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"Wenn Du dies liest, bin ich tot. Versuche nicht, mich zu finden. Ich bin tot, verstehst Du? Tot!" Sophie schreibt diese Notiz für Jacques, 26, der sein Literaturstudium an der Sorbonne geschmissen hat. Seine vor Jahren überwunden geglaubte Leidenschaft für Sophie entflammt neu. Er begibt sich auf eine zwanghafte Suche nach ihr. Sophie sei gestorben, sagt man ihm. Er fährt zum Wohnort ihrer Eltern, wo gemutmaßt wird, Sophie habe sie umgebracht. Jacques erhält eine neue, unerwartete Notiz, die ihn alarmiert. Zwei Welten stoßen mit Sophie und Jacques aufeinander, faszi-nieren und reiben sich - seine großbürgerliche und ihre beinahe gesetzlose - in dieser fatalen, traurig-komischen, leidenschaftlichen Ge-schichte einer sich erfüllenden und zerstörenden Liebe im Frankreich der Jahrtausendwende. Das Heraufbeschwören von Widersprüchen, Spannungen und Obsessionen macht die Meisterschaft von Jan Turovskis Roman aus und wie er die Tonart wechselt zwischen erotisch und poetisch, komisch und tragisch. Maria Herlo / Mannheimer Morgen ... denn Jan Turovskis spannender und unterhaltsamer, besonders auf der psychologischen Ebene überzeugender Gesellschaftsroman Sophie fatale ... aus dem Paris der Jahrtausendwende ist ein Buch, das ernsthafte Beachtung verdient. Neue Westfälische Zeitung, Bielefeld Ein Lippenabdruck statt beeindruckender Worte auf dem Briefpapier 'und eine kleine Stoffrose, abgeschnitten von ihrem BH', reichen dem Literaturstudenten und Übersetzer Jacques, damit er ganz Paris durchwandert, auf der Suche nach der verlorenen Liebe, verkörpert durch jenes geheimnisvolle Geschöpf, der femme fatale namens Sophie, das sein Leben bestimmt und seine Studien an der Sorbonne sabotiert. Rumjana Zacharieva / Junge Welt Berlin Unendlich Französisch, literarisch anspruchsvoll, jedoch sehr gut zu lesen, loben Leser im Netz Jan Turovskis Stil. Seine Paris-Romane seien vor allem eines: Keine Bonbonieren, doch flirrend mit dem Geruch der Stadt, mit Liebe und Kenntnis. "Sie log nicht, aber sie veränderte die Farbe der Wahrheit." "Sie war schön und unverschämt. Ihre Lippen vorwurfsvoll aufgeworfen. Die zärtliche Nase täuschte über ihre Entschlossenheit."
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Seitenzahl: 230
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Für das noch unveröffentlichte Manuskript dieses Romans erhielt Jan Turovski den
»Prix Littéraire Européen Arthur Rimbaud 2000«
Ich habe mich in einen größeren Teil von Turovskis Werk hineingelesen, für mich steht fest: Es gilt, dieses phänomenale Werk, die Romane, sowie die Short Stories und Gedichte, nun Schritt für Schritt herauszugeben und vor dem Vergessen zu bewahren; eine Mammutaufgabe, die ich vielleicht nicht allein bewältigen kann. Hier also ist Sophie fatale …, ein fulminanter Roman über eine amour fou im Paris der Jahrtausendwende. Jan Turovski kommt zurück, wenn nicht, wäre die deutschsprachige Literatur ärmer.
Klaus Servene, Autor und Verleger
Lorsque vous lisez les livres de Jan Turovski, vous entrez dans un nouveau monde linguistique. Il est comme un chef d’orchestre, qui par magie, sort de nouvelles sonorités, ainsi que de nouvelles couleurs et images de la langue allemande.
Wenn Sie Jan Turovskis Bücher lesen, treten Sie ein in eine neue Sprachwelt. Er ist wie ein Dirigent, der auf magische Weise neue Klänge sowie neue Farben und Bilder der deutschen Sprache erzeugt.
Raymond Andéol, Germaniste
Pour Zohra et ce petit moment du cours de ma vie
Jan Turovski
Sophie fatale ...
ist ein Roman, eine erfundene Geschichte. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre daher rein zufällig.
Jan Turovski
EINS
ZWEI
DREI
VIER
FÜNF
SECHS
SIEBEN
ACHT
NEUN
ZEHN
ELF
ZWÖLF
DREIZEHN
VIERZEHN
FÜNFZEHN
SECHZEHN
SIEBZEHN
ACHTZEHN
NEUNZEHN
ZWANZIG
EINUNDZWANZIG
ZWEIUNDZWANZIG
DREIUNDZWANZIG
VIERUNDZWANZIG
FÜNFUNDZWANZIG
SECHSUNDZWANZIG
SIEBENUNDZWANZIG
ACHTUNDZWANZIG
NEUNUNDZWANZIG
DREISSIG
EINUNDDREISSIG
ZWEIUNDDREISSIG
DREIUNDDREISSIG
VIERUNDDREISSIG
FÜNFUNDDREISSIG
SECHSUNDDREISSIG
SIEBENUNDDREISSIG
ACHTUNDDREISSIG
JAN TUROVSKI
Empfehlungen
Nachtrag
MIGNON
Kann eine Geschichte erklärt werden, indem man sie nacherzählt? Schafft das Erzählen nicht erst neue Geschichten, die niemand erklären kann? Geschichten, die nicht mehr die ursprünglichen sind?
