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Dieser Band enthält folgende Romane (399XE) von Frank Rehfeld: Das Hotel des Schreckens Jagd auf den Jenseitsmörder Helen Chambers malt Bilder, die sich unbewusst mit dem Tod beschäftigen. Das zieht den Verbrecher Bannister magisch an, der den Tod selbst als Kunstwerk begreift. Nachdem er von Helen in Notwehr erschossen wurde, kehrt er als Geist zurück. In ihrer Not sucht sie Hilfe beim Geisterjäger Sutton, der sich jedoch als Hochstapler entpuppt. Dennoch nehmen beiden Kampf gegen den Geist auf, weil ihnen niemand sonst helfen kann.
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Seitenzahl: 264
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Spuk Thriller Doppelband 2001 - 2 Romane in einem Band
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Das Hotel des Schreckens
Jagd auf den Jenseitsmörder
Dieser Band enthält folgende Romane
von Frank Rehfeld:
Das Hotel des Schreckens
Jagd auf den Jenseitsmörder
Helen Chambers malt Bilder, die sich unbewusst mit dem Tod beschäftigen. Das zieht den Verbrecher Bannister magisch an, der den Tod selbst als Kunstwerk begreift. Nachdem er von Helen in Notwehr erschossen wurde, kehrt er als Geist zurück. In ihrer Not sucht sie Hilfe beim Geisterjäger Sutton, der sich jedoch als Hochstapler entpuppt. Dennoch nehmen beiden Kampf gegen den Geist auf, weil ihnen niemand sonst helfen kann.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
Romantic Thriller von Frank Rehfeld
Der Umfang dieses Buchs entspricht 126 Taschenbuchseiten.
Die junge Reporterin Caroline Stafford soll für ein Lifestyle-Magazin über das neu eröffnete Luxushotel „Paladine“ in Wales berichten, dessen Besitzer ein dubioser Spekulant sein soll. Als sie dort den attraktiven Robert Fuller, einen angeblichen Hotelgast, kennenlernt, fühlt sie sich von ihm angezogen. Nachdem ein Feuer im Hotel ausgebrochen war und Fuller sie im letzten Moment gerettet hat, verbringen sie den folgenden Tag miteinander. Während des gemeinsamen Essens erscheint eine seltsame alte Frau, die weitere Unglücksfälle prophezeit, weil der Ort, auf dem das Hotel erbaut wurde, verflucht ist ...
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
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Alle Rechte vorbehalten.
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Es war ein wundervoller Kurzurlaub. Zumindest bezeichnete Caroline Stafford es als solchen, obwohl sie eigentlich aus beruflichen Gründen hier war.
Sie arbeitete als Journalistin für das britische Lifestyle-Magazin Pulse, und in dieser Funktion hatte sie den Auftrag erhalten, einen Bericht über das Paladine zu schreiben, ein erst vor Kurzem fertiggestelltes Hotel nahe Cardigan im Südwesten von Wales. Es handelte sich um einen Luxustempel, in dem zu wohnen sich nur Leute mit einem wohlgefüllten Bankkonto leisten konnten. Genau diese Gäste bildeten die Zielgruppe für das Hotel. Man hoffte, dass es sich zu einem Geheimtipp für die 'oberen Zehntausend' entwickeln würde, die genug vom Rummel an den bekannten Treffpunkten des internationalen Jet-Sets hatten und einfach ein paar Wochen in Ruhe ausspannen wollten.
Wie Caroline sich inzwischen überzeugen konnte, bot das Paladine beste Voraussetzungen dafür, weshalb ihr Artikel äußerst positiv ausfallen würde.
Die vom Massentourismus bislang verschont gebliebene Landschaft war mit ihren sanften Hügeln und weiten Wäldern absolut idyllisch. Kaum zweihundert Meter von der Küste entfernt gelegen, bot das Hotel einen traumhaften Ausblick auf die Cardigan Bay und einen eigenen Privatstrand. Da es in dieser Gegend nur wenig Industrie gab, war das Wasser außerordentlich sauber und lud geradezu zum Baden ein.
Die Küche des Hotels war erstklassig, man hatte namhafte Spitzenköche dafür verpflichtet. Ein kleines Einkaufzentrum mit Boutiquen, Juwelieren und anderen exklusiven Geschäften bot den reichen Gästen genügend Gelegenheit, ihrem Konsum ungehemmt zu frönen.
Diese Möglichkeit besaß Caroline nicht. Natürlich hatte sie sich auch die Geschäfte angesehen, aber der Schmuck und die Designerkleider überstiegen ihren finanziellen Rahmen bei Weitem. Zwar brauchte sie für den Aufenthalt hier keinen Cent zu bezahlen, da alle Kosten von der Redaktion übernommen wurden, doch einen Einkaufsbummel hätte man ihr kaum als Spesen anerkannt.
Sie seufzte, als sie an die kunstvoll geschmiedete goldene Kette dachte, die sie im Schaufenster des Juweliers gesehen hatte. In das Schmuckstück hatte sie sich auf Anhieb verliebt, doch kostete es mehr, als sie in einem Vierteljahr verdiente und war somit unerschwinglich für sie.
Gleich darauf seufzte sie noch einmal. Es gab Schlimmeres. Zum Beispiel die Tatsache, dass sie nur noch einen Tag hier vor sich hatte und übermorgen bereits nach London zurückfliegen musste. Am liebsten wäre sie noch mindestens eine weitere Woche hiergeblieben, und sie hätte diese Zeit auch gut gebrauchen können.
