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Das Mysterium der Taurus-Ausdehnung offenbart sich ... Uralte Geheimnisse liegen auf dem fünften Planeten des Jinoteur-Systems, drei Rivalen kämpfen um ihre Kontrolle: Die Föderation und das Klingonische Imperium wollen sie für ihre Zwecke einsetzen, die Tholianische Versammlung sie vernichten. Aber die Bedrohung auf der entfernten Welt ist gefährlicher als die Völker zunächst annehmen. Die Shedai, die vor Äonen in der Taurus-Ausdehung geherrscht haben, erwachen aus ihrem langen Schlaf, um mit ganzer Härte Rache an den Eindringlingen zu nehmen ... Von David Mack, dem Autor der DESTINY-Trilogie!
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Seitenzahl: 685
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ERNTE DEN STURM
DAVID MACK
Ins Deutsche übertragen vonMarkus Rohde
Über den Autor
David Mack ist Autor zahlreicher Star Trek-Romane, inklusive der „USA Today“-Bestseller A Time to Heal, A Time to Kill und der Destiny-Trilogie. Er entwickelte die Star Trek – Vanguard-Serie mit Redakteur Marco Palmieri und schrieb den ersten und dritten Band.
Weitere Romane von David Mack sind Wolverine: Road of Bones, Star Trek – Deep Space Nine: Warpath, Star Trek – S.C.E.: Wildfire und The Sorrows of the Empire in dem Paperback Star Trek – Mirror Universe: Vol. 1 – Glass Empires.
Bevor er Bücher schrieb, verfasste Mack zusammen mit John J. Ordover die Episode Starship Down aus der vierten Staffel Deep Space Nine, sowie das Story-Gerüst für It‘s only a Paper Moon aus der siebten Staffel. Mack lebt mit seiner Frau Kara in New York City. Mehr über ihn unter www.infinitydog.com
Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – VANGUARD: ERNTE DEN STURM wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Str. 72, 71634 Ludwigsburg. Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Markus Rohde; verantwortlicher Redakteur: Markus Rohde; Lektorat: Stephanie Pannen; redaktionelle Mitarbeit: Christian Humberg; Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Doug Drexler; Stationsdesign: Masao Okazaki; Hintergrundbild courtesy of NASA and the Hubble Heritage Team (STScl/AURA).
Titel der Originalausgabe: STAR TREK – VANGUARD: REAP THE WHIRLWIND
German translation copyright © 2008, 2010 by Amigo Grafik GbR.
Original English language edition copyright © 2007 by CBS Studios Inc. All rights reserved.
STAR TREK and related marks are trademarks of CBS Studios Inc. All rights reserved.
CBS and CBS Eye logo are trademarks of CBS Broadcasting Inc. All rights reserved.
This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.
Print ISBN 978-3-936480-93-1 (Juni 2008) · E-Book ISBN 978-3-942649-56-8 (November 2011)
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Gewidmet jenen, die das Richtige tatenund dafür mit Blut und Tränen bezahlen mussten.
Ernte den Sturm spielt im Jahr 2266 (nach dem alten Kalender), etwa sechs Wochen nach dem Ende von Rufe den Donner und endet vor der TOS-Episode „Pokerspiele“.
Wer Wind sät, wird Sturm ernten.– Hosea 8,7
Kommt zu mir …
Die Shedai-Wanderin breitete sich in der Leere aus, ihre Gedanken wie Triebe: Fäden von Bewusstsein in der Dunkelheit – suchend, prüfend, forschend. Sie sehnte sich nach der Berührung des Liedes der Verbindung, der Harmonie dieser Stimme, die nicht anders konnte, als ihren Ruf zu beantworten.
So viele schlafen, klagte sie. So viele verweilen im Schatten des Vergessens, zufrieden damit, des reinen Seins entbunden zu sein. Frei von der Vergangenheit, ruhend unter Diffusionen aus Staub längst verlassener Welten. Es war an uns, zu herrschen, nicht zu verhallen.
Abgründe von Raumzeit erstreckten sich fort von der Wanderin, unermessliche Weiten aus einsamer und trostloser Leere. Das Lied war schwach, eine kaum zu hörende Melodie inmitten des kosmischen Rauschens und dem Scharren der Hintergrundstrahlung. Selbst in den verborgensten Winkeln des Universums herrschte keine Stille; Ruhe war ein Luxus, reserviert für das Grab. Sie wusste, wenn das Lied nicht verstärkt werden konnte, würden die anderen weiterhin in der formlosen Nacht verloren sein, als verschwendete Wesen.
Kommt näher …
Eine einzelne Stimme konnte nicht mehr als einhundert Verbindungen aktivieren und einhundert Schläfer erwecken. Die Stimmen zurück ins Zentrum zu bringen, war der einzige Weg. Und so reichte die Shedai-Wanderin hinaus zur Ersten Verbindung und weitete die Sphäre ihres Gedankenraumes, vergrößerte seine Reichweite und machte sich auf die Suche nach der uralten Stimme.
Die Anstrengung, sich in alle Richtungen zu erstrecken, war ermüdend für die Wanderin, aber das in letzter Zeit zunehmende Eindringen von Telinaruul in das Reich der Shedai hatte sie davon überzeugt, dass Eile angebracht war. Es hatte sich bereits an zwei Gruppen von Telinaruul gezeigt, dass diese gezielt die Verbindungen der Shedai aufsuchten, um sie ihrer Geheimnisse zu berauben. Die Technologie der Eindringlinge, obwohl der der Shedai unterlegen, hatte sich als furchterregend genug erwiesen, und die Telinaruul kamen in Scharen. Die Wanderin konnte dieser Bedrohung nicht länger allein gegenüberstehen. Obwohl der geplante Beginn des Zweiten Zeitalters noch Äonen in der Zukunft lag, hatte sie sich entschlossen, die anderen zu wecken und sie nach Hause zu rufen.
Antwortet mir …
Da kam die Erwiderung: Wir hören dich.
Es waren nicht die unterwürfigen Stimmen von einst. Fort war der ehrerbietende, ehrfürchtige Ton – er war ersetzt worden durch Argwohn und Missachtung. Ihre seelische Klangfarbe hatte sich verändert, war tiefer, schärfer, komplexer geworden. Doch waren es unverkennbar die Kollotuul, die Stimmen der Shedai. Die Wanderin ließ ab von der erschöpfenden Projektion ihres sphärischen Gedankenraumes und konzentrierte sich durch die Ersten Verbindung auf die Kollotuul. Folgt meiner Stimme, befahl sie.
Tagmomente verstrichen wie flache Atemzüge. Die Kollotuul kamen näher, verbogen die Struktur der Raumzeit um sich, ähnlich wie es die Telinaruul getan hatten. Ein leises Summen der Angst ging ihnen voraus, kalt und unnachgiebig in ihrer kaum verschleierten Feindseligkeit.
Die Wanderin ließ die Last ihres physischen Gefängnisses hinter sich und streifte umher in den Himmeln über der Atmosphäre, goss ihre Gedanken in den Raum über der Ersten Welt. Verteilt durch ihre drei Monde, spürte sie die Annäherung der Kollotuul von mehreren Ausgangspunkten. Über dem saftig blau-grünen Himmelsrund der Ersten Welt verlangsamte sich die zerbrechliche Hülle der Stimmen und betrat einen Synchronorbit über dem größten Ozean des Planeten. Die dreiseitige Symmetrie des Raumschiffes gab ihm ein eckiges, keilförmiges Aussehen; es wirkte massiv und gewaltig. Seine Energiequelle war ein Materie-Antimaterie-Reaktor, ähnlich jenen, auf die die Wanderin in letzter Zeit gestoßen war. Das Schiff war außerdem schwer bewaffnet – mit der gleichen Art von Waffen, die jene Welt zerstört hatten, auf der sie die nächsten zwei Revolutionen der Galaxie schlafend hatten überdauern wollen.