Ich wohne im Hôtel Janus, im Fünften Pariser Bezirk. Ein sogenanntes Wohnhotel für Studenten, ein mieses, kleines Haus, aber die Leute sind freundlich und mehr Geld habe ich nicht. Hier wohnen ausschließlich Studenten. Eine Seltenheit heutzutage. Aus jeder Klitsche macht man Appartements. Ich habe ein Dachzimmer, das man getrost romantisch nennen kann. Es bietet einen großzügigen Blick über die Dächer und auch vom Flur aus kann man in die Höfe sehen.
Ich bin jetzt sechsundzwanzig und lebe eher schlecht von Übersetzungen. Den Abschluss an der Sorbonne habe ich verpasst. Seitdem spricht mein Vater kaum mit mir. Trage ich nun allein Schuld an der Misere? Und was ist eigentlich das Wesen einer Misere?
Regen schraffiert graue Fassaden gegenüber. Die handschriftliche Notiz von damals will ich am liebsten nicht wahrhaben. Begraben ist begraben. Blaues Papier, schwarze Schrift. Drei Jahre alt. Es ist die Zeit des Tages, wenn die Schatten versagen. Unruhe packt mich und ich muss raus auf den großen Boulevard. Der Glanz der Pfützen nimmt zu. Es war schwer, das alte Zimmer wiederzubekommen.
Und es genügt nicht, ein Zimmer zu haben. Es muss dieses Zimmer sein. Das mit dem faden Spiegelschrank in der Rue Saint-Jacques, dem Nussbaumfurnier, den braunen Flecken im Silber. Mit der Farntapete, dem Bett, breit wie die Nische. Das Waschbecken mit dem trägen Rohr darunter. Das Fenster mit dem versprengten Lärm der Rue Gay Lussac über den Dächern. Der schräge Boden. Tisch und Stuhl aus Rohr. Die angegriffene, rote Tischplatte. Ich hatte schon Sorgen sie hätten inzwischen renoviert. Das Zimmer von damals. Meine Eltern wollten mir ein besseres Zimmer bezahlen, aber ich wollte gerade dieses.
Ich bin seit gestern hier. Sie ist immer da. Sophie. Beim Kaffeekochen. Im Schlaf. Am Schreibtisch. Was man beim Aufräumen fand, soll man eigentlich ignorieren. Es ist vorbei und weist in falsche Richtungen. Ich habe immer wieder solch volkstümliche Erkenntnisse. Meistens zu spät. Ich habe es nicht ignoriert. Das Blatt mit ihrer Schrift. Nun wohne ich erneut hier, weil ich den Zettel fand. Ich weiß noch den Anfang des Buches, an dem ich damals schrieb. Der liegt im Kopf, eine eingeschobene Diskette. Das Buch über Sophie.
Ein Boot, sagte ich damals, hat Zeit alle Richtungen zu erfahren. Ich hielt mich für ein romantisches Boot, das sich gefahrlos treiben lassen konnte. Eine Täuschung. Ich war nicht einmal zwanzig. Nun liege ich schon Jahre im Wasser und setze Tang an. Ich will mich nicht beklagen, aber Sophie hat mir die größten Irritationen beschert. Lebenslang, behaupten sogar ein paar Freunde. So weit will ich nicht gehen. Sophie war eines Tages einfach da, wie eine gnadenlose Begabung.
Der blaue Zettel, in der Mitte abgerissen, harrt auf der Fensterbank. Da, wo sie ihn damals hinterließ:
Wenn du dies liest, bin ich tot. Versuche nicht, mich zu finden! Ich bin tot, verstehst du? Tot. Sophie
Ein verdammt starkes Stück. Sophie, die mich kannte, meine Wolken, meine Erde. Einfach weg. Die alles von mir wusste, weil ich es so wollte. Ich war seit Jahren darüber hinweg. Ich war nie darüber weg. Im Radio läuft September Morning. Das wird der Lage gerecht. Sophie, ich vermisse dich. Du fehlst mir. Tu me manques. Doch würde sie sich überhaupt an mich erinnern?
Über den Zinkdächern brauen sich ganze Waschküchen zusammen. Und Sophie ist überall. Auf dem Flur, wie sie gerade diese hartnäckige Locke mit der linken Hand wegschiebt. Sie kommt von der Toilette, hält ihren rechten Arm schräg, ein Dreieck vor der Brust. Sie erzeugt stilles Fieber in mir. Immer noch. Und es sind doch nur noch die Bilder.
