Spirit of Tanzanite - Kurt Baldauf - E-Book

Spirit of Tanzanite E-Book

Kurt Baldauf

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Beschreibung

Nick ist ein Abenteurer und Geschichtenerzähler, den ich im Flugzeug nach Tansania kennen lerne. Ich werde dort als Volunteer und Lehrer an verschiedenen Schulen arbeiten und im selben Flugzeug treffen wir auf Rick und Betty. Sie sind ein reiches Paar aus Amerika, das mit seinem Geld nicht nur bei Hilfswerken und sozialen Institutionen, sondern in ganz Afrika sehr willkommen ist. In der Hauptgeschichte von SPIRIT OF TANZANITE prallt unsere westliche Weltsicht auf ein wunderschönes, aber gleichzeitig mysteriöses und manchmal auch gefährliches Land, dessen fremde und herausfordernde Kultur anfangs jeder auf seinen eigenen Wegen entdeckt. Das Schicksal führt uns allerdings schon bald wieder zusammen und wir bestehen ein Abenteuer, in dem es um Freiwilligen-Einsätze, Tansania, begehrte Edelsteine, Masai, Inder , Chinesen und um die Entführung einer Westlerin geht. Der zweite Teil dieses Buches ist eine Sammlung von Lagerfeuer- und Barhockergeschichten, die ich mit Nick austauschte, während ich versuchte ihn und Afrika etwas besser kennen zu lernen.

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Kurt Baldauf

Spirit of Tanzanite

Erzählungen aus Tansania

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

SPIRIT of TANZANITE

ABRACATANGA

Die PRINZESSIN von SABA

KILIMANJARO – GATE

DER MASAI (eine kurze Geschichte)

L’ISOLA CHE NON C’E` (Ein Märchen)

Impressum neobooks

SPIRIT of TANZANITE

1

„Da, wo du wohnen wirst, gibt es nur Kerosen-Lampen,“ erklärt Sam vom Beifahrersitz nach hinten und deutet auf den Benzinkanister, den er vorsichtig zwischen seine Beine gestellt hat: „Ich habe einen Freund am Flughafen und wenn ich schon mal hier bin….“

Zu diesen Worten grinst er zum Fahrer, der wohl auch ein Freund ist und ich weiss nicht genau, was das Grinsen zu bedeuten hat.

Ich sitze auf dem Rücksitz eines Taxis, das Sam organisiert hat und komme aus dem Winter Europas mitten hinein ins östliche Afrika. Hier ist es auch nachts noch so warm, dass wir die Fenster nach unten gekurbelt haben. Mitternacht ist längst vorbei und wir fahren auf einer unbeleuchteten Strasse vom Kilimanjaro-Airport nach Arusha.

Auf der asphaltierten Schnellstrasse herrscht Linksverkehr, was mich anfangs sehr irritiert. Bei jedem Fahrzeug, das uns entgegenkommt, befürchte ich, dass wir auf der falschen Strassenseite fahren und als Nächstes frontal ineinander krachen. Nachdem ich mich endlich an den Linksverkehr gewöhnt habe, verlassen wir die Schnellstrasse und seit die ersten Häuser Arushas aufgetaucht sind, ist Links und Rechts nicht mehr so wichtig. Auf den holprigen Nebenstrassen aus festgefahrener Vulkanerde beansprucht der Stärkere die Seite, auf der es weniger Schlaglöcher hat und das ist auch schon die einzige Regel, die ich erkennen kann.

Seit einigen Minuten fahren wir im Schritttempo und halten endlich neben einem Haus, vor dem wir aussteigen. Nachdem ich das Taxi bezahlt habe, werden wir von einigen Menschen begrüsst, die sich schnell wieder in ihre Zimmer und Betten zurückziehen.

Ich vereinbare mit Sam einen Termin für den nächsten Morgen und betrete das Zimmer, das für die nächsten Tage oder Wochen mein Zuhause sein soll, denn so genau haben wir noch nicht über die Dauer meines Aufenthalts gesprochen.

Auch die Zeit scheint hier eine andere Bedeutung zu haben.

Wenigstens war der Hinweis mit den Kerosen-Lampen nur ein Witz gewesen. Die Glühbirne in meinem Zimmer funktioniert jedenfalls einwandfrei. Ich bin erschöpft vom zwölfstündigen Flug und all den neuen und verwirrenden Eindrücken und strecke mich auf dem grossen Bett. Das letzte, was ich wahrnehme, ist das Winseln und Heulen mehrerer Hunde, die sich vor dem Haus herumtreiben. Weil ich zu müde bin, um mich zu wundern, lösche ich das Licht und schlafe sofort ein.

