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Jedimeister Luke Skywalker sieht keine andere Möglichkeit, als sich mit den Sith-Lords zu verbünden, um den Nexus der dunklen Seite zu vernichten. Doch dabei kommt es zu einer Komplikation, mit der er nie gerechnet hätte. Der Jedi-Ritter Ben, Lukes Sohn, verliebt sich in eine Sith. Ist das bereits ein Schritt zur dunklen Seite der Macht? Wird Luke Skywalker nach seinem Neffen nun auch noch seinen Sohn an das Böse verlieren?
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Seitenzahl: 634
Christie Golden
DIEVERBÜNDETEN
Das Verhängnis der Jedi-Ritter 5
Aus dem Englischen
von Andreas Kasprzak
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Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel »Star Wars™ Fate of the Jedi 05« bei Del Rey/The Ballantine Publishing Group, Inc., New York.
Deutsche Erstveröffentlichung März 2011 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München.
Copyright © 2010 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.
All rights reserved. Used under authorization.
Translation Copyright © 2011 by Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München
Umschlaggestaltung: HildenDesign, München
Cover Art Copyright © 2010 by Lucasfilm Ltd.
Cover illustration by Ian Keltie
Redaktion: Marc Winter
HK · Herstellung: sam
Satz: omnisatz GmbH, Berlin
ISBN 978-3-641-07755-6V002
www.blanvalet.de
Dieses Buch ist Jeffrey R. Kirby gewidmet,
aus Gründen so zahlreich wie die Sterne.
Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …
Dramatis Personae
ALLANA SOLO; junges Mädchen (Mensch)
BEN SKYWALKER; Jedi-Ritter (Mensch)
HAN SOLO; Captain des Millennium Falken (Mensch)
GAVAR KHAI; Sith-Schwert (Mensch)
JAGGED FEL; Staatschef des Galaktischen Imperiums (Mensch)
JAINA SOLO; Jedi-Ritterin (Mensch)
LANDO CALRISSIAN; Geschäftsmann (Mensch)
LEIA ORGANA SOLO; Jedi-Ritterin (Mensch)
LUKE SKYWALKER; Jedi-Großmeister (Mensch)
MADHI VAANDT; Reporterin (Devaronianerin)
NATASI DAALA; Staatschefin der Galaktischen Allianz (Mensch)
SARASU TAALON; Hochlord der Sith (Keshiri)
TAHIRI VEILA; ehemalige Jedi-Ritterin (Mensch)
VESTARA KHAI; Sith-Schülerin (Mensch)
WYNN DORVAN; Assistent von Admiralin Daala (Mensch)
1. Kapitel
AN BORD DER JADESCHATTEN
Ben fragte sich, ob er erst in das Alter seines Vaters kommen musste, bevor die Dinge einmal so gut für ihn liefen, dass er mehr von seinem Leben erwarten konnte als nur einige scheinbar glückliche Fügungen.
Dann fragte er sich, ob er bis dahin womöglich noch älter sein würde als sein Dad.
Gewiss, nach dem Krieg hatte er einige ereignislose Jahre verlebt. Doch dann wurde sein Vater verhaftet und für ein Jahrzehnt ins Exil verbannt. Jedi, die nachhaltig prägende Jahre in der Zuflucht im Schlund verbracht hatten – und ja, zu denen gehörte auch Ben, ein wahrlich nicht übermäßig beruhigender Umstand –, fingen an, verrückt zu werden. Ben und Luke hatten von einem unheimlichen, mächtigen Wesen mit dunklen, schlüpfrigen, mentalen Tentakeln des Verlangens erfahren, das aller Wahrscheinlichkeit nach für die durchgedrehten Jedi verantwortlich war, und sie waren aufgebrochen, um diesem Geschöpf im Innern des Schlunds einen Besuch abzustatten, nachdem sie eine Sith entführt hatten. Ein Mädchen, das fraglos gut aussah, jedoch nichtsdestotrotz eine Sith war und dazu noch von einem ganzen Planeten voller Sith stammte. Eine Sith, die jetzt immer noch bei ihnen war, die dastand und sie angrinste, während sie von nahezu einem Dutzend Fregatten umzingelt wurden, allesamt vollgepackt mit ihren Kameraden.
Ja. Er würde bis dahin definitiv älter sein als sein Dad.
Luke hatte die Anweisungen befolgt, die ihnen der namenlose, ungesehene Sith-Kommandant der Schwarzen Woge gegeben hatte, und die Schatten in eine ruhige Umlaufbahn um Dathomir gebracht. Sie hatten keine andere Wahl gehabt, nicht angesichts elf ChaseMaster-Fregatten, die bereit waren, das Feuer auf sie zu eröffnen.
»Eine kluge Entscheidung«, meinte Vestara. »Ich hänge an meinem Leben, daher bin ich froh, dass Ihr kooperiert, doch hättet Ihr zu fliehen versucht, hätten sie Euch mit ziemlicher Sicherheit vernichtet.«
Luke musterte sie nachdenklich. Offenkundig war er sich da nicht so sicher.
»Also«, fuhr Ben fort. »Was werden die jetzt mit uns anstellen? Werden wir die Hauptattraktion auf irgend so einer Sith-Ritualparty?«
»Ich habe keine Ahnung«, gab Vestara vor. Es war möglich, dass sie nach Strich und Faden log. Es war möglich, dass sie die Wahrheit sagte. Ben vermochte es einfach nicht mit Gewissheit zu sagen.
»Wir wissen Eure Kooperation zu schätzen, Meister Skywalker«, ertönte die Stimme, die sich als Erstes mit ihnen in Verbindung gesetzt hatte. Ben und Luke tauschten verwirrte Blicke. Natürlich hatte Vestara ihnen berichtet, wer sie gefangen hielt, aber warum die Höflichkeit und die respektvolle Anrede?
»Ich bin Hochlord Sarasu Taalon, der Kommandant dieser Streitmacht«, fuhr die Stimme fort. »Euer Ruf eilt Euch voraus. Wir haben Euch und Euren Sohn eingehend studiert.«
»Ich wünschte, ich könnte dasselbe behaupten«, erwiderte Luke. »Ich weiß nicht das Geringste über Euch und Euer Volk, Hochlord Taalon.«
»Nein, tut Ihr nicht. Doch ich habe die Absicht, das zu ändern … in gewisser Weise. An Bord Eures Schiffs befindet sich ein Z-95-Kopfjäger.«
»In der Tat«, bestätigte Luke. »Ich nehme an, gleich werdet Ihr mich bitten, rüber auf Euer Flaggschiff zu kommen und bei einem hübschen Glas Irgendwas ein Pläuschchen zu halten.«
»Euch und Vestara, ja«, entgegnete Taalon. »Natürlich werdet Ihr sie wieder in unsere Obhut übergeben müssen. Doch es gibt keinerlei Grund, warum wir das nicht auf zivilisierte Art und Weise klären sollten.«
»Nein danke«, sagte Luke. »Alles, was Ihr mir zu sagen habt, kann auch mit einigem Abstand besprochen werden. Vestara ist nicht unbedingt die schlimmste Gesellschaft, mit der ich je gereist bin. Ich denke, ich werde ihr die Möglichkeit geben, noch eine Weile länger hier bei uns zu bleiben.«
Ben sah das Sith-Mädchen abermals an. Sein Vater hatte recht. Sie war keinesfalls die schlimmste Gesellschaft, mit der er je gereist war.
»Lasst uns später wieder auf dieses Thema zurückkommen«, entgegnete Taalon. »Wie Ihr mittlerweile sicherlich wisst, hat Schülerin Vestara Khai lobenswerte Arbeit dabei geleistet, uns über die jüngsten Geschehnisse auf dem Laufenden zu halten. Uns ist bewusst, dass Ihr … Schwierigkeiten mit gewissen Jedi habt, die im Schlund aufgewachsen sind. Wir glauben, dass dies dem Einfluss eines Wesens zu verdanken ist, das wir als Abeloth kennen. Vestara ist diesem Geschöpf bereits persönlich begegnet. Viele unserer eigenen Schüler legen dieselben Symptome an den Tag wie Eure jüngeren Jedi.«
»Eure jüngeren Sith waren einst ebenfalls im Schlund?«
»Nein. Doch ein derart identisches Auftreten abnormalen Verhaltens kann kein Zufall sein.«
Ben war skeptisch. Allerdings gab es so vieles, was sie bislang noch nicht wussten. Die blauen Augen seines Vaters trafen die seinen, und er zuckte unmerklich die Schultern. Es war möglich.
»Wir sind viele. Ihr seid bloß zu dritt«, fuhr Taalon fort. Der Dritte, auf den er sich bezog, war Dyon Stadd, ein machtsensitiver Mensch, der sich Ben und Luke auf Dathomir angeschlossen hatte und sich gegenwärtig an Bord seiner SoroSuub-Sternenyacht befand. »Wir haben ein gemeinsames Problem.«
»Schlagt Ihr … schlagt Ihr etwa ein formelles Bündnis vor?« Luke war so überrascht, dass er sich nicht einmal die Mühe machte, es zu verbergen. Auch Ben stand einen Moment lang im wahrsten Sinne des Wortes der Mund offen. Nach ihrem Gesichtsausdruck und ihrer Machtpräsenz zu urteilen, wirkte Vestara von ihnen jedoch am verblüfftesten.
