Star Trek – Zeit des Wandels 7: Töten - David Mack - E-Book

Star Trek – Zeit des Wandels 7: Töten E-Book

David Mack

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Beschreibung

Kurz nach der epischen Schlacht des Raumschiffs Enterprise gegen Shinzon nahmen viele langjährige Besatzungsmitglieder von Captain Jean-Luc Picard neue Posten und neue Herausforderungen an. Unter den vielen Veränderungen war auch William Rikers Beförderung zum Captain und sein neues Kommando, Rikers Hochzeit mit Counselor Deanna Troi und Dr. Beverly Crushers neue Karriere beim Medizinischen Korps der Sternenflotte. Doch die Geschichte, wie es dazu kam, wurde nie erzählt … BIS JETZT. Auf dem Höhepunkt des Dominion-Krieges rüstete die Föderation heimlich den neutralen Planeten Tezwa mit verheerenden Waffen aus – als Teil eines Notfallplans gegen das Dominion, falls die Front zusammenbrechen sollte. Jetzt ist Tezwas machthungriger Premierminister nur allzu erpicht darauf, seine neugewonnene militärische Stärke auszuspielen, und bedroht eine nahe gelegene klingonische Grenzwelt. Captain Picard und die Enterprise-Besatzung geraten ins Kreuzfeuer, als die Krise eskaliert. Da die Zeit drängt und Milliarden von Leben auf dem Spiel stehen, kann nur ein Mann die drohende Katastrophe abwenden: Botschafter Worf, der zwischen seinem Eid auf die Föderation und seiner Loyalität zu Martok, dem Kanzler des Klingonischen Reiches, wählen muss …

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Seitenzahl: 374

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Die letzte Versuchung ist der größte Verrat,aus falschem Grund zu tun die rechte Tat.– T. S. Eliot, Mord im Dom

Inhalt

Kapitel 01 U.S.S. Enterprise-E

Kapitel 02 Tezwa

Kapitel 03 Erde

Kapitel 04 Qo’noS

Kapitel 05 U.S.S. Enterprise-E

Kapitel 06 Tezwa

Kapitel 07 U.S.S. Enterprise-E

Kapitel 08 Tezwa

Kapitel 09 I.K.S. Taj

Kapitel 10 U.S.S. Enterprise-E

Kapitel 11 Erde

Kapitel 12 U.S.S. Enterprise-E

Kapitel 13 Tezwa

Kapitel 14 U.S.S. Enterprise-E

Kapitel 15 An einem geheimen Ort

Kapitel 16 U.S.S. Enterprise-E

Kapitel 17 Qo’noS

Kapitel 18 U.S.S. Enterprise-E

Kapitel 19 Qo’noS

Kapitel 20 U.S.S. Enterprise-E Shuttlehangar

Kapitel 21 U.S.S. Enterprise-E Brücke

Kapitel 22 Orbit von Tezwa

Kapitel 23 Tezwa – Solasook-Halbinsel, 02:00 Ortszeit

Kapitel 24 Tezwa – Nokalana-Meer, 10:00 Uhr Ortszeit

Kapitel 25 Tezwa – Berg Ranakar, 14:00 Uhr Ortszeit

Kapitel 26 Tezwa – Wald von Linoka, 18:10 Uhr Ortszeit

Kapitel 27 Tezwa – Kolidos-Wüste, 06:15 Uhr Ortszeit

Kapitel 28 Tezwa – Mokana-Becken, 22:20 Uhr Ortszeit

Kapitel 29 Erde

Kapitel 30 Tezwa – Keelee-Kee

Kapitel 31 Qo’noS

Kapitel 32 Erdorbit – McKinley-Station

Kapitel 33 An einem geheimen Ort

Kapitel 34 Tezwa – Solasook-Halbinsel, 02:56 Uhr Ortszeit

Kapitel 35 Tezwa – Kolidos-Wüste, 06:58 Ortszeit

Kapitel 36 Tezwa – Nokalana-Meer, 11:16 Uhr Ortszeit

Kapitel 37 Tezwa – Berg Ranakar, 15:25 Ortszeit

Kapitel 38 Tezwa – Mokana-Becken, 23:28 Ortszeit

Kapitel 39 Tezwa – Wald von Linoka, 19:31 Ortszeit

Kapitel 40 Qo’noS

Kapitel 41 Tezwa – Keelee-Kee

Kapitel 42 U.S.S. Enterprise-E

Kapitel 43 Tezwa – Solasook-Halbinsel, 03:37 Ortszeit

Kapitel 44 Tezwa – Mokana-Abschussbasis, 23:50 Ortszeit

Kapitel 45 Tezwa – Kolidos-Abschussbasis, 07:52 Ortszeit

Kapitel 46 Tezwa – Linoka-Abschussbasis, 19:55 Ortszeit

Kapitel 47 Tezwa, Nokalana-Abschussbasis, 11:57 Ortszeit

Kapitel 48 Tezwa – Berg Ranakar, 16:02 Ortszeit

Kapitel 49 Qo’noS

Kapitel 50 U.S.S. Enterprise-E

Kapitel 51 Tezwa – Keelee-Kee

Kapitel 52 U.S.S. Enterprise-E

Kapitel 53 I.K.S. veScharg’a

Kapitel 54 U.S.S. Enterprise-E

Kapitel 55 Tezwa – Keelee-Kee

Kapitel 56 Tezwa – Kolidos-Abschussbasis

Kapitel 57 Tezwa – Mokana-Becken

Kapitel 58 Tezwa – Berg Ranakar

Kapitel 59 U.S.S. Enterprise-E

Kapitel 60 Tezwa – Keelee-Kee

Kapitel 61 U.S.S. Enterprise-E

Kapitel 62 Tezwa – Kinchawns Schanze

Kapitel 63 U.S.S. Enterprise-E

Kapitel 64 Qo’noS

Kapitel 65 Erdorbit – McKinley-Station

Kapitel 66 Qo’noS

Kapitel 67 Tezwa – Keelee-Kee

Kapitel 68 An einem geheimen Ort

Kapitel 69 Tezwa – Mokana-Becken

DANKSAGUNGEN

U.S.S. Enterprise-E

Die Entladung der Waffe schoss surreal langsam an Commander William Riker vorbei, nachdem sein Vater, Kyle Riker, ihn im letzten Moment aus der Gefahrenzone geschubst hatte. Man konnte hören, wie der Strahl ihn zischend traf und der alte Mann vor Schmerz aufschrie. Kyle sackte schlaff zu Boden. Sein faltiges Gesicht entspannte sich und nahm einen leeren Ausdruck an. Der letzte hartnäckige Lebensfunke war ihm von einer blutdürstigen Bader geraubt worden. Kyle landete gleich neben Will. Sein vom Alter gebeugter Körper schlug dumpf auf. Der widerlich süße Geruch von verschmortem Fleisch hing in der arktisch kühlen Luft.

Commander Riker schreckte aus seinem Albtraum hoch. In seinen Augen standen Tränen der Wut. Das verzweifelte Gesicht seines ermordeten Vaters verfolgte ihn wie ein blasses Nachbild.

Er konnte nur schätzen, wie oft sein Vater ihm in seiner Kindheit diesen einen Satz gesagt hatte: »Jungs weinen nicht, Will.« Und so sehr er auch versucht hatte, sich aus dem Einflussbereich seines Vaters zu befreien, war es ihm doch nie ganz gelungen, sich von diesem verdammten Stoizismus zu befreien.

Bis jetzt.

Er drehte sich um und betrachtete Deanna Troi, seine jahrelange Freundin, Kollegin, dann wieder Freundin – und nun Verlobte. Sie schlief neben ihm. Ihr dunkles Haar breitete sich auf den großen Kissen aus. Ihr Gesicht sah im blassen Mondlicht entspannt aus.