Leider nicht für lange, denn vor meinem Fenster ist es noch dunkel, als ich von den Gebetsrufen, die von mehreren Moscheen hallen, geweckt werde. Damit habe ich gerechnet, weil etwa die Hälfte der Bevölkerung Tansanias aus Moslems besteht. Nicht aber mit dem Gemurmel einer Frau, das auf die Gebetsrufe folgt. Sie muss sich im Haus befinden und ihre rhythmischen Wortfolgen, die nach einem Gebet tönen, werden immer lauter und hektischer und enden in Beschwörungen, die ebenso gut Verwünschungen sein könnten. Als es endlich ruhig wird, öffne ich vorsichtig die Zimmertür und werde von einer sehr freundlichen Frau begrüsst, die im Gang vor meinem Zimmer steht. Sie spricht nur Kiswahili und zeigt mir den Weg auf die Veranda. Dort bietet sie mir einen Stuhl an und verschwindet wieder im Haus. Nach einigen Minuten kommt sie zusammen mit einem Mädchen auf die Terrasse zurück und bedeutet mir mit Gesten und den wenigen englischen Worten die sie kennt, dass es sich um ihre Tochter handelt. Sie heisst Natasha und spricht anscheinend etwas Englisch. Jedenfalls fragt sie leise und schüchtern, ob ich einen Tee oder lieber Kaffee möchte. Ich bestelle Kaffee und die beiden verschwinden wieder, nachdem ich mit der Mutter nochmal ein Lächeln getauscht habe.

Während ich auf den Kaffee warte, betrachte ich die Umgebung und versuche mich in der Gegenwart zurechtzufinden. Das fällt mir allerdings schwer, weil ich zuerst über die anstrengende Reise hierher nachdenke und vor allem über die Begegnung mit Nick, Rick und Betty.

Wir hatten uns auf dem Flughafen von Istanbul kennengelernt, wo wir im selben Terminal auf den Anschlussflug nach Arusha warteten. Schnell war klar gewesen, dass unser gemeinsames Ziel Tansania war und Nick, ein gebräunter, gut trainierter, etwa 45-jähriger Mann, wollte es genauer wissen. Nach dem üblichen ‚Small-talk‘ stellte sich heraus, dass wir alle vorhatten, irgendwann in den nächsten Wochen nach Meriran zu reisen. Dort befindet sich die weltweit einzige Fundstätte des Tansanits und wir alle waren von diesem Edelstein zu der Reise nach Tansania angeregt worden. Nick stellte geschickte Fragen und Rick und Betty erzählten bereitwillig, dass sie sich vor dem Schaufenster eines Juweliers in Kapstadt für die Reise entschieden hatten. Mir war es genau gleich gegangen, nur war es bei mir ein wunderschön und tiefblau leuchtender Tansanit im Schaufenster einer Zürcher Bijouterie gewesen. Nick ergänzte lächelnd, dass er im Auftrag eines Londoner Kunden unterwegs war, der einen ganz speziellen Tansanit auf seiner Wunschliste hatte. Das behauptete er jedenfalls und ich war bereit es ihm zu glauben.

Unser Gespräch drehte sich weiter um Tansanit und Nick, der vermeintliche Edelsteinjäger, wusste natürlich am meisten: „Es ist die übliche Geschichte. Den Tansanit kennt man schon seit Jahrhunderten, aber Tiffanys hat ihn erst 1967 in seine Jahreskollektion aufgenommen. Die hatten irgendwann gemerkt, dass sich der blaue Stein gut neben den Diamanten aus Afrika machte, die man, nebenbei erwähnt, 1000mal öfter findet als Tansanit.“

„Weltweit gerechnet natürlich,“ lächelte Betty und Nick lächelte zurück, bevor er weitererklärte:

„Wegen Organisationsproblemen und Lieferschwierigkeiten, wie sie es damals nannten, liessen sie den Stein aber wieder fallen und erst seit einigen Jahren wird er wieder im grossen Stil vermarktet. Offiziell heisst es, dass die Mienen regelmässig kontrolliert und keine Abbaulizenzen mehr an Ausländer verkauft werden.“