Ich muss vorsichtig sein, damit ich sie nicht verärgere, wusste sie. Es darf ihnen nicht erlaubt werden, ihre Sünde unserer Rasse gegenüber zu wiederholen. Sie streichelte die Gedanken der anderen mit ihrem Geist, als ob sie die raue Beschaffenheit eines Steins bewerten wollte, nahm ihr Maß und berechnete ihre Zahl. Es gab Hunderte von ihnen, dreist, intelligent und brennend. Sie sträubten sich vor ihrer Berührung und waren sich ihrer Anwesenheit mehr bewusst, als die Kollotuul ihrer Erinnerung nach dazu fähig waren. Die hier werden sich nicht bereitwillig mit der Ersten Verbindung vereinigen lassen. Sie werden sich widersetzen und mich dazu zwingen, ihren Willen zu brechen … So sei es.
Einer der Sänger brannte heller als die anderen; seine Gedanken färbten die um ihn herum ein. Er ist der Anführer, folgerte die Wanderin und wandte sich ihm als Erstem zu.
Hell klingende Töne der Panik hallten im Inneren des Kollotuul-Schiffes wider, als eine Falte in der Raumzeit seinen Commander erfasste und ihn auf Geheiß der Wanderin mit unsichtbarer Kraft bewegte. Angst wurde zu Panik, als sie die Besatzung erfasste, sie befiel einige einzeln, einige in Gruppen. Die Wanderin transportierte sie unverzüglich auf die Oberfläche des Planeten und entließ sie in den Kern der Ersten Verbindung, dessen dunkle Energien bereits zum Leben erwachten. Nur einen Wimpernschlag später waren die Kollotuul ihre Gefangenen, so hilflos wie es vor Jahrtausenden ihre Ahnen gewesen waren, nachdem der Schöpfer sie aus einer vulkanischen Spalte gezogen hatte, auf einer treibhausähnlichen Welt mit einer Atmosphäre aus ätzender Säure und Hochdruckgasen.
Sogar in ihrem festen Griff wehrten sie sich noch. Sie staunte darüber, was aus ihnen geworden war, über den Mut, den sie zeigten. Sie wusste, dass Stärke wichtig sein würde für ihre Stimmen. Diener, die zu schwach waren, würden sich als ungeeignet erweisen, die Unerbittlichkeit der Ersten Verbindung zu überleben. Aber zu viel Stärke war möglicherweise noch schlimmer; eine Stimme mit zu viel Widerstandskraft könnte sich dem Willen der Shedai widersetzen und die Kraft der Verbindung für sich selbst nutzen, so wie es die Kollotuul vor langer Zeit getan hatten, während des Zeitalters der düsteren Erkenntnis. Komplizierend kam hinzu, dass dies nicht länger die alten Kollotuul waren, sie hatten sich weiterentwickelt. Ein treffenderer Name für sie, überlegte die Wanderin, wäre vielleicht Kollotaan: „neue Stimmen.“ Wenn sich die Kollotuul in Kollotaan weiterentwickelt hatten, waren sie vielleicht nicht länger kompatibel mit den Verbindungen.
Es gab nur einen Weg, um das herauszufinden.
Die Shedai-Wanderin wählte die stärkste Stimme aus, ihren Anführer. Sie hüllte ihn in Spiralen aus Feuer, das sie aus dem Inneren der Verbindung geholt hatte, sie sonderte ihn ab von den anderen und verband ihn mit einem Knotenpunkt, der bis an die entferntesten Bereiche des Shedai-Reiches hallen würde. Sie fokussierte sich selbst durch den Gedankenraum und projizierte das Lied mit einem einfachen Befehl auf ihn: Verstärke.
Er widersetzte sich und erwiderte ihre Anstrengung in gleichen Maße. Je mehr sie sich bemühte, ihn zu ihrem Weckruf zu machen, der in ihrer Stimme entfernteste Sterne erreichte, desto heftiger widersetzte er sich ihr. Die Feuer der Verbindung loderten heißer und dunkler auf und umhüllten den Anführer der Kollotaan, der sich in ihrem Griff hin und her wand und durchdringende, metallische Schmerzensschreie von sich gab.
Sprich mit meiner Stimme, forderte die Wanderin.
Der Anführer zuckte und kreischte im lichtlosen Inferno des stärksten Knotenpunktes der Ersten Verbindung, dennoch ergab er sich nicht dem Willen der Wanderin. Ob er nun unwillig oder vielleicht eher unfähig war, sich zu ergeben, war unklar. Dann reduzierten ihn die gewaltigen Kräfte im Inneren der Verbindung zu Staub und Dunst, und die Frage, ob seine Substanz oder sein Geist stärker gewesen war, erwies sich als unwesentlich.
Die richtigen Stimmen für die Verbindung zu finden, würde Zeit brauchen, das begriff die Wanderin nun. Die notwendige Balance zwischen Stärke und Formbarkeit zu finden war eine einfache Frage von systematischem Ausprobieren.
Sie betrachtete die versammelte Menge der Kollotaan, wählte das ihrer Meinung nach zweitstärkste Exemplar aus und verband es mit dem gleichen Knotenpunkt im Inneren der Ersten Verbindung.
Von der ersten Berührung dunklen Feuers an erfüllte die Stimme die Verbindung mit einem hohen, schauerlichen Geheule aus entsetzten Lauten. Eine Welle von Höllenqualen brachte es unter Kontrolle.
Sprich mit meiner Stimme, befahl die Wanderin. Oder stirb.
Dr. Ezekiel Fisher lehnte sich auf seinem Stuhl am Schreibtisch seines Quartiers zurück. Es war spät für ihn, um noch wach zu sein, ein paar Stunden innerhalb der dritten Schicht. Sein Kaffee war kalt geworden in der Stunde, in der er den neuesten Brief an seine Tochter Jane verfasst hatte, das jüngste seiner drei Kinder. Das Schreiben war fast beendet; er hatte innegehalten, um es sich noch einmal durchzulesen.
„Liebe Jane“, begann es, fantasielos genug. „Ich hoffe, dieser Brief erreicht dich wohlbehalten und dass Neil und deine Jungs sich von dem Anfall der Argelianischen Grippe, von der du mir erzählt hast, einigermaßen erholt haben. Ich selbst habe meine Impfstoffe auf den neuesten Stand gebracht, daher besteht die Hoffnung, dass ich keinem Virus begegne, der schlauer ist als ich.
Das Leben und die Arbeit hier auf Vanguard sind nach wie vor ziemlich hektisch. Ich weiß, es klingt sicher seltsam, mich das sagen zu hören, wo doch in den Nachrichten kaum was von uns zu hören ist – um genau zu sein, nichts seit dem Verlust der Bombay. So sehr ich mir auch wünsche, dir alles erzählen zu können, was ich hier draußen gesehen habe, es wäre vergebliche Mühe: Unsere gesamte ausgehende Post wird zensiert … Solche Maßnahmen müssen auf einer Welt wie dem Mars drakonisch wirken, aber die Wahrheit ist, dass es so das Beste ist. Wenigstens hoffe ich das.
Was kann ich dir erzählen? Zunächst einmal wurden meine Pensionspläne über den Haufen geworfen. Jabilo M’Benga, mein handverlesener Nachfolger, wechselt in den Raumschiffdienst. Seine Gründe sind nachvollziehbar, finde ich. Es ergab sich, dass ich einige Monate Zeit hatte, mich an die Idee zu gewöhnen. Genau das hatte ich auch erwartet. Wir sind ziemlich weit weg von zu Hause, und selbst in den Kernsystemen dauert es eine Weile, bis so etwas genehmigt wird. Zuerst muss er der Sternenflotte mitteilen, dass er versetzt werden möchte. Dann muss die Sternenflotte schauen, welche Stellen frei sind und ob sich schon jemand anderes dafür beworben hat. Dann muss noch irgend so ein hohes Tier sein Okay geben und neue Befehle losschicken, die wahrscheinlich ein paar Tage brauchen, um uns zu erreichen.“
Fisher nahm das Datengerät, auf dem er den Brief geschrieben hatte. Er hielt es mit einer Hand und las weiter, während er den Kaffee in seine Kochnische trug, um ihn wegzuschütten.
