Starke Worte - Barbara Lukesch - E-Book

Starke Worte E-Book

Barbara Lukesch

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Beschreibung

Es gibt Sätze im Leben, die man nie vergisst. Sätze, die trösten. Sätze, die Kraft geben. Sätze, die die Welt erklären. Barbara Lukesch und Balz Spörri haben 50 Schweizer Persönlichkeiten gefragt, welcher Satz in ihrem Leben eine ganz besondere Rolle gespielt hat. Entstanden ist eine wundervolle Sammlung von inspirierenden Texten. Kleine Geschichten, die berühren und zugleich Mut machen. So erzählt Adolf Ogi, wie ihm das Motto "Glaube an das, was du tust. Tue das, woran du glaubst" während seiner Zeit im Bundesrat Stärke verlieh. Oder die junge Regisseurin Bettina Oberli ("Die Herbstzeitlosen") erinnert sich, wie ein Satz ihrer Großmutter sie geprägt hat - und wie sie ihn schließlich hinter sich ließ: "Nägel, die herausstehen, muss man einschlagen." Dieses Lebenshilfebuch der etwas anderen Art zeigt ein Mosaik von außergewöhnlichen Schweizerinnen und Schweizern: vom Regisseur Marc Forster über die Schauspielerin Maria Becker bis zum Nobelpreisträger Kurt Wüthrich. Vom Financier Tito Tettamanti über den Starkoch Horst Petermann bis zur Botschafterin Carla Del Ponte. Der Literatur-Nobelpreisträger Imre Kertész hat einmal geschrieben: "Die Sätze, die uns nötig sind, finden früher oder später zu uns." Dieses Buch zeigt, dass er recht hat: Die wichtigen Sätze im Leben fliegen einem zu. Wie ein Geschenk.

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Starke Worte

Barbara Lukesch | Balz Spörri

STARKE WORTE

50 Persönlichkeiten über den Satz ihres Lebens

Fotografien von Pascal Mora

Alle Rechte vorbehalten, einschliesslich derjenigen desauszugsweisen Abdrucks und der elektronischen Wiedergabe.

© 2008 Wörterseh Verlag, Gockhausen© Fotografien: Pascal Mora, Zürich; Seite 50 Keystone/Gaëtan Bally, Zürich; Seite 146 Peter Tillessen, Zürich

Das Motto auf nächsten Seite ist Imre Kertész, »Kaddisch für ein nicht geborenes Kind« entnommen.Deutsche Übersetzung von György Buda und Kristin Schwamm,Copyright © 1992 by Rowohlt Berlin Verlag GmbH, Berlin

Lektorat und Korrektorat: Andrea Leuthold, ZürichUmschlaggestaltung: Thomas Jarzina, KölnLayout, Satz und herstellerische Betreuung: Rolf Schöner, AarauDruck und Bindung: CPI books, Ulm

Print ISBN 978-3-03763-002-0E-Book ISBN 978-3-03763-515-5

www.woerterseh.ch

»… das hat mich wiederum in dem Glauben bestärkt, dass die Sätze, die uns nötig sind, früher oder später zu uns finden…«

Imre Kertész

Inhalt

Vorwort

Beatrice Tschanz Kramel

»Nicht was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben, macht unser Schicksal aus.«

Pascal Couchepin

»Die Frage ist der Jagdhund der Intelligenz.«

Milena Moser

»Tout se paye dans cette chienne de vie – In diesem Hundeleben hat alles seinen Preis.«

Erich von Däniken

»Ich bin, wie ich bin. Die einen kennen mich, die andern können mich.«

Tranquillo Barnetta

»Geniesse jeden Moment, denn es kann von einer Sekunde auf die andere alles vorbei sein.«

