überall bunte Eimer standen, grüne, rote, silberfarbige, einige mehr und andere weniger laut, wenn die Tropfen hinein fielen.

Wir spielten alles Mögliche, einmal das Bollywood-Film-Spiel, ein anderes Mal waren wir Prinzessinnen, dann wieder etwas anderes. Sie war ein sehr gütiges Mädchen, mit dem Herzen am richtigen Fleck, wie man zu sagen pflegt.

Nie werde ich die in der großen Pfanne auf ihrem Holzofen gebratenen Zwiebeln vergessen: Wir tunkten darin das Brot ein und aßen. Damals litten wir alle große Not, waren halb verhungert.

Ich war eine gute Schülerin mit lauter Einsern, sie war es nicht, sondern ein Wildfang. Sie mochte mich sehr, ich glaube sogar, dass mich nie eine Freundin so sehr gemocht hat.

Dann verkauften sie ihre Wohnung und zogen in ein altes Viertel von Tiflis, in eine winzige Einzimmerwohnung. Ich begann an der Uni zu studieren, schwänzte die Vorlesungen – einige mit besonderer Freude – und ging während der Vorlesungszeit zu ihnen.

Sie war so hübsch, dass ihr Anblick ein echter Augenschmaus war: wunderschön, mit grünen, mandelförmigen Augen und einem tollen Körper. Bei ihr war ich in einer anderen Welt – es wurde nie über Bücher geredet, dafür umso mehr über Jungs. Später heiratete sie, und ich verlor sie aus den Augen. Vor zwei Jahren meldete sie sich das letzte Mal, damals war gerade ich frisch verheiratet. Zwei Kinder habe sie und ihre Wohnung wegen Schulden verloren, erzählte sie. Sie wollte ins Ausland, um arbeiten zu gehen und fragte mich, ob ich ihr ein Wörterbuch leihen könnte.

Ich erinnere mich an den bitteren Geschmack in meinem Mund. Und das hing sicher nicht mit meiner Schwangerschaft zusammen.

Ich glaube, sie ist immer noch fort. Ob sie arbeitet oder nicht? Keine Ahnung.

Rachmaninow, Bananen-Cocktail und andere Zufälligkeiten

Ich denke, ich war damals im zweiten Studienjahr. In »Altgeorgische Sprache« hatte ich eine Seminararbeit zu schreiben. Es war ein kalter November. Und wie üblich hatte ich nur noch drei Tage bis zur Abgabefrist und noch kein einziges Wort geschrieben.

In der Nähe der öffentlichen Bibliothek gab es ein kleines, vegetarisches Café, wo sehr leckere Dinge verkauft wurden. Da sie auch sehr günstig waren, gingen meine Kommilitonen und ich oft dahin. Es war herrlich: Sobald die Hände froren, es etwas mit den Freunden zu besprechen gab, Schanidze und Tschiqobawa langweilig wurden, gingen wir in dieses Café, aßen Samosas oder Kuchen, spülten mit grünem Tee nach – und sowohl die Novembernässe als auch die schwer zu besteigenden Bergspitzen der georgischen Philologie schienen erträglicher zu sein.

Auch an jenem Tag gingen wir erst ins Café, tranken einen Bananen-Cocktail und ließen uns einen sonderbaren Kuchen schmecken. Danach schauten wir in der musikalischen Abteilung der Bibliothek vorbei, um unsere Köpfe ein wenig auszulüften.

Ich bin schon seit einer Ewigkeit nicht mehr in dieser Abteilung gewesen und weiß nicht, was dort jetzt los ist. Damals standen einige Plattenspieler herum (die einzige Möglichkeit, sich in der öffentlichen Bibliothek Musik anzuhören). Man suchte sich im Kartenregister die gewünschte Platte aus, setzte sich hin und konnte sie sich anhören, ohne von jemandem gestört zu werden.

