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In Abgrenzung zur problemorientierten Schulsozialarbeit entwickelt dieses Buch die stärkenorientierte Schulsozialarbeit und zeigt auf, wie Schülerinnen und Schüler mithilfe präventiver Ansätze ganzheitlich unterstützt werden können. Dazu präsentieren die Autorinnen eine Vielzahl von evidenzbasierten Konzepten und Tools, die ohne größere Voraussetzungen im Schulalltag umgesetzt werden können. Neben der Erläuterung der stärkenorientierten Grundlagen und Methoden (Beratung, Prävention und Intervention sowie Qualitätsentwicklung und Evaluation) bietet das Buch konkrete stärkenorientierte Handlungskonzepte für die im Schulalltag relevantesten Herausforderungen, nämlich die Förderung von Lern- und Selbstregulationskompetenzen, sozialen Kompetenzen und Medienkompetenzen.
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Seitenzahl: 135
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Cover
Titelei
Vorwort der Reihenherausgeber*innen
Zu diesem Buch
1 Grundlagen der stärkenorientierten Schulsozialarbeit
1.1 Menschenbilder und Grundhaltungen
1.1.1 Menschenbilder
1.1.2 Grundhaltungen
1.2 Aufgabengebiete und Kompetenzfelder
1.2.1 Aufgabengebiete
1.2.2 Kompetenzfelder
1.3 Kooperation und Interdisziplinarität
1.3.1 Kooperationsmodelle
1.3.2 Herausforderungen in der interdisziplinären Kooperation
2 Methoden der stärkenorientierten Schulsozialarbeit
2.1 Beratung
2.1.1 Beratungsansätze
2.1.2 Beratungsformen
2.1.3 Beratungsprozess
2.1.4 Ethische Aspekte
2.2 Prävention und Intervention
2.2.1 Präventionskonzepte
2.2.2 Soziale Innovationen in der Praxis
2.3 Qualitätsentwicklung und Evaluation
2.3.1 Qualitätsentwicklung
2.3.2 Formen von Evaluation
2.3.3 Standards für Evaluationen
2.3.4 Evaluationsansätze
3 Handlungskonzepte der stärkenorientierten Schulsozialarbeit
3.1 Lern- und Selbstregulationskompetenzen
3.1.1 Bildungsziele
3.1.2 Erfolgreiches Lernen
3.1.3 Implizite Persönlichkeitstheorie (IPT)
3.2 Soziale Kompetenzen
3.2.1 Deskriptiv-normative Kompetenzmodelle
3.2.2 Wissenschaftliche Kompetenzmodelle
3.3 Medienkompetenzen
3.3.1 Cybermobbing
3.3.2 Hass im Netz
4 Zukunftsperspektiven der stärkenorientierten Schulsozialarbeit
Literatur
Soziale Arbeit – kompakt & direkt
Herausgegeben von Rudolf Bieker und Heike Niemeyer
Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:
https://shop.kohlhammer.de/soziale-arbeit-kompakt-direkt
Die Autorinnen
FH-Prof. PD Dr. Mag. Petra Wagner ist seit 2006 FH-Professorin für Psychologie an der Fakultät für Medizintechnik und Angewandte Sozialwissenschaften der FH Oberösterreich. Sie lehrt und forscht in anwendungsbezogenen Feldern der Bildungspsychologie, der Sozialarbeitswissenschaften und Evaluationsforschung. Ihre Forschungsergebnisse sind in zahlreichen internationalen wissenschaftlichen Fachzeitschriften sowie Fachbüchern publiziert (https://pure.fh-ooe.at/de/persons/petra-wagner).
FH-Prof. PD Dr. Mag. Dagmar Strohmeier ist seit 2011 FH-Professorin für Interkulturelle Kompetenz an der Fakultät für Medizintechnik und Angewandte Sozialwissenschaften der FH Oberösterreich und seit 2018 Professor II am Norwegian Centre for Learning Environment and Behavioural Research in Education an der Universität Stavanger, Norwegen. Sie wurde 2014 zur Forscherin des Jahres Oberösterreich nominiert. Von 2021 bis 2023 war sie Präsidentin der European Association for Developmental Psychology (EADP) (https://pure.fh-ooe.at/de/persons/dagmar-strohmeier; http://www.viscprogram.eu/; https://www.eadp.info/).