Regen zuckt in der Dunkelheit als Geräusch. Ich stehe am Fenster. Die Lampe ist gelöscht. Auf Metallteilen der Schreibmaschine fängt sich dünnes Licht. Die Schnappschlösser meines Koffers gehen leicht. Ich wundere mich immer wieder, dass Dinge, die für etwas ganz Bestimmtes vorgesehen sind, auch tatsächlich funktionieren. Die Fassaden, ganz nah im Regen, kolorieren sich schrittweise zurück ins Früher. Das Regenrohr zerrt im Wind. Es hat sich nichts geändert, es hängt noch immer am gleichen Draht. Vorgestern noch lebte ich im Sechsten Bezirk. Nicht so weit von hier. In einem ganz ähnlichen Zimmer. Zwei Jahre, bis ich den Zettel fand.
Ich nehme den Hörer im Flur. Es ist aussichtslos. Das Freizeichen aus einem anderen Jahrzehnt. Meine Hand zittert einfach so. Dieser Ton radiert an Vorbehalten, je länger es dauert. Mein Gott, warum dauert es so lange?
Sophie ist nicht tot. Ich werde das beweisen.
C ’est vous alors! Sie also!
Oui, c’est moi. Ja, ich.
Je me souviens. Oui, je me souviens! Ja, ich erinnere mich.
Ist sie da?
Aber Monsieur, Sie wissen doch ... geben Sie es endlich auf!
Madame Bourret, ihr Name wird schon nicht fallen! Ich will nur wissen ...
Voyez vous ... Sehen Sie, sie ist tot, Monsieur, c’est tout. Das ist alles was ich weiß..
Es ist einer dieser schweren Bakelit-Hörer, der in gierige Gabeln fällt. Das Material verursacht ein besonderes Geräusch, das heute nur noch sehr selten vorkommt. Das ich aber dem Handylärm vorziehe, den ich zu verdrängen gelernt habe. Mein Leben soll ohne Handys verlaufen, wenigstens in meiner Vorstellung. Sophie hatte kein Handy. Sie wollte niemals verfolgt oder gefunden werden.
Ich höre den Straßenlärm, zerbröselt auf Zinkdächern. Morgen werden die grauen Salbenfassaden wie mit Bartspuren bedeckt sein. Ich werde gehen, mich durchdringen lassen. Häuser werden kreidig in mir zerfließen. Gestalten als Tröpfchen in mir hängen bleiben und kristallisieren. Meine innere Landschaft ist graugrün. Von irgendwo kommen dumpfe Morsegeräusche, wie von befahrenen Schienen.
Ich hatte ihr geschrieben, aber alle Briefe waren zurückgekommen. Einer mit Trauerrand. Handgezeichnet. Typisch Sophie. Schreiben ist Gift, sagte ich mir. Und unverlangte Liebe ist ebenfalls Gift. Man weiß zwar wann es in den Körper gelangt ist, aber nicht, wie und wie lange es wirkt. Man fühlt nur, man kann es nicht loswerden. Ein sich selbst nachfüllendes Gift.
Ihre Hand schiebt die schwarze Locke weg. Sophies Hand. Ein Fensterflügel wirft grelles Licht über ihr glänzendes Haar. Eine Wolke schiebt sich ins Bild. Versilbert. Ich wünsche mir, Sophie wäre ein heilendes Tuch, das ich über mich ziehen kann. Wenn ich vor ihrem jeweiligen Haus stand, hatte ich Zweifel, mich wirklich dort zu befinden. Sie hat mich gründlich verschreckt.
In der Klarsichthülle, zwischen alten Ausweisen, habe ich den fatalen, blauen Zettel gefunden. Ihre Schrift darauf ist schon abwesend, als sei ich in ihrem Kopf bereits tot gewesen. Aber wir sind nicht tot. Weder sie noch ich. Ihr Körper brennt. In der Laterne gegenüber keucht Licht.
Der Regen hört auf. Typischer Pariser Regen. Kurz, heftig, unberechenbar, obwohl zuvor für die Ewigkeit. Da oben muss eine Frau sitzen. Auch Dauerregen ist typisch. Alles ist typisch. Außer Sophie. Autokolonnen kriechen umher, bunte Fäden ziehend, die Schleimspuren ähneln. Farbig, silbrig. Meine Spur wird kaum jemanden vom Stuhl reißen. Aber sie wird für zwei Personen unvermeidlich sein. Für Sophie Langret. Und für mich.
