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Als Ökonom und erfahrener Unternehmer ist Anton Börner überzeugt: Wenn die christliche Tradition uns heute noch etwas zu sagen hat, dann muss ihre Botschaft zeitgemäß formuliert werden können. In einer Sprache, wie sie moderne Menschen weltweit verwenden und verstehen. Vor diesem Hintergrund beleuchtet der Autor die Schöpfungsgeschichte. Gott entwirft das Projekt und realisiert es unter Beachtung der Kriterien Freiheit, Logik, Plausibilität und Effizienz. Anton Börner analysiert das Konzept Gottes von der Schöpfung des Universums, die Menschwerdung, Kreuzigung und Auferstehung Jesu bis hin zum Gericht über die Lebenden und die Toten am Jüngsten Tag. Ein unkonventioneller Versuch, die Kernaussagen des christlichen Glaubens zu vermitteln und in den Aussagen der Bibel überzeugende und zeitgemäße Antworten auf Fragen und Zweifel an Gott zu finden.
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Seitenzahl: 328
Anton F. Börner
Start-up Genesis
Gottes Schöpfung auf dem Prüfstand
Vier-Türme-Verlag
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Printausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2023
ISBN 978-3-7365-0518-6
E-Book-Ausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2023
ISBN 978-3-7365-0489-9
Alle Rechte vorbehalten
E-Book-Erstellung: Dr. Matthias E. Gahr
Lektorat: Marlene Fritsch
Cover: Finken und Bumiller, Stuttgart
www.vier-tuerme-verlag.de
Einführung
Jedem Menschen stellt sich irgendwann im Leben die Frage nach seinem Schicksal. Wozu bin ich auf der Welt? Habe ich in meinem Leben eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen, und wenn ja: welche Aufgabe könnte das sein?
Die Frage nach dem Schicksal ist untrennbar verknüpft mit der Frage nach dem Sinn, der diesem Schicksal möglicherweise innewohnt. Gerade in unseren heutigen Wohlstandsgesellschaften können viele Menschen ihrem Leben kaum mehr einen Sinn abgewinnen. Sie existieren in materieller Sicherheit, empfinden sich jedoch als fremdbestimmt und leben gleichsam in einem Sinnvakuum vor sich hin. Welchen Sinn könnte das Leben eines durchschnittlichen Mitteleuropäers schließlich haben, der gegen materielle und gesundheitliche Risiken so weit wie möglich abgesichert ist und dessen einzelne Lebensbausteine vorgefertigt und austauschbar scheinen?
Die Sinnfrage stellt sich umso drängender, wenn man einen Schicksalsschlag hinnehmen musste. Wenn ich beispielsweise durch eine schwere Krankheit Schmerzen erleide, eine Behinderung zurückbehalte, meine Arbeitsfähigkeit einbüße – worin könnte der Sinn eines solchen Schicksals bestehen? Wenn ein Angehöriger von mir durch einen tödlichen Unfall aus dem Leben gerissen wird – welchen tieferen Sinn könnte dieses traurige Ereignis haben? Wenn Familien durch Krieg oder Verfolgung zur Flucht gezwungen, getrennt, entwurzelt und traumatisiert werden oder wenn ganze Völker durch Naturkatastrophen und Hungersnot ins Elend gestürzt werden – sind sie einfach nur Opfer blinder Gewalten oder haben ihre schrecklichen Schicksale entgegen dem Anschein einen verborgenen Sinn?
Antworten auf die Sinnfrage
Plausible Antworten auf die Fragen nach Schicksal und Lebenssinn zu finden, scheint schwer, wenn nicht unmöglich. Ist mein Schicksal unabwendbar oder kann ich es irgendwie beeinflussen? Inwieweit bin ich verantwortlich für das, was ich tue beziehungsweise unterlasse? Gibt es so etwas wie persönliche Schuld? Habe ich überhaupt die Freiheit, zwischen verschiedenen Handlungen zu wählen – oder ist mehr oder weniger mein ganzes Leben durch soziale, materielle, genetische Zwänge vorherbestimmt?