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1. Auflage 2023
Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:ISBN 978-3-17-042824-9
E-Book-Formate:pdf:ISBN 978-3-17-042825-6epub:ISBN 978-3-17-042826-3
Ergänzend zu klassischen Lehrbüchern geht es in der neuen Reihe »Soziale Arbeit – kompakt & direkt« um die vertiefende Bearbeitung spezieller Themen- und Fragestellungen aus der Sozialen Arbeit und ihren Bezugsdisziplinen, z. B. theoretische Konzepte, spezifische Methoden, Arbeitsfelder oder soziale Probleme. Kompakt und direkt heißt die neue Reihe, weil sie in der Präsentation der Inhalte auf das konzentriert ist, was Lernende über das ausgewählte Thema wissen und für Studienleistungen und Prüfungen zielgenau aufbereiten können sollten.
Zielgruppen der Reihe sind jedoch nicht nur Studierende im Bachelor- oder Masterstudium, sondern auch Berufseinsteiger*innen und Praktiker*innen, die autodidaktisch oder in Fortbildungen Anschluss an den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs halten wollen.
Der fokussierte Zuschnitt der Bände spiegelt sich in einem innovativen Buchformat, das Leser*innen Überschaubarkeit im Umfang und eine gut strukturierte Textpräsentation bietet. Zentrale Sachverhalte werden anhand von Praxisbeispielen und Abbildungen veranschaulicht. Didaktische Elemente wie Begriffserläuterungen, Textcontainer, Reminder, Essentials, kurze Zusammenfassungen, Piktogramme etc. erleichtern das Erfassen, Speichern und Wiederaufrufen der Inhalte.
Die Autor*innen der Bände sind durch ihre wissenschaftliche Expertise ausgewiesen, schreiberfahren und stehen in der Regel mit Studierenden und Praxisfeldern in engem Kontakt.
Rudolf Bieker und Heike Niemeyer, Köln
»Die Aufgabe des Lebens ist es,vorwärts zu gehen« (Samuel Johnson)
In diesem Buch wird das Konzept einer stärkenorientierten Schulsozialarbeit entwickelt, umfassend dargestellt und für die schulische Praxis aufbereitet. Das Buch wendet sich an Lehrende und Studierende von Bachelor- und Masterlehrgängen der Sozialen Arbeit bzw. verwandter Studienrichtungen, an Lehramtsstudierende aller Richtungen, an in der Praxis tätige Sozialarbeiter*innen sowie an alle Personen, die in Sozial- und Bildungseinrichtungen arbeiten oder sich ganz allgemein mit Aspekten der Stärkenorientierung im Bildungsbereich auseinandersetzen möchten. Es wird im Speziellen als Einführungsliteratur für Bachelor- und Masterstudiengänge der Sozialen Arbeit empfohlen.
Die theoretische Grundlage stellen Menschenbilder und Grundhaltungen, Aufgabengebiete und Kompetenzfelder sowie Kooperation und Interdisziplinarität dar (▸ Kap. 1). Die dargelegte theoretische Fundierung ist maßgeblich für alle weiteren Inhalte in diesem Buch, sodass sämtliche Inhalte auf dieser theoretischen Grundlage basieren bzw. sich systematisch daraus ableiten lassen. Darauf aufbauend werden konkrete Methoden der stärkenorientierten Schulsozialarbeit wie Beratung, Prävention und Intervention sowie Qualitätsentwicklung und Evaluation behandelt (▸ Kap. 2). Kapitel 3 befasst sich mit Handlungskonzepten der stärkenorientierten Schulsozialarbeit (▸ Kap. 3). Dazu zählen Lern- und Selbstregulationskompetenzen, soziale Kompetenzen und Medienkompetenzen. Zur leichteren Lesbarkeit sind alle drei Hauptkapitel ähnlich aufgebaut. Kapitel 4 rundet das Thema der stärkenorientierten Schulsozialarbeit mit Blick auf die Zukunft ab (▸ Kap. 4).
