Springfield Confidential - Mike Reiss - E-Book
SONDERANGEBOT

Springfield Confidential E-Book

Mike Reiss

0,0
11,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 11,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ay, caramba! Gelber wird´s nicht

Warum sind die Simpsons gelb? Und wo liegt eigentlich Springfield?

Geschichten, Hintergründe, Skandale und Gerüchte – er kennt sie alle und bringt Licht hinter die Kulissen der Kult-Serie. Der viermalige Emmy-Award-Gewinner Mike Reiss ist seit der ersten Episode im Jahr 1989 Co-Autor der Simpsons und nimmt den Leser mit in die rasante Welt des gelben Humors. Wie entstehen die Folgen? Wer denkt sie sich aus? Welche Philosophie steckt hinter alldem? Immer urkomisch, höchst unterhaltsam und lehrreich – näher ist man Springfield noch nie gekommen!

„Das Gute ist immer selten. Richtig gute Komiker sind selten. Demnach ist Mike Reiss per Definition eine Seltenheit.“ – Conan O´Brien

„Extrem lustig und faszinierend.“ – Vanity Fair

„Diddeli-du, hier ist alles drin, was Sie je über die Simpsons wissen wollten.“ – Washington Post

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 379

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Warum sind die Simpsons gelb? Und wo liegt eigentlich Springfield?

Geschichten, Hintergründe, Skandale und Gerüchte – er kennt sie alle und bringt Licht hinter die Kulissen der Serie. Der viermalige Emmy-Award-Gewinner Mike Reiss ist seit der ersten Episode im Jahr 1989 Co-Autor der Simpsons und nimmt den Leser mit in die rasante Welt des gelben Humors. Wie entstehen die Folgen? Wer denkt sie sich aus? Welche Philosophie steckt hinter alldem? Immer urkomisch, höchst unterhaltsam und lehrreich - näher ist man Springfield noch nie gekommen!

„Das Gute ist immer selten. Richtig gute Komiker sind selten. Demnach ist Mike Reiss per Definition eine Seltenheit.“ – Conan O´Brien

„Extrem lustig und faszinierend.“ – Vanity Fair

MIKE REISS

MATHEW KLICKSTEIN

Alles über die Simpsons – Hinter den Kulissen der gelbsten Serie der Welt

Aus dem Amerikanischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié

Wilhelm Heyne Verlag

München

Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel Springfield Confidential bei Dey Street Books, An Imprint of WILLIAM MORROW.

Dieses Buch ist kein offizielles Lizenzprodukt. Es wurde unabhängig von den Produzenten der TV-Serie The Simpsons erstellt und veröffentlicht.

Für die Inhalte ist ausschließlich der Verlag verantwortlich.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Dieses Buch beinhaltet ergänzende Anmerkungen der Übersetzer. Die Fußnoten 3, 10, 34 und 38 sind Originalanmerkungen des Autors. Alle übersetzten Film- und Serientitel, die auf Deutsch erhältlich sind, wurden kursiv gesetzt.

Deutsche Erstausgabe 09/2019

© 2018 by Mike Reiss Entertainment, Inc.

© 2019 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Nina Lieke

Umschlaggestaltung und Motiv: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich, nach einer Idee von Owen Corrigan

Innengestaltung: Michelle Crowe

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-24503-0V001

www.heyne.de

Für Matt Groening, Jim Brooks und Al Jean – danke für den tollsten Job der Welt. Bitte schmeißt mich nicht raus.

– Mike Reiss

Willkommen in der erniedrigenden Welt des professionellen Schreibens.

– Homer Simpson

Inhalt

Vorwort von Judd Apatow

Vorspann

Brennende Frage

Wo liegt Springfield?

Erster Akt

Kapitel 1

Los geht’s …

Kapitel 2

Eine kleine Geschichte meiner selbst

Kapitel 3

Funny for Money

Zweiter Akt

Kapitel 4

Dürfen wir vorstellen? Die Autoren

Brennende Frage

Simpsons-Songs – Wer schreibt sie, wie entstehen sie, und warum gibt es so verflucht viele davon?

Kapitel 5

Dürfen wir vorstellen? Die Showrunner

Kapitel 6

Dürfen wir vorstellen? Die Figuren

Kapitel 7

Dürfen wir vorstellen? Die Sprecher

Brennende Frage

Lesen wir, was Fans auf Websites posten?

Kapitel 8

Vier Folgen, die die Welt veränderten (zumindest ein bisschen)

Brennende Frage

Wie finden Sie Family Guy?

Kapitel 9

Dürfen wir vorstellen? Die Fans

BRENNENDE FRAGE

Was antworten Sie Leuten, die Ihnen erzählen, die Sendung ginge den Bach runter?

Kapitel 10

Man kommt viel herum mit den Simpsons

Brennende Frage

Warum hält sich die Serie schon so lange?

Dritter Akt

Kapitel 11

Über Comedy

Kapitel 12

Wie aus Krusty The Critic wurde

Brennende Frage

Was war der Hauptgrund für den Misserfolg des Critic?

Kapitel 13

Ein Pakt mit dem Teufel

Brennende Frage

Was ist das Erfolgsgeheimnis der Simpsons?

Kapitel 14

Trickfilme – kein Ruhm, aber Geld

Kapitel 15

Die schäbige, gemeine Welt der Kinderbücher

Kapitel 16

Gay for Pay

Kapitel 17

Wieder unter Menschen!

Kapitel 18

Zurück zum heimischen Reifenberg

TAG

Kapitel 19

Kein Ende in Sicht …

Die letzte Brennende Frage

Warum sind die Simpsons gelb?

Abspann

Glossar

Antworten auf die Radiorätsel

Dank

Bildnachweis

Über die Verfasser

Vorwort

Es war Anfang der Neunziger, ich war Comedian und aufstrebender Autor. Ich verdiente mir mein Geld auf drei verschiedene Arten: Tagsüber arbeitete ich für Comic Relief, eine Stiftung, die Comedy-Shows für die Obdachlosenhilfe organisierte, und bekam dafür zweihundert Dollar die Woche. Ich trat als Stand-up-Comedian in den Improv-Clubs auf und ging auf Tournee. Und ich schrieb Gags für andere Comedians, Leute wie Roseanne Barr, Tom Arnold, Jeff Dunham, George Wallace, Taylor Negron und Garry Shandling.

Ich hoffte auf den großen Durchbruch, aber der ließ auf sich warten. Ich hatte Freunde, die es schafften, ins Autoren-Team der Fernsehshow Roseanne zu kommen, aber ich hatte einfach kein Glück. Andere Freunde, David Spade etwa oder Rob Schneider und später Adam Sandler, wurden als Autoren und Ensemblemitglieder bei Saturday Night Live genommen, aber ich konnte sie nie dazu bringen, mir dort auch einen Posten zu verschaffen. Jim Carrey bezahlte mich immer aus eigener Tasche, wenn ich mit ihm zusammen Sketche für In Living Color schrieb, aber auch daraus wurde nie eine feste Anstellung.