Das konnte man auch in guten Reiseführern nachlesen und es viel mir nicht schwer, Nicks Ausführungen zu ergänzen: „Das wiederum öffnet der Korruption Tür und Tor und für die lokale Bevölkerung fällt nach den horrenden Bestechungsgeldern, die an einflussreiche Politiker bezahlt werden müssen, nicht mehr übrig, als die schlecht bezahlte und gefährliche Arbeit in den Mienen.“

„Immerhin,“ lachte Nick, „aber lasst uns im Flugzeug weiterreden. Ich werde uns dort eine ruhige Ecke organisieren.“ Mit diesen Worten trat er zu einer attraktiven Stewardess, die soeben mit ihrem Team die Abflughalle betreten hatte. Weltmännisch und charmant verhandelte er mit der Flugbegleiterin und schaffte es tatsächlich, eine freie Sitzreihe für uns zu finden.

Nach dem von der Fluggesellschaft offerierten Willkommensdrink war klar, dass wir neben dem Tansanit noch weitere Gründe hatten, um nach Tansania zu reisen. Ich hatte vor, als Volunteer und Lehrer zu arbeiten, um auf diese Weise mehr von diesem Land kennenzulernen und Rick und Betty schienen wohlhabende Amerikaner zu sein. Sie reisten immer wieder nach Afrika und besuchten verschiedene Hilfsprojekte und soziale Institutionen, wo sie mit ihrem Geld natürlich hochwillkommen waren. Nick interessierte sich vor allem fürs Geschäft, wie er abgebrüht erklärte und er hielt das Gespräch mit folgender Feststellung im Schuss: „Ich will Gold und Edelsteine, unser Freund Jacko sucht das Abenteuer und die zwei Amis beruhigen ihr schlechtes Gewissen. Ha-Ha. Das war nur ein Scherz.“

Rick stimmte in Nicks Lachen ein, obwohl er den Witz nicht lustig fand und nach einigen weiteren Drinks schlug Nick vor, dass wir uns alle in fünf Wochen zur Neujahrsfeier in Meriran treffen sollten.

„Kommt, lasst uns darauf anstossen. Wir haben alle genug Zeit, sind freie Menschen und kommen in ein Land, in dem wir Könige sind - ‚M‘zungus‘ nennen sie uns. Das heisst Weisser und bedeutet Reicher.“

Nick nahm einen Schluck von seinem Whisky. Gut möglich, dass er betrunken war, obwohl man ihm das nicht ansah. „Und natürlich Königinnen,“ fuhr er mit einem Zwinkern zu Betty fort. „Ausserdem glaube ich nicht, dass wir uns hier zufällig getroffen haben, denn ich glaube nicht an Zufälle.“

„Zufälle?“ fragte Betty. Sie hatte sich seit längerem nicht mehr an der Unterhaltung beteiligt und so getan, wie wenn sie schlafen würde.

„Genau,“ antwortete Nick. „Ich glaube an Schicksal.“

„Wo ist der Unterschied?“ zu dieser Frage schmiegte sie den Kopf an Ricks Schulter. Als sie keine Antwort erhielt, schloss sie die Augen wieder, zog die Knie an den Körper und kuschelte sich in ihren Sitz. Ihr Gesichtsausdruck spiegelte wieder, was ich soeben dachte:

‚Das war eines dieser Whisky-Gespräche unter Männern, aus denen meistens nichts wird und wenn, dann nur selten etwas Gutes.‘

2

Inzwischen hatte mir Natasha den Kaffee gebracht und das wiederum brachte mich in die Realität zurück.

Sam war soeben aufgestanden und wunderte sich, dass ich schon wach war. Nachdem er mich ins Wohnzimmer gebeten hatte, kümmerte er sich um das Morgenessen und nach und nach tauchten die einzelnen Familienmitglieder am Esstisch auf. In der Küche stand jetzt eine weitere Frau an einem Gasherd und die ältere Frau, die ich bereits kannte, hantierte mit einem Eimer, der mit Milch gefüllt war. Sam machte uns miteinander bekannt:

„Das ist Jacko, er wird hier an einer Schule arbeiten. - Und das ist meine Mutter: Mama Andy. Die andere Frau in der Küche ist Christina. Sie ist eine unserer Angestellten. Die zwei sprechen kaum Englisch,“ erklärte er und strich dazu reichlich Erdnussbutter auf frische Toastbrote. Dann strahlte er, denn im Wohnzimmer erschien gerade das Mädchen, das mir den Morgenkaffee gebracht hatte.