Mit einem Blick auf sein Chronometer sah er, dass es erst vier Uhr war. Er zog vorsichtig seine Arme unter der Decke hervor, um Deanna nicht zu wecken. Dann setzte er sich auf. Erneut gönnte er sich einen Blick auf seine Liebste. Ihre Atemzüge waren regelmäßig und tief. Sie schlummerte ungestört. Ein selbstsüchtigerer Mann hätte sie wohl beneidet. Riker jedoch erfreute sich an ihrem erholsamen Schlaf. Vielmehr musste er lächeln, dankbar für die glückliche Fügung, die seine Imzadi in sein Leben gebracht hatte.

Er kratzte sich den Bart, stand auf und schlich in den Nebenraum. Mit geschlossenen Augen trat er vor die schrägen, schmalen Fenster und betrachtete die kalte, sterile Schönheit der Sterne. Er atmete tief ein und spürte, wie sein Brustkorb sich ausdehnte. Er hielt kurz den Atem an, genoss den Moment und atmete wieder aus. Dabei nahm er das Gefühl ganz bewusst wahr. Wie oft nahm man die Wogen von Leben und Tod als selbstverständlich hin. Tausendmal am Tag atmen wir ein und sind erfüllt. Tausendmal am Tag atmen wir aus und sind leer.

Seit dem Tag, an dem er seinen Vater sterben gesehen hatte, begleitete ihn tagein, tagaus dieses Gefühl der Leere. In diesem flüchtigen Moment war vor seinen Augen ein Leben voller ungeklärter Angelegenheiten zu einer Ewigkeit verpasster Chancen geworden.

Vielleicht war es Ironie des Schicksals, oder ein Beispiel für das Gleichgewicht des Karmas, dass ihn vor einer Woche, kurz nach der knappen und wenig sentimentalen Trauerfeier seines Vaters, Admiral Kathryn Janeway kontaktiert und ihm das Kommando über die Titan angeboten hatte.

Ihr zufolge befand sich das Schiff noch im Raumdock und durchlief gerade einige Verbesserungen und obligatorische Wartungsarbeiten. In einigen Monaten würde es jedoch bereit sein, wieder in Dienst gestellt zu werden. Riker hatte um Bedenkzeit gebeten, die sie ihm großzügigerweise gewährt hatte. Allerdings hatte sie auch unmissverständlich klargemacht, dass das Angebot nicht ewig gelten würde.

Für die meisten karriereorientierten Sternenflottenoffiziere bedeutete ein derartiges Angebot eine einmalige Gelegenheit auf ein Kommando. Jene wenigen Glücklichen, die den zentralen Sessel angeboten bekamen, brauchten in der Regel nicht lange, um zuzusagen. Riker hingegen hatte den Verdacht, dass kein anderer aktiver Sternenflottenoffizier so viele Kommandos abgelehnt hatte wie er. Vor fünfzehn Jahren hatte er den Posten als Erster Offizier unter Captain Jean-Luc Picard auf der Enterprise-D angenommen, anstatt das Kommando über die Drake zu übernehmen. Und nur etwa achtzehn Monate später hatte er die Gelegenheit verstreichen lassen, Captain der Aries zu werden.

Für die meisten Offiziere hätten zwei abgelehnte Kommandos in weniger als zwei Jahren das Ende ihrer Karriere bedeutet. Doch Riker hatte man ein drittes Mal gefragt. Während der Borg-Krise im Jahr 2366 war das Sternenflottenkommando an ihn herangetreten, nein, sie hatten ihn fast bekniet, das Kommando über die Melbourne zu übernehmen. Doch auch diese Chance ließ er verstreichen, wurde aber kurz darauf übergangsweise Captain der Enterprise-D, nachdem Picard von den Borg gefangen genommen und in Locutus verwandelt worden war.

Einige Tage später hatte Riker Kopf und Kragen riskiert, um seinen kommandierenden Offizier zu retten. Das Getuschel auf den Fluren der Enterprise war ihm damals nicht entgangen. Nicht wenige fragten sich, ob er allen Ernstes die Rückstufung auf den Rang des Commanders akzeptieren und weiterhin als Nummer Eins des Captains dienen würde.

Das war mittlerweile auch schon mehr als zwölf Jahre her. Damals hatte die Sternenflotte aufgehört, ihm ein eigenes Kommando anzubieten.

Bis jetzt.

Er seufzte und fuhr sich gedankenverloren durch seinen graumelierten Bart. Warum jetzt?, fragte er sich. Warum ausgerechnet jetzt?

Er ging zum Replikator. »Wasser, kalt.«

Das Summen des Geräts setzte ein und verstummte wieder. Ein schimmernder Wirbel aus Atomen wurde zu einem eckigen Glas, das zu drei Vierteln mit purem, kaltem Wasser gefüllt war. Riker griff zu und trank es mit hastigen Schlucken halb aus. Dann atmete er zufrieden aus und trank den Rest. Er stellte das leere Glas zurück in den Replikator und betätigte das Schaltfeld für die Materierückgewinnung. Während das Gerät das Glas dematerialisierte, drehte er sich um und ging zum Fenster zurück.

Der von Janeway gewählte Zeitpunkt hätte merkwürdiger nicht sein können, zumindest Rikers Meinung nach. Die letzten Monate waren für die Enterprise-E nicht leicht gewesen. Das galt natürlich insbesondere für Captain Picard. Nach dem Zwischenfall in Rashanar war der Ruf des Captains aus politischen Gründen in den Dreck gezogen worden. Auch Schiff und Besatzung waren davon nicht verschont geblieben. Als Konsequenz dieser Entwicklung hatten mehrere Dutzend Mannschaftsmitglieder ihre Versetzung auf ein anderes Schiff beantragt.

Gleichzeitig schien es, dass in letzter Zeit nur Personal vom Sternenflottenkommando auf die Enterprise versetzt wurde, dessen Personalakte disziplinarische Probleme, unzureichende Bewertungen oder grenzwertige psychologische Gutachten enthielt.

Riker und Troi hatten ihr Bestes gegeben, die um Versetzung Bittenden zum Bleiben zu überreden. Dennoch waren sie bis auf einige Ausnahmen nicht in der Lage gewesen, die Abgänge einiger der besten Abteilungsleiter und Unteroffiziere zu verhindern. Und natürlich hatte jeder hochkarätige Verlust dem Ansehen der Enterprise und ihres Captains weiter geschadet. Riker war sich bewusst, dass bereits Gerüchte die Runde machten, die Enterprise sei nun das Schiff, auf dem aussichtslose Karrieren ihr Ende fanden.

Und nun sollte sich auch noch der Erste Offizier in die Abgänge einreihen, begleitet durch seine zukünftige Frau, die immerhin leitender Counselor des Schiffs war. Die Moral innerhalb der Besatzung könnte irreparablen Schaden nehmen, wenn zwei der wichtigsten Fürsprecher des Captains das Weite suchten. Tratsch und üble Nachrede würden Picards Glaubwürdigkeit als kommandierender Offizier so gut wie ruinieren. Riker fragte sich, ob dieses Angebot ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt vielleicht genau diesem Zweck diente.

Er wollte Picard in einer solchen Zeit nicht im Stich lassen. Der Captain war für ihn inzwischen mehr als nur ein Vorgesetzter. Er war mehr als ein Kamerad. Riker empfand ihn als wahren Freund, der in vielerlei Hinsicht der Vater für ihn geworden war, der Kyle nie hatte sein können. Andererseits handelte es sich aber auch um das erste Angebot einer Beförderung seit über einem Jahrzehnt. Er konnte sich an einer Hand abzählen, dass er bei einer erneuten Absage nie wieder eine Chance erhalten würde.

Noch bevor Troi ihre Arme um ihn schlang und ihn zärtlich umarmte, hatte er ihre leisen Schritte auf dem Teppich gehört. »Hast du wieder schlecht geträumt?«, fragte sie und schmiegte sich dabei fest an ihn.