An der Gare du Nord kaufe ich ein baguette jambon/fromage. Fühle mich als stehendes Wasser, das schon der kleinste Stein beunruhigen kann. Sie hat zuletzt in der Rue Dunkerque gewohnt. Aber da wohnt sie schon lange nicht mehr. Sie hat an vielen Orten gewohnt. Ich bilde mir ein, sie sei vielleicht in ihr letztes Zimmer zurückgekehrt. Das letzte, bevor sie mit mir vier kurze, lange Monate im Hôtel Janus verbracht hat. Ich hatte es schließlich entdeckt.
Sie hat mir gedroht, sie hat mich umgarnt, sie hat mich ausgehöhlt und verzuckert. War es nicht doch auch vielleicht eine harmonische, ausufernde Liebe? All die Orte, an die sie mich bestellt hat, sind untergegangen. Ich will mich nicht unbedingt erinnern. Nur dieser unverschämte Schmerz ist nicht untergegangen. Er ist ein rostender Nagel in meinem Knie. Bei jeder Bewegung ist die Hölle los. Wie soll ich da übersetzen?
Rue Dunkerque. Durch den Hofgang. Die Fassaden, Kohlestriche auf Leinen, verwischt mit dünnem Fixativ. Zusammengerottete Mülleimer. Im vierten Stock brennt Licht. Natürlich. In solchen Zimmern brennt immer Licht. Man hat mir verboten hierher zu kommen. Die Holzstiege, mit faulenden Brettern überdacht, ist vollgesogen mit Wasser. Eine Hand schließt den roten Vorhang ihres Zimmers. An den Türen lauter unbekannte Namen. Über den Dächern thront ein wässeriger Lichtdom von der nahen Gare du Nord. Schnelle Schritte an der Öffnung des abgerundeten Durchgangs zur Straße. Die Tür. Das Zimmer.
Oui, monsieur?
Ach, Entschuldigung! Ich wollte nur einmal das Zimmer meiner früheren Freundin sehen!
Drei schüchterne Polen beim Abendessen. Die Frau gibt mit dem Schöpflöffel Suppe aus. Sie müssen denken, dass ich verrückt bin. Der Mann hat die Ellenbogen auf der Tischkante und reißt mit den Zähnen am Brot. Er macht eine Handbewegung:
Sehen Sie sich ruhig um!
Ein Mädchen, etwa neun, starrt mich an, als sei ich eine Comicfigur. Zwei Zimmer. Das zweite sehr klein. Die gleiche Tapete. Am Waschbecken noch immer der schiefsitzende Chromhaken.
Wollen Sie eine Suppe?
Warum eigentlich nicht.
Hier, und etwas Brot!
Wissen Sie, hier lebte meine Freundin.
Und wo ist sie jetzt?
Sie soll tot sein. Aber ich glaube das nicht.
Die Augen der Frau füllen sich mit Tränen. Das Kind stiert in die Suppe. Der Mann legt das Brot weg, wird mich später in den Arm nehmen und zur Tür bringen.
Hier stand ihr Bett! Und hier hat sie gearbeitet, genau hier, unter dem Fenster, sage ich leise.
Und wie hieß sie?
Sophie, Sophie Langret.
Unsere Tochter hier heißt auch Sophie, Sofia eigentlich. Sie ist gut in der Schule. Oh, Entschuldigung.
Ich nehme die Métro an der Gare du Nord. Knappe Viertelstunde bis zur Station Luxembourg. Der Zug kommt schlangenartig aus der traurigen Röhre. Es erscheint mir irrwitzig und gerecht, dass ein kleines Mädchen aus Polen Sophies Namen in diesem Zimmer am Leben erhält.
Melun. Der Zug gleitet langsam, vorsichtig, als versuche er einen schmerzlosen Einstich. Hinter mir gähnen braune Kunstledersitze. Auf einem türmt sich wortreiches Chaos. Die Ton- und Geruchsspur des Ortes. Ich kenne diese langweilige Stadt. Im Strom der Menge ist mein Herzschlag nicht vorhanden. Ich hänge am Tropf der Masse. Ich kann das Haus zu Fuß erreichen. Alles löschen, den Kopf frei machen.
Vor mir, auf dem Bahnsteig, stellt eine schmale Frau mit Pagenkopf die schwarze Tasche hin. Jung, gemessen. Grauer Mantel, Kimonoschnitt. Die stufenlose Frisur rutscht nach vorn. Die Hand, blassrosa, ohne Ringe, findet Zigaretten. Doch niemand ist wie Sophie.
Ich komme wegen Sophie. Ich habe immer noch die romaneske Vorstellung von der Auffindung einer Frau. Sie muss einfach auftauchen, wie damals an der Métrostation Vavin. Ein Taxi stinkt mit ständig laufendem Motor. Hinter meiner Stirn ist alles nur blank. Die etwas abfallende Straße, gesäumt von stämmigen Platanen und dichten Kronen, flirrend vor provinzieller, endgültiger Stille, erreiche ich nach zehn Minuten. Das Haus, schäbig, abweisend, kleinbürgerlich, steht offen.
A vendre. Zu verkaufen.
