Staats- und Europarecht -  - E-Book

Staats- und Europarecht E-Book

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Beschreibung

Das Skript Staats- und Europarecht vermittelt die prüfungsrelevanten Inhalte des Staats- und Europarechts in kompakter Form. Im Bereich des Staatsrechts werden neben dem grundlegenden Staatsbegriff die Verfassungsprinzipien und darauf aufbauend staatsorganisationsrechtliche Inhalte erläutert. Die Darstellung folgt dabei grundsätzlich dem Aufbau des Grundgesetzes und wird durch sinnvolle Themenbildung, z.B. für die Gesetzgebung des Bundes, ergänzt. Einen Schwerpunkt bilden zudem die Grundrechte und die Möglichkeit ihrer Durchsetzung mittels der Verfassungsbeschwerde. Die Ausführungen zum Europarecht vermitteln Ihnen einerseits erforderliche Grundkenntnisse zum Unionsrecht. Andererseits werden Sie mit der Prüfung der Grundfreiheiten vertraut gemacht. Ihr Wissen können Sie dabei gleich an ausformulierten Klausurfällen testen!

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Einführung

Über uns – der SVP Verlag stellt sich vor!

Wir sind der Begleiter für ein erfolgreiches Studium an den Hoch- und Fachhochschulen für die öffentliche Verwaltung! Unser Konzept für beste Klausurergebnisse in den juristischen und wirtschaftswissenschaftlichen Fächern besteht aus der Kombination aus theoretischem Wissen und der Anwendung in Klausuren.

Alle Inhalte beruhen auf den Modulbeschreibungen der jeweiligen Studiengänge und sind nach umfassender Auswertung bisheriger Prüfungen entstanden.

Mit unseren Kurzlehrbüchern haben Sie die Möglichkeit, sich das notwendige Klausurwissen in kompakter Form anzueignen. Wir haben uns auf das Notwendigste beschränkt, weil wir wissen, dass Sie ihre Zeit für viele verschiedene Fächer einteilen müssen. Unser Schwerpunkt liegt auf verständlichen Erklärungen, Prüfungsschemata und Definitionen, die Sie in der Klausur nutzen können.

In jedem Kurzlehrbuch finden Sie im Anschluss an den theoretischen Teil Klausuren mit vollständig ausformulierten Lösungen. Zusätzlich haben wir nach Möglichkeit die notwendigen Vorüberlegungen und die Lösungsskizze formuliert, damit Sie nicht nur das fertige Ergebnis sehen, sondern auch die Entwicklung der Lösung nachvollziehen können.

Über dieses Skript

Das Kurzlehrbuch „Staats- und Europarecht“ vermittelt die prüfungsrelevanten Inhalte des Staats- und Europarechts in kompakter Form. Es setzt lediglich juristische Grundkenntnisse voraus, die Sie sich bei Bedarf in unserem Skript „Juristische Methodik und Gutachtenstil“ aneignen können. Im Bereich des Staatsrechts werden neben dem grundlegenden Staatsbegriff die Verfassungsprinzipien und darauf aufbauend staatsorganisationsrechtliche Inhalte erläutert. Die Darstellung folgt dabei grundsätzlich dem Aufbau des Grundgesetzes und wird durch sinnvolle Themenbildung, z.B. für die Gesetzgebung des Bundes, ergänzt. Einen Schwerpunkt bilden zudem die Grundrechte und die Möglichkeit ihrer Durchsetzung mittels der Verfassungsbeschwerde. Die Ausführungen zum Europarecht vermitteln Ihnen einerseits erforderliche Grundkenntnisse zum Unionsrecht. Andererseits werden Sie mit der Prüfung der Grundfreiheiten vertraut gemacht.

Dieses Skript ermöglicht aber nicht nur eine Wiederholung des erlernten Wissens in komprimierter Form. Die ausformulierten Fälle erlauben es Ihnen, ihr Wissen für den Ernstfall zu testen und bieten Formulierungsbeispiele, die Sie für die Klausur nutzen können.

Inhalt

Staatsrecht

Verfassungsprinzipien

1. Demokratieprinzip

2. Rechtsstaatsprinzip

3. Bundesstaatsprinzip

4. Sozialstaat

5. Republik

Staatsorganisationsrecht

A. Bund und Länder, Art. 20 ff. GG

I. Art. 20 GG

II. Art. 21 GG

III. Art. 23 GG

IV. Art. 25 GG

V. Art. 28 GG

VI. Art. 30 GG

VII. Art. 31 GG

VIII. Art. 35 GG

B. Verfassungsorgane

I. Bundestag, Art. 38 ff. GG

II. Bundesrat, Art. 50 ff. GG

III. Gemeinsamer Ausschuss, Art. 53a GG

IV. Bundespräsident, Art. 54 ff. GG

V. Bundesregierung, Art. 62 ff. GG

C. Gesetzgebung / Legislative, Art. 70 ff. GG (sog. erste Gewalt)

I. Gesetzgebungsbefugnisse, Art. 70-74 GG

II. Gesetzgebungsverfahren, Art. 76-82 GG

D. Verwaltung / Exekutive, Art. 83 ff. GG (sog. zweite Gewalt)

I. Grundsatz, Art. 83, 84 GG

II. Ausnahmen

E. Rechtsprechung / Judikative, Art. 92 ff. GG (sog. dritte Gewalt)

Grundrechte

A. Allgemeine Grundrechtslehren

I. Arten der Grundrechte

II. Funktionen der Grundrechte

III. Grundrechtsfähigkeit

IV. Grundrechtsbindung

B. Prüfungsaufbau der Grundrechte

I. Prüfungsaufbau der Freiheitsrechte

II. Prüfungsaufbau der Gleichheitsrechte

C. Einzelne prüfungsrelevante Grundrechte

I. Menschenwürde, Art. 1 I 1 GG

II. Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 I GG

III. Allgemeines Persönlichkeitsrecht (APR), Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I 1 GG

IV. Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit

V. Recht auf Freiheit der Person, Art. 2 II 2 i.V.m. Art. 104 GG

VI. Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie Recht der Kriegsdienstverweigerung, Art. 4 GG

VII. Grundrechte des Art. 5 GG

VIII. Ehe und Familie, Art. 6 GG

IX. Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG

X. Freizügigkeit, Art. 11 GG

XI. Berufsfreiheit, Art. 12 I GG

XII. Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 GG

XIII. Eigentumsfreiheit, Art. 14 GG

D. Verfassungsbeschwerde

I. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde

II. Begründetheit der Verfassungsbeschwerde

Europarecht

A. Historischer Überblick / Rechtsnatur der Europäischen Union

B. Unionsrecht

I. Primärrecht

II. Sekundärrecht

III. Verhältnis des Europarechts zum nationalen Recht

C. Organe der Europäischen Union

D. Grundfreiheiten

I. Eröffnung des Schutzbereichs

II. Eingriff in den Schutzbereich

III. Rechtfertigung des Eingriffs

Klausur: Deutschland – Sachverhalt und Lösung

Klausur: Wahlrecht für alle? – Sachverhalt und Lösung

Klausur: Der Lottokönig – Sachverhalt und Lösung

Klausur: Der alte Mann als Kassenarzt – Sachverhalt und Lösung

Klausur: Pazifisten – Sachverhalt und Lösung

Klausur: Martina – Sachverhalt und Lösung

Klausur: Reiten im Walde – Sachverhalt und Lösung

Klausur: Internet ist gar nicht nett – Sachverhalt und Lösung

Klausur: Architekt – Sachverhalt und Lösung

Klausur: Tomaten – Sachverhalt und Lösung

Klausur: Das Machtwort – Sachverhalt und Lösung

Staatsrecht

Gegenstand des Staatsrechts ist der Staat. Ein Staat zeichnet sich durch drei Elemente aus: Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt (sog. Drei-Elemente-Lehre).

