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Hohe Berge, tiefe Gefühle ...
Montana im 19. Jahrhundert. Miranda Leebrook verschlägt es in die Grenzstadt Springwater. Wegen eines unehelichen Kindes von der Familie verstoßen, sucht und findet sie in dem abgelegenen Nest in den Bergen Zuflucht - und mehr ...
Auch Jessica Barnes ist neu in Springwater. Mit ihrer direkten Art hat sie bisher jeden potenziellen Heiratskandidaten verscheucht - bis sie auf Gage Calloway trifft, den Bürgermeister des Ortes. Als Reporterin kritisiert sie seine Entscheidungen. Als alleinstehende Frau aber sehnt sie sich nach seinen starken Armen ...
Dieser historische Liebesroman ist in einer früheren Ausgabe unter dem Titel "Küsse, die voll Sehnsucht sind" erschienen.
Mehr Western Romance aus den Bergen Montanas: Band 4: "Springwater - Wo Hoffnung dich wärmt".
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Seitenzahl: 306
Cover
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Über dieses Buch
Über die Autorin
Titel
Impressum
Widmung
1. Teil
Herbst 1875
1
2
3
4
5
6
7
2. Teil
Winter 1880
1
2
3
4
5
6
7
Springwater – Im Westen wartet die Liebe
Band 1: Wo das Glück dich erwählt
Band 2: Wo Träume dich verführen
Band 4: Wo Hoffnung dich wärmt
Die McKettrick-Saga
Band 1: Frei wie der Wind
Band 2: Weit wie der Himmel
Band 3: Wild wie ein Mustang
Die Corbin-Saga
Band 1: Paradies der Liebe
Band 2: Zauber der Herzen
Band 3: Lächeln des Glücks
Hohe Berge, tiefe Gefühle …
Montana im 19. Jahrhundert. Miranda Leebrook verschlägt es in die Grenzstadt Springwater. Wegen eines unehelichen Kindes von der Familie verstoßen, sucht und findet sie in dem abgelegenen Nest in den Bergen Zuflucht – und mehr …
Auch Jessica Barnes ist neu in Springwater. Mit ihrer direkten Art hat sie bisher jeden potenziellen Heiratskandidaten verscheucht – bis sie auf Gage Calloway trifft, den Bürgermeister des Ortes. Als Reporterin kritisiert sie seine Entscheidungen. Als alleinstehende Frau aber sehnt sie sich nach seinen starken Armen …
Linda Lael Miller wurde in Spokane, Washington geboren und begann im Alter von zehn Jahren zu schreiben. Seit Erscheinen ihres ersten Romans 1983 hat die New York Times- und USA Today-Bestsellerautorin über 100 zeitgenössische und historische Liebesromane veröffentlicht und dafür mehrere internationale Auszeichnungen wie den Romantic Times Award erhalten. Linda Lael Miller lebt nach Stationen in Italien, England und Arizona wieder in ihrer Heimat im Westen der USA, dem bevorzugten Schauplatz ihrer Romane. Neben ihrem Engagement für den Wilden Westen und Tierschutz betreibt sie eine Stiftung zur Förderung von Frauenbildung.
Mehr Informationen über die Autorin und ihre Bücher unter http://www.lindalaelmiller.com/.
Linda Lael Miller
Springwater – Wo Küsse dich bedecken
Aus dem amerikanischen Englisch von Bettina Albrod
beHEARTBEAT
Digitale Erstausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Für die Originalausgabe:
Copyright © 1999 by Linda Lael Miller
Titel der amerikanischen Originalausgabe: „Miranda“ / Jessica“
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.
This edition published by arrangement with the original publisher, Pocket Books, a division of Simon & Schuster, Inc., New York.