„Und nur um dich davon zu überzeugen, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe“, ging der Brief weiter, „ich überdenke die ganze Sache mit dem Ruhestand nochmal komplett neu. Ich muss gestehen, ich dachte, nach über fünfzig Jahren in der Sternenflottenuniform hätte ich inzwischen genug davon. Bevor ich letztes Jahr mit Diego hierher gekommen bin, hatte ich angefangen zu glauben, dass ich bereits alles gesehen hätte, dass die Galaxie keine Überraschungen mehr für mich bereit hält. Aber, wie du niemals müde wirst, mir unter die Nase zu reiben, ich lag falsch.“
Er schüttete die Reste des Kaffees in die Spüle, ließ für einen Moment das Wasser laufen und las dann weiter, während er zum Sofa schlenderte.
„Es ist schwer zu sagen, ob es mir jemals erlaubt sein wird, über die Dinge, die ich hier gesehen habe, zu schreiben oder zu reden. Ich schätze, wahrscheinlich nicht. Es mangelt mir zum jetzigen Zeitpunkt wahrlich nicht an Geschichten, aber dieser Einsatz hier bietet Material für einige, die du nie vergessen würdest. Das ist aber nicht der Grund, warum ich darüber nachdenke, zu bleiben. Um ehrlich zu sein, ich fange an zu begreifen, dass dies eine der wichtigsten Missionen ist, auf die ich je geschickt worden bin. Wir sind da etwas auf der Spur, etwas Gewaltigem. Sogar wenn M’Benga nicht vorhätte, ins große Unbekannte zu verschwinden, würde ich wahrscheinlich bleiben wollen, um das hier weiter zu begleiten. Jegliches noch verbliebene Bedauern über seine Versetzung hat sich nun gewandelt in Betrübnis darüber, einen so hervorragenden Arzt aus meiner Belegschaft zu verlieren. Außerdem bemitleide ich ihn – weil er wohl nie erfahren wird, was er verpasst hat.“
Ein Gähnen verzog Fishers gebräuntes, wettergegerbtes Gesicht. Sanft rieb er sich den Schlaf aus den Augen und starrte wieder auf das Datengerät. Der Brief war nicht lang; aber es hatte eine Stunde gedauert, ihn zu schreiben, weil ihm jedes Mal, wenn ihm etwas Mitteilenswertes eingefallen war, klar wurde, dass es niemals durch die Zensoren der Sternenflotte kommen würde. Er konnte Jane nichts von der Analyse des Alienkörpers erzählen, der statt Blut meta-genomverbundene Flüssigkristalle besessen hatte, oder die bizarren Effekte, die der Angriff der Kreatur auf einen Sternenflottenoffizier zur Folge gehabt hatte. All die angespannten Gerüchte einer sich zusammenbrauenden politischen Krise zwischen den Klingonen, den Tholianern und der Föderation würden reduziert werden zu einer Frage diplomatischer Taktik, ohne Frage auf Jetaniens Anordnung hin. Er kratzte sich abwesend an seinem grauen Kinnbart und grübelte, wie er den Brief beenden sollte. Nachdem er eine Weile auf eine leere Zeile am unteren Ende des Pads gestarrt hatte, befand er, dass eine naheliegende und einfache Verabschiedung vollkommen in Ordnung war, solange sie von Herzen kam.
„Das ist erst einmal alles. Sag Neil und den Jungs, dass ich sie vermisse und hoffe, dass ich euch sehr bald wieder auf dem Mars besuchen kann. Pass auf dich auf und schreib mir zurück, wenn du Lust hast und es die Zeit zulässt. In Liebe, Dad.“
Er drückte ein paar Tasten auf dem Datengerät und schickte den Brief in die Warteschlange für ausgehende Kommunikation. In ein paar Stunden würde er voraussichtlich von den Zensoren genehmigt und auf den Weg zum Mars geschickt werden, eine von tausend Nachrichten, gebündelt in einer gewaltigen Signalfolge nicht der Geheimhaltung unterliegenden Datenverkehrs, der Vanguard verlassen würde. In nur ein paar Stunden würde Jane die Botschaft erhalten, vielleicht zu Hause oder in ihrer Praxis, zwischen zwei Patienten. Anders als seine Söhne Ely und Noah war ihm Jane in die Medizin gefolgt, obwohl sie sich entschlossen gegen eine Karriere in der Sternenflotte und für die Eröffnung ihrer eigenen Praxis in der aufstrebenden Stadt Cydonia auf dem Mars entschieden hatte. Dort hatte sie ihren Ehemann Neil kennengelernt und dort zogen sie auch ihre Söhne James und Seth groß.
Wie üblich zauberte der Gedanke an seine Kinder und Enkel ein Lächeln auf sein Gesicht. Was für eine schöne Art, den Tag zu beenden, dachte er. Er erhob sich vom Sofa und wankte steif ins Bett. Der morgige Tag würde anstrengend werden, er brauchte jeden Schlaf, den er kriegen konnte.
Das Raumschiff Sagittarius würde heimkommen.
Anna Sandesjo lag in ihrem Bett. Ein Durcheinander roter Laken bedeckte ihren Schoß. Ihre Hände waren auf dem Kissen hinter ihrem Kopf gefaltet, hinter ihrer ausgebreiteten Mähne zimtfarbenen Haares. Die Kratzer auf ihrem Rücken waren frisch und tief.
Es war noch früh, vor 0600 Stationszeit. Am Fußende des Bettes zog sich Lieutenant Commander T’Prynn gerade wieder an. Die zierliche Vulkanierin schlüpfte mit langsamen und anmutigen Bewegungen in ihr rotes Minikleid, die nie die ekstatische Wildheit verraten würden, mit der sie am Abend zuvor Sandesjo behandelt hatte. Jede Bewegung T’Prynns zog Sandesjos Blicke magisch an.
„Hast du gut geschlafen, mein Schatz?“, fragte Sandesjo, obwohl sie wusste, dass T’Prynn, die sich die letzten paar Stunden über in Albträumen hin und her gewälzt hatte, sie anlügen würde.
T’Prynn zog ihr langes schwarzes Haar zurück, band es in einen Pferdeschwanz und antwortete kurz angebunden: „Mein Schlaf war zufriedenstellend.“ Sie setzte sich auf die Bettkante und begann sich die Stiefel anzuziehen.
Sandesjo setzte sich auf und das Laken verrutschte zu einem Bündel in ihrem Schoß. T’Prynn dabei zuzusehen, wie sie sich zum Weggehen fertig machte, war für Sandesjo immer schwer, denn es erinnerte sie an ihre Einsamkeit. „Musst du denn schon so früh gehen?“
Nachdem sie einen bereits angezogen hatte, griff T’Prynn nach dem anderen Stiefel und antwortete über ihre Schulter hinweg: „Ja.“
„Wegen der Sagittarius.“
„Ja“, sagte T’Prynn.
Neuigkeiten über die Rückkehr des Aufklärungsschiffes zur Sternenbasis 47 waren schon seit Wochen hin- und hergesurrt. Der Rückruf des Schiffes aus einem abgelegenen Winkel der Taurus-Region war nicht lange nach der Zerstörung von Palgrenax erfolgt. Obwohl Schiffsbewegungen für die Öffentlichkeit und nicht beteiligtes Personal weiterhin als geheim eingestuft wurden, gewährte Sandesjos Anstellung als ranghoher Attaché bei Vanguards leitendem Diplomaten, Botschafter Jetanien, ihr Zugang zu einer ganzen Reihe nicht öffentlich zugänglicher Informationen.
T’Prynn stand auf, glättete die Vorderseite ihres Minikleides und drehte sich voller Erhabenheit und Selbstvertrauen zu Sandesjo um: kühl, beherrscht und distanziert. In solchen Momenten fühlte sich Sandesjo nicht wie die Geliebte der Vulkanierin, sondern eher wie eine völlig Fremde. „Danke, dass ich die Nacht hier verbringen durfte“, sagte T’Prynn.
