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In den Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit haben Pit und ich so manche zumutbare Grenze überschritten. Dabei passierte fast jeden Tag etwas Neues, wie zum Beispiel klirrende Scheiben, einen Flächenbrand oder Wilddieberei. Manchmal haben wir auch Tränen gelacht. Es ist aber nicht immer gut ausgegangen.
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Seitenzahl: 101
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~ 1 ~ Erinnerung an die Kinderzeit
~ 2 ~ Hasenbrot
~ 3 ~ Abschied von Onkel Willi
~ 4 ~ Meine ausschweifende Dorferkundung
~ 5 ~ Einschulung
~ 6 ~ Volkssturm
~ 7 ~ Luftschutzbunker
~ 8 ~ Flaksoldaten
~ 9 ~ Funkspruch
~ 10 ~ Hitlergruß
~ 11 ~ Neugier
~ 12 ~ Panzersperre
~ 13 ~ Gänseei
~ 14 ~ Schwarzschlachten
~ 15 ~ Die letzte Kriegsnacht
~ 16 ~ Die Amerikaner
~ 17 ~ Zu Besuch bei meinem Patenonkel
~ 18 ~ Lebensmittelknappheit
~ 19 ~ Maul- und Klauenseuche
~ 20 ~ Neueinschulung
~ 21 ~ Blindekuh
~ 22 ~ Neuntöter
~ 23 ~ Sauerampfer und Boxspar
~ 24 ~ Rotlauf
~ 25 ~ Blattschuss
~ 26 ~ Frei stehende Tanne
~ 27 ~ Frühschoppen
~ 28 ~ Getreideernte
~ 29 ~ Dreschen
~ 30 ~ Zur Mühle
~ 31 ~ Brotbacken
~ 32 ~ Dreschen in der Scheune
~ 33 ~ Süßkirschen
~ 34 ~ Weihnachtsbäckerei
~ 35 ~ Der Nikolaus und der Hansmuff
~ 36 ~ Heiligabend
~ 37 ~ Schneeschneise
~ 38 ~ Schweinchen
~ 39 ~ Mittagsläuten
~ 40 ~ Die Bloom kriegt ihr viertes Kälbchen
~ 41 ~ Das Schwalbenlied
~ 42 ~ Kamellen
~ 43 ~ Räuber und Gendarm
~ 44 ~ Haare aus der Pferdemähne
~ 45 ~ In luftiger Höhe
~ 46 ~ Nachkriegstage
~ 47 ~ Durchschuss durch die Mistforke
~ 48 ~ Matratzenschaukel
~ 49 ~ Buttertouren
~ 50 ~ Walnussbaum
~ 51 ~ Kartoffelfeuer
~ 52 ~ Sankt Martin
~ 53 ~ Silvester
~ 54 ~ Hasenbraten
~ 55 ~ Schlittschuhlaufen auf der Rohrstraße
~ 56 ~ Eisglitschen
~ 57 ~ Rodeln auf dem Hitzacker
~ 58 ~ Felsengrotte
~ 59 ~ Schlittenfahrt mit dem Schimmel
~ 60 ~ Schulausflug nach Ohlenhardt
~ 61 ~ Waldameisen
~ 62 ~ Schafswollstrümpfe
~ 63 ~ Leibchen
~ 64 ~ Schlitteneigenbau
~ 65 ~ Schlittenfahrt auf dem Kloßeberg
~ 66 ~ Kartoffeln setzen
~ 67 ~ Fahrradeigenbau
~ 68 ~ Meine erste Fahrradtour an die Urf
~ 69 ~ Heuernte
~ 70 ~ Waldbeeren (Blaubeeren) pflücken
~ 71 ~ Skibretter selbst gemacht
~ 72 ~ Das Spiel mit dem Feuer
~ 73 ~ Skilaufen auf dem Mohlenberg
~ 74 ~ Meine erste Banane
~ 75 ~ Schulsportfest
~ 76 ~ Fahrradtour zur …
~ 77 ~ Drachensteigen
~ 78 ~ Schulausflug zum Drachenfels
~ 79 ~ Verkehrshindernis
~ 80 ~ Drei Groschen
~ 81 ~ Die Taufe
~ 82 ~ Erdwespennest
~ 83 ~ Schwimmbadbau
~ 84 ~ Schweizer Kracher
~ 85 ~ Wer trifft die Lampe?