Es war ihr erster Urlaub seit vier Jahren, seit sie bei Pulse angefangen hatte. Sie war ehrgeizig und arbeitete hart, um es in ihrem Beruf zu etwas zu bringen. Zu hart, wie einige ihrer Kollegen und auch Jeffrey Bernstein, ihr Chefredakteur, bereits einige Male angedeutet hatten.
Caroline wusste, dass dies einer der Gründe war, weshalb Bernstein ihr diesen Auftrag überhaupt zugeteilt hatte. Wenn es nur um den Artikel über das Paladine gegangen wäre, hätten auch zwei Tage genügt. Er aber hatte fünf Tage angesetzt, deshalb bezeichnete sie ihren Aufenthalt hier als Kurzurlaub. Ihr war genau bewusst, dass Bernstein das als kleine Anerkennung für ihre Leistungen bezweckt hatten.
Sie machte sich wieder über das hervorragende Kalbsfilet her, das sie sich zum Abendessen bestellt hatte. Das Hotel hatte erst vor wenigen Wochen eröffnet und war gegenwärtig nur zur Hälfte ausgebucht. Dementsprechend hielten sich auch nur wenige Dutzend Gäste im Speisesaal auf, meist Pärchen, denen man ihren Reichtum schon von Weitem ansehen konnte.
Ein Mann, der ein Stück von ihr entfernt allein an einem Tisch saß, erweckte Carolines Aufmerksamkeit. Anders als die meisten übrigen männlichen Gäste trug er keinen Anzug, sondern ein Poloshirt und eine legere Bundfaltenhose. Er mochte Mitte dreißig sein, also fast zehn Jahre älter als sie selbst, doch sah er geradezu verteufelt gut aus.
Sein Haar war ebenso nachtschwarz wie ihr eigenes, doch während ihres glatt herabfiel, war seines leicht gelockt. Sein Gesicht wies markante männliche Züge auf, und seine klassisch gerade Nase über den vollen, sinnlich geschwungenen Lippen verlieh ihm ein fast aristokratisches Aussehen. Er wirkte sportlich und war braun gebrannt, hielt sich offenbar viel im Freien auf. Kleine Grübchen um seine Mundwinkel zeigten an, dass er Humor besaß und viel lachte.
Als würde er merken, dass sie zu ihm hinübersah, blickte er in diesem Moment von seinem Teller auf. Ein Schauer durchlief Caroline, als ihre Blicke sich trafen. Der Mann hatte strahlend blaue Augen, die einen faszinierenden Kontrast zu seinem schwarzen Haar bildeten.
Sie meinte die Andeutung eines Lächelns um seine Lippen spielen zu sehen. Ein wenig verlegen senkte sie hastig den Blick. Während sie zu Ende aß, glitt ihr Blick wie von selbst immer wieder zu ihm hinüber, obwohl sie sich bemühte, es nicht zu tun. Trotz ihrer ungewohnten Verlegenheit wünschte sie sich, auch er würde noch einmal aufsehen und ihren Blick erwidern, doch diesen Gefallen tat er ihr nicht. Anscheinend hatte sie keinen großen Eindruck auf ihn gemacht.
Nachdem sie ihren Teller geleert hatte, stand sie auf, warf noch einen letzten Blick zu ihm hinüber und verließ den Speisesaal. An der Rezeption ließ sie sich ihren Zimmerschlüssel geben und schlenderte zu den Aufzügen. Sie musste fast eine Minute warten, bis endlich ein Lift im Erdgeschoss ankam. Caroline trat in die Kabine.
"Warten Sie mit dem Lift!", hörte sie jemanden rufen, als sich die Türen zu schließen begannen. Sie sah den schwarzhaarigen Mann aus dem Speisesaal durch das Foyer auf sich zugeeilt kommen. Unwillkürlich schlug ihr Herz schneller. Sie streckte rasch eine Hand aus und durchbrach damit die Lichtschranke des Aufzugs. Die Türen glitten wieder auseinander.
"Vielen Dank", sagte der Mann und schenkte ihr ein freundliches Lächeln, als er in den Lift trat. "Man wartet immer eine halbe Ewigkeit vor den Aufzügen. Der einzige Haken, den ich in diesem Hotel bislang entdeckt habe. In welches Stockwerk müssen Sie?"
"Das oberste", antwortete Caroline.
"Welch ein Zufall, da wohne ich auch."
Im obersten Stockwerk befanden sich Suiten, die noch etwas luxuriöser und größer als die übrigen waren - und dementsprechend auch noch teurer. Ursprünglich hätte Caroline angesichts der horrenden Preise gar nicht hier wohnen sollen. Da das Hotel jedoch starkes Interesse an einem positiven Artikel hatte, war man ihr entgegengekommen und hatte ihr eine der ohnehin leer stehenden Luxussuiten für einen bedeutend niedrigeren Preis überlassen.
Der Mann drückte auf den obersten Knopf auf der Schalttafel. Mit einem kaum merklichen Ruck setzte sich der Aufzug in Bewegung.
"Wie gefällt es Ihnen denn hier?", fragte der Unbekannte.
"Ausgezeichnet", erwiderte Caroline. "Nur leider muss ich übermorgen schon wieder abreisen."
"Na ja, jeder Urlaub geht einmal zu Ende. Ich bin gestern erst angekommen und habe noch eine ganze Woche vor mir."
"Eigentlich mache ich hier gar keinen Urlaub", erklärte sie. "Mein Name ist Caroline Stafford. Ich schreibe für das Pulse-Magazine einen Artikel über das ..."