Er nickte. »Immer der gleiche Traum.«

Sie legte ihr Kinn auf seine Schulter. »Ich habe es gespürt. Es wird immer schlimmer, oder?« Beide wussten, dass es stimmte, auch wenn er keine Antwort gab. »Bist du sicher, dass du keine …?«

»Nein«, antwortete er. »Es geht mir gut. Ich bekomme das hin.« Er fühlte sich ein wenig schuldig, weil seine Albträume derartige Auswirkungen auf sie hatten, wusste aber gleichzeitig, dass er nichts dagegen unternehmen konnte. Dank ihrer Herkunft als Halbbetazoidin verfügte sie über empathische Fähigkeiten, die sie im Wachzustand steuern oder ignorieren konnte. Schlief sie jedoch, war auch ihre mentale Kontrolle eingeschränkt. Daher spürte sie jedes Mal, wenn sie das Bett teilten, die Gefühlslage seiner Träume.

Er drehte sich zu ihr um und hielt sie fest. Ihr Haar fühlte sich weich an und duftete leicht, was bei ihm Assoziationen an Jasmin und Honig weckte.

Dann sah sie ihn unverwandt an. »Komm wieder ins Bett«, flüsterte sie.

»Das werde ich.« Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Du gehst vor und ich bin sofort bei dir.« Sie drückte zärtlich seine Hand, lächelte und streichelte seine Wange mit den Fingerspitzen. Dann drehte sie sich um und ging leichtfüßig zurück ins Schlafzimmer.

Will blickte hinaus auf die Sterne. In den letzten vierzehn Jahren hatte es einiges gegeben, was er seinem Vater gern gesagt hätte. Die meisten Worte wären eher beleidigend gewesen. Er hätte ihn natürlich ausfindig machen können. Kyle hatte sich selten bedeckt gehalten. Riker musste erkennen, dass es letztlich seine eigene Sturheit gewesen war, die ihn davon abgehalten hatte, all die ungeklärten Dinge ein für alle Mal mit seinem Vater auszudiskutieren.

Er linste in Richtung Schlafzimmer und dachte darüber nach, noch etwas zu schlafen. Dann schloss er die Augen. Die Erinnerung an das Gesicht seines Vaters hallte noch immer in seinen Gedanken nach. Er öffnete die Augen, atmete tief ein und ließ das Bild verblassen. Dann konzentrierte er sich auf das Gefühl der Leere, das es hinterließ, und sehnte den Tag herbei, an dem es sich nicht mehr so vertraut anfühlen würde.

Tezwa

Premierminister Kinchawn passte die Einstellungen seiner holografischen Anzeige an. Das Bild war in zwei gleichgroße, breite Rechtecke unterteilt. In der oberen Hälfte konnte man das Antlitz seines Stellvertreters Bilok sehen. Unten war das breite, rundliche Gesicht von Koll Azernal, dem Stabschef des Föderationspräsidenten, zu erkennen. Kinchawn konnte nicht genau sagen, wann es Azernal gelungen war, Bilok zu seinem geheimen Verbündeten zu machen. So wie er die Methoden des Zakdorn einschätzte, war es vermutlich der gleiche Tag gewesen, an dem er um Kinchawns Hilfe im Dominion-Krieg gebeten hatte. So oder so rechtfertigte es seine Abhöraktion.

»Sind Sie wirklich sicher, dass das funktionieren wird?«, fragte Azernal. Er klang angespannt. Ohne Nackenfedern war das jedoch schwer zu beurteilen. Der Premierminister war ein weiteres Mal erstaunt darüber, wie ähnlich sich viele humanoide Spezies sahen. Dennoch verfügten nur sehr wenige über ein Federkleid wie sein Volk. Die meisten besaßen Haare, was er für einen kläglichen Ersatz hielt. Auch ihre runde Iris empfand er im Gegensatz zur Norm der Tezwa als eigenartig.

Bilok nickte, sodass die grau-weißen Federn tanzten, die sein ausgezehrtes Gesicht umrahmten. »Kinchawn wird nicht schießen«, sagte er. »Er wird annehmen, wenn Sie eins Ihrer eigenen Schiffe in Gefahr bringen, haben Sie vermutlich eine geheime Abwehrstrategie gegen diese Impulskanonen in der Hinterhand.«

»Und wenn Sie sich irren?«, hakte der Zakdorn nach.

Bilok zögerte. »Ohne eine Mehrheit in der Versammlung kann er keinen Krieg erklären. Er wird kein Risiko eingehen.«

Kinchawn freute sich, wie offen die beiden sprachen. Dadurch wusste er zumindest, dass seine geheime Abhöraktion Biloks privater Übertragungen unbemerkt geblieben war.

»Das mag sein«, begann Azernal, »aber was schlagen Sie als langfristige Lösung vor?« Kinchawn wurde der Gabe des Zakdorn für Beschönigungen nie überdrüssig. Mit »langfristige Lösung« hatte Azernal selbstverständlich gemeint, Kinchawn seines Amts zu entheben.

»Die Versammlung ist gespalten und wenn überhaupt, gibt es eine kleine Mehrheit für Kinchawn«, erklärte Bilok. »Sobald er einknickt, wird er vermutlich auch die Unterstützung seiner radikalsten Anhänger verlieren. Dann sollte es ein Leichtes sein, mit einem Misstrauensvotum seinen Rücktritt zu besiegeln.«

Die flauschigen hellbraunen Federn am Nacken von Kinchawn stellten sich auf und verrieten seine zunehmende Wut. Er hatte Bilok nie vertraut. Schlimmer noch, er hatte den Einfluss des in die Jahre gekommenen Staatsmanns stets beneidet. Bilok gehörte zu den Trinae aus den hohen Bergen. Sie waren größer, kräftiger und, wie viele Tezwa glaubten, auch cleverer als Kinchawns Leute, die Elininae. Macht flog ihnen quasi zu. Doch was Kinchawn an Gerissenheit fehlen mochte, machte er mit seiner Gewaltbereitschaft wett. Nur dadurch war es ihm überhaupt gelungen, Bilok zu überflügeln und die höchste Ebene der Macht zu erreichen.

»In Ordnung«, sagte Azernal. Irgendetwas schien seinen Argwohn zu wecken. »Können Sie die Versammlung denn unter Kontrolle halten?«

»Mit angemessenen Anreizen«, erwiderte Bilok, »problemlos.«

Azernal starrte finster drein, sodass sich die überlappenden Hautsäcke an seinen Pausbacken zusammenzogen. »Ich frage, weil die Kanonen nicht aktiviert werden sollten. Und dennoch ist das der Fall …«

»Das konnte ich nicht verhindern«, entgegnete Bilok schnell. »Kinchawn hat das an der Versammlung vorbei entschieden und erteilt dem Militär jetzt direkt Befehle.«

Azernal hob eine Augenbraue. Da diese aus Haaren bestand, war dieser Anblick das Fremdartigste, was Kinchawn in seinem ganzen Leben auf einem Gesicht gesehen hatte.

»Die Versammlung weiß nichts von den Kanonen?«

»Nein«, gab Bilok zurück.

»Gut. Dann belassen wir es dabei.«

»Wie lange noch?«, fragte Bilok. »Ich befürchte, dass Kinchawn die Versammlung auflösen und eine Militärregierung etablieren wird.«

»Davon ist auszugehen«, bestätigte Azernal. »Wenn wir Ihnen dabei helfen, Kinchawn aus dem Spiel zu nehmen, können Sie dann die Kommandanten kontrollieren?«

Bilok verzog das Gesicht. »Das ist schwer zu sagen.«

Doch Azernal ließ nicht locker: »Wie schwer?«

»Er hat die meisten von ihnen in den letzten beiden Jahren ersetzt«, erklärte Bilok. »Und sie wiederum haben dann die meisten ihrer Untergebenen ausgetauscht. Ich bin mir also nicht sicher, wie sie reagieren, wenn wir ihn absetzen.«

»Was ist mit der allgemeinen Bevölkerung?«

»Sie hat unter seiner Besessenheit, das Militär auszubauen, stark gelitten. Sie wartet also schon ungeduldig auf seinen Sturz.«

»Gut, sehr gut«, sagte Azernal.