Definitionen:

Staatsgebiet ist der Teil der Erdoberfläche, auf den sich die Staatsgewalt erstreckt, z.B. Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland.

Staatsgewalt ist die alleinige und umfassende Herrschaftsmacht des Staates innerhalb seines Staatsgebiets und über das Staatsvolk. Herrschaftsmacht bedeutet, dass der Staat einseitig verbindliche Regeln aufstellen und Entscheidungen treffen kann.

Beispiel: Die Organe des Staates „Bundesrepublik Deutschland“ üben Staatsgewalt aus, indem sie einseitig Gesetze, Verwaltungsakte oder gerichtliche Entscheidungen erlassen.

Staatsvolk sind all jene Personen, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit dauerhaft mit einem Staat verbunden sind, z.B. die deutschen Staatsangehörigen.

Das Staatsrecht ist ein Teilbereich des Öffentlichen Rechts, bei dem sich die Beteiligten typischerweise in einem Verhältnis der Über-/Unterordnung begegnen, d.h. es werden üblicherweise einseitig verbindliche Regelungen getroffen, z.B. per Gesetz. Vom Öffentlichen Recht zu trennen ist das Zivilrecht, bei dem sich die Beteiligten auf Augenhöhe begegnen und Regelungen daher typischerweise nur im gegenseitigen Einvernehmen, d.h. durch Vertrag möglich sind.

Gesetzlich geregelt ist das Staatsrecht im Grundgesetz sowie in den Verfassungen der einzelnen Bundesländer (die aber für die Prüfungen kaum relevant sind und daher auch nicht näher erläutert werden). Das Grundgesetz ist die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland und damit gleichsam das „Basisgesetz“, auf dem unsere gesamte Rechtsordnung aufbaut. Daher kann es gem. Art. 79 II GG nur unter erschwerten Voraussetzungen geändert werden, wobei Art. 79 III GG bestimmte Kernelemente des Grundgesetzes jeder Änderung entzieht (sog. Ewigkeitsklausel).

Das Grundgesetz gilt seit dem 23.5.1949 (s. die Verkündungsformel am Anfang des Grundgesetzes).

Das Staatsrecht setzt sich zusammen aus den Verfassungsprinzipien, dem Staatsorganisationsrecht und den Grundrechten und wird beeinflusst durch das Europarecht. Diese Prinzipien und Rechtsbereiche werden in den nachfolgenden Kapiteln erläutert.

Verfassungsprinzipien

Die Verfassungsprinzipien finden sich in Art. 20 I-III GG. Sie geben den Aufbau des Staates und das Zusammenwirken der staatlichen Organe vor. Die überragende Bedeutung des Art. 20 I-III GG wird durch die sog. Ewigkeitsklausel des Art. 79 III GG verdeutlicht, der eine Änderung der in Art. 20 I-III GG niedergelegten Grundsätze verbietet (Art. 79 III GG selbst darf natürlich auch nicht geändert werden). Innerhalb des Art. 20 I-III GG dürften die wichtigsten Prinzipien das Demokratieprinzip (Art. 20 II GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) sein.

1. Demokratieprinzip

Das Demokratieprinzip beinhaltet, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, Art. 20 II 1 GG.

D.h. es erfolgt eine Willensbildung „von unten nach oben“. Die Ausübung der Staatsgewalt geschieht durch Wahlen (= Personenentscheidungen) und Abstimmungen (= Sachentscheidungen), Art. 20 II 2 GG. In Deutschland existiert eine repräsentative Demokratie in Form der parlamentarischen Demokratie. Das bedeutet, das Volk wählt ein Parlament, das wiederum die Regierung bestimmt.

Mit „Volk“ ist nur das deutsche Volk gemeint. Das folgt im Umkehrschluss aus Art. 28 I 3 GG, wonach EU-Ausländer (nur) an den Kommunalwahlen teilnehmen dürfen.

Ausprägungen des Demokratieprinzips sind das Mehrheitsprinzip und der Minderheitenschutz, das Mehrparteiensystem und das Recht auf Opposition sowie die Gewaltenteilung gem. Art. 20 II 2 GG (letzteres kann auch dem Rechtsstaatsprinzip zugeordnet werden). Die Gewaltenteilung ist im GG allerdings nicht strikt verwirklicht, z.B. Erlass von Gesetzen durch die Exekutive in Form der Rechtverordnungen (Art. 80 GG) und Satzungen (diese werden von Selbstverwaltungskörperschaften wie z.B. den Gemeinden erlassen). Daher sind nur Durchbrechungen des Gewaltenteilungsprinzips verfassungswidrig, durch die in den Kernbereich einer anderen Gewalt eingegriffen wird.

2. Rechtsstaatsprinzip

Das Rechtsstaatsprinzip beinhaltet, dass die Ausübung der Staatsgewalt rechtlich gebunden ist, Art. 20 III GG.

Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips sind:

Grundrechte.

Gewaltenteilung (kann auch dem Demokratieprinzip zugeordnet werden, s.o.).

Vorbehalt des Gesetzes

D.h. kein Handeln der Verwaltung ohne Gesetz.

Das ist der Grund für die Prüfung der Ermächtigungsgrundlage in einer Verwaltungsrechtsklausur.

Beachte:

Wesentlichkeitstheorie

: Der Parlamentsgesetzgeber muss als unmittelbar demokratisch legitimiertes Organ alle wesentlichen Angelegenheiten selbst regeln. Wesentlich sind vor allem Grundrechtseingriffe. Je wesentlicher die Angelegenheit ist, d.h. je intensiver der Grundrechtseingriff, desto genauer müssen die Regelungen im Parlamentsgesetz sein.

Vorrang des Gesetzes

D.h. kein Handeln der Verwaltung gegen das Gesetz.

Das ist der Grund für die Prüfung der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit in einer Verwaltungsrechtsklausur.

Bestimmtheitsgebot

D.h. alle staatlichen Maßnahmen müssen so gefasst sein, dass Verwaltung, Justiz und Bürger die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können.

Die Anforderungen an Einzelakte sind höher als diejenigen an Gesetze, weil letztere abstrakt-generell sind.

Spezielle Ausprägungen des Bestimmtheitsgebots: Art. 80 I 2, 103 II GG.

Rückwirkungsverbot:

Definition: Rückwirkung meint, dass ein Gesetz für einen Zeitraum gilt, der vor seiner Verkündung liegt.

Problematisch ist nur eine belastende Rückwirkung. Das Rückwirkungsverbot gilt zudem nur für den Gesetzgeber, nicht für die Rechtsprechung. Kommen die Gerichte auch für „Altfälle“ zu einer besseren Rechtserkenntnis, hat das nichts mit Rückwirkung zu tun.

Ein spezielles Rückwirkungsverbot findet sich in Art. 103 II GG. Im Übrigen gilt Art. 20 III GG.

Kernproblem: Schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen.

Bzgl. der Zulässigkeit einer Rückwirkung ist zu differenzieren:

Echte Rückwirkung:

Definition: Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz einen Sachverhalt regelt, der in der Vergangenheit begonnen hat und zurzeit der Gesetzesverkündung vollständig abgeschlossen ist.

Die echte Rückwirkung ist grundsätzlich unzulässig. Ausnahmsweise ist sie jedoch zulässig, wenn das Vertrauen ist nicht schutzwürdig oder überwiegende öffentliche Interessen.

Beispiele: Nichtige Bestimmung wird durch verfassungsgemäße Regelung ersetzt; Bürger muss mit einer Veränderung der Rechtslage rechnen (was grundsätzlich der Fall ist, sobald der Bundestag ein Gesetz beschlossen hat).

Unechte Rückwirkung:

Definition: Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz einen Sachverhalt regelt, der zwar in der Vergangenheit begonnen hat, zurzeit der Verkündung des Gesetzes aber noch nicht abgeschlossen ist.