Sie kam nicht zum Aussprechen. Ein harter Ruck ging durch die Kabine, als der Lift urplötzlich stoppte. Caroline verlor das Gleichgewicht und wäre gestürzt, wenn ihr Begleiter nicht geistesgegenwärtig zugegriffen hätte und sie auffing. Sie zuckte zusammen. Ein elektrischer Funke sprang zwischen ihnen über, als seine Hand ihren nackten Arm berührte.
Für einen kurzen Moment blickten sie sich verblüfft an, dann mussten sie beide lächeln.
"Das ist ja wie ein Omen", kommentierte er. "Der berühmte überspringende Funke."
"Wahrscheinlich haben wir uns beim Gehen auf den Kunstfaserteppichen statisch aufgeladen", entgegnete Caroline und ärgerte sich gleich darauf selbst über diese prosaische Bemerkung.
"Die andere Erklärung war mir lieber." Er lächelte sie an, und sie hatte das Gefühl, in seinen blauen Augen geradezu zu versinken. Seine Gegenwart irritierte sie mehr als ihr recht war. Er besaß eine charismatische Ausstrahlung, aber das allein war es nicht.
Sie verfügte selbst über ein gesundes Selbstbewusstsein, was sie in ihrem Beruf auch brauchte. In den vergangenen Jahren hatte sie zahlreiche Schauspieler, Sänger und andere Berühmtheiten interviewt. Viele von ihnen schienen sich für den Nabel der Welt zu halten und besaßen ein Ego, so groß wie ein Wolkenkratzer. Aber obwohl tausende von Teenies an ihrer Stelle vermutlich vor Verlegenheit in Ohnmacht gefallen wären, hatte keiner dieser Stars Caroline jemals sonderlich beeindrucken und aus dem Konzept bringen können. Dieser Mann jedoch ...
"Wie es aussieht, stecken wir fest", stellte sie fest und drückte auf den Alarmknopf an der Schalttafel. "Immerhin schon ein zweiter Haken für Ihre Sammlung, Mister ..."
"Nennen Sie mich Robert."
"So wie der Erbauer dieses Hotels."
Er runzelte die Stirn und blickte sie irritiert an.
"Robert Cranstone", erklärte sie. "Ein dubioser Spekulant. Er hat sein Vermögen mit Aktien, Immobilien und anderen Vermögensanlagen gemacht. Unter anderem gehört ihm eben auch das Paladine. Er lebt ziemlich zurückgezogen und zeigt sich nur selten in der Öffentlichkeit."
"Sie scheinen ihre Hausaufgaben gemacht zu haben."
"Na ja, vor zwei Jahren habe ich mich mal um einen Interviewtermin bei ihm bemüht, mir aber eine Absage eingehandelt, weil er grundsätzlich keine Interviews gäbe. Er wird schon wissen, warum."
"Offenbar haben Sie keine besonders hohe Meinung von ihm."
"Es gibt Gerüchte, dass er einen Teil seines Vermögens durch illegale Geschäfte erworben und die Gewinne an der Steuer vorbeigeschmuggelt hat", berichtete Caroline. "Er soll sogar Verbindungen zum organisierten Verbrechen haben. Das hört sich nicht gerade nach einem angenehmen Zeitgenossen an."
"In der Tat. Gut, dass ich nur den Vornamen mit ihm gemeinsam habe. Mit vollem Namen heiße ich Robert Fuller. Dieser Cranstone muss ein Idiot sein, ein Interview mit Ihnen auszuschlagen. Hätte er gewusst, mit was für einer bezaubernden Reporterin er es zu tun hat, hätte er es sich sicherlich anders überlegt."
Caroline merkte, wie sie errötete und ärgerte sich erneut über sich selbst. Sie kam sich wie ein schüchterner kleiner Teenager vor, der unversehens vom Schwarm der ganzen Schule um ein Rendezvous gebeten wurde. Zwar war dies kein Rendezvous, doch Fuller hatte ihr ein ziemlich deutliches Kompliment gemacht. Entweder war er ein windiger Charmeur, oder er hatte tatsächlich Interesse an ihr.
"Wie lange dauert das denn, bis die den Fahrstuhl wieder in Gang bekommen?", murmelte sie und drückte noch einmal auf den Alarmknopf.
Obwohl sie froh war, dass sich eine Gelegenheit ergeben hatte, mit Robert Fuller ins Gespräch zu kommen, war ihr die Enge in der Kabine plötzlich unerträglich. Sie hatte noch nie unter Platzangst gelitten, daran lag es nicht. Es war Fullers Nähe, die sie nervös machte. Viel fehlte nicht mehr, dass sie weiche Knie bekam, und das war für sie ein völlig ungewohntes Gefühl.
Seit Jahren schon hatte sie keinen Kontakt mehr mit einem Mann gehabt, der über das rein Berufliche hinausging. Sie wollte als Journalistin Karriere machen, und für dieses Ziel hatte sie einen Großteil ihres Privatlebens geopfert. Sie hatte eine regelrechte Schutzmauer um sich herum aufgebaut, doch Fuller war es fast auf Anhieb gelungen, eine Bresche in diese Mauer zu schlagen. Das war etwas, worauf sie nicht vorbereitet war, und sie brauchte Zeit, sich auf diese Situation einzustellen.
Gerade weil sie sich zu ihm hingezogen fühlte, stellte er eine Bedrohung für ihre selbst auferlegte Askese dar und löste damit einen automatischen Fluchtinstinkt in ihr aus. Aber solange sie hier eingesperrt waren, gab es keine Fluchtmöglichkeit. In gewisser Weise war sie ihm ausgeliefert, was ihre Nervosität noch steigerte, auch wenn sie keinerlei Befürchtungen hegte, dass er die Situation ausnutzen könnte.