»Wie schnell können Ihre Leute diese verdammten Kanonen von meinem Planeten wegschaffen, wenn die Krise beigelegt ist?«, wollte Bilok wissen.

»Wir müssen sehr diskret vorgehen«, antwortete Azernal. »Vielleicht dauert es ein paar Monate, vorausgesetzt, dass Ihr Militär sich nicht einmischt.«

»Damit kann ich leben«, sagte Bilok erleichtert. »Sie müssen sich aber auch verpflichten, Ärzte und Verwaltungsmitarbeiter herzuschicken, um all die Missstände durch Kinchawns fehlgeleitete Führung auszuräumen.«

»Das ist für uns selbstverständlich«, versicherte der Zakdorn mit einem Nicken.

»Und was ist mit unserem Beitrittsgesuch zur Föderation?«

»Erst mal motten wir diese Kanonen ein. Dann beschäftigen wir uns damit«, entgegnete Azernal.

»Ich verstehe«, lenkte Bilok merklich enttäuscht ein.

Kinchawn bemitleidete Bilok für seine fehlgeleitete Vision eines Beitritt Tezwas zur Föderation. Offensichtlich hatte er noch nicht erkannt, dass schwerwiegende ökonomische Kämpfe drohten, die Föderation zu entzweien. Jene Welten, die vom Dominion-Krieg schwer angeschlagen waren, hatten von anderen, die mehr Glück gehabt hatten, nicht die geforderte Hilfe beim aufwendigen Wiederaufbau erhalten. Mitten in dieser Finanzkrise war das Letzte, was die Föderation brauchte, die Verantwortung für eine weitere verarmte Welt wie Tezwa zu übernehmen.

»In Ordnung«, sagte Azernal schließlich nickend. »Wir bekommen das hin, solange Sie es schaffen, dass er den Finger vom Abzug lässt. Wir haben gerade einen Krieg hinter uns und kein Interesse an einem weiteren. Wenn Kinchawn die Klingonen provoziert, sind Sie auf sich allein gestellt … Azernal Ende.«

Als beide das Gespräch beendeten, flackerte der Bildschirm kurz auf und wurde dann schwarz. Kinchawn stand auf und ging auf den Balkon, der rings um sein Büro verlief. Er betrachtete die Türme und Kuppeln von Keelee-Kee, der historischen Hauptstadt von Tezwa. Mit seinen dunkelgrauen Augen betrachtete er die Stadt, die sich fast bis zum Horizont zu erstrecken schien. Sie leuchtete golden in der untergehenden Sonne. Die Metropole umgab die Ilanatava, das Nest der Ahnen, und erstreckte sich mit geometrischer Präzision über die Ebene.

Ein warmer Wind hüllte ihn ein und strich durch seine purpurne Robe und die Federbüschel an seinen Unterarmen. Er atmete tief ein und schluckte seine Wut hinunter. Er will mich also loswerden?, überlegte er. Mithilfe eines wehrlosen Sternenflottenschiffs und einer Föderation, die Blutvergießen nicht ertragen kann?

Mit seinen schlanken, knochigen Fingern umklammerte er das Balkongeländer. Nicht heute, entschied er.

Erde

Präsident Min Zife, Oberhaupt der Vereinigten Föderation der Planeten, drehte seinen Kopf, um seinem Stabschef zuzuhören, der sich zu ihm gebeugt hatte und ihm nun diskret ins Ohr flüsterte: »Herr Präsident, Tezwa hat die Klingonen bedroht.«

Zife schob seinen halb aufgegessenen Teller Fettuccine Primavera ein paar Zentimeter zur Seite. Ohne Erklärung oder Entschuldigung gegenüber den Hunderten Ehrengästen im prunkvollen Festsaal des Buckingham Palace verließ er das Staatsdinner, bei dem neue Mitglieder des Föderationsrats in ihr Amt eingeführt wurden. Getuschel hinter vorgehaltener Hand, das von der hohen Decke in warmen Burgunder- und Goldtönen widerhallte, begleitete ihn, während er das Podest an der Vorderseite des Raums verließ. Mit Azernal und einer sechsköpfigen Sicherheitsmannschaft marschierte er schnurstracks durch den breiten Gang zwischen den beiden Tischreihen des Banketts. Der scharfe Klang ihrer Schritte und das Echo in der altehrwürdigen Halle übertönten das Gemurmel der Anwesenden.

Sie verließen den Saal durch eine Tür an der Seite und erreichten einen Korridor. Dort beschleunigten sie ihre Schritte und erreichten einen Ausgang, der von zwei uniformierten Sicherheitsoffizieren bewacht wurde. Azernal, der kleiner und um einiges kräftiger als Zife war, bewegte sich deutlich schneller als der Bolianer mittleren Alters. Einzig das in Zivil gekleidete Sicherheitspersonal um ihn herum verhinderte, dass er zu schnell für den Föderationspräsidenten wurde.

»Wie lange ist das her?«, wollte Zife wissen. Er war leicht außer Atem.

»Vor etwa sechs Stunden hat Premierminister Kinchawn die klingonische Grenzkolonie QiV’ol zu tezwanischem Territorium erklärt, Sir.«

Zife runzelte die Stirn und öffnete den obersten Knopf seines Hemds. Von all den Bräuchen, an die er sich auf der Erde halten musste, war die hiesige Mode am ärgerlichsten. Daher schob er seine Kopfschmerzen, die ihn schon den gesamten Abend plagten, auch auf den unbequemen Kragen seines Hemds. Oft beneidete er Azernal darum, dass er hinter den Kulissen arbeiten konnte, nicht zuletzt, weil es ihm erlaubte, angenehmere, ungezwungenere Kleidung zu tragen.

Sie näherten sich dem Ende des Korridors. Die beiden Sternenflottenoffiziere öffneten die Doppeltür und führten sie zum sicheren Transporterbereich. Hinter der Konsole erwartete sie ein stämmiger, kräftig aussehender Mensch mit Schnurrbart, kurzen Haaren und drei Knöpfen an seinem Sternenflottenkragen. »Guten Abend, Herr Präsident«, sagte er.

»Guten Abend, Commander Wexler«, entgegnete Zife.

»Wohin soll es gehen, Sir?«

»Zum Place de la Concorde«, antwortete Zife mit makellosem französischem Akzent.

Wexler nickte. »Verstanden, Sir.«

Zife schloss die Augen und konzentrierte sich auf seine Atemzüge, um den Kopfschmerz zu vertreiben. Dabei entging ihm fast das Rauschen und das sonderbare Kribbeln des Transporterstrahls. Als er seine Augen wieder öffnete, befand er sich auf seiner persönlichen Transporterplattform im Hauptquartier der Föderation in Paris.

Gemeinsam mit Azernal verließ er das Podest und ging raschen Schrittes in Richtung Turbolift zu seinem Büro im obersten Stockwerk. Die Sicherheitsleute in Zivil folgten ihnen in den Aufzug. Die Türen schlossen sich und die Kapsel schoss ohne spürbare Beschleunigung nach oben.

Obwohl Azernal während der Fahrt schwieg, bemerkte Zife das wilde Funkeln in seinen Augen. Er kannte diesen Blick seines Stabschefs aus der Endphase des Dominion-Krieges, als er sich einen rücksichtslosen Schlachtplan nach dem anderen ausgedacht hatte. Auch wenn viele Mitglieder der Admiralität und des Sicherheitsrats wertvolle und wichtige Beiträge geleistet hatten, war Zife und dem Föderationsrat klar, dass eigentlich Koll Azernal der wahre, unbesungene Held des Krieges war.

