4,99 €
Sexy, wild und hemmungslos, so mag Ben Badwin die Frauen, die ihm sein Junggesellenleben versüßen. Die Landschaftsgärtnerin Sierra Murphy entspricht so gar nicht diesem Schema. Vielleicht ist es gerade das, was sie für Ben so reizvoll macht? Als sie seinem Drängen schließlich nachgibt, gesteht sie ihm nur eine Nacht zu. Eine einzige Nacht ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 459
Das Buch
Als Ben Badwin Sierra Murphy kennen lernt, ist er sofort von ihrer erotischen Ausstrahlung hingerissen. Doch Sierra behauptet, nicht an Sex interessiert zu sein, und setzt alles daran, sich Ben vom Leibe zu halten. Gleichzeitig muss sie sich freilich eingestehen, dass sie sich immer mehr zu Ben hingezogen fühlt. Die Gründe für ihre widersprüchliche Einstellung scheinen in ihrem früheren Leben zu liegen, über das sie sich beharrlich ausschweigt. Ben sieht sich vor einer doppelten Aufgabe: Mit Sierra endlich eine leidenschaftliche Nacht zu verbringen und das Geheimnis zu lüften, das ihre Person umgibt.
Die Autorin
Lori Foster entdeckte ihr schriftstellerisches Talent erst mit dreißig, hat aber seitdem eine große Anzahl überaus erfolgreicher Liebesromane veröffentlicht. Sie lebt mit Ehemann und drei Söhnen in Ohio.
Die feuchte schwüle Nachtluft ließ ein gewaltiges Gewitter befürchten. Nicht ein einziger Stern schimmerte zwischen den drohenden grauen Wolken, die am dunklen Himmel hingen. Es war eine jener Nächte, die das Blut eines Mannes in Wallung bringen, ihn an heiße zerwühlte Laken und an eine Frau denken lassen, die sogar noch heißer ist.
Ben Badwin brauchte eine Frau, und er brauchte sie jetzt. Heute Nacht.
Während er langsam tief durchatmete, malte sich Ben in Gedanken anregende Bilder von wildem Sex und rasender Lust aus. Seine Muskeln spannten sich, als er an verschiedene Frauen dachte, die zwar in Frage kamen, die er aber sofort als nicht passend verwarf. Eine schwüle Brise zerzauste ihm das Haar, strich über seine erhitzte Haut und drang ihm in den offenen Ausschnitt seines Hemdes. Lächelnd blickte Ben zum Nachthimmel hoch. Er wusste, was er brauchte.
Eine Herausforderung.
Seit einiger Zeit vermisste er in seinem Leben die Spannung der Jagd, den Kitzel der Verführung. Aber verdammt noch mal, er war ein Mann, und er liebte die Jagd. Er liebte es, sich zu bewähren und aus solchen Kraftproben als Sieger hervorzugehen. Er liebte es, als Mann zu dominieren.
Sowohl die Bar als auch der Grillroom seines Motels waren berstend voll. Zu den eigentlichen Motelgästen, die hier aßen, Billard spielten oder etwas tranken, hatten sich etliche Fernfahrer sowie einige Leute aus der Nachbarschaft gesellt, die die Bar zu ihrer Stammkneipe auserkoren hatten.
Da die Menge sich im Großen und Ganzen ruhig und gesittet verhielt, konnte Ben es wagen, einen Augenblick auszuspannen. Er stand vor der Eingangstür und blickte zum Parkplatz hinüber. Scheinwerfer beleuchteten das Gelände und ließen die Umrisse zahlreicher Autos und Lastwagen erkennen. Das Geschäft lief gut, ja, es boomte förmlich. Zumindest in diesem Punkt konnte Ben sehr zufrieden sein.
Gleichzeitig war er jedoch von brennender Unruhe erfüllt.
Ein Stück weiter unten öffnete sich eine Tür, die zu einem der Erdgeschossräume führte. Zwei attraktive, angeregt miteinander plaudernde Frauen – beide etwa Anfang dreißig – kamen heraus. Lachend schlenderten sie den überdachten Gehweg entlang auf die Bar zu. Allen Anzeichen nach hatten sie bereits einiges getrunken. Als sie auf Ben zukamen, zwinkerte die mit dem kurzen, gestylten blonden Haar ihn an und winkte ihm salopp zu.
Ben lächelte zurück, weil er ein höflicher Mensch war und ihn solche Dinge immer entzückten. Sein Interesse vermochten die beiden jedoch nicht zu wecken. »Meine Damen.«
Die langbeinige Brünette drückte provokativ ihre wohlgeformte Hüfte heraus. »In so ’ner Nacht sollte man nicht draußen rumhängen.« Mit laszivem Blick musterte sie ihn von oben bis unten. Dann tippte sie ihm mit einem ihrer langen, scharlachroten Fingernägel am Hemdausschnitt gegen die nackte Brust. »Kommen Sie doch mit rein, damit ich Ihnen einen Drink spendieren kann.«
Ben, der wünschte, wenigstens eine Spur von Interesse empfinden zu können, hob bedauernd die Arme. »Ein derart reizvolles Angebot ist schwer abzulehnen. Trotzdem muss ich nein sagen.«
Sie beugte sich vor, so dass ihr eindrucksvoller Busen noch besser zur Geltung kam. »Ich verspreche auch, dass ich nicht beiße.«
Ben konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er fand Frauen und ihre Kapriolen einfach bezaubernd, liebte es, wie sie flirteten, liebte die Spielchen, die sie spielten – die Spielchen, die immer er gewann. »Da habe ich aber meine Zweifel, Schätzchen.«
Die Frau lachte entzückt auf. »Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht zu uns gesellen wollen?«
»Wir hätten sicher viel Spaß«, fügte die Blondine hinzu.
»Geht leider nicht.« Ben schüttelte den Kopf. »Bin schon verabredet«, log er.
»Ihr Pech.«
»Zweifellos.«
Sie gingen nach drinnen, wo sie sofort ein neues Opfer fanden. Amüsiert verschränkte Ben die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Holzwand des Gebäudes. Er genoss es rundum, wenn Frauen ihn anmachten.
Aber jetzt brauchte er einfach mehr und war nicht bereit, sich mit weniger zufrieden zu geben.
Ein dumpfes Rumpeln war zu hören, das er zunächst für den Donner des aufziehenden Gewitters hielt. Als er zum Himmel blickte, konnte er jedoch keine Blitze sehen. Das Rumpeln wurde lauter, und Sekunden später bog ein uralter Truck um die Ecke, dessen Scheinwerfer Ben kurz anstrahlten, bevor der Lastwagen einen Schwenk machte und auf das Geschäft für Landschaftsgestaltung zusteuerte, das sich auf der anderen Straßenseite befand.