So konnte es nicht weitergehen, und ich beschloss, ein spec script zu schreiben, eine Art Arbeitsprobe, in der Hoffnung, dass jemand mich ins Team einer Sitcom holen würde. Meine beiden Lieblingssendungen zu der Zeit waren Die Simpsons und Chris Elliotts Get a Life. Ich setzte mich ein, zwei Monate hin und schrieb für die beiden Serien je eine Demo-Folge. Damals fand ich, dass sie mir richtig gut gelungen waren, aber als ich sie rumschickte, wollte mich trotzdem keine von den Shows, bei denen ich es versuchte; ein einziges Mal wurde ich eingeladen mich vorzustellen, von David Mirkin bei Get a Life, aber ich glaube, das war nur, weil Garry Shandling ihn zu dem Treffen mit mir gezwungen hatte.

Die einzige andere Reaktion auf meine Demo-Drehbücher kam von Mike Reiss und Al Jean, damals Teamchefs bei den Simpsons. Sie schrieben, meine Arbeit hätte ihnen gefallen, aber derzeit bräuchten sie keine Autoren. Das war zwar eine Absage, aber trotzdem ein Kick für mein Selbstwertgefühl. Die Autoren meiner Lieblingssendung hatten etwas Anerkennendes über mich gesagt. Davon konnte ich zwar nicht die Miete bezahlen, aber es war weit besser als alles, was ich als Antwort von allen anderen damaligen Fernsehshows bekommen hatte, nämlich nichts.

Da ich keine feste Anstellung fand, schlug ich mich weiter mit Gelegenheitsjobs durch, schließlich sogar für die Ben Stiller Show. Als die schon nach wenigen Monaten abgesetzt wurde, rief Mike Reiss mich an und erzählte, dass er und Al eine neue Sendung auf die Beine stellen wollten, mit dem Titel The Critic, und er fragte, ob ich Lust hätte, da als fester Autor mitzuarbeiten. Ich konnte mein Glück gar nicht fassen. Es war also nicht einfach nur Freundlichkeit gewesen, als er mir geschrieben hatte, mein Simpsons-Skript hätte ihm gefallen. Und zweiundzwanzig Jahre später riefen Mike und Al mich an und sagten, sie wollten aus dieser alten Arbeitsprobe tatsächlich eine Simpsons-Folge machen.

Ich las das Skript noch einmal und fand es ziemlich schlecht, nur ein paar wenige Szenen hatten Potenzial. Dass Mike dieses Wenige gesehen hatte, zu einer Zeit, als ich noch ein blutiger Anfänger war, und dass es ihn begeisterte, hat meiner ganzen Karriere einen Schub in die richtige Richtung gegeben. Damals verdiente ich es nicht, im selben Büro mit ihm zu sitzen, das steht fest. Ich hatte keine Ahnung, wie man gute Geschichten schreibt. Ich konnte nichts. Aber trotzdem entdeckte er da einen Funken, er wollte, dass aus mir und meiner Arbeit etwas wird. Als junger Mensch ist man so begeistert, wenn man einen Job findet, dass man sich gar nicht klarmacht, was für eine ungeheuer großzügige Geste es ist, wenn jemand sich für einen einsetzt, eine Tür für einen aufstößt.

Ich saß im Redaktionsbüro des Critic und es wurde mir bewusst, dass ich diesen Raum mit einigen der besten Comedy-Autoren weltweit teilte. Jeden Tag war ich starr vor Ehrfurcht. Am meisten schüchterte Mike mich ein, immer lustig und immer liebenswürdig. Er produzierte einen Gag nach dem anderen, jeder zum Schreien, und die Folge war, dass ich bald überhaupt keinen mehr zustande bekam – aber ich gab nicht auf und habe von Mike und Al und James Brooks unglaublich viel zum Thema Comedy gelernt. Ich habe alles gelesen und gesehen, was Mike je produziert hat, und er inspiriert mich immer wieder, sein wunderbarer Sinn für Humor und der noch wunderbarere Mensch, der er ist – alles, was er tut, macht aus dieser Welt einen besseren Ort. Gott segne Mike Reiss.

– Judd Apatow

Vorspann

Wir können zum Beispiel hier anfangen …

Seit der 1. Staffel, Januar 1990, beginnt jede Simpsons-Folge mit einem Gag, den Zigmillionen Fans vor Zigmillionen Bildschirmen überhaupt nicht bemerken. Wenn der Simpsons-Schriftzug aus den Wolken auftaucht, sieht man zunächst nur die erste Hälfte des Familiennamens, »The Simps«, erst dann erscheint der Rest. Ja und? Nun, »Simps« ist die Kurzform von simpletons – Dummköpfe –, und genau die werden in der Sendung gleich zu sehen sein. Falls Ihnen das noch nie aufgefallen ist, nehmen Sie es nicht schwer, die Mehrzahl unserer heutigen Mitarbeiter wusste es auch nicht.

(Andere Gags, die Sie womöglich Ihr Leben lang übersehen haben: Toy Story ist ein Wortspiel mit toy store, Spielzeugladen; der Filmtitel Legally Blonde (Natürlich blond) spielt auf den juristischen Ausdruck legally blind an, blind von Amts wegen; im Markenzeichen der Eiscafékette Baskin-Robbins ist eine »31« versteckt, weil sie mit 31 verschiedenen Geschmacksrichtungen werben. Jetzt haben Sie schon vier Sachen gelernt, und wir sind immer noch auf Seite 1!)

Bei den Simpsons packen wir so viele Gags in den Vorspann wie manch andere Sitcom in eine ganze Folge (oder Hör mal, wer da hämmert in acht Staffeln). Unser Vorspann beginnt jedes Mal mit einem neuen »Tafelgag«, in dem Bart einen Satz immer wieder an die Schultafel schreibt, etwa »Nerve gas is not a toy«, (»Nervengas ist kein Spielzeug«). Und er endet immer mit einem »Couchgag«, bei dem sich die Simpsons auf dem Sofa versammeln und dann etwas Unerwartetes passiert (zum Beispiel werden sie vom Sofa verschluckt). Als die Serie 2009 auf HD umgestellt wurde, fügten wir weitere Gags hinzu: den »Fluggag« (eine Simpsons-Figur zischt in einem verrückten Fluggerät am Schriftzug entlang) und eine Werbetafel. Auch Lisas Saxofonsolo in der Titelmusik wechselt von Woche zu Woche; in letzter Zeit war es nicht immer ein Saxofon – wir lassen sie auch schon einmal Harfe oder Theremin spielen.

Die Inspiration zu den ständig wechselnden Vorspannen kam aus einer Quelle, an die man nicht unbedingt denken würde: dem Mickey Mouse Club der Fünfzigerjahre. Dort endete der Vorspann immer damit, dass Donald Duck einen Gong schlug und dann etwas Schreckliches passierte: Der Gong explodierte oder Donald hörte nicht mehr auf zu zittern … Es gab viele Varianten, aber in jedem Falle kam am Ende eine Ente zu Schaden.

Unser erster Tafelgag war denkbar simpel: »I will not waste chalk« (dt. »Ich darf keine Kreide verschwenden«). Toller Gag. Aber von da an ging es schnell bergab. Zwei Wochen später hieß es »I will not burp in CLASS« (dt. »Ich darf nicht in der Klasse rülpsen«). Manche sind echte Knaller («Beans are neither fruit nor musical« – dt. »Nicht jedes Böhnchen gibt ein Tönchen«), aber diese Gags sind wirklich schwer zu schreiben, denn alles, was länger als zehn Wörter ist, ist zu kurz im Bild, um es lesen zu können. Immer häufiger lassen wir den Tafelgag aus, und keiner beschwert sich. Tatsächlich haben wir schon vor sechzehn Jahren Bart an die Tafel schreiben lassen: »Nobody reads these anymore«, (dt. »Niemand liest die noch«).