Die unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig. Ausnahmsweise ist sie jedoch unzulässig, wenn das Vertrauen des Betroffenen in den Bestand der Rechtslage schutzwürdig ist.

Beispiel: Während eines bereits laufenden Volksbegehrens werden die Formerfordernisse vom Gesetzgeber so verschärft, dass dieses Volksbegehren nunmehr unzulässig ist.

Neben dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip sind in Art. 20 I GG zudem das Bundesstaats- und Sozialstaatsprinzip sowie die Qualifizierung Deutschlands als Republik verankert.

3. Bundesstaatsprinzip

Mit dem Bundesstaatsprinzip ist die Aufteilung der Staatsgewalt auf den Bund und die 16 Bundesländer (die in der Präambel aufgezählt sind) gemeint.

Der Bund und die Bundesländer haben im staatsrechtlichen Sinne eigene Staatsqualität (sog. zweigliedriger Bundesstaatsbegriff). Das unterscheidet den Bundesstaat vom Staatenbund (= nur die Gliedstaaten haben Staatsqualität, z.B. GUS) und vom Einheitsstaat (= nur der Zentralstaat hat Staatsqualität, z.B. Frankreich).

Die Europäische Union stellt einen Sonderfall dar. Sie erfüllt zwar nicht die klassischen Staatsmerkmale (Staatsvolk, Staatsgewalt, Staatsgebiet), kann aber unmittelbar in den Mitgliedstaaten Recht setzen. Sie wird daher als Staatenverbund oder supranationale Organisation bezeichnet.

Weiteres ungeschriebenes Prinzip ist das Gebot der Bundestreue bzw. des bundesfreundlichen Verhaltens. Es verlangt, dass Bund und Länder sowie die Länder untereinander auf die berechtigten Interessen der anderen Beteiligten Rücksicht nehmen, z.B. durch dessen Anhörung.

4. Sozialstaat

Mit dem Merkmal „Sozialstaat“ ist die Verpflichtung des Staates verbunden, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen durch Herstellung und Wahrung sozialer Gerechtigkeit.

5. Republik

Republik ist der Gegenbegriff zur Monarchie, d.h. das Staatsoberhaupt wird nicht dynastisch bestimmt.

Staatsorganisationsrecht

Das Staatsorganisationsrecht regelt, wie der Staat organisiert ist, wer für ihn handelt, und welche Aufgaben und Befugnisse er dabei hat. Es ist zu trennen von den Grundrechten, die das Verhältnis des Bürgers zum Staat betreffen und in Art. 1-19 GG geregelt sind. Folglich beginnt das Staatsorganisationsrecht ab Art. 20 GG.

Das Staatsorganisationsrecht gliedert sich im Grundgesetz wie folgt:

1. Bund und Länder, Art. 20 ff. GG (quasi allgemeiner Teil des Staatsorganisationsrechts)

2. Verfassungsorgane

a) Bundestag, Art. 38 ff. GG

b) Bundesrat, Art. 50 ff. GG

c) Gemeinsamer Ausschuss, Art. 53a GG („Notparlament“ für den Verteidigungsfall)

d) Bundespräsident, Art. 54 ff. GG

e) Bundesregierung, Art. 62 ff. GG

3. Gesetzgebung / Legislative, Art. 70 ff. GG (sog. erste Gewalt)

4. Verwaltung / Exekutive, Art. 83 ff. GG (sog. zweite Gewalt)

5. Rechtsprechung / Judikative, Art. 92 ff. GG (sog. dritte Gewalt)

Nachfolgend werden die relevanten Vorschriften dieser Abschnitte kurz dargestellt.

A. Bund und Länder, Art. 20 ff. GG

I. Art. 20 GG

Art. 20 GG wurde bereits oben im Abschnitt „Verfassungsprinzipien“ erläutert.

II. Art. 21 GG

Parteien sind gesellschaftliche Vereinigungen von Bürgern, die die Rechtsform eines Vereins haben. Eine Definition des Begriffs „Partei“ findet sich in § 2 I 1 PartG. Diese Definition gilt nach der Rechtsprechung des BVerfG auch für Art. 21 GG. Nicht verwechselt werden dürfen die Parteien mit Fraktionen. Letztere sind Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die auch nicht derselben Partei angehören müssen (z.B. CDU/CSU-Bundestagsfraktion).

Parteien sollen gem. Art. 21 I GG die politische Willensbildung im Volk kanalisieren, damit bei den Wahlen stabile Mehrheitsverhältnisse entstehen. Sie dienen somit auch der Funktionsfähigkeit des Parlaments. Daher kommt ihnen in einer parlamentarischen Demokratie eine herausragende Bedeutung zu. Deshalb können sie auch nur unter den strengen Voraussetzungen des Art. 21 II, IV GG vom BVerfG verboten werden (sog. Parteienprivileg).

Zu den einzelnen Merkmalen des Art. 21 II GG:

„freiheitliche demokratische Grundordnung“

Das umfasst die Menschenwürde des Art. 1 I GG sowie Kernelemente des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips wie z.B. das Willkürverbot.

„Bestand der Bundesrepublik Deutschland“

Damit ist die territoriale Unversehrtheit und politische Unabhängigkeit der Bundesrepublik gemeint.

„Beseitigen“

Das bedeutet die Abschaffung zumindest eines der Wesenselemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder deren Ersetzung durch eine andere Verfassungsordnung oder ein anderes Regierungssystem.

„beeinträchtigen“

Das beinhaltet eine spürbare Gefährdung.

„Darauf ausgehen“

Das verlangt ein planvolles Vorgehen, das im Sinne einer qualifizierten Vorbereitungshandlung auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder auf die Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist. Ferner müssen gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Tätigkeit zum Erfolg führen kann (sog. Potentialität). Daran scheiterte das sog. NPD-Verbotsverfahren. Die NPD ist politisch so erfolglos, dass ihr die sog. Potentialität fehlt.

Ein Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung ist hingegen unter den weniger strengen Voraussetzungen des Art. 21 III GG möglich. Hier bedarf es nicht der sog. Potentialität. Der Ausschluss erfolgt gem. Art. 21 IV GG durch das BVerfG und ist gem. § 46a BVerfGG auf 6 Jahre befristet, kann aber auch verlängert werden.

III. Art. 23 GG

Art. 23 GG regelt das Verhältnis Deutschlands zur Europäischen Union (EU).

Art. 23 I 1 GG verlangt, dass zentrale Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes auch in der Europäischen Union gelten. Mit dem „Grundsatz der Subsidiarität“ ist gemeint, dass die EU nicht alle Kompetenzen an sich ziehen soll, sondern primär die Mitgliedstaaten zuständig bleiben. Die EU darf danach nur tätig werden, wenn die verfolgten Ziele durch ein Handeln der EU besser erreicht werden können als durch ein Handeln der Mitgliedstaaten. Schließlich muss auf EU-Ebene ein dem Grundgesetz vergleichbarer Grundrechtsschutz gewährleistet sein, was spätestens seit Verabschiedung der sog. EU-Grundrechte-Charta der Fall ist. Nähere Ausführungen zum Europarecht finden sich in dem Kapitel „Europarecht“.

Gem. Art. 23 I 3 GG gilt die sog. Ewigkeitsklausel des Art. 79 III GG auch im Verhältnis zum Europarecht, sodass die absolut geschützten Kernelemente des Grundgesetzes auch durch das Europarecht nicht beeinträchtigt werden dürfen.

Beispiel: Sähe ein von der EU erlassener Rechtsakt die Abschaffung des Demokratieprinzips vor, wäre er gem. Art. 23 I 3 i.V.m. Art. 79 III GG unzulässig und damit für Deutschland unwirksam.