Auch an jenem Tag setzte ich mich in die Bibliothek und suchte das zweite Konzert von Rachmaninow aus, das ich auswendig kannte und das mich jedes Mal zu Tränen rührte. Ich hörte mir also die Musik voll Hingabe an, als ein sehr sympathischer Typ hereinkam. Er suchte sich Noten heraus, setzte sich hin und las.

Plötzlich wurde die Elektrizität abgestellt. Aus mit Rachmaninow! Ich war so enttäuscht, dass er es bemerkte und mir anbot, mich zur Bibliothek des Konservatoriums mitzunehmen, wo ich das Stück zu Ende hören könnte.

Unterwegs erfuhr ich, dass er Gesang studierte und ließ – recht angeberisch – Namen wie Donizetti und Wagner fallen. Nachdem er mit dem dortigen Bibliothekar gesprochen hatte, brachte er mir dann die CD von Rachmaninow (sie hatten eindeutig die besseren Apparate dort!). Und dann verabschiedete er sich und ging fort. Nicht einmal nach meinem Namen hat er gefragt, geschweige denn nach meiner Telefonnummer! Rachmaninow und ich blieben enttäuscht zurück.

Die griechische Orange

Ich habe eine ältere Schwester. Sie ist sehr hübsch und klug, tausendmal klüger, gutmütiger und allgemein ein viel besserer Mensch als ich. Sie hat so leuchtende, grüne Augen – man sehe und staune! Sie studierte an der Universität Biologie und war eine hervorragende Studentin.

Eines Tages geriet sie auf dem Weg zur Vorlesung in einen Kugelhagel. Ein anderes Mal blieb die U-Bahn stehen, ein drittes Mal hatte sie kein Geld, um eine Fahrkarte zu kaufen. Dann hatte sie die Nase voll.

Da sie einen griechischen Nachnamen hatte, beschaffte eine Verwandte die notwendigen Papiere und nahm sie zur Arbeit mit nach Griechenland. Also arbeitete sie dort, kam uns besuchen, legte die Prüfungen ab und ging wieder zurück. Damals bekam ich zum ersten Mal eigene Klamotten in meiner Größe und nicht die gebrauchten Sachen von meinen älteren Kusinen. Ich kann mich genau an die hellblaue Jeans erinnern, mit Sternen auf dem Gürtel und einem Etikett aus Pappe.

Mit der Zeit wurden die Besuche meiner Schwester seltener, und irgendwann hörten sie endgültig auf. Heute lebt sie in Griechenland und hat drei wunderbare Kinder. An einem sehr kalten Tag im Februar, mit Matsch, Frost, abgestelltem Strom, Hunger und allem möglichen anderen Unglück brachte uns der Postbote ein Paket aus Griechenland. Wir öffneten den großen Pappkarton, und das Zimmer strahlte plötzlich in der knallgelben Farbe von Orangen. Meine Schwester, die damals in einer Orangenplantage arbeitete, hatte uns einen Karton voll mit griechischen Orangen geschickt. Ich erinnere mich noch, wie ich beinahe die Hände am goldenen Schimmern der Orangen wärmen wollte – so leuchtend und warm war es.

Kochkunst. Maria und Martha. Und noch Dschawachetien

Ich denke sehr oft an die Geschichte von Maria und Martha. Ihr erinnert euch doch bestimmt an diese Episode aus dem Neuen Testament. Martha tat mir immer leid. Ich weiß zu gut, wie schwer es ist, die Wohnung blitzblank aufzuräumen, mit dem Herz voller Liebe in der Küche zu zaubern, das beste Geschirr auf den Tisch zu stellen – ausschließlich Kristall und Porzellan –, sich am Ende kraftlos auf den Stuhl zu werfen und zu begreifen, dass du das Wichtigste doch versäumt hast. Eine andere ist dir zuvorgekommen, während du mit der Fleischsauce beschäftigt warst.

Das Beste wäre natürlich, beides zu schaffen, beides zu können. Vielleicht erwartet das ja nicht nur der Ehemann sondern auch Gott von dir. Was, wenn du eine Gottesbraut bist? Noch dazu in Dschawachetien mit seinem schwierigen Klima und nationalistischen Implikationen? Ich will euch über die Küche eines Frauenklosters im Dorf Poka erzählen.