Viel mehr Spaß machen die Couchgags … aber auch viel mehr Arbeit. Früher haben wir jeden Couchgag einmal im Jahr wiederholt, elf Gags pro Zweiundzwanzig-Folgen-Staffel. Aber wir merkten schnell, dass die Leute umschalteten, wenn sie einen alten Couchgag sahen, weil sie dachten, die Folge sei eine Wiederholung. Jetzt hat so gut wie jede Folge ihren eigenen Couchgag.

Meist werden die Vorspann-Gags am Ende eines Arbeitstags geschrieben. Wenn es so aussieht, als könnten wir mal früher Feierabend machen, sagen wir um halb sechs, und die Autoren vielleicht noch ein warmes Abendessen bekommen und die Kinder vor dem Schlafengehen sehen könnten, kommt der Boss und will noch schnell den Couch- und den Tafelgag.

In den Couchgags parodieren wir oft den Vorspann anderer Serien: The Big Bang Theory, Game of Thrones oder Breaking Bad. Einmal wurden die Simpsons von dem Riesenfuß aus dem Vorspann von Monty Python’s Flying Circus zerquetscht. Showrunner1 David Mirkin sorgte dafür, dass wir exakt denselben Fuß verwendeten wie die Pythons – er stammt aus dem Gemälde Allegorie der Liebe von Agnolo Bronzino.

Manche Couchgags sind wahre Mini-Epen. In gerade einmal siebzig Sekunden fassten wir die gesamte Entwicklungsgeschichte der Menschheit zusammen; zuerst sieht man eine Amöbe, die entwickelt sich zu einem Affen, dann zu einem Höhlenmenschen und dann wieder ein wenig zurück zu Homer Simpson. Die Herr-der-Ringe-Trilogie dampften wir auf eine Minute neununddreißig Sekunden ein.

Manchmal müssen wir die Arbeit nicht einmal selber machen, denn Gastkünstler tun sie für uns! Das ist für uns die Gelegenheit, mit Trickfilmern zusammenzuarbeiten, die wir bewundern, Leuten wie Bill Plympton, Don Hertzfeldt und den Teams von Robot Chicken und Rick and Morty. Guillermo del Toro steuerte eine dreiminütige Tour de force bei, die auf sämtliche Horrorfilme aller Zeiten anspielt – einfach unglaublich.

Und dann gab es da den notorisch geheimnisvollen Künstler namens Banksy. Al Jean nahm Kontakt mit ihm auf (ihr? ihnen?), und zwar über den Produzenten des Banksy-Dokumentarfilms Exit Through the Gift Shop. Banksy steuerte eine wunderbar orwellsche Karikatur des koreanischen Trickfilmstudios bei, in dem unsere Serie entsteht; in der Sequenz werden Simpsons-DVDs auf das Horn eines ausgemergelten Einhorns gespießt, um das Mittelloch auszustechen, dann in Boxen verpackt, die mit der Zunge eines toten Delfins zugeklebt werden; lebende weiße Eichhörnchen werden in einen Shredder gesteckt und kommen als Füllung für Bart-Puppen wieder heraus, die dann auf einen Karren gepackt werden, den ein kränklicher Panda zieht. Wir fanden das toll; unsere koreanischen Trickfilmzeichner nicht so. (Ich war der erste Simpsons-Autor, der das Trickfilmstudio in Seoul besuchte; die Angestellten, meist Frauen, haben hübschere, hellere Büros als wir vom Autorenteam, und die meisten schauten sich während ihrer Arbeit koreanische Soap-Operas auf ihren Smartphones an.)

Mein allerliebster Couchgag lief an dem Abend, als unsere Show die Flintstones (Familie Feuerstein) als die am längsten laufende Primetime-Trickfilmserie aller Zeiten überholte. Die Simpsons stürmen ins Wohnzimmer und müssen feststellen, dass die Feuersteins schon auf dem Sofa sitzen. Die Feuerstein-Produzenten, Hanna-Barbera, verlangten Gaststar-Gagen für ihre Figuren – und bekamen sie! Fred, Wilma und Pebbles konnten sich vierhundert Dollar teilen.

1 Der Koordinator der Produktion und Leiter des Autorenteams, das die Drehbücher in einem kollektiven Prozess in einem gemeinsamen Büro, dem Writers’ Room, schreibt.

Brennende Frage

Im Buch beantworte ich immer wieder die Fragen, die Simpsons-Fans am häufigsten beschäftigen.

Fangen wir mit der ganz großen an:

Wo liegt Springfield?

Den Namen Springfield wählte der Erfinder der Serie, Matt Groening, weil er so wunderbar nichtssagend ist. So hieß die Stadt, in der in den Fünfzigern der Urtyp aller nichtssagenden Fernsehserien spielte, Father Knows Best (Vater ist der Beste), und der Name zählt zu den am verbreitetsten Ortsnamen in Amerika – nur Riverside und Five Points findet man noch häufiger. Es gibt achtundvierzig Springfields in dreiundvierzig US-Bundesstaaten, das heißt in fünf Staaten gibt es sogar zwei. Glückwunsch zu so viel Fantasie, Leute.

Aber mit seiner Version von Springfield wollte Matt Groening kein Rätsel aufgeben, wie so oft bei den Simpsons steckte kein Plan dahinter. Und seither haben wir so viele Hinweise auf die Lage der Stadt untergebracht, dass sie wirklich nirgends liegen kann. Fassen wir kurz zusammen: Springfield grenzt im Osten sowie im Westen ans Meer. Einmal heißt es, East Springfield sei dreimal so groß wie Texas. Und es gibt eine Folge, in der Homer morgens Schnee schaufelt und am Nachmittag desselben Tages in der Hängematte liegt und an seiner Limonade nippt. Die Frage müsste eigentlich lauten: Auf welchem Planeten liegt Springfield?

In der Emmy-gekrönten Folge »Behind the Laughter« (»Hinter den Lachern«) heißt es, die Simpsons seien eine Familie aus Nord-Kentucky. Das wäre also geklärt. Nur dass wir in den Untertiteln für Hörgeschädigte schreiben, sie kämen aus Missouri. Bei der Wiederholung machten wir daraus Illinois. Auf der DVD heißt es »von einer kleinen Insel«.

In Die Simpsons – Der Film erklärt Ned Flanders, der Staat, in dem Springfield liegt, grenze an Ohio, Nevada, Maine und Kentucky.2 Zur Premiere des Films gab es sogar einen Wettbewerb, bei dem die diversen Springfields der Vereinigten Staaten eingeladen waren, in einem Video zu erklären, warum ihre Stadt die Simpsons-Stadt sein musste. Dreizehn Städte bewarben sich um die Ehre, als die dickste, dümmste und schmutzigste Stadt Amerikas zu gelten. In dem Video von Springfield, Massachusetts, gab es einen Gastauftritt von Senator Ted Kennedy; er lud seinen akustischen Doppelgänger Bürgermeister Quimby ein, ihn zu besuchen. Da muss Kennedy schwer über seinen Schatten gesprungen sein, denn ich habe mir sagen lassen, dass er diese Figur wirklich hasste. Trotz all der Bemühungen kam der Sieger nicht aus Massachusetts. Die Ehre ging an Springfield, Vermont. (Die Komikerin Henriette Mantel stammt aus Springfield, Vermont, und sie sagte mir, die Stadt sei überhaupt nicht wie die in unserer Serie.)