"Warum diese Eile?", erkundigte sich Fuller. "Urlaub und Hektik vertragen sich nicht gut miteinander."
"Wie ich schon sagte, bin ich beruflich hier."
"Und deshalb haben Sie Angst etwas zu verpassen? Was haben Sie denn so Dringendes zu erledigen, dass Sie nicht einmal fünf Minuten Geduld aufbringen können?"
"Eigentlich gar nichts", gab Caroline zu.
"Oder ist meine Gegenwart Ihnen unangenehm?"
"Nein, das nicht." Sie rang sich ein flüchtiges Lächeln ab. "Ich bin es wohl einfach so sehr gewöhnt, mir keine Ruhe zu gönnen, sondern alles möglichst schnell und effektiv zu erledigen, dass es mir schwerfällt, mal einen Gang runter zu schalten."
"Das sollten Sie aber unbedingt lernen. Wenn Sie sich ständig abhetzen, brennen Sie viel zu schnell aus, körperlich und seelisch. Glauben Sie mir, Sie verpassen absolut nichts, wenn Sie sich gelegentlich auch mal etwas Entspannung gönnen, und die Arbeit fällt Ihnen anschließend umso leichter."
"Sie hören sich an wie mein Chefredakteur."
"Offenbar ein weiser Mann."
"So weise wie Sie, meinen Sie. An mangelndem Selbstbewusstsein leiden Sie offenbar nicht."
Er schmunzelte.
"Das hat mit Selbstbewusstsein nichts zu tun. Es gibt nur einfach ein paar Tatsachen, die unumstößlich wahr sind, ganz egal, wer sie ausspricht. Man kann in seiner Arbeit aufgehen und sich dabei sogar glücklich fühlen, aber das ist eine Selbsttäuschung. Ohne es zu merken, läuft man mit immer größeren Scheuklappen umher, wenn man sich zu sehr auf die Arbeit fixiert, und man verliert seinen Blick für die schönen Dinge des Lebens. Sie sind noch jung. Verschwenden Sie nicht die besten Jahre Ihres Lebens, sonst werden Sie eines Morgens aufwachen und sich fragen, wo bloß die ganze Zeit geblieben ist. Dann haben Sie es zwar im Beruf zu etwas gebracht, aber Sie werden feststellen, dass der Preis, den Sie dafür bezahlen mussten, zu hoch war."
Caroline musterte ihn mit neu erwachtem Interesse. Worte wie diese hatte sie schon oft genug gehört, nicht nur von Bernstein, aber noch niemals so eindringlich vorgetragen. Fullers Stimme hatte fast beschwörend geklungen.
"Das hört sich an, als ob Sie aus eigener Erfahrung sprechen würden."
"Da tue ich", bestätigte er. "Zumindest wäre es mir fast so gegangen. Auch ich war nur auf meine Arbeit fixiert, der Erfolg war alles, was für mich zählte."
"Und anscheinend haben Sie den auch gehabt, sonst könnten Sie sich keinen Urlaub in einem Hotel wie diesem leisten."
"Das ist nicht das Problem. Ich stamme aus einer sehr alten und reichen Familie. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich in meinem Leben nicht eine Minute arbeiten müssen, ohne mich deshalb einzuschränken. Aber ich wollte keiner dieser dekadenten Nichtsnutze sein, die mit einem goldenen Löffel im Mund geboren werden und ihr ganzes Leben damit verbringen, in der Welt herumzureisen, zu faulenzen und sich zu amüsieren. Stattdessen wollte ich der Welt und vor allem mir selbst beweisen, dass ich durchaus arbeiten kann."
"Und was arbeiten Sie?", hakte Caroline nach.
Er zuckte mit den Schultern.
"Verschiedene Gebiete. Ein paar Aktien, Immobilien, Beteiligungen an einigen Firmen."
"Anscheinend haben Sie mit Cranstone doch mehr als nur den Vornamen gemeinsam."
"Solange mich das nicht ebenfalls zu einem unangenehmen Zeitgenossen abstempelt, kann ich damit leben."
"Aber dann haben Sie eingesehen, dass Arbeit nicht das Richtige für Sie ist, und sind doch noch zu einem dieser dekadenten Nichtsnutze geworden?", stichelte Caroline.
"Nein." Er schüttelte entschieden den Kopf. "Ich arbeite nach wie vor hart. Meine Geldanlagen gedeihen nicht von allein. Ich verbringe mehrere Stunden täglich am Telefon und am Computer, muss zu Konferenzen, Aufsichtsratssitzungen und dergleichen mehr. Nebenher unterhalte ich noch eine kleine Pferdezucht. Sie bringt zwar nicht viel ein, aber die Arbeit mit den Tieren macht mir viel Spaß."
"Das hört sich aber nicht so an, als ob Ihnen sonderlich viel Zeit für private Vergnügungen bliebe."
"Diese Zeit nehme ich mir im Gegensatz zu früher. Ich habe gelernt, mich nicht ständig selbst zu hetzen und zum Sklaven meines Terminkalenders zu machen. Meist gelingt es mir, Geschäft und Vergnügen miteinander zu kombinieren. Dies hier ist so ein Beispiel. Ich hatte einige Geschäftstermine hier in der Gegend, und habe sie mit einem zweiwöchigen Urlaub verbunden. Die Termine habe ich hinter mir, jetzt ist nur noch Entspannung angesagt."