Brigitte Woggon

»Brigittchen, vergiss nie, du kommst aus der Hefe, und die Hefe hat Kraft!«

Peter von Matt

»Innerhalb einer Epoche gibt es keinen Standpunkt, eine Epoche zu betrachten.«

DJ Bobo

»Behandle jeden so, wie du selbst behandelt werden möchtest.«

Alex Rübel

»Befiehl dem Herrn deine Werke, so werden dir deine Vorhaben gelingen.«

Carla del Ponte

»Carla, wenn man im Recht ist, muss man nie nachgeben.«

Roger Schawinski

»You can get it if you really want.«

Arno Del Curto

»Ein Del Curto zeigt nie Schmerzen.«

Carolina Müller-Möhl

»Bildung ist gedankliche Unbestechlichkeit.«

Roman Signer

»Zu viele Worte verbauen die Arbeit.«

Kurt Wüthrich

»Mens sana in corpore sano.«

Hanspeter Uster

»Sei aufmerksam, empfinde nichts umsonst, messe und vergleiche, dieses ist das ganze Gesetz der Philosophie.«

Margrit Läubli

»Mit meinem ganzen Herzen, meiner ganzen Seele und all meinen Kräften.«

Oswald Oelz

»Machen wir’s, es wird schon gut gehen.«

Peter Forstmoser

»Das schönste Wort im Wörterbuch ist ›trotzdem‹.«

Bernard Thurnheer

»Gib immer dein Bestes, mehr kannst du nicht, weniger darfst du nicht.«

Barbara E. Ludwig

»Die Würde des Menschen ist unantastbar.«

Roger Köppel

»Über dem Abgrund schaukelt die Wiege, und der platte Menschenverstand sagt uns, dass das Leben nur ein kurzer Lichtspalt zwischen zwei Ewigkeiten des Dunkels ist.«

Bernhard Russi

»Vergiss nicht, wieder vom Podest herunterzusteigen.«

Maria Becker

»Das Einzige, was nicht trügt, ist der Schein.«

Werner Kieser

»Was du vermagst, ist dein Vermögen.«

Klara Obermüller

»Lass sie nur, sie machts schon recht.«

Christophe Keckeis

»Savoir jusqu’où on peut aller trop loin.«

Ellen Ringier

»All life is about, is to give other people a chance.«

Martin Suter

»Man kann nichts verpassen im Leben.«

Peter Sauber

»Kein Leben ohne Risiko – ohne Risiko kein Leben.«

Alberto Godenzi

»Bleib erschütterbar und widersteh!«

Fredi M. Murer

»Seltenheit kommt vor Sicherheit.«

Edith Hunkeler

»Wer keinen Mut zum Träumen hat, hat keine Kraft zum Kämpfen.«

Tito Tettamanti

»L’inconcevable et l’imprévisible.«

Adolf Ogi

»Believe in what you do. Do what you believe in.«

Barbara Frey

» – «

Sepp Blatter

»Was wert ist, gemacht zu werden, ist es wert, recht gemacht zu werden.«

Margrith Bigler-Eggenberger

»Arbeit macht frei.«

Heliane Canepa

»The sky is the limit.«

Dieter Meier

»Werdet wie die Kinder.«

Jörg Stiel

»Übernimm für alles, was du tust oder bleiben lässt, die Verantwortung.«

Tilla Theus

»Setz dich mit Menschen an den Tisch, und du lernst sie kennen.«

Horst Petermann

»Esst euch heute satt, denn morgen seid ihr tot.«

Bettina Oberli

»Nägel, die herausstehen, muss man einschlagen.«

Ottmar Hitzfeld

»Wer nichts wagt, kann nichts gewinnen.«

Christa de Carouge

»Schuster, bleib bei deinen Leisten!«

Daniel Borel

»Success is never final!«

Noëmi Nadelmann

»Was störts die alte Eiche, wenn sich ein Stachelschwein dran reibt?«

Remo H. Largo

»Sind Wolken Lebewesen?«

Marc Forster

»Lass dein Herz sprechen, nicht deinen Geist.«

Vorwort

Es gibt Sätze im Leben, die man nie vergisst. Sätze, die Mut machen. Sätze, die erheitern oder trösten. Sätze, die Klarheit schaffen, wenn alles im Nebel zu verschwimmen droht.

Doch welche Sätze sind es, die uns bleiben? Und weshalb gerade diese? In seinem Roman »Kaddisch für ein nicht geborenes Kind« schreibt der ungarische Nobelpreisträger Imre Kertész, dass die Sätze, die uns nötig sind, irgendwann zu uns finden.