Art. 23 II-V GG regelt, wie Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung in Angelegenheiten der EU zusammenwirken. Dabei gilt für den Bundesrat: je stärker ein Rechtsakt der EU die Kompetenzen der Bundesländer berührt, desto größer sind die Mitwirkungsrechte des Bundesrates.

Art. 23 VI GG überträgt in abschließend aufgezählten ausschließlichen Zuständigkeitsbereichen der Länder die Vertretung Deutschlands bei der EU vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder.

IV. Art. 25 GG

Art. 25 S. 1 GG erfasst mit den „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ vor allem das sog. Völkergewohnheitsrecht. Das sind Rechtsvorschriften, die von der weltweit überwiegenden Mehrheit der Staaten anerkannt werden.

Beispiele: Gewaltverbot zwischen den Staaten, Verbot der Sklaverei.

Die Regelung des Art. 25 S. 2 GG sorgt dafür, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts in Deutschland direkt gelten, d.h. sie müssen nicht erst in deutsches Recht umgesetzt werden. Im Rang stehen sie über den Bundes- und Landesgesetzen, aber unterhalb des Grundgesetzes.

Für völkerrechtliche Verträge gilt nicht Art. 25 GG, sondern die Spezialvorschrift des Art. 59 II 1 GG. Auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unterfällt nicht Art. 25 GG, sondern Art. 59 II 1 GG und hat den Rang eines Bundesgesetzes.

Wegen der sog. „Völkerrechtsfreundlichkeit“ des Grundgesetzes ist aber das gesamte deutsche Recht einschließlich des Grundgesetzes im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands auszulegen und anzuwenden. Daher ist vor allem die EMRK bei der Anwendung der Grundrechte zu berücksichtigen.

Beispiel: Verlangt die EMRK den Schutz einer bestimmten Meinungsäußerung, muss diese Äußerung auch grundrechtlich über Art. 5 I 1 GG geschützt sein.

V. Art. 28 GG

Art. 28 I 1, 2 GG legt zwingende Vorgaben fest, denen die Verfassungen der einzelnen Bundesländer genügen müssen und ist damit Ausfluss des Bundesstaatsprinzips (Näheres dazu oben im Kapitel „Verfassungsprinzipien“).

Art. 28 I 1 GG verlangt eine Kernidentität der Verfassungen von Bund und Bundesländern, da die Bundesländer ansonsten nicht zusammen die Bundesrepublik Deutschland bilden könnten (sog. Homogenitätsprinzip). Konkret geht es um die in Art. 20 GG niedergelegten zentralen Verfassungsprinzipien.

Beispiel: Würde in Hessen das Demokratieprinzip gelten, herrschte in Bayern jedoch eine Diktatur und in NRW eine Räterepublik, könnten diese Bundesländer nicht zusammen einen demokratischen Bundesstaat bilden.

Art. 28 I 2 GG schreibt für Landtags- und Kommunalwahlen zwingend die Geltung der sog. Wahlrechtsgrundsätze vor, die gem. Art. 38 I 1 GG auch bei der Bundestagswahl zu beachten sind. Näheres dazu unten bei Art. 38 GG.

In Art. 28 II 1 GG ist die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie verankert. Sie garantiert den Gemeinden (gemeint sind Gemeinden und Städte) einen eigenständigen Handlungsbereich. Damit sollen Angelegenheiten, die die Gemeindeeinwohner direkt betreffen, vor Ort gelöst werden, was die demokratische Mitwirkung der Bürger stärkt. Ausprägungen der Selbstverwaltungsgarantie sind die Planungshoheit (= Erlass von Flächennutzungs- und Bebauungsplan) und die Satzungshoheit (= Erlass von Gesetzen in Form von Satzungen, mit denen die Gemeinde ihre Selbstverwaltungsangelegenheiten regelt, z.B. Beitragssatzung für die Benutzung des städtischen Schwimmbades).

Die Gemeinden sind im Übrigen Teil der Bundesländer und gehören zur Verwaltung / Exekutive, auch wenn sie Gesetze in Form von Satzungen erlassen.

VI. Art. 30 GG

Die Vorschrift verteilt die Aufgaben zwischen Bund und Ländern. Wird für den Bereich der Gesetzgebung in Art. 70 GG und für den Bereich der Verwaltung in Art. 83 GG wiederholt und konkretisiert.

Hintergrund der Regelung ist, dass die staatlichen Aufgaben grundsätzlich besser vor Ort, d.h. in den Bundesländern geregelt werden können. Zudem soll auf diesem Weg eine Machtkonzentration auf Bundesebene verhindert werden.

VII. Art. 31 GG

Danach geht Bundesrecht generell dem Landesrecht vor, und zwar unabhängig von seinem Rang in der Normenhierarchie.

Beispiel: Die StVO, eine Rechtsverordnung des Bundesverkehrsministeriums, geht allen Landesverfassungen im Rang vor.

Normenhierarchie

VIII. Art. 35 GG

Art. 35 II, III 1 GG legt fest, unter welchen Voraussetzungen die Bundespolizei (früher: „Bundesgrenzschutz“) und die Bundeswehr im Inland eingesetzt werden dürfen.

Beispiele: Die Bundespolizei darf bei Großdemonstrationen herangezogen werden, die von den Polizeien der Länder alleine nicht mehr beherrscht werden; die Bundeswehr kann bei einer Hochwasserkatastrophe zu Hilfe eilen.

B. Verfassungsorgane

Die Verfassungsorgane sind ab Art. 38 GG zu finden und unterteilen sich in:

Bundestag, Art. 38 ff. GG

Bundesrat, Art. 50 ff. GG

Gemeinsamer Ausschuss, Art. 53a GG („Notparlament“ für den Verteidigungsfall)

Bundespräsident, Art. 54 ff. GG

Bundesregierung, Art. 62 ff. GG

Die Verfassungsorgane werden in den nachfolgenden Abschnitten zunächst abstrakt vorgestellt, um danach die wichtigsten Vorschriften im Detail zu erläutern.

I. Bundestag, Art. 38 ff. GG

Der Bundestag besteht aus Abgeordneten, die unmittelbar vom Volk gewählt werden, und zwar gem. Art. 39 I 1 GG für vier Jahre. Damit ist der Bundestag das Verfassungsorgan, das die beste demokratische Legitimation hat. Das hat zur Folge, dass der Bundestag alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat, soweit nicht die Bundesländer mit ihren Landesparlamenten dafür zuständig sind. Wesentliche Entscheidungen sind insbesondere solche, mit denen erheblich in Grundrechte eingegriffen oder ein solcher Eingriff ermöglicht wird. Je wesentlicher die Angelegenheit ist, desto genauer muss die Entscheidung des Bundestages sein (sog. Wesentlichkeitstheorie).

Hauptfunktionen des Bundestages sind:

Gesetzgebungsfunktion

Der Bundestag ist das zentrale Gesetzgebungsorgan.

Budgetrecht

Als Verfassungsorgan mit der besten demokratischen Legitimation entscheidet der Bundestag, wofür die Steuergelder, also das zur Verfügung stehende „Budget“, ausgegeben werden.

Kontrollfunktion

Der Bundestag kontrolliert die Exekutive, insbesondere die Bundesregierung vgl. z.B. Art. 43 I, 45d, 67 I GG. Dahingegen kontrolliert der Bundestag natürlich nicht die Judikative, weil die Richter gem. Art. 97 GG unabhängig sind.

Repräsentationsfunktion

Da die Bundestagsabgeordneten unmittelbar vom Volk gewählt sind, ist der Bundestag die eigentliche Volksvertretung und das primäre Forum für politische Auseinandersetzungen.