"Und Ihre Geschäfte?"
"Sollen meine Vermögensberater auch mal was für ihr Geld tun. Bei besonders wichtigen Entscheidungen bin ich für Rückfragen telefonisch zu erreichen, aber das gilt nur für Ausnahmefälle, schließlich will ich mich erholen."
"Das dürfte wesentlich leichter sein, wenn man erst einmal reich ist. Sie brauchen sich bestimmt keine Sorgen darüber zu machen, woher Sie das Geld für ihre nächste Miete bekommen."
Fuller lachte.
"Nein, das brauche ich in der Tat nicht, da ich auf unserem Familienstammsitz in York lebe. Ich wollte Ihnen ja auch nicht raten, ganz mit Arbeiten aufzuhören, Sie sollen lediglich wegen Ihres Berufs nicht völlig zu leben vergessen. Dann werden Sie auch nicht direkt hektisch, wenn Sie mal ein paar Minuten in einem Fahrstuhl feststecken."
Wie auf sein Stichwort hin, setzte sich der Lift in diesem Moment wieder in Bewegung. Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie das siebte und oberste Stockwerk, wo sie ausstiegen. Ein Stück gingen sie noch gemeinsam den Korridor entlang, dann blieb Caroline vor einer Tür stehen.
"So, das ist meine Suite. Sie scheinen ja noch etwas länger als ich zu bleiben. Falls wir uns nicht mehr sehen sollten, wünsche ich Ihnen schon mal einen schönen Resturlaub."
"Danke, für Sie das Gleiche. Aber ich bin mir sicher, dass wir uns nochmal über den Weg laufen werden."
Er zwinkerte ihr zum Abschied zu und ging weiter, während Caroline ihre Suite betrat. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, lehnte sie sich von innen dagegen und atmete erst einmal tief durch.
Dieser Robert Fuller war in der Tat eine höchst interessante Person. So wie er hatte sie schon lange kein Mann mehr beeindruckt.
Ein lautes Geräusch drang von außen in Carolines Träume, doch reichte es nicht aus, sie völlig aus der Tiefe ihres Schlafs zu reißen. Erst als jemand ein paarmal ihren Namen rief und sie dabei an den Schultern rüttelte, wachte sie schließlich auf.
Benommen öffnete sie die Augen. Robert Fuller stand neben ihrem Bett und hatte sie gepackt, doch sie sah ihn nur undeutlich, wie durch dichten Nebel hindurch.
"Was ist denn?", murmelte sie verschlafen. Sie hatte sich früh hingelegt, aber lange konnte sie noch nicht geschlafen haben, denn sie war noch immer so müde, dass sie sich am liebsten auf der Stelle in ihre Träume hätte zurückgleiten lassen.
"Wachen Sie auf, Caroline, na los doch!", rief Robert mit aufgeregt klingender Stimme.
Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass er sich mitten in der Nacht in ihrem Hotelzimmer befand. Diese Entdeckung riss sie aus ihrer Benommenheit und ließ sie hochfahren. Sie hatte das Gefühl, nicht richtig atmen zu können. Ein an- und abschwellendes Heulen erfüllte die Luft.
"Was machen ..."
"Stehen Sie auf, na los, machen Sie schon! Wir müssen raus hier. Das Hotel brennt!"
"Was?"
Seine Worte fegten auch den Rest ihrer Benommenheit und Müdigkeit hinweg. Mit einem Schlag war sie hellwach. Nun erkannte sie, warum sie ihn nur so verschwommen sehen konnte. Das ganze Zimmer war voller Rauch, und von der Tür her quoll immer noch mehr herein. Deshalb hatte sie das Gefühl, nicht richtig atmen zu können, und deshalb war ihr auch das Aufwachen so schwer gefallen. Das in dem Rauch enthaltene Kohlenmonoxid hatte sie bereits halb betäubt. Nur ein paar Minuten länger, und sie wäre erstickt, ohne überhaupt noch einmal aufzuwachen. Nicht einmal das Heulen der Alarmsirene hatte sie wecken können.
Sie sprang auf und wollte zur Tür hasten, doch Robert hielt sie zurück.
"Warten Sie. Ich weiß nicht, wie es in den Stockwerken unter uns aussieht. Möglicherweise müssen wir nah am Feuer vorbei, dann sind sie in dem dünnen Nachthemd kaum geschützt." Er trat an ihren Schrank und öffnete ihn. Ohne groß zu suchen, griff er nach einem dünnen Pullover und einer Jeans. Beides warf er ihr zu. "Hier, ziehen Sie das an. Und vergessen Sie die Schuhe nicht."
Er wartete, bis Caroline sich die Kleidungsstücke über das Nachthemd gestreift hatte, dann drängte er sie ins Badezimmer und ergriff auf dem Weg dorthin noch eine Decke, die auf einem Sessel lag. Er drehte die Dusche auf und richtete den Brausekopf zunächst auf Caroline, bis sie völlig durchnässt war, dann stellte er sich selbst unter den Wasserstrahl und machte auch die Decke nass.
Erst dann hasteten sie aus der Suite. Caroline konnte sehen, dass die Tür gewaltsam aufgebrochen worden war, vermutlich der Knall, den sie gehört hatte.
Sie wollte sich automatisch nach rechts wenden, zu den Fahrstühlen, doch Robert schüttelte den Kopf und zog sie mit sich in die andere Richtung.
"Der Lift ist zu gefährlich", stieß er hervor. "Wir nehmen die Nottreppe."