Dies ist eine schöne Vorstellung. Vielleicht, so hoffen wir, wird dem einen oder der anderen bei der Lektüre dieses Buches auch ein Satz zufliegen.

Am Anfang des Projektes, das Sie jetzt in den Händen halten, stand eine Idee: Wir wollten fünfzig Persönlichkeiten aus Sport, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft danach fragen, ob es einen Satz gibt, der sie durch ihr Leben begleitet hat und der ihnen besonders am Herzen liegt.

Wir waren unsicher, ob uns dies gelingen würde. Doch es zeigte sich rasch, dass die meisten der angefragten Personen unserem Ansinnen sehr wohlwollend gegenüberstanden.

Die Texte in diesem Buch sind auf unterschiedliche Weise zustande gekommen. Einige der Angefragten hatten Lust, den Text selbst zu schreiben. Andere, die im Ausland leben, erzählten uns ihre Geschichte am Telefon. Die meisten aber trafen wir zu einem Gespräch, das wir anschliessend in Textform brachten.

Wir sind glücklich, dass es uns gelungen ist, tatsächlich fünfzig Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Bereichen für unser Buch zu gewinnen.

Allen beteiligten Frauen und Männern gebührt unser Dank. Sie schenkten uns ihre Zeit und liessen uns teilhaben an ihren oft sehr persönlichen Gedanken.

Grosser Dank gehört auch dem Fotografen Pascal Mora, der das Unmögliche möglich gemacht hat. Es gelang ihm, bis auf zwei alle fünfzig Persönlichkeiten zu porträtieren.

Herzlich danken möchten wir auch allen guten Geistern im Hintergrund, die uns bei der Realisierung dieses Buches unterstützt haben: Türöffnerinnen, Mutmachern, Ideengeberinnen. Ohne sie wären wir um viele Sätze ärmer.

Barbara Lukesch      Balz Spörri

Beatrice Tschanz Kramel

»Nicht was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben, macht unser Schicksal aus.«

In der Mittelschule, ich war fünfzehn, sechzehn Jahre alt, habe ich unendlich für meinen Deutschlehrer, den Herrn Iten, geschwärmt. Er war ein älterer, sehr belesener und gebildeter Berner, ein Ibsen- und Dostojewski-Kenner, und so habe ich Ibsen und Dostojewski gelesen und jede Gelegenheit genutzt, um mit ihm über »Nora« und »Die Brüder Karamasow« zu diskutieren. Wenn wir einen Aufsatz schreiben mussten, habe ich mir alle erdenkliche Mühe gegeben, um gross rauszukommen.

Eines Tages prangte dann auch unter einer grösseren Arbeit – ich kann mich leider nicht mehr an das Thema erinnern – eine Sechs, ergänzt um den handgeschriebenen Satz: »Nicht was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben, macht unser Schicksal aus – Marie von Ebner-Eschenbach.«

Ich bin fast geplatzt vor Stolz, mein Glück war grenzenlos. Wieder und wieder habe ich diesen Ausspruch gelesen, der so wunderbar zu der romantischen Stimmung passte, in der ich mich damals als Teenager befand. Endlich hatte mich jemand erkannt, endlich fühlte ich mich verstanden. Die Empfindungen – was sonst? – waren das Entscheidende in meinem Leben. Ich suchte einen Kalligrafen auf und liess diese für mich so bedeutungsvollen Worte auf kunstvolle Art auf einen schönen weissen Bogen zeichnen und rahmte ihn ein. Von nun an hing er über meinem Bett, und es verging kein Tag, an dem ich meinen Leitspruch nicht zur Kenntnis genommen hätte.

Interessanterweise hat dieser Satz mich über meine Jugend hinaus begleitet, ja noch heute im Alter von vierundsechzig ist er mir gegenwärtig und hat seine Wirkung nicht verloren. Er ist so etwas wie ein Sicherungsseil geworden, das mir in schweren Stunden Halt geben kann.

Als das Flugzeugunglück in Halifax passierte, in der Nacht vom 2. auf den 3. September 1998, und ich als Kommunikationsverantwortliche zu sofortigem Handeln gezwungen war, stand er mir wieder vor Augen und wurde zu meiner Wegleitung: Ich zeigte meine Empfindungen und wurde damit von vielen Menschen als glaubwürdig und authentisch wahrgenommen.