~ 86 ~ Pilze sammeln
~ 87 ~ Opas Abschied
~ 88 ~ Wallfahrtsprozession nach Barweiler
Ich bin 1937 auf einem kleinen Bauernhof in der Eifel auf die Welt gekommen. Meine drei Schwestern sind 1932 und 1935 (Zwillinge) geboren.
Mama erzählte: Als ich kaum aus den Windeln war, stürzte mein Opa mit mir auf dem Arm die Gartentreppe hinunter. Opa hat mich fest an seinen Körper gedrückt, um mich zu schützen. Dabei ist der Sturz für Opa nicht so glimpflich verlaufen. In seinem achtundsiebzigsten Lebensjahr hat Opa einen doppelten Leistenbruch erlitten. Ärztliche Hilfe war nicht bezahlbar. Opa musste fortan eine Bruchbinde tragen.
Ich habe mich gerne neben Opa ins Bett gelegt. Im Winter hat Opa seine kalten Füße an einem heißen Ziegelstein, der in Tücher eingewickelt war, erwärmt. Opa erzählte mir dann spannende Geschichten. Als junger Mann war er als Krankenpfleger in einer Heilanstalt für nervenkranke Menschen angestellt. Seinen Nachtdienst musste er über mehrere Stockwerke verrichten. Auf der Treppe zur nächsten Etage musste er manchmal zurückeilen, weil er laute Rufe eines Kranken vernahm. Der Nachtdienst brachte ihn oft an die Grenzen seiner Kräfte.
Opa war leidenschaftlicher Pfeifenraucher. Der Pfeifentabak war sehr teuer und nur schwierig zu bekommen. Deshalb hat Opa im Garten Tabakpflanzen gezüchtet. Die Saatkerne, die den Sonnenblumenkernen ähnlich sind, hat Opa in Saatkästen ausgesät. Sobald die aufgekeimten Pflänzchen groß genug waren, wurden sie in ein Gartenbeet umgepflanzt. Opa hat die Tabakpflanzen gehegt und gepflegt. Die ersten gelben Blätter hat er aufgehängt, damit sie in der Sonne schneller reifen. Danach hat Opa die Tabakblätter zusammengerollt, geschnitten und genussvoll in seine Pfeife gestopft. Im Herbst hat Opa die noch grünen Tabakblätter in ein Tonrohr gesteckt. Das Tonrohr wurde auf der heißen Herdplatte erhitzt, bis der Saft aus den Blättern verdunstet war. Danach wurden die Tabakblätter aus dem Tonrohr gedrückt. Der feste Tabakstrang wurde mit dem Tabakschneider in Scheiben geschnitten und mit den Händen zu Pfeifentabak verfeinert. Mit zunehmendem Alter konnte Opa aufgrund seines Leidens nicht immer sein Bett verlassen. Auf seine Pfeife wollte er aber nicht verzichten. Im Bett sitzend hat Opa gerne sein Pfeifchen geraucht. Um die Pfeife anzuzünden brachte ich oder eine meiner Schwestern ein glimmendes Holzspänchen (genannt Fiete) an sein Bett. Opa war froh, wenn er eine kurze Geschichte zu erzählen hatte. Im Umgang mit der Fiete und der Pfeife war Opa immer sehr vorsichtig. Es hat nie ein Malheur gegeben.
Zu den Mahlzeiten kam auch Opa mit an den Tisch. Mit nur noch einem verbliebenen Zahn hatte Opa viel Mühe beim Essen. Seine Mahlzeiten bestanden überwiegend aus Milchsuppe. Mama hat für ihren Vater extraweiches Weißbrot gebacken. Auf das Brot kam ein dicker Aufstrich aus selbst gemachter Butter. Es gab auch ab und zu ein weich gekochtes Ei dazu. Die alten Hühner auf dem Hof legten nur wenige Eier. Die Kükenaufzucht war missglückt. Mama musste mit den Eiern klug haushalten, damit sie für ein paar Eier Salz und Zucker kaufen konnte. Alle freuten sich, wenn Mama eine große Pfanne mit Rührei auf den Tisch brachte.