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2001/2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Titel der deutschsprachigen Erstausgabe: „Küsse, die voll Sehnsucht sind“
Lektorat: Katharina Geppert
Covergestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © gettyimages: Liubov_Chuiko; © Period Images; © shutterstock: Lotus_studio
eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar
ISBN 978-3-7325-6879-6
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
Für Gina Centrello Grazie
»Ich muss mich um zwei Kinder kümmern und die Schweine schlachten«, erklärte Landry an einem kühlen, klaren Oktobermorgen im Esszimmer der Springwater Postkutschenstation. »Außerdem muss ich Rüben und Kartoffeln ernten und die Felder pflügen. Es hilft alles nichts, ich brauche dringend eine Frau.« Er schwieg, den Hut in der Hand, und errötete. Dann räusperte er sich und fuhr fort: »Deshalb bin ich gekommen, um zu fragen – nun, ob Sie mich heiraten wollen.«
Das war nicht gerade das, was sich Miranda Leebrook unter einem romantischen Antrag vorgestellt hatte, aber sie hatte Landry Kildare von dem Moment an zum Mann haben wollen, als sie ihn vor ein paar Monaten beim Bau des Hargreaves-Hauses das erste Mal gesehen hatte; und sie würde seinen Antrag nicht ablehnen. Außerdem konnten sie und der kleine Jesaiah-oder-Ezekiel nicht erwarten, bis in alle Ewigkeiten bei den McCaffreys bleiben zu können. Der Himmel wusste, dass der Vater des Babys keinen von ihnen haben wollte, und Pa und seine Frau Lorelei waren schon lange weg.
Landry war ein gut aussehender Mann mit spitzbübischen braunen Augen und welligem braunem Haar, und Miranda sah ihn gerne an. Als sie jetzt in sein ernstes Gesicht blickte, dachte sie krampfhaft über eine kluge und witzige Antwort nach, wie Rachel oder Savannah sie geben würden.
Landry sah sich um – June und Jacob McCaffrey hatten sich bewusst zurückgezogen –, und er räusperte sich erneut. »Ich würde natürlich nicht erwarten, dass Sie ... ich meine, Sie hätten eine Weile Zeit, um sich an alles zu gewöhnen.« Die Röte schoss ihm ins Gesicht. »... einen Mann zu haben und so.«
Sein Gesichtsausdruck, normalerweise jungenhaft und fröhlich, drückte Unbehagen, ja fast Verzweiflung aus. »Was ich sagen will, ist, dass Sie ein eigenes Zimmer hätten und alle Privatsphäre, die Sie sich wünschen, bis ... bis Sie ... bereit sind ...«
Miranda konnte sich nicht länger zurückhalten, ihn zu berühren, und legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen. Seine Lippen fühlten sich fest und warm an, und ein seltsamer, kurzer Strom schoss durch ihren Arm bis in ihr Herz. »Jacob und Miss June haben bestätigt, dass Sie ein guter Mann sind«, erwiderte sie ruhig. »Das ist alles, was ich wissen muss. Ich werde Sie zum Mann nehmen, Mr. Kildare, wenn Sie mich wirklich zur Frau wollen.«
Er schluckte. »Ja, ich will Sie«, sagte er und senkte den Blick. Dann sah er sie wieder an. »Ich nehme an, eine Frau will bei einer Gelegenheit wie dieser schöne Worte hören. Aber die Wahrheit ist, dass ich keine zu sagen habe. Ich habe meine Frau Caroline geliebt und werde es nie verwinden, dass ich sie verloren habe. Ich glaube nicht, dass ich je wieder so für jemanden empfinden werde. Aber ich werde gut zu dir sein, Miranda, und deinen Kleinen aufziehen wie meinen eigenen. Ich bin kein reicher Mann, aber ich kann für euch beide sorgen. Ich werde dich nie beschämen oder im Zorn die Hand gegen einen von euch erheben.«
Miranda wünschte, er wäre in der Lage gewesen, von seiner Liebe zu ihr zu sprechen, denn sie hegte tiefe, wenn auch unbestimmte Gefühle für ihn. Aber gleichzeitig wusste sie, dass es besser so war. Ein Liebesgeständnis aus seinem Mund wäre eine Lüge gewesen, und sie hätte es gewusst und ihm von da an nie wieder geglaubt. Miranda war noch jung, kaum achtzehn, aber alt genug, um zu wissen, dass keine Beziehung ohne gegenseitiges Vertrauen gedeihen konnte.