Auch in den langen Jahren, in denen mein erster Mann schwer krank war und wir beide wussten, dass diese Krankheit zu seinem Tod führen würde, hat mir dieser Satz wiederholt Kraft gegeben. Natürlich erlebte ich damals Schweres und Bedrückendes, aber gleichzeitig empfand ich in dieser Zeit auch grosse Dankbarkeit für die gemeinsam verbrachten fünfundzwanzig Jahre. Sogar angesichts seines Todes nahm ich Empfindungen wahr, die mich reich machten. Ich sage ausdrücklich Empfindungen, nicht Gefühle oder Emotionen, weil ich damit etwas sehr viel Subtileres und Feineres zum Ausdruck bringen möchte.

Ja, dieser Herr Iten hat dem damaligen Fräulein Geiser vor bald fünfzig Jahren wirklich ein einzigartiges Geschenk gemacht, dessen lang anhaltende Wirkung ihm mit Sicherheit nicht bewusst war.

Beatrice Tschanz Kramel kam 1944 in Zürich zur Welt. Nach dem Besuch des Handelsgymnasiums absolvierte sie Sprach- und Geschichtsstudien in Oxford, Barcelona und Paris. Während zwei Jahren war sie für eine Schweizer Grossbank in Brasilien tätig und schlug dann eine Laufbahn im Journalismus ein. 1987 wechselte sie in die Unternehmenskommunikation und war Kommunikationsverantwortliche für Ringier, Jelmoli und die Swissair. Danach wurde sie Geschäftsleitungsmitglied des Medizinaltechnologie-Konzerns Sulzer Medica, später Centerpulse. Seit 2003 ist sie selbstständige Kommunikationsberaterin und Verwaltungsrätin bei Valora und der Martin Spühler AG. Sie lebt mit ihrem zweiten Mann an der Zürcher »Goldküste«.

Pascal Couchepin

»Die Frage ist der Jagdhund der Intelligenz.«

Eine der schönsten Zeiten meines Lebens waren die Jahre zwischen fünfzehn und achtzehn. Die Welt war damals interessant, denn es taten sich überall Fragen auf. Ich entdeckte, dass ich eigene Ideen entwickeln konnte.

Zu dieser Zeit hatte ich einen Lehrer, der mich stark beeinflusst hat. Er forderte uns auf, uns jeweils am Ende eines Jahres zu fragen, welche Wörter während des abgelaufenen Jahres ihre Bedeutung verändert hatten. Zum Beispiel Freund, Liebe, Politik, Feind, Intelligenz.

Diesen Rat habe ich befolgt. Am Ende jedes Jahres, aber auch zwischendurch frage ich mich: Welche Erfahrungen habe ich gemacht? Welche Wörter haben einen anderen Sinn bekommen? Wie haben sich die Beziehungen zu anderen Menschen entwickelt? Was hat sich verändert?

Wenn ich Leute sehe, die nur noch von der Vergangenheit sprechen, macht mir das Angst. Dann frage ich mich, weshalb so viele Leute Angst vor Veränderungen haben, das sollte doch nicht so sein. Man sollte sich fragen, ob etwas Neues gut oder schlecht ist. Der Mensch ist nur lebendig, solange sich etwas entwickelt.

In der Politik hat sich in den letzten Jahren manches verändert. Wichtige Begriffe haben eine neue Bedeutung bekommen. Der Nationalstaat zum Beispiel hat durch die Globalisierung und internationale Abkommen einen Teil seiner Attribute verloren. Es stellen sich neue Fragen wie: Hat die Demokratie Grenzen? Was ist wirklich demokratisch? Was kann man aufgeben, ohne den wahren Kern der Demokratie zu verlieren?

Auch ich selbst habe mich verändert. Ich bin gelassener geworden. Ich habe viel mehr Respekt für die Politiker als vor dreissig oder vierzig Jahren, vor allem auch für jene auf Gemeinde- oder Kantonsebene. Es ist nicht immer intelligent, was die Politiker tun. Nicht immer mutig. Aber es sind alles Leute, die etwas Gutes für das Land erreichen wollen.