Ich mag die Antwort, die John Swartzwelder, der schrullige Autor von neunundfünfzig schrulligen Simpsons-Folgen, beisteuert. Er sagt: »Springfield liegt in Hawaii.« Allerdings meinte Matt Groening vor ein paar Jahren, die Serie spiele in einer Stadt in der Nähe seines Heimatorts: Springfield, Oregon. Aber was weiß der schon?

2 Falls Sie keine Landkarte zur Hand haben: Die vier liegen an entgegengesetzten Enden der USA.

Erster Akt

Ich hoffe, dass dieses Buch sich wie eine Simpsons-Folge anfühlt: temporeich, mit harten Schnitten, vollgestopft mit Hunderten von Gags, manche davon lustig. Es ist sogar aufgebaut wie ein Simpsons-Skript, bei dem es jeweils vier Akte gibt: Exposition, Durchführung, Auflösung und Schlussakt. Nun heißt es natürlich bei Aristoteles, jedes Drama bestehe aus drei Akten, und ein klassischer Hollywoodfilm hat auch einen dreiaktigen Aufbau. Aber wir haben vier, was bedeutet, dass wir um einen Akt besser sind als Aristoteles. Außerdem kann man mit vier Akten mehr Werbepausen machen.

Die Struktur der Simpsons ist anders als alles, was man bis dahin von Fernsehserien kannte. Der erste Akt jeder Folge beginnt mit einer Reihe von Szenen, die nichts mit der anschließenden Handlung zu tun haben. Das kann ein Besuch im Freibad sein, ein Ausflug ins Briefmarkenmuseum, ein Besuch im Hallenbad … uns gehen da allmählich die Ideen aus. Erst gegen Ende des ersten Akts gibt sich die Geschichte zu erkennen, aber sie hat mit den vorangegangenen Szenen kaum etwas zu tun: Homer gerät mit Marge in einem Kino aneinander, und am Ende wird er Manager eines Countrysängers; aus Vorbereitungen für die Beerdigung von Grampa wird eine Geschichte darüber, wie die Simpsons einen eigenen Tennisplatz bekommen; Lisa wird Tierärztin nach … einem Besuch im Freibad.

Genau so wird der erste Akt dieses Buches sein: Es passiert etwas, aber was, das merkt man erst, wenn man schon mittendrin ist.

Los geht’s …

An den Job bei den Simpsons bin ich genauso gekommen wie an meine Frau: Ich war nicht die erste Wahl, aber ich war verfügbar.

Ich arbeitete bei It’s Garry Shandling’s Show, damals die Serie mit den zweitschlechtesten Zuschauerzahlen im ganzen amerikanischen Fernsehen. (Die schlechteste Quote hatte die Tracey Ullman Show, in der es kurze Trickfilmsequenzen mit diesen hässlichen kleinen gelben Leuten gab.) Die Shandling-Show ging in die Sommerpause, und ihr Showrunner Alan Zweibel stellte eine neue Serie auf die Beine. Sie hieß The Boys, eine Sitcom, die im Friars Club in New York spielte. Mann, den Job hätte ich gerne gehabt – da hätte ich Gags für Norm Crosby und Norman Fell schreiben können, zwei meiner allerliebsten Normans!

Aber Zweibel nahm dann doch lieber meine alten Freunde Max Pross und Tom Gammill, und für meinen Mitstreiter Al Jean und mich blieb nur noch der Job, den die beiden anderen nicht gewollt hatten: die Simpsons.

Keiner wollte für die Simpsons arbeiten. Seit Familie Feuerstein hatte es keine Cartoons mehr zur Primetime gegeben, und das war eine ganze Generation her. Und schlimmer noch, die Serie sollte beim neuen Sender Fox ausgestrahlt werden, von dem keiner wusste, ob er sich überhaupt halten würde.

Ich nahm die Stelle … erzählte aber niemandem davon. Nach acht Jahren Arbeit für Filme, Sitcoms, sogar für Johnny Carson schrieb ich nun für eine Trickfilmserie. Ich war achtundzwanzig Jahre alt und hatte das Gefühl, ganz unten angekommen zu sein.

Allerdings war ich seit Jahren ein Fan von Matt Groening und dem Produzenten Sam Simon. Die beiden hatten solch einen Spaß, die Serie zu kreieren, und das war ansteckend. Es war ein Sommerjob wie all die anderen, die ich bis dahin gehabt hatte (Haushaltsartikel verkaufen, Sterbeurkunden archivieren): Wir wussten alle, dass wir das nicht lange machen würden, deshalb nahm es auch niemand allzu ernst. Wir hatten damals nicht einmal ein richtiges Büro. Das Studio glaubte so wenig an uns, dass man uns in einem Wohnwagen unterbrachte. Ich malte mir aus, wie man den ganzen Wohnwagen nach dem Scheitern der Serie zum Pazifik schleppen und uns Autoren dort ersäufen würde wie die Ratten.

Im Handumdrehen hatten Al Jean und ich drei von den ersten acht Folgen der Serie beisammen: »There’s No Disgrace Like Home« (»Eine ganz normale Familie«), wo die Simpsons sich am Ende bei einer Familientherapie gegenseitig mit Stromstößen traktieren; »Moaning Lisa« (»Lisa bläst Trübsal«), die Folge, in der die deprimierte Lisa der Jazzgröße Bleeding Gums Murphy (Zahnfleischbluter Murphy) begegnet; und »The Telltale Head« (»Bart köpft Oberhaupt«), wo Bart dem Denkmal von Jebediah Springfield den Kopf absägt. Das ist auch die Episode, in der Sideshow Bob (Tingeltangel-Bob), Reverend Lovejoy, Krusty der Clown und die Schlägertypen Jimbo, Dolph und Kearney ihren ersten Auftritt haben.