Zife wusste, was kommen würde, als er sah, wie sich Azernals Kiefer anspannte und tiefe Falten seine Stirn durchzogen: Der jähzornige Stratege hatte bereits einen Plan entwickelt.

Die Türen des Turbolifts öffneten sich in einem weitläufigen, fensterlosen Büro, das wie ein Halbmond geformt war. Gegenüber dem Turbolift ragten ganz rechts und links an der inneren Wand riesige antike Eichentüren mit Messingbeschlägen auf. Jede der beiden Türen wurde von einem bewaffneten Sicherheitsoffizier in Zivil bewacht. Zife näherte sich der linken Tür. Der Sicherheitsmann öffnete sie für ihn und nickte knapp. »Herr Präsident.«

»Vielen Dank«, sagte Zife und betrat sein Büro, ohne auch nur innezuhalten. Azernal folgte direkt hinter ihm. Die sechsköpfige Sicherheitsmannschaft wartete vor der sich nun wieder schließenden Tür.

Ein dumpfes Geräusch signalisierte, dass sie hinter dem Stabschef ins Schloss gefallen war. Zife schritt quer durch den großen Raum zu seinem Schreibtisch und drehte sich dann zu Azernal um. »Was zum Teufel treibt Kinchawn da?«

»Es scheint so, dass es unserem alten Freund nicht mehr reicht, seinen eigenen Planeten zu regieren«, erklärte Azernal. Selbst nach zehn Jahren, die er nun schon als wichtigster Ratgeber an seiner Seite stand, fand Zife es immer noch ablenkend, wie sich die Panzerplatten seiner Wangen ineinanderschoben. »Er hat wohl eine kleine Flotte zur Verfügung – vierundzwanzig Schiffe, einer vertrauenswürdigen Quelle zufolge. Wahrscheinlich stammen sie von den Danteri und somit vom Orion-Syndikat. Unseren Schätzungen nach werden sie in etwa fünf Tagen einsatzbereit sein.«

»Fünf Tage? Die Klingonen könnten Tezwa sehr viel schneller angreifen.«

»Sie versammeln bereits eine Flotte im Zurva-Nebel«, bestätigte Azernal. »Botschafter Worf versucht, Kanzler Martok von einem Präventivschlag abzuhalten.«

»Wie schätzen Sie Worfs Chancen ein?«

»Ich wage keine Schätzung«, entgegnete Azernal. »Wenn die Klingonen sauer sind, kann alles passieren.«

Zifes Augen verengten sich. »Aber warum jetzt?«, fragte er. »Warum forciert Kinchawn das gerade jetzt?«

»Ich denke, das liegt am Trill-Fiasko«, sagte Azernal. »Oder vielleicht an der Genesis-Welle, dem Holostreik oder dem Rashanar-Zwischenfall. Er scheint sich auf jeden Fall nicht bewusst zu sein, unter welchem Druck wir stehen, jetzt, wo der Krieg vorbei ist.«

Zorn ließ Zifes Gesicht glühen. Denn obwohl sein Pressesprecher alles versucht hatte, diese Vorgänge herunterzuspielen, hatte niemand FNN davon abhalten können, ausführlich darüber zu berichten.

Rashanar war da nur das neueste Problem. Vor einigen Monaten hatte eine Krise im Rashanar-Sektor zu einer Fehleinschätzung geführt, aufgrund derer zwei Sternenflottenschiffe, die Juno und die Enterprise, von einem Schiff der Ontailianer angegriffen worden waren. Die Juno war zerstört worden und alle Mannschaftsmitglieder hatten ihr Leben verloren, bevor die Situation hatte geklärt werden können.

Unzufriedenheit und Abspaltung erschütterten ohnehin bereits das politische Fundament der Föderation, also hatte man entschieden, den Ontailianern zu helfen, das Gesicht zu wahren, um ein Auseinanderbrechen des Föderationsrats zu verhindern. Die Ehre der Ontailianer zu wahren hatte allerdings einen Tribut gefordert. Ausgerechnet Captain Jean-Luc Picard und der Enterprise-Besatzung hatte man die Schuld an der Juno-Tragödie angekreidet.

Zife tupfte sich den Schweiß von seinem zerfurchten blauen Haupt. »Verdammt«, brauste er auf. »Ist Kinchawn klar, was passiert, wenn er die Klingonen angreift?«

Azernal nickte. »Ohne Zweifel. Ich denke aber, er setzt darauf, dass wir Druck ausüben werden, damit die Klingonen ihm QiV’ol überlassen.«

Zife stemmte seine Hände auf die glatt polierte schwarze Tischplatte. »Wie kann er allen Ernstes annehmen, dass wir …?« Zife hielt mitten im Satz inne. Dann fixierte er Azernal mit finsterem Blick. »Die Kanonen.«

»Exakt, Sir.« Azernals Stimme war von Bedauern erfüllt. »Die Kanonen. Er hat sie in Betrieb genommen.«

Zife sank in seinen Schreibtischsessel. Gemächlich drehte er sich von Azernal weg und betrachtete die Silhouette von Paris, die sich jenseits der Fenster hinter seinem Schreibtisch erstreckte. Einer der Vorzüge des Präsidentenamts war dieser unvergleichliche Blick auf die berühmte Stadt der Lichter der Erde. Zu seiner Rechten lagen der Champs-Elysée sowie der Triumphbogen. Im Zentrum seines Dreihundertgradblickwinkels ragte der Eiffelturm vor ihm auf, der sich wie frisch geschmiedetes Eisen vom nächtlichen Himmel abhob. Zur Linken befand sich die eindrucksvolle Kirche Sacre Coeur. Die meiste Zeit wandte er all dem den Rücken zu. Einerseits, um sich nicht ablenken zu lassen, andererseits aber auch, weil es als Hintergrund eindrucksvoller wirkte, wenn er Besucher begrüßte. Doch so schön das alles auch war, es änderte nichts daran, dass bittere Galle in ihm aufstieg.

»Wir können nicht zulassen, dass er die Klingonen herausfordert«, erklärte Zife und wandte sich von der Stadt ab, um Azernal anzusehen.

»Nein, Sir, das können wir nicht. Wir sollten uns von ihm aber auch nicht für seine Drecksarbeit instrumentalisieren lassen.«

»Dem stimme ich zu.« Zife tippte mit seinem Zeigefinger auf die Tischplatte. »Vielleicht könnten wir Botschafter Lagan fragen, ob …«

Azernal unterbrach ihn mit erhobener Hand und einem heftigen Kopfschütteln. »Es tut mir leid, Sir. Unsere diplomatische Delegation wurde vor über einer Stunde aufgefordert, Tezwa zu verlassen. Sie ist bereits auf dem Heimweg.«

Zife lehnte sich vor und stützte sich auf seinen linken Ellbogen. »Er will uns also in die Enge treiben, ja?« Er schloss seine linke Hand fast schon reflexartig zur Faust. »Was will er wirklich erreichen?«

Azernal faltete die Hände hinter seinem Rücken und senkte das Kinn, während er über die Frage nachdachte. »Vielleicht geht es um Macht. Oder er will uns zwingen, ihn und sein Volk dafür zu kompensieren, dass wir sie während des Krieges in Gefahr gebracht haben.«

Zife knurrte missbilligend. »Sie haben nichts vom Krieg mitbekommen.«

»Dennoch haben sie viel riskiert …«

»Sie haben viel riskiert?«, blaffte Zife. »Was ist mit uns? Wenn die Klingonen herausfinden, dass wir das Khitomer-Abkommen gebrochen und ein Waffenarsenal vor ihrer Haustür aufgebaut …«

»Das wird nicht passieren, Sir.«

»Wenn Tezwa die Klingonen angreift, ist das unvermeidlich.«

Azernal nickte. »Das stimmt. Daher müssen wir die Situation unter Kontrolle behalten, um jeden Preis.«

Zife massierte seine schmerzende Stirn. »Mir war klar, dass uns das irgendwann einholen würde.«

»Was denn, Sir?«

Zife linste schuldbewusst und voller Selbsthass unter seiner Hand hervor. »Der Plan … die Lügen.«

Azernals Stimme wurde plötzlich scharf und kalt. »Der Plan war gut, Herr Präsident. Und es gab keine Lügen. Nur notwendige Auslassungen.«

»Wir hätten es den Klingonen mitteilen müssen«, sagte Zife.