Das erste Buch, das mich wirklich zum Denken bewegt hat, war ein Werk C.G. Jungs über den Menschen auf der Suche nach seiner Seele. Zum ersten Mal war da ein Buch, das sagte: Was man sieht, ist nicht immer die Realität. Dahinter gibt es noch eine andere Realität. Und danach soll man fragen.

Ich habe schon als Kind gerne Fragen gestellt. In Martigny gab es einen Domherrn, der mich kannte, seit ich fünf Jahre alt war. Damals starb mein Vater. Dieser Domherr sagte vor ein paar Jahren zu mir: »Ich bin froh, dass ich so lange leben durfte. Du hast mir als Fünfjähriger Fragen gestellt, auf die ich nicht gleich eine Antwort wusste. Und ich habe immer gehofft, so lange zu leben, dass ich sehen kann, was aus diesem kleinen Knaben geworden ist.« Eines Tages ging meine Frau in Martigny zu ihm in die Kirche. Es war zu einer Zeit, als ich im Bundesrat heftig angegriffen wurde. Als meine Frau während der Kommunion vor ihm stand, sagte er zu ihr: »Sag Pascal, er macht es gut. Und jetzt, geh weiter!« Das war ein wunderbares Kompliment.

»Die Frage ist der Jagdhund der Intelligenz.« In diesem Satz, den einmal ein Freund von mir gesagt hat, erkenne ich meine Grundüberzeugungen wieder. Intelligenz ist die Fähigkeit, etwas zu verstehen. Und um etwas zu verstehen, muss man Fragen stellen. Es gibt Leute, die vielleicht keinen grossen Wortschatz haben, die aber sehr intelligent sind. Wenn man mit jemandem spricht, spürt man sofort, ob er intelligent ist oder nur gut ausgebildet.

Kinder haben viele Fragen. Später nehmen die Fragen ab. Man kann problemlos durchs Leben gehen, ohne Fragen zu stellen. Für viele Leute ist das bequemer. Es beruhigt sie, wenn sie immer genau wissen, was sie zu denken haben. Wenn sie nur wiederholen müssen, was andere schon gesagt haben oder was in der Zeitung steht. Doch das ist sehr schade. Menschen, die keine Fragen haben, sind sich immer absolut sicher. Doch im Grunde genommen sind sie dumm und tot.

Pascal Couchepin wurde 1942 in Martigny VS geboren. Er studierte Rechtswissenschaft. Seine politische Karriere begann 1968, als der FDP-Politiker in die Exekutive seiner Geburtsstadt gewählt wurde. Von 1984 bis 1998 war er Stadtpräsident von Martigny. 1979 nahm er Einsitz in den Nationalrat, 1998 wurde er zum Bundesrat gewählt, 2003 und 2008 amtierte er als Bundespräsident. Pascal Couchepin ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

Milena Moser

»Tout se paye dans cette chienne de vie – In diesem Hundeleben hat alles seinen Preis.«

Philippe Djian war das Idol meiner Jugend. Als ich zwanzig, einundzwanzig Jahre alt war und eine Zeit lang in Paris lebte, habe ich seine Romane verschlungen, wieder und wieder. Darunter auch »37°2 le matin«, die Vorlage zu dem Film »Betty Blue«. Wenn mich nicht alles täuscht, war es dieser Roman, in dem ich auf jenen Satz gestossen bin, der mein junges Herz im Kern traf: »Tout se paye dans cette chienne de vie – In diesem Hundeleben hat alles seinen Preis.« Wie wahr, schrie es in mir. Erging es mir nicht genauso? Wenn ich einmal fünf Minuten glücklich war, bekam ich garantiert am nächsten Tag wieder eins aufs Dach. Da verliebte ich mich in einen jungen Mann, und prompt liess er mich sitzen. Ich schrieb ein Buch, und wie konnte es anders sein, die Kritiker zerrissen es in der Luft. Das Leben war ungerecht und meinte es schlecht mit mir. Ich hatte wie wohl viele Gleichaltrige einen verheerenden Hang zum Dramatisieren und Schwarzmalen. Obwohl nicht katholisch, hing ich der genussfeindlichen Maxime an: Für jeden Glücksmoment muss der Mensch büssen.