„Das ist Natasha, meine kleine Schwester,“ wurde sie mir zum zweiten Mal vorgestellt. „Sie besucht die Secundaryschool und beginnt nächstes Jahr mit dem College. Natasha spricht Englisch und ist eine sehr gute Swahili-Lehrerin, falls du unsere Sprache lernen willst.“

„Ja, warum nicht,“ antwortete ich unverbindlich und liess die Frage damit offen. Das Mädchen trat an den Tisch und reichte mir die Hand. Dazu machte sie grosse Augen und ich fragte mich eine Sekunde lang, was dieser Blick zu bedeuten hatte. Die Frauen hatten in der Küche zu tun und während ich mein Toast ass, bestaunte ich einige Hirsch- und Gazellen-Geweihe an der Wohnzimmerwand. Auf der Veranda hing sogar ein Büffel-Schädel mit riesigen Hörnern, an den ich mich jetzt erinnerte.

„Die hat mein Vater geschossen. Er ist Jäger,“ beantwortete Sam meinen fragenden Blick. In diesem Moment und wie auf Stichwort trat ein etwa sechzigjähriger Mann zu uns und ordnete dazu sein rotblau-kariertes Masai-Tuch, das er um seine Schulter und über einen modernen Trainingsanzug geschlungen hatte. Der Mann reichte mir die Hand, begrüsste mich in perfektem Englisch und stellte sich gleich selber vor. Danach setzte sich Mister Andrew an den Tisch und kümmerte sich zärtlich um einen kleinen Jungen, den er im Schlepptau hatte.

„Das ist Baraka,“ meinte er dazu und Sam fügte bei: „Baraka bedeutet Segen in unserer Sprache und er ist der Sohn meiner Tante, die bei seiner Geburt gestorben ist. Seither lebt Baraka bei uns.“

Ich nickte und wir tranken zusammen Kaffee. Nach einem lockeren Willkommensgespräch erhob sich Sams Vater und trat auf die Veranda, wo zwei junge Schwarze aufgetaucht waren. Er gab ihnen kurze Anweisungen, worauf die zwei mit gemächlichen und sparsamen Bewegungen verschwanden. Dazu musterten sie mich mit misstrauischen und gleichzeitig neugierigen Gesichtsausdrücken.

„Das sind unsere Arbeiter,“ sagte Sam, „sie leben ständig auf der Farm, wie Christina und wie mein Bruder Andy. Der ist allerdings bereits verheiratet und hat sich ein eigenes Haus gebaut. Wir werden ihn später sehen.“

Ich versuchte, die inzwischen etwas ins Stocken geratene Stimmung aufzulockern, indem ich dem Masaifarmer eine Frage stellte, die mir schon den ganzen Morgen auf der Zunge lag:

„Mister Andrew, was muss ich für den Aufenthalt in ihrem Haus bezahlen?“

Mister Andrew antwortete nicht sofort und ich befürchtete schon, dass ich die falsche Frage gestellt hatte. Jedenfalls wechselten Sam und sein Vater erstaunte Blicke, bevor der Masai lächelnd antwortete:

„Nichts… Alles, was ich besitze hat mir Gott geschenkt.“

Das tönte gut und ich entdeckte soeben ein Portrait über dem Kamin, auf dem Mister Andrew in Jagduniform zu erkennen war. Es hing über einem Bild von Jesus und weil das Thema erledigt war, stellte ich die nächste, hoffentlich weniger komplizierte Frage:

„Wieso heissen in eurer Familie eigentlich so viele Andy?“

Sam erklärte: „Wenn bei uns ein Paar den ersten Sohn bekommt, erhält er den Namen des Vaters und die Mutter nimmt den gleichen Namen an. Mein Bruder heisst Andy und meine Eltern deshalb Mama Andy und Baba Andy. So weiss jeder, dass sie einen Sohn haben… Und jeder weiss, wer der erste Sohn der beiden ist.“

Diese Antwort war einleuchtend und ich war froh, dass unser Morgenessen beendet war und wir uns für eine Farmbesichtigung bereit machten.