»Ich denke, dann sollten wir es durchziehen«, erwiderte sie und errötete nun ihrerseits. Sie war sich schmerzhaft bewusst, dass weder Rachel noch Savannah je etwas so Dummes sagen würden, wenn es um ihre Zukunft ging und um die ihres Kindes.
»Ich werde mit Jacob sprechen«, erklärte Landry mit einem nervösen Nicken. »Wegen der Trauung und so. Du willst dich inzwischen vielleicht fertig machen.«
Jetzt war es an Miranda zu nicken. Sie besaß nicht viel – gerade mal vier Kleider. Zwei hatte die fleißige June genäht, und zwei hatte ihr Savannah Parrish, die Frau des Arztes, geschenkt. Dann waren da noch ein Stapel Windeln und ein paar Kleidungsstücke für ihr Baby und eine Lesefibel, die Rachel Hargreaves ihr gegeben hatte. Rachel arbeitete trotz ihrer Ehe und der fortgeschrittenen Schwangerschaft als Lehrerin und hatte Miranda dann und wann beim Lesen geholfen. Inzwischen konnte sie die Worte entziffern, aber es fiel ihr immer noch schwer.
Es waren vielleicht zwanzig Minuten vergangen, als Jacob auf seinen Stock gestützt hereingehumpelt kam. Er war groß, aber sein ehemals kräftiger Körper hatte seit einem Herzanfall alle Spannkraft verloren. Das Leuchten aus seinen Augen war verschwunden, und er predigte nicht mehr so oft sonntagmorgens wie früher. Aber der nächste Friedensrichter saß in Choteau, und Jacob war im Umkreis der einzige echte Priester.
June holte rasch Savannah als zweite Trauzeugin hinzu, und als diese strahlend vor Freude über die bevorstehende Hochzeit erschien, stellten Miranda und Landry sich verlegen vor Jacob auf. Ernst lauschten sie seinen Worten, um seine Fragen zu beantworten, wenn sie an der Reihe waren.
Und so heiratete Miranda Leebrook und wurde Miranda Kildare. Sie trug ihr bestes Kleid aus blauer Baumwolle; und das Brot, das June zum Mittag gebacken hatte, diente als Hochzeitstorte.
Es gab kein Fest und keinen Tanz wie bei der Feier von Savannah und ihrem Arzt, aber Miranda war das egal. Sie und der kleine Jesaiah-oder-Ezekiel hatten jetzt eine Familie und ein Zuhause. Und vor ihr lag ein Leben ohne Schande. Niemand würde mehr mit dem Finger auf sie und ihr Baby zeigen.
Mirandas Herz sang, als Landry ihr in die abgenutzte Kutsche half und dann beiseite trat, damit June ihr das Baby reichen konnte, das friedlich und schwer in einem Bündel hing. Dann saß Landry neben ihr, sein rechter Schenkel berührte ihren, und seine starken Hände ergriffen die Zügel. Er löste die Bremse geübt mit dem linken Fuß, und schon waren sie unterwegs.
Landry winkte mit dem Hut zu der kleinen Versammlung von Gratulanten, die sich vor der Postkutschenstation getroffen hatten, aber ohne jenes Lächeln, das Mirandas Herz erzittern ließ; und dann trieb er die beiden Maultiere mit einem rauen Zuruf an.
Er sah Miranda nicht an und hielt seinen Blick auf den Weg vor sich gerichtet. Die Umrisse des Ortes Springwater nahmen langsam Gestalt an, Rot und Braun und Rost und ein dunkles Grün. Der Himmel war von einem klaren Blau, und Miranda kam es so vor, als vibrierte die Luft von einem Gefühl des Neuanfangs. Sie drückte ihren kleinen Sohn an sich, als er unruhig wurde, und saß stolz neben ihrem Ehemann.
Ihr Ehemann. Miranda ließ ihre Gedanken zu dem Tag zurückwandern, als Savannah und der Arzt geheiratet hatten. Damals hatte es ein Fest mit Tanz zu Geigenmusik gegeben, und sie war bei einem Ländler Landrys Partnerin gewesen. Als der Tanz durch den Saal der Postkutschenstation geendet hatte, war Miranda eine andere Frau geworden. Von da an hatte sie den Duft Landry Kildares geliebt wie seinen Anblick und seine Stimme.