Ein massiver Stützbalken markiert die Mitte der Diele. Noch immer klebt das gravierte Schild, A. Langret, an der Tür.
Wollen Sie es kaufen?
Du lieber Gott!
Eine Frau in blau gestreifter Schürze, einen Rechen in der Hand, nimmt sich nebenan den hellen Kies vor.
Ich wollte zu den Langrets.
In den Süden gezogen. Das Haus taugt nichts.
Und Sophie?
Wurde hier nie wieder gesehen.
Wo kann ich sie finden?
Glaube kaum, dass Sie sie finden können!
Wieso?
Kannten Sie sie?
Wir waren in einem Kurs.
Sophie soll tot sein. Sagen ihre Eltern. Haben nie mehr von ihr gesprochen. Sagten schon vorher immer: unsere Tochter ist für uns gestorben.
Hat sie Geschwister?
Ja, irgendwo..
Und die Langrets? Haben Sie eine Adresse?
Madame Langrets Mutter stammt ja aus Pau. Mehr weiß ich auch nicht.
Danke Madame, au revoir!
Au revoir monsieur, et bonne chance.
Pau. Mein Gott. Basses-Pyrénées. Ein Tag hin, ein Tag zurück. Übernachten. Das wird ein teures Vergnügen. Anrufen hätte keinen Zweck. Sie würden mir gar nicht erst zuhören. Seltsame Einsamkeit kommt auf.
Die schwarze Nylontasche knistert. Ich sitze schon im Zug. Die satte Ebene, der blaugrüne Morgen mit Dunst. Altgewordenes Rapsgelb. Violette Erde, fett im Vordergrund. Eine Mutter geht heftig im Mittelgang, schiebt das Kind unwirsch. Eine ältere Frau kramt manisch nach Fahrkarten. Sie redet schnell und uneinholbar. Die Sprache des Alten neben ihr zockelt verdrossen nach. Auf einer Mauer steht mit weißem Kalk: Societé anonyme. Kühe an einer Tränke, Anbauten, kleinkarierte Dächer. Ein Quellenbetrieb in Agonie. Ich schlafe den halben Weg. Die Bilder rasen vorbei und zerfallen.
Nach endlosen Stunden schließlich Pau. Das Haus der Schwester. Sie stand im Telefonbuch. Ich komme gerade zum Ende einer Trauerfeier. Kann mit niemandem sprechen. Nachbarn erklären tonlos, die Langrets habe man umgebracht. Nachts. Einfach so. Hätten ja erst einen Monat hier gelebt. Einfach schrecklich. Keine Spuren, nichts. Was für ein Schicksal! Alles tippt auf die Tochter. Aber die soll ebenfalls tot sein!
Sie ist untergetaucht. Ihre Spezialität. Wenn sie es wirklich war, kann sie nur in Paris abtauchen. Ohnehin kann sie nur dort leben. Als Bäuerin in der Auvergne kann man sie sich nicht vorstellen. Und tot auch nicht.
Ich werde bei Claude vorbeigehen. Er wohnt in der Nähe der Station Anvers. Er hat sie gekannt, hat mich vor ihr gewarnt. Spielhallen, dunkle Gesichter am Boulevard Rochechouart. Warum habe ich mich nicht bei ihm gemeldet, als ich Sophies letztes Zimmer besuchte? Er wohnt ziemlich nah. Jetzt muss ich die ganze Stadt durchqueren. Aber ich bin viele Wege umsonst gegangen, und Claude habe ich ewig nicht gesehen. Natürlich ist er nicht da. Die Brücken sind schuld, die zwischen Feier- und Sonntagen gebaut werden. Berühmte Bauwerke in Frankreich. Im Fernsehen läuft später die Aktion drapeau blanc ... Der Bildschirm geht nie aus beim Patron. Am Ende des langen, dunklen Flures schwimmt die Glastür in bläulichem Licht.
Das erste was ich tue, ist das Fenster zu öffnen. Es reicht bis zum Boden. Zwei Flügel, drei Mal unterteilt. Dahinter Stäbe, die fast die Brust berühren und einen unbegehbaren winzigen Balkon andeuten. Ein Streifen Zink, der bei Regen ganz aussichtslos glänzt. Die Wände gegenüber sind hundert Mal gewendetes Mehl. Ich liebe diese Aussicht, besonders bevor ich mich ans Übersetzen mache. Es gibt noch zwei Aufträge, die Kasse ist ansonsten leer. Man wird sehen, was die nächsten Tage bringen.