Mit Schrecken wurde ihr bewusst, dass sie sich ja im obersten Stockwerk befanden. Das Feuer befand sich also höchstwahrscheinlich unter ihnen, möglicherweise hatte es ihn sogar bereits den Fluchtweg abgeschnitten.
Die Sprinkleranlage im Korridor war in Betrieb, sodass Caroline das Gefühl hatte, durch einen starken Regen zu laufen. Das aus den Düsen an der Decke schießende Wasser drückte den Rauch etwas zu Boden, aber längst nicht genug. Er brannte in ihren Augen und ihrer Kehle, reizte sie zum Husten.
Sie folgte Roberts Beispiel, indem sie sich einen Ärmel vor den Mund hielt und durch den nassen Stoff atmete, wodurch die Luft etwas gefiltert wurde.
Flammen waren zu ihrer Erleichterung nirgendwo zu sehen, aber eines ihrer Probleme war, dass sie ganz allgemein so gut wie nichts sehen konnte. Der Rauch und das Wasser nahmen ihr die Sicht, und ihre Augen tränten stark.
Halb blind und hustend taumelte sie hinter Robert her, bis sie die stählerne Notfalltür erreichten, und er sie aufriss. Dahinter befand sich ein Schacht. In engen Windungen schraubte sich eine Betontreppe darin in die Tiefe. Auch die Wände bestanden aus unverputztem Beton. In regelmäßigen Abständen waren einfache Lampen angebracht, die fast nur aus einer Glühbirne und einer kleinen Halterung bestanden.
Die Luft roch muffig und abgestanden, doch war sie fast rauchfrei, da die Notfalltüren gerade im Hinblick auf einen Fall wie diesen nahezu luftdicht schlossen. Gierig atmete Caroline ein, während Robert die Tür hinter ihnen wieder schloss, damit der Rauch ihnen nicht folgen konnte.
Es war warm in dem Schacht, und die Temperatur steigerte sich noch mit jeder Stufe, die sie hinunterstiegen. Als sie das unter ihrem liegende sechste Stockwerk erreichten, strahlte der Beton der Wände regelrechte Hitze ab.
"Vorsicht", warnte Robert, als sie sich dicht vor der Tür befanden. "Kommen Sie nicht an das Metall. Es scheint glühend heiß zu sein. Offenbar wütet das Feuer in dieser Etage besonders schlimm."
Eng an die gegenüberliegende Wand gepresst, schoben sie sich an der Tür vorbei. Dabei hielt Robert die nasse Decke wie einen schützenden Vorhang vor sie. Als sie den Treppenabsatz hinter sich gelassen hatten, hasteten sie weiter in die Tiefe.
Wie es schien, hatten sie damit das Schlimmste hinter sich. Der Beton begann wieder abzukühlen, je tiefer sie stiegen, und selbst die Stahltür im nächsttieferen Stockwerk fühlte sich kühl an. Robert ließ die Decke fallen, da sie diese nicht mehr brauchten.
Auch jetzt noch wurden sie beide immer wieder von Hustenanfällen geschüttelt, doch dies ließen bereits nach. Aus der Tiefe schlug ihnen kühlere, frischere Luft entgegen.
Polternde Schritte ertönten unter ihnen, und kurz darauf kamen ihnen mehrere Gestalten entgegen, die ein bisschen wie Wesen von einem anderen Stern wirkten. Es handelte sich um Feuerwehrleute in dichter Schutzkleidung, mit Helmen und mit Atemmasken vor den Gesichtern.
"Alles in Ordnung?", fragte der vorderste der Männer. Seine Stimme klang durch die Maske verzerrt. "Schaffen Sie es allein bis unten?"
Robert nickte. "Geht schon", presste er hervor.
Vorbei an immer weiteren Feuerwehrmännern stiegen sie die restlichen Stockwerke hinab und erreichten das Erdgeschoss. Gierig sog Caroline die frische Nachtluft ein, als sie ins Freie traten.
Zahlreiche Feuerwehr- und Polizeiwagen standen mit blitzendem Rot- und Blaulicht vor dem Gebäude, außerdem einige Ambulanzen. Menschen hasteten wild umher. Schläuche wurden ausgerollt und angeschlossen, die Leitern der Feuerwehrwagen ausgefahren. Polizisten drängten Schaulustige und die Hotelgäste, die sich längst ins Freie geflüchtet hatten, zurück, damit sie die Löscharbeiten nicht behinderten.
Caroline drehte den Kopf und warf einen Blick nach oben, an der Hotelfassade entlang. Dichter, schwarzer Rauch quoll aus einigen Fenstern im sechsten Stockwerk, und vereinzelt konnte sie sogar Flammenzungen sehen.
Einige Sanitäter kamen auf sie zu.
"Kommen Sie. Ein Arzt wird sich direkt um Sie kümmern", sagte einer der Männer und führte sie zu einem der Ambulanzwagen. Dort mussten sie sich auf rollbaren Tragen ausstrecken und bekamen Sauerstoffmasken angelegt. Caroline spürte, wie das Brennen in ihrem Hals und ihren Lungen allmählich nachließ und sie wieder ungehindert atmen konnte.
Nach zwei, drei Minuten kam der angekündigte Arzt zu ihnen und untersuchte sie.
"Sie haben beide viel Rauch eingeatmet", stellte er fest. "Aber zum Glück handelt es sich nur um leichte Vergiftungen, die keine Folgen hinterlassen werden. Trotzdem würde ich Sie zur Sicherheit gerne zur Beobachtung bis morgen ins Krankenhaus nach Cardigan bringen lassen."