»Exakt.«
Luke fing an zu lachen. »Verzeiht mir, aber das hört sich nicht sehr Sith-mäßig an.«
Als Taalon wieder sprach, klang seine Stimme kalt. »Diese Kreatur, diese … Abeloth … besitzt die Unverfrorenheit, sich in der Macht nach unseren Schülern auszustrecken und ihnen zu schaden. Unseren Tyros. Sie wagt es, mit dem Stamm Spielchen zu spielen – mit den Sith. Eine derartige Beleidigung können wir nicht hinnehmen – werden wir nicht hinnehmen! Wir begeben uns in den Schlund und erteilen ihr eine Lektion.«
Ben warf seinem Vater einen Blick zu. »Das ist allerdings ziemlich Sith-mäßig.«
Luke nickte. Zu Taalon sagte er: »So, wie die Dinge liegen, kann es sein, dass es nicht nötig ist, ihr eine Lektion zu erteilen. Vielleicht müssen wir einfach bloß herausfinden, warum sie das tut.«
»Um sie dann nett zu bitten, damit aufzuhören?« Ben fand, dass Han Solo von diesem Sith noch ein, zwei Sachen darüber lernen konnte, wie man seine Stimme mit Sarkasmus tränkte.
»Ihr habt mich gerade nett darum gebeten, Euch aus der Patsche zu helfen. Zweifellos sind gute Manieren Euch nicht fremd«, meinte Luke gelassen. »Wenn sich das Ziel auf diesem Wege mit weniger oder vielleicht überhaupt keinen Opfern erreichen ließe, wäre das dann nicht die beste Lösung?«
Ein Moment des Schweigens folgte. »Es besteht die Möglichkeit, dass sie vielleicht nicht zugänglich für … höfliche Konversation ist. Was dann, Meister Skywalker?«
»Dann werde ich tun, was immer nötig ist, um die erkrankten Jedi ihrer Kontrolle zu entreißen«, sagte Luke. »Das kann ich Euch versichern.« Seine Stimme war nicht barsch, doch in ihr schwang ein Tonfall mit, den Ben kannte. Wenn Luke Skywalker so sprach, war die Sache schon so gut wie erledigt.
»Dann willigt Ihr ein?«, fragte Taalon.
Luke antwortete nicht sofort. Ben wusste, womit er zu kämpfen hatte. Und er war überrascht, dass der Großmeister daran auch nur einen Gedanken verschwendete. Luke war ein Jedi. Sie waren Sith. Es schien unmöglich, ein Bündnis miteinander einzugehen. Jeder würde fortwährend darauf achten, was in seinem Rücken vorging.
Doch andererseits … Er sah zu Vestara hinüber. Sie entstammte einer ganzen Kultur von Sith. Es war kaum denkbar, dass sie einander ständig verrieten – dann wären sie schon vor langer Zeit ausgestorben. Irgendwie hatte dieser Zweig der Sith gelernt zu kooperieren. Vestara hatte bewiesen, dass es möglich war. Sie hatte bereits mit Ben und seinem Vater gemeinsame Sache gemacht, auf Dathomir, und diese Kooperation hatte Luke Skywalker das Leben gerettet.
»Wir verfolgen ein gemeinsames Ziel«, stellte Luke schließlich fest. »Es wäre besser, zusammen darauf hinzuarbeiten, anstatt einander in die Quere zu kommen. Aber denkt nicht, dass ich deshalb nicht jeden Moment mit Eurem Verrat rechne. Nur wenige Feindschaften sind älter als die zwischen den Sith und den Jedi.«
Ein Seufzen. »Dieses Ding, gegen das wir nun gemeinsam kämpfen, könnte sogar noch älter sein«, gab Taalon zu bedenken. »Nun, ich hatte nicht erwartet, dass dies eine sonderlich kameradschaftliche Verbindung wird. Also gut. Ihr liefert Vestara Khai aus. Gemeinsam, im Rahmen einer Allianz, wie sie seit dem Anbeginn dieser Galaxis nicht mehr gesehen wurde, werden die Sith und die Jedi ihrem gemeinsamen Feind die Stirn bieten und ihn bezwingen – auf die eine oder andere Weise. Und anschließend … nun, lasst uns sehen, wo wir dann stehen, in Ordnung?«
»Vestara bleibt hier.«
Das Sith-Mädchen erstarrte. Es folgte ein langes Schweigen.
»Das kann ich nicht erlauben.«
»Dann haben wir kein Bündnis.« Ein weiteres langes Schweigen.
»Sie verfügt über Informationen, die wir benötigen. Sie kommt mit uns, oder es gibt kein Abkommen.«
»Informationen darüber, wie wir zu unserem gemeinsamen Feind gelangen und ihm die Stirn bieten?«, fragte Luke und gab Taalon seine eigenen blumigen Worte zurück. »Ich habe nichts dagegen, dass sie Euch diese Informationen mitteilt. Das sind doch die Informationen, über die Ihr sprecht, nicht wahr?«
»Ihr wird keinerlei Leid geschehen, während sie sich in Eurer … Obhut befindet«, machte Taalon klar, »nicht im Mindesten. Andernfalls greifen wir an und vernichten Euch bis aufs Mark, um jede Eurer Zellen auszulöschen.«
»Vorausgesetzt, dass Ihr zu Eurem Wort steht, ist sie vollkommen sicher. Jedi neigen nicht dazu, Kinder zu foltern.«
Der Umstand, als Kind bezeichnet zu werden, ließ Vestara die Stirn runzeln. Trotz der angespannten Situation schlich sich ein kleines Lächeln auf Bens Gesicht, bis ihm bewusst wurde, dass sie im selben Alter war wie er. Er warf seinem Vater einen enttäuschten Blick zu.
»Dann, denke ich, haben wir eine Übereinkunft«, sagte Taalon.
»Noch nicht. Zunächst müssen wir entscheiden, wer in diesem Bündnis das Sagen hat.«
»Ich würde vorschlagen, dass wir gemeinsam das Kommando führen, Ihr und ich«, meinte Taalon. »Kein Sith wird von einem Jedi allein Befehle entgegennehmen. Und ich bin mir sicher, dass Ihr Euch dagegen sträuben würdet, von einem Sith-Hochlord gesagt zu bekommen, was Ihr zu tun habt.«
»Das würde ich in der Tat. Und ich würde vorschlagen, dass wir diese gemeinsame Befehlsgewalt damit einläuten, dass wir Informationen austauschen. Ihr zuerst!«
»Ah, aber Meister Skywalker, Ihr habt unsere Informationsquelle unmittelbar dort bei Euch. Fangt mit ihr an! Wir werden alles vorbereiten, um innerhalb einer halben Stunde abflugbereit zu sein.«
»Wir ebenfalls. Ich melde mich. Jadeschatten Ende.«
»Dad«, sagte Ben in dem Moment, in dem die Übertragung unterbrochen wurde, »du hast gerade eingewilligt, den Sith zu helfen.«
Luke schüttelte den Kopf. »Nein, Sohn. Ich habe eingewilligt, dass die Sith uns helfen.«
Ben musterte ihn mit einer Mischung aus Unglauben und Neugierde. »Du vertraust darauf, dass sie ihr Wort halten?«
»Ich vertraue darauf, dass sie tun, was für sie am besten ist. Und solange das, was für sie am besten ist, auch für uns am besten ist, werden wir gut miteinander auskommen.«
»Und wenn nicht?«
»Wie Taalon schon sagte … Dann werden wir sehen, wo wir stehen. Darauf bin ich vorbereitet. Es gibt zwei alte Sprichwörter, Ben: ›Der Feind meines Feindes ist mein Freund.‹ Und: ›Halte deine Freunde nah bei dir, aber deine Feinde noch näher.‹«
Luke wandte sich demonstrativ an Vestara, die mit hinter dem Rücken verschränkten Armen hoch aufgerichtet dastand. »Also«, setzte er an, »Hochlord Taalon hat mir versichert, dass du alles weißt, was sie wissen.«
Sie hob einen kleinen Informationschip hoch. »Das meiste davon ist hier drauf«, entgegnete sie.
»Und was nicht?«, fragte Luke.
Vestara lächelte verhalten und tippte sich gegen die Schläfe. »Das, was nicht auf dem Chip ist, bleibt so lange hier drin, bis es nötig ist, dieses Wissen mit euch zu teilen. Auf meiner Welt gibt es ein Kartenspiel. Man nennt es Mahaa’i Shuur, was in der Sprache der Eingeborenen so viel heißt wie ›ultimativer Sieg‹. Die Regeln sind kompliziert, aber das Ziel ist einfach. Der Gewinner ist derjenige, der niemals gezwungen ist, seine letzte Karte auszuspielen.«
Luke Skywalker musterte Vestara Khai auf dieselbe Weise, wie ihn vor langer Zeit in der Cantina von Mos Eisley ein Barkeeper namens Wuher gemustert hatte – kalt, das Unerwartete erwartend und auf der Suche nach einem Vorwand, um jede Höflichkeit zu vergessen. Sie wandte ihm den Rücken zu, die Hände in die Hüften gestemmt, das lange braune Haar hing lose über ihre Schultern. Sie ließ den Blick über die Ansammlung von Sith-Schiffen schweifen, die im Zuge der Abflugvorbereitungen in Formation gingen, und er brauchte sie nicht in der Macht zu sondieren, um eine verdammt gute Vermutung anstellen zu können, worüber sie gerade nachdachte. Doch sobald Luke dieser Gedanke kam, revidierte er ihn.
Sie war eine Sith. So waren sie nun einmal. Was Luke betraf, bedeutete das automatisch, dass man ihnen nicht trauen konnte. Selbst wenn sie es mit diesem Wunsch ernst meinten, ihre Kräfte zu bündeln und mit weit mehr Feuerkraft in den Schlund vorzustoßen, als die Jadeschatten allein besaß, musste das Ganze eine List oder eine Falle sein. Sie waren Sith. Betrug war ein Grundpfeiler ihrer Kultur.
Vestara Khai war eine Sith. Doch sie war außerdem ein Mädchen, das den Anschein erweckte, als besäße es neben ihren Lastern zumindest auch einige Tugenden – etwas, das Luke überraschend und befremdlich fand. Dass sie Verrat in Erwägung zog, stand außer Frage. Doch er war gewillt, ihr zuzugestehen, dass ihr vielleicht auch einfach ihr Volk fehlte. Wie um seine Gedanken zu bestätigen, stieß sie ein leises Seufzen aus.