Wir wünschen allen Leser*innen eine spannende Lektüre und würden uns freuen, wenn Sie inspirierende Anregungen in ihren beruflichen und privaten Alltag mitnehmen können.
Linz, Februar 2023Petra Wagner und Dagmar Strohmeier
T Überblick
In diesem Kapitel werden die grundlegenden Menschenbilder, Grundsätze und Prinzipien der stärkenorientierten Schulsozialarbeit vorgestellt (▸ Kap. 1.1). Die daraus resultierenden Grundhaltungen dienen als handlungsleitend für die daran anschließend vertiefend dargestellten Aufgabengebiete und Kompetenzfelder der stärkenorientierten Schulsozialarbeit (▸ Kap. 1.2). Auch ergeben sich aus diesen Grundhaltungen logische Konsequenzen für die optimale Zusammenarbeit von Schulsozialarbeiter*innen im Kontext Schule als interdisziplinärem Handlungsraum (▸ Kap. 1.3).
Eine stärkenorientierte Schulsozialarbeit baut auf bestimmten Menschenbildern und Grundhaltungen auf. Ein Menschenbild beschreibt Vorstellungen, die eine Einzelperson, eine Gruppe oder eine ganze Fachdisziplin vom Wesen des Menschen hat. Diese Vorstellungen sind so grundlegend, dass sie oft nicht hinterfragt werden. Die bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Menschenbild bzw. dem Menschenbild einer Gruppe oder einer Fachdisziplin ist jedoch insofern bedeutsam, als die Annahmen, die ein Menschenbild ausmachen, erkenntnisleitend sind. Das bedeutet, dass Menschenbilder die Wahrnehmung, die Interpretation und die Bewertung von Sachverhalten, d. h. von Vorkommnissen und Dingen in der Welt, beeinflussen. Weil die Reaktion auf einen Sachverhalt maßgeblich davon abhängt, wie dieser wahrgenommen, interpretiert und bewertet wird und diese Wahrnehmungen, Interpretationen und Bewertungen wiederum durch das Menschenbild bestimmt werden, ist es wichtig, sich diese erkenntnisleitenden Vorstellungen bewusst zu machen.
Die stärkenorientierte Schulsozialarbeit, die hier vorgestellt wird, baut auf vier fundamentalen Überlegungen über das Wesen des Menschen auf: (1) der Menschenwürde, (2) der Willensfreiheit, (3) dem persönlichen Wachstum sowie (4) der Sicherung von sozialen Strukturen. Diese vier grundlegenden Überlegungen stellen gleichzeitig auch Entwicklungsziele für Interventionen im Bereich der Schulsozialarbeit dar, weil sie mit vier Grundsätzen verknüpft sind, die sich aus den vier Menschenbildern ableiten lassen: (1) dem Streben nach Gleichwertigkeit, (2) dem Streben nach Autonomie, (3) dem Streben nach Kompetenz und Resilienz sowie (4) dem Streben nach sozialer Eingebundenheit (▸ Tab. 1).
Tab. 1:Menschenbilder und Grundsätze (eigene Darstellung)
Menschenbilder – Entwicklungsziele
Grundsätze – Prinzipien
Menschenwürde
Streben nach Gleichwertigkeit
Willensfreiheit
Streben nach Autonomie
Persönliches Wachstum
Streben nach Kompetenz und Resilienz
Sicherung von sozialen Strukturen
Streben nach sozialer Eingebundenheit
In diesem Kapitel werden die wichtigsten Überlegungen zu diesen vier grundlegenden Menschenbildern dargestellt sowie die vier Grundhaltungen erklärt, die konstituierend für eine stärkenorientierte Schulsozialarbeit sind.