Robert schüttelte den Kopf, nahm die Sauerstoffmaske ab und schwang die Beine von der Trage.
"Das wird nicht nötig sein", behauptete er. "Es geht mir schon wieder gut, und ich habe hier noch einiges zu erledigen."
Caroline schloss sich ihm an.
"Ich bin Journalistin", erklärte sie. "Und natürlich werde ich über den Brand berichten. So eine Gelegenheit lasse ich mir bestimmt nicht entgehen, nur um im Krankenhaus zu faulenzen", fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu.
Ein weiterer Mann kam auf sie zu. Er war einen halben Kopf kleiner als sie, knapp fünfzig und trug einen dezenten, tadellos sitzenden Anzug. Sein Haar war bereits stark angegraut. Caroline hatte ihn erst einmal getroffen, als sie hier angekommen war, und er sie persönlich begrüßt hatte. Es handelte sich um Jeffrey Bondner, den Generalmanager des Paladine.
"Miss Stafford, Mister Fuller, ich bin ja so froh, dass Ihnen nichts passiert ist", sagte er.
"Aber das ist sicherlich nicht Ihr Verdienst", erwiderte Robert kalt. "Der Alarm ging erst viel zu spät los, ebenso die Sprinkleranlage. Glücklicherweise war ich noch wach und habe den Rauch von selbst bemerkt."
"Ein ... ein technischer Defekt", stammelte Bondner. "Die sechste Etage ist noch nicht ganz fertiggestellt, deshalb wohnt dort auch niemand. Es mussten einige Nachbesserungen bei der Elektroinstallation vorgenommen werden. Wie es aussieht, hat ein Kabel zu schmoren angefangen und den Brand dadurch ..."
"Das interessiert mich im Moment nicht", unterbrach Robert ihn. Er wirkte völlig verändert, trat so befehlsgewohnt und entschlossen auf, dass der Manager neben ihm wie ein kleiner Angestellter vor seinem Chef wirkte. "Die sechste Etage stand also leer, das ist schon mal gut. Aber um die Gäste im obersten Stockwerk hat sich niemand gekümmert. Ich hoffe für Sie, dass außer Miss Stafford und mir niemand dort einquartiert war."
"Nein, Sie beide waren die Einzigen, die ...
"… die beinahe ums Leben gekommen wären", fiel Robert ihm ins Wort. "Wie gesagt, ich war glücklicherweise noch wach, aber Miss Stafford hat bereits tief und fest geschlafen. Sie wäre erstickt, wenn ich ihr Zimmer nicht aufgebrochen und sie herausgeholt hätte. Es wäre eigentlich Ihre Aufgabe gewesen, sich davon zu überzeugen, dass sich niemand mehr in dem gefährdeten Bereich befand."
"Das tut mir alles schrecklich leid", stieß Bondner hervor. "Aber so etwas ist allein Aufgabe der Feuerwehr. Den Vorschriften nach durfte ich überhaupt niemanden mehr in die oberen Stockwerke schicken, sondern musste warten, bis die Rettungskräfte eintreffen."
"Bis dahin wäre Miss Stafford bereits an dem Rauch erstickt. Ich pfeife auf die Vorschriften. Sie sind persönlich für die Sicherheit aller Gäste in diesem Hotel verantwortlich. Deshalb hätten sie niemanden von den Angestellten schicken, sondern diese Aufgabe persönlich übernehmen sollen, dafür werden sie schließlich sehr gut bezahl, und deshalb werde ich auch Sie persönlich für diese Unterlassung zur Verantwortung ziehen."
Bondner war immer mehr in sich zusammengesackt, während die Vorwürfe auf ihn niederprasselten, doch nun straffte er sich.
"Hören Sie, Mister Fuller, ich habe Ihnen gesagt, dass es mir leid tut. Sie sind Gast im Paladine, und wie es auch in unserer Werbung so schön heißt, ist der Gast bei uns König. Das gibt Ihnen aber nicht das Recht, sich hier ..."
"Nein, das allein vielleicht nicht", unterbrach Robert ihn abermals. "Wohl aber etwas anderes. Ich bin als Robert Fuller in diesem Hotel abgestiegen, weil ich unerkannt bleiben wollte und mich wie ein ganz normaler Gast vom Service und allem anderen hier überzeugen wollte. Aber Fuller ist nicht mein richtiger Name."
Er zog sein Portemonnaie aus der Hosentasche, nahm einen Personalausweise heraus und hielt ihn dem Manager entgegen.
"Ich hoffe, Sie können wenigstens lesen, wenn schon sonst nichts", giftete er.
Bondners Augen weiteten sich, und sein Gesicht wurde noch blasser. Er taumelte einen halben Schritt zurück, als wäre er plötzlich zu schwach, um sich noch auf den Beinen zu halten. Er sah aus, als würde er jeden Moment in Ohnmacht fallen.
"Mister ... Mister Cranstone", stammelte er. "Aber ..."
Fassungslos starrte auch Caroline den Mann an, den sie als Robert Fuller kennengelernt hatte.
Während der restlichen Nacht bekam Caroline keine Gelegenheit mehr, sich mit Robert Cranstone allein zu unterhalten und ihm wenigstens für ihre Lebensrettung zu danken. Er war viel zu beschäftigt, um Zeit für sie zu erübrigen, was sie jedoch verstehen konnte. Anstelle von Bondner fungierte er persönlich als Ansprechpartner für die Feuerwehr und die Polizei, nahm Schadensmeldungen und Berichte über den Fortgang der Löscharbeiten entgegen.