Aber während der ganzen Zeit murrte ich: »Eigentlich würde ich viel lieber Gags für Norman Fell schreiben.« Da es so wenige Autoren gab, die für die Simpsons schreiben wollten, war unser Team bunt zusammengewürfelt: Mit Ausnahme von Al und mir hatte keiner je ein Sitcom-Skript geschrieben. Die anderen kamen aus der Welt der Sketche, von Late-Night-Shows, ja sogar aus der Werbung. Einen Tag vor Serienstart saß ich mit den anderen zusammen im Wohnwagen. Als Matt Groening gegangen war, stellte ich die Frage, die uns allen durch den Kopf ging: »Was meint ihr, wie lang wird die Serie wohl laufen?«

Alle hatten dieselbe Antwort. Sechs Wochen. Sechs Wochen, sechs Wochen, sechs Wochen. Nur Sam Simon war optimistisch. »Ich denke, dreizehn Wochen«, sagte er. »Aber keine Sorge. Kein Mensch wird sich das ansehen. Eure Karriere wird davon keinen Schaden nehmen.«

Vielleicht liegt darin das Geheimnis für den Erfolg der Serie: Wir glaubten, es werde ohnehin nie jemand zusehen, und so schrieben wir keine von den Serien, wie wir sie aus dem Fernsehen kannten; wir schrieben eine Serie, wie wir sie gern im Fernsehen gesehen hätten. Nichts war vorhersagbar: In einer Woche schrieben wir einen Krimi, in der nächsten eine Parodie des französischen Films Manons Rache. Nur eine einzige Regel gab es für uns – nicht langweilig sein. Die Szenen hatten Tempo, sie waren vollgestopft mit Gags, in den Dialogen, im Vordergrund, im Hintergrund. Als Homer in der sechsten Folge in eine Videospielhalle ging, statteten Al und ich den Laden mit lustigen Spielen aus, Sachen wie Pac-Rat, Escape from Grandma’s House oder Robert Goulet Destroyer. Und wenn jemand beim ersten Mal einen Gag verpasste, war das nicht weiter schlimm, es war die Zeit, in der sich alle einen Videorekorder zulegten, also konnten sie die Sendung aufnehmen und sie sich noch einmal ansehen.

Von Sam Simon habe ich alles gelernt. Übers Boxen.

Man darf nicht vergessen, es war das Jahr 1988, und die beliebteste Serie im Fernsehen war Die BillCosby Show. Es war eine tolle Sendung … aber laaaaangsam. In der Cosby-Show passierte so gut wie überhaupt nichts. (Nach der Cosby-Show passierte allerdings einiges …)

Es ist kein Witz, wenn man behauptet, dass die flotteste, respektloseste Sendung damals DieGolden Girls war, eine Show mit drei Leichen und einer Mumie. (Meinen Einstand als Sitcom-Autor habe ich mit einem Skript für die Golden Girls gegeben – heute bin ich selber eines.)

Dan Castellaneta über die Zukunftsaussichten der Simpsons

»Als ich das erste Skript las, war ich hin und weg. Ich fand es wirklich gut geschrieben. Ich hatte keine Ahnung, ob so eine Sendung Erfolg haben konnte, aber selbst mit nur dreizehn Folgen würde es Kultstatus bekommen. So gut waren die Skripts.«

Die Simpsons kommen zu Wort

Ein Jahr arbeiteten wir an den dreizehn Drehbüchern, dann war es Zeit für eine Leseprobe. Dazu versammeln sich Autoren und Produzenten in einem Konferenzraum, und die Sprecher lesen zum ersten Mal ihren Text laut vor. Man könnte wohl sagen, es ist der entscheidende Augenblick. Wie klingen die Figuren, wie passen sie zusammen? Entwickelt die Story sich gut? Lachen die fünfzig oder sechzig Leute im Raum an den witzigen Stellen?

Diese erste Leseprobe fand Anfang 1989 statt – das erste Mal, dass die gesamte Simpsons-Belegschaft versammelt war, das erste Mal, dass sie eine komplette Episode spielten. Ich kannte die Stimme von Dan Castellaneta (Homer) aus der Tracey Ullman Show. Für Julie Kavner (Marge) schwärmte ich, seit sie in Rhoda die Brenda Morgenstern gespielt hatte. Tue ich bis heute. Zwar hatte ich zu jenem Zeitpunkt bereits an drei Episoden mitgeschrieben, aber ich hatte keine Ahnung gehabt, dass die Kinder von erwachsenen Frauen gesprochen werden würden. Ich hatte mir vorgestellt, dass ein Junge Bart spricht und nicht Nancy Cartwright mit ihren zweiunddreißig Jahren. Noch verrückter war, dass Yeardley Smith, eine erwachsene Frau, ihre Stimme so gut wie gar nicht verstellen musste, um Lisa Simpson zu spielen.

Das arme Mädchen, dachte ich. Mit so einer Stimme durchs Leben gehen zu müssen. Dieses »arme Mädchen« hat seither mit dieser Stimme einen Emmy und 65 Millionen Dollar verdient.

Hank Azaria war noch nicht dabei; damals wurde seine Figur, Moe, von dem Comedian Christopher Collins gespielt. (Als Hank später dazukam, haben wir den Text von Moe noch einmal neu aufgenommen.) Trickfilmlegende June Foray (Rocky the Flying Squirrel!) übernahm bei dieser ersten Lesung einige Rollen, klang uns aber dann für unsere Zwecke doch zu sehr nach Cartoon. Eine Lokalgröße vom Radio spielte den Psychiater Dr. Marvin Monroe, aber wir schmissen ihn gleich am Ende der Probe raus. (Später strichen wir die Figur des Marvin Monroe ganz. Und der echte Seelenklempner aus dem Radio, den wir als Vorbild genommen hatten, brachte sich dann auch noch um. Alles in allem eine glücklose Figur.)

Der Comedy-Autor Jerry Belson, der als einer der lustigsten Männer der Welt gilt, sollte das Skript mit neuen Gags aufpeppen. Er steuerte nur einen einzigen bei: Bei einem Psychiatriepatienten, den wir als »kaut Fingernägel (nicht seine eigenen)« beschrieben hatten, schlug Jerry »macht ins Bett (nicht in sein eigenes)« vor.

Mir war nicht klar, was für ein großartiges Ereignis diese Leseprobe war, und zwar aus dem einfachen Grund, dass es keines war. Das Ganze war ein wenig lahm. Schleppend irgendwie. Ein paar Lacher. Keiner hätte bei dieser ersten Probe gedacht, dass wir noch sechshundert weitere machen würden. Die Aussichten für die Simpsons waren nicht gerade rosig, und schon bald sollten sie sogar noch trüber werden …

Beinahe hätten sie uns aus dem Programm geworfen … noch bevor wir drin waren

Die Leute von Fox brauchten schon verdammt viel Vertrauen, als sie sich auf die erste Staffel der Simpsons einließen. Bei einer Trickfilmserie kann man nicht einfach eine Pilotfolge drehen und erst dann entscheiden, ob man die ganze Serie will. Eine einzelne Folge eines Cartoons kostet unverschämt viel Geld. Außerdem dauert die Arbeit lange: Ein ganzes Jahr wäre zwischen der Pilot- und der nächsten Folge vergangen. Bis dahin würde von den Leuten in der Chefetage des Senders schon die Hälfte gefeuert sein, aus dem Geschäft gedrängt, womöglich vor der Justiz auf der Flucht.

So kam es, dass Fox die gesamte erste Staffel der Simpsons in Auftrag gab und ungefähr 13 Millionen Dollar für dreizehn Folgen zahlte, ohne auch nur ein einziges bewegtes Bild gesehen zu haben.

Unsere erste fertige, farbige Episode, die ursprüngliche Pilotfolge namens »Some Enchanted Evening« (»Der Babysitter ist los«) war gerade aus Übersee gekommen. Unsere Entwürfe, der kreative Teil der Arbeit, entstehen zwar in Hollywood, aber gezeichnet und handkoloriert werden die 24.000 Vorlagenfolien (cels) pro Folge in Korea. Südkorea. Dem guten Korea. In dieser Pilotfolge versucht die berüchtigte Babysitter-Banditin das Haus der Simpsons auszurauben, als Homer und Marge zu einem romantischen Abend ohne Kinder ausgegangen sind.