Wer sich mit diesen Fragen auseinandersetzt – vielleicht ausgelöst durch einen persönlichen Schicksalsschlag –, wird meist zu dem Schluss kommen, dass sie sich nicht zuverlässig beantworten lassen. Wir alle sind relative Wesen, an Raum und Zeit gebunden, durch unsere Herkunft und Erziehung, durch Alter und Bildung geprägt und begrenzt. Würde ich heute nicht in Mitteleuropa, sondern in einer anderen Epoche, Region und Kultur leben, würde ich die Fragen nach Schicksal und Lebenssinn aus ganz anderen Blickwinkeln betrachten und entsprechend zu anderen Antworten gelangen.
Ist die Frage nach Sinn oder Sinnlosigkeit meines Lebens also ihrerseits sinnlos? Wer an einen Gott glaubt, wird das entschieden verneinen. Je nachdem, ob ich einem liebenden oder strafenden, einem neutralen oder eifersüchtigen Gott anhänge, bekommt mein Leben eine ganz bestimmte spirituelle Beleuchtung, die allen Ereignissen, beglückenden ebenso wie katastrophalen, einen tieferen – subjektiven – Sinn verleiht.
Aus der Perspektive des Atheismus handelt es sich hierbei jedoch um bloße Selbsttäuschung, um Flucht in tröstliche Illusionen. Für die Atheisten steht fest, dass es keinen Gott, also auch keinen »höheren« Sinn der menschlichen Existenz gibt. Wenn der Einzelne zur Verbesserung der Lebensverhältnisse beitrage, sich für Fortschritt und Gerechtigkeit einsetze, könne er gleichwohl ein sinnvolles Leben führen. Doch spätestens, wenn sie von Krankheit, Alter, Siechtum heimgesucht werden, überwiegt auch bei Anhängern solcher Lebenssinnkonstrukte das subjektive Gefühl sinnlosen Niedergangs. Das gilt erst recht für Kriege und Naturkatastrophen – Erdbeben, Vulkanausbrüche, Überschwemmungen –, die das Lebenswerk von Generationen minutenschnell zerstören können. Vor dem als unerträglich sinnlos empfundenen Leben ergreifen daher auch Atheisten über kurz oder lang oftmals die Flucht. Nur fliehen sie nicht – wie sie gläubigen Mitmenschen vorhalten – in »religiöse Illusionen«, sondern typischerweise in Fatalismus oder Zynismus, in Betäubungsmittelmissbrauch oder auch in den Suizid.
Für Karl Marx, einen der weltweit bekanntesten Atheisten, war Religion schlichtweg »Opium fürs Volk«. Hat er recht mit seinem Vorwurf, auch der Glaube an Gott sei nur eine Art Droge, die einem hilft, mit dem Schicksal fertig zu werden? Wahr ist: Wenn ich an die Existenz eines Gottes glaube, kann ich einen Lebenssinn konstruieren, der außerhalb meiner selbst und meiner räumlich-zeitlichen Umgebung entspringt und von meinem eigenen Schicksal unabhängig ist. Insofern ist derjenige glücklich zu schätzen, der über einen solchen Gottesglauben verfügt. Aber wo bekommt man diesen Glauben her?
Auf dem weltweiten »Markt der Religionen« sind die unterschiedlichsten Glaubensformen im Angebot. Jeder Gottesglaube hat seine eigenen Botschaften und Rituale. Wie kann ich herausfinden, wie eine Religion beschaffen sein müsste, die eben nicht nur tröstliche Illusionen bietet, sondern vertrauenswürdige Antworten auf meine Fragen nach Schicksal und Lebenssinn liefert?
