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Mitten im Fünften Kreuzzug traf sich Franziskus 1219 in Ägypten mit dem islamischen Oberherrscher, Sultan al-Kāmil. Diese Friedensmission blieb zwar politisch erfolglos, ging aber als prophetisches Zeichen in die Geschichte ein. Eine ihrer späten Früchte sind die großen Friedensgebete der Welt- und Naturreligionen, die sich seit 1986 in Assisi treffen, um für eine friedlichere, menschlichere und gerechtere Welt einzustehen. Niklaus Kuster zeichnet nach, wie sich die Horizonte des jungen Franziskus schrittweise weiteten, bis er nach seinen Erfahrungen mit dem Islam Rundbriefe an die Menschheit richtete. Heilige Texte der Weltreligionen stützen jene Mystiker, die von Geschwisterlichkeit ohne Grenzen sprechen. Abschließend werden "Zehn franziskanische Optionen" genannt, die den eigenen Umgang mit Menschen anderer Religionen inspirieren. Diese können als Geschwister entdeckt, freundschaftlich gewonnen und auch Gefährten in der zunehmend säkularen Welt werden.
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Seitenzahl: 82
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Niklaus Kuster
Spiegel des Lichts
Franz von Assisi – Prophetder Weltreligionen
Franziskanische Akzente
herausgegeben von Mirjam Schambeck sfund Helmut Schlegel ofm
Band 22
NIKLAUS KUSTER
Spiegel des Lichts
FRANZ VON ASSISI –
PROPHET DER WELTRELIGIONEN
echter
Herzlicher Dank geht an Eva Laux für die sorgfältige Zuarbeit bei den Korrekturen sowie an die Provinz Sankt Elisabeth der Franziskaner-Minoriten, OFMConv in Deutschland für die finanzielle Unterstützung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2019
© 2019 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter.de
Umschlag: wunderlichundweigand.de
(Umschlagfoto: Friedenszeichen der Weltreligionen [2007], Haus der Stille, Heiligenkreuz am Waasen, bei Graz, Foto: Niklaus Kuster)Satz: Crossmediabureau – http://xmediabureau.deE-Book-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund, www.readbox.net
ISBN
978-3-429-05428-1
978-3-429-05055-9 (PDF)
978-3-429-06457-0 (ePub)
Inhalt
Einstieg: Lichtwege
1. Religionen – „Spiegel des Lichts“
Friedenszeichen der Religionen in Stein
Erstes Friedensgebet der Religionen in Assisi
Weitere Assisi-Treffen im Zeichen des Terrors
Zehn Gebote der Religionen für den Frieden
Katholische Leadership im interreligiösen Dialog
2. Franziskus – Prophet der Weltreligionen
Enge Grenzen und weite Horizonte
Befremdendes und Entfremdung
Grenzüberschreitungen zu neuer Freiheit
Fremde werden einander Geschwister
Pilgernd in der Kirche
Weltweite Friedenssendung
Begegnung mit dem Sultan in Ägypten
Gottesliebe in allen Religionen
Immun gegen religiöse Aggression
Statt „heilige Kriege“ – friedliches Zusammenleben
Was Franziskus vom Islam lernt
Verbündete: Papst Franziskus und der Großimam von Kairo
3. Heilige Texte – Universale Weite
Schöpfung und Weisheit im Judentum
Universale Weite im Christentum
Ein Gott und drei Religionen im Islam
Geschwister und ein einziger Vater im Hinduismus
Von der Weisheit der 99 Namen
4. Geschwister – Freundinnen – Gefährten
Vom statischen Friedenszeichen
… zu dynamischen Beziehungen
Gefährtenschaft zwischen Religionen
Gemeinsam vor Gott und für die Welt
Llulls „Buch der drei Weisen“
5. Interreligiöse Begegnung: Franziskanische Optionen
Nachklang: Pilgerwege
Anmerkungen
Zum Weiterlesen
Abkürzungsverzeichnis
Einstieg: Lichtwege
Klara von Assisi ermutigt ihre Schwestern am Ende ihres Weges, die gemeinsame Sendung beherzt weiterzutragen. Im Rückblick auf ihr Leben fasst sie diese in ein sprechendes Bild: Spiegel des Lichtes sein.1 Die heilige Schwester drückt damit aus, was Mystikerinnen und Gottesfreunde in verschiedenen Religionen ähnlich erleben: Echte Gotteserfahrung führt ins Licht und auf Wege des Lichts. Mit Blick auf die Geburt Jesu sagt das Lukasevangelium, Gottes Liebe lasse Licht aufstrahlen aus der Höhe, das allen leuchtet, „die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes“, und es werde die Schritte der Menschen auf den Weg des Friedens lenken (Lk 1,78–79). Wer im Licht Gottes lebt, kann zum Spiegel des Lichtes werden – in dieser Welt und für andere Menschen.