Als Autoren und Verantwortliche von Fox sie sich gemeinsam ansahen, fanden alle sie fürchterlich. Die schiere Katastrophe. Das Skript war schwerfällig – wie bei Pilotfolgen oft der Fall –, aber vor allem schienen die Zeichnungen vollkommen falsch: Das Simpsons-Haus war schief und krumm, Homer zittrig, ganz Springfield bestand anscheinend aus Gummi.

Als die Vorführung zu Ende war, herrschte Grabesstille. Die kleine Publikumsschar starrte mit offenen Mündern die leere Leinwand an, als hätten sie gerade die ersten zwanzig Minuten von Frühling für Hitler gesehen. Jemand musste jetzt unbedingt etwas sagen. Schließlich rief Wally Wolodarsky, einer der Autoren, gespielt begeistert: »Zeigt es gleich noch mal!«

Fox war in heller Aufregung. Das hätte leicht das Ende der Simpsons sein können. Aber in der Woche darauf traf eine weitere Folge ein, »Bart the Genius« (»Bart wird ein Genie«), in der Bart bei einem IQ-Test schummelt und daraufhin auf eine Schule für Hochbegabte kommt – und das war, dem Himmel sei Dank, eine wirklich gute Folge. David Silverman hatte mit sicherer Hand Regie geführt, das Skript stammte von einem unserer besten Autoren, Jon Vitti. Das stellte den Glauben aller Beteiligten an die Serie wieder her.

Wir waren also gezwungen, die ursprünglich vorgesehene Reihenfolge zu ändern, und so gingen die Simpsons mit drei Monaten Verspätung und der neunten Folge als Weihnachts-Special auf Sendung, »Simpsons Roasting on an Open Fire« (»Es weihnachtet schwer«). Die erste reguläre Episode war dann »Bart wird ein Genie«, und die ursprüngliche Startfolge kam ans Ende der Staffel, sodass wir Zeit hatten, die Animation auszubessern.

Im Dezember 1989 feierten wir auf einer Kegelbahn die Premierenparty für die Weihnachtsfolge. Es ging für so eine Feier ein wenig spartanisch zu, aber Fox fand, sie hätten unserer teuren kleinen Serie schon genug Geld hinterhergeworfen.

Und dann war es acht Uhr abends. Die Ausstrahlung begann. Wir ließen unsere Bowlingkugeln fallen und starrten auf die Bildschirme. Und … was wir sahen, war lustig, rührend, geistreich und süß; keiner von uns hatte so etwas erwartet.

Premierenparty für die Simpsons auf einer Bowlingbahn 1989. Ich, meine Frau Denise und Sam Simons erste Frau, die Schauspielerin Jennifer Tilly. Das war der Abend, an dem alles in die Brüche ging.

Bald darauf kam jemand aus der Presseabteilung von Fox und brachte uns einen ganzen Packen mit Besprechungen von Zeitungen aus dem ganzen Land: Die Kritiker waren nicht nur von der Show begeistert, sie nannten sie auch »bahnbrechend« und »wegweisend«. Am nächsten Morgen würden wir erfahren, dass die Simpsons-Premiere die höchste Zuschauerquote hatte, die Fox je erzielt hatte. Wir waren vom Start weg ein Erfolg, und die ganze Belegschaft war aus dem Häuschen. Alle bis auf einen.

Sam Simon stand ganz hinten in dem Bowlingladen und blätterte mit bitterem Lächeln in dem Packen Besprechungen. Schließlich sagte er mit einem kurzen schmerzlichen Lacher: »Sie erwähnen mich mit keinem Wort.«

Das war nicht so kleinlich, wie es vielleicht klingt. Die Simpsons waren das Größte, was Sam in seiner an Höhepunkten reichen Karriere mit Erfolgen wie Taxi oder Cheers gelungen war. Sam hatte sämtliche Simpsons-Autoren ausgesucht, er hatte den Grundton für die Serie gefunden, sämtliche Stories ausgearbeitet, sämtliche Skripts revidiert … und staunte nicht schlecht, als Matt Groening sämtliche Anerkennung dafür bekam.

Nicht dass Matt diesen Ruhm für sich beansprucht hätte. In jedem Interview nannte er uns alle mit Namen. Ich weiß noch, wie er in der Tonight Show auf die anderen Autoren zu sprechen kam, und Jay Leno ihm das Wort abschnitt.

Warum?

So gab die Story mehr her: »Fernsehunterhaltung neu erfunden von Underground-Cartoonisten, der mit sämtlichen Regeln bricht …« statt »Fernsehunterhaltung neu erfunden von Underground-Cartoonisten … und einem altgedienten Produzenten (Sam Simon).«

Das war also der Start der Simpsons. Das Publikum liebte uns. Die Kritiker liebten uns. Und die Macher begannen einander zu hassen.

Simpsonmania!

In den Monaten nach der Premiere waren die Simpsons nicht einfach nur tagtäglich in den Zeitungen, sie waren in sämtlichen Sparten der Zeitungen! Nachrichten, Feuilleton, Sportteil, Wirtschaft: Die Redakteure wussten, dass sie mit einem Cartoon von Bart mehr Aufmerksamkeit bekommen konnten als zum Beispiel mit einem Foto des Außenministers Lawrence Eagleburger. Und 90 Prozent von dem, was ich über die Simpsons las, stimmte nicht – was mir vor Augen führte, dass vermutlich auch 90 Prozent von dem, was sonst so in der Zeitung steht, nicht stimmt.

Ein Beispiel: Als der Blues-Gitarrist Stevie Ray Vaughan bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam, hieß es in einem Bericht, das letzte, was er getan habe, sei die Aufnahme eines Songs für das angekündigte Album The Simpsons Sing the Blues gewesen. In Wirklichkeit waren die letzten Worte, die Mr. Vaughan auf Erden sprach, etwas wie »Scheiß auf die Simpsons! Für so ein bescheuertes Album nehme ich doch nichts auf«.

1990 landete Matt Groening auf einer Liste der zehn meistbewunderten Leute Amerikas, Sam Simon tauchte allenfalls als Antwort auf eine Quizfrage bei einem Simpsons-Sammelkärtchen im Kaugummi auf. Die Welt drängte sämtliche Anerkennung weiterhin Matt auf, und Sam litt darunter. Manchmal geisterte er wie eine Spukgestalt durchs Büro, wie Salieri in Amadeus.

Sam organisierte nach wie vor die ganze Arbeit und steuerte erstklassige Skripts bei; nach wie vor konnte er im Büro ungeheuer lustig sein. Aber sobald Matt zur Tür hereinkam, funkelte Sam ihn nur finster an und machte gehässige Bemerkungen, bis Matt wieder ging.

Mein Mitgefühl galt Sam, aber andererseits tat auch Matt mir leid. Das Tollste, was er in seinem Leben auf die Beine gestellt hatte … und dann war er nicht willkommen in seinem eigenen Büro. Einmal ging ich heimlich zu Matt und sagte zu ihm: »Nicht alle hier hassen dich.«

Als Matt Sam erzählte, einer von den Autoren habe das zu ihm gesagt, explodierte Sam: Das ist gelogen! Wer war es? Ich habe mich nie dazu bekannt und werde es auch nie tun.