In den folgenden Kapiteln stelle ich Ihnen ein Modell vor, das ich entwickelt habe, um genau dieses Problem zu lösen. Mein Prüfverfahren basiert auf Logik, Plausibilität und Effizienz, also auf den zentralen Kategorien unseres modernen Denkens. Gesucht wird eine Religion, die mit unserem heutigen Weltbild voll kompatibel ist, ein Welterklärungsnarrativ, das vernünftig ist und mir Antworten auf diese zentralen Fragen liefert:
Worin besteht der Sinn dieser Welt im Allgemeinen und meines Lebens im Besonderen?Inwiefern können Geschehnisse sinnvoll sein, auch wenn ich als Betroffener (zum Beispiel von Krankheit, Krieg oder Naturkatastrophe) diesen Sinn nicht erkennen kann?Wie kann ich als einzelner Mensch mit meinem Schicksal fertig werden?Wie kann dieser Glaube anderen Menschen zeitgemäß vermittelt werden?In diesem Buch stelle ich die christliche Religion auf den Prüfstand. Prinzipiell könnte ich mit meinem Modell auch jedes andere Glaubensgebäude einem Statikcheck unterziehen, aber es liegt nahe, die Botschaft der christlichen Kirchen in den Mittelpunkt der Untersuchung zu stellen. Schließlich sind Deutschland und Europa durch den christlichen Gottesglauben zutiefst geprägt worden, und das gilt gleichfalls für mich selbst, der im katholischen Bayern groß geworden ist.
Dabei geht es mir ums existenzielle Ganze, also keineswegs um eine Gedankenspielerei. Ich will wissen, wie ein Glaubensgebäude konstruiert sein muss, damit es überzeugende Antworten auf Zweifel und Verzweiflung bietet. Sind wir einem blinden Schicksal ausgeliefert oder gibt es einen göttlichen Plan, innerhalb dessen alles einen Sinn erhält? Wenn ich durch Krankheit, Krieg oder Katastrophen alles verloren habe, wie und wodurch werde ich entschädigt werden? Wäre es nicht besser, wenn ich niemals geboren worden wäre? Gibt es jenseits von Not, Krise und Leid etwas Beständiges, nach dem zu streben sich lohnt? Wenn ich mit dem Tod nicht einfach dem Nichts anheimfalle, wie kann ich mir dieses Etwas als heutiger aufgeklärter Mensch erschließen? Wenn ich alle Hoffnung verloren habe, wenn ich in tiefem Unglück lebe, welche neue Hoffnung kann ich gewinnen, wodurch kann ich noch einmal glücklich werden?
Die Schöpfung als unternehmerisches Projekt
Für mich als Unternehmer wie auch als Ökonom ist es eine Selbstverständlichkeit, jede Annahme oder Behauptung auf ihre Logik, Plausibilität und Effizienz hin zu überprüfen. Bei der christlichen Erzählung von Gott und seiner Schöpfung, vom Gottessohn und dessen Wiederkehr am Jüngsten Tag scheint das kaum möglich zu sein. Die Priester und viele Theologen beharren ja gerade darauf, dass die wundersamen Vorgänge den menschlichen Verstand übersteigen, also einfach und einfältig gläubig hinzunehmen seien, auch wenn die herausragenden Theologen immer betont haben, dass die »Glaubenswahrheiten« mit dem Verstand zu erfassen seien.
»Glauben« und »Denken« sind also keine absoluten Gegensätze. Für das unternehmerische Denken gilt das im Übrigen auch. Ich bin davon überzeugt, dass der Unternehmer seinem Charakter und der Methode seines Handelns nach mehr der Mystik (»credo ut intelligam« – »ich glaube, um erkennen zu können«) angehört. Er hat eine Vision, will etwas schaffen und handelt mit hohem persönlichem Risiko auf eine unbekannte, offene Zukunft hin. Natürlich versucht er, die Risiken einzugrenzen, indem er Logik, Plausibilität und Effizienz seines Projekts vorab möglichst genau prüft und bewertet.
Aber auch die Ökonomie und die modernen Managementtheorien kennen keine in Stein gemeißelten Wahrheiten. Entscheidungen müssen häufig in komplexen Gemengelagen mit zahlreichen Variablen und Einflussfaktoren unter Risikoszenarien getroffen werden, die niemand vollständig durchschauen kann.
In der heutigen Wirtschaft spielt daher die Risikofrage eine zentrale Rolle. Welche Risiken übernimmt wer zu welchem Preis, und welche Chancen verbergen sich dahinter für wen? So lautet eine typische Fragestellung des modernen Risikomanagements. Die einzelnen Risiken lassen sich durchaus berechnen, zumindest abschätzen – und entsprechend mit Preisschildern versehen.