Ich arbeite bis spät in die Nacht und komme vor 10:00 Uhr nicht hoch. Es zieht mich zur Métro. Ich frühstücke nicht einmal. Place Clichy. Sonne lackt die oberen Stockwerke der Rue Batignolles. Abluft von Kohleöfen, halb entkleidete Klänge. Die Stadt ist noch vorfeiertagsleer. Kleine Finsternisse fallen hinter Hausecken. Ich bin ein Tier, das die Spur aufnimmt. Ich hatte immer wieder Phasen, in denen ich Sophie in dieser Stadt erfühlte. Ihren Gang, ihren Duft. Und immer traf ich auf eine Faser von ihr. Ich spürte ihre aufgeworfenen Lippen, die Art, wie sie den Kopf zur Seite warf und alles Gewesene auslöschte. Sie wird in einigen Monaten vierundzwanzig sein.
Trotzdem. Was will ich ausgerechnet hier? Ich sollte mich um Aufträge kümmern. Noch vor den ersten konkreten Gedanken daran fühle ich die magische Zone. Es erfasst mich, sammelt sich in den Knien. Ein Stück tiefer in der Rue des Dames wird mir flau in der Magengegend. Plötzlich Himmel und Menschen. Sie muss es sein. Sie trägt eine altweiße Tüte mit blauer Schrift. Mein Hals schnürt sich zu, wie viel Zwerchfell hat der Mensch? Sie verlässt das gelbliche Restaurant des Cyprès. Ich renne. Sie verschwindet im Au Jardin des Dames, wo Obst und Gemüse leuchtend nisten. Schon früher konnte ich einer fremden Frau unbedenklich folgen, straßenweit und ohne Aussicht. Aber diese Frau ist keine fremde Frau. Zwischen uns zwanzig Meter und links schiebende Autos. Beinahe renne ich in eine Blinde mit Hund. Ich streife das blaue Straßenschild der Rue Truffaut. Ja, es ist verdammt wie im Film. Sie kommt gerade heraus. Wagen aus der Provinz fallen ein, schon Stoßstange an Stoßstange. Sie geht leicht, heiteres Licht auf den oberen Wangen. Sie wird mich nicht vermissen, so wie sie aussieht.
Ich streife eine Auslage. Etwas verrutscht. Erhobene Hände. Nur nicht aufhalten. Muscheln, glänzende Krebse, exotische Früchte. Fleisch auf weißem Marmor. Sie betritt die Laverie Clichy. Die Wäscherei. Noch immer zwanzig Meter. Ich stehe zwischen hupendem Blech. Sie kommt nicht zurück, betritt weiter unten plötzlich erneut das Geschäft Au Jardin des Dames. Ich drehe um. Wie ist sie dahin gekommen? Sie ist ein Phänomen. Sophie! Sie muss es sein! Endlich. Atemlos greife ich in die Orangenpyramide. Doch der Laden ist leer. Ein Mann und eine Frau mit ahnungslosen Kisten im Arm.
Sie wünschen?
Ich gehe. Kein Hinterausgang. Auch die Laverie Clichy ist leer. Nur ein stattliches Haus gibt es hier. Die Nummer 30. Da könnte sie wohnen. So, wie sie sich jetzt kleidet. Mit dem Rücken zur Wand nehme ich den Faden der Stadt auf. Einen Faden ihres Rockes, den Faden meines Lebens. Der Mann der Concierge schaut betreten, hängt im Parterre mit billiger Zigarre. Cimitière Montmartre. Rue Ganneron, Kaminrohre wie gekreuzte Finger, pinkelnde Hunde, die Rue Joseph de Maistre. Sophie tuckert und klopft in mir, eine schlecht versorgte Wunde. Sophie, verdammt. Gare du Nord. Die Métro bis Luxembourg.
Die Post in der Rue Cujas dämmert schmuddelig. Ich rufe von dort einen Verlag an. Ein weiterer Auftrag. Vor einem Institut stehen Gruppen junger Leute, rauchend, in weißen Kitteln. Einige haben belegte Baguettes. In der Rue Victor Cousin läuft, man glaubt es kaum, Letztes Jahr in Marienbad, als sei nichts gewesen.
Am Abend, um 20:45 Uhr, bringt das Fernsehen den Film La confusion des sentiments, Die Verwirrung der Gefühle, nach Stefan Zweig. Doch ich habe keine Lust beim Patron zu sitzen, den Hund zu kraulen. Stattdessen starre ich auf den Zettel, der in einem weißen, kleinen Umschlag in meinem Postfach liegt:
Du machst einen Fehler! Einen großen! Morgen Abend sehe ich Dich am Kino Odéon. 20:00 Uhr. Sophie
Ich weiß nicht, wie ich danach überhaupt geschlafen habe. Gegen fünf Uhr früh höre ich Rumoren im Hof. Mülleimer werden bewegt. Die hohe Schlucht scheppert. In einem Kasten wird mit Akribie gekramt. Ich gehe zum Lokus. Da zu sitzen scheint mir die Liquidation der Welt. Ganz ähnlich habe ich mich in einem leeren Restaurant gefühlt, das nach Gästen hungerte. Neulich. Im Zimmer lauern kaum Farben.