Die Frage »Was ist der Mensch?« beschäftigt die Menschheit schon seit Jahrtausenden und die Philosophie hat unzählige Antworten auf diese Frage hervorgebracht. Deshalb gibt es keine einfache Antwort. Eine gewisse Einigkeit besteht darin anzunehmen, dass der Mensch ein fühlendes, denkendes und handelndes Wesen ist, das mit einer bedingungslosen Würde ausgestattet ist. Die Menschenwürde wird als so fundamental angesehen, dass sie in den Grund- und Menschenrechten an erster Stelle verankert wurde.
Wesen des Menschen und seine Würde
Das Wesen des Menschen auf seiner Würde aufzubauen, bedeutet, dass Menschen trotz ihrer Verschiedenartigkeit grundsätzlich gleich viel wert sind. Es gibt kein Merkmal, das einen Menschen wertvoller macht als einen anderen.
Darüber hinaus ist es wichtig, zwischen Gleichwertigkeit und Gleichheit zu unterscheiden. Selbstverständlich gibt es viele Unterschiede zwischen Menschen, was aber nichts an ihrer grundsätzlichen Gleichwertigkeit ändert. Bei Gleichwertigkeit geht es um den grundsätzlichen Wert eines Menschen, während Gleichheit bzw. Verschiedenheit sich auf unzählige Merkmale beziehen kann, z. B. auf das Geschlecht, das Alter, die Staatsbürgerschaft, das Aussehen, das Temperament, die Persönlichkeit, die Fähigkeiten, die Lebensumstände, das Verhalten etc.
Wenn die Würde des Menschen das grundlegende Fundament seines Wesens bildet, bedeutet das, dass jeder Mensch das Recht hat, mit unbedingtem Respekt behandelt zu werden, ganz egal welche Merkmale und Eigenschaften er*sie hat oder in welchen Lebensumständen er*sie sich befindet. Weil Ungleichheiten jedoch ein strukturierendes Prinzip von sozialen Gruppen und Gesellschaften sind, ist es alles andere als einfach, den Grundsatz der Gleichwertigkeit in der Praxis umzusetzen.
Leitfrage: Woran lässt sich erkennen, dass zwei Menschen, die verschieden sind, gleichwertig behandelt werden?
Eine gleichwertige Behandlung von zwei Menschen, die verschieden sind, ist z. B. dann gegeben, wenn sie in einem Verfahren fair, d. h. nach den gleichen Regeln behandelt werden, z. B. bei Gericht oder in einer Auswahl- oder Bewertungssituation. Eine gleichwertige Behandlung bedeutet nicht unbedingt eine gleiche, also identische Behandlung, weil Fairness auch impliziert, dass die Ausgangssituation berücksichtigt wird. Zwei Personen mit unterschiedlichen Fähigkeiten gleich zu behandeln, ist unter Umständen unfair. Respekt bedeutet, Unterschiedlichkeiten, z. B. verschiedene Ausgangssituationen, zu berücksichtigen und diese nicht zu ignorieren. Eine nicht gleichwertige Behandlung von zwei Menschen ist z. B. dann gegeben, wenn Regeln nicht für alle Personen in gleicher Weise gelten oder wenn diese zum Vorteil einer Person abgeändert werden mit dem Ziel, diese zu bevorzugen.
Wenn man das Prinzip der Gleichwertigkeit in der Praxis umsetzen will, ist es somit von entscheidender Bedeutung, dass Verfahren, d. h. Prozesse, so gestalten werden, dass sie nicht gleiche, d. h. verschiedene Menschen fair behandeln. Ein faires Verfahren benachteiligt Menschen nicht aufgrund bestimmter Merkmale, sondern berücksichtigt diese von Anfang an.
Baut der Mensch sein Handeln auf Würde auf, so ist er bei einem fundamentalen Wert angekommen, der weitreichende ethische und moralische Implikationen hat. Weil Menschen eine Würde haben, sind sie bei aller Verschiedenheit grundsätzlich gleichwertig. Weil Menschen grundsätzlich gleichwertig sind, müssen Abläufe, Prozesse und Verfahren so gestaltet werden, dass sie nicht Menschen mit bestimmten Eigenschaften systematisch benachteiligen und andere aufgrund bestimmter Eigenschaften bevorzugen.