Blick auf Tondorf von der jetzigen Rohrer Straße
Papa wurde aus gesundheitlichen Gründen vom aktiven Wehrdienst freigestellt. Die Freistellung war an die Verpflichtung gebunden, zur besonderen Verwendung (ZBV) zur Verfügung zu stehen. Papa wurde verpflichtet, mit Kriegsgefangenen aus Russland und Polen im Bergischen Land von Buchenstämmen die Rinde abzuschälen. Die Buchenbäume waren vorher gefällt worden. Die Buchenrinde wurde für die Herstellung von Schießpulver verwendet. An den Wochenenden durfte Papa zu seiner Familie nach Hause fahren. Die Kriegsgefangenen blieben im Gefangenenlager. Mama nahm mich samstags mit zur Bushaltestelle, um Papa abzuholen. Wir freuten uns sehr, Papa in die Arme zu schließen. Meine Vorfreude war besonders groß auf das Hasenbrot, welches Papa für mich mitbrachte. Es war ein Stück trockenes Frühstücksbrot, das Papa für mich aufbewahrt hatte.
Mama, Papa und wir vier Kinder waren auf dem Feld bei der Kartoffelernte. Nachdem Papa das welke Kartoffellaub mit der Sense abgemäht hatte, wurde jede Kartoffelreihe mit einem pflugartigen Heber aus dem Boden gehoben. Der Heber bestand aus einer Doppelschar, an der seitlich nach außen gerichtete Dreifachzinken angeschweißt waren. Die Doppelschar, die von einer Kuh gezogen wurde, trieb unter die Kartoffelsträucher. Die frei gewordenen Kartoffeln wurden aufgelesen und in Körbe sortiert.
Gegen Mittag kam Onkel Willi aufs Feld, um sich von seinem Schwager und uns zu verabschieden. Papa und Onkel Willi nahmen sich lange Zeit fest in die Arme. Onkel Willi war in Uniform auf dem Weg zur Bahnstation, von dort fuhr er zur Front nach Stalingrad. Wir haben von Onkel Willi nichts mehr gehört.
An einem warmen sonnigen Sonntagmorgen – Mama und Papa waren zur Sonntagsmesse in der Kirche – bin ich die Straßen und Gassen entlang bis ans Ende des Dorfes gegangen. Vor dem letzten Haus an der Straße, die zum Wald führte, traf ich auf einen Jungen, der Brennholz aufstapelte. Seine Mutter kam bald, um zu sehen, wer da gekommen ist. Sie erkannte mich sofort. Sie war wie meine Mutter im Oberdorf aufgewachsen und seit Kinderzeit mit meiner Mutter gut befreundet. Weil sie glaubte, meine Mutter würde mich bereits suchen, brachte sie mich nach Hause. Fritz kam mit, um zu sehen, wo ich wohne. Auf dem Heimweg erzählte uns seine Mutter, dass wir beide bald eingeschult werden. Es gab ein freudiges Wiedersehen.
Nach den Sommerferien 1943 war die Einschulung. Wir lernten Buchstaben mit dem Griffel auf eine Schiefertafel zu schreiben. Mama hat meine linke Hand an eine Holzsprosse der Sitzbank festgebunden, damit ich lerne, mit der rechten Hand zu schreiben.
Kaum war das erste Schuljahr geschafft, musste die Schule geschlossen werden. Die Kokslieferung für die Heizung war eingestellt worden. Für den verstorbenen Lehrer stand kein Ersatz zur Verfügung. Die Lehrerin konnte allein nicht acht Schulklassen unterrichten. Auch der Krieg wurde bedrohlicher.