Er hatte Ben aufgetragen, sich die Informationen, die Vestara ihnen gegeben hatte, als Erster durchzulesen, in der Annahme, dass diese Aufgabe seinen Sohn von dem zugegebenermaßen attraktiven Mädchen in seinem Alter ablenken würde, das auch weiterhin auf so engem Raum mit ihnen zusammenleben würde. Er machte sich keine Sorgen über Bens Gefühlslage, was die Macht betraf. Ben hatte in seinem kurzen Leben schon mehr durchgemacht als die meisten Wesen im Laufe eines Daseins, das Jahrhunderte währte. Dass er durch Versprechungen von Macht oder Ruhm in Versuchung geführt wurde – den üblichen Werkzeugen, die jene einzusetzen pflegten, die Jedi zu korrumpieren gedachten –, war nicht sonderlich wahrscheinlich.
Allerdings, erkannte Luke, bestand durchaus die Möglichkeit, dass Ben künftig hin und wieder ein bisschen durcheinander sein würde. Vestara war atemberaubend hübsch und hatte vermutlich Dinge durchgemacht, die mit denen vergleichbar waren, die Ben erlebt hatte. Und die Macht war ausgesprochen stark in ihr – tatsächlich sogar außergewöhnlich stark. Das war eine Mischung, die in jedem Vater zumindest ein wenig Sorge um das Wohlergehen seines Jedi-Sohns weckte.
Auf der Schatten war es still, die Luft schwanger von all dem »Nichtreden«, das das Schiff gegenwärtig beherrschte. Die einzigen Geräusche waren Vestaras beinahe unhörbares Seufzen und die gelegentlichen Laute, die Ben verursachte, wenn er in seinem Sessel sein Gewicht verlagerte, während er die Daten las und gelegentlich Querverweise darin aufrief.
Aus diesem Grund klang das plötzliche Geräusch, mit dem eine eingehende Nachricht angezeigt wurde, besonders laut. Niemand machte wirklich einen Satz, doch sie alle befiel ein Gefühl der Überraschung. Luke warf einen Blick auf den Bildschirm und runzelte leicht die Stirn. Auf dem Monitor blinkten drei Worte.
VESTARAKHAI, PERSÖNLICH.
Soweit es Luke betraf, hätte dort ebenso gut ACHTUNG, ANGRIFFEINGELEITET stehen können.
»Von wem ist die Nachricht, Dad?«
»Ich weiß es nicht. Aber sie ist für unseren Gast. Weißt du, wer sich mit dir in Verbindung setzen wollen würde, Vestara?«
Vestara wirkte ehrlich überrascht. Luke fühlte ein schwaches Aufflackern von Besorgnis in der Macht, wie das Echo eines Flüsterns. »Ich habe keine Ahnung«, behauptete sie, und es klang aufrichtig. »Kann ich hier irgendwo ungestört …«
»Ich kann nicht zulassen, dass du eine private Botschaft erhältst, insbesondere nicht von jemandem, der nicht bereit ist, sich zu erkennen zu geben«, sagte Luke sachlich.
Vestara nickte. »Natürlich nicht. Wäre ich an Eurer Stelle, würde ich ähnliche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen.«
Luke legte einen Schalter um. »Hier spricht die Jadeschatten. Wir wenden uns hiermit an den anonymen Sender der gerade empfangenen, für Vestara Khai bestimmten Nachricht. Ich bitte um Verständnis, dass ich ihr nicht erlauben kann, eine vertrauliche Botschaft entgegenzunehmen.«
Ein langes Schweigen folgte. Luke konnte spüren, wie junge Ohren größer wurden. Dann tauchte auf dem Schirm eine weitere Nachricht auf, an LUKESKYWALKER adressiert.
DIESENACHRICHTKANNÖFFENTLICHABGESPIELTWERDEN.
»Sieh an, ein vernünftiger Sith«, murmelte Luke und betätigte einen anderen Knopf an der Konsole. »Was kommt wohl als Nächstes?«
Eine kleine holografische Figur nahm Gestalt an. Es handelte sich um einen Menschen, der die traditionellen schwarzen Sith-Gewänder trug. An seinem Gürtel hing ein Lichtschwert altertümlich wirkender Bauart. Sein langes, dunkles Haar war zu einem Knoten hochgesteckt. Sein Antlitz war kantig und attraktiv.
Vestaras überraschtes, schweres Atmen gab ihre Gefühle preis, doch die Macht verriet sie sogar noch deutlicher. Da war ein Ansturm warmer, liebvoller Gefühle, die rasch unterdrückt wurden, als wäre ein Deckel auf einen Topf gesetzt worden. Lukes Blick wanderte zu dem Mädchen und dann zurück zum Hologramm. Beide wirkten, als würden sie angestrengt versuchen, nicht zu lächeln, auch wenn Vestara wegen der kleinen Narbe an ihrem Mund häufig aussah, als würde sie lächeln, selbst wenn sie es nicht tat.
»Tochter, wie ich sehe, bist du wohlauf.«
Lukes Augen weiteten sich. Tochter?
Vestara verneigte sich. »Vater, du hast recht. Mir geht es gut. Es ist schön, dich zu sehen. Ich bin erfreut, dass du zu jenen gehörst, die zu Ehren dieser Mission ausgewählt wurden.«
»Wie es scheint, hast du dem Stamm bereits alle Ehre gemacht«, meinte der ältere Khai. »Wie ich höre, bist du die einzige Überlebende des … ersten Erkundungsteams.«
»Vielen Dank, Vater. Ich war stets bestrebt, das Ansehen unseres Hauses zu mehren.«
»Meister Skywalker«, wandte sich Khai an Luke, »mir ist bekannt, dass Ihr meiner Tochter Eure großzügige Gastfreundschaft zuteilwerden lasst.«
»So … kann man das auch nennen«, erwiderte Luke.
»Und dass Hochlord Taalon eingewilligt hat, ihr Eure Gastfreundschaft auch weiterhin zu gewähren – ungeachtet der entgegengesetzten Wünsche ihres Vaters.«
»Sehen wir den Tatsachen ins Auge«, sagte Luke. »Sith und Jedi passen nicht sonderlich gut zusammen. Wenn man uns zusammensteckt, sind wir in etwa so unbeständig wie Tibannagas. Wenn Ihr vorläufig mit elf Jedi-Gefährten verbündet wäret und sich mein Sohn an Bord Eures Schiffs befände … Nun, dann würdet Ihr ihn vermutlich auch gern noch eine Weile bei Euch haben wollen.«
Khai dachte einen Moment lang darüber nach, ehe er langsam nickte. »Wohl wahr. Ihr habt Euren Standpunkt deutlich gemacht, und nichts daran ist unklug. Ihr habt versprochen, dass ihr kein Leid geschehen wird. Ich bin mir sicher, wenn Luke Skywalker sein Wort darauf gibt, dann wird ihr auch nicht ein einziges Haar gekrümmt«, sagte Khai. Seine Stimme war melodisch, wohltönend und schön wie die Stimme jedes Angehörigen dieses vergessenen Stammes, dem sie bislang begegnet waren.
»Dann scheint es mir, als hätten wir nichts weiter zu bereden«, meinte Luke. »Verabschiedet Euch voneinander und …«
»Dad?«
Luke runzelte ein wenig die Stirn und drehte sich zu Ben um. »Ja?«
Ben wies mit dem Kopf unmerklich in Richtung des Hologramms, und Luke stellte den Ton aus. »Ich weiß, dass wir sie ihnen nicht einfach überlassen können«, sagte Ben und schaute über die Schulter zu Vestara hinüber, die das Gespräch zwischen den beiden Vätern so stumm wie ein Grab verfolgt hatte. »Aber was kann es schon schaden, sie ein paar Minuten miteinander reden zu lassen?«
»Viel«, entgegnete Luke. »Das weißt du.« Keiner von ihnen hatte sich je die Mühe gemacht, ihren Argwohn vor Vestara zu verbergen, und Luke hatte nicht die Absicht, daran jetzt etwas zu ändern.
»Aber … du hast es selbst gesagt: Was, wenn es um mich ginge?« Bens blaue Augen waren durchdringend. »Was, wenn die Situation umgekehrt wäre und Vestaras Dad mich in seiner Gewalt hätte? Ein Hologramm ist gut und schön, aber du weißt, dass nichts besser ist, als jemanden leibhaftig vor sich zu haben. Und es ist offensichtlich, dass die beiden einander vermissen.«
Das ließ sich nicht leugnen. »Eine private Unterhaltung würde es ihr ermöglichen, alles weiterzugeben, was sie von uns erfahren hat«, erinnerte Luke ihn.
Ben verdrehte verzweifelt die Augen. »Dad, sehen wir den Tatsachen ins Auge – das hat sie bereits getan! Woher sollten die Sith sonst über die durchdrehenden Jedi Bescheid wissen?«
Luke schaute Vestara an. Er erwartete kein verlegenes Grinsen oder Nicken – selbst wenn Sith auf die Probe gestellt wurden, neigten sie nicht dazu, einfach fügsam ihr Blatt aufzudecken –, doch ebenso wenig unternahm sie ernsthaft den Versuch, Ben zu widersprechen. Sie war ein intelligentes Mädchen.