Ich fraget mich: Kann ich diese Methode der Risikobewertung auch auf existenzielle Fragen anwenden? Lässt sich das Risiko berechnen, dass man als moderner Mensch bei allen beruflichen und materiellen Erfolgen mit seinem Hauptprojekt – dem eigenen Leben – scheitert? Dass man sinn- und orientierungslos gelebt hat, obwohl der ganz persönliche Lebenssinn und Lebensauftrag sozusagen auf Abruf bereitgelegen hätten? Und dass man schließlich – falls die zentralen christlichen Aussagen stimmen – auch noch das ewige Leben verpasst?
Ob ich als Unternehmer oder als Wissenschaftler erfolgreich bin, kann ich leicht berechnen. Wenn meine Rendite langfristig stimmt, bin ich ein erfolgreicher Unternehmer. Wenn meine Theoreme und Modelle widerspruchsfrei funktionieren, bin ich ein erfolgreicher Ökonom oder Naturwissenschaftler. Auch unsere persönlichen Risiken versuchen wir als moderne Menschen zu managen: Wir unterziehen uns regelmäßigen medizinischen Vorsorgeuntersuchungen und Checks, um die Risiken einer zu spät erkannten Erkrankung zu minimieren. Bevor wir eine Fernreise antreten, recherchieren wir etwaige Risiken durch lokale Krankheitserreger, potenzielle Terroranschläge oder drohende Naturkatastrophen. Wir schließen Versicherungen gegen eine Vielzahl alltäglicher Risiken ab – von der Arbeitsunfähigkeits- über die Kfz- und Hausratversicherung bis hin zur Rechtsschutz- und Risikolebensversicherung.
Aber wie sieht das mit dem geistig-seelischen Fundament meines Lebens aus? Wie hoch oder gering ist mein Risiko, mit meinem Leben als Ganzes erfolgreich oder gescheitert zu sein? Was sind überhaupt die Kriterien für ein sinnvolles, erfülltes Leben? Das kann ich weder von meinem Karriere- noch von meinem Kontostand ablesen. Und die Kirchen geben mir so wenig wie die Theologen eine Antwort, mit der ich etwas anfangen könnte. Also muss ich mir selbst ein Instrument bauen, sagte ich mir, um diese Risiken zu bewerten.
Wir Unternehmer, Ökonomen und Naturwissenschaftler sind es gewohnt, mit Modellen zu arbeiten, wenn wir es mit komplexen Gemengelagen zu tun haben. Das globale Klima beispielsweise ist ein multifaktorieller, hochkomplexer Mechanismus, den die Wissenschaft bis heute nur teilweise versteht. Das Gleiche gilt für die globalen Finanzmärkte mit ihren unwetterartig hereinbrechenden Turbulenzen.
Auch wenn ein Unternehmen beispielsweise einen neuen Markt erschließen oder eine neue Produktlinie realisieren will, wird das geplante Projekt zunächst im Modell simuliert. Auf diese Weise lässt sich überprüfen, ob die getroffenen Annahmen plausibel und logisch, also in sich widerspruchsfrei sind. Außerdem erlaubt der Modellversuch Aussagen über die Effizienz des durchgespielten Prozesses: Bekomme ich, wenn ich als Unternehmen etwa in den chinesischen Markt investiere, zumindest mein eingesetztes Kapital zurück? Wie hoch ist das Risiko, dass ich am Ende noch draufzahlen muss?
Selbst das beste Modell kann mir allerdings nicht verraten, ob das Ergebnis »wahr« ist. Die moderne Ökonomie kennt genauso wie die Naturwissenschaften keine feststehenden Wahrheiten, sondern nur Theorien, die so lange gültig sind, bis sie widerlegt werden. Die globale Wissenschafts-Community sucht sozusagen auf Teufel komm raus nach Fehlern und Schwachstellen in einem Modell, bis es zu Fall gebracht und durch ein besseres ersetzt worden ist.