Echte Religion führt auf lichtvolle Wege und es geht ihr um Shalom – Salam – Pax: um Friede auf Erden. Im Herbst 1986 trafen sich alle Weltreligionen und großen Kirchen erstmals in Assisi, um gemeinsam für den Frieden der Welt zu beten. Nicht zufällig wählte der einladende Vertreter der größten Weltreligion, Papst Johannes Paul II., als Versammlungsort das umbrische Städtchen aus: Franziskus inspiriere als Mystiker und Bruder zu diesem gemeinsamen Beten. Tatsächlich drücken Rundbriefe des Heiligen eine weltweite Hoffnung für „alle Menschen, wo auch immer auf Erden“ (NbR 23, FQ 91) aus. Seine staunende Erfahrung, dass es Gottesliebe in anderen Religionen gibt, fließt auch in die Ordensregel der Franziskaner ein: Sie ermutigt dazu, sich mit Menschen anderen Glaubens vertraut zu machen.
Vier Jahre nach dem ersten Friedenstreffen der Weltreligionen und Kirchen in Assisi prägte Hans Küng das Motto Frieden unter den Nationen durch Frieden unter den Religionen.2 Drei weitere große Assisi-Treffen zeigen eindrücklich, welch kraftvolle Zeichen das Zusammenwirken aller Religionen setzen kann. Die Versammelten beteten jeweils erneut in prominenten Delegationen der Welt- und Naturreligionen mit ihren verschiedenen Konfessionen. Zum zweiten Friedensgebet lud 2002 Johannes Paul II. nach dem Terroranschlag von New York. 2011 war es Benedikt XVI. anlässlich des 25. Jahrestags des prophetischen ersten Friedensgebetes. 2016 versammelten sich die Religionen nach einem schrecklichen Terrorsommer in Europa und verurteilten jede Form von Gewalt im Namen Gottes. Im Februar 2018 schließlich setzte Franziskus, der Bischof von Rom, ein weiteres kraftvolles Zeichen: In Erinnerung an die prophetische Begegnung zwischen seinem Vorbild aus Assisi und dem Sultan von Ägypten vor 800 Jahren traf er die höchste Lehrautorität der islamischen Welt, Großimam Al-Tayyeb von Kairo, auf der arabischen Halbinsel und unterzeichnete mit ihm eine historische „Erklärung über die Geschwisterlichkeit aller Menschen“. Sie ruft die Religionen leidenschaftlich dazu auf, gemeinsam an einer gerechteren, menschlicheren und gewaltlosen Welt zu arbeiten.
Religionen können miteinander für den Frieden unter den Nationen einstehen. Sie können gemeinsam der ganzen Menschheit dienen. Religionskriege in der Geschichte und religiös motivierter Terror in der Gegenwart zeigen jedoch auch das Gegenteil. Religiosität kann intolerant sein und das Heil für sich allein pachten. Religiöser Fanatismus spaltet und hetzt auf, schürt Aggression und verbreitet Hass, grenzt Menschen aus und schreckt nicht vor Gewalt zurück. Atheisten fordern daher eine Welt ohne Religionen und zeigen sich überzeugt, dass eine areligiöse Menschheit friedlicher würde. Auch da warnt die Geschichte vor Illusionen. Die größten Katastrophen der Weltgeschichte wurden durch atheistische Systeme verursacht: Nationalsozialismus, Stalinismus und Maoismus suchten Religion auszumerzen und ihren Traum einer neuen Welt mit Gewalt durchzusetzen. In wenigen Jahren verursachten diese Ideologien, wie eine Ersatzreligion verkündet, gefeiert und verbreitet, Millionen von Toten. Und erinnern gewisse Atheisten, die Religionen vehement bekämpfen, nicht auch heute mit geistiger Militanz an Kreuzritter und andere „heilige Krieger“?
Dieser Band in der Reihe Franziskanische Akzente führt mehrfach nach Assisi: Es folgt den Spuren des Kleinbürgers Franziskus, dessen Horizonte sich schrittweise erweiterten, bis er die ganze Menschheit als eine einzige Familie sehen lernte. Die Wege des Poverello führen nach Ägypten, wo Franziskus beherzt in einen Religionskrieg eingriff und dabei über die religiöse Weisheit und die Alltagsspiritualität staunte, die er im Islam antraf. Genau 800 Jahre sind es im Herbst 2019 seit der prophetischen Begegnung zwischen dem Bruder aus Assisi und Sultan Muhammad al-Kāmil. Franziskaner wurden in der Folge zu Brückenbauern zwischen den Religionen: im Heiligen Land während sieben Jahrhunderten und weltweit auch in Europas Kolonien. Unser Weg führt nach Assisi zurück, das heute „Hauptstadt der Weltreligionen“ genannt wird. Wie kam es zu den großen Friedenstreffen der Religionen in der Stadt des Franziskus? Was ist ihre Botschaft? Welche Impulse gewinnt der interreligiöse Dialog an der Basis der Nationen und Religionen von diesen Gipfeltreffen? Und wie können Glaubende verschiedenster Religionen im Alltag zusammenleben und gemeinsam Spiegel des Lichtes sein?