„Vielleicht lässt du mich ja irgendwann mal eine Nacht in deiner Kabine übernachten“, sagte Sandesjo in einem eindeutig zweideutigen Tonfall. „Oder ist es dir peinlich, mit mir gesehen zu werden?“
T’Prynn hob ihre linke Augenbraue leicht an. „Peinlichkeit ist kein Faktor. Die Hitze und Schwerkraft in meinem Quartier sind auf vulkanische Bedürfnisse eingestellt. Du würdest sie wahrscheinlich als … unangenehm empfinden.“
„Täusch’ dich da mal nicht, mein Schatz“, sagte Sandesjo mit einem anzüglichen Blick. „Nur weil ich menschlich aussehe, heißt das nicht, dass ich auch so empfindlich wie einer bin. Qo’noS ist auch nicht gerade kalt.“
T’Prynn ging zum Schrank hinüber, nahm ihren Kommunikator und steckte ihn sich an ihren Gürtel. „Ich bin sicher, dass deine klingonische Physiologie die Temperaturen bewundernswert aushalten würde“, sagte sie. „Die Trockenheit allerdings könnte sich als eher ungemütlich herausstellen.“
„Damit komm ich schon klar“, sagte Sandesjo. Zu ihrer Bestürzung reagierte T’Prynn nicht auf ihre Bemerkung, sondern ging schnurstracks auf die Tür zu. „Geh nicht“, entfuhr es Sandesjo. Sie bereute noch im gleichen Moment, es gesagt zu haben; es war ein grob unprofessioneller Ausdruck von Begierde und Schwäche.
Langsam drehte sich T’Prynn um und betrachtete Sandesjo mit einem Blick voller Kühle. „Warum willst du, dass ich bleibe?“
„Ich will immer, dass du bleibst“, sagte Sandesjo. „Aber du tust es nie.“
T’Prynn hob ihre spitzen Augenbrauen und erwiderte: „Eine äußerst unlogische Bemerkung, Sandesjo. Du …“
„Anna“, unterbrach sie. „Warum nennst du mich nie Anna? Sollten wir uns nicht langsam beim Vornamen nennen?“
In einem überraschend scharfen Tonfall erwiderte T’Prynn: „Wenn wir das tun, sollte ich dich vielleicht besser gleich bei deinem richtigen Namen nennen, Lurqal.“
T’Prynn ihren klingonischen Namen sagen zu hören, brachte Sandesjo für einen Moment zum Schweigen. Obwohl Sandesjos wahre Identität T’Prynn jetzt schon seit mehr als einem Jahr bekannt war, hatte die Vulkanierin sie niemals laut ausgesprochen. Die langen Jahre, die sie unter ihrem Decknamen hatte leben müssen, ließen ihren eigenen fremdartig klingen. Sie hatte sich so stark mit ihrer Tarnung identifiziert, dass sie sich inzwischen mehr wie Anna Sandesjo fühlte und weniger wie Lurqal.
Nachdem sie endlich ihre Stimme wiedergefunden hatte, sagte sie: „Wenn du mich, wenn wir unter uns sind, Lurqal nennen möchtest, habe ich nichts dagegen.“
T’Prynn überlegte eine Weile und erwiderte: „Ist unsere Beziehung der Grund für dein gegenwärtiges Unwohlsein?“
„Ja, das ist der Grund“, sagte Sandesjo, froh darüber, endlich einmal offen sprechen zu können, ohne die festgelegten Regeln der diplomatischen Unterhaltung beachten zu müssen. „Obwohl ich wirklich gerne mal wissen würde, was unsere Beziehung eigentlich genau ist.“
T’Prynn neigte den Kopf leicht zur Seite. „Welcher Aspekt ihrer Natur entzieht sich dir?“
„Ich weiß nicht“, sagte Sandesjo. „Jeder? Du teilst seit Monaten mit mir das Bett, aber ich weiß immer noch nicht, wie ich dich nennen soll. Meine Partnerin? Meine Geliebte? Was bin ich für dich? Nur ein weiterer Informant? Etwas anderes? Oder bin ich lediglich deine Hure?“
T’Prynn, der das Gespräch sichtlich unangenehm war, atmete tief ein, schloss die Augen und senkte ihren Kopf. „Du bist nicht meine ‚Hure‘ “, sagte sie und sah auf. „Aber unsere Beziehung festzulegen ist kompliziert. Es könnte berufliche Fragen aufwerfen.“
„Das hast du aber schön formuliert“, erwiderte Sandesjo verbittert. „Hast du nur angefangen, mit mir zu schlafen, um mich zu einem Doppelagenten zu machen? Oder war das lediglich ein zusätzlicher Bonus?“
Ungerührt antwortete T’Prynn: „Bist du aus Überzeugung zum Doppelagenten geworden oder nur, weil ich dich als Spion entlarvt habe? Hast du es aus Liebe, Lust oder Selbstschutz getan? Ich bin nicht die Einzige, deren Motive hier unklar sind.“
Betroffen schaute Sandesjo eine Weile ins Nichts. Dann drehte sie sich wieder T’Prynn zu und sagte: „Ich will nur wissen, was du für mich empfindest.“ Als T’Prynn zu einer Antwort ansetzte, erkannte Sandesjo die verräterischen Anzeichen einer Ausrede in ihrem Gesicht. Sie schleuderte das Laken von sich, sprang aus dem Bett und lief auf die Vulkanierin zu. „Und wage es ja nicht, mir zu erzählen, dass du keine Gefühle hast oder sie nicht wichtig für dich sind.“ Nackt stand Sandesjo vor T’Prynn, beugte sich vor und senkte ihre Stimme zu einem heiseren Flüstern. „Ich sehe die Begierde in deinen Augen, wenn du dich nachts zu mir stiehlst. Ich fühle das Feuer in deinen Küssen, diesen wilden Teil von dir, der mich mit Gewalt nimmt … mich beherrscht … mich in Besitz nimmt. Du willst mich genau so sehr, wie ich dich will.“
T’Prynn machte eine herablassende Miene. „Wenn du dich so gut mit meinem Innenleben auskennst, wieso fragst du dann noch nach meiner Meinung?“
Sandesjo drehte ihren Kopf, sodass ihre Lippen die von T’Prynn leicht streiften. „Weil ich dich liebe.“
Sie beugte sich vor um T’Prynn zu küssen, doch diese entzog sich ihr und trat zurück. Zunächst zögernd, dann entschieden entfloh sie dem Schlafzimmer, dem Apartment und ihrer Nähe.
Sandesjo betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Sie sah blass aus, ängstlich, schutzlos – menschlich.
Wut, Schmerz und Scham stiegen in ihr hoch. Von all den Eigenschaften, die die Klingonen verabscheuten, war keine so verpönt wie Schwäche. Mit einer einzigen unbesonnenen Bemerkung hatte sie ihre tiefsten Gefühle offenbart. Nie zuvor hatte sie sich so verwundbar gefühlt und niemals so nah daran, den Geschmack der Furcht kennenzulernen.
Sie war angewidert von sich selbst und bedauerte, T’Prynn jemals begegnet zu sein – und dem bitteren Stachel der Liebe nachgegeben zu haben.
Der Gang, der einmal rund um Vanguards Mittelpunkt führte und von dem man eine gute Sicht auf den verschlossenen Andockhafen hatte, brummte vor Geschäftigkeit. Zwei große Föderationskolonietransporter, die Terra Courser und die Centauri Star, hatten gerade erst in Landebucht Eins und Zwei angedockt, nur ein paar Stunden bevor der letzte Ankömmling in der Raumstation, das Raumschiff Sagittarius, in Bucht Vier angelegt hatte. Commodore Diego Reyes, der sich geschickt seinen Weg durch die Menge bahnte, warf einen heimlichen Blick in die größte Landebucht.