Die Wahl der Bundestagsabgeordneten erfolgt nach den Vorschriften des Bundeswahlgesetzes (BWahlG). Gem. § 4 BWahlG hat jeder Wähler zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten (§ 5 BWahlG) und eine Zweitstimme für die Wahl einer Landesliste (§ 6 BWahlG). Damit handelt es sich bei der Bundestagswahl um eine personalisierte Verhältniswahl, d.h. eine Kombination von Mehrheits- und Verhältniswahl. Die Erststimme ist das Mehrheitswahlelement, die Zweitstimme das Verhältniswahlelement.

Der mit der Erststimme zu wählende Wahlkreiskandidat benötigt für seine Wahl gem. § 5 S. 2 BWahlG die Mehrheit der Stimmen (sog. einfache bzw. relative Mehrheit).

Mit der Zweitstimme wird gem. § 6 BWahlG die Liste einer Partei gewählt. Die für die Partei abgegebenen Stimmen sind in Sitze im Bundestag umzurechnen. Die Umrechnung erfolgt nach dem sog. Sainte-Lague/Schepers-Verfahren, § 6 II BWahlG. Dies geschieht in folgenden Schritten:

1. Stufe der Sitzverteilung:

Zunächst wird jedem Bundesland unter Zugrundelegung seiner Bevölkerungszahl ein Sitzkontingent im Deutschen Bundestag zugewiesen, das auf die in dem Bundesland angetretenen Parteien zu verteilen ist, § 6 II 1 BWahlG. Die Verteilung ist abhängig von den gewonnenen Zweitstimmen in dem jeweiligen Bundesland. Die danach auf eine Partei entfallenden Sitze werden auf die Liste verteilt, beginnend mit Listenplatz 1. Von diesen Sitzen sind gem. § 6 IV 1 BWahlG die gewonnenen Wahlkreise abzuziehen.

Beispiel: Darf eine Partei aufgrund ihrer gewonnenen Zweitstimmen 10 Sitze im Bundestag besetzen und hat 5 Wahlkreise gewonnen, kommen nicht die ersten 10 Kandidaten auf der Liste in den Bundestag, sondern nur die ersten 5.

Probleme treten auf, wenn eine Partei mehr Wahlkreise gewinnt, als sie nach den gewonnenen Zweitstimmen Sitze im Parlament besetzen darf, weil dann die gewonnenen Wahlkreise nicht vollständig von den Listenplätzen abgezogen werden können. Die Partei hat gleichsam zu viele Wahlkreise gewonnen. Man spricht von sog. Überhangmandaten, vgl. § 6 IV 2 BWahlG.

Beispiel: Eine Partei darf aufgrund ihrer gewonnenen Zweitstimmen 10 Sitze im Bundestag besetzen, hat aber 11 Wahlkreise gewonnen.

Um dieses Problem zu lösen gibt es eine 2. Stufe der Sitzverteilung.

2. Stufe der Sitzverteilung:

Die Parteien, die keine Überhangmandate gewinnen konnten, erhalten ab dem 4. Überhangmandat zusätzliche Sitze im Bundestag (sog. Ausgleichsmandate). Weiterhin wird die Gesamtzahl der Sitze im Bundestag (an sich 598, § 1 I 1 BWahlG) so lange erhöht, bis jede Partei die in der 1. Stufe der Sitzverteilung ermittelte Sitzzahl zuzüglich der in der 1. Stufe noch auftretenden Überhangmandate erhält, § 6 V 1 BWahlG. Die erhöhte Gesamtzahl der Sitze im Bundestag wird sodann gem. § 6 VI 1 BWahlG auf die Parteien verteilt, und zwar abhängig von ihrem Zweitstimmenergebnis im gesamten Bundesgebiet. Danach steht fest, wie viele Sitze eine Partei insgesamt im Bundestag erhält (sog. Oberverteilung). Diese Sitze für eine Partei werden schließlich auf die Listen dieser Partei in den einzelnen Bundesländern verteilt, und zwar abhängig von den gewonnenen Zweitstimmen in den einzelnen Bundesländern, § 6 VI 2 BWahlG (sog. Unterverteilung); danach weiß die Partei, wie viele ihrer Abgeordneten aus Hamburg, NRW, Hessen etc. kommen. Von diesen Sitzen sind schließlich gem. § 6 VI 3 BWahlG die in dem jeweiligen Bundesland gewonnenen Wahlkreise abzuziehen.

Insgesamt betrachtet ist damit die Zweitstimme die entscheidende Stimme, weil sie letztlich bestimmt, wie viele Abgeordnete eine Partei in den Bundestag entsenden darf. Die Zweitstimme ist folglich „Kanzlerstimme“, d.h. sie entscheidet die Wahl und legt damit fest, welcher Kandidat Bundeskanzler wird.

Die wichtigsten Vorschriften zum Bundestag sind: Art. 38, 40, 42, 44, 46 GG.

1. Art. 38 GG

a) Art. 38 I 1 GG

Art. 38 I 1 GG enthält sie sog. Wahlrechtsgrundsätze. Sie legen fest, wie die Wahl zum Bundestag zu erfolgen hat.

Zu den Wahlrechtsgrundsätzen im Einzelnen:

allgemein

Definition: Allgemeinheit der Wahl bedeutet, dass alle Staatsbürger wählen dürfen.

Es handelt sich um eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Gleichheitsgebots des Art. 3 I GG. Daher ist eine Ungleichbehandlung möglich, wenn ein sachlicher Grund besteht, z.B. Art. 38 II, 55 I GG.

unmittelbar

Definition: Unmittelbar ist die Wahl, wenn kein weiterer Willensakt zwischen der Entscheidung des Wählers und der Wahl des Kandidaten tritt.

Daher ist ein Wahlmännergremium, wie es von der US-Präsidentschaftswahl bekannt ist, bei der Bundestagswahl unzulässig. Der Wähler muss zudem erkennen können, welche Personen sich um ein Bundestagsmandat bewerben. Deshalb müssen die Listen „starr“ sein, d.h. sie dürfen nachträglich nicht verändert werden.

frei

Definition: Frei ist die Wahl, wenn sie frei von Zwang und unzulässigem Druck erfolgt.

Daher ist Wahlwerbung im Wahllokal verboten. Zulässig sind hingegen grundsätzlich Wahlpropaganda und Wahlempfehlungen. Das gilt jedoch nicht für staatliche Stellen, da ansonsten Steuergelder zweckentfremdet würden, um für eine Partei Werbung zu machen. Ferner würde diese Partei unzulässig gegenüber anderen Parteien bevorzugt, die mit ihr im politischen Wettbewerb stehen.

Da zur Freiheit der Wahl auch gehört, nicht zu wählen, wäre die Einführung einer Wahlpflicht unzulässig.

gleich

Definition: Die Gleichheit der Wahl verlangt, dass jedermann sein Wahlrecht in möglichst gleicher Weise ausüben kann.

Ausprägungen der Wahlrechtsgleichheit sind:

Zählwertgleichheit

D.h. jeder Wähler hat die gleiche Stimmenzahl.

Absolute Gleichheit, d.h. jede Ungleichbehandlung ist unzulässig.

Erfolgswertgleichheit

D.h. jede Stimme hat den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Bundestages.

Damit ist die sog. 5%-Klausel gem. § 6 III 1 1. Fall BWahlG problematisch, weil die Zweitstimmen für eine Partei, die insgesamt nicht 5% der Zweitstimmen erreicht, „unter den Tisch fallen“, also den Erfolgswert „Null“ haben. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch bei der Bundestagswahl und auch bei Landtagswahlen gerechtfertigt. Ohne die 5%-Hürde könnten nämlich so viele Parteien Sitze im Bundestag erlangen, dass dort keine stabilen Mehrheiten gebildet werden können und der Bundestag damit funktionsunfähig wird.