»Damals dachten wir, sie wären unsere Feinde«, erklärte Azernal. »Und wir hätten riskiert, dass das Dominion davon erfährt. Sisko und seine Leute haben den Spion der Wechselbälger erst drei Monate nach unserer Vereinbarung mit den Tezwa enttarnt.«

»Danach hätten wir reinen Tisch machen können.«

»Damit hätten wir die Allianz gefährdet, die wir gerade gerettet hatten, Herr Präsident. Ich stehe immer noch zu dem, was ich Ihnen damals gesagt habe: Es gab keinen anderen Weg. Das gilt auch heute noch.«

Zife seufzte. »Wie sieht unsere Strategie aus?«

»Eine Machtdemonstration.« Azernal holte ein Padd aus seiner Robe hervor und gab ein paar Befehle ein. »Das nächste Schiff ist die Enterprise. Sie könnte in weniger als drei Tagen im Orbit von Tezwa sein.«

»Ein einziges Schiff«, sagte Zife. »Das ist nicht gerade viel gegen einen Mann, der unser Flaggschiff einfach aus dem Orbit bomben könnte.«

»Ich glaube, dass wir die Klingonen überzeugen könnten, uns ein paar Schiffe zur Verfügung zu stellen«, fuhr Azernal fort. Er legte den Kopf schief, um seinen Sarkasmus zu unterstreichen. »Nur um sicherzustellen, dass Kinchawn es auch wirklich versteht.«

»Martok wird nicht begeistert sein, wenn seine Flotte Babysitter für eins unserer Schiffe spielen soll«, konterte Zife.

»Wir werden es ihm schon schmackhaft machen.« Azernal legte seine Hände auf die Lehne eines Stuhls vor Zifes Schreibtisch. »Wir könnten unseren Anspruch auf die Mirka-Kolonien zurückziehen.«

Zife zog eine Augenbraue hoch. »Auf alle?«

Der beleibte Zakdorn zuckte mit den Schultern. »Wir haben nur darauf bestanden, weil die Klingonen sie unbedingt wollten. Mir scheint das ein geeigneter Zeitpunkt zu sein, uns das zunutze zu machen.«

Zife nickte. »Das sollte uns ein wenig Luft verschaffen.«

Azernal nickte bekräftigend. »Immerhin ein paar Tage.«

»Und was, wenn Kinchawn nicht blufft?« Zifes Magen rumorte hörbar. Das Gefühl, dass irgendetwas seine Innereien zusammenquetschte, verstärkte sich. »Was, wenn die Klingonen ihn provozieren? Diese Kanonen würden durch ihre Schilde schneiden wie …«

»Er wird sie nicht abfeuern, Sir«, sagte Azernal schnell. »Das weiß ich aus absolut vertrauenswürdiger Quelle.« Er gab ein paar Befehle in sein Padd ein und übergab es Zife. Mit zitternder Hand nahm der Präsident es entgegen. Obwohl er die Informationen selbst vor Augen hatte, gab Azernal sie für ihn wieder: »Wir schicken Picard mit einem Hilfsangebot los: Nahrung, Medizin, Hilfe bei Projekten vor Ort, das Übliche. Dann wird Kinchawn wissen, dass wir nicht auf einen Kampf aus sind. Andererseits wird die klingonische Flotte, die wir mit der Enterprise zusammen hinschicken, deutlich machen, dass wir bereit sind, den Kampf zu gewinnen, sollte das wirklich das sein, was er will.«

Zife senkte das Padd und nickte langsam. »Wir halten ihm eine Karotte hin, wie die Menschen sagen würden.«

»Exakt, Sir.«

»Und was, wenn die Klingonen einen Kampf wollen?«

Azernal schürzte einen Moment lang die Lippen. »Picard und seine Mannschaft werden sicherstellen, dass sie die Situation nicht unnötig aufheizen.«

»Das ist ein bisschen viel verlangt«, bemerkte Zife. »Sind Sie sicher, dass Picard die Glaubwürdigkeit besitzt, um das hinzubekommen?«

»Ich muss zugeben, dass ich während der Rashanar-Geschichte so meine Zweifel an Picard hatte«, räumte Azernal ein. »Aber seine Dienstakte zeigt, dass er zweifellos geschickt im Umgang mit den Klingonen ist.«

»Ich zweifle auch gar nicht an seiner Dienstakte«, sagte Zife. »Mir geht es eher um seinen Ruf. Die Klingonen stellen Ehre über alles andere. Werden sie ihn nach dem Rashanar-Debakel überhaupt ernst nehmen?«

Azernal schmunzelte. »Er hat ein feindliches Raumschiff präventiv zerstört, und das nur basierend auf der Aussage eines treuen Führungsoffiziers.« Sein Tonfall war für Zifes Geschmack ein wenig zu selbstgefällig. »Wir mögen das nicht goutiert haben, aber die Klingonen, ich denke, da können Sie mir vertrauen, Sir, haben sicher kein Problem mit seinem Vorgehen.« Azernal blitzte Zife verschwörerisch an. »Ganz ehrlich? Er ist der perfekte Mann für den Job.«

Qo’noS

Die barsche Stimme von Kanzler Martok hallte von den Wänden der spärlich beleuchteten Halle des klingonischen Hohen Rates wider. »Hat Zife den Verstand verloren?«

Worf, Sohn von Mogh, ehemaliger Sternenflottenoffizier und zurzeit Föderationsbotschafter auf Qo’noS, stand allein in der von Moschusduft erfüllten, neu errichteten Großen Halle und ließ den Sturm der Verbitterung des Anführers des Klingonischen Reichs über sich ergehen. Martok hatte Worf während des Dominion-Krieges vor einigen Jahren zu einem Mitglied seines Hauses gemacht. Wenn er nun jedoch für die Föderation sprach, brachte ihm seine Verbindung zu Martok keine bevorzugte Behandlung ein. Während Martok weiter klingonische Obszönitäten spie, schien Worfs zeremonielle Robe, die er bei Besuchen in der Großen Halle trug, unter der Last der diplomatischen Integrität immer schwerer zu wiegen.

»Was glaubt er denn, wer wir sind?«, tobte Martok auf dem Podest, auf dem sein Thron stand. »Söldner? Bezahlte Schläger? Er mischt sich in die Verteidigung des Reichs ein und besitzt dann die Frechheit, uns aufzufordern, einem seiner Schiffe zu Friedensgesprächen zu folgen?«

»Kanzler«, setzte Worf an. »Die Föderation hat genauso wie das Reich ein Interesse daran, den Frieden an unserer gemeinsamen Grenze zu wahren.« Worf umklammerte die bronzefarbene Stola, die über seine Schultern drapiert war und über der blutweinroten Robe fast bis zum Boden fiel. »Unsere Bitte um eine Eskorte für das Flaggschiff untergräbt die Interessen des Reichs in keiner Weise. Es handelt sich vielmehr um eine dringende Bitte um Unterstützung durch einen unserer zuverlässigsten Alliierten.«

»Beleidige mich nicht, Worf«, sagte Martok und ließ seinen Worten ein Grollen der Verachtung folgen. »Zife braucht uns als Lakaien der Enterprise.« Worf bewunderte die Augenklappe über Martoks linker Augenhöhle. Der Kanzler stellte die alte Wunde mit dem gebührenden Stolz zur Schau. Dann schloss er kurz das rechte Auge. Als er es erneut öffnete, loderte Verachtung darin. Er bleckte die Zähne und schnauzte: »Am schlimmsten ist, dass er versucht, mit uns zu feilschen, als wären wir Ferengi!«