Schon vor ein paar Wochen war Ben aufgefallen, dass das Geschäft, das mehrere Monate leer gestanden hatte, offenbar wieder geöffnet werden sollte. Das Gebäude war neu getüncht, die Fensterläden repariert, die verunreinigte Kiesfläche gesäubert worden. Lastwagen hatten Mulch und Pflanzen gebracht, und Letztere waren in geraden, ordentlichen Reihen eingepflanzt worden.
Ben sah zu, wie der ramponierte alte Truck mit quietschenden Bremsen plötzlich anhielt. Kieselsteine und Erde spritzten nach hinten weg. Die Scheinwerfer gingen aus, dann wurde eine Tür zugeschlagen. Von einer seltsamen Spannung befallen, starrte er durch die Dunkelheit.
Drinnen in der Bar setzte jemand die Jukebox in Betrieb, und die mitreißende Melodie von Bad to the Bone drang nach draußen. Die dumpf dröhnenden Bässe hallten in Bens Brust und in seinem Kopf wider.
Und dann erblickte er sie.
Sie trat aus dem Schatten und kam über die Straße auf ihn zu. Gebannt beobachtete Ben, wie sich der Dunst um sie herum teilte, was ihr ein irgendwie ätherisches Aussehen verlieh. Ihre langsamen, rhythmischen Schritte schienen mit dem Takt der Musik und dem Schlagen seines Herzens übereinzustimmen.
Das Licht einer Laterne fiel auf ihr rötlich-braunes Haar. Es war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der zu einem früheren Zeitpunkt des Tages ordentlich und proper gewesen sein mochte. Jetzt sah er aber ziemlich aufgelöst und zerzaust aus. Ihr Pony hing ihr in verschwitzten Strähnen halb in die Augen. Sie trug ein verdrecktes weißes, ärmelloses Hemd, eine kurze, ausgefranste Latzhose und braune Schnürstiefel mit nach unten gerollten grauen Socken.
Als feminin hätte Ben ihre Aufmachung sicher nicht bezeichnet, eher schon als fetischistisch. Wie auch immer, jedenfalls hatte sie seine Aufmerksamkeit erregt.
Unwillkürlich fragte er sich, was für eine Art Höschen eine Frau wohl unter einer Kleidung wie dieser tragen mochte.
Obwohl es schon Mitternacht und heißer als in der Hölle war, kam sie mit weit ausgreifenden, sicheren und schwungvollen Schritten auf ihn zu, Schritten, die genau zu der aufreizenden Musik aus der Jukebox passten.
Sie hatte den Gang einer mit sich selbst zufriedenen Frau, was Ben enorm anmachte. Selbstbewusstsein fand er immer ausgesprochen sexy.
Da er im Schatten stand, bemerkte sie ihn erst, als sie nur noch drei Fuß von ihm entfernt war. Ihre Blicke trafen sich und hakten sich ineinander fest. Nach einer Weile löste sie den Blick von seinem und musterte ihn in aller Ruhe von oben bis unten, um schließlich überrascht den Mund aufzusperren.
Ben machte keine Bewegung und blieb in der gleichen entspannten Pose wie zuvor an der Holzwand lehnen. In seinem Innern brodelte es jedoch. Sein Herzschlag beschleunigte sich, all seine Sinne waren in Alarmbereitschaft.
Da er ahnte, dass er vielleicht ein bisschen zu verzückt aussah, rang sich Ben zu einem lässigen Nicken durch.
Auf diese Begrüßung hin kam die Frau ein Stück näher. Jetzt hatten ihre Schritte jedoch den Schwung verloren und schienen von Vorsicht und Neugier geprägt, so als sträube sie sich eigentlich dagegen, ihn zu betrachten, könne aber nichts dagegen tun. Als sie unmittelbar vor Ben stand, zog sie den breiten üppigen Mund schief, und ein Lächeln trat in ihre Augen. Sie schüttelte den Kopf, als sei sie verwirrt.
Oder könne es nicht fassen.
»Jemand wie Sie sollte verboten werden«, lachte sie mit leiser, kehliger Stimme und brach damit den Bann. »Bloß gut, dass ich ein kräftiges Herz habe.«
Nach dieser seltsamen, wenn auch provozierenden Bemerkung stolzierte sie an ihm vorbei und betrat die Bar.
Sein eigenes, ziemlich untypisches Verhalten verblüffte Ben ein wenig. Ihm kam zu Bewusstsein, dass er kein einziges Wort gesagt hatte, sich weder die Situation zunutze gemacht hatte noch auf ihre Bemerkung eingegangen war. Nicht einmal vorgestellt hatte er sich. Er drehte sich um und betrachtete sie von hinten, was sein Interesse sofort noch um einiges zunehmen ließ. Sie hatte einen großartigen Hintern, der weich und griffig aussah und genau die richtigen Rundungen besaß. Eine hübsche Hand voll. Ihre kräftigen Beine waren wohlgeformt und von einer leichten Sonnenbräune überzogen.
Die aufreizende Musik verklang, doch die schwüle Luft war nach wie vor vom Duft einer erhitzten Frau geschwängert. Ben grinste voll freudiger Erwartung.
O ja, das war genau das, worauf er gewartet hatte. Sie war genau das, worauf er gewartet hatte.
Die Jagd ging los.
Wie ein brünstiger Bulle trabte er ihr in die Bar nach. Ungeduldig stand er da, während sie sich umsah. Schließlich entdeckte sie im hinteren Teil des Raumes eine leere Essnische und steuerte darauf zu.
Ben gab der Kellnerin mit einem Nicken zu verstehen, dass er sich um diesen Gast selbst kümmern würde. Er folgte ihr, und als sie auf der Bank Platz genommen hatte, lehnte er sich mit der Hüfte gegen den Tisch. Er versuchte, sie nonchalant anzulächeln, vermutete jedoch, dass seine Augen funkelten und sein Lächeln eher einem wölfischen Grinsen glich. Doch dagegen konnte er nichts machen; so sexuell angeturnt hatte er sich schon seit langem nicht mehr gefühlt. »Hi.«
Sie blickte hoch. Als sie ihn wieder erkannte, verkniff sie sich ihr reflexhaftes Lächeln und versuchte stattdessen, eine ausdruckslose Miene aufzusetzen. »Eine Coke, bitte. Mit viel Eis.«
Damit die Gäste, die zum Trinken hergekommen waren, sich wohl fühlten, war die Innenbeleuchtung zu dieser späten Stunde ziemlich schummrig. Aus diesem Grund konnte Ben die Farbe ihrer Augen nicht erkennen, sondern nur sehen, dass sie exotisch geschnitten und mit dichten dunklen Wimpern besetzt waren. Ben studierte ihr Gesicht und versuchte herauszufinden, was ihn an ihr so anzog.