Ich habe etwas zu verteidigen. Meine schmale Habe. Meine Übersetzungen, von denen ich leben muss. Sophie ist das Chaos. Der Faden ihrer leichten, wippenden Röcke wickelt mich ein. Das Chaotische bedroht alles Sichtbare, alles Geschaffene. Fatal nur, dass das Chaotische alles Sichtbare erst richtig sichtbar macht.
Ich sollte mit dem Übersetzen anfangen. Stattdessen schaue ich in den Métroplan. Ich fahre bis Denfert-Rocherau und von da bis Kléber. Frage mich einer warum! Ich muss einfach. In der unauffälligen Rue du Belloy warte ich vor einem Hotel aus dem niemand kommt, rutsche ab in die Rue Mac-Mahon, zurück in die Avenue Marceau, ein Stück die Rue de Bassano, die Champs hinunter, die Avenue Churchill.
Ein Wagen schneidet das Ende des Gehsteigs ab, schleudert Wasser hoch, bremst. Eine junge, bildhübsche Frau mit Sonnenbrille lacht sprudelnd, zeigt aus dem Wageninneren auf den Fleck. Dann gibt der Fahrer Gas. Fatale Ähnlichkeit! Sophie!
Auf dem Pont Alexandre, der Nebel grau und dicht, ein junges, amerikanisches Paar mit Rucksäcken. Mit wahren Kunststücken versucht der junge Mann immer wieder den lachenden Mund des Mädchens zu erreichen. Unter dem krähenden Reliefhahn, grünlich oxidiert auf einem der Lampenfüße, rutschen beide lachend in ihr weiches Gepäck.
Es ist warm und grau und keine Sicht. Quai Conti. Hinüber in die Rue de l‘Ancienne-Comédie. Ich werde unruhig. Der Geruch der Rue Monsieur-le-Prince tränkt den inneren Takt. Das ist nicht günstig. Jetzt stehe ich vor Sophies Haus. Hier hat sie länger gewohnt. Das Haus mit dem Frauenkopf im Fries. Diese Köpfe scheinen nur belletristischen Frauen gehören zu können. Am Eingang, fast hämisch, die Tastatur. Kein Knopf, kein Aufspringen der Tür. Keine Concierge. Zahlen wie bei Telefonen. Ein uneinnehmbares Haus.
Das Fenster oben ist verschleiert. Ich kann hier nicht bleiben. Ich kann ihren Leib nicht vergessen, ihre Unverschämtheiten, dieses gurrende Stöhnen, wenn ich sie liebte. Sie hatte kleine bienenwachsfarbene Brüste. Im Jardin du Luxembourg ist es warm. Ich habe Äpfel gekauft in einem Laden der oberen Rue Monsieur-le-Prince. Vier ganz ähnliche exotische junge Männer wogen ab, redeten, lachten, als sei kein Kunde zu sehen. Ihre Heiterkeit ging über alle und alles hinweg. Unterhalb des Denkmals mit Flauberts Kopf bleibe ich sitzen. Vor mir zwei Mädchen aus Deutschland, die in ihren linierten Heften Hausaufgaben für die Alliance Française erledigen.
Hôtel Janus. Mein Zimmer ist eine dunkle Kamera, in deren heller kleiner Fensteröffnung das Leben eingefangen wird. Ich schiebe die Wörterbücher beiseite. Den schweren Larousse. Das Heft mit der angefangenen Übersetzung liegt offen neben dem blauen Campingkocher. Die Fensterflügel sind geöffnet. Der nächste Satz müsste lauten: In der übernächtigten Straße, mit milchig verworrenen Fassaden, fand er das Haus nicht sofort. – Stattdessen schreibe ich Sophie, Sophie. Sophie ...
Belletristische Texte sind mir die liebsten. Allerdings haben sie die Eigenschaft, mich hineinzuziehen und abzulenken, oder besser, ich habe die Eigenschaft, mich verführen zu lassen. Sie fallen mir einerseits leichter, andererseits brauche ich länger. Sophie hat mein ganzes Leben verzögert.
Mittags gehe ich in den Park. Noch immer sitzt da die ältere Frau bei grellem Segeltuch-Gepäck, mit dem Rücken zu den Vorübergehenden. Gebückt, ausgebleicht, still über einem Telefonbuch, das sie vielleicht nach Anlaufadressen für Gestrandete durchsieht. Unterhalb des Denkmals für George Sand liegt ein greller Fleck Sonne. Eine Taube im verzweifelten Wettflug mit einem Spatzen. Sie bilden längere Zeit eine für unmöglich gehaltene Harmonie.
Im Petit-Latin esse ich einen Salat mit Thunfisch und denke über das zerstörende und heilsame Wesen des Chaos nach. Eine Frau mit Kopftuch isst neben einem Mann mit schwarzen Locken und Schnäuzer nur dann, wenn er eine Gabel genommen hat. Ich fixiere sie und kann nicht glauben, dass sie aus vollem Herzen wie ein Hund hinter ihm herlaufen wird, in jeder Hand zwei Tüten, während er nichts als eine Gebetskette bewegt. In ihren Augen habe ich einen Traum gesehen. Schrecklich zu glauben, dass er sich nie erfüllen wird.