»Das Angebot der Föderation bezüglich der Mirka-Kolonien hat nichts mit der Anfrage zu tun«, versicherte Worf und wiederholte damit nur das, was Koll Azernal ihm gesagt hatte. Er konnte sich nicht sicher sein, wie viel dieses diplomatischen Exposés der Wahrheit entsprach, regte sich aber ebenfalls über diesen so fadenscheinigen Versuch auf, das Wohlwollen der Klingonen zu erlangen. Unglücklicherweise konnte er sich jedoch den Luxus nicht gestatten, das laut zuzugeben. Seine Aufgabe war, die Nachricht genau so zu überbringen, wie es ihm aufgetragen worden war. »Die aktuelle ökonomische Krise innerhalb der Föderation hat es unrentabel gemacht, diese Kolonien zu behalten«, fuhr er fort. »Daher hat der Föderationsrat Präsident Zifes Vorschlag zugestimmt, sie wieder unter klingonische Verwaltung zu stellen.«

»Glaubt Zife denn wirklich, dass er uns so schamlos kaufen kann?« Martok schlug mit der Faust auf die Lehne seines Throns. »Soll ich wirklich glauben, dass zwischen diesen beiden Angelegenheiten keine Verbindung besteht?«

»Wie auch immer du darüber denkst«, sagte Worf, »es ist entschieden.«

»Das macht keinen Unterschied«, gab Martok zurück. »Tezwas Drohungen sind eine Tatsache. Ihre Flotte bereitet sich auf den Start vor. Das Reich kann und wird nicht zulassen, dass diese Herausforderung unbeantwortet bleibt!«

»Ihre Herausforderung könnte zurückgezogen werden.«

Martok schüttelte verärgert den Kopf. »Das ist nicht gut genug. Wir werden keine Schwäche zeigen, Worf … Ich werde keine Schwäche zeigen.« Er senkte die Stimme. »Du weißt genau wie ich, dass dies eine gefährliche Zeit für das Reich ist. Wir haben erhebliche Verluste im Krieg erlitten. Das Reich muss wieder aufgebaut werden … Gnade ist keine Option.«

»Aber Besonnenheit sollte eine sein.« Unter Missachtung des Protokolls ging Worf zwei Schritte auf Martok zu. »Die Ehre des Reichs kann auch ohne das Risiko eines weiteren Krieges gewahrt werden, wenn wir Captain Picard gestatten zu verhandeln.«

»Warum sollte ich mein Vertrauen in seine Hände legen?«, fragte Martok. »Woher weiß ich, dass er nicht seiner eigenen Agenda folgt?«

»Ich habe viele Jahre mit Captain Picard gedient«, sagte Worf, doch die Worte klangen zurückhaltender, als er es sich gewünscht hätte. »Er hat dabei immer tiefen Respekt für unsere Gesetze und Traditionen gezeigt. Gerade du solltest wissen, dass er sich mehr als einmal als wahrer Freund der Klingonen bewiesen hat.«

Martok brach in schallendes Gelächter aus. »Warum? Weil er meinen Vorgänger eingesetzt hat? Diesen inkompetenten Narzissten Gowron? Dieser Akt der Freundschaft hätte fast zum Untergang des Reichs geführt!«

»Gowrons Sünden sind seine eigenen«, beharrte Worf. »Ohne Captain Picard wäre das Reich in die Hände von Verrätern gefallen.«

»Wenn es dir darum geht, dass Picard ein guter Mann ist, glaube ich dir«, stimmte Martok zu. »Allerdings gilt seine Loyalität der Föderation. Wenn er gezwungen wird, zwischen ihren Interessen und unseren zu wählen, was glaubst du, wird er dann tun?«

»Captain Picard ist ein ehrenhafter Mann«, entgegnete Worf ungerührt. »Er wird fair und aufrichtig verhandeln. Und er wird nicht zulassen, dass das Reich betrogen wird. Weder von den Tezwa noch von der Föderation. Was das angeht, gebe ich dir mein Wort – als Föderationsbotschafter, Mitglied deines Hauses … und als Klingone.«

Martok brütete einen Moment vor sich hin. Mit seinem einen Auge blickte er finster drein. Dann erhob er sich, verließ das Podium und blieb direkt vor Worf stehen. Er fletschte die zerklüfteten, scharfen Zähne. »Dein Wort reicht mir aus«, entschied er. »Unsere Flotte wird die Enterprise nach Tezwa eskortieren.« Er ergriff Worfs Unterarm. Worf tat es ihm gleich und damit war die Einigung besiegelt. »Qapla’!«, brüllte Martok.

Worf nickte. Er hatte volles Vertrauen in die Fähigkeiten der Enterprise, die Krise auf Tezwa beizulegen. Und wenn man bedachte, welchen Zündstoff die politischen Verwicklungen zwischen der Föderation und den Klingonen stets bargen, war er selbst die ideale Wahl, um zwischen den beiden Alliierten zu vermitteln und ihre oft unvereinbaren Ansätze zusammenzubringen. Allerdings musste er zugeben, dass er sich nach jenen Zeiten sehnte, als er Probleme noch mit Taten statt mit Worten hatte lösen können. Er bedauerte zwar nicht, Diplomat geworden zu sein, dennoch war er eben immer noch ein Klingone. Die Zeit auf Qo’noS hatte das lange erkaltete Feuer des Kriegers in seinem Herzen neu entfacht.

Und auch wenn er das natürlich nie offen sagen würde, wäre Tezwa bereits zerstört worden, wenn man ihm die Entscheidung überlassen hätte.

U.S.S. Enterprise-E

Captain Jean-Luc Picard genoss die himmlische Ruhe seines Bereitschaftsraums. Während er sich einen Geheimbericht über die Situation auf Tezwa ansah, nippte er genüsslich an seinem frisch replizierten Earl Grey. Die Sternenflottensicherheit hatte ihm den Bericht zusammen mit einem Dutzend anderen zugeschickt. Seit die Enterprise vor einigen Tagen den Auftrag erhalten hatte, sich um die Krise auf Tezwa zu kümmern, hatte er sich mit allen Berichten genau befasst und sie mehrmals gelesen. Bei derart kurzfristigen Aufträgen waren die Informationen oft bei Weitem nicht so detailliert wie in diesem Fall. Es gab Berichte über die Bevölkerung, die Industrie von Tezwa und die politischen Vorgänge. Dazu kamen statistische Analysen der Meteorologie und der ökonomischen Stabilität.

Was jedoch verdächtigerweise fehlte, war eine Erklärung dafür, warum Premierminister Kinchawn, ein überzeugter Nationalist, glaubte, das Klingonische Reich herausfordern zu können. Und auch wenn die Berichte der Sternenflottensicherheit einige ausgezeichnete technische Zeichnungen der kürzlich erworbenen Danteri-Schiffe enthielten, wurde nirgends erwähnt, wie die Tezwa die Danteri dazu bewegt hatten, ihnen diese Schiffe zu verkaufen. Hinzu kam die Frage, wie es ihnen gelungen war, das Orion-Syndikat gewissermaßen als Zwischenhändler einzusetzen oder woher sie überhaupt über die nötigen finanziellen Mittel verfügten.

Ebenso beunruhigte Picard, dass die Föderation sich in eine seiner Ansicht nach rein interne Angelegenheit des Klingonischen Reichs einmischte. Tezwa befand sich zwar sehr nah an der Föderationsgrenze, die Klingonen waren aber immerhin Alliierte. Er konnte sich nicht erklären, warum eine militärische Aktion der Klingonen in neutralem Gebiet in die Zuständigkeit der Föderation fallen sollte.