Oh, Mist! Jetzt habe ich es getan.

Umso erstaunlicher, dass Sam aus seiner Verbitterung eine wunderbare Folge für die Serie machte. Er dachte sich eine Geschichte aus, in der Homer genau wie Sam etwas ganz Großartiges gelingt … und dann Moe dafür die ganze Anerkennung bekommt. Homer ist außer sich vor Wut und bringt sie schließlich beide um den Erfolg. Die Folge heißt »Flaming Moe’s« (»Das Erfolgsrezept«) und gilt als eine der besten Simpsons-Folgen überhaupt.

Dieser kalte Krieg hielt während der ganzen Arbeit an den ersten beiden Staffeln an. Am Ende redeten Sam und Matt überhaupt nicht mehr miteinander, und das warf einen schwarzen Schatten auf das, was glückliche, erfolgreiche Jahre hätten sein sollen. Und wie wurde der Konflikt gelöst? Sie nahmen Sam die Sendung weg und übertrugen die Leitung zwei Volltrotteln: Al Jean und mir. Die einzige Leitung, die ich bis dahin gehabt hatte, war die, auf der ich gelegentlich stand.

Al Jean über sich, mich und die Simpsons

»Mike und ich waren schwer eingeschüchtert, weil wir wussten, dass es eine großartige Serie war, ein Klassiker. Wir waren bei ALF nach der zweiten Staffel ausgestiegen, und schon nach der vierten wurde die Show abgesetzt. Daher hatte ich wirklich Angst, dass die Simpsons eingestellt würden, während wir am Ruder waren, und dann würde es heißen, wir hätten diese wunderbare Show ruiniert. Und bei Serien, die hauptsächlich Kinder ansprechen, passiert das immer wieder, bei Mork & Mindy zum Beispiel (Mork vom Ork) oder bei ALF – sie steigen auf wie eine Rakete, und genauso schnell sind sie dann wieder am Boden. Sie sind vergänglich. Deshalb haben Mike und ich wie wild gearbeitet, damit uns das bei den Simpsons nicht passiert.«

Wer hat die Simpsons groß gemacht?

Selbst Jahrzehnte nach dem Streit zwischen Matt und Sam fragen Fans immer noch: Wer ist denn nun das Genie, das hinter den Simpsons steckt? Es ist eine Serie mit zwanzig Autoren, Dutzenden von Animatoren, siebenundvierzig Produzenten und zehn mehr oder weniger regelmäßigen Sprechern, und trotzdem wollen die Leute wissen, wer es denn nun war – jeder vergöttert eben gern einen Helden.

Jahrelang ging der Titel an Matt Groening. Der hatte sich die kleinen Scheißer schließlich ausgedacht. Dann schrieb man die Ehre Sam Simon zu, später dem Autor George Meyer, nachdem der New Yorker, bekanntermaßen ein immer wieder zum Brüllen komisches Blatt, ihn groß rausgebracht hatte. Merkwürdigerweise kam nie jemand auf den Gedanken, mich zu nennen … ich selbst auch nicht.

Wer ist das große Genie? Ich würde sagen, es sind drei Leute. Genau genommen vier. Nein, fünf. Sagen wir dreizehn.

Matt Groening ist unbestritten der Vater der Simpsons, und die Geschichte, wie es dazu kam, ist schlichtweg unglaublich. Matt war für seine Underground-Comics in Los Angeles schon bekannt, als die Macher der Tracey Ullman Show ihn einluden. In der Serie gab es neben den live gespielten Comedy-Nummern sogenannte bumpers, einminütige Zeichentrickeinlagen, die aber niemandem so richtig gefielen. Matt bekam gesagt, man wolle »sich nur mal kennenlernen« – konkrete Vorschläge würden von ihm nicht erwartet. Kurz vor dem Termin sagte aber jemand: »Wir sind sehr gespannt auf Ihr Projekt!« Matt hatte keines. Und so dachte er sich fünf Minuten vor dem Treffen die Simpson-Familie aus.

Fünf Minuten brauchte er, um sich eine der erfolgreichsten Serien der gesamten Fernsehgeschichte auszudenken. Gar nicht vorzustellen, auf was er alles gekommen wäre, hätte er eine halbe Stunde gehabt.

Wie hat er das so schnell hingekriegt? Nun, zuerst einmal übernahm er einfach die Namen aus seiner eigenen Familie: die seiner Eltern, Homer und Marge, und die seiner Schwestern, Lisa und Maggie. Er sagt, Bart sei einfach nur ein Anagramm von brat (Lümmel), aber ich denke eher, sein Bruder Mark stand hier Pate.

Die Simpsons-Kurzfilme waren sehr grob gemacht – so grob, dass sie nie auf DVD herausgekommen sind; so grob, dass nicht einmal Fox je versucht hat, sie zu Geld zu machen. Aber sie entwickelten sich schnell weiter, dank Matts Zeichentalent. Er hat einmal zu mir gesagt: »Der Clou bei den Simpsons ist, dass jede Figur auch anhand ihrer Silouette zu erkennen ist.« Eine bemerkenswerte Einsicht, die ich noch nie von einem anderen Cartoonzeichner gehört habe. Als wir in den Anfangstagen der Show die ersten animierten Skizzen vorführten, hielt er das Videoband alle paar Sekunden an: »Die Linien da um Barts Augen gefallen mir nicht! Der Serviettenring ist zu klein!« Damals dachte ich, er spinnt, aber wenn ich heute diese ersten Folgen anschaue, dann sehe ich, wie er damals mit dieser Arbeit den Look der gesamten Serie festlegte, bis ins kleinste Detail. Außerdem war der Serviettenring wirklich zu klein.

Als der Auftrag kam, aus den Kurzfilmen eine Serie mit Halbstundenfolgen zu machen, brachte man Matt mit Sam Simon zusammen. Sam war ein Fernseh-Wunderkind, hatte schon mit dreiundzwanzig die Serie Taxi produziert und danach Cheers und It’s Garry Shandling’s Show. Sam prägte die Drehbücher der ersten beiden Simpsons-Staffeln, ihm verdankt die Serie ihre charakteristische Mischung aus Bildung und Blödsinn, beides in Warpgeschwindigkeit.

Wenn Matt also Thomas Edison wäre und die Glühbirne erfunden hätte, dann wäre Sam George Westinghouse, der weiß, wie man ein Produkt daraus macht.

Dann hätten wir noch James L. Brooks. (Ich nenne ihn Jim – aber Sie dürfen das nicht.) Jim hauchte den Figuren Seele ein, von ihm stammen die langen, herzerweichenden Monologe, die den Simpsons eine unerwartete Tiefe verleihen. Um im Bild zu bleiben: Jim Brooks gab der Glühbirne ein Herz. Okay, lassen wir das mit dem Bild.

Im Englischen gibt es einen einfachen Merkvers: Matt did the art; Sam made it smart; Jim gave it heart. (Von Matt stammt die Kunst, von Sam der Verstand, und von Jim kommt das Herz.) Stimmt aber nicht ganz, denn Matt und Jim haben auch tolle Gags beigesteuert, und Sam hatte durchaus auch als Zeichner Talent. Auf dem College hatte er Cartoons gezeichnet und entwarf für uns Mr. Burns und Zahnfleischbluter Murphy.