Poka gehört zu meinen besten Lebensabschnitten. Ich war im ersten Studienjahr, als ich gemeinsam mit anderen Studenten, die an dieser Expedition teilnahmen, Dschawachetien für mich entdeckte. Dort war alles völlig anders: mit bunten Blumen bedeckte Steppen, wunderschöne Seen und wogende Felder um sie herum, alte Kirchen, von Menschen vergessene Dörfer, mehrsprachige und multinationale Siedlungen, mit getrocknetem Mist geheizte Kamine, Häuser mit flachen Dächern, unterirdische Wohnstätten, Farben über Farben und der Himmel, …

Wisst ihr, was Dschawachetien ist? Wenn ich über jene Expedition erzähle und das frage, bekomme ich zu hören: Ja, wir wissen schon: Wardsia, Sapara, Achaltsiche … Aber Dschawachetien ist eigentlich etwas völlig anderes – mit seinen unzähligen Seen, mit Steppen-Plateaus, mit Gebirgen – Ninotsminda, Achalkalaki, Spasowka, Poka, Baraleti, Tschuntschcha, Toki, …

»Was hätte ich in Dschawachetien missen sollen?«, heißt es in einem mündlich überlieferten Gedicht. Am nächsten zu Gott fühlte ich mich dort. Es waren Zeiten, als ich noch nicht singen konnte und dennoch sang, als ich noch nicht beten konnte und dennoch betete, als ich die Kirchenlieder nicht anstimmen konnte und es trotzdem tat. Ist das durch Unwissen provozierte Frechheit? Später ist mir diese Faszination abhanden gekommen. Aber darüber reden wir ein anderes Mal.

Poka ist ein Dorf an der äußersten Grenzlinie und überwiegend von armenischer Bevölkerung bewohnt. Anfänglich hatte man uns vor den Ortsbewohnern gewarnt: Sie hätten das Temperament von Swanen (Einwohner der Region Swanetien) oder den Bewohnern von Kreta. Aber es ist nichts vorgefallen, außer ein paar geschmacklosen Komplimenten. Es passiert mir ständig: Ich fange an, eine Geschichte zu erzählen, und bis ich zum Punkt komme, verliere ich den Faden – und die Leser verlieren die Geduld. Bitte, erinnert mich zwischendurch daran, dass ich eigentlich über die Küche des Frauenklosters in Poka erzählen wollte!

Seitdem ich mich in die Kochkunst verliebte, erweiterten sich meine sprachwissenschaftlichen und ethnographischen Interessen um ein weiteres: In jeder von mir besuchten Region, in jedem Dorf begann ich die interessanten und authentischen Kochrezepte zu sammeln.

Damals erschien in meinem Kochbuch das Kapitel: Die Kochkunst aus Dschawachetien. Dschwachetien ist eine Fischgegend, hier kann man Fisch in unterschiedlichsten Variationen finden. Auch die Tierzucht ist hier sehr gut entwickelt – unverzichtbar in der Küche sind der unverwechselbare dschawachische Käse und die Milchprodukte, natürlich Kartoffeln, verschiedene Mchali, Mchlowana, Qada, Dörrfleisch, … Die Gerichte sind hier genauso fett und sättigend wie bei uns in Mtianeti (eine Region in Georgien), wo Butter und Kochbutter als Schutzmittel vor besonderer Kälte dienen.

Man sagt, früher sei Dschawachetien die Kornkammer Georgiens gewesen. Hier wogten die unterschiedlichen, georgischen Weizensorten. Auch jetzt kann man Weizenfelder sehen, aber auch andere Getreidearten. Doch der Käse steht im absoluten Mittelpunkt. Ich erinnerte mich damals an mein griechisches Dorf in Dmanisi – beide Orte ähneln einander im Klima aber auch mit ihrem besonderen Duft der staubigen Wege und der Vielzahl an Großvieh.