Allerdings war dies auch nicht der erste Fall, in dem er gebeten wurde, die Krise einer anderen Spezies beizulegen, um Blutvergießen zu verhindern, und dabei nicht zwingend in die übergeordnete Agenda des Föderationsrats eingeweiht wurde. Seine Befehle ließen jedoch keine Zweifel offen: Er sollte die Tezwa überzeugen, die Hilfe der Föderation anzunehmen, anstatt sich die Klingonen zum Feind zu machen, indem sie deren Kolonie auf der Suche nach Ressourcen für sich beanspruchten. Außerdem sollte er sie dazu bewegen, sich formell bei den Klingonen zu entschuldigen, um deren Kriegslust zu besänftigen.

Picard schloss den Bericht und lehnte sich zurück. Er legte seine Hände um den warmen Becher und schob sich mit seinem Sessel ein wenig in Richtung des hinteren Fensters. Jenseits des geisterhaften Spiegelbilds seines verzerrten Gesichts zogen die durch die Warpgeschwindigkeit in die Länge gezogenen Sterne vorbei. Eine halbe Schwadron klingonische Schiffe verschiedener Bauart und Größe flankierte die Enterprise. Neben vier Bird-of-Preys waren es sechs größere Schlachtschiffe und vier wendige Angriffsfregatten. Alle hielten sich respektvoll, wenn auch nur knapp, hinter dem Föderationsflaggschiff.

Normalerweise hätte es ihn beruhigt, so viele klingonische Schiffe an seiner Seite zu wissen. Ihm war jedoch bewusst, dass die Mannschaften dieser Schiffe ihn nur widerwillig eskortierten. Es bestand kein Zweifel, dass sie mit der Anweisung von Kanzler Martok nicht einverstanden waren und die Anwesenheit der Enterprise zutiefst verabscheuten. Er kannte die Klingonen gut genug, um zu wissen, dass sie ihren Befehlen folgen würden. Allerdings war ihm ebenso klar, dass sie im Falle einer Provokation durch Premierminister Kinchawn schnell und mit aller Härte zurückschlagen würden.

Außerdem war er mit ihren Flottenoperationen vertraut und wusste, dass sich neben den zehn sichtbaren Schiffen noch eine Reihe getarnter in der Nähe befand. Natürlich hatten die Klingonen im Vorfeld nicht mitgeteilt, wie viele Schiffe sie als Eskorte für die Enterprise nach Tezwa entsenden würden. Sie hatten nur erklärt, dass es genug sein würden, »um die richtige Botschaft zu senden«.

Picard trank den restlichen Tee aus und ging zum Replikator. Während sein leerer Becher sich auflöste, fragte er sich, was an einer Mission, die ihn zum letzten Bollwerk zwischen den Klingonen und einem Krieg machte, derartigen Optimismus in ihm auslöste. Dann, nach einem kurzen Moment der inneren Einkehr, wurde ihm plötzlich klar, was sich heute anders anfühlte: Dies war eine wirklich relevante Mission.

Nach all den Monaten, in denen die Öffentlichkeit ihn verurteilt hatte, und angesichts der endlosen Aneinanderreihung zweitrangiger Missionen fühlte es sich einfach gut an, wieder wichtige Aufgaben zu übernehmen. Picard erkannte darin die Chance, dass alles wieder ins Lot kam. Vielleicht war es sogar die Gelegenheit, das Stigma abzuschütteln, das seit Rashanar auf der Enterprise und ihrer Besatzung lastete.

Doch auch wenn er sich diesen Hoffnungen hingab, wusste er, dass erfolgreiche Friedensverhandlungen nicht alle Brücken reparieren würden, die abgebrochen worden waren.

Keine diplomatische Finesse seinerseits würde Admiral Nakamura überzeugen können, Data den Emotionschip zurückzugeben. Seiner Meinung nach war dieses mysteriöse Stück Technologie für die Beeinträchtigung des Urteilsvermögens des Androiden verantwortlich, die die Krise von Rashanar überhaupt erst ausgelöst hatte.

Und selbst wenn es ihm gelänge, die Klingonen davon zu überzeugen, den Tezwa ihre unbedachte Drohung zu vergeben, würde es ihm höchstwahrscheinlich nicht gelingen, Dr. Beverly Crushers Vergebung für sich selbst zu erlangen. Seit der Mission auf Delta Sigma IV war sie in gewisser Weise unterkühlter ihm gegenüber. Er fragte sich, ob es daran lag, dass er ihre medizinische Expertise mit seiner Entscheidung untergraben hatte. Glauben konnte er das jedoch eigentlich nicht. Es war über die Jahre immer wieder zu derartigen Kommandoentscheidungen gekommen und keine davon hatte je eine derartige Reaktion ihrerseits ausgelöst. Also versuchte er sich einzureden, dass er sich die aktuelle Funkstille nur einbildete. Allerdings hatten sie seit der Abreise von Sigma Delta IV auch nicht mehr gemeinsam gefrühstückt. Wenn sie sich trafen, waren ihre kurzen Unterhaltungen steif und unbehaglich.

Die bittere Ironie dieser Situation ließ ihn die Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen verziehen. Die Kluft der gegenseitigen Abneigung zwischen zwei Welten und ihren Einwohnern zu verringern war etwas Alltägliches. Die beschädigte Basis der Freundschaft zu seiner langjährigen Wegbegleiterin Beverly zu kitten wirkte im Vergleich dazu auf beunruhigende Weise unmöglich. Was noch zu seinem Unmut beitrug, war die Tatsache, dass er vom Angebot des Leiters der medizinischen Abteilung der Sternenflotte, Crusher zu seiner Nachfolgerin zu machen, von Dr. Yerbi Fandau auf dem üblichen Dienstweg erfahren hatte. Crusher jedoch musste ihm diese Neuigkeit noch persönlich mitteilen. Der Captain wusste nicht, ob er ihr alles Gute wünschen oder ihr aufrichtig sagen sollte, dass er sie nicht verlieren wollte.

Vielleicht werde ich auch einfach alt, dachte er bei sich. In den Nachwehen des Rashanar-Debakels hatte er sich einer vollständigen und langwierigen Kompetenzbewertung unterziehen müssen. Während dieser Tests war mehr als einmal der Gedanke geäußert worden, er sei vielleicht nicht mehr geeignet für den Posten des Captains.

Das vertraute Zirpen des Interkom durchbrach die Stille. »Riker an Picard. Wir sind jetzt in Komm-Reichweite und werden gerufen.«

Picard ging in Richtung Tür, die gehorsam aufglitt. Dann betrat er die Brücke, begab sich zu seinem Sessel aus Kunstleder und nahm Platz. Es fühlte sich jedes Mal an, wie nach Hause zu kommen. Schließlich hatte man den Kommandosessel exakt an seine Physiologie und Bedürfnisse angepasst. Riker, der zu seiner Rechten saß, sah von seiner Kommandokonsole auf. »Premierminister Kinchawn wartet auf unsere Antwort.«

»Geduld, Nummer Eins«, erwiderte Picard. »Lassen Sie ihn noch einen Moment warten.« Da er Rikers Blick bemerkte, ergänzte er lächelnd: »Ein alter Trick, den ich als junger Liebender gelernt habe. Wer jemanden warten lässt, hat die Kontrolle.«

Die Kommandozentrale der Enterprise-E war verhältnismäßig ruhig. Hinter dem Kommandosessel arbeiteten etwa ein Dutzend Offiziere an verschiedenen Stationen. In der allgemeinen Stille verkamen die sanften Töne ihrer Konsolen zu einem Hintergrundrauschen. Da die Brücke zudem nur schwach beleuchtet war, strahlten ihre Gesichter im Schein ihrer Arbeitsstationen. Datas silberne synthetische Haut leuchtete im Licht der Ops-Konsole, die sich links von Picard und damit direkt vor dem halbrunden Hauptschirm befand. Draußen zogen die lang gezogenen Schemen der Sterne vorbei.