An der Sagittarius setzte sich ein Schwarm niederrangiger Instandhaltungstechniker und etliche Mitarbeiter in leichten Druckanzügen in Bewegung, erledigten kleinere Reparaturen und errichteten als Vorbereitung für aufwendigere Arbeiten einen Kokon aus Baugerüsten und Schutznetzen rund um das Schiff. Neben so riesigen Schiffen wie den beiden Transportern, oder seinen eigenen größeren Vettern wie der zur Constitution-Klasse gehörenden U.S.S. Endeavour oder der wiederhergestellten U.S.S. Lovell, einem Schiff der Daedalus-Klasse, wirkte das Erkundungsschiff der Archer-Klasse beinahe wie ein Spielzeug. Ein weiterer Punkt, in dem es sich von den anderen unterschied, war sein fabrikneues Aussehen; seine Oberfläche war makellos, seine durch Tierkreiszeichen inspirierten Schiffsinsignien glänzten immer noch, jeder Buchstabe und jede Ziffer in seiner Registrierung so klar wie an dem Tag, an dem es das Raumdock verlassen hatte. Seine Andockluke, die an der äußersten Kurve der Primärhülle angebracht war, war mit einer verlängerten Landungsbrücke verbunden, die zu einer Reihe von engen Gängen führte. Diese mündeten im Hauptdurchgangskorridor, über den Reyes nun hastete.
Reyes erreichte den Eingang zu Bucht Vier in dem Moment, als ein Chief Petty Officer die Druckschleuse entriegelte und öffnete. Als das Tor aufglitt, sah er, wie sich die Senior-Offiziere der Sagittarius-Crew genauso schnell bewegten, wie er es getan hatte. Sie alle trugen praktische olivfarbene Einteiler, auf denen weder Name noch Rang vermerkt war.
Anführer war Captain Adelard Nassir, ein Deltaner Mitte fünfzig. Mit seinem zarten Körperbau und der Glatze strahlte Nassir Ruhe und Würde mit jeder seiner Bewegungen aus, egal ob große oder kleine. Neben ihm ging sein Erster Offizier Clark Terrell, ein großer, muskulöser und dunkelhäutiger Mensch, der zwar wie ein Boxer aussah, aber wie ein Gelehrter sprach.
Dicht hinter den beiden folgten zwei Frauen. Bei der Blondine handelte es sich um, wie Reyes sich erinnerte, den Chefarzt des Schiffes, Dr. Lisa Babitz. Er hatte sie nur einmal vor einigen Monaten getroffen, aber sie hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen, weil sie die Gelegenheit genutzt hatte, um den Schreibtisch in seinem Büro zu desinfizieren. Hinter Terrell ging eine junge schlanke Rothaarige. Ihr Name war Vanessa Theriault und sie war der Wissenschaftsoffizier des Schiffes. Genau wie Babitz hatte Reyes sie nur einmal vor einigen Monaten getroffen, nachdem das Schiff der Sternenbasis 47 offiziell als Aufklärer zugewiesen worden war. Etwas, das Theriault mit Babitz gemeinsam hatte, war ihre Stärke, einen bleibenden ersten Eindruck zu hinterlassen: Am Ende ihrer ersten Einsatzbesprechung hatte sie Reyes ein Geschenk überreicht – einen selbstgestrickten Schal, den sie in ihrer ‚freien Zeit‘ gemacht hatte. Er hatte ihn noch nie getragen und würde das wahrscheinlich auch nie tun, dennoch hatte er sich darüber gefreut.
Nun konnte man am Ende des kleinen Grüppchens zwei weitere Personen erkennen, eine elegante und blasse menschliche Frau mit rabenschwarzem Haar und einen männlichen Saurianer, der sich mit seinen nackten und mit Schwimmhäuten versehenen Füßen flüssig fortbewegte. Diese beiden hatte Reyes nie zuvor gesehen, aber er erkannte sie von den Einträgen ihrer Personalakten. Die Frau war der zweite Offizier des Schiffes, Lieutenant Commander Bridget McLellan und der Saurianer war der neueste Kundschafter, ein Senior Chief Petty Officer namens Razka. Theriault, Nassir und Terrell waren die einzigen Mitglieder der Schiffsbesatzung, die mit den wahren Zielen der Operation Vanguard vertraut waren. Aber mit den neuen Befehlen, die Reyes überbringen sollte, würde sich das ändern. Bald würde die gesamte Besatzung der Sagittarius, alle vierzehn Personen, eingeweiht werden müssen. So wie ich den Haufen kenne, vermutete er, werden sie zu aufgeregt sein, um zu erkennen, dass sie sich eigentlich in die Hosen machen müssten vor Angst.
Captain Nassir nickte Reyes zu, als er die letzten Meter der Landungsbrücke hinter sich ließ, um sich ihm anzuschließen. „Commodore“, sagte er mit einem freundlichen Lächeln. „Entschuldigen Sie die Verspätung.“
„Eigentlich bin ich auch gerade erst gekommen“, erwiderte Reyes.
Nassir schüttelte Reyes’ Hand. „Ich meinte die sechs Wochen, die wir gebraucht haben, um von Typerias zurückzukehren.“
„Ach, die“, erwiderte Reyes lächelnd. „Wenn Sie mich fragen, waren Sie ganz schön fix hier.“
Er blickte umher und bemerkte, dass die anderen Offiziere der Sagittarius bereits einen Kreis um ihn und Nassir bildeten. Zur Gruppe sagte er: „Willkommen daheim. Geht ‘rüber ins Manóns und esst was … auf meine Rechnung. Euer Captain und ich kommen gleich nach.“ Man musste ihnen zugute halten, dass sie seinen Vorschlag ohne Umschweife in die Tat umsetzten und zu den nächstgelegenen Turboliften trotteten. Reyes nickte in Richtung Nassirs.
„Begleiten Sie mich, Captain.“
Nassir folgte Reyes, als der einen kleinen Rundgang auf dem Deck begann. Der schlaksige Commodore ging langsamer als sonst, um es dem kleineren Captain einfacher zu machen, mit ihm Schritt zu halten.
In einem vertraulichen Tonfall sagte Nassir: „Ich nehme nicht an, dass Sie uns von einer Aufklärungsmission zurückrufen, weil Sie uns so vermisst haben.“
„Sie haben mir tatsächlich gefehlt“, scherzte Reyes. „Aber Sie haben recht, das ist nicht der Grund. Die Klingonen hören unsere Kommunikationswege ab, deswegen durfte ich mir nicht in die Karten schauen lassen.“ Er ließ eine Gruppe von zivilen Männern und Frauen in die andere Richtung vorbei, bevor er weiter sprach. „Haben Sie Xiongs Bericht über Jinoteur gelesen?“
Für einen Moment legte sich Nassirs Stirn vor Konzentration in Falten. „Das Sternensystem, das ein Subraumsignal aussendete“, rief er sich rasch die Einzelheiten in Erinnerung. „Es hat Ihre Station verrückt spielen lassen, oder?“
„Sie ist komplett durchgedreht“, antwortete Reyes. „Wir haben Jinoteur beobachtet, um die Ursache zu entdecken, konnten aber nichts finden … bis vor sechs Wochen.“
Ein Schmunzeln zog Nassirs Mundwinkel nach oben. „Und jetzt brauchen Sie jemanden, der sich das mal näher anschaut.“
„Viel näher“, bestätigte Reyes.
Nassir lachte leise in sich hinein. „Ich muss schon sagen, Sir, ich fühle mich geschmeichelt und bin auch ein wenig überrascht, dass Sie diese Aufgabe meiner Besatzung anvertrauen. Ein Sahnestückchen wie das hier geht doch normalerweise an ein großes Schiff wie die Endeavour …“
„Ist damit beschäftigt, die Fahne in Forcas hochzuhalten“, unterbrach ihn Reyes.