Ihr Mund wirkte verführerisch und sehr weich.
Ihre Sommersprossen verliehen ihrem Gesicht etwas Munteres, fast Schelmisches.
Ihr Körper … Nun, darüber ließ sich angesichts ihrer schlabbrigen Kleidung wenig sagen, aber er war fest entschlossen, Genaueres herauszufinden.
Obwohl er sie so unverhohlen musterte, wandte sie den Blick ab, griff nach der Speisekarte und tat so, als sei er gar nicht da.
Bens Interesse eskalierte. O ja, die verstand es, die konnte Spielchen spielen. Sie hatte also die Absicht, es ihm nicht zu leicht zu machen? Gut! Fast hätte er sich voller Vorfreude auf die kommende Nacht die Hände gerieben.
Die Herausforderung genießend, trat er ein Stück vom Tisch zurück und sagte: »Ich bin gleich wieder da und bringe Ihnen Ihren Drink.«
Sie gab keine Antwort.
Gemäß ihrem Wunsch füllte Ben ein Glas mit zerstoßenem Eis und goss es anschließend mit Coke voll. Als Ben zu ihrem Tisch zurückkehrte, hatte sie den Kopf auf die Faust gestützt und die exotischen Augen geschlossen. Offenbar war sie sehr müde.
Ihre Fingernägel waren nicht lackiert. Sie waren noch nicht einmal sauber. Wo immer sie heute gearbeitet hatte, es war ein schmutziger Job gewesen, was auch die Flecken an ihren Fingern erklärte. Aber das störte Ben in keiner Weise. Viel wichtiger war die Tatsache, dass sie keinen Ring trug. Kein Ehemann, kein Verlobter.
Perfekt.
Er stellte das Glas hin und wartete.
Mit unendlicher Langsamkeit schlug sie die Augen auf. Sie hatte einen sexy Mund mit vollen Lippen, die sich jetzt zu einem herzhaften Gähnen öffneten. Dann murmelte sie hinter vorgehaltener Hand: »Danke.«
Ihre Stimme war rauchig und tief, ihr Blick lustvoll verschleiert. Oder vielleicht auch nur erschöpft. Schwer zu sagen, weil er selbst so erregt war.
Statt zu trinken, presste sie sich das eiskalte Glas gegen die Stirn und seufzte wohlig auf. »Ist das heute Abend heiß da draußen!«
Das galt nicht nur für draußen. Auch innerlich war ihm höllisch heiß.
Ein Tropfen Kondenswasser perlte an dem frostigen Glas nach unten, fiel in ihren Ausschnitt und sickerte zwischen ihre Brüste. Ben hielt den Atem an.
Verflucht noch mal, alles, aber auch alles an ihr schien ihn auf Hochtouren zu bringen. Dass ihn eine verdreckte, verschwitzte Frau in Arbeitskleidung derart anturnte, war ihm seiner Erinnerung nach noch nie passiert.
Damit seine Lust nicht überhand nahm und um mit ihr ins Gespräch zu kommen, fragte Ben, nachdem er sich geräuspert hatte: »Sie arbeiten gegenüber?«
Ein stolzes, freundliches Lächeln ließ ihre Augen aufleuchten. »Ja. Ich bin die neue Inhaberin. Wir haben die letzten paar Wochen damit verbracht, alles auf Vordermann zu bringen. Aber heute konnten wir endlich mit der eigentlichen Arbeit beginnen.«
Ihr gehörte also die Firma von gegenüber. Sie würde immer in seiner Nähe sein.
Verdammt. Eine Frau, die ständig so nahe bei einem sein würde, konnte zum Problem werden. Es wäre absolut töricht, eine Affäre zu beginnen, die eben wegen dieser Nähe schwer zu beenden sein würde. Er musste vorsichtig sein, sollte erst einmal abwägen, welche Verwicklungen sich möglicherweise daraus ergeben konnten …
Mit zwei Fingern fischte sie einen Eiswürfel aus dem Glas und lutschte daran.
Ben zog scharf den Atem ein. Zum Teufel mit aller Vorsicht.
Er streckte die Hand aus, weil er sie unbedingt berühren wollte, selbst wenn es nur auf unverfängliche Art war. »Willkommen in der Nachbarschaft. Ich bin Ben Badwin, und dieses Motel gehört mir.«
Sie schaute auf seine ausgestreckte Hand. »Tatsächlich? Wow, tolle Bude.« Nachdem sie sich die Finger an den Beinen ihrer Shorts trocken gewischt hatte, ergriff sie seine Hand und schüttelte sie kräftig. »Sierra Murphy. Schön, Sie kennen zu lernen, Ben.«
Sierra – ein ungewöhnlicher Name für eine ungewöhnliche Frau. Ihre Hand war klein, schmal, warm. Und schwielig. Sie sah viel zu jung aus, um eine Firma zu besitzen! Und viel zu attraktiv für solch eine schmutzige Arbeit. Höchst ungern ließ Ben ihre Hand wieder los. »Sie haben spät Feierabend gemacht.«
»Ja.« Da war sie wieder, diese tiefe Zufriedenheit, die irgendwie genauso aufreizend wirkte wie der natürliche Duft einer Frau. »Habe mich um die Grünanlagen der Eigentumswohnungen bei Parker’s Point gekümmert.«
»Bei Mondlicht?«
Sie zuckte mit ihren kräftigen und gleichzeitig femininen Schultern, die nur von dem ärmellosen Hemd bedeckt wurden. Sie schien am ganzen Körper auf geschmeidige Weise muskulös zu sein. Als Ben versuchte, sie sich nackt vorzustellen, krampfte sich sein Gehirn förmlich zusammen. Sie hatte überhaupt nichts Maskulines an sich, aber ein schwaches Weibchen war sie auch nicht, trotz ihrer kleinen Statur.
Nachdem sie einen großen Schluck Coke getrunken hatte, ließ sie sich auf der Bank erschöpft zurücksinken. Ihre Positur hatte nichts Gestelltes, nichts gewollt Verführerisches an sich, sondern wirkte rundum natürlich. Was Ben sehr gefiel.
»Ich habe eine Menge Zeug hingeschafft, so dass wir gleich morgen früh mit der Arbeit anfangen können. Einen Auftrag in dieser Größenordnung zu bekommen war reines Glück. Ich will die Sache auf keinen Fall vermasseln.«
Ihre Offenheit überraschte Ben.
Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, lächelte sie schelmisch und zog die schmale Nase kraus.
Ihre Sommersprossen waren wirklich ausgesprochen süß. Ob sie wohl noch an anderen Körperstellen Sommersprossen hatte?