Djians Satz ging mir nie wieder aus dem Sinn; er wurde so etwas wie mein ständiger Begleiter. Doch mit den Jahren passierte etwas Spannendes: Ich begann, diese Worte mit anderen Augen zu sehen. Ich interpretierte sie um. Hatte ich sie zunächst rein negativ verstanden, bekamen sie mit der Zeit eine neue, positive Färbung. Das klang dann so: »Alles, was du in deinem Leben machst, hat Folgen.« Das heisst, wenn ich handle und mein Leben in die eigenen Hände nehme, kann ich gewinnen, aber auch verlieren oder – und das war entscheidend – auch beides.

Ich denke da an meine acht Jahre in San Francisco. In dieser Zeit habe ich für meine Verhältnisse wenig gearbeitet und vor allem wenig verdient. Ich habe die Kontakte zu Zeitungen und Zeitschriften, für die ich Kolumnen oder Artikel geschrieben habe, nahezu auf null heruntergefahren. Dafür aber habe ich meine drei Bücher »Bananenfüsse«, »Sofa, Yoga, Mord« und »Schlampenyoga« geschrieben. Ich habe Neues ausprobiert wie Yoga, was ich in der Schweiz nie gewagt hätte. Was hätten die Leute auch von mir denken können. Oder, noch wilder, ich habe in einem Chor mitgesungen. Ich, eine Person, die überhaupt nicht singen kann, bin jeweils in der Neujahrsnacht mit meinem Chor aufgetreten und habe die Neunte Symphonie von Beethoven geschmettert. Unglaublich. In Zürich wäre ich vor Scham im Boden versunken. In den USA aber genoss ich viel mehr Freiheit und vor allem Anonymität. Unter dem Strich war es also völlig richtig, auszuwandern. Nachteile hin oder her.

Ich weiss, das klingt ein bisschen nach Selbsthilfegruppe. Aber mir hat die Abkehr von reinstem Schwarz-Weiss hin zum relativierenden Sowohl-als-auch das Leben leichter gemacht. Wie hätte ich mich als Zwanzigjährige in meinem Elend gesuhlt, wenn ich wie letzten Dezember Opfer eines Entreissdiebstahls geworden wäre. Ich war mit einer Freundin für ein verlängertes Wochenende in Barcelona; wir wollten nochmals ausspannen, bevor der grosse Weihnachtsstress begann. Da überfielen mich zwei junge Männer, rissen mir die Handtasche weg und stiessen mich so brutal zu Boden, dass ich mir den Knöchel brach und operiert werden musste. Als junge Frau hätte ich gewusst, dass dies nur die Strafe dafür sein konnte, dass ich mir ein schönes Leben machte, statt daheim in der Küche zu stehen und für meine Familie Grittibänze zu backen. Heute sehe ich, dass dieses Erlebnis noch ganz andere Folgen hat. Ein Deutscher namens Jogi – kein Witz – fand meine Tasche, entdeckte darin einige Etiketten mit meiner E-Mail-Adresse, schrieb mir eine Mail und bat um meine Postanschrift. Das Ende vom Lied? Er schickte mir meine Tasche in die Schweiz zurück, und ich habe den Kontakt zu einem Menschen geknüpft, den ich auf meiner nächsten Reise nach Spanien ganz sicher besuchen werde. Dieses Hundeleben hat tatsächlich seinen Preis, wirft aber immer auch reichlich Gewinn ab.

Milena Moser wurde 1963 in Zürich geboren. Schon als Achtjährige war sie fest entschlossen, eines Tages Schriftstellerin zu werden. Zunächst machte sie allerdings eine Ausbildung zur Buchhändlerin, zog dann für längere Zeit nach Paris und schrieb ihr erstes Buch. Inzwischen hat sie dreizehn Romane und Erzählbände veröffentlicht, darunter Bestseller wie »Die Putzfraueninsel« (1991), »Das Schlampenbuch« (1992) und »Blondinenträume« (1994). Sie ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt mit ihrer Familie im Kanton Aargau.

Erich von Däniken

»Ich bin, wie ich bin. Die einen kennen mich, die andern können mich.«