Der Captain fuhr fort: „Natürlich wissen wir auch um die Rolle, die die Lovell und ihre Besatzung bei der Lösung Ihres Jinoteur-Problems gespielt hat …“
„Die sind auf einer längeren Mission, um die Kolonien auf Gamma Tauri IV zu unterstützen.“
In Nassirs Gesichtsausdruck verwandelte sich Stolz in Beschämung. „Ich verstehe“, sagte er. „Wir sind nur deshalb dran, weil wir die einzig Verfügbaren sind.“
„Ich nehme Sie nur auf den Arm, Captain. Ich hätte Sie nicht über zwei Sektoren hinweg zurückgerufen, wenn ich nicht einen verdammt guten Grund dafür hätte“, sagte Reyes. „Die Wahrheit ist, dass die Endeavour und die Lovell nicht die richtigen Schiffe für diese Mission sind. Das erste zöge zuviel Aufmerksamkeit auf sich und das zweite scheint Katastrophen geradezu magisch anzuziehen. Ich brauche Sie, Ihre Besatzung und Ihr Schiff, um das zu tun, was Sie am besten können: das Unbekannte erforschen.“
„Ohne bemerkt zu werden“, fügte Nassir hinzu. „Oder das Ganze wird zum Problem.“
Reyes blickte in Richtung des Captains. „Ganz genau.“
Als sie um die Ecke des Gangs bogen, kam vor ihnen die Beobachtungshalle von Bucht Eins in Sicht. Nassir fragte: „Handelt es sich immer noch um eingeschränkte Informationen?“
„Jetzt nicht mehr“, sagte Reyes. „Ihre gesamte Besatzung muss instruiert werden, bevor Sie auslaufen. Außerdem bekommen Sie eine Aufrüstung der Sensorgitter und neue Ausstattung für Ihre Kundschafter.“
„Also nicht nur ein kurzer Kontrollbesuch“, stellte Nassir fest.
Reyes schüttelte seinen Kopf. „Diesmal nicht. Wir wollen eine vollständige Überprüfung. Nach dem, was auf Erilon passiert ist, wollen wir uns absichern.“
Nassir nickte. „Verständlich“, sagte er. „Furchtbar, was mit Zhao passiert ist. Er war ein hervorragender Offizier.“ Mit beinah väterlicher Sorge fragte er: „Wie bewältigt Khatami ihre neue Aufgabe?“
„Als wäre sie dafür geboren“, antwortete Reyes. „Natürlich nicht die wünschenswerteste Art, befördert zu werden, aber sie schlägt sich wacker.“
„Gut zu wissen“, sagte Nassir. Er seufzte und wechselte das Thema. „Wann ist unsere Einsatzbesprechung?“
„Morgen um 0900“, antwortete Reyes. „Ich werde Xiong zu Ihren Leuten auf die Sagittarius schicken.“ Genau auf Nassirs Reaktion achtend, fuhr er fort. „Übrigens wird Xiong Sie begleiten.“
Zu seiner Überraschung schien die Nachricht dem Captain zu gefallen. „Hervorragend“, sagte Nassir. „Ich habe seinen letzten Besuch sehr genossen.“
Unglaublich, dachte Reyes. Ein Vorgesetzter, den Xiong sich noch nicht madig gemacht hat. Vielleicht besteht doch noch Hoffnung für den Jungen. „Schön, das zu hören“, sagte er, während sie sich ihren Weg durch ein Menschengewimmel bahnten. Es waren hauptsächlich Siedler von der Terra Courser, die auf den Hauptgang des Andockhafens strömten. Um dem Gedrängel schnell zu entkommen, sagte Reyes: „Ich habe Sie nun lang genug vom Frühstück abgehalten, Captain. Sollen wir uns Richtung Manóns aufmachen?“
„Unbedingt“, antwortete Nassir.
Sie bogen nach links zum nächsten Turbolift ab und waren der Menge so gut wie entkommen, als sie aus einigen Metern Entfernung eine Frauenstimme rufen hörten. „Diego!“
Jeanne. Vor Schreck blieb Reyes stehen. Er bemühte sich, nicht den Kiefer zu verkrampfen, aber es gelang ihm nicht. Nassir, der neben ihm stand, drehte sich um. Reyes fragte: „Sie kommt direkt auf uns zu, oder?“
„Aber hallo!“, antwortete Nassir.
Reyes schloss seine Augen. Er atmete tief ein, was ihn unglücklicherweise ganz und gar nicht beruhigte. Als er seine Augen wieder öffnete, um sich dem Unausweichlichen zu stellen, sagte er zu Nassir: „Gehen Sie schon, Captain.“
„Ja, Sir“, antwortete er und eilte zum Turbolift. Der Deltaner hatte schon immer ein gutes Gespür dafür gehabt, wann man sich am besten aus dem Staub machte. Eine Option, die Reyes im Moment leider nicht offenstand. Als Nassir im Turbolift verschwand, drehte sich Reyes um und stand seiner Exfrau gegenüber.
Wie so viele auf dem Mond geborene Menschen, Reyes eingeschlossen, war Jeanne Vinueza groß und langbeinig – eine der Folgen, wenn man seine Entwicklungsjahre in einer Umwelt mit niedriger Schwerkraft verbracht hat. Ihr kastanienbraunes Haar war lockig und fiel über ihre Schultern. Es war länger, als Reyes es von ihrer letzten Begegnung vor sechs Jahren in Erinnerung hatte. Sie war wie üblich sehr elegant gekleidet, trug einen Aktenkoffer mit sich und fixierte ihn mit ihren braunen Augen, während sie auf ihn zu kam. Andere Zivilisten bemühten sich, ihr Platz zu machen, wobei einige fast über ihre eigenen Füße stolperten.
In Erwartung eines Wortgefechts senkte Reyes den Kopf und machte sich für die Standpauke bereit. Sie hielt mit leuchtenden Augen vor ihm an und stützte ihre freie Hand auf der Hüfte ab. Sie wirkte so jung wie immer und wenn Reyes nicht gewusst hätte, dass sie bald ihren fünfundvierzigsten Geburtstag feiern würde, hätte er ihr Alter auf Fünfunddreißig geschätzt.
Einige Sekunden lang sagte keiner von beiden ein Wort. Dann blitzten ihre Augen nicht mehr wütend, sondern schelmisch. Ihre Mundwinkel zuckten, bevor sie in ein verschmitztes Lächeln übergingen. „Hola, Diego“, sagte sie.
Einen unangenehmen Moment lang waren beide sich nicht sicher, wie sie einander begrüßen sollten. Ein paar unbeholfene Versuche einer freundschaftlichen Umarmung und Küsschen auf die Wange später fühlte sich Reyes sehr verlegen. Er trat einen Schritt von Jeanne zurück und schaute umher, um sicherzugehen, dass niemand aus der Besatzung der Vanguard dieses peinliche Wiedersehen mitverfolgt hatte. Hunderte schnell abgewandter Blicke ließen vermuten, dass ihnen wahrscheinlich die gesamte Station zusah.
„So so“, begann sie zögerlich, auf der Suche nach den richtigen Worten. „Du bist jetzt also Commodore. Beeindruckend.“
Reyes winkte ab. „Lass dich nicht von einem zusätzlichen Abzeichen täuschen. Ich bin immer noch der gleiche Idiot.“
„Sí“, antwortete sie, „aber ein beeindruckender Idiot.“
Er lächelte gezwungen. „Bitte sag mir nicht, dass du die letzten acht Wochen auf einem Transporter verbracht hast, nur um hierher zu kommen und mir zu schmeicheln.“
Geschäftsmäßig antwortete sie: „Ich bin nur auf der Durchreise, auf dem Weg nach Gamma Tauri IV.“
Das klang für Reyes nicht schlüssig. „Na, das ist ja eine Überraschung“, erwiderte er. „Hast du nicht immer gesagt, dass man dich nur über deine Leiche auf einen Kolonieplaneten bringen würde?“
„Stimmt“, gab sie zu. „Das hab ich wohl gesagt. Aber das war, bevor mir die Leitung von einem übertragen wurde.“
„Du bist der neue Präsident der New-Boulder-Kolonie?“
„Aus deinem Mund klingt es so glamourös“, sagte sie. „Es ist eine ausgeschriebene Stelle mit einem Vertrag, wie bei einem Geschäftsführer. Und der erste Punkt auf meiner Geschäftsordnung ist ein Treffen mit Botschafter Jetanien, Captain Desai und eurem Kolonieverwalter Aole Miller.“ Sie sah an ihm vorbei auf eines der Chronometer an der Wand. „Apropos, ich bin spät dran.“ Für einen Moment wirkte es, als wollte sie noch etwas sagen, überlegte es sich dann aber anders. „Vielleicht seh’ ich dich ja noch mal, bevor ich weiterreise“, sagte sie und ging ein paar Schritte auf den Turbolift zu.