Neben der Würde, die das fundamentalste Prinzip darstellt, gibt es noch weitere Menschenbilder, die einer stärkenorientierten Schulsozialarbeit zugrunde liegen können. Ryan und Deci (2000) haben drei grundlegende Bedürfnisse identifiziert, die erfüllt sein müssen, damit Menschen sich positiv entwickeln: (1) Autonomie, (2) Kompetenz und (3) soziale Verbundenheit. Diese drei Bedürfnisse beschreiben einerseits ein konkretes Menschenbild und geben andererseits auch Hinweise darauf, welche Prinzipien umgesetzt werden müssen, damit Menschen sich positiv entwickeln, d. h. ihr volles Potential entfalten können und sich infolgedessen wohlfühlen und zufrieden sind.
Wesen des Menschen und Autonomie
Das Wesen des Menschen auf seiner Autonomie aufzubauen, bedeutet, dass Menschen grundsätzlich frei sind, Entscheidungen zu treffen und danach zu handeln. Willensfreiheit impliziert auch, dass jeder Mensch für die eigenen Entscheidungen und Handlungen verantwortlich ist.
Autonomie im Sinne von Willensfreiheit, Selbststeuerung und Selbstregulation bedeutet, dass jeder Mensch selbst in letzter Instanz die Kontrolle über die eigenen Entscheidungen und Handlungen hat und dass äußere Umstände oder Zwänge das Verhalten nicht vollständig beeinflussen können. Das Wesen des Menschen als frei zu definieren, hat weitreichende Implikationen. Selbstverständlich beeinflusst das Umfeld menschliches Verhalten und menschliche Entwicklung, weshalb es auch sinnvoll und wichtig ist, Umgebungen zu schaffen, die viele positive Elemente aufweisen und positive Entwicklungsimpulse geben. Autonomie bedeutet jedoch, dass äußere Umstände das Verhalten und die Entwicklung eines einzelnen Menschen niemals vollständig determinieren können, weil der Mensch in letzter Instanz immer selbst entscheidet, welche Impulse er*sie aufnimmt und welche nicht.
Leitfrage: Wie können Umgebungen gestaltet werden, um menschlicher Autonomie gerecht zu werden bzw. diese zu fördern?
Autonomieförderlich sind alle Umgebungen, die Wahlmöglichkeiten aufweisen. Mitsprache- und Wahlmöglichkeiten sind auch zentrale Charakteristika von demokratischen Strukturen. Positive Umgebungen weisen im Idealfall eine Vielfalt von positiven Entwicklungsimpulsen auf. Mitsprache- und Wahlmöglichkeiten erweitern die menschlichen Handlungsspielräume, während Handlungsspielräume von Zwängen eingeengt werden. Menschen unterscheiden sich hinsichtlich ihres Autonomie- bzw. Kontrollempfindens. Es gibt Menschen, die die Verantwortung für ihr Leben und ihre Entscheidungen notorisch in äußeren Umständen oder bei anderen Menschen sehen. Diese Menschen haben das Gefühl, kaum Kontrolle über das eigene Leben oder die eigenen Lebensumstände zu haben, sondern weitgehend von außen bestimmt zu werden. Selbstverständlich gibt es auch Menschen, auf die Zwang ausgeübt wird bzw. deren Freiheit durch andere Menschen oder durch äußere Umstände massiv eingeschränkt wird.
Es ist wichtig, die psychologische Ebene des Autonomieempfindens und Autonomieerlebens von der philosophischen Ebene der Autonomie zu trennen. Akzeptiert man die Idee der Willensfreiheit auf philosophischer Ebene, ist ein Mensch auch dann frei, wenn er sich (gerade) nicht so fühlt, bzw. auch dann, wenn äußere Umstände die Freiheit tatsächlich stark einschränken. Ryan und Deci (2000) gehen sogar so weit, Autonomie als eines von drei menschlichen Grundbedürfnissen zu definieren, die erfüllt sein müssen, damit ein Mensch zufrieden und gesund leben kann. Das zweite Grundbedürfnis laut Ryan und Deci (2000) ist das Kompetenzerleben.