Bevor Papa vom Wehrdienst befreit wurde, war er zur Grundausbildung bei den Pionieren abkommandiert. Die gewonnenen Kenntnisse in der Pionierausbildung waren für seine Zukunft sehr nützlich. Er hat Kenntnisse im Umgang mit Sprengstoff und im Brückenbau erlangt. In den letzten Kriegsjahren wurde Papa zum Schutz der Heimatfront verpflichtet. Er bekam ein Gewehr, eine Gasmaske und eine graue Uniform. Der sogenannte Volkssturm der Heimatfront musste die Piloten der abgeschossenen feindlichen Kampfflugzeuge im nahen Waldgebiet suchen. Ein Pilot war wenige Meter über der Erde mit seinem Fallschirm an einem Baum hängen geblieben. Dieser Pilot hat, wie ein anderer, dessen Fallschirm nicht aufgegangen war, nicht überlebt. Die toten Piloten wurden in einem großen Stück Fallschirmseide abtransportiert. Ebenso wurde der nicht aufgegangene Fallschirm der Wehrmacht übergeben, erzählte mir Papa. Von dem anderen Stück der Fallschirmseide hat Mama Blusen genäht. Die Flugzeugangriffe auf die Großstädte nahmen bedrohlich zu. Die Bedrohungen waren auch im Dorf zu spüren. Aus den Städten flüchteten ältere Menschen und Mütter mit ihren Kindern zu ihren Verwandten aufs Land. Es ist vorgekommen, dass feindliche Flugzeuge ihre Bombenlast vor dem eigentlichen Ziel abwarfen. Ein Haus im Dorf wurde dabei getroffen. In den Trümmern starben zwei Menschen. Papa wusste, dass auch eine Bombe auf sein Haus fallen konnte.
Als ausgebildeter Pionier wusste er, wie ein Luftschutzbunker gebaut wird, der seiner Familie Schutz bietet. Der an die Hoffläche angrenzende Garten bot eine gute Gelegenheit dazu. Vom Hof zum Garten waren circa zwei Meter Höhenunterschied. Die Nachbarn haben mitgeholfen, eine Grube von circa 20 m2 Größe auszuheben. Der Boden bestand überwiegend aus festem Lehm. Gegen die Lehmwände wurden zwei Meter lange Buchenstämme, die einen halben Meter dick waren, mit Flaschenzügen aufgestellt. Die Bunkerdecke wurde mit zwei langen Buchenstämmen überspannt. Auf die Buchenstämme wurden Strohballen gelegt, die mit dem Lehm überdeckt wurden. Der Bunkereingang war abgewinkelt angelegt, damit keine Granatsplitter in den Bunkerraum eintreten konnten. Der Bunkerraum war circa 12 m2 groß. Von oben war nur ein Erdhügel erkennbar. Im fertigen Bunker waren Bänke und Decken. Meine Schwester Renate ist bei jedem Fliegergeräusch in den Bunker gelaufen. Sie hatte schlimme Angst davor, dass unser Haus von einer Fliegerbombe getroffen wird.
In unserem Haus waren die Flaksoldaten einquartiert. Die Flakgeschütze standen hinter dem Friedhof auf freiem Feld. Die Flakgeschütze waren mit vier Vierlings- und zwei 8/8-Kanonen ausgerüstet. Am zweiten Weihnachtstag 1945 nahm mich ein Soldat zum Stützpunkt mit. Ein Flieger in großer Höhe überflog den Stützpunkt. Ich sagte: »Schieß den Flieger ab.« Der Flaksoldat sagte: »Ich habe keinen Schießbefehl.« Einen Moment später explodierte außerhalb des Dorfes eine Bombe. Tags darauf traf eine Bombe das Kirchenschiff, die den Altarraum zerstörte. Im Dorf wurden noch ein Haus und die Mühle zerstört. In den Trümmern starben zwei Frauen. Die Bomben sollten wohl die Flakstellung treffen.
Die in unserem Haus einquartierten Flaksoldaten waren im Dauereinsatz und steckten Tag und Nacht in ihren Uniformen. Die Soldaten waren total verlaust. Auch meine drei Schwestern waren von den Läusen befallen. Die Läuse