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Feuer, Wasser, Erde, Luft ...
Jael ist auf der Flucht vor ihrem Schicksal. Doch der Weg durch den Wald gestaltet sich schwieriger, als sie geglaubt hat. Bald muss Jael feststellen, dass sie es nicht schaffen wird ... Hunger und Durst sind nur zwei der Gefahren, die ihr im Nacken sitzen.
Doch Loric ist nicht bereit, die Auserwählte gehen zu lassen, und lässt seinen Sohn Raik nach ihr suchen. Als der schweigsame und unfreundliche Raik Jael findet, ist sie bereits am Ende ihrer Kräfte.
Doch Raik besitzt Fähigkeiten, die Jael nicht an ihm vermutet hätte – sein Element ist die Erde, und er findet einen sicheren Unterschlupf, um Jael wieder auf die Beine zu bringen ... bevor er sie zurück zur Burg bringt ... Jael akzeptiert, dass sie ihrem Schicksal nicht entkommen kann, und beschließt Eiras Rat zu befolgen – sie will nicht länger Opfer in dem Spiel um Macht und Gefühle sein ...
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Als ich in den Wald lief, hielt ich meinen Plan noch für eine gute Idee. Das Einzige, woran ich denken konnte, war, dass ich weg wollte – fort von diesem erdrückenden Ort, der nur aus Lügen zu bestehen schien.
Einige Stunden später schlichen sich die ersten Zweifel in meine Überzeugung – vielleicht hatte ich doch übereilt gehandelt. Dieser Wald war keiner von denen, die ich aus der zivilisierten Welt kannte. Es gab keine Wanderwege, Hinweisschilder, Banken oder irgendwelche anderen Orientierungshilfen. Das Einzige, was es weit und breit gab, waren Bäume und Stolperfallen in Form von Erdlöchern, die sich unter dem vertrockneten Laub versteckten. Eigentlich sah alles um mich herum gleich aus. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war oder in welche Richtung ich ging … bei meinem grandiosen Fluchtplan hatte ich dummerweise vergessen, dass ich Norden von Süden nicht unterscheiden konnte.
„So ein blöder Mist ...“, sagte ich laut zu mir selbst, weil das Fehlen jeglicher Zivilisationsgeräusche mir immer mehr Unbehagen bereitete. Es musste mittlerweile Mittag sein, genau wusste ich es natürlich nicht … ich hatte ja nicht einmal eine Uhr.
Resigniert setzte ich mich auf einen umgestürzten Baumstamm und suchte meine Umgebung mit den Augen ab. „Denk nach, Jael … lass dir was einfallen!“
Aber je länger ich nachdachte, desto mehr stellte sich die Erkenntnis ein, dass ich mich verlaufen hatte und noch nicht einmal den Weg zurück zur Burg finden würde. Mir wurde langsam aber sicher bewusst, dass meine Lage alles andere als gut war. „Ok … jetzt nicht in Panik geraten ...“, redete ich mir selbst gut zu. „Was ist das Wichtigste in dieser Situation?“ Du musst Wasser finden … ohne Wasser kommst du nicht weit …, flüsterte mir meine innere Stimme zu.
Angestrengt versuchte ich, auf die Geräusche zu lauschen. Aber außer dem Rauschen der Blätter im Wind, dem Zwitschern der Vögel in den Baumkronen und dem Rascheln von Laub unter meinen Füßen hörte ich nichts; nichts, was darauf hinwies, dass es irgendwo in der Nähe Menschen oder Wasser gab. Ohne, dass ich es verhindern konnte, schossen mir Tränen in die Augen. Hastig wischte ich sie fort. „Nicht weinen … das hilft dir jetzt nicht weiter“, ermahnte ich mich und stand auf. Erst jetzt bemerkte ich, wie sehr mir die Füße wehtaten und dass ich erschöpft war. Zudem klebte meine Zunge am Gaumen und ich verspürte ein Grummeln im Magen.