»Ich wusste, dass ich ohnehin nicht würde schlafen können, weil ich so aufgeregt bin«, gab sie zu. »Und deshalb dachte ich, da könnte ich ebenso gut arbeiten.«
Er kannte ein Heilmittel gegen Schlaflosigkeit, das tausendmal besser war als Arbeit, aber so weit waren sie noch nicht. Sierra plauderte zwar mit ihm, kam ihm aber in keiner Weise entgegen. Trotz der verlockenden Bemerkung, die sie vor der Tür gemacht hatte, signalisierte nichts in ihrem Verhalten die Bereitschaft, sich mit ihm einzulassen. Sie war freundlich, aber mehr auch nicht.
Um noch länger mit ihr zusammenbleiben zu können, machte Ben ihr ein Angebot. Etwas anderes fiel ihm auf die Schnelle nicht ein. »Sie sehen hungrig aus, Sierra. Kann ich Ihnen etwas zu essen bringen?«
Sie zog die Augenbrauen hoch, bis sie unter den Fransen ihres Ponys verschwanden. »Auf Ihrer Speisekarte steht, dass nur bis Mitternacht Essen serviert wird. Und jetzt ist es zehn nach zwölf.«
»Stimmt. Die Küche ist geschlossen, der Koch nach Hause gegangen. Aber da wir Nachbarn sind, mache ich bei Ihnen eine Ausnahme.« Und hoffentlich auch Fortschritte.
Überrascht lehnte sie sich zurück. »Danke.«
»Allerdings müssten Sie in der Küche essen, damit keiner der anderen Gäste auf den Gedanken kommt, ebenfalls etwas zu essen zu bestellen.« Er setzte sein hinreißendstes Grinsen auf, bei dem normalerweise alle Frauen ganz flatterig wurden und in Gekicher ausbrachen. »Ich mache um eins zu und will nicht, dass es zu irgendwelchen Verzögerungen kommt.«
Sierra wurde weder flatterig, noch kicherte sie. Sie schien sein Grinsen nicht einmal zu bemerken. Sie spitzte die Lippen, legte den Kopf schräg und sah ihn unverwandt an. »Gegen etwas zu essen hätte ich im Augenblick ganz sicher nichts einzuwenden. Ich bin völlig ausgehungert und zu müde, mir selbst irgendwas zuzubereiten.«
»Freut mich, Ihnen zu Diensten sein zu können.« In jeder Hinsicht, falls erwünscht.
»Aber ich möchte von vornherein klarstellen, dass ich nur auf Essen und auf nichts anderes aus bin.«
Schon wieder diese Offenheit! Ben staunte. »Wie bitte?«
»Was ich vor der Tür zu Ihnen sagte … als ich Sie zum ersten Mal sah …«
»Was ist damit?«
Sie senkte den Blick, so dass ihre Augen von ihren dichten Wimpern verdeckt wurden. »Ich möchte nicht, dass Sie das überbewerten. Das war lediglich eine Schockreaktion.«
»Eine Schockreaktion?« Für Ben hatte es sich eher wie eine Bekundung von Interesse angehört. Das auf Gegenseitigkeit beruhte, verdammt noch mal.
»Mmm. Irgendwie haben Sie mich überrumpelt, als Sie da plötzlich so vor mir standen.« Sie machte eine fahrige Geste. »Einen Mann wie Sie bekommt eine Frau schließlich nicht alle Tage zu Gesicht. Vermutlich ist mir die Bemerkung rausgerutscht, weil ich so müde bin.«
Ben starrte sie an und hoffte, das Bild eines Mannes abzugeben, der die Fassung behält. »Einen Mann wie mich?«
Sie lachte. »Ja. Hinreißend. Attraktiv. Ein Sexbolzen.«
Darauf wusste er einfach keine Antwort. Zum ersten Mal in seinem Leben fehlten ihm einer Frau gegenüber die Worte.
»Ach, kommen Sie. Sie wissen doch wohl, wie Sie aussehen, oder? Sicher liegen Ihnen die Frauen nur so zu Füßen.«
Ben verschränkte die Arme vor der Brust und nickte langsam. Dieses Spielchen war neu, aber es fiel ihm in keiner Weise schwer, darauf einzugehen. »Klar, bloß dass das zu einem furchtbaren Durcheinander im Restaurant führt, weil überall Körper von Frauen herumliegen.«
Sie lachte wieder. »Kann ich mir vorstellen. Wahrscheinlich stolpern die Kellnerinnen dauernd darüber, wie?«
Er gab keine Antwort. Er wartete einfach ab, um zu hören, was sie noch sagen würde.
Sie lächelte zu ihm hoch, als wolle sie auf diese Weise ihrer Ablehnung die Härte nehmen. »Die Sache ist die, dass ich schlichtweg nicht interessiert bin. Absolut nicht. Wenn Ihr Angebot, mir etwas zu essen zu geben, also eine Anmache sein soll, werde ich einfach nach Hause gehen und versuchen, ein paar Käsecracker oder etwas in der Art ausfindig zu machen.«
Der nach wie vor sprachlose Ben dachte angestrengt nach. Einer Frau, die die Dinge so offen beim Namen nannte, war er noch nie begegnet. Die Frage war bloß, ob er das mochte. Im Bett wäre diese Ehrlichkeit großartig. Aber mitten im Restaurant?
Sierra zog die Schultern hoch und sah ihn entschuldigend an. »Ich versuche nur sicherzustellen, dass unsere nachbarliche Beziehung nicht von vornherein auf falschen Voraussetzungen beruht, weil meine Bemerkung vor der Tür vielleicht etwas irreführend war.«
Himmel, Arsch und Zwirn. Sie klang einfach zu aufrichtig. Konnte es wirklich sein, dass sie derart unbeeindruckt war, während es ihn total erwischt hatte? Er konnte sich nicht erinnern, wann ihn eine Frau zum letzten Mal so in Bann geschlagen hatte. Er fühlte sich … quicklebendig. Vom Jagdfieber gepackt. Angeturnt.
Im Augenblick hatte sie verbal die Oberhand, was sie auch wusste. Doch Ben war kein Mann, der zuließ, dass eine Frau – selbst wenn sie ihn derart faszinierte – die Oberhand behielt. Das war einfach nicht natürlich.