Die gleiche Funktion erfüllt in der Wirtschaft der Wettbewerb auf dem freien Markt. In unserer Welt mit ihrer offenen Zukunft, in der alles im Fluss ist, kann es definitionsgemäß kein für alle Zeiten gesichertes Wissen geben. Und genauso wenig ein Produkt, das nicht über kurz oder lang durch ein besseres ersetzt werden würde.
Deshalb arbeiten wir in der Wissenschaft wie auch bei der unternehmerischen Planung mit den Kategorien der Logik, Plausibilität und Effizienz. Nachdem ich auf jede erdenkliche Weise Logikbrüche und Widersprüche ausgeschlossen habe und die geforderte Effizienz mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, kann ich aus unternehmerischer Sicht zumindest sagen: »Dieses Projekt kann funktionieren.« Ob ich jedoch so tief davon überzeugt bin, dass ich mich tatsächlich zur praktischen Umsetzung entschließe, entscheide ich letztlich mithilfe von Intuition und Bauchgefühl.
Kann man – und darf man – die Botschaft der Bibel und der kirchlichen Überlieferungen aber so erzählen: in heutiger, nüchterner Sprache, als modernes Managementprojekt? Oder ist die Glaubwürdigkeit der Geschichte von Gott und seiner Schöpfung eben doch an die überlieferten dunklen Worte gebunden, an Gleichnisse und Legenden, die kaum noch jemand versteht?
Axiome und Meilensteine
Als Ökonom und erfahrener Unternehmer bin ich überzeugt: Wenn die christliche Überlieferung uns heute noch etwas zu sagen hat, dann muss sich ihre Botschaft auch zeitgemäß formulieren lassen. In einer Sprache, wie sie moderne Menschen unseres säkularen Zeitalters weltweit verwenden und verstehen. Und in einer modellhaften Prozessstruktur, die es erlaubt, die christlichen »Wahrheiten« nach den heute weltweit gültigen wissenschaftlichen und Managementkriterien zu bewerten.
Wenn ich also das Projekt Genesis im Modell überprüfe, kann ich als Ergebnis definitionsgemäß nicht herausbekommen, ob die religiösen Kernaussagen »wahr« sind. Aber ich kann anhand meines Modells feststellen, ob sie plausibel oder in sich widersprüchlich sind. Ob die einzelnen Prozessschritte logisch aufeinander aufbauen oder willkürlich zusammengefügte Versatzstücke sind. Und schließlich, ob das Resultat dieses Prozesses effizient ist, also am Ende mehr dabei herauskommt, als investiert worden ist.
Bei einer Schöpfung, die mit ihrer kompletten Vernichtung durch einen zornentbrannten Gott endet, wäre das offenkundig nicht der Fall. Ein solcher Schöpfer hätte, in unternehmerischen Kategorien gedacht, eine grandiose Pleite hingelegt. Der Gott des Christentums dagegen scheint am Ende einen glänzenden Return-of-Investment einzufahren. Doch glauben kann ich das nur, wenn ich zuvor Schritt für Schritt festgestellt habe, dass sich das alles wirklich so abgespielt haben kann.
Daher habe ich zunächst vier Axiome formuliert, wie das bei der Modellbildung üblich ist. Diese Grundannahmen entsprechen den vier Attributen, die die jüdisch-christliche Überlieferung Gott übereinstimmend zuschreibt:
1. Gott existiert.
2. Gott ist eine Person mit einem Ich-Bewusstsein und einem Willen.
3. Gott ist absolut: Sein Sein ist nicht bedingt.
4. Gott ist allmächtig.
Aufgrund dieser vier Axiome will ich im Modell untersuchen, ob ein Gott mit diesen Eigenschaften imstande wäre, die Schöpfung so ins Werk zu setzen, wie es laut Überlieferung geschehen sein soll.