In diesem Augenblick fragte ich mich, was mich zu meiner kopflosen Flucht bewogen hatte. Gut … Loric war ein Wahnsinniger, der mich dazu zwingen wollte, mit seinen vier Söhnen zu schlafen und einen von ihnen zum Gefährten zu nehmen … Charel war ein mieser Lügner, der über die Leiche seines eigenen Bruders ging, um das zu bekommen, was er wollte, Kian ein perverser Sadist, der mir nachstellte, um mich im wahrsten Sinne des Wortes flachzulegen … und Raik hätte mir am liebsten den Hals umgedreht, wenn ich seine Blicke richtig deutete. Ach ja ... und Cayden … ich konnte die Tränen nicht mehr unterdrücken … „Ohne Cayden wäre ich gar nicht erst in dieser verdammten Burg inmitten seiner Psychopathenfamilie gelandet“, flüsterte ich bitter.
Erneut wischte ich mir mit dem Handrücken die Tränen fort und überlegte, in welche Richtung ich weitergehen sollte. Alles sah gleich aus. Schließlich wandte ich mich nach rechts. „Bitte … lass mich an diesem Tag nur einmal Glück haben ...“, sandte ich ein Stoßgebet gen Himmel.
Dass sich in diesem gottverlassenen Wald niemand um meine Gebete scherte, war mir spätestens drei Stunden später klar. Mittlerweile war es Nachmittag. Unter den Baumkronen hatte sich die Wärme des Sommertages gestaut. Die Haare klebten in meinem Nacken, Stechmücken verfolgten mich … und meine Gedanken kreisten einzig und allein um den verzweifelten Wunsch, endlich Wasser zu finden. Ich war so durstig und meine Hände zitterten. Aber durch diesen Wald schien sich nicht einmal ein winziger Bach zu ziehen.
Die Vögel hatten längst aufgehört zu zwitschern; selbst ihnen war der Nachmittag zu heiß. Aus den Baumkronen heraus beobachteten sie mich, wie ich hilflos durch ihren Wald tappte. Erstmals kam mir der Gedanke, dass sie bestimmt nicht die einzigen Tiere in diesem Wald waren, die mich beobachteten. Ein- oder zweimal meinte ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrgenommen zu haben, aber sobald ich in die Richtung gesehen hatte, war niemand da.
Bald würde es Abend werden, dann käme die Nacht … die Zeit, in der Raubtiere auf die Jagd gingen. Zu der dringenden Notwendigkeit, endlich Wasser zu finden, gesellte sich die Suche nach einem Unterschlupf für die Nacht.
Meine Beine waren mittlerweile schwer wie Blei, und ich musste dem Drang widerstehen, mich irgendwo hinzusetzen und eine Pause zu machen. Allein meine Panik trieb mich weiter, sodass mir zunächst gar nicht auffiel, wie die Sonne verschwand und es immer dunkler wurde.
Als ich es schließlich bemerkte, hatte ich noch immer kein Wasser gefunden. „Es ist doch höchstens fünf Uhr … und es ist Sommer. Die Sonne kann noch nicht untergehen!“, sagte ich vorwurfsvoll, als gäbe es hier irgendjemanden, der mir zuhörte.
Eine Stunde später war es so dunkel, dass ich nur noch langsam vorankam. Woran ich ebenfalls nicht gedacht hatte, war, dass eine Nacht in freier Natur nicht mit einer Nacht in der Zivilisation zu vergleichen ist. Es gab keine Laternen oder beleuchteten Reklamen oder Autos … die Nacht war absolut finster, weil noch nicht einmal das Mondlicht durch die dichten Baumkronen fiel. Angst kroch langsam wie ein ekeliges Insekt meinen Rücken hinauf und setzte sich in meinem Nacken fest, während ich hilflos durch den immer dunkler werdenden Wald stolperte.
Schließlich verlor ich den Kampf gegen die Dunkelheit endgültig. Ich konnte keine zwei Meter weit mehr sehen. Mein Herz hämmerte und ich zitterte am ganzen Körper. In meiner Verzweiflung ließ ich mich mit dem Rücken gegen einen Baumstamm zu Boden gleiten und umklammerte meine Knie mit den Armen. Heiße Tränen liefen mir über die Wangen.