Er antwortete Ben nicht, stattdessen drehte er sich zur Konsole um und aktivierte den Audiokanal wieder. »Da ich bereit bin einzugestehen, dass selbst Nexus sich um ihre Jungen sorgen, gestatte ich Euch, Vestara einen kurzen Besuch abzustatten. Ich biete beiden Khais meine Gastfreundschaft an. Euch ist erlaubt, an Bord der Jadeschatten zu kommen, allein und ohne Waffen.« Er wusste genauso gut wie Khai, dass kein erfahrener Machtnutzer Waffen brauchte, um eine tödliche Gefahr darzustellen. Doch ihm Waffen zu verbieten, würde diesem arroganten Sith zumindest einen kleinen Dämpfer verpassen. »Jeder Hinweis auf Verrat Eurerseits führt dazu, dass dieses Bündnis wieder aufgekündigt wird.«
Khai runzelte die Stirn. Er hatte offensichtlich Mühe, seine Verärgerung im Zaum zu halten. »Es würde mir nicht im Traum einfallen, irgendetwas zu tun, das einer Allianz schadet, die Höhergestellte für notwendig erachten.«
»Da Ihr offenbar einfach ein besorgter Vater seid, der es kaum erwarten kann, wieder mit seinem Kind vereint zu sein, werde ich mich dem mit Sicherheit nicht in den Weg stellen.«
Die beiden Männer studierten einander einen langen Augenblick. Aus dem Augenwinkel sah Luke, dass Ben und Vestara Blicke wechselten und sein Sohn näher an sie herantrat. Es wirkte, als wolle er ihr eine Hand auf die Schulter legen, doch kurz davor zögerte er.
Khai war gut. Er ließ sich nichts von dem anmerken, was in seinem Innern vorging. Schließlich sagte er: »Eure Bedingungen sind akzeptabel.«
Kurz darauf machte Khais kleines, kapselförmiges Schiff an der Andockschleuse der Jadeschatten fest. Die Schleuse befand sich an der Unterseite der Schatten. Vestara, Ben und Luke erwarteten ihn, als er aus der Verbindungsröhre auftauchte.
Nicht ganz unerwartet, war Khai eine beeindruckende Persönlichkeit, sowohl körperlich als auch in der Macht. Er war groß, viel größer als Luke, und wenn auch nicht massig, so doch zweifellos muskulös. Luke schätzte, dass er in den frühen Vierzigern war, doch in seinem pechschwarzen Haar zeigte sich keine Spur von Grau, und die Linien in seinem Gesicht schienen eher Konzentrationsfurchen oder Lachfältchen zu sein als Zeichen des Alters.
Khais Gürtel war frei von Waffen, und Scans, die selbst das kleinste bisschen Metall an seiner Person aufgespürt hätten, hatten nichts registriert. Er zögerte, bevor er vollends an Bord der Schatten kam und seine Hände spreizte. Sie waren kräftig und schwielig, mit langen, geschickt wirkenden Fingern.
»Schwert Gavar Khai«, sagte der Sith und verbeugte sich. »Bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen.«
»Erlaubnis erteilt. Ich bin Meister Luke Skywalker. Dies ist Ben Skywalker, Jedi-Ritter und mein Sohn. Und natürlich Vestara.«
Vestara hielt ihre Gefühle im Zaum. Abgesehen vom hellen Glanz in den Augen wirkte sie gefasst, beinahe gelangweilt. Sie verneigte sich – tief, respektvoll.
»Vater.«
Schwert – was immer das bedeutete – Gavar Khai breitete die Arme aus, und Vestara ließ sich von ihnen umfangen. Einen kurzen Moment lang waren sie einfach Vater und Tochter, wiedervereint, und Luke verspürte ein flüchtiges Aufflackern von Verlegenheit, das er rasch unterdrückte. Sie mochten vielleicht Vater und Tochter sein, und Luke war gewillt, ihnen zuzugestehen, dass es zwischen ihnen sogar so etwas wie Familienliebe gab, aber sie waren immer noch Sith. Wahrscheinlich kämpften sie ziemlich gut als Vater-Kind-Team, genau wie er und Ben.
Vestara trat zurück und hielt das Gesicht von Luke und Ben abgewandt, bis sie ihre Maske wieder aufgesetzt hatte.
»Habt Dank, dass Ihr mir erlaubt, sie zu sehen«, sagte Khai, die Arme noch immer um die Schultern seiner Tochter gelegt. »Ihre Mutter und ich haben sie sehr vermisst.«
Diese Bemerkung sorgte dafür, dass Luke hundert andere Fragen in den Sinn kamen, doch er nahm nicht an, dass auch nur eine einzige davon beantwortet werden würde. Zumindest nicht ehrlich.
»Ich bin selbst Vater. Ich weiß, wie das ist«, entgegnete er stattdessen. »Wenn Ihr wünscht, könnt Ihr beide Euch gern in mein Quartier zurückziehen, um Euch miteinander zu unterhalten. Wenn auch nicht allzu lange.«
Vestara sah zuerst Luke und dann Ben an. Ben zuckte leicht die Schultern.
»Habt Dank«, wiederholte Gavar Khai. »Das ist überaus freundlich von Euch. Unser Geplauder über Vestaras Mutter, die Dienerschaft und die Zustände daheim würde Euch vermutlich ohnehin nicht interessieren.«
»Das bezweifle ich ebenfalls sehr«, meinte Luke. Beide Männer lächelten. Beide wussten, dass jede Erwähnung der Mutter, der Diener oder der Zustände daheim allenfalls beiläufig sein würde, falls diese Dinge tatsächlich zur Sprache kamen. Zwischen Sith wurden andere Angelegenheiten besprochen.
Luke wies auf seine Kabine, und die beiden Khais traten ein. Die Tür glitt zu, und Luke und Ben machten sich auf den Rückweg ins Cockpit.
»Wie kommt’s, dass du das gemacht hast?«, fragte Ben. »Ich dachte, du wärst gegen eine ungestörte Aussprache.«
»Ich sagte, sie könnten sich miteinander unterhalten. Ich habe nie gesagt, dass sie dabei ungestört sein würden.«
»Ich verstehe. Aber das wird uns nichts nützen. Ich meine … Khai verhält sich ausgesprochen höflich, aber er wird wohl nicht gerade Basic sprechen, bloß damit wir sie besser belauschen können.«
»Nein. Sie werden sich in jener Sprache unterhalten, die wir Vestara zuvor haben sprechen hören.« Luke legte einen Schalter um. Gavar Khais Stimme war zu vernehmen – er sprach mit trällerndem Tonfall –, dann Vestaras Stimme, hell und melodisch.
»Hübsch«, kommentierte Ben, und Luke war sich nicht sicher, ob er damit die Sprache oder Vestaras Stimme meinte. »Aber was soll das Ganze? Wir haben keine entsprechenden Bezüge in den Datenbanken. Wir können das unmöglich übersetzen.«
Luke bedachte ihn mit einem Grinsen. »Nein, können wir nicht. Aber ich kenne jemanden, der es kann.«
»Sie werden alles aufzeichnen, was wir sagen«, warnte Vestara.
»Natürlich werden sie das. Genau das würde ich auch tun. Aber sie haben noch nie zuvor Keshiri gehört. Ich bezweifle, dass es ihnen gelingen wird, unsere Unterredung schnell genug zu übersetzen, dass es für sie von irgendeinem Nutzen sein wird.«
Vestara nickte. »Dies ist kein Diplomatenschiff«, stimmte sie zu.
»Hat man dir freien Zugang zu allen Bereichen gewährt?«, fragte Khai, griff in sein Gewand und holte einen Bogen Flimsi und ein Schreibutensil hervor. Als Vestara nickte, sagte er: »Gut. Zeichne alles für mich auf, während wir uns unterhalten!«
Vestara gehorchte unverzüglich, legte das Flimsi auf ein flaches Möbelstück und skizzierte den Grundriss der Schatten. Sie vernahm ein leises Rascheln und drehte sich neugierig um. Ihr Vater griff in seine Robe, suchte nach etwas, und einen Moment später tauchte die Hand wieder auf.
Er hielt ihr einen Shikkar hin.
Vestara lächelte. Natürlich. Die Sensoren hatten keine Waffe registriert, weil der Shikkar komplett aus Glas bestand. Sie erkannte diesen hier als ein Stück aus der Privatsammlung ihres Vaters, eine Arbeit, die von einem der berühmtesten Shikkar-Glasmacher überhaupt hergestellt worden war: von Tura Sanga. Sangas Werk war unverwechselbar, und dieses Stück bildete da keine Ausnahme. Der Shikkar war schmal und elegant, schlicht schwarz-weiß, der Griff schlank und lang, die Klinge kaum so breit wie ein Finger. Doch die Fragilität der Waffe täuschte. Die einzige Schwachstelle war der Punkt, wo die Klinge ins Heft überging – ein rascher Bruch würde beides voneinander trennen. Vestara fragte sich, gegen wen sie den Shikkar einsetzen würde. Gegen Ben? Gegen den berühmten Luke Skywalker persönlich? Vielleicht, wenn sie Glück hatte. Immerhin hatte sie ihm schon einmal einen Schnitt verpasst. Das konnte sie wieder tun, sollte sich die Gelegenheit dazu ergeben. Sie nahm die edle Waffe mit einem demütigen Dankesnicken entgegen und verstaute sie sorgsam unter ihrem eigenen Gewand.
»Wie geht es Mutter?«, fragte sie.
»Alles in Ordnung. Sie vermisst dich, ist aber stolz auf das, was du tust.«
Vestara lächelte ein wenig. »Das freut mich. Ich strebe stets danach, euch mit Stolz zu erfüllen.« Und danach, ein Schwert wie du zu werden … oder sogar noch höher als du aufzusteigen. Sie versuchte nicht, ihre Gefühle vor ihrem Vater zu verbergen. Er begrüßte ihren Ehrgeiz und würde es ihr nicht übel nehmen.