Jetzt, da sie offiziell seine Frau war, hätte Miranda am liebsten vor Glück laut gelacht, aber sie wusste, dass sie damit das Baby und auch Landry erschreckt hätte, vielleicht sogar die Maultiere. Also nahm sie sich zusammen und hielt die Luft an wie ein Taucher unter Wasser. Insgeheim stellte sie sich das Leben vor, das vor ihr lag – Landrys Söhne würden sie lieben wie eine zweite Mutter, dafür würde sie schon sorgen. Sie würde für jedes Fenster im Haus Vorhänge nähen und das Haus so sauber halten, dass es im ganzen Umkreis das Gesprächsthema wäre. Sie konnte nicht besonders gut kochen – irgendetwas misslang ihr meistens –, aber sie hatte bei Miss June in der Springwater-Station ein wenig gelernt, als sie ihr in der Küche geholfen hatte, und es würde schon gehen. Mit etwas Übung, nahm sie an, würde sie bald Kekse backen, die so locker waren wie die aller anderen Frauen.
Ja, versicherte sie sich, sie würde schon dafür sorgen, dass alles klappte. Landry Kildare sollte nie bedauern, dass er sie geheiratet hatte. Vielleicht würde er sie eines Tages sogar lieben, wenn sie sich nur genug Mühe gab. Ihr Herz klopfte bei der Vorstellung, Landry könne sie eines Tages so ansehen wie Trey seine Rachel oder der Arzt Savannah.
Die Fahrt nach Hause – Wunder über Wunder, jetzt ihr Zuhause und das des Babys – war kurz im Vergleich zu einer Fahrt nach Wainwright oder Choteau ... oder Ohio.
Der Gedanke an ihre heimatliche Farm in Ohio und das Grab ihrer Mutter nahm dem Tag etwas von seinem magischen Glanz. Doch Miranda zwang sich, die Erinnerungen zu verdrängen. Es machte keinen Sinn, zurückzublicken und sich nach Orten und Menschen zu sehnen, die sie verloren hatte. Nein. Miranda Leebrook Kildare hatte vor, von jetzt an strikt nach vorne zu sehen.
Miranda ist eigentlich ein hübsches kleines Ding, dachte Landry schuldbewusst, als sie die letzten Meilen des holprig steinigen Weges zurücklegten. Kaum älter als achtzehn. Und er? Er wurde nächsten Juni fünfunddreißig, war also fast doppelt so alt wie sie.
Landry knirschte mit den Zähnen. Man konnte wahrhaftig nicht sagen, dass er Caroline betrog; sie war nun schon lange tot, und er war seitdem einsam genug. Er würde nie aufhören, sie zu lieben, keinen Moment lang.
Aber er hatte sich ein bisschen in Rachel Hargreaves verguckt, als sie im letzten Jahr als Lehrerin nach Springwater gekommen war. Damals hatte sie Rachel English geheißen, war feurig wie ein Füllen gewesen, aber auch gebildet und hübsch. Nun, sie hatte Trey Hargreaves geheiratet, Mitbesitzer des Brimstone-Saloons. In Landry hatte sie nie etwas anderes als einen Freund gesehen.
Was nur gut war, wenn man bedachte, dass Rachel und Trey einander genauso innig liebten wie er und Caroline es damals getan hatten. Landry hätte Rachel solche Gefühle nicht bieten können, so sehr er sie auch bewunderte. Deshalb war sie mit dem Mann ihrer Wahl besser dran.
Landry seufzte und trieb die Maultiere zu einer schnelleren Gangart an. Vielleicht war er heute Morgen verrückt gewesen, als er beschlossen hatte, noch vor dem Abend verheiratet zu sein, aber hier war er nun mit einer Braut im Schlepptau, und bis zum Sonnenuntergang waren noch gut vier Stunden Zeit.