Spontan entschließe ich mich, in der Post der Rue Cujas die zentrale Polizeipräfektur im vierten Bezirk anzurufen. Ich hasse diese überlegene Kühle, mit der man oui monsieur sagt.
Ich möchte etwas zum Fall Langret aussagen!
Warten Sie! Ich verbinde.
Oui monsieur?
Ich möchte zum Fall Langret aussagen.
Warten Sie! ... Hören Sie, wir haben hier keinen Fall Langret!
Ich meine den Fall Sophie Langret!
Wir haben auch keinen Fall Sophie Langret.
Und was ist mit der Provinz?
Dann rufen Sie dort an!
Wird sie denn nicht gesucht?
Es gibt keinen Fall Langret, monsieur, au revoir.
Ich berühre mein Manuskript fast liebevoll. Ein belletristischer Text, den ich aus dem Deutschen übersetze. Ein seltener Fall. Eine unglaubliche Sprache, in der man nach Legoprinzip ständig Neues schaffen kann. Da entstehen Worte, die man nicht für möglich hält. So etwas wie Nachtschattenfassadenlicht. Einfach unglaublich.
Genauso unglaublich ist es, dass Sophie gar kein Fall sein soll. Ich tröste mich mit dem Manuskript, dessen Einband eine sensible Narbung hat. Fast wie Haut. Aber die Haut Sophies!
Wild, vorwurfsvoll, aufsaugend, lammzart, und doch rau wie der Sand der Camargue. Das Manuskript fühlt sich wenigstens an, als sei es ein warmer Körper.
Über der Place Edmond Rostand liegt Ungehaltenheit. Es ist, als seien viele auf der Flucht. Unaufhörlich.
Die Welt, in der Sophie jetzt lebt, scheint von einer vibrierenden Holzwand umgeben, die alles übersteigert weitergibt. Ich bin ein Anwärter auf dieses Leben, noch immer, lege mein Ohr an, höre. Ich brauchte nur eine kleine Landzunge in ihr Leben hineinzubauen, um sie zu erreichen, die mit ihrem Duft immer wieder irgendwo auftaucht und versinkt.
Noch einmal die Post in der Rue Cujas. Man kann da kaum atmen. Die Präfektur von Pau. Schweigen am anderen Ende.
Von wo rufen Sie an?
Aus Paris.
Es gibt hier keinen Fall Langret!
Auch keinen Fall Sophie Langret?
Nein, Monsieur, es gibt höchstens einen Fall Chereau ... Sophie Chereau.
Wieso Chereau?
So hieß ihre Mutter. Langret war ihr Stiefvater. So hat sie sich manchmal genannt. Haben Sie etwas mitzuteilen, Monsieur? Monsieur!
Seit dem Telefonat umrunde ich das Panthéon. Der Platz ist riesig und es wird nicht langweilig. Der Vorteil ist, mein Zimmer befindet sich um die Ecke. Ich gehe noch einmal ins Petit-Latin. Omelette, Bier, Salat. Viel zu viel Brot. Der feiste Sohn des Inhabers verbringt seine Kindheit mit Micky-Maus und Pommes frites. Draußen bewegt sich tatsächlich das viereckige Bild des Türausschnitts. Autos, Menschen, Mischlicht und Regen. Der Blumenladen, das Chinarestaurant. Es ist, als sitze ich hier bereits Jahre. Die Röcke werden kürzer, werden länger. Frisuren ändern sich, die Schuhmode. Ein säuerlich riechender Hinterhof ist urplötzlich renoviert, bleierner Glanz auf einer fernen Treppe.
Mir stößt Sophie auf. Verdammt noch mal, wieso heißt sie Chereau und ich weiß nichts davon? Sie ist ein Parfüm, das man todsicher erkennt, und dann stimmt nicht einmal der Name. Kurz vorm Hotel falle ich über zwei sich merkwürdig überlappende Gebäude, in denen Dinge unentdeckt bleiben könnten.
Das Telefonbuch ist voller Chereaus. Keine Sophie. Aber sie ist in dieser Stadt. Da bin ich sicher. Den blauen, in der Mitte abgerissenen Zettel lege ich in den Kasten meines Rasierers:
Wenn du dies liest, bin ich tot. Versuche nicht, mich zu finden! Ich bin tot, verstehst du? Tot. Sophie
Hinzu kommt die neue Nachricht: Du machst einen Fehler! Morgen Abend am Kino Odéon. 20:00 Uhr. Sophie
Sie lebt. Ich habe sie gesehen. In veränderten Lebensumständen. In der Rue des Dames.
Auf einen dritten Zettel schließlich schreibe ich ihren richtigen Namen: Sophie Chereau.