»Auf Dathomir hast du gute Arbeit geleistet«, fuhr Gavar fort. »Und obwohl deine Meisterin tot ist, wurde dir gewährt, nach wie vor den Rang einer Schülerin zu bekleiden. Wir werden dir einen neuen Meister suchen, sobald diese Angelegenheit mit Abeloth und den Skywalkers vorüber ist. Ich bin sicher, viele werden begierig darauf sein, dich zu unterweisen.«
Vestara nahm noch ein wenig mehr Haltung an, sonnte sich in diesen Worten ihres Vaters. »Die sogenannten Nachtschwestern, die wir gefangen genommen haben, werden auf ihre Fähigkeiten und Machtstärken hin untersucht«, fuhr ihr Vater fort.
»Sie fügen sich dem freiwillig?« Vestara war überrascht.
»Einige schon, die meisten nicht.« Gavar zuckte mit den breiten Schultern. »Doch das ist nicht von Belang. Entweder tun sie, was wir von ihnen verlangen, oder sie leiden. Und ein wenig Leid hat schon so manchen dazu gebracht, seine Meinung zu ändern.« Er lächelte. »Und so hat eine weitere Welt dem Stamm das gegeben, was wir brauchen, wenn wir weiter erstarken und uns über diese Galaxis ausbreiten wollen.«
Vestara nickte. »Ich bin froh, dass sie sich als nützlich erweisen.« Sie warf ihm über die Schulter einen Blick zu. »Die Schüler … Wie geht es ihnen?«
Einen Moment lang schaute er verwirrt drein. »Schüler?«
»Denen, die Abeloth verrückt werden ließ«, ergänzte Vestara.
Khai schmunzelte. In der Macht strahlte warme Zuneigung von ihm aus. »Meine liebste Tochter, mit den Sith-Schülern des Stammes liegt nichts im Argen, was eine gute Tracht Prügel nicht kurieren könnte.«
»Aber …«
»Ich weiß, was Taalon Skywalker erzählt hat. Das ist ein vollkommenes Hirngespinst, und die Idee dazu hast du uns geliefert, mein kluges Mädchen. Wir brauchten einen guten Grund dafür, dass sich die Skywalkers mit uns verbünden, und es machte Sinn zu behaupten, dass unsere Schüler dasselbe Schicksal erleiden wie die Jedi-Ritter.«
»Ich verstehe«, entgegnete Vestara. Das war ein ausgezeichneter Plan, einer, der genau auf die idealistische Natur der beiden Skywalker-Männer zugeschnitten war. Die Sache klang vernünftig genug, dass sogar sie selbst die Geschichte geglaubt hatte, obwohl sie es eigentlich besser hätte wissen müssen. »Also … Was ist der wahre Grund dafür, dass wir uns mit ihnen verbünden?«
Gavar warf ihr einen durchtriebenen Blick zu. »Bislang hast du deine Zunge gut im Zaun gehalten und deine Gefühle wohl behütet. Doch ich denke, dass wir uns diese Information vielleicht besser für später aufheben sollten.«
Einen Moment lang stieg in Vestara ein dunkler Funken der Verstimmung auf, doch sie löschte ihn fast so schnell wieder, wie er aufkam. Sie war sich ziemlich sicher, dass ihr Vater nichts davon bemerkt hatte. »Natürlich. Wie du es für richtig hältst.«
»Ich teile deinen Kummer bezüglich Lady Rhea und Ahri Raas«, fuhr Gavar das Thema wechselnd fort. Vestara legte leicht die Stirn in Falten, während sie an der Zeichnung arbeitete und eine ungenaue Linie mit den Fingern verschmierte. Sie durfte nicht vergessen, sie zu waschen, bevor sie Lukes Kabine verließ.
Sie hatte Lady Olaris Rhea respektiert und ihr eine gesunde Furcht entgegengebracht. Sie war ihr treu ergeben gewesen, wie es sich für eine anständige Sith-Schülerin gegenüber ihrer Meisterin geziemte. Doch zwischen ihnen gab es keine Zuneigung. Vestara trauerte um Ahri, auch wenn es einen Punkt gegeben hatte, an dem sie bereit gewesen war, ihn falls nötig persönlich zu töten. Lady Rheas Worte kamen ihr wieder in den Sinn: Begehre alles, was du dir wünschst – verzehre dich danach, brenne darauf, wenn dich das antreibt. Aber liebe nie jemanden oder etwas so sehr, dass du es nicht ertragen kannst, diese Liebe zu verlieren.
»Sie hatten einen guten Tod durch die Hände der Skywalkers«, war alles, was sie zu ihrem Vater sagte. »Du hast sie kennengelernt. Du weißt, dass es keine Schande ist, im Kampf gegen sie zu fallen.«
»Stimmt«, bestätigte Gavar Khai, trat neben sie und drückte liebevoll ihre Schulter, während er die Skizze betrachtete. »Aber ich würde es dennoch vorziehen, wenn keiner von uns gegen sie fiele.«
Vestara grinste. »Dem schließe ich mich an.«
»Meine Entscheidung hierherzukommen, war vernünftig. Allein schon durch unsere kurze Begegnung eben habe ich viel über sie erfahren. Die Reise, die vor uns liegt, wird uns reichlich Gelegenheit verschaffen, noch mehr in Erfahrung zu bringen.«
Vestara prüfte kritisch ihre Skizze. Sie fügte einige weitere Notizen hinzu. »Ich werde euch weiterhin alles mitteilen, was ich herausfinde.«
»Womöglich gelingt es dir, sogar noch mehr zu tun als das … oder dich vielleicht sogar ein wenig mit ihnen anzufreunden.«
Als sie fertig war, reichte Vestara ihrem Vater die Zeichnung und machte sich am Waschbecken die Hände sauber. »Ich werde tun, was ich kann, aber ich bin eine Sith und ihre Gefangene. Alles, was ich bislang von ihnen erfahren habe, waren ausschließlich Dinge, von denen sie wollten, dass ich sie weiß, oder gelegentlich etwas durch einen unbeabsichtigten Ausrutscher.«
Khai drehte sich um und sah sie an, die Hände auf ihren Schultern. »Ich bin geneigt, darauf zu wetten, dass diese Ausrutscher nicht Meister Luke Skywalker unterlaufen sind.«
Etwas am Tonfall seiner Stimme ließ Vestara schlagartig aufmerken. »Nein«, sagte sie. »Es war Ben, der mir das meiste erzählt hat.«
»Du fühlst dich zu dem Skywalker-Jungen hingezogen.«
Das war eine Feststellung, keine Frage, und Vestaras Magen krampfte sich zusammen. Sie wollte es leugnen, aber das hier war ihr Vater, der sie besser kannte als irgendjemand sonst. Selbst ohne die Macht einzusetzen, würde er wissen, wenn sie ihn in dieser Sache belog.
»Ja, das tue ich«, gestand sie leise ein, ohne ihm in die Augen zu sehen. »Ich fühle mich zu ihm hingezogen. Es tut mir leid. Ich werde mein Bestes tun, um …«
Khai hob ihr Kinn mit einem Finger an. »Nein, das wirst du nicht.«
»Ich …« Vestara wusste nicht, was sie sagen sollte. So hatte sie nichts mehr aus der Bahn geworfen, seit sie das erste Mal getötet hatte – als es sie überrascht hatte, wie schwer es ihr gefallen war, wie viel Blut es dabei gab und wie das Gefühl, aus nächster Nähe das Leben des Opfers aus ihm entweichen zu sehen, sie verunsichert hatte.
»Womöglich ist das für uns von Nutzen«, fuhr Gavar Khai fort. »Ich möchte gewiss nicht, dass du dich in Ben Skywalker verliebst. Aber falls du aufrichtige Zuneigung oder Verlangen für ihn empfindest, solltest du keine Angst davor haben, ihn das spüren zu lassen. Besonders wenn er deine Gefühle in der Macht wahrnehmen kann, wird er wissen, dass sie echt sind, und das wird ihn angreifbar machen. Er wird anfangen, die eigene Deckung aufzugeben, dir mehr erzählen, dir stärker vertrauen. Das kannst du dir zunutze machen.« Seine Augen leuchteten auf, als ihm ein Gedanke kam. »Vielleicht gelingt es dir ja sogar, ihn zu bekehren.«
»Zur Dunklen Seite?« Bei diesem Gedanken durchfuhr Vestara ein seltsamer kleiner Ruck, den sie als … Hoffnung identifizierte. Wenn Ben zum Sith wurde, würde sie sich keine Sorgen wegen der wachsenden Gefühle machen müssen, die sie für den Skywalker-Jungen hegte. Dann würde alles gut sein. Dann würden sie auf derselben Seite stehen – gemeinsam kämpfen, gemeinsam töten, die Pläne des Stammes vorantreiben, die Galaxis zu beherrschen. Sie war sich sicher, dass Ben eines Tages so mächtig werden würde wie sein Vater. Womöglich wurde er sogar ein Lord – oder ein Hochlord. Sie …
Das nachsichtige Schmunzeln ihres Vaters riss sie aus ihrer Tagträumerei. »Diese Hoffnung teile ich. Ben Skywalker als Sith wäre ein glorreicher Gewinn für unsere Familie, und du könntest dann sämtliche Freuden mit ihm teilen. Aber falls es dir nicht gelingt, ihn zu bekehren, musst du dazu bereit sein, mit ihm zu spielen. Zumindest bis die Zeit kommt, da er für uns nicht länger von Nutzen sein wird.«
Vestara nickte. »Ich verstehe, Vater. Du musst dir um mich keine Sorgen machen.«
Er musterte sie einen langen Augenblick. »Ich musste nie Hand an dich legen, um dich zu bestrafen, Kind. Du hast dich stets selbst übertroffen. Die Dunkle Seite treibt dich zum Erfolg, drängt dich aufzusteigen.« Er legte die Hände auf ihre Schultern und drückte sie leicht, voller Zuversicht. »Vestara, du bist eine wahre Khai. Ich weiß, dass du mich auch diesmal nicht enttäuschen wirst.«
Das viele Lob sorgte dafür, dass sie sich noch weiter aufrichtete, während sie die Worte ihres Vaters in sich aufsog und in der Macht schwelgte, die – unausgesprochen – dahinterlag. Einst hatte sie davon geträumt, eine Lady zu werden, doch jetzt kannte ihr Ehrgeiz keine Grenzen mehr. Das Schicksal – oder die Dunkle Seite – hatte sie zu den Skywalkers geführt. Sie ihr direkt in die Hände gespielt – sprichwörtlich und im übertragenen Sinne. Sie würde sicherstellen, dass sie aus dieser Gelegenheit ihren Vorteil zog.