„Vielleicht“, sagte er. „Du weißt ja, wo du mich finden kannst.“
Eine Turboliftkabine kam an. Jeanne trat hinein und quetschte sich zwischen die anderen Passagiere. Die Türen schlossen sich und Reyes blieb grübelnd in der Mitte des Gangs zurück.
Geschieht dir recht, wenn du nie die bescheuerten Kolonieberichte liest, schalt Reyes sich selbst.
Die Lovell und ihr aus Sternenflotteningenieuren bestehendes Team – auch kurz S.C.E. genannt – waren momentan auf Gamma Tauri IV stationiert – hauptsächlich, um die Siedlung zu betreuen, aber auch, um möglicherweise ein weiteres Artefakt aufzuspüren wie die, die man auf Ravanar und Erilon gefunden hatte. Sollte sich, wie Xiongs Forschungen nahelegten, ein solches Artefakt auf dem Planeten befinden und sollte es genauso viel Ärger bedeuten wie die früheren Entdeckungen, befand sich Gamma Tauri IV in großer Gefahr.
Reyes hatte sich nie mit der Entscheidung der Sternenflottenführung wohl gefühlt, zivile Siedlungsbemühungen ohne deren Wissen als Tarnung für die Suche nach neuen Proben des Taurus-Meta-Genoms zu benutzen. Dabei handelte es sich um einen außergewöhnlich komplexen Strang fremdartiger DNA, dessen erstmaliger Fund vor ein paar Jahren die Sternenflotte zu ihrem überstürzten Vorstoß in diese entlegene Gegend veranlasst hatte, einschließlich des Baus von Sternenbasis 47 selbst. Die Anwesenheit einer legitimen Kolonie war jedenfalls die beste Tarnung, die seine Leute verlangen konnten, denn sie gab ihnen zahllose berechtigte Anlässe, um auf Gamma Tauri IV zu sein. Verteidigung, Aufbau, verschiedene Inspektionen, Kartografierung, Aufbau von Bewässerungsanlagen, Abwasserentsorgung – jede wie auch immer geartete Baumaßnahme würde die Jagd der Lovell-Besatzung nach dem Meta-Genom und weiteren Artefakten decken. Das Risiko bestand natürlich darin, dass ein falscher Schritt die gesamte Siedlung in Gefahr bringen konnte.
Und nun würde Jeanne mittendrin sein.
Er war immer noch verbittert wegen der Art und Weise, wie Jeanne vor sieben Jahren ihre Ehe beendet hatte. Sie hatte sie aufgekündigt wie irgendeinen Vertrag, als ob es nicht mehr gewesen wäre als eine geschäftliche Verbindung, die ihren Zweck erfüllt hatte. Dessen ungeachtet hegte ein Teil von ihm noch immer Zuneigung für sie. Sogar, als er während der Scheidung ihren Namen verflucht hatte, war das Feuer in seinem Herzen für sie nie ganz verloschen und er hatte mehr als einmal versucht, es neu anzufachen. Doch statt der Chance, ihre Liebe wiederzubeleben, hatte sie nichts als Asche gesehen.
Ich muss ihr sagen, dass sie nicht gehen soll, drängte er sich selbst. Doch dann meldete sich sein Pflichtgefühl. Du darfst ihr nicht sagen, warum. Und solange sie das nicht weiß, wird sie nicht auf dich hören. Vielleicht nicht mal dann.
Es war ein schwerer Befehlsverstoß gewesen, als er vor einigen Wochen seine zwei engsten Freunde – Dr. Ezekiel Fisher und Captain Rana Desai – eingeweiht hatte. Aber wenigstens handelte es sich bei ihnen um Offiziere der Sternenflotte und er konnte gegenüber seinen Vorgesetzten argumentieren, dass sie Bescheid wissen mussten, um ihre Pflichten richtig zu erfüllen.
Einen Zivilisten zu informieren war eine ganz andere Sache. Jeanne die Wahrheit über Operation Vanguard und die derzeitige Mission auf Gamma Tauri IV zu enthüllen, würde, wenn es herauskäme, das Ende seiner Karriere bedeuten. Darüber machte er sich keinerlei Illusionen. Wenn er sie warnte, käme die Wahrheit früher oder später ans Licht. Und dann würde er den Rest seines Lebens in einsamer Gefangenschaft in der trostlosesten Gegend des entferntesten Planeten im Föderationsraum verbringen.
Es war fast 0800, er hatte noch keinen Kaffee getrunken und die Besprechung der Führungskräfte würde gleich beginnen. Normalerweise entschied Reyes immer erst nach dem Mittagessen, ob ein Tag gut oder schlecht war. Als er aber Richtung Turbolift trottete, um nach oben zu fahren, entschied er, dass ein Tag, der mit dem plötzlichen Auftauchen seiner Exfrau begann, auf keinen Fall gut enden konnte.
Jeanne Vinuezas empathische Fähigkeiten waren keinesfalls so stark ausgeprägt wie bei den Vulkaniern, aber sie hatte genug Erfahrung darin, Gefühle und Gesichtsausdrücke einzuschätzen, um zu wissen, wann man sie anlog. Während sie über den großen grauen Tisch hinweg den chelonischen Botschafter und die zwei Sternenflottenoffiziere ansah, war sie sich sicher, dass zumindest einer von ihnen etwas verheimlichte.
Es war sicher nicht Aole Miller. Der Kolonieverwalter der Sternenbasis 47 war für sie wie ein offenes Buch, voller Gutmütigkeit, Wärme und unverdorbenem Wohlwollen. Männer wie er waren Vinuezas Erfahrung nach eine Seltenheit: gute Seelen frei von Pessimismus oder Zynismus. Klein von Statur und dunkelhäutig, mit einem glattrasierten Schädel und einem strahlenden Lächeln, war er zweifellos die ehrlichste und entgegenkommenste Person in diesem unterkühlten, zweckdienlich eingerichteten Konferenzraum.
Botschafter Jetanien und Captain Rana Desai, JAG-Offizier der Sternenflotte, waren wiederum ein ganz anderes Thema.
Jetanien hielt ein Datengerät in einer seiner schuppigen Klauen hoch. „Ich habe Ihre Petition dreimal gelesen, Ms. Vinueza“, sagt er. „Und ich verstehe sie immer noch nicht.“
„Sie verstehen unsere Petition nicht?“, fragte Vinueza.
„Inhaltlich ist sie mir absolut klar“, sagte er und legte das Datengerät auf dem Tisch ab. „Was ich einfach nicht begreife, ist, wieso ich sie überhaupt lese. Ehrlich gesagt ist mir Ihr Anliegen, den Schutzstatus abzulehnen, vollkommen schleierhaft.“
Sie erwiderte im gleichen herablassenden Tonfall: „Vielleicht kann es Ihnen ja Ihre Kollegin Captain Desai erklären, Herr Botschafter.“ Sie versuchte, seine Reaktion zu erraten, doch sein Gesicht – eine ledrige grünliche Maske, komplettiert von einem schildkrötenähnlichen Schnabel und tiefliegenden bernsteinfarbenen Kugeln als Augen – verriet nichts. Seine Gedanken waren ihr noch fremder; chelonische Gehirnwellen waren denen der meisten Humanoiden zu unähnlich, um sie lesen zu können.