Auf der Basis der christlichen Erzählung habe ich das »Rollout« des Schöpfungsprojektes als Nächstes in Prozessschritte aufgeteilt, wie dies gleichfalls der Modellbildung entspricht. In der Managementsprache kann man die Prozessschritte auch als »Meilensteine« bezeichnen, die das Unternehmen Genesis im vorab festgelegten Zeitplan einen nach dem anderen erreichen soll:
1. Meilenstein: Schöpfung durch den trinitarischen (dreieinigen) Gott
2. Meilenstein: Umgang mit dem Bösen
3. Meilenstein: Menschwerdung/Neuausrichtung
4. Meilenstein: Nachfolge/zukunftssichere Organisation
5. Meilenstein: Rückkehr/Gericht und kommende Welt
Aus der Überlieferung habe ich schließlich 23 christliche Kernaussagen herausgefiltert und den Meilensteinen zugeordnet. Diese Kernaussagen finden Sie jeweils in den Kapiteln, in denen die Prozessschritte unter die Lupe genommen werden.
Bewusst habe ich auf alle tradierten Begriffe verzichtet, die nach naivem Kinderglauben oder unhinterfragter Volksfrömmigkeit klingen. Vokabeln wie Engel und Himmel, Teufel und Hölle, Sünde, Gnade, Erlösung und so weiter suggerieren bestimmte Bilder und diffuse Sinnzusammenhänge, die bei der betont nüchternen Überprüfung im Modell nur hinderlich wären. Meine Ableitungen beziehen sich zwar (auch) auf die real existierende Kirche, dennoch bezeichne ich die in Kapitel 4 skizzierte Institution neutral als »Versöhnungswerk«, um keine emotional negativ belegten Assoziationen zu erzeugen.
Einige im Modell verwendeten Begriffe, wie »das Gute« und »das Böse« mögen Ihnen zwar aus der christlichen Überlieferung bekannt vorkommen; ich gebrauche diese Ausdrücke jedoch gleichfalls nur als definierte Bezugsgrößen innerhalb meines Modells.
Nachdem ich die Axiome formuliert, das Modell designt und die Prozessschritte durch Kernaussagen konkretisiert habe, kann ich Logik, Plausibilität und Effizienz jeder einzelnen Etappe prüfen und jeweils mögliche Umsetzungsalternativen abwägen und bewerten. Anschließend kann ich außerdem feststellen, ob das Projekt in seiner Gesamtstruktur den genannten Kriterien entspricht – oder ob es sich am Ende als willkürliches und widersprüchliches Sammelsurium unglaubwürdiger Behauptungen und Verheißungen erweist. Und erst danach kann ich überprüfen, ob und inwieweit die historische Realität des Christentums und die aktuellen Erkenntnisse der Wissenschaften mit meinen Modellergebnissen übereinstimmen. Und welche Schlussfolgerungen sich daraus für mich persönlich ergeben.
Nun also Start frei für Gottes Start-up Genesis. Wenn ich in den folgenden Kapiteln immer wieder einmal in die Perspektive Gottes schlüpfe, bitte ich Sie herzlich, das nicht als Anmaßung misszuverstehen. Ich bin genauso wie Sie ein relatives Wesen, kann so wenig wie Sie durch Wände gehen und bin mir dessen auch bewusst. Ich setze mich nur im Rahmen meines Modells sozusagen auf Gottes Stuhl, und zwar deshalb, weil Gott nun einmal der Hauptakteur und entscheidende Impulsgeber der christlichen Schöpfungserzählung ist. Wenn ich sein Start-up Genesis vom Anfang bis zum Ende durchspiele, muss ich logischerweise auch seine Perspektive einnehmen.
Das Unternehmen folgt einem Top-down-Ansatz, wie das in der Managementsprache heißt: Als Unternehmer mit einer schöpferischen Vision designt Gott das Projekt und überprüft dessen Logik, Plausibilität, Risiken und Effizienz. Soweit nötig, bessert er nach, dann macht er sich an die Umsetzung seines Plans.