Für ihre Familie, für den Stamm – und für sich selbst.
2. Kapitel
AN BORD DER JADESCHATTEN
»Ich freue mich nicht sonderlich darauf, in den Schlund zurückzukehren«, sagte Ben geradeheraus. »Unser erster Besuch dort war schon heikel genug.«
»Nun«, meinte Luke nachsichtig, »da du schon dort warst, weißt du ja, was dich erwartet.«
Ben verzog das Gesicht. »Das bedeutet nicht, dass es die Sache diesmal in irgendeiner Form einfacher macht.«
Vestara nickte. »Stimmt. Wir hatten ebenfalls Schwierigkeiten.«
Luke kratzte sich nachdenklich am Kinn. Tadar’Ro, einer der Aing-Tii, hatte ihnen eine sichere Route durch den Schlund verraten, um zu dem Ort zu gelangen, zu dem sich Jacen Solo vor so vielen Jahren begeben hatte. Allerdings hatte er ihnen die Wegbeschreibung in Form eines Rätsels präsentiert – nicht weiter überraschend, wenn man bedachte, dass es den Aing-Tii gefiel, sich selbst mit Mysterien zu umgeben. »Der Pfad der Erleuchtung führt durch den Abgrund vollkommener Dunkelheit. Der Weg ist schmal und trügerisch, doch wenn du ihm folgen kannst, wirst du finden, was du suchst.« Tatsächlich war es Ben und Luke gelungen, dem »Pfad der Erleuchtung« zu folgen, obgleich der Weg wahrhaft trügerisch gewesen war: Ihre Reise hatte sie zwischen zwei Schwarzen Löchern hindurch in eine Region geführt, die als Stabile Zone Eins bekannt war, auch wenn »stabil« eine nicht ganz zutreffende Bezeichnung dafür war. Ben war derjenige gewesen, dem die Navigation der Raumyacht zufiel, und obgleich es ihm gelungen war, sämtliche Hindernisse durch eine Kombination aus guten Pilotenfähigkeiten und dem Vertrauen auf seine Verbundenheit zur Macht zu meistern, war es dennoch ein nervenaufreibender Flug gewesen. Auch Luke freute sich nicht darauf, das Ganze zu wiederholen, insbesondere nicht darauf, sich Gedanken darüber machen zu müssen, dass ein Dutzend anderer Schiffe die Reise ebenfalls alle unbeschadet überstand.
»Ich frage mich, ob wir uns womöglich ein wenig Hilfe holen sollten«, sagte er schließlich. »Ich habe einen alten Freund, der in der Nähe des Schlunds lebt und uns vielleicht ein Schiff leihen könnte.«
Wie ein Nexu, der Gefahr witterte, war Vestara schlagartig auf der Hut. »Noch mehr Schiffe? Ihr fordert Verstärkung an?«
»Ich sagte, ein Schiff. Einen spezialisierten Asteroidenschlepper, der uns dabei helfen könnte, den Schwerkraftsog der Schwarzen Löcher zu kompensieren. Das Ding ist groß und mit mehr Traktorstrahlemittern ausgestattet, als erlaubt sein sollten. Ich habe einen Freund, der ausgesprochen versessen auf Spielereien und den neuesten technischen Schnickschnack ist.«
»Oh, Lando?« Ben war gleichermaßen erfreut wie amüsiert. »Dann fliegen wir nach Kessel?«
Vestara hörte aufmerksam zu und prägte sich alles ein. Luke kümmerte es nicht. Er versuchte nicht, diese Information vor irgendjemandem geheim zu halten.
»Hoffentlich nicht nach Kessel«, gab er seinem Sohn zurück. »Vielmehr hoffe ich, dass Lando zu uns kommt und sich beim Schlund mit uns trifft, damit wir so schnell wie möglich weiter vorrücken können. Ich will das Ganze nicht länger hinauszögern als unbedingt nötig.« Sein Tonfall wurde nicht hart, aber entschlossen. »Je länger diese Kreatur in ihrem Bau lauert, desto stärker wird sie werden – und desto mehr Schaden kann sie anrichten. Wir müssen sie so bald wie möglich aufhalten, aber wir dürfen nicht vergessen, dafür zu sorgen, dass wir jeden möglichen Vorteil auf unserer Seite haben.«
»Nun«, fragte Ben mit einem Blick auf Vestara, »wäre Verstärkung dann nicht doch eine gute Idee? Es gibt keine gerichtliche Verfügung, die es Lando verbieten würde, dich zu begleiten. Er ist kein Jedi. Warum kann er uns nicht helfen?«
»Ich denke, sobald wir zu Abeloth gelangen, können wir sie mit vereinten Kräften in die Schranken weisen«, meinte Luke. »Alles, was wir wirklich brauchen, ist die Felshund, um uns sicher dorthin zu bringen.«
Vestaras braune Augen verzogen sich zu Schlitzen. »Es kommt mir töricht vor, dass Ihr die Beziehungen Eures Freundes nicht zu Eurem Vorteil nutzt, Meister Skywalker. Wenn er uns für unser Unterfangen noch weitere Schiffe zur Verfügung stellen würde, warum denn nicht?«
»Selbst wenn auf dem Tisch tausend verschiedene Leckereien liegen, braucht man nicht alle zu essen, um seinen Hunger zu stillen«, entgegnete Luke. »Vielleicht sind da noch andere, die ebenfalls etwas essen möchten.«
»Oder«, wandte Vestara ein, »Ihr entschließt Euch schon Sekunden später, noch mal zurückzukommen. Weil Ihr wieder hungrig seid.«
Ben zog eine Grimasse und sprang auf, um mit zielstrebigen Schritten in die Kombüse zu marschieren. »Dieses ganze Gerede über Essen hat mich jetzt hungrig gemacht. Möchte sonst noch jemand etwas?«
»Ich helfe dir«, bot Vestara rasch an und erhob sich. Die beiden verließen das Cockpit und gingen durch den Korridor zur Kombüse.
»Oh? Du kochst gern?«, fragte Ben und grinste sie beim Gehen an.
»Nein, ich jage gern«, entgegnete Vestara. »Ich bin ziemlich gut mit dem Parang. Außerdem hatten wir ausgebildete Jagdreptilien. Die Zubereitung der Mahlzeiten bleibt den Bediensteten überlassen.«
»Ich glaube, das, was dabei rauskäme, wenn Ce-Dreipeo eine Mahlzeit kochen würde, möchte ich mir gern ersparen. Kleine Appetithäppchen sind so ziemlich alles, was wir ihm zutrauen.«
»Wer ist Ce-Dreipeo?«
Ihre Stimmen wurden leiser, bis Luke sie schließlich nicht mehr vernahm. Er schickte eine kurze Nachricht an Tendrando Arms, und einen Moment später lächelte er – trotz der entsetzlichen Situation – die winzige holografische Gestalt von Lando Calrissian an. Selbst mit einer Größe von kaum dreißig Zentimetern wirkte Lando immer noch eindrucksvoll. Ihm fehlte der hüftlange Umhang, und das seidige rote Hemd sah einen Hauch legerer aus als üblich, doch seine Stiefel glänzten, und die scharfen Bügelfalten seiner schwarzen Hose waren selbst im Miniaturformat unverkennbar. Lando schien wirklich erfreut, ihn zu sehen, und breitete in einer begrüßenden Geste die Arme aus.
»Hey, Kumpel, lange nicht gesehen!«, sagte Lando fröhlich. »Ich hatte nicht erwartet, von dir zu hören, bevor du dieser verschrobenen alten Schachtel, die bei der GA das Sagen hat, gezeigt hast, dass sie auf dem falschen Dampfer ist.«
Als Luke Lando in dieser Weise über Admiralin und Staatschefin Natasi Daala reden hörte, musste er sich ein Grinsen verkneifen. »Ich weiß Staatschefin Daalas Führungsqualitäten durchaus zu schätzen.«
»Das musstest du sagen, für den Fall, dass wir abgehört werden, richtig?« Lando grinste, und seine Augen tanzten.
»Schon möglich«, erwiderte Luke mit ausdrucksloser Miene.