Oh, er hatte natürlich schon lange mit dem Gedanken gespielt. Zumindest seit Rachel Englishs Ankunft in Springwater. Vielleicht auch schon vorher, wenn er ehrlich war.
Nun, wie auch immer, die Trauung war vollzogen. Miranda und er waren rechtmäßig getraut, und auch wenn sie die Ehe angesichts der Tatsache, dass sie nicht gleich vollzogen werden würde, annullieren lassen könnten, war das nicht das, was Landry wollte. Er hatte sich alles gut überlegt, so, wie er über jede Entscheidung gut nachdachte, hatte Pro und Kontra abgewogen und eine Entscheidung getroffen. Daran würde er sich jetzt halten.
Er biss die Zähne zusammen.
»Mr. Kildare?«
Erst wusste er nicht, mit wem sie sprach, woraus man ersehen konnte, dass er mit seinen Gedanken weit weg war; denn außer ihr und dem Baby war sonst niemand in der Nähe außer ein paar Kaninchen.
»Du kannst mich Landry nennen«, sagte er und lächelte das erste Mal, seit er heute früh die Augen aufgeschlagen und seine Entscheidung getroffen hatte. »Meine Söhne heißen Marcus – er ist elf – und Jamie, neun. Ich muss zugeben, dass man mit ihnen alle Hände voll zu tun hat.«
Für einen Augenblick stand Unsicherheit in Mirandas Augen. Sie hatte seine Söhne natürlich schon kennen gelernt, denn Springwater war ein kleiner Ort. Und sie hatte auch schon die eine oder andere Geschichte über die beiden gehört. Eigentlich konnte Landry froh sein, wenn sie nicht schon vor dem Abendessen wieder floh. »Was denken die Jungen darüber, mich und den kleinen Jesaiah-oder-Ezekiel um sich zu haben?«
Landry fuhr mit der Zunge über die Unterlippe. »Ich habe gar nicht erwähnt, dass ich heute heiraten wollte«, gab er zu. »Ich hatte schon genug damit zu tun, die kleinen Wilden in die Schule zu bekommen.«
Miranda sah ihn an und drückte das Baby fester an sich. »Du hast es ihnen überhaupt nicht erzählt?«
Landry wollte ihr mit der freien Hand das Knie tätscheln, überlegte es sich dann aber anders. Es war besser, sie nicht zu berühren, damit sie sich nicht Dinge in den Kopf setzte, die er nicht liefern konnte. »Mach dir keine Sorgen um meine Jungen«, beruhigte er sie. »Sie werden viel zu froh sein, Essen von einem anderen Koch als mir zu bekommen.«
Miranda sah nicht so aus, als ob sie das tröstete. Landry hätte schwören können, dass sie schluckte. Wahrscheinlich würde sie gleich sagen, sie hätte gehört, seine Söhne seien Monster, was sie leider waren. Immer gewesen waren seit dem Tod ihrer Mutter. Stattdessen fragte sie: »Warum hast du mich gewählt? Als Frau, meine ich?«
Sie bogen jetzt um die letzte Kurve, und das Farmhaus mit Scheune tauchte vor ihnen auf. Landry spürte denselben Anflug von Stolz, den er immer spürte, wenn er sein Anwesen erblickte, egal, ob er nur eine Stunde oder eine Woche weg gewesen war. Dennoch schenkte er Mirandas beunruhigtem Gesicht seine ganze Aufmerksamkeit.
»Nun«, sagte er, da er aufrichtig war bis zur Grobheit, »du warst die einzige unverheiratete Frau hier.«
Ein unbehagliches Schweigen entstand, das nur vom Klirren des Geschirrs und dem Klappern der Pferdehufe überlagert wurde.
Miranda drückte das Baby an sich und murmelte ihm etwas zu, obwohl es sich nicht geregt oder gemuckst hatte. Dabei lag ihr Blick auf dem Haus mit Scheune, Weiden, Bäumen und Ställen. Allerdings hatte Landry den Eindruck, dass ihr Blick ganz woanders hin in die Ferne gerichtet war.