Hingegen ist jede Form einer Hürde unzulässig bei Kommunalwahlen und bei Wahlen zum Europäischen Parlament. Bei Kommunalwahlen werden nämlich nicht Gesetzgebungsorgane gewählt, sondern „nur“ der Rat einer Gemeinde oder Stadt, der ein Exekutivorgan ist. Zudem würde die Funktionsunfähigkeit des Rates eine Gemeinde / Stadt nicht vollständig lahmlegen, weil der direkt gewählte Bürgermeister zumindest die Alltagsgeschäfte auch ohne Ratsbeschluss wahrnehmen kann. Bzgl. der Wahlen zum Europäischen Parlament ist zu beachten, dass es keine EU-Regierung gibt, die auf eine dauerhafte parlamentarische Mehrheit angewiesen ist.

geheim

Definition: Geheim ist die Wahl, wenn die Stimmabgabe unter Ausschluss der Öffentlichkeit und in einem verschlossenen Umschlag erfolgt.

Das umfasst auch die Pflicht, im Wahllokal nicht zu offenbaren, für wen die Stimme abgegeben wurde. Die Briefwahl und die Wahl durch Vertrauenspersonen ist vor diesem Hintergrund nur zulässig, weil sie der Steigerung der Wahlbeteiligung dienen, also den Wahlrechtsgrundsatz der Allgemeinheit der Wahl befördert, und wegen der strengen Anforderungen in §§ 57, 66 BWO.

Verstöße gegen die Wahlrechtsgrundsätze können gem. Art. 41 GG mittels eines Wahlprüfungsverfahrens gerügt werden. Detailregelungen zum Wahlprüfungsverfahren finden sich im Wahlprüfungsgesetz und in § 48 BVerfGG.

b) Art. 38 I 2 GG

Art. 38 I 2 GG verbürgt das sog. freie Mandat und ist gleichsam das „Grundrecht der Abgeordneten“. Aus dieser Vorschrift werden die zentralen Rechtspositionen der Bundestagsabgeordneten abgeleitet, und zwar:

Anwesenheit in den Sitzungen des Bundestages

Rederecht im Bundestag

Abstimmungsrecht

Fragerecht, insbes. gegenüber der Bundesregierung

Ausschussmitgliedschaft, weil dort die wesentlichen Entscheidungen fallen

Tagesordnungsanträge

Das freie Mandat ist nach dem Wortlaut des Art. 38 I 2 GG vorbehaltlos gewährleistet; auch Art. 38 III GG erlaubt keine Einschränkungen, sondern gestattet nur konkretisierende Regelungen des Wahlverfahrens bei der Wahl des Bundestages. Gleichwohl findet das freie Mandat Grenzen, und zwar in kollidierendem Verfassungsrecht. D.h. zum Schutze anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang darf in das freie Mandat eingegriffen werden. Zudem muss eine Abwägung zwischen dem freien Mandat und dem geschützten Rechtsgut erfolgen, wie sie bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung stattfindet. Fällt diese Abwägung zugunsten des geschützten Rechtsguts aus, ist der Eingriff in das freie Mandat gerechtfertigt.

Beispiele: Zulässig ist eine zeitliche Beschränkung des Fragerechts der Abgeordneten durch Festlegung sog. Fragestunden im Bundestag, um die Funktionsfähigkeit des Bundestages zu schützen; zulässig ist es, von einem Abgeordneten, der Mitglied einer Fraktion ist, ein Mindestmaß an Loyalität gegenüber den anderen Fraktionsmitgliedern einzufordern, indem er beispielsweise nicht ständig öffentlich die Politik der Fraktion kritisiert (sog. Fraktionsdisziplin); unzulässig ist es hingegen, dem Angeordneten wirtschaftliche Sanktionen anzudrohen, falls er die Fraktion verlässt (sog. Fraktionszwang).

Gerichtlich kann der Abgeordnete seine Rechte aus Art. 38 I 2 GG im Wege eines Organstreitverfahrens nach Art. 93 I Nr. 1 GG beim BVerfG durchsetzen.

2. Art. 40 GG

Gem. Art. 40 I 1 GG wählt der Bundestag seinen Präsidenten. Traditionell stellt die größte Fraktion des Bundestages den Präsidenten.

Gestützt auf Art. 40 I 2 GG gibt sich der Bundestag eine Geschäftsordnung (sog. GO BT), in der die Verfahrensabläufe im Bundestag geregelt sind. Insbesondere sieht die GO BT die Einrichtung von Ausschüssen vor (z.B. Innenausschuss), in denen die eigentliche Sacharbeit geleistet wird, da nicht jedes Thema im Bundestagsplenum mit allen 598 Abgeordneten besprochen werden kann. Die Ausschüsse sind ein verkleinertes Abbild des Parlaments, d.h. die Regierungsfraktionen haben auch in den Ausschüssen die Mehrheit, die Oppositionsfraktionen sind auch in den Ausschüssen in der Minderheit. Ansonsten könnten die Ausschüsse ihre zentrale Aufgabe, Beschlüsse des Bundestagsplenums vorzubereiten und es damit zu entlasten, nicht erfüllen.

Beispiel: Hätten die Oppositionsfraktionen im Innenausschuss die Mehrheit und würden dort einen Beschluss erzwingen, den die Regierungsfraktionen ablehnen, würde das Bundestagsplenum, in dem die Regierungsfraktionen die Mehrheit haben, diesen Beschluss wieder kassieren.

Art. 40 II 1 GG weist dem Bundestagspräsidenten das Hausrecht und die Polizeigewalt im Gebäude des Bundestages zu. Er kann damit die notwendigen Maßnahmen treffen, um die Ordnung im Gebäude aufrecht zu erhalten, z.B. durch Entfernung von Störern während einer Bundestagsdebatte. Die Sitzungsgewalt des Bundestagspräsidenten, d.h. das Recht gegen Bundestagsabgeordnete vorzugehen (z.B. durch Entzug des Rederechts) folgt hingegen aus Art. 40 I 2 GG i.V.m. der GO BT.

3. Art. 42 GG

Die in Art. 42 I 1 GG vorgesehene Öffentlichkeit des Sitzungen des Bundestages ist Ausfluss des Demokratieprinzips nach Art. 20 II 1 GG, denn Demokratie bedeutet nicht nur Wahl durch das Volk, sondern auch Kontrolle durch das Volk. Das ist aber nur möglich, wenn das Wahlvolk die Diskussionen und die Entscheidungsfindung im Bundestag verfolgen kann. Wie bedeutsam diese öffentliche Kontrolle ist zeigt sich auch daran, dass die Öffentlichkeit gem. Art. 42 I 2 GG nur mit einer Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden kann, z.B. bei geheimen Wahlen. Allerdings folgt aus Art. 42 I 1 GG kein unbeschränktes Zutrittsrecht zum Bundestagsgebäude. Dieses findet seine Grenzen in den räumlichen Kapazitäten und im oben beschriebenen Hausrecht des Bundestagspräsidenten nach Art. 40 II 1 GG.

Art. 42 II 1 GG verlangt für Beschlüsse des Bundestages nur die einfache bzw. relative Mehrheit, soweit es keine abweichende Regelung im Grundgesetz gibt (z.B. Art. 79 II GG). Abgegebene Stimmen i.S.v. Art. 42 II 1 GG sind dabei keine Stimmenthaltungen, weil diese sich ansonsten faktisch wie eine „Nein-Stimme“ auswirken würden.

Beispiel: Bei einem Beschluss des Bundestages gibt es 90 Ja-Stimmen, 80 Nein-Stimmen und 30 Enthaltungen; würden die Stimmenthaltungen berücksichtigt, wirkten sie wie Nein-Stimmen.

4. Art. 44 GG

Die in Art. 44 GG geregelten Untersuchungsausschüsse verbürgen ein zentrales Oppositionsrecht, weil sie einer Minderheit von einem Viertel die Möglichkeit eröffnen, Sachverhalte zu erforschen und damit ein mutmaßliches Fehlverhalten der Bundesregierung öffentlich zu machen.