Er holte tief Luft und ging zum Angriff über. »Haben Sie vor kurzem mal in den Spiegel gesehen, Sierra?«
Ihr Lächeln verlor einiges von seiner Selbstsicherheit. »Ich … äh …«
»Sie sind ganz schön verschwitzt und wirken ziemlich derangiert.« Er musterte sie von oben bis unten. Dann streckte er die Hand aus, um mit den Fingerspitzen gegen ihre Ponyfransen zu schnippen, wobei unwillkürlich ein Lächeln um seinen Mund zuckte. »Und dreckig sind Sie außerdem.«
Sie versteckte ihre Hände unter dem Tisch und sah ihn mit finsterem Blick an. »Es ist schwer, den eingefressenen Dreck unter den Nägeln wegzubekommen, ohne sie richtig einzuweichen. Aber gewaschen habe ich mich natürlich.«
Angesichts ihrer Verlegenheit bekam Ben ein schlechtes Gewissen. Trotzdem blieb er hart und fuhr fort: »Kann ja sein, dass Sie sich später richtig schön waschen, aber im Moment sehen Sie jedenfalls nicht gerade zum Anbeißen aus. Ich denke also, dass wir beide voreinander sicher sind.«
Sie wurde rot und sperrte den Mund auf. Dann brach sie erstaunlicherweise in Lachen aus. Als Ben sie stirnrunzelnd ansah, wischte sie sich die Augen und kicherte kurz vor sich hin. »Oh, Sie haben natürlich Recht. Ich muss ja schön eingebildet geklungen haben. Aber das liegt daran, dass Sie ganz den Eindruck eines Schürzenjägers machen. Ich dachte, ein Typ, der so gut aussieht wie Sie, müsste immer auf Abenteuer aus sein.« Sie lächelte zu ihm hoch. »Schön zu wissen, dass mein neuer Nachbar nicht so einer ist.«
Da war sie wieder, diese beunruhigende Ehrlichkeit. Jedes Wort, das sie sagte, schien zu bewirken, dass Ben immer mehr den Verstand verlor. Das machte ihn völlig fertig.
Sierra erhob sich von der Bank und schwenkte ihr halb leeres Glas hin und her. »Gilt Ihr Essensangebot noch?«
Jetzt, da er vor ihr stand, kam Ben zu Bewusstsein, wie zierlich und zart sie eigentlich war, obwohl sie durchaus kräftig wirkte. Am liebsten hätte er sie an sich gezogen, um festzustellen, wie sie zueinander passten – und um ihren Körper zu spüren.
Doch Ben zwang sich, sich zu benehmen. »Ja, das Angebot gilt noch.«
»Prima. Dann bringen Sie mich in die Küche. Ich falle gleich um vor Hunger.«
Ben hatte erwartet, dass sie sich von seinen Bemerkungen über ihr Aussehen beleidigt fühlen, nicht dass sie sich darüber amüsieren würde. Das war keine Durchschnittsfrau. Aber so etwas hatte er ja auch nicht haben wollen.
Von neuem ziemlich ratlos, erhob sich Ben.
Einige der Gäste blickten auf, als sie in Richtung Küche gingen, doch die meisten schenkten ihnen keine Beachtung.
Ben war sich bewusst, dass sie hinter ihm herkam, ihm körperlich nah war, aber emotional weit von ihm entfernt und sexuell desinteressiert. Er trat zur Seite, um sie an sich vorbeizulassen. Dann ließ er die Tür zuschwingen. Obwohl von draußen gedämpfte Geräusche hereindrangen, waren sie hier ungestörter als in der Bar.
Nachdem er einen Wandschalter angeknipst hatte, flackerte helles Neonlicht auf. Verstohlen blickte er sie an. Endlich konnte er die Farbe ihrer Augen sehen.
Sie waren grün. Allerdings nicht einfach grün, sondern mit blauen und goldenen Einsprengseln. Hübsch.
»Horace, mein Koch, legt mir immer etwas zu essen in den Kühlschrank. Mal sehen, was es heute ist.« Ben öffnete den riesigen Kühlschrank und spähte hinein. »Ein Riesensandwich, Kuchen, Suppe …«
»Sandwich hört sich gut an, falls Sie es wirklich mit mir teilen wollen. Danke.«
Die Zeit, die er brauchte, um das Sandwich herauszunehmen und auszuwickeln, nutzte Ben, um sich innerlich zu sammeln und noch einmal über alles nachzudenken. Er hatte schon oft in der Küche ausgeholfen. Eigentlich gab es im Motel und in der Bar keine Arbeit, die er nicht schon gemacht hatte. Für Müßiggang hatte er nichts übrig.
Er legte das Sandwich auf ein großes Schneidebrett, schnitt es in zwei Hälften und legte diese auf einen Teller. Nachdem er mit der Gabel eine Gewürzgurke aus dem enormen Glas auf dem Tresen gefischt und aus einem luftdichten Behälter noch ein paar Chips hinzugefügt hatte, kehrte er sich wieder Sierra zu – und erwischte sie dabei, wie sie seinen Hintern anstarrte.
Ah-ha.
Erschrocken blickte sie auf und runzelte die Stirn, als sei es seine Schuld, dass sie ihn beäugt hatte.
Da Ben ein Gentleman war, ließ er es unkommentiert, wohin ihr Blick sich verirrt hatte. Es erleichterte ihn jedoch zu wissen, dass sie nicht ganz so uninteressiert war, wie sie behauptet hatte. »Hier entlang, bitte.«
Während er sie zum Aufenthaltsraum des Personals führte, ging er absichtlich vor ihr her, damit sie, falls ihr der Sinn danach stand, einen weiteren Blick auf seinen Hintern werfen konnte. Als er sie dann ansah, wirkte ihr Gesicht völlig ausdruckslos, so dass er nicht sagen konnte, ob sie die Chance genutzt hatte oder nicht.
Ächzend ließ sie sich auf den erstbesten Stuhl fallen. Dann streckte sie die Beine von sich, schlug die Füße übereinander und blies sich die Ponyfransen aus dem Gesicht. Als sie die Augen vor lauter Müdigkeit kurz schloss, sah sie sehr verletzlich aus.
Ben betrachtete die schlaffe, völlig erschöpfte Gestalt und schüttelte den Kopf. Er war geil, und sie sah so aus, als würde sie jeden Augenblick zusammenbrechen. »Sie sind ganz schön hinüber, was?«
Sie hob den Kopf. »Ja, aber das ist ein großartiges Gefühl.« Sie nahm den Teller an sich, den er ihr reichte, und biss herzhaft in das Sandwich.
»Es macht Ihnen wohl Spaß, sich schmutzig zu machen, wie?«
Sie zog die Nase kraus. Dann sagte sie mit vollem Mund: »Ist mir tausendmal lieber, als in einem muffigen Büro zu arbeiten.«
»Stimmt.« Ben wollte, dass sie weitersprach, wollte ihre kehlige Stimme hören, die ihn an ein schnurrendes Kätzchen erinnerte. »Aber wenn man eine Firma hat, gibt es auch Büroarbeit zu erledigen. Davon kann ich ein Lied singen.«
»Richtig, aber im Moment ist der Papierkram minimal, weil wir nur Außenaufträge haben, was mir tagsüber Sonne und frische Luft beschert. Den Papierkram erledige ich dann nachts.«
Was insgesamt einen langen Arbeitstag bedeutete. Kein Wunder, dass sie fix und fertig war.