»Nun, das ist ein Grund wie jeder andere«, sagte sie schließlich niedergeschlagen. Sie richtete sich auf und hob das Kinn. »Du hättest dir natürlich auch eine Frau kommen lassen können, aber das braucht wohl seine Zeit.«
Landry spürte kurz Mitleid mit ihr, denn er konnte ihren Stolz verstehen, von dem er selber reichlich besaß, aber er zeigte ihr seine Gefühle nicht. Sie waren jetzt fast am Tor, und er hielt an, um es zu öffnen. Doch etwas in ihrem Blick bewog ihn, noch auf dem Lederbock sitzen zu bleiben.
»Es macht dir wirklich nichts aus?«, fragte sie leise. »Mit dem Baby, meine ich?«
Er hatte natürlich gut über das Baby nachgedacht und schon lange beschlossen, dass die Sünden des Vaters – oder der Mutter – nicht an dem Kind ausgelassen werden sollten.
»Du bist jetzt meine Frau«, sagte er ruhig, »und ich erwarte, dass du mir treu bist. Was vor dem heutigen Tag passiert ist, ist allein deine Sache. Wir fangen von heute neu an.«
Miranda lächelte ihn zittrig an, was etwas in ihm weckte, das lange Zeit brachgelegen hatte. »Du bist ein außergewöhnlicher Mann, Landry Kildare«, sagte sie. In ihren Augen stand ein Funkeln voll scheuer Bewunderung.
Landry grinste, nicht aus Verlegenheit, sondern weil er amüsiert war. Dann stieg er ab, um das Gespann durch das Tor zu führen, schloss es wieder und stieg wieder auf.
»Ich versorge die Tiere und bringe den Wagen weg, ehe ich aufs Feld gehe«, sagte er. »Du und das Baby geht ins Haus und gewöhnt euch ein. Nachher komme ich und sehe nach euch.«
Miranda nickte, etwas zurückhaltend, wie er meinte, und sah auf den Kopf des Babys hinunter, das im Laken versteckt war. Er fragte sich, ob das Kind genug Luft bekam, wenn es so eingemummelt war, brachte es aber nicht über sich, Miranda danach zu fragen. Er hielt den Wagen an, stieg ab und hob Miranda herunter.
Sie war leicht, aber fest und stark wie ein kleiner Otter. Sie klammerte sich an das Baby, als ob sie damit rechnete, dass er es ihr jeden Moment aus den Armen reißen würde, um es in den Brunnen zu werfen. Als sie vor ihm stand, streckte er die Arme steif von sich wie eine Vogelscheuche und lüftete den Hut.
»Da ist das Haus«, sagte er, als ob sie das nicht schon längst wüsste. Es war noch da, wo er es zurückgelassen hatte. »Du kannst jetzt hineingehen.«
Jede andere Frau hätte gelacht oder vielleicht gelächelt angesichts seiner Unbeholfenheit, die er nicht überspielen konnte, aber Miranda nicht. Sie stand einfach nur da, der Wind spielte mit einigen kastanienfarbenen Haarsträhnen, die sich aus ihrem Knoten gelöst hatten, und Mirandas dunkle Augen waren so voller Verlangen, dass es Landry fast umbrachte, sie nur anzusehen.
Rücksichtsvoll wandte er den Blick ab. »Ich komme dann später«, wiederholte er und griff nach den Zügeln, um die Tiere zum Stall zu führen.
Miranda stand in der Tür des Hauses und staunte darüber, wie ordentlich alles war. Mit den spiegelnden Bodenbrettern und dem makellosen Steinkamin sah es nicht aus wie ein Männerhaushalt. Vorhänge hingen an den Fenstern, die noch neu genug waren, um nicht schäbig auszusehen, und Teppiche in freundlichen Farben verliehen dem Raum Wärme. Auf dem Tisch lag ein rotweiß kariertes Tischtuch, und jemand hatte eine Hand voll Astern und späte Tigerlilien gepflückt und sie in einem Marmeladenglas aufs Fensterbrett gestellt.
Es sah aus, als hätte die verstorbene Caroline Kildare erst gerade den Raum verlassen. Miranda meinte, noch ihr Parfum im Zimmer riechen zu können, zart und einfach, aber dennoch ihr Parfum.