Miller, der durch die Petition der Siedler mehr als verblüfft schien, schaltete sich in die Unterhaltung ein. „Ich respektiere das Recht Ihrer Kolonie auf Unabhängigkeit“, sagte er und beugte sich vor. „Aber den offiziellen Schutz der Sternenflotte abzulehnen, in einem Sektor, dem Eroberung durch die Klingonen droht, scheint mir, nun ja … unklug.“
Desai fügte hinzu: „Wenn es Ihnen darum geht, die gesetzmäßige Unabhängigkeit Ihrer Welt zu bewahren, Ms. Vinueza, es gibt mehrere Ausnahmen der Föderationscharta für die Taurus-Region. Unseren Schutz zu akzeptieren, würde Sie in keiner Weise zu etwas verpflichten, das nicht durch ein Votum der Koloniebewohner bestätigt wurde.“
Es lag keine Falschheit in Desais Gedanken, zumindest konnte Vinueza keine erspüren. Aber irgendetwas stimmte nicht mit dem Verhalten der schlanken indischen Frau. Ein Fünkchen Besorgnis, ein Hauch Zweifel, die Andeutung eines Geheimnisses verbarg sich hinter ihren Worten.
Sie hat keine böse Absicht, schloss Vinueza, aber sie ist auch nicht vollkommen ehrlich.
Vinueza antwortete: „Es geht nicht um unsere Unabhängigkeit, Captain. Unsere Bedenken beruhen auf den wachsenden Konflikten zwischen der Föderation und dem Klingonischen Imperium. Wenn wir UFP-Protektoratsstatus akzeptieren, können wir der Kolonie gleich eine Zielscheibe aufmalen. Politische und ökonomische Neutralität scheint uns der sicherste Weg zu sein. Also, mit allem nötigen Respekt, die Bewohner von New Boulder würden lieber nicht Ihre Flagge über ihren neuen Heimen hissen.“
„Ich wage zu sagen, dass es Ihnen sehr schwer fallen wird, einen überzeugteren Unterstützer der kolonialen Selbstregierung zu finden“, sagte Jetanien. „Jedoch muss ich gestehen, dass ich Ihre politische Risikoeinschätzung der Taurus-Region wenig nuanciert und unglaublich naiv finde. Eine Zugehörigkeit zur Föderation abzustreiten wird keineswegs dazu führen, Sie der Beobachtung des Klingonischen Imperiums zu entziehen, sondern wird im Gegenteil dazu führen, dass Sie als leichtes Ziel wahrgenommen werden. Eines, das man angreifen kann, ohne ein Einschreiten oder gar Vergeltungsmaßnahmen der Sternenflotte befürchten zu müssen. Ich bitte Sie inständig, sich das Ganze noch einmal zu überlegen und den Antrag zurückzunehmen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Das ist keine Option, Herr Botschafter. Die Siedler haben diese Petition bereits ratifiziert. Als ihr Repräsentant liegt es in meiner Verantwortung, dem nachzukommen.“
„Und als ihr Anführer“, konterte Jetanien, „ist es Ihre Pflicht, sie davor zu schützen, einen möglicherweise fatalen Fehler zu begehen. Die Einwohner von New Boulder sind Ihre Wähler, Ms. Vinueza, nicht Ihre Aktionäre. Sie sind nicht blind an ihren Willen gebunden.“
Vinueza seufzte leise und widerstand dem Drang, ohne Überlegung zu antworten. Jetaniens Bemerkung über Aktionäre war klar darauf aus gewesen, sie zu provozieren. Durch eingestreute abfällige Bemerkungen über ihre frühere Anstellung als Vorstandsvorsitzender einer interstellaren Dilithium-Minengesellschaft wollte er ihr offenbar unterstellen, dass ihre Erfahrung in der viel geschmähten Privatwirtschaft unvereinbar war mit ihrer Rolle als Vertreter einer zivilen Regierung.
Der Erste, der wütend wird, verliert, rief sie sich ins Gedächtnis. Nicht den Köder schlucken.
„Ich würde keine Petition mit böser Absicht einreichen, Herr Botschafter“, sagte Vinueza. „Noch würde ich für etwas eintreten, was denen schaden könnte, die ich vertrete. Die Kolonie von New Boulder ist eine landwirtschaftliche Genossenschaft. Gamma Tauri IV hat keine Dilithium-Vorkommen, deswegen mache ich mir keine Sorgen, dass die Klingonen daran Interesse haben könnten. Worüber ich tatsächlich beunruhigt bin, ist das große Interesse der Sternenflotte. Sie haben offenbar meine Akte gelesen, deswegen wissen Sie auch über meine empathischen Fähigkeiten Bescheid. Nun, jedes Mal, wenn ich mit dem Sternenflottenkommando über diese Kolonie gesprochen habe, hat mich das Gefühl beschlichen, dass mir jemand etwas verheimlicht. Zusammengefasst: Ich traue Ihnen nicht.“
„Ma’am, alles was wir wollen, ist, die Sicherheit und den Fortbestand Ihrer Kolonie zu gewährleisten“, sagte Miller. „Die Lovell und ein S.C.E.-Team befinden sich seit vier Wochen dort und helfen Ihren Leuten, Farmen aufzubauen, Wasser zu reinigen und Notstromgeneratoren einsatzbereit zu machen. Und ich möchte Ihnen versichern, dass selbst wenn Sie den Protektoratsstatus ablehnen, die Lovell und ihr Team da bleiben wird, um Ihnen zu helfen, ohne Bedingungen, solange, bis Ihre Kolonie vollständig autark ist. Die Sternenflotte will nur helfen.“
Vinueza stand auf und sagte: „Ich danke Ihnen, Commander, das ist sehr großzügig.“ Sie nahm ihre Aktentasche und warf einen argwöhnischen Blick auf Jetanien und Desai. „Aber ich vermute, wir werden die Hilfe der Sternenflotte bekommen, ob wir wollen oder nicht.“
Ensign Brian O’Halloran ächzte und bemühte sich, das riesige, unglaublich schwere Bauteil festzuhalten, dessen Name ihm in dem Moment entfallen sein musste, als er sich einen Bandscheibenvorfall geholt hatte. Er war sich ziemlich sicher, dass ein Teil des Problems darin bestand, dass sein Partner, Ensign Jeff Anderson, hinter ihm auf einem Felsen saß, statt ihm dabei zu helfen, dieses enorme Was-auch-immer-es-war an eine Verbindungsstelle der neuen Hauptwasserleitung der Siedlung anzuschließen. Als seine Knie durch die Anstrengung weich zu werden begannen, flehte O’Halloran: „Würde es dich umbringen, mir mal eben zu helfen?“
„Ja, würde es“, sagte Anderson, der gen Horizont starrte. „Es bringt mich um, dass wir hier festsitzen und diese Routinearbeit erledigen, wenn es doch viel mehr gibt, was wir tun könnten.“ Einen Moment lang betrachtete er O’Hallorans missliche Lage, dann fügte er hinzu: „Du solltest das absetzen, bevor du dich verletzt.“
Als ob Anderson einen Zauberspruch aufgesagt hätte, rutschte O’Halloran der ganze Haufen Schwermetall aus der Hand. Er sprang zurück, gerade noch rechtzeitig, um seinen Fuß zu retten. „Na großartig“, murrte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Jetzt ist es wahrscheinlich kaputt.“
„Hör auf rumzumeckern“, sagte Anderson und wischte sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. „Du kennst doch die erste Regel des Handwerks: Wenn’s klemmt, mach’s mit Gewalt. Wenn’s kaputt geht, musste’s eh repariert werden.“
O’Halloran, der um das Bauteil herumlief, antwortete: „Es hat nicht geklemmt, ich hab es fallen gelassen – weil du mir nicht geholfen hast.“ Er trat einen Schritt zurück und strich sich über seinen dunklen Spitzbart, während er über das Problem nachdachte. „Wie zum Teufel sollen wir es zurück in Position bekommen?“
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