Nachdem sie ein paar Chips gegessen hatte, fuhr sie fort. »In ein oder zwei Jahren, wenn das Geschäft besser läuft, würde ich gern Sommerblumen und Sommerpflanzen verkaufen, im Winter vielleicht Weihnachtsbäume, im Herbst Chrysanthemen … Das setzt natürlich voraus, dass während der Geschäftszeiten immer jemand auf dem Gelände ist. Nach solchen Saisonsachen ist die Nachfrage groß. Wenn es je dazu kommt, werde ich wahrscheinlich auch jemanden anstellen, der sich um den Bürokram kümmert.«
Wenn sie das Ganze im Augenblick allein bewältigen musste, hatte sie eine schwere Last zu tragen. »Es ist nicht immer leicht, sein eigener Boss zu sein.«
»Ich weiß, aber immerhin arbeite ich für mich und nicht für jemanden anders. Da lohnt es sich, hart zu arbeiten.«
Ben, der diese Ansicht teilte, nickte. Zu seiner brennenden Lust gesellte sich ein seltsames Gefühl der Wesensverwandtschaft mit ihr, das seine Vorfreude noch stärker werden ließ. Sein Körper war von elementarer Spannung erfüllt, und sein erhitztes Blut brauste pulsierend durch seine Adern. Das Jagdfieber hatte ihn befallen – er fühlte sich äußerst wohl.
Er wollte sie. Aber er wollte sich auch hinsetzen und sich weiter mit ihr unterhalten, weil sie so viel gemeinsam hatten.
Seltsam.
Es war höchste Zeit, die Dinge wieder in die eigentliche Bahn zu lenken. Er wartete, bis sie die eine Hälfte des Sandwichs gegessen hatte, damit sie ihm nicht vor Hunger umfiel. Dann wandte er ihr seine ganze Aufmerksamkeit zu.
Sie bemerkte, wie er sie anstarrte. Offenbar bemerkte sie auch die Lust in seinem Blick, denn sie blinzelte verdutzt. Sie blickte an sich herab, vermutlich um nachzuprüfen, ob irgendwo etwas zu sehen war. Dann sah sie hinter sich, um ihn schließlich stirnrunzelnd anzuschauen. »Was ist los?«
Ben lächelte. »Ich habe gelogen.«
»Tatsächlich?« Sie tat so, als interessiere sie das nicht sonderlich, und aß mit gesundem Appetit weiter. »Inwiefern?«
Ben zog seinen Stuhl neben den ihren, drehte ihn herum und setzte sich rittlings darauf. Er legte die Arme auf die Lehne und bettete sein Kinn darauf, um Sierra anzusehen – Sierra mit der von der Sonne geküssten Haut, dem üppigen Mund, den lächelnden Augen.
Leise antwortete er: »Als ich sagte, dass ich Sie nicht begehre.«
Sie erstarrte und hörte sogar auf zu kauen. Plötzlich verschluckte sie sich und fing an zu husten. Ben streckte die Hand aus, um ihr auf den Rücken zu klopfen, doch sie riss die Augen auf und wich zurück. Der Rest des Sandwichs fiel auf den Teller und klappte auseinander.
Sie schluckte schwer und atmete pfeifend ein. »Äh … was soll denn das bitte schön jetzt heißen?«, stieß sie hervor.
Das war immerhin eine Reaktion, die er begreifen konnte, obwohl sie ihm nicht sonderlich lieb war. »Seltsam, nicht? Ein Teil von dem, was ich gesagt habe, stimmt aber. Im Augenblick sehen Sie wirklich nicht sonderlich kultiviert aus.« Er betrachtete ihren Körper von neuem, wobei seine Gedanken diesmal klar auf seinem Gesicht zu lesen waren. »Ich kann Sie riechen, Sierra«, fügte er mit gedämpfter, heiserer Stimme hinzu.
Sie sah ihn entsetzt an.
»Sie riechen gut, irgendwie warm und weich. Verdammt, vielleicht liegt es genau daran. Frau à la nature, verstehen Sie?«
Röte schoss ihr in die Wangen und breitete sich über das ganze Gesicht aus. Ben hatte nicht gedacht, dass die kleine Barbarin es fertig brächte, derart zu erröten, so selbstbewusst, wie sie auftrat, und so großspurig, wie sie sich äußerte. Aber jetzt sah er, dass er sich getäuscht hatte, und zwar gewaltig.
Er kam zu dem Schluss, dass sich ihr Selbstbewusstsein nicht auch auf sexuelle Dinge erstreckte. Wie aufschlussreich war das? Offenbar steckte sie voller Widersprüche.
Wie benommen wandte Sierra sich von ihm ab, um ihr Sandwich anzustarren und anschließend den Blick durch den Raum schweifen zu lassen. Es war fast so, als käme ihr erst jetzt zu Bewusstsein, dass sie allein waren.
Ben wusste, dass sie im Begriff war, aufzuspringen und davonzustürzen. Schnell erhob er sich. Sierra presste sich gegen die Lehne ihres Stuhls und beobachtete ihn misstrauisch.
Eine weitere vielsagende Reaktion. Er zog die Augenbraue hoch. »Keine Bange, Sierra. Sie haben sich klar und deutlich ausgedrückt. Sie sind nicht interessiert, richtig?«
Seine Worte schienen sie in keiner Weise zu beruhigen.
Nahm sie etwa an, er wolle sich an ihr vergreifen? Er stemmte die Hände in die Hüften und fixierte sie. Es war höchste Zeit, ihr seine eigene Ehrlichkeit zu kosten zu geben. Ihr Blick hakte sich an seinem fest, ihre Pupillen weiteten sich.
»Die Sache ist die, dass ich mich nach einer Herausforderung gesehnt habe.« Seine Stimme wurde noch leiser. »Und nun raten Sie mal, was passiert ist?«
Angewidert starrte sie die Essensreste auf dem Teller an. »Was denn?«
»In Ihnen habe ich sie gefunden«, flüsterte Ben.
Sierra war hungrig, verdammt noch mal, und jetzt zwang er sie zu gehen. Doch obwohl er viel zu nah bei ihr stand, rührte sie sich nicht von der Stelle, sondern seufzte nur verärgert und enttäuscht auf. Das Sandwich hatte köstlich geschmeckt. Und Ben hatte so nett gewirkt, schien ein so umgänglicher Mensch zu sein. »Das war’s dann ja wohl.«
»In welcher Hinsicht?«
Sie verdrehte die Augen. Über Ben Badwin ließ sich einiges sagen, und keineswegs nur Schmeichelhaftes. Aber man konnte nicht sagen, dass er dumm war. Er wusste ganz genau, was sie meinte, er war es nur nicht gewöhnt, so etwas zu hören. Wahrscheinlich erwartete er, dass sie die Chance, mit ihm zusammen zu sein, sofort beim Schopf ergriff.