Kapitel 1
Der trinitarische Gott und seine Schöpfung
»Habe nun, ach! Philosophie,Juristerei und Medizin,Und leider auch TheologieDurchaus studiert, mit heißem Bemühn.Da steh ich nun, ich armer Tor!und bin so klug als wie zuvor; [...]Und sehe, dass wir nichts wissen können!Das will mir schier das Herz verbrennen.«
(Johann Wolfgang von Goethe, Faust I)
Nun, da haben Sie völlig recht, Herr Dr. Faust. Wir können vom Absoluten nichts sicher wissen, nur manches erahnen – sonst wären wir ja auch absolut, aber das müsste Ihnen eigentlich bekannt sein. Oder wollen Sie wie Gott sein? Das wäre für einen Menschen ziemlich vermessen und würde zu nichts Gutem führen. Jedenfalls haben bisher alle, die das versucht haben, Katastrophen, Leid und Elend über die Menschen gebracht und sind am Ende gescheitert.
In diesem Buch werde ich mich dem Thema »Gott, seine Schöpfung und seine Geschichte mit uns« anders nähern. Nicht mit Philosophie und Theologie, sondern mit einem modernen ökonomischen Ansatz. Auch Dr. Faust als Naturwissenschaftler dürfte es interessieren, dass wir heutzutage auf Modelle zurückgreifen, wenn wir keine sicheren und wahren Aussagen machen können. Wir können es uns schlichtweg nicht leisten, uns das Herz zu verbrennen. Solche Hitze trübt nur Verstand und Gemüt. Heute ist Klarheit gefragt. Nur so können wir im täglichen Leben Erfolg haben und die Herausforderungen der Zukunft meistern.
Also wagen wir das Experiment und schauen, ob unsere Überlegungen einen Erkenntnisgewinn bringen. Vielleicht stellt sich ja heraus, dass manche Überlieferung aus Theologie und Philosophie, mit dem Auge des modernen Menschen betrachtet, durchaus vernünftig, plausibel und effizient ist.
Sind Sie dabei, Dr. Faust? Und Sie auch, liebe Leserinnen und Leser? Dann kommen Sie bitte mit. Schauen wir uns noch einmal die vier Axiome unseres Modells an:
Gott existiert. Er ist eine Person mit einem Ich-Bewusstsein und einem Willen. Gott ist absolut. Und er ist allmächtig.
Dieser Gott existiert notwendigerweise außerhalb des Raum-Zeit-Kontinuums, in dem wir als relative Wesen gefangen sind. Und er verfügt über die absolute und vollkommene Erkenntnis seiner selbst – wiederum im Gegensatz zu uns Menschen, die wir in der Welt der Naturgesetze leben und immer nur zu relativer und bruchstückhafter Selbsterkenntnis imstande sind.
Der Gott unseres Modells weiß also, dass er existiert und dass es nichts gibt außer ihm. Er ist sich als absolute Person selbst vollkommen transparent und bejaht sich absolut: »Es ist wahr, gut und schön, dass ich bin.«
Das ist eine logische Konsequenz seiner Absolutheit. Würde Gott sich nicht total bejahen, wäre er destruktiv, und zwar absolut. Anders als wir kann er es sich nicht leisten, an sich selbst herumzumäkeln oder sich gar komplett abzulehnen. Sonst würde er sofort ins absolute Nichts stürzen. Folglich bleibt ihm nur die totale Selbstbejahung. Absolutheit schließt jegliche Halbheiten aus.
Zu Gottes Schöpfung wäre es anderenfalls nie gekommen. Wie Sie aber leicht feststellen können, wenn Sie zum Beispiel mit diesem Buch auf den Tisch klopfen, gibt es da etwas, und wir selbst sind auch noch hier.
Woraus wir folgern dürfen, dass die Modellannahmen über Gott zumindest bis hierher richtig sind.
Die ersten Fragen
Schauen und hören wir einmal zu, was der absolute, allmächtige Gott macht. Er sitzt sozusagen in einem dunklen »Raum«, dem Nichts. Definitionsgemäß hat er ein Ich-Bewusstsein, also stellt er sich Fragen, die er sich selbst beantwortet:
1. »Wer bin ich?« – »Ich bin der, der ich bin. Wer soll ich denn sonst sein? Es gibt ja nur mich!«
2. »Warum bin ich?« – »Ich bin deshalb, weil ich eben bin. Was denn sonst?«
3. »Und was fange ich jetzt mit mir an?« Nun wird es kompliziert, denn hier geht es ums Ganze. Nehmen wir an, die Antwort lautet: »Ja, was