Wie Art. 44 II 1 GG verdeutlicht, laufen die Maßnahmen und Verhandlungen eines Untersuchungsausschusses gerichtsähnlich ab, wobei der Untersuchungsausschuss aber kein Rechtsprechungsorgan ist, weil er am Ende seiner Untersuchungen kein rechtskräftiges Urteil spricht. Auch ist er kein Gesetzgebungsorgan, obwohl er ein Ausschuss des Bundestages ist, weil seine Aufgabe nicht darin besteht, ein Gesetz vorzubereiten. Ein Untersuchungsausschuss ist vielmehr Teil der Verwaltung, da er Sachverhalte untersucht und am Ende einen Untersuchungsbericht veröffentlicht.

Voraussetzungen für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sind:

Bestimmtheit des Untersuchungsauftrags, d.h. seine Zielrichtung muss erkennbar und er muss innerhalb der Wahlperiode abzuarbeiten sein.

Der Untersuchungsauftrag darf von der parlamentarischen Mehrheit nur insoweit ergänzt werden, als dies erforderlich ist, um ein objektiveres und wirklichkeitsgetreueres Bild des angeblichen Missstandes zu vermitteln.

Beispiel: Die Opposition will bewusst nur Teile eines Sachverhalts untersuchen lassen, um die Regierung in ein schlechtes Licht zu rücken.

Ein Untersuchungsausschuss des Bundes muss auf den Zuständigkeitsbereich des Bundes, ein Untersuchungsausschuss des Landes auf den Zuständigkeitsbereich des Landes beschränken.

Beispiel: Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Erforschung des Fehlverhaltens einer Landesregierung ist unzulässig.

Die regierungsinterne, noch nicht abgeschlossene Willensbildung darf nicht ausgeforscht werden.

Zu einzelnen Untersuchungsmaßnahmen eines Untersuchungsausschusses:

Den Beweisanträgen der Ausschussminderheit muss grundsätzlich Folge geleistet werden. Ausnahmen gelten nur, wenn die beantragte Beweiserhebung außerhalb des Untersuchungsauftrags liegt oder aus anderen Gründen rechtswidrig ist, ferner wenn sie lediglich der Verzögerung dient oder offensichtlich missbräuchlich ist.

Werden einem Untersuchungsausschuss aus Gründen der Geheimhaltung Informationen verweigert, dann muss dies gegenüber den Parlamentariern detailliert begründet werden.

Art. 44 IV 1 GG stellt schließlich eine Ausnahme von der Rechtsweggarantie des Art. 19 IV GG dar, erfasst aber nur die verfahrensabschließenden Beschlüsse, also die Beschlüsse, mit denen das Ergebnis des Untersuchungsausschusses festgestellt wird.

5. Art. 46 GG

Art. 46 I GG sieht einen persönlichen Strafausschließungsgrund vor (sog. Indemnität), Art. 46 II GG statuiert ein persönliches Strafverfolgungshindernis (sog. Immunität). Damit ist der Schutz durch Art. 46 I GG besser als derjenige durch Art. 46 II GG, der nur begrenzt gilt. Ziel beider Regelungen ist es, die Funktionsfähigkeit des Bundestages zu wahren. Abgeordnete sollen nicht unter einem Vorwand strafverfolgt und dadurch die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag beeinflusst werden.

II. Bundesrat, Art. 50 ff. GG

Durch den Bundesrat wirken gem. Art. 50 GG die Ländern an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit. Beim Bundesrat handelt es sich daher um die sog. Länderkammer. Seine wichtigste Aufgabe ist die Mitwirkung an der Gesetzgebung. Näheres dazu im Abschnitt zur Gesetzgebung (Art. 70 ff. GG).

Im Gegensatz zum Bundestag, der sich zu jeder Bundestagswahl auflöst und neu bildet, ist der Bundesrat ein durchgehend existentes, gleichsam „ewiges“ Verfassungsorgan.

Die wichtigsten Vorschriften zum Bundesrat sind: Art. 51, 52 GG.

1. Art. 51 GG

Der Bundesrat besteht gem. Art. 51 I 1 GG aus Mitgliedern der Landesregierungen, die nicht gewählt werden, sondern bestellt und abberufen werden. Daher ist der Bundesrat keine „echte“ zweite parlamentarische Kammer neben dem Bundestag. Da es sich um Abgesandte der Exekutive handelt, haben sie nicht wie die Bundestagsabgeordneten ein freies Mandat, sondern sind weisungsabhängig (sog. imperatives Mandat). Das folgt im Umkehrschluss aus Art 53a I 3, 77 II 3 GG. Das Stimmenverhältnis im Bundesrat richtet sich gem. Art. 51 II GG nach der Einwohnerstärke der Bundesländer, wobei die kleinen Bundesländer im Verhältnis zu den großen Bundesländern überrepräsentiert sind, um ihnen einen ausreichenden Einfluss auf die Bundespolitik zu sichern.

Beispiel: Das Einwohnerverhältnis von Bremen und NRW entspricht nicht dem Stimmenverhältnis 3 zu 6.

Art. 51 III 2 GG verlangt eine einheitliche Stimmabgabe im Bundesrat. Sollte ein Bundesland hiergegen verstoßen, werden seine Stimmen in der Auszählung nicht berücksichtigt.

2. Art. 52 GG

Gem. Art. 52 I GG wählt der Bundesrat seinen Präsidenten auf ein Jahr. In der Praxis findet kein Wahlkampf statt, sondern die Bundesländer haben vereinbart, die Präsidentschaft reihum gehen zu lassen, und zwar entsprechend der Einwohnerstärke. D.h. die erste Präsidentschaft liegt bei NRW, dann folgen Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen usw. In dem Bundesland, das aktuell die Präsidentschaft innehat, finden die offiziellen Feierlichkeiten am Tag der Deutschen Einheit statt.

Gem. Art. 52 III 1 GG fasst der Bundesrat seine Beschlüsse mit der Mehrheit seiner Stimmen. Gemeint ist damit die absolute Mehrheit, also 50% plus eine Stimme. Folglich sind die Anforderungen an eine Mehrheit im Bundesrat höher als im Bundestag, bei dem gem. Art. 42 II 1 GG die einfache Mehrheit genügt.

III. Gemeinsamer Ausschuss, Art. 53a GG

Der Gemeinsame Ausschuss setzt sich gem. Art. 53a I 1 GG aus Abgeordneten des Bundestages und Mitgliedern des Bundesrates zusammen und ist - entgegen seiner Bezeichnung - kein bloßer Ausschuss, sondern ein Verfassungsorgan. Er nimmt unter den Voraussetzungen des Art. 115e GG im Verteidigungsfall die Aufgaben von Bundestag und Bundesrat wahr. Mit dem Gemeinsamen Ausschuss soll gewährleistet sein, dass auch in einem absoluten Krisenfall die Bundesregierung einer parlamentarischen Kontrolle unterliegt.

IV. Bundespräsident, Art. 54 ff. GG

Der Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland und ein eigenständiges Verfassungsorgan. Er ist grundsätzlich Teil der Exekutive, gehört aber ausnahmsweise bei der Ausfertigung und Verkündung von Bundesgesetzen nach Art. 82 I 1 GG zur Legislative. Seine Aufgaben und Befugnisse liegen in der Repräsentation des Staates, insbesondere nach außen. Nach innen kommt ihm eine Integrationsfunktion zu, d.h. er soll zur Einheit der Gesellschaft beitragen. Eine Mitwirkung an der politischen Staatsleitung ist ihm - in bewusster Abkehr zum Reichspräsidenten nach der Weimarer Verfassung - versagt, was eine Zurückhaltung in politischen Fragen und eine parteipolitische Neutralität zur Folge hat. Allerdings kommen dem Bundespräsidenten gewisse politische Entscheidungsbefugnisse in „Krisenzeiten“ zu, z.B. Art. 63 IV 3, 68 I 1 GG (sog. Reservefunktion des Bundespräsidenten).