Und dann hörte ich sie! Ohne sie zu sehen, wusste ich, dass sie mich schon den ganzen Tag verfolgt und nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet hatten … Wölfe! Ihr unheimliches Heulen drang an meine Ohren, zuerst hinter mir, dann auch von der Seite. Überall um mich herum raschelte das trockene Laub … sie kamen von allen Seiten auf mich zu. Ich krampfte die Hände fester um meine Knie, als ob mich diese verzweifelte Geste vor ihnen hätte beschützen können …
Leises Knurren drang an mein Ohr, dann wieder das unheilvolle Geräusch, das Heulen, in das schließlich weitere nicht menschliche Stimmen einfielen. Wölfe! Keine Drachen, keine Greife … ein Rudel Wölfe hatte mich letztendlich zu seiner Beute auserkoren.
„Bitte ...“, betete ich in die Dunkelheit, obwohl ich wusste, dass niemand mich hörte … ich war vollkommen allein ...
Die Wölfe kamen näher. Gleich würden sie mich haben … ich betete, dass es schnell vorbei wäre …
Ein Jaulen ließ mich hochschrecken … es war die Art von Geräusch, die ein Hund von sich gibt, der einen Tritt verpasst bekommt. Das Rascheln wurde plötzlich lauter, es hörte sich an, als gäbe es einen Kampf … und dann wieder dieses Jaulen … Tumult entstand, Knurren, Winseln, Pfoten, die davonrannten … plötzlich war es vollkommen still.
Ich hielt die Luft an und versuchte, keinen Laut von mir zu geben. Dann raschelte das Laub wieder … jemand oder etwas kam auf mich zu … dieses Mal war es allein … das wusste ich instinktiv. Was immer die Wölfe verjagt hatte … nun wollte es mich. Es hatte keinen Sinn, zu kämpfen. Etwas, das mit einem ganzen Rudel von Wölfen fertig wurde, konnte ich nicht entkommen.
Ein greller Lichtschein fiel unerwartet auf mein Gesicht … die plötzliche Helligkeit ließ mich blinzeln.“ Seit wann haben Raubtiere denn Taschenlampen?
„Hast du genug von deinem kleinen Ausflug?“, fragte mich eine Stimme kalt. Sie war tief und unfreundlich. Ehe ich antworten konnte, wurde ich am Arm gepackt und auf die Beine gezogen. Der Lichtstrahl der Taschenlampe traf das Gesicht meines vermeintlichen Retters. Mein Herz setzte einen Moment lang aus. Vor mir stand Raik!
„Was … tust du hier?“
„Was glaubst du denn?“, knurrte er, während er mich mit sich zerrte und dabei weder Rücksicht auf meine zitternden Beine nahm, noch auf den Umstand, dass ich nichts sehen konnte und immer wieder stolperte.
„Loric hat mich geschickt, dich zu suchen. Hast du wirklich geglaubt, dass du auch nur den Hauch einer Chance hättest?“ Raik klang angepisst. „Glaubst du, es macht mir Spaß, dir hinterherzulaufen, Auserwählte?“ Das letzte Wort spie er mehr aus, als dass er es sprach.
Ich stolperte und fiel hin, und im gleichen Moment musste ich an die paar Male denken, in denen ich das Gefühl hatte, verfolgt zu werden. Das waren nicht die Wölfe gewesen … das war er!
Raik zerrte mich hoch und versuchte mich weiterzuschleifen, aber ich stemmte meine Füße mit letzter Kraft in den Waldboden. „Du hast mich schon den ganzen Tag verfolgt! Warum hast du mich dann nicht schon früher aufgehalten?“
Tatsächlich blieb Raik stehen. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber ich spürte seinen kalten Blick auf mir. „Um dir eine Lektion zu erteilen, Auserwählte … und mich an deiner Angst zu berauschen.“
„Du bist nicht besser als diese Wölfe ...“, flüsterte ich und bereute es im gleichen Moment, weil Raiks Griff um meinen Arm schmerzhaft wurde.