Und wo wir schon bei der Kunst sind, wollen wir David Silverman nicht vergessen, der jahrzehntelang für die Animation der Serie verantwortlich war. Er brachte Jim überhaupt erst auf die Idee, aus den Ein-Minuten-Simpsons eine Halbstundenshow zu machen. David musste die Produktion einer wöchentlichen Trickfilmserie von Grund auf neu erfinden – es war zwanzig Jahre her, seit Familie Feuerstein im Hauptprogramm gelaufen war, keiner wusste mehr, wie man so etwas macht. Silverman verfeinerte die Bildsprache der Serie und hob die Animation auf ein hohes Niveau. (Schon als Kind dachte ich bei den Feuersteins: »Die rennen doch immer wieder an derselben Palme vorbei!«) David hatte großartige Zeichner engagiert, darunter die künftigen Oscargewinner Brad Bird (Ratatouille, The Incredibles − Die Unglaublichen) und Rich Moore (Zootopia − Zoomania).

Nicht zu vergessen Al Jean, der die Simpsons in zwanzig ihrer dreißig Staffeln in der superschwierigen Rolle des Showrunners betreut hat. Und dann hätten wir noch unsere sechs Hauptsprecher – Dan Castellaneta, Julie Kavner, Nancy Cartwright, Yeardley Smith, Hank Azaria und Harry Shearer, die ihre Stimmen nicht nur der Familie Simpson geliehen haben, sondern der ganzen zweihundertköpfigen Einwohnerschaft von Springfield.

So lautet die Antwort – diese dreizehn Männer und Frauen, sie sind das Genie, das hinter den Simpsons steckt.

Das war’s, Leute!

1993, mitten in der vierten Staffel, forderte man Sam Simon auf, die Show zu verlassen, die er mitgeschaffen hatte; im Jahr 2015 starb er, erst neunundfünfzig Jahre alt. Er tauchte weiter und bis an sein Lebensende als Executive Producer in Vor- und Abspann auf (und bekam das Gehalt dafür), obwohl er schon seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr an den Sendungen mitgearbeitet, ja, nicht einmal mehr das Büro betreten hatte. Matt bewies später mit Futurama, dass er auch ohne Sams Hilfe eine kluge, vollkommen neuartige Serie schaffen konnte.

Sam überwand am Ende seinen Groll und sagte: »Zuerst habe ich zu wenig Anerkennung für die Simpsons bekommen, jetzt bekomme ich zu viel.« Ganz ähnlich ließ sich im Jahr 2007 in der LA Weekly auch Matt zitieren: »Ich bin einer von denen, die mehr Ruhm ernten, als sie verdienen.«

Das wäre er also, der eine Schatten, der auf die Geschichte unserer Serie fällt, der einzige braune Fleck auf der Simpsons-Banane. Das ist alles, was ich an Bürointrigen zu bieten habe. (Okay, ein klein wenig hässlich wird es noch einmal im 12. Kapitel, beim Simpsons/Critic-Crossover.)

Vielleicht erklärt das die Langlebigkeit der Sendung – es gibt kein Drama hinter den Kulissen. Die Simpsons laufen und laufen, weil alle miteinander auskommen: Die Sprecher, die Zeichner, die Autoren – alle respektieren einander. Natürlich gibt es noch jede Menge Geschichten und Geheimnisse über die Sendung auszuplaudern, aber wer Dreck will, soll sich ein Loch buddeln.

Und jetzt treten wir mal ein paar Schritte zurück und überlegen, wie es denn überhaupt dazu kam, dass ich dabei bin …

Eine kleine Geschichte meiner selbst

Neulich habe ich den Artikel über mich in der IMDb gelesen – nunja, irgendjemand muss es ja tun. Auf der Diskussionsseite schreibt ein Besucher in der Rubrik »Mike Reiss Simpsons DVD Commentaries«: »Der Mann klingt, als würde er die ganze Zeit lächeln.«

Da musste ich lächeln.

Der nächste Post lautete: »Stimmt. Geht einem ganz schön auf den Keks.«

Jetzt hörte ich mit Lächeln auf. Aber scheiß auf den Miesmacher. Ich lächle, weil ich den tollsten Job aller Zeiten habe. Und eine schöne Frau, die über all meine Witze lacht.

Meine ersten drei Lebensjahre brachte ich im Laufstall zu, sprach kein Wort und grinste nur immer wie ein Idiot. Schließlich ging meine Mutter mit mir zum Arzt, aber der beruhigte sie: »Nein, der Junge hat keinen Hirnschaden. Er ist nur ein bisschen langsam.«

Sagen wir einfach, ich fand das Leben amüsant, selbst damals schon. Ich glaube, ich habe mir Witze für andere Babys ausgedacht, Sachen wie »Mein Daddy gibt mir die Brust«. (Hey, das ist gar nicht schlecht!) Aber wenn man meine Kindheit wirklich verstehen will, muss man mit einem Witz anfangen. Einem Witz über Witze:

Ein Sträfling erhebt sich in der Gefängniskantine von seinem Platz und ruft: »Dreiundsiebzig!« Alle anderen Insassen lachen. Ein neu angekommener Gefangener fragt einen Wärter, was das zu bedeuten hat. Der Wärter erklärt ihm, dass es im Gefängnis ein Witzebuch gibt und alle Insassen die Witze daraus auswendig kennen. Daher brauchen sie den Witz nicht zu erzählen, sondern sagen einfach nur die Nummer. Der neue Gefangene steht auf und ruft: »Achtundvierzig!«

Keine Reaktion. Er fragt den Wärter weswegen. Der antwortet: »Nun, manche können es eben rüberbringen, und andere nicht.«

Meine Kindheit muss man sich wie dieses Gefängnis vorstellen. Ich wurde in einem Haus voller lustiger Leute groß, die alle gern Witze erzählten. Wir studierten das vierhundert Seiten dicke Joey Adams Joke Dictionary genau so wie andere merkwürdige Familien die Bibel studieren. Auch bei uns brauchte niemand einen Witz ganz zu erzählen. Wir sagten nur ein Bruchstück, zum Beispiel »Elefantenohrsandwich«, und schon lachten alle.3

Ich wuchs in einem Vorstadtviertel in Connecticut auf, das mittlere von fünf Kindern. Ich habe einen Bruder, der sich als Stand-up-Comedian versucht hat, und eine Schwester, die ein Witzbuch für Sprachtherapeuten verfasste, How many speechlanguage pathologists does it take to change an audiologist? (dt. Wie viele Logopäden braucht man, um einen Hörakustiker auszuwechseln?) – das Buch hat fünf Sterne bei Amazon.

Ich selbst war auch ein Spaßvogel. Einmal war meiner Mutter zu Ohren gekommen, dass unser gut aussehender Nachbar eine Bucklige heiraten wolle. Sie fragte: »Warum macht er denn so was?«

»Na damit er Glück hat!«, antwortete ich. Mein Vater, normalerweise ein sanftmütiger Mann, versetzte mir eine Kopfnuß.