Seltsamerweise war ihr sein Ansinnen in keiner Weise unangenehm. Trotzdem kam so etwas für sie absolut nicht in Frage. »Ich würde sagen, so ziemlich in jeder.«
»In jeder?« Ben sah sie aufmerksam an, während ein Ausdruck der Entschlossenheit in seine verführerischen Augen trat. Seine Wimpern waren dicht und mädchenhaft lang, obwohl er sonst nichts Mädchenhaftes an sich hatte. Der Mann barst förmlich vor Testosteron.
Nicht eine einzige Sekunde lang glaubte Sierra, dass es für Ben einen Unterschied machen würde, ob sie ging oder blieb. So, wie die Dinge lagen, würde ihr Interesse – oder ihr Mangel an Interesse – ohne jeden Belang für ihn sein.
Als sie vorhin durch das Restaurant zur Küche gegangen waren, hatte Sierra bemerkt, wie ihm alle anwesenden Frauen – von den weiblichen Gästen bis zu den Kellnerinnen – nachgeschaut hatten. Sie hätte wetten können, dass er in dieser Hinsicht aus dem Vollen schöpfen konnte. Warum sollte er sich da mit ihr abgeben?
Dieses Gerede von einer Herausforderung war doch absurd.
Sie schnappte sich einen Chip vom Teller und wandte sich zum Gehen. »In jeder, soweit es die Einladung zum Essen, das Freundschaftsangebot und die gute Nachbarschaft betrifft.« Sie sah ihn vorwurfsvoll an. »Wissen Sie, es war mir ernst, als ich sagte, ich sei nicht interessiert. Ich habe nicht geflirtet.«
Er packte sie beim Arm, um sie zurückzuhalten. Seine Hand war sehr warm und sehr groß, sein Griff sanft. Er legte den Kopf schräg und schaute sie eindringlich an. »Hmm. Ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, dass Sie ein Feigling sind.«
Ben war ein großer Mann, schlank, aber kräftig, und ein dunkler Typ. Er war athletisch gebaut und hatte lange Beine, muskulöse Unterarme, ausgeprägte Bizeps sowie einen extrem knackigen Hintern, der ihr vorhin schon aufgefallen war. Dass sie diese Details überhaupt bemerkt hatte, überraschte sie schon, denn normalerweise achtete sie einfach nicht auf Männer.
Es gab jedoch einen entscheidenden Unterschied zwischen Ben und anderen Männern, der keinesfalls nur in seinem Aussehen oder seinem tollen Körperbau bestand. Er verfügte über einen derartigen Sexappeal, einen derart betörenden Charme! Und er widmete sich seinem Gegenüber mit einer solchen Intensität, dass keine Frau dies ignorieren konnte, nicht einmal Sierra.
Doch obwohl sie sich all dessen bewusst war, würde sie keine Zeit damit verlieren, diesen Reizen auf den Grund zu gehen. Das konnte sie nicht.
Deshalb starrte sie lediglich seine Hand an, bis er ihren Arm losließ. Dann sah sie ihn an. »Ich bin kein Feigling.« Nicht mehr. »Aber ich bin auch nicht blöd. Sie wollen mich anmachen. Und ich habe keine Zeit, Ihnen Paroli zu bieten. Darum wäre es dumm, länger hier zu bleiben.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den langen Tisch zurück. Sein Bauch war flach, seine Hüften schmal. Und hinter seinem Hosenschlitz …
»Vielleicht habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt. Ich würde Sie nie zu etwas zwingen.«
Entsetzt über sich selbst, riss Sierra ihren Blick von seinem Hosenschlitz los. Zu ihrem Ärger wurde sie wieder knallrot. »Zwang kann man auf vielerlei Arten ausüben.«
Als er die Augen zusammenkniff, zeichnete sich in seinem Gesicht ein ahnendes Verstehen ab, das ihr vollends die Fassung raubte. »Es gibt einen bestimmten Grund dafür, dass Sie das sagen, nicht wahr?«
Sein Ton hatte sich geändert, war weich und sanft geworden, und wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie vielleicht angenommen, dass es Anteilnahme war, was diese Veränderung herbeigeführt hatte. Lächerlich. Er kannte sie ja nicht einmal.
Bemüht lässig zuckte Sierra die Achseln. »Ich bin vierundzwanzig, folglich weiß ich einiges über dominante Männer. Und so gut, wie Sie aussehen und wie Sie gebaut sind, Ben, dürften Sie wohl noch dominanter sein als die meisten Männer.«
»Danke«, erwiderte er, ohne zu lächeln. Obwohl ihm deutlich anzumerken war, dass ihre Komplimente ihm Genugtuung bereiteten. »Allerdings bilde ich mir ein, nicht ganz so berechenbar zu sein, wie Sie es mir unterstellen. Außerdem war ich Ihnen gegenüber so offen und habe Ihnen meine Absichten verraten, weil Sie selbst ebenfalls sehr offen waren.«
Machte er sich über sie lustig? Sierra war sich da nicht ganz schlüssig und ging in Abwehrstellung. Es kam einfach nicht mehr für sie in Frage, sich von irgendeinem Mann auf irgendeine Weise einschüchtern zu lassen. Ben war dreist gewesen, also hatte sie es ihm mit gleicher Münze heimgezahlt. Möglicherweise hatte ihm das nicht gefallen, aber das war sein Problem, nicht ihrs. »Danke für die Warnung.«
»Das war keine Warnung, sondern nur ein kleiner Hinweis. Ich wollte Sie lediglich beruhigen, da Sie mich ja noch gar nicht kennen.«
Sie war weit davon entfernt, sich beruhigt zu fühlen.
»Ich halte viel von Fairness.« Er lächelte. »Jetzt wissen Sie also, was ich will. Aber ich werde nie irgendeinen Druck ausüben, da können Sie ganz sicher sein. Okay?«
Das würde sie glauben, wenn Weihnachten und Ostern auf einen Tag fielen. Nicht dass sie annahm, er würde tätlich werden – wie er gesagt hatte, kannte sie ihn nicht gut genug, um zu einem solchen Urteil zu kommen. Doch Ben hatte bereits versucht, ihr seinen Willen aufzuzwingen, und das machte sie rebellisch.
»Was soll denn passieren, Sierra? Setzen Sie sich wieder, essen Sie Ihr Sandwich, plaudern Sie mit mir. Sie werden sehen, dass ich ganz harmlos bin.«
Sie warf ihm einen ungläubigen Blick zu und lachte. Es war aber auch zu komisch, dass er sich als harmlos bezeichnete.