Miranda seufzte und schloss leise die Tür hinter sich, um ihr schlafendes Kind aus seinen vielen Tüchern zu wickeln. Sie war etwas überbehütend mit Jesaiah-oder-Ezekiel, aber sie konnte nichts dagegen machen. Die Welt war ein gefährlicher und unvorhersehbarer Ort, und sie hatte schon viele Babys sterben sehen, seit sie darauf geachtet hatte. Es war wichtig, die Kleinen warm zu halten.
Das Baby begann jetzt ein wenig zu zappeln, weil es wohl genug davon hatte, gehalten zu werden. Wahrscheinlich brauchte es auch neue Windeln und Essen, aber Mirandas Sachen waren noch im Wagen. Miranda straffte die Schultern. Mr. Kildare – Landry – würde alles mitbringen, wenn er nach Hause kam.
Miranda klopfte ihrem Sohn, der jetzt kräftig zu brüllen begann, den stämmigen kleinen Rücken und ging auf die Suche nach einer Ecke, Kammer oder Nische, die möglicherweise für sie bestimmt war.
Das erste Zimmer, das sie betrat, gehörte eindeutig Landry. Sein Bett, das mit einer herrlichen Patchworkdecke bedeckt war, war handgeschnitzt und groß und zeigte Adler und Pferde im Kopfteil. Unter dem Fenster standen seine Stiefel, und seine Kleider hingen sauber aufgereiht an Wandhaken.
Miranda empfand plötzlich etwas, das sie nur zu gut kannte, und ging schnell wieder aus dem Zimmer.
Das nächste Zimmer, das so unordentlich war wie Landrys aufgeräumt, gehörte eindeutig den Jungen. Zwei Betten, beide ungemacht, standen darin, und kleine Hosen und Hemden lagen auf dem Fußboden verstreut.
Miranda schloss die Tür und ging zur letzten Tür. Dahinter verbarg sich ein Zimmer mit einer gekalkten Decke, in dem ein schmales Bett und ein bequemer Lehnstuhl, eine Kommode sowie ein Nähkorb standen. Das war ohne Zweifel Carolines Zuflucht gewesen, wo sie ihre Babys hatte wiegen und Sachen flicken können, träumen und nachdenken. Miranda empfand plötzlich so etwas wie Neid auf die unbekannte Frau. Obwohl sie nun schon seit einigen Jahren nicht mehr hier war – June hatte erzählt, dass sich ihr Grab in der Nähe unter einer Gruppe von Bäumen befand –, war Mrs. Landry Kildare in diesem Haus noch immer präsent.
Resigniert legte Miranda ihr brüllendes Baby aufs Bett und suchte aus einer Schublade ein paar Tücher hervor – große blaue Quadrate aus weichem Stoff, der wahrscheinlich für eine Decke gedacht waren. Da sie keine andere Wahl hatte, benutzte sie eines der Tücher als Windel, und danach setzte sie sich in den Schaukelstuhl, um das Baby zu stillen, als sie hörte, wie die Haustür aufging und wieder geschlossen wurde.
Ehe sie noch weiter über ihre unziemliche Erscheinung nachdenken konnte, stand Landry schon in der Tür. Seine Haltung war locker und entspannt, aber seine Fingerknöchel wurden weiß, als er den Türrahmen hart umfasste und seine Augen einen Moment zu lange auf ihrer Brust ruhen ließ, ehe er ihr ins Gesicht sah.
»Ich habe dir deine Sachen vom Wagen mit reingebracht«, sagte er schließlich.