Wir traten auf die Veranda, von der man über einen gepflegten Rasen und einen Rosengarten blickte, der in einer Ecke angelegt war. Die gesamte Anlage wurde von Bäumen begrenzt, die von verschiedenfarbigen, mir unbekannten Vögeln bevölkert wurden und in Büschen und Heckensträuchern scharrten einige Hühner. Das Haus und der Garten machten einen herrschaftlichen Eindruck und gehörten zu einer Farm, die mit etwa zehn Hektaren bestimmt eine der grösseren der Gegend war. Bananenplantagen, frisch bepflanzte Bohnenfelder, fünf Kühe, ein Schweinestall und ein grosser Hundezwinger gehörten ebenfalls zum Anwesen. Die etwa zwanzig Hunde setzten zu einem ohrenbetäubenden Geheul an, als wir zum Zwinger traten und ich wusste nun, woher der Lärm in der Nacht gekommen war.

„Wir züchten Hunde,“ lachte Sam.

In einer anderen Ecke der Farm trafen wir auf Sams Bruder Andy. Er war gerade damit beschäftigt, ziegelsteinförmige Stücke aus rotbrauner Erde zu stechen. Daraus baute er einen ordentlichen Turm, den er danach einheizen würde, um auf diese Weise Mauersteine zu brennen. Er reichte mir die Hand, bevor ich mich mit Sam zu einem grossen Gebäude aufmachte, dass noch im Bau war. Ich brauchte einen Moment, um festzustellen, dass es sich um eine Kirche handelte. Sie stand auf einem grossen Stück Land in einer Ecke der Farm und ich hätte gerne gewusst, ob Mister Andrew das Land an die Kirche verkauft hatte. Vorsichtshalber verzichtete ich aber auf diese Frage. Schliesslich konnte es mir egal sein, wie er sich die Traktoren und Autos leisten konnte, die ich hinter dem Haupthaus gesehen hatte.

„Das ist unsere Kirche, Jacko. Willst du sie dir ansehen?“ fragte Sam.

Mir war‘s recht und ich registrierte die Kirchenbänke, die man in eine Ecke gestapelt hatte und das grosse, mit Tüchern verzierte Kreuz, dass hinter einem improvisierten Altar hing. Über Betonbalken und leere Bogenfenster spannte sich ein Wellblechdach und einige Arbeiter standen in etwa zehn Meter Höhe auf wackligen Gerüsten.

„Wie lange dauert es noch, bis diese Kirche eingeweiht wird?“ wollte ich wissen und merkte sofort, dass auch diese Frage auf Verwunderung stiess:

„Sie ist bereits eingeweiht. Wenn du willst, kannst du am Sonntagmorgen den Gottesdienst besuchen. Er wird allerdings in Kiswahili abgehalten.“

„Ja, warum nicht,“ antwortete ich und lies die Einladung genau so offen, wie das Angebot für Natashas Kiswahili-Unterricht.

Nach einer kurzen Pause auf der Veranda, die gerade von Natasha mit Wasser und Lumpen gereinigt wurde, machten wir uns auf den Weg zum Stadtkern von Arusha, denn als Nächstes stand der Besuch von einigen Schulen und eine Stadtbesichtigung auf dem Programm. Auf dem Weg, der in die weiter unten gelegene Stadt führte, versuchte ich, mich an die Namen der Familienmitglieder zu erinnern. Bei den vielen Andys schaffte ich das noch einigermassen, musste dann aber doch bei Sam nachfragen: „Du und dein Bruder habt englische Namen und deine Schwester einen Russischen. Wie kommt das?“

„Da musst du Mister Andrew fragen,“ war seine knappe Antwort.

„Und wenn ihr miteinander sprecht, benutzt ihr afrikanische Namen?“ wollte ich weiter wissen, denn ich glaubte, das herausgehört zu haben.

„Ja. Oder Übernahmen. Wir haben alle auch einen Übernahmen. So weiss man immer, von wem die Rede ist.“ Er grinste und zeigte auf ein offen stehendes Eisentor, das wir inzwischen erreicht hatten.

„Das ist eine der Schulen, an der du arbeiten kannst.“

Hinter dem Tor befand sich ein langgezogenes, einstöckiges Gebäude mit gelben Mauern und Wellblechdach, das aus mehreren aneinandergereihten Schulzimmern bestand. Eine alte Frau trat aus dem ersten Raum und Sam stellte sie als ‚Missis Mollet‘ vor. Sie war die Oberlehrerin und reichte uns die Hand. Darauf wechselten Sam und die Frau einige Worte in ihrer Sprache. Sie nickte verstehend und bat mich in ihr Schulzimmer. Dort sassen einige Kinder zwischen vier und acht Jahren, die sich sofort von ihren Bänken erhoben und uns in eingeübtem, lautstarkem Chor begrüssten:

„Good morning, Teacher. How are you Teacher. Thank you Teacher,“