»Wie ich höre, bist du mit deinem Jungen zu so einer Art Odyssee aufgebrochen.«
»Etwas in der Art«, sagte Luke. »Es ist schön, dich zu sehen, Lando, aber ich melde mich nicht nur, um ein Schwätzchen mit dir zu halten. Ich muss dich um einen Gefallen bitten.«
»Für Luke Skywalker? Schieß los!«
»Ich brauche die Felshund.«
Landos rabenschwarze Augenbrauen schossen in die Höhe. »Die Felshund?«, echote er. »Was lässt dich annehmen, dass ich diese ramponierte Antiquität immer noch besitze?«
»Weil deine nostalgische Ader tausend Kilometer breit ist. Weil das Ding eins von nur drei Schiffen der BramDorc-Gesellschaft ist, die es noch gibt. Und weil du nie irgendwas ausrangierst.«
Lando zuckte mit einer gewissen Selbstmissbilligung die Schultern und lachte verstohlen. »So bin ich nun mal. Du hast mich erwischt. Ja, ich habe das Baby noch. Ich nehme an, es gibt da ein paar Asteroiden, die du aus dem Weg haben willst?«
Die Felshund war ein Asteroidenschlepper der Koloss-I-Betareihe, der von der längst nicht mehr existierenden BramDorc-Gesellschaft gebaut wurde. Abgesehen von der Tatsache, dass das Unternehmen irgendwo in den Unbekannten Regionen beheimatet und auf Schwerlastschiffe spezialisiert gewesen war, wusste man kaum etwas darüber. Etwa fünf Jahre vor der Schlacht von Yavin war die Firma praktisch spurlos aus den galaktischen Aufzeichnungen verschwunden. Luke hatte recht – es gab bloß noch zwei andere Schiffe, die von BramDorc hergestellt worden waren: einen Wasserjäger, der die Bezeichnung Eisbrecher trug, und einen auf den amüsanten Namen Windbeutel getauften Tibanna-Flüssiggastanker, der zur Orbitalfestung eines zweitklassigen Hutt-Verbrecherlords umgebaut worden war.
Luke wusste, dass das alte Schiff eigentlich längst in ein Museum gehörte, wie die Eisbrecher, die jetzt im Raumschiffmuseum von Neu-Brampis ausgestellt war – entweder dahin oder auf einen Schrottplatz. Niemand wusste genau, wie alt die Felshund war, obgleich der Schlepper in den arkanianischen Orbitalprotokollen bereits 524 Jahre vor der Schlacht von Yavin erstmals Erwähnung fand. Damals, in seinen jüngeren Tagen als Schürfer, hatte Lando die Felshund viele Jahre lang allein geflogen. Eines Abends, als die Kinder tief und fest schliefen und ihre beiden Frauen zu Bett gegangen waren, hatte Han eine ganze Menge Dinge erzählt, die er an dem Schiff amüsant fand …
Mara, ich vermisse dich noch immer, und ich schwöre, ich habe jetzt gerade das Gefühl, dass du hier bei mir bist.
… und Luke hatte nichts davon vergessen. Da war zum Beispiel die interessante Tatsache, dass er die Felshund – wie es auch bei mehreren anderen Schiffen in Landos Besitz der Fall zu sein schien – nach einem epischen, sechs Stunden währenden Armdrücken von einem Brubb-Schürfer gewonnen hatte. Durch einen Wettkampf, der, wie Han andeutete, möglicherweise nicht ganz koscher verlaufen war. Ein weiteres faszinierendes Schmankerl war der Umstand, dass die Besatzung komplett aus Droiden mit einer recht einzigartigen Programmierung bestand. Han hatte sich geweigert, näher ins Detail zu gehen, um Lukes Fragen mit einem süffisanten, selbstzufriedenen Grinsen zu quittieren. Luke nahm an, dass er jetzt die Gelegenheit bekommen würde, selbst herauszufinden, worüber Han seinerzeit sprach.
»Eigentlich nicht«, erwiderte Luke. »Tatsächlich bin ich unterwegs in den Schlund.«
Landos fröhliche gute Laune, von der Luke mutmaßte, dass sie zum Großteil ihm zu verdanken war, ließ ein wenig nach. »In den Schlund? Warum? Das ist nicht gerade ein Urlaubsparadies.«
»Gewiss nicht«, stimmte Luke zu. »Aber es gehört zu dem, was ich momentan zusammen mit Ben mache. Wir stellen Nachforschungen über Jacens fünfjährige Reise an.«
Lando wurde ernst, sein Blick strahlte weiter Hilfsbereitschaft aus. »Ja, davon habe ich gehört.«
Nicht zum ersten Mal ging Luke durch den Kopf, dass Lando ziemlich geschickt darin war, eine gewisse angeborene Anständigkeit hinter seiner Draufgängerfassade zu verbergen, doch trotzdem war er nicht immer der großartige Bluffer, für den er sich selbst hielt. Die wenigen, die er seine Freunde nannte, lagen Lando Calrissian sehr am Herzen.
»Unser bisheriger Weg hat uns hierhergeführt. Und wir sind gekommen, um herauszufinden, ob sich etwas im Schlund aufhält … oder, um genauer zu sein, jemand … um den wir uns kümmern müssen«, fuhr Luke fort.
Lando nickte. »Ja … Ich habe mich schon gefragt, ob da drin irgendwas vor sich geht. Du hast von dem gehört, was hier auf Kessel passiert ist, oder?«
Das hatte Luke in der Tat. Leia hatte ihm von den seltsamen Erdbeben erzählt, die Kessel und damit »nebenbei« auch ganz Tendrando Arms zu vernichten drohten, ebenso wie alles und jeden auf dem Planeten. Außerdem hatte seine Schwester erwähnt, dass Allana durch die Macht etwas gehört hatte. Das Mädchen hatte darauf beharrt, dass »oben im All« etwas auf sie warten würde. Dieses Etwas wollte von ihr wissen, wer sie sei, und sei »traurig, aber unheimlich« gewesen. Gewiss, das Mädchen war kaum acht Jahre alt, doch sie war die Tochter von Tenel Ka und Jacen Solo, die Enkelin von Leia Organa Solo und die Urenkelin von Anakin Skywalker. Wenn irgendjemand von sich behaupten konnte, dass Machtempfänglichkeit in seinen Genen lag, dann Allana.
Sowohl Leia als auch Han waren davon überzeugt gewesen, dass ihre Enkelin die Wahrheit sagte, zumindest in dem Maße, wie sie das Ganze zu erfassen vermochte. Das war ein beunruhigender Gedanke. Mittlerweile war Luke sich sicherer als je zuvor, dass Abeloth diejenige gewesen war, die mit Allana Kontakt aufgenommen hatte.
Er nickte. »Ja, davon habe ich gehört. Doch momentan scheint es ja so, als wäre fürs Erste wieder alles stabil.«
»Fürs Erste, ja«, stimmte Lando zu. Er schaute einen Moment nachdenklich drein, und dann blitzte das verwegene Grinsen auf, das sein Markenzeichen war, als wäre ihm plötzlich klar geworden, dass das durchaus ein Grund zum Feiern war. »Und hey … ich schätze, mehr kann keiner von uns je erwarten, richtig?«
»So ist es wohl. Ich hatte ja keine Ahnung, dass du so tiefsinnig bist, Lando.«
Lando machte eine abtuende Handbewegung. »Erzähl das bloß nicht weiter! Wäre schlecht für meinen Ruf. Also, geht ihr zwei allein rein, nur du und Ben? Selbst mit der Felshund könnte das knifflig werden. Ich hasse den Schlund.«
»Um ehrlich zu sein, haben Ben und ich das Gebiet schon mit der Jadeschatten bewältigt, wenn auch nur knapp«, entgegnete Luke. »Doch als Teil eines Verbandes wird die Felshund besonders nützlich sein. Komm schon … Dieses Ding ist so riesig, dass es beinahe sein eigenes Gravimetriefeld erzeugt.«
Lando bedachte ihn mit einem neugierigen Blick. »Eines Verbandes?«
»Ich werde von einigen … Partnern begleitet.«
Selbst bei Holografiegesprächen verstand sich Lando darauf, hinter die Fassade anderer Leute zu blicken. Seine hellen Augen verengten sich, als er Luke musterte.
»Partner, ja? Was denn für Partner? Doch mit Sicherheit keine Schwindler und Halunken, die dem edelmütigen Luke Skywalker Gesellschaft leisten?«
Luke erwog, etwas dagegen einzuwenden, entschied sich dann aber dagegen. Er kannte Lando schon sehr lange, und der ehemalige Raumpirat befand sich sicherlich nicht in der Position, über Luke zu urteilen, wenn man an die Gesellschaft dachte, in der er sich einst zu tummeln pflegte – und es vermutlich immer noch tat.
»Ähm … Sie sind, also … Nun, eigentlich sind es Sith.«
Landos überraschte Miene hatte fast etwas Komisches an sich. Sein Mund klappte auf, die Augenbrauen schossen in die Höhe, und die sorgsam kultivierte Ich-habe-schon-alles-gesehen-Fassade sauste geradewegs zur Luftschleuse hinaus.
»S-Sith?« Er bekam das Wort kaum über die Lippen.
»Sith«, bestätigte Luke. »Eine ganze Menge davon. Das ist … eine lange Geschichte.«
»Was du nicht sagst. Tja, Skywalker, ich will diese Geschichte hören, zusätzlich zu meinem Honorar.«
Natürlich verlangte Lando überhaupt kein Honorar, und Luke verzog keine Miene. »Sobald ich mit dir darüber sprechen kann, werde ich es tun«, entgegnete er grinsend. »Also, ich nehme an, dass du mir die Felshund für eine Weile ausborgst?«
»Bring das Baby nur ja wieder sicher und wohlbehalten nach Hause zurück, und euch nach Möglichkeit auch, dann gehört das Schiff euch!«, sagte Lando. »Aber ich muss dich warnen. Die Sache könnte selbst deine Jedi-Geduld auf die Probe stellen. Die Felshund war seit einer ganzen Weile nicht mehr in Betrieb, und es wird eine Weile dauern, sie auf den neuesten Stand zu bringen. Außerdem habe ich gewisse … Verbesserungen vorgenommen.«
Luke konnte nicht umhin zu lächeln. Genau wie Han bastelte auch Lando ständig an seinen Schiffen herum. Es war, als könnten sich die beiden einfach nicht mit dem Gedanken abfinden, ein Schiff so zu fliegen, wie es aus der Fabrik kam. Und obwohl ihn das amüsierte, war Luke mit Sicherheit niemand, der die Tendenz des Duos, ihre Schiffe zu verbessern, irgendwie ablehnte – die Jadeschatten war ein Beleg dafür, zu was ein modifiziertes Schiff alles imstande war.