Die schmatzenden Geräusche des saugenden Babys schienen von den Wänden widerzuhallen. Miranda war verlegen, obwohl es natürlich völlig normal war, dass sie ihrem Baby die Brust gab. Am liebsten hätte sie ihr brennendes Gesicht bedeckt, von ihrer nackten Brust ganz zu schweigen, aber das hätte sie – ohne das Baby zu stören – nur geschafft, wenn sie sich die Röcke über den Kopf gezogen hätte, was natürlich nicht die Lösung war. Sie wusste, dass Landry ihr Unbehagen erriet, und sagte steif: »Danke.«
Landry sah sie noch einen Moment länger an und trat dann ins Zimmer. Er ging zur Kommode, suchte ein wenig darin herum und zog dann ein spitzenbesetztes Tuch hervor, das er so sanft um sie und das Baby legte, dass es Miranda eng um die Kehle wurde. Es war nur eine kleine spontane Geste, aus der sie keine Bedeutung ziehen durfte, und doch war sie tief berührt. Solche Art von Zärtlichkeit hatte bisher in ihrem Leben gefehlt.
Miranda erwartete, dass Landry nun gehen würde, aber er setzte sich stattdessen auf die Bettkante, und die Bettfedern quietschten unter seinem Gewicht. Dann sah er sich um, als ob er seit Jahren nicht in dem kleinen Zimmer gewesen wäre. Und vielleicht war er das ja auch nicht, auch wenn es genauso sauber war wie der Rest des Hauses.
»Caroline hat hier immer genäht«, erklärte er mit einem Seufzer, der eher amüsiert als traurig klang, aber gerade dadurch das Gefühl von Verlust deutlich machte. »Sie hat immer gesagt, dass sie sich wie die Hausherrin einer Villa vorkam, weil sie ein Zimmer ganz für sich alleine hatte, wenn sie Ruhe haben wollte.«
Miranda lächelte, weil auch er lächelte, aber tief innerlich hätte sie am liebsten geweint. »Ich denke, ich hätte sie sehr gemocht«, sagte sie wahrheitsgemäß, auch wenn sie insgeheim wünschte, es hätte die andere Frau nie gegeben. Wie schön wäre es gewesen, die erste in seinem Leben zu sein – nicht ein Nachschub, der als Ersatz dienen musste.
Landry lachte leise auf eine Art, die Miranda bald als ganz typisch für ihn entdecken sollte.
»Sag Bescheid, wenn du irgendetwas brauchst«, sagte er dann und stand schließlich auf. Die alte Reisetasche, die Miss June ihr geliehen hatte, stand in der Tür, und daneben lagen die Windeln und die kleinen Babysachen. »Wenn du willst, bringe ich dir ein bisschen Wasser, damit du dich waschen kannst.«
Miranda nickte und biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte das Gefühl, dass die Dankbarkeit, die sie diesem Mann gegenüber empfand, fast absurd war. Aber sie hatte eben noch nie einen Mann gesehen, der sie mit so viel Zuvorkommenheit behandelte, nicht einmal der, der sie verführt hatte, damit er ihr die Unschuld nehmen und sie dann schwanger zurücklassen konnte. Tränen stiegen Miranda in die Augen, und sie wandte rasch den Kopf ab, damit Landry es nicht sah und sie danach befragte.
Doch er sah es trotzdem. Er fing ihr Kinn sanft in seinen rauen Fingern ein, hob ihr Gesicht zu sich auf und sah sie lange an. »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagte er dann, »ich verspreche es dir.«
»Ich habe nie – ich habe keine Angst vor dir!«, stieß Miranda hervor und klopfte dem Baby auf den Rücken, als es ihre Brust freigab und in einen satten, zufriedenen Schlaf fiel. »Es ist nur – nun, es hat sich viel für mich verändert, seit ich heute Morgen aufgestanden bin. Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll.«
Landry zog sich zurück, und Miranda empfand den Verlust seiner Berührung als bedauerlich. »Du hast jede Menge Zeit, um dich einzugewöhnen«, sagte er ruhig, und obwohl sein Gesicht ernst war, tanzte etwas Spitzbübisches in seinem Blick. Dann wandte er sich ab, um ihr das Wasser zu holen.
Miranda knöpfte sich das Mieder zu und legte den kleinen Jesaiah-oder-Ezekiel aufs Bett, wo sie ihn mit Kissen sicherte, damit er nicht auf den Boden rollte. Er schlief friedlich, und seine langen Wimpern umrahmten seine Lider wie goldene Fächer. Bei seinem Anblick fühlte Miranda sich gleich besser.