Außerdem gab er Statements vor der Presse ab, sprach mit den aufgebrachten und verängstigten Hotelgästen und kontrollierte Namenslisten, um sich davon zu überzeugen, dass tatsächlich jeder von ihnen das Hotel unbeschadet verlassen hatte, was zu seiner Erleichterung der Fall war.
Das Feuer war gegen Mitternacht ausgebrochen, und um kurz nach zwei war es vollständig gelöscht. Zusammen mit dem Einsatzleiter der Feuerwehr unternahm er einen Rundgang durch das Hotel, um den entstandenen Schaden zu begutachten. Dieser hielt sich glücklicherweise in Grenzen.
Das sechste Stockwerk war zu einem beträchtlichen Teil ausgebrannt, doch die Zimmer dort hatten ohnehin leer gestanden. Dank der Bemühungen der Feuerwehr hatte der Brand nicht auf das oberste Stockwerk übergegriffen, doch war es durch den starken Rauch und das Wasser aus der Sprinkleranlage ebenfalls vorläufig unbewohnbar geworden. Der Gestank würde sich noch längere Zeit dort halten und eine totale Renovierung nötig machen.
Auch im fünften Stock hatte es leichte Wasserschäden gegeben, doch war kaum Rauch nach hier gedrungen. Die darunterliegenden Stockwerke waren völlig unversehrt. Da die Sprinkleranlage durch die installierten Rauchmelder in jeder Etage separat ausgelöst wurde, hatte sie sich hier erst gar nicht eingeschaltet.
Brandschutzexperten begannen mit ihren Ermittlungen, um die Ursache des Feuers herauszufinden, doch alles deutete darauf hin, als ob es tatsächlich durch einen Kurzschluss ausgelöst worden war. Dadurch waren auch die Rauchmelder im sechsten Stock ausgefallen, weshalb sich nicht einmal die darüber gesteuerte Sprinkleranlage aktiviert hatte. Sonst hätte das Feuer sich erst gar nicht so ausbreiten können. Dies hätte auf keinen Fall passieren dürfen, offenbar war bei der Elektroinstallation schlampig gearbeitet worden. Cranstone versicherte, dass die entsprechende Firma dafür zur Verantwortung gezogen würde.
Gegen vier Uhr durften die aufgeregten Hotelgäste in ihre Zimmer zurückkehren. Die Bewohner der fünften Etage und auch Caroline bekamen neue Quartiere in den tiefer liegenden Etagen zugeteilt. Jetzt erwies es sich als Vorteil, dass das Hotel kaum zur Hälfte belegt war, sodass genügend freie Zimmer zur Verfügung standen.
Da ihre Kleidungsstücke durch den Rauch unbrauchbar geworden waren, durfte sie sich auf Anordnung von Cranstone hin aus der hoteleigenen Boutique kostenlos ein neues Nachthemd und etwas zum Anziehen für den nächsten Tag aussuchen. Für einen kurzen Moment war sie versucht, sich für eines der tausende von Pfund teuren Designerkleider zu entscheiden, nur um herauszufinden, ob man auch diese Wahl akzeptieren würde. Dann jedoch siegte ihre Vernunft, und sie entschied sich für eine ein relativ schlichte Bluse und einen Rock. Beides waren ebenfalls exklusive Stücke, die sie sich normalerweise nicht hätte leisten können, aber nennenswert billigere Ware war hier erst gar nicht im Sortiment vertreten. Ihre eigene Kleidung wurde sofort in die hoteleigene Reinigung gebracht.
Nachdem sie ihr neues Zimmer erhalten hatte, verfasste Caroline unverzüglich einen Exklusivartikel über den Brand und schickte ihn über das hoteleigene Fax an ihre Redaktion nach London. Der Artikel war nicht für das nur monatlich erscheinende Magazin geeignet, doch - obwohl redaktionell eigenständig - gehörte Pulse einer größeren Verlagsgruppe an, die auch Tageszeitungen herausbrachte. Normalerweise hatte sie mit diesen Blättern nichts zu tun, doch da sie gerade vor Ort war und alles hautnah miterlebt hatte, war dies ein Sonderfall. Bernstein würde ihren Artikel weiterleiten und dafür sorgen, dass sie ein entsprechendes Extra-Honorar bekam.
Caroline hatte nicht damit gerechnet, in dieser Nacht noch Schlaf zu finden, doch die Müdigkeit forderte ihren Tribut. Nur wenige Minuten, nachdem sie sich hingelegt hatte, war sie bereits eingeschlafen.
Als sie spät am nächsten Vormittag aufwachte, fand Caroline ein kleines handgeschriebenes Kärtchen, das man unter ihrer Tür durchgeschoben hatte. Es stammte von Robert Cranstone, und er lud sie für ein Uhr zum Mittagessen ein.
Ihr Herz schlug unwillkürlich schneller. Zwar hatte er sie in Bezug auf seinen richtigen Namen belogen und war in Wirklichkeit ein Mann, von dem sie keine besonders gute Meinung hatte, allerdings hatte sie ihn persönlich kennengelernt und war sich nicht mehr sicher, was sie von den Gerüchten über ihn halten sollte. Er war völlig anders als der Robert Cranstone, den sie sich ausgemalt hatte, und außerdem hatte er ihr das Leben gerettet. Sie stand tief in seiner Schuld, und schon allein deshalb blieb ihr gar nichts anderes übrig, als seine Einladung anzunehmen.