Während Glaubenswächter aller Art dazu neigen, das Eigene und Unverwechselbare ihrer Religion zu verteidigen, erfahren Mystikerinnen und Mystiker das Verbindende. Heilige Texte aus verschiedenen Religionen bekräftigen die weite Hoffnung, die aus Wegen und Worten beider Franziskus spricht: des Franz von Assisi und des Franziskus von Rom. Auch mystische Perlen drücken ermutigende Gemeinsamkeiten aus. Ausgewählte Beispiele sollen Inspiration für beherzte und lehrreiche Begegnungen wie jene am Nil sein: in der zunehmend multireligiösen Welt von heute.
Pfingsten 2019,
800 Jahre nach Franziskus’ Aufbruch
von Assisi nach Ägypten
Br. Niklaus Kuster
1. Religionen – „Spiegel des Lichts“
Ein Kugelspiegel gibt das Licht der Sonne in viele Richtungen weiter. In einem sanften Bogen stehen schlanke Steinstelen, welche die Symbole der Weltreligionen tragen. Links sind die großen Religionen Asiens markiert, rechts von der Mitte folgen ein jüdischer, ein christlicher und ein islamischer Stein. Die Reihe schließt mit drei Symbolen für unterschiedliche Naturreligionen Afrikas und Amerikas.
Abb. 1. Friedenszeichen der Religionen, von Thomas Resetarits geschaffen und 2007 auf Initiative des Franziskaners Br. Karl Maderner errichtet.
Friedenszeichen der Religionen in Stein
Das eben beschriebene und hier abgebildete Friedenszeichen steht am Zugang zum „Haus der Stille“, das 15 km südlich von Graz in Heiligenkreuz am Waasen liegt. Die klosterähnliche Oase wurde ab 1979 von einer franziskanischen Lebensgemeinschaft geprägt. 20 Jahre war der Initiant Br. Karl Maderner auch der Leiter des Projekts, weitere zwei Jahrzehnte wirkte der österreichische Franziskaner als Seelsorger im neuen Leitungsteam mit. Die innovative und initiative Lebensgemeinschaft hat im Haus und in seinem Umfeld verschiedene Projekte umgesetzt, die auf naturnahe und kunstvolle Weise Spiritualität vermitteln. Im Garten lässt sich seit 1988 ein Sonnengesangweg meditativ begehen. Im Haus entstand 2008 ein Friedensraum. Seit 2009 verbindet ein Markusweg mit 14 Stationen zum Evangelium die Pfarrkirche durch das Rosental mit dem Kloster. Ein Jahr später wird er durch einen „Ermutigungsweg“ mit sieben inspirierenden Persönlichkeiten zu einem Rundweg ergänzt.3 Das oben beschriebene und im Bild sichtbare Friedenszeichen der Welt- und Naturreligionen ist 2007 vom heutigen Salzburger Erzbischof, dem Franziskaner Franz Lackner, enthüllt worden.
Erstes Friedensgebet der Religionen in Assisi
Die Szenerie erinnert an das bahnbrechende erste Friedensgebet der Welt- und Naturreligionen. Papst Johannes Paul II. lud auf den 27. Oktober 1986 einen prominenten Kreis aus 64 Vertreterinnen und Vertretern der Weltkirchen und 64 Repräsentantinnen und Repräsentanten der Weltreligionen nach Assisi. Er begründete die Ortswahl mit Franziskus, „einem einzigartigen Propheten des Friedens“, der „nicht nur von Christen geliebt wird, sondern auch von vielen anderen Glaubenden und von Menschen, die sich fern der Religion in seinen Idealen der Gerechtigkeit, der Versöhnung und des Friedens wiedererkennen“4. In einem weiten Halbkreis trafen sich die hochrangigen Delegationen zunächst vor der Portiuncula-Kapelle und dann auf dem Vorplatz der Kirche San Francesco. Da fand denn auch eine weltweit erstmalige Friedensfeier statt, bei der vom Papst über den Dalai Lama bis hin zum indianischen Medizinmann Menschen verschiedenster Religionen für den Frieden auf Erden beteten. Dazu trat einer nach dem anderen aus dem Halbkreis in die gemeinsame Mitte, wo er in der Sprache und den Ritualen seiner Glaubensgemeinschaft Himmel und Erde miteinander verband.5
Das Friedenszeichen in der Steiermark hat die Mitte durch den Kugelspiegel markiert. Er hat gleichsam eine zweifache Funktion: Wie auf einen Brennpunkt sind die Zeichen der Religionen auf ihn ausgerichtet, und zugleich spiegelt er das Licht der einen Sonne auf die Stirnseiten der Stelen. Glattgeschliffen, werden diese selber zu Spiegeln des Lichtes: jede in ihrer originellen Beschaffenheit, mit ihrer eigenen Farbe und Struktur und jede aus ihrer Position und Weltsicht.
Weitere Assisi-Treffen im Zeichen des Terrors