»Ich bin sicher, dass das Schiff alles kann, was nötig ist, abgesehen vielleicht davon, mir einen Becher Kaf zu machen und mich ins Bett zu bringen«, entgegnete Luke.
»Weißt du … das ist eine großartige Idee, Luke. Ich mache mich gleich an die Arbeit«, meinte Lando mit ernstem Gesicht und strich sich gedankenversunken übers Kinn.
»Was denkst du, wie lange es dauert, bis die Felshund einsatzbereit ist?«
Lando dachte darüber nach. »Hm … Der alte Kahn ist schon seit einer ganzen Weile im Dock. Eine Woche? Vielleicht zwei?«
Enttäuschung durchfuhr Luke. »So lange?« Er bereute seine Entscheidung nicht, sich mit den Sith verbündet zu haben. Er hatte sorgsam darüber nachgedacht und wusste, dass er die richtige Wahl getroffen hatte. Er wusste allerdings auch, dass die Gefahr eines auftauchenden Dianoga größer wurde, je länger man sich mit Abschaum umgab. Er wollte Abeloth so schnell wie möglich die Stirn bieten und die Zusagen einhalten, die er gemacht hatte, bevor die Sith beschlossen, sich gegen ihn zu wenden – was ebenso unvermeidlich war wie der Umstand, dass Ben alle paar Stunden Hunger bekam.
Lando breitete in einer Guck-mich-nicht-so-an-Geste die Hände aus. »He, du bist derjenige, der ein Spezialschiff haben will, um im Schlund grimmige Bösewichter zu jagen, nicht ich. Ich werde mein Bestes tun, damit es bloß eine Woche dauert. Aber im Ernst, Luke, ich muss dich warnen: Dieses Ding ist alt. Genau wie die Droiden-Besatzung. Du musst sacht damit umgehen, kapiert?«
»Sie wird mir doch nicht mitten im Schlund unterm Hintern wegbrechen?«
»Hey, hey, habe ich das gesagt?« Lando wirkte verletzt, doch sein Gebaren war gerade übertrieben genug, um Luke wissen zu lassen, dass sein Freund es nicht ernst meinte. »Genau dafür brauche ich die Zeit: um sicherzustellen, dass das nicht passiert. Ich wollte dir bloß klarmachen, dass das Baby ein bisschen Extrazuwendung brauchen wird, das ist alles.«
Luke seufzte. Wenn sie sich mit Abeloth anlegen wollten, brauchte er jeden Vorteil, den er kriegen konnte – so viel war unmissverständlich deutlich geworden. Wenn Lando sagte, es würde ein oder zwei Wochen dauern, das Schiff flottzubekommen, dann würde er eben ein oder zwei Wochen warten und darauf hoffen müssen, dass die Verzögerung den Sith nicht allzu sauer aufstieß. Bei dem, was sie vorhatten, würde der Schlepper den entscheidenden Unterschied ausmachen.
»Ich werde das im Hinterkopf behalten. Danke für die Leihgabe. Ich weiß das zu schätzen, Lando. Wir setzen jetzt Kurs auf Kessel und …«
»Oh, nein, nein, nein, du schleppst mir keine Sith in den Orbit rings um meinen Planeten!«, wandte Lando sofort ein. »Wenn sich das rumspricht, wäre das schlecht fürs Geschäft.«
Luke fand, dass es ihnen allen schaden würde, wenn sich das herumsprach, doch er sagte nichts.
Lando fuhr fort: »Wir treffen uns bei Klatooine. Das ist nah beim Schlund, Teil des Si’Klaata-Sternenhaufens.«
»Woher kenne ich diesen Namen?«, wollte Luke wissen. Er fragte sich, ob es bloß an der Ähnlichkeit zu »Tatooine« lag, dass ihm der Name so bekannt vorkam.
Lando grinste und ließ sein perfekt weißen Zähne aufblitzen. »Weil der Planet der letzte Stopp des berühmten Kessel-Flugs ist. Das kannst du doch unmöglich vergessen haben!«
»Natürlich«, entfuhr es Luke, »der Kessel-Flug! Han erfreut uns mindestens einmal pro Jahr mit dieser Geschichte.«
Lando prustete. »Glaub mir, das Rennen war sogar noch interessanter, als es dort noch von Hutts wimmelte«, meinte er. »Oder schlidderte, da Hutts ja keine Beine haben. Es ist immer noch im Hutt-Raum, offiziell, aber während des Yuuzhan-Vong-Kriegs mussten sie dort einiges einstecken. Jetzt ist es da ziemlich ruhig. Du und deine, ähm, Partner – ihr solltet nicht allzu große Schwierigkeiten bekommen. Ein paar Tage im Orbit, vielleicht sogar eine Landung auf dem Planeten, um sich die Beine zu vertreten, sollten kein Problem sein.«
Luke betätigte die Konsole, und auf dem Transparistahlschirm tauchte eine Karte auf. Da war der Schlund – und ganz in der Nähe davon Kessel. Die Grenzen des Hutt-Raums waren klar definiert, und natürlich lag der Si’Klaata-Sternenhaufen genau darin, bestehend aus Klatooine, Nimia, Ques, Lant, Iotra, Yoruibuunt und Sriluur. Klatooine selbst befand sich tatsächlich ein gutes Stück im Hutt-Raum, doch Luke machte sich dennoch keine Sorgen. Lando mochte vielleicht abenteuerlustig sein, aber er würde Luke niemals absichtlich in Gefahr bringen, schon gar nicht wegen etwas so Belanglosem wie einem Treffpunkt.
»Danke, Lando. Ich weiß das zu schätzen.«
»Immer gern, Luke. Behandle mein altes Mädchen nur mit Sorgfalt und Respekt, und … pass auf dich auf, okay, Kumpel?«
Lando grinste, blinzelte, und sein Bild verschwand.
»Dreipeo ist ein Protokolldroide«, erklärte Ben, während er in der Kombüse herumhantierte. Nachdem Ben ihre Vorräte mit tatkräftiger Unterstützung der Geisttrinker im Schlund verbraucht hatte, hatten sie auf Dathomir wieder einiges an Bord genommen, aber die Auswahl war dennoch nicht sonderlich groß. Er suchte verschiedene Früchte und Gemüsesorten aus, schnippelte sie zu einer Art Salat zusammen und mischte schließlich noch einige Brocken gegartes Irgendwas darunter. Er hatte der Flora und Fauna von Dathomir keine nennenswerte Aufmerksamkeit geschenkt, abgesehen davon aufzupassen, dass sie nicht versuchte, ihn zu stechen, zu vergiften, zu erwürgen oder aufzufressen.
»Er weiß alles über Benimmregeln und so was. Sprachen, Historie, Bräuche …«
»Aber er kennt keine Rezepte«, ergänzte Vestara lächelnd, als sie nach dem Salat griff, den er für sie gemacht hatte.
»Definitiv keine Rezepte«, bestätigte Ben und erwiderte das Lächeln. So häufig wirkte sie, als hätte sie sich vollkommen unter Kontrolle, stets bemüht, kühle Gelassenheit auszustrahlen. Doch wenn Vestara Khai lächelte, sah sie so jung aus, wie sie tatsächlich war. Dann hellte sich ihr Gesicht auf, und ihre braunen Augen wurden wärmer und … Nun, er mochte es, wenn sie lächelte.
Ben wurde bewusst, dass sie ihn erwartungsvoll anschaute, und er errötete ein wenig darüber, in welche Richtung seine Gedanken gingen. Er konzentrierte sich wieder darauf, seinen eigenen Salat zuzubereiten. »Nicht, dass meine Tante Leia nicht versucht hätte, seine Programmierung zu verbessern. Sie macht diesen Würzlaib, der …«
Er zügelte sich. Vestara war kein gewöhnliches Mädchen, mit dem er ganz ungezwungen Familienrezepte austauschen konnte, ganz gleich, ob gute oder schlechte. Und er hatte gerade den Namen seiner Tante verraten.
Vestara behielt ihr Lächeln bei und sah ihn neugierig an. »Was ist mit dem Würzlaib? Was für Gewürze nimmt man dazu?«
»Ähm, ich weiß nicht recht, aber ich will es mal so ausdrücken«, fuhr Ben fort und schaute nach unten, als wäre die Zubereitung eines Salats eine ebenso schwierige Aufgabe, wie durch den Kathol-Rift zu navigieren. »Es wäre schön, wenn Dreipeo kochen lernen könnte.«
Vestara glitt mit katzenhafter Anmut auf einen Sitz und lachte leise. »Du sprichst von diesem Droiden, als würde er zur Familie gehören.«
Ben goss ihnen beiden ein Glas Blaue Milch ein – sein Dad hasste das Zeug, doch Ben hatte festgestellt, dass er es irgendwie mochte. Er schob das Glas zu Vestara hinüber, und als sie danach griff, berührten sich flüchtig ihre Finger.
»Nun«, sagte er, »irgendwie tut er das sogar. Ich meine, er hat eine eigene Persönlichkeit.« Mit einem Mal grinste er. »Er hat auf jeden Fall eine eigene Persönlichkeit. Und er ist schon sehr lange in Familienbesitz.«
»Wie lange?« Vestara nahm einen Schluck Milch und sah Ben an, als würde sie das brennend interessieren.
Ich wette, das tut es tatsächlich, dachte Ben. Du wartest bloß darauf, dass ich zu geschwätzig werde und mir irgendwas rausrutscht.
»Sehr lange«, antwortete er knapp. Es war an der Zeit, den Spieß umzudrehen. Er nahm mit der Gabel ein Stück Gemüse auf. »Du hast gesagt, du jagst gern. Was für Tiere jagst du denn so?« Und jagst du mich, pirschst du dich an mich heran, geduldig wartend?