Die wichtigsten Vorschriften zum Bundespräsidenten sind: Art. 54, 57, 58, 59 GG.

1. Art. 54 GG

Der Bundespräsident wird nicht direkt vom Volk, sondern gem. Art. 54 I 1 GG von der Bundesversammlung gewählt. Eine Direktwahl durch das Volk würde dem Bundespräsidenten nämlich eine bessere demokratische Legitimation verleihen als dem Bundeskanzler, der gem. Art. 63 I GG „nur“ vom Bundestag gewählt wird. Das wäre mit der repräsentativen Funktion des Bundespräsidenten schwer zu vereinbaren.

Eine Abwahlmöglichkeit eröffnet das Grundgesetz nicht, sondern sieht in Art. 61 GG nur ein gerichtliches Amtsenthebungsverfahren vor (sog. Präsidentenanklage), das sehr strengen Anforderungen unterliegt.

Die Bundesversammlung ist ein eigenständiges Verfassungsorgan und setzt sich gem. Art. 54 III GG aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern zusammen, die von den Volksvertretungen der Länder gewählt werden. Diese von den Bundesländern entsandten Mitglieder müssen keine Abgeordneten der Landesparlamente sein; vielmehr können die Landesparlamente in die Bundesversammlung entsenden, wen sie wollen.

Gewählt wird gem. Art. 54 I 1 GG „ohne Aussprache“. Das soll eine die Autorität des künftigen Bundespräsidenten möglicherweise gefährdende Personaldiskussion verhindern.

Der vom gewählten Kandidaten abzulegende Amtseid folgt aus Art. 56 GG. Mit dem Amtsantritt ist der Bundespräsident der umfassenden Inkompatibilitätsvorschrift des Art. 55 GG unterworfen, die seine Unabhängigkeit und Integrität sichern soll.

2. Art. 57 GG

Der Bundespräsident wird im Falle seiner Verhinderung (z.B. Krankheit, Urlaub) oder vorzeitiger Erledigung des Amtes (z.B. Rücktritt) - entgegen eines weit verbreiteten Irrtums - nicht durch den Bundestagspräsidenten, sondern durch den Bundesratspräsidenten (bei dessen Verhinderung durch den ersten Vizepräsidenten des Bundesrates) vertreten. Der Bundesratspräsident nimmt dann alle Befugnisse des Bundespräsidenten wahr.

3. Art. 58 GG

Die in Art. 58 S. 1 GG vorgesehene Gegenzeichnungspflicht bringt besonders deutlich die vorwiegend repräsentative Stellung des Bundespräsidenten zum Ausdruck. Mit der Gegenzeichnungspflicht soll ihm eine eigenständige Politik verwehrt werden. Andererseits nimmt ihn die Gegenzeichnung aus der „politischen Schusslinie“, weil mit der Gegenzeichnung der Gegenzeichnende die politische Verantwortung übernimmt.

Erfasst werden von Art. 58 S. 1 GG richtigerweise aber nicht alle öffentlichen Handlungen und Äußerungen des Bundespräsidenten, sondern nur solche, die Rechtswirkungen haben (z.B. Ausfertigung eines Gesetzes). Denn das Wort „Verfügungen“ steht typischerweise für Handlungen, die Rechtswirkungen haben. „Gültig“ können zudem nur Rechtsakte sein.

4. Art. 59 GG

Art. 59 I GG verdeutlicht die Stellung des Bundespräsidenten als Staatsoberhaupt.

Die für die „Gesetzgebung zuständigen Körperschaften“ nach Art. 59 II 1 GG sind der Bundestag und der Bundesrat. Sie müssen bestimmten völkerrechtlichen Verträgen per Gesetz zustimmen (sog. Vertragsgesetz), damit der Vertrag wirksam wird. Aus dieser Regelung folgt im Umkehrschluss, dass die Außenpolitik grundsätzlich Sache der Bundesregierung ist bzw. der Bundestag sie in diesem Bereich rechtlich nicht binden kann.

Zu den Merkmalen des Art. 59 II 1 GG:

„Politische Beziehungen des Bundes“

Definition: Damit sind Verträge gemeint, die die grundsätzliche Stellung Deutschlands in der Völkergemeinschaft betreffen (quasi „Basis-Verträge“), z.B. Beitritt zur UNO, Gründung der EU.

„Gegenstände der Bundesgesetzgebung“

Definition: Das verlangt, dass der Inhalt des völkerrechtlichen Vertrages so wesentlich ist, dass er innerstaatlich nur per Gesetz des Bundestages oder eines Landtages geregelt werden könnte.

Beispiel: Ein völkerrechtlicher Vertrag sieht erhebliche Eingriffe in Grundrechte vor.

Es geht also nicht um die Abgrenzung der Bundes- von der Landesgesetzgebung gem. Art. 70 ff. GG, sondern darum, was die Verwaltung alleine regeln darf und wann sie einer gesetzlichen Grundlage bedarf.

Zu beachten ist, dass auch jede Änderung dieser Verträge wiederum der parlamentarischen Zustimmung bedarf, z.B. jede Änderung der Verträge im Europarecht.

V. Bundesregierung, Art. 62 ff. GG

Die Bundesregierung ist ein Verfassungsorgan und oberstes Organ der Exekutive. Sie setzt sich gem. Art. 62 GG aus Bundeskanzler und Bundesministern zusammen, ist also ein Kollegialorgan. Keine Mitglieder der Bundesregierung sind demnach die Staatssekretäre.

Die Bundesregierung ist allerdings nicht eine reine Verwaltungsbehörde, auch wenn sie zur Exekutive gehört. Vielmehr steht ihr auch die politische Staatsleitung zu, d.h. sie setzt die Politik der Regierungsparteien und -fraktionen durch Gesetzentwürfe und andere Maßnahmen um.

Die wichtigsten Vorschriften zur Bundesregierung sind: Art. 63 und 64, 65, 67 und 68 GG.

1. Art. 63 und 64 GG

Art. 63 GG regelt die Wahl des Bundeskanzlers, der nicht direkt vom Volk, sondern vom Bundestag gewählt wird. Das ist einer der Gründe, warum ein funktionsfähiger Bundestag von zentraler Bedeutung ist: ohne funktionsfähigen Bundestag keine Wahl des Bundeskanzlers und damit auch keine Bundesregierung. Art. 63 I GG sieht keine Aussprache vor, d.h. die Wahl erfolgt ohne vorherige Debatte. Das soll eine die Autorität des künftigen Bundeskanzlers möglicherweise gefährdende Personaldiskussion verhindern.

Für die Wahl gilt gem. Art. 63 II 1 GG ein „verschärftes“ Mehrheitserfordernis, das in Art. 121 GG konkretisiert wird. Danach muss der Kanzlerkandidat die absolute Mehrheit (50% plus eine Stimme) der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Bundestages erreichen, also unter Zugrundlegung der Mindestmitgliederzahl von 598 (§ 1 I 1 BWahlG) müssen 300 Abgeordnete für den Kanzlerkandidaten stimmen.

Kommt die Wahl im ersten Wahlgang nicht zustande, kann gem. Art. 63 III GG vierzehn Tage lang versucht werden, den Bundeskanzler in weiteren Wahlgängen zu wählen. Die Anzahl der Wahlgänge ist dabei gesetzlich nicht begrenzt.

Nach Ablauf der vierzehn Tage findet gem. Art. 63 IV 1 GG ein letzter Wahlgang statt, in dem die einfache Mehrheit zur Wahl genügt