Im Frauenkloster von Poka vereinten sich die dschawachische und die allgemein georgische Küche. Dort habe ich viele kulinarische Entdeckungen gemacht. Am rührendsten war die große Liebe, mit der die Schwestern Sara, Rebekka, Nino und die anderen für uns Studenten im Speisezimmer wahre Meisterwerke erschaffen haben. Wisst ihr, wie man Käsesuppe zubereitet? Wie nützlich und köstlich sie ist?

Dschawachische Käsesuppe

Man braucht dschawachischen, trockenen Käse, der speziell für die Brühen aufbewahrt wird. Der Reis wird gekocht, abgetropft und zur Seite gelegt. In einem Topf werden gleich viel Milch und Wasser aufgekocht, darin rührt man drei Esslöffel Schwarzbrotmehl ein. Danach fügt man den gekochten Reis und zerkleinerte Käsestücke bei und lässt alles zehn Minuten lang köcheln. Abschließend mit in Butter gebratenen Zwiebeln, Salz und frischer Minze abrunden. Zu diesem Gericht wurde frischgebackenes Klosterbrot mit wunderbarem Duft und unvergesslichem Geschmack serviert.

Es gibt noch eine andere Suppe aus Milch, hier mit Topfen-Chinkali als Einlage: Wir nehmen Zwiebeln und Mehl und übergießen beides mit zwei Gläsern Milch und zwei Gläsern Wasser. Während die Masse aufgekocht wird, mengen wir Salz und ein wenig Sauerrahm unter. Der Topfen wird mit Salz und einem Ei vermischt, um daraus – etwas kleiner als üblich – die Topfen-Chinkali zu fertigen. Diese Teigtaschen werden in der vorbereiteten Sauce gekocht, am Ende bestreut man das Ganze mit klein gehackter Minze.

Pilze! Wie konnte ich die Pilze vergessen? Die besten Pilze wachsen in Dschawachetien, zum Beispiel der Birken-Milchling: Wenn du ihn brätst, sammelt sich in seinem Hut sein eigener Saft. Du brauchst nur ein Stück Butter und eine Prise Salz hinzufügen.

Spinat-Laibchen

Wir kochen Spinat, pressen ihn aus, drehen ihn durch den Fleischwolf. Dann 200 Gramm Schwarzbrot, eine pürierte Zwiebel, zwei zerdrückte Knoblauchzehen, pürierten Koriander und Petersilie, Pfeffer, scharfes Paprikapulver, Schabzigerklee und Salz hinzufügen. Alles gut vermischen, aus der Masse Laibchen formen, auf beiden Seiten mit Semmelbröseln panieren und in der Pfanne braten.

Was gab es noch? Ich erinnere mich an den Geruch der Holztische und Holzstühle im Esszimmer, an den Sonnenstrahl, der sich in der Mittagszeit durch die dicken Vorhänge des Klosters stahl, an die ruhigen und schönen Gesichter der Ordensschwestern, an den köstlichen Duft des Essens. Wollt ihr etwa behaupten, das sei das Gedächtnis des Magens? Nein, da kann ich nicht zustimmen. An das alles erinnert sich das Herz.

Da war noch so vieles, an das ich mit Vergnügen zurückdenke: Die an den Geburtstagen gebackenen flaumigen Pastetchen und eine einzige Honigkerze zum Ausblasen und Wünschen, außerdem Qada, Chatschapuri und Lobiani in tausend Variationen, Brot (über das dortige Brot könnte man extra erzählen – mit ein bisschen Salz, ein bisschen Zucker und noch etwas Undefinierbarem, was dem Brot den einzigartigen Geschmack verlieh), Tee aus Alpenkräutern mit Honig aus Alpenblumen und noch viele, viele andere Dinge.

An die Gebete, Beichten und weitere frommen Dinge so wie an die Bedeutung der alten Klöster und Denkmäler sollen die anderen Expeditionsteilnehmer erinnern. Ich war schon immer eher die Martha und habe das dementsprechende Gedächtnis.

Die Küche aus der Jurazeit