Wesen des Menschen und Kompetenz
Das Wesen des Menschen auf seiner Kompetenz aufzubauen, bedeutet, dass Menschen grundsätzlich kompetent, d. h. fähig sind und auch den Wunsch haben, ihre Fähigkeiten im Sinne des persönlichen Wachstums einzusetzen und sich damit weiterzuentwickeln.
Menschen als kompetent zu definieren, beschreibt ein typisches Menschenbild der positiven Psychologie. Kompetenz ist eine sich ständig entwickelnde Eigenschaft, die im Wechselspiel zwischen Anforderungen und Bewältigung entsteht. Demzufolge ist Kompetenz eine dynamische Eigenschaft. D. h., es kann vorkommen, dass Anforderungen überfordernd sind und zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht bewältigt werden können. Dies ändert jedoch nichts daran, dass eine Person grundlegend kompetent ist, weil sie ihre derzeit vielleicht nicht ausreichende Kompetenz weiterentwickeln kann und sie es zu einem späteren Zeitpunkt schaffen kann, die Anforderung entweder erfolgreich zu bewältigen oder auf andere Weise zu überwinden. Insofern ist das Menschenbild der Kompetenz eng damit verbunden, die Potentiale eines Menschen zu sehen bzw. auf Ressourcen zu achten, die jeder Mensch selbst in der schwierigsten Situation in der Lage ist zu aktivieren.
Das Konzept der Resilienz ist eng mit dem Menschenbild der Kompetenz verbunden. Resilienz ist die Fähigkeit von komplexen Systemen (also auch von Menschen), sich auch von schweren Beeinträchtigungen oder Störungen wieder zu erholen und sich danach wieder positiv zu entwickeln (Masten 2014). Die Überwindung oder erfolgreiche Bewältigung von stark überfordernden Anforderungen ist ein Anzeichen von Resilienz. Auch Resilienz ist eine dynamische Eigenschaft, die im Wechselspiel zwischen Person und Umwelt entsteht. Ungar (2011) beschreibt Resilienz als die Fähigkeit eines Menschen, nach dem Auftreten von schweren Beeinträchtigungen oder Störungen Ressourcen zu aktivieren bzw. sich als Gruppe dafür einzusetzen, dass die Beeinträchtigungen oder Störungen ein Ende nehmen.
Leitfrage: Wie können Umgebungen gestaltet werden, um das Kompetenzempfinden von Menschen zu fördern?
Das Kompetenzempfinden von Personen entwickelt sich dann am besten, wenn es zu einer für sie optimalen Mischung zwischen Anforderung und Bewältigungsmöglichkeiten kommt, d. h. wenn sie sich weder über- noch unterfordert fühlen. Menschen, die ihre Kompetenzen weiterentwickeln wollen und nach persönlichem Wachstum streben, suchen sich oft Situationen, die sie ein wenig überfordern, damit sie ihre Fähigkeiten ausbauen können. Der Punkt, der ein wenig (aber nicht zu stark) überfordernd ist, wird Zone der nächsten Entwicklung (Zone of Proximal Development nach Vygotskij 2017) genannt. Dies ist die Zone, in der sich eine Person mit ein wenig Unterstützung am besten entwickeln kann, weshalb sich Lernumgebungen an dieser Zone ausrichten sollten. Das dritte menschliche Grundbedürfnis nach Ryan und Deci (2000) ist die soziale Eingebundenheit.
Wesen des Menschen und Eingebundenheit
Das Wesen des Menschen auf seiner sozialen Eingebundenheit aufzubauen, bedeutet, dass Menschen als soziale Wesen von vielfältigen Beziehungssystemen umgeben sind, die im Idealfall dazu beitragen, die sozialen Strukturen zu sichern.
Auch die soziale Eingebundenheit