»Ich bin ein achtbarer Motelbesitzer, Sierra. Jeder in der Gegend kennt mich. Allzu schlimm kann ich ja wohl nicht sein, sonst hätte ich sicher keine Gäste, stimmt’s?«
Er vermittelte ihr das Gefühl, sich töricht verhalten und überreagiert zu haben. Und vielleicht hatte sie das ja auch. Im Restaurant waren noch immer Gäste, in Rufweite – nicht dass sie erwartete, um Hilfe rufen zu müssen. Und trotzdem … Sie hatte so viel Zeit damit verbracht, Situationen wie diese zu vermeiden, dass sie vergessen hatte, wie man damit fertig wurde.
»Ich werde Sie auch nicht zuquatschen, das verspreche ich. Bitte bleiben Sie.«
Oh, diese verführerische Stimme würde selten ihre Wirkung verfehlen. Sierra war sich ziemlich sicher, dass er es allein mit seiner Stimme ohne große Mühe schaffen würde, eine Frau dazu zu bringen, ihre Shorts auszuziehen. Die Vorstellung brachte sie fast zum Lachen.
Nach dem langen Arbeitstag im Freien waren ihre Shorts so verdreckt, dass sie von seinem Interesse ganz erstaunt war. Erstaunt und … angetan. So sehr sie es auch zu leugnen versuchte, die Frau in ihr fühlte sich von seiner Hartnäckigkeit äußerst geschmeichelt.
Und das konnte gefährlich werden.
Sie seufzte. Da sie Nachbarn sein würden, konnte sie ihm nicht ständig aus dem Weg gehen. Vielleicht war es besser, die Angelegenheit jetzt gleich in Ordnung zu bringen. Sie warf einen Blick auf den Teller, wo der Rest des Sandwichs auf sie wartete.
Fast konnte sie hören, wie dieses dicke Sandwich sie beim Namen rief. Ihr Magen knurrte, was Ben peinlicherweise hörte.
Er schob ihr den Stuhl hin. »Na, kommen Sie, Sierra. Seien Sie nicht so!«, sagte er mit provozierendem Lächeln. »Essen Sie noch was.«
»Sie erwarten von mir, dass ich einfach so dasitze und esse, obwohl ich weiß, dass Sie versuchen werden, mich zu verführen?«
Als sie diesen etwas altmodischen Ausdruck benutzte, kräuselten sich seine Lippen. »Zu verführen? Klar, ich werde versuchen, Sie zu verführen. Indem ich Ihnen beweise, was für ein netter Typ ich bin, und Ihnen klarmache, wie schön es mit uns beiden wäre. Aber ich werde keinen Druck ausüben, das verspreche ich. Und da Sie von meinem Interesse wissen, selbst aber nicht interessiert sind, dürfte das eigentlich nicht weiter problematisch sein, stimmt’s?«
Wenn Sie wirklich kein Interesse gehabt hätte, hätte sie ihm wahrscheinlich zugestimmt. Unglücklicherweise war das aber nicht der Fall. Es war einfach zu dumm – und gewohnt war sie so etwas auch nicht mehr. Aber sie merkte, dass sie deutlich auf ihn ansprach.
Ihr Magen knurrte wieder und traf damit für sie die Entscheidung. »Na schön.« Sie zog den Stuhl zu sich heran und ließ sich darauf fallen. »Aber sobald Sie zudringlich werden, verschwinde ich von hier.«
Er lachte. Ihre schlechte Laune schien ihn zu amüsieren. »Einverstanden.« Ben nahm ebenfalls wieder Platz. Jetzt, da er gewonnen hatte, wirkte er rundum entspannt. »Also warum Landschaftsgestaltung?«
Bevor sie antwortete, biss Sierra erst einmal herzhaft in das Sandwich. Sie war so hungrig, dass sie förmlich zitterte.
Oder vielleicht zitterte sie auch, weil sie gerade einem hinreißenden Mann nachgegeben hatte, der behauptete, sie zu begehren. Gute Güte! Sie hörte auf zu kauen und schluckte schwer.
Ein Gespräch über ihre Arbeit würde ihn davon abhalten, von Verführung zu sprechen. Sie dachte einen Moment lang nach und versuchte sich in Erinnerung zu rufen, aus welchen Gründen sie Landschaftsgestalterin hatte werden wollen. »Frische Luft, körperliche Arbeit, Natur. Ich liebe es, in der Erde zu graben, verschiedene Bodensorten miteinander zu mischen und dann zu beobachten, wie etwas wächst. Ich habe ein Händchen für Pflanzen und einen guten Blick für Farbe und Strukturen.«
»Ist das etwas, das Sie schon immer tun wollten?«
»Nein.« Sierra hatte nicht die Absicht, ihm zu verraten, welche törichten Pläne sie in ihrer Jugend gehabt hatte. Die waren schon vor langer Zeit geplatzt. »Aber ich habe mal eine Zeit lang für einen Landschaftsgestalter gearbeitet. Da ist mir klar geworden, dass mir so was gefällt und ich Talent dazu habe.«
»War das ein Ferienjob?«
Sie zuckte die Achseln. »Es war eine Möglichkeit, das College zu bezahlen und Erfahrungen zu sammeln.«
»Sie haben gesagt, Sie mögen körperliche Arbeit …?«
Er hörte sich an, als erstaune ihn das. »Ja. Macht es Ihnen vielleicht keinen Spaß, Ihre Muskeln zu benutzen?« Sie musterte seinen Oberkörper. »Davon haben Sie ja eine ganze Menge.«
Er lächelte träge. »Danke.«
Sierra riss sich zusammen. Das war eigentlich eher als spöttische Bemerkung gedacht gewesen, weil sein offenes Hemd und seine Pose irgendwie prahlerisch wirkten und sie ständig ablenkten. Herausgekommen war das Ganze jedoch als Kompliment.
»Nichts zu danken«, erwiderte sie resigniert.
»Vermutlich macht es Ihnen ebenfalls Spaß, Ihre Muskeln zu benutzen?«
»Stimmt. Ich bin zwar ziemlich klein, aber recht kräftig, und ich mag es, fit zu bleiben.« Um das Thema zu wechseln, sagte sie: »Erzählen Sie mir etwas über Ihr Motel.« Wenn er redete, konnte sie essen. Außerdem würde es sie daran hindern, wieder etwas Verfängliches zu sagen.
ENDE DER LESEPROBE
Titel der Originalausgabe NEVER TOO MUCH
4. Auflage Deutsche Erstausgabe 04/2004 Copyright © 2002 by Lori Foster First published by Kensington Publishing Corp., New York Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2004 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Printed in Germany 2006 Umschlagillustration: Picture Press/Lisa Spindler Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München Gesetzt aus der Janson Text Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach http://www.heyne.de
eISBN: 978-3-641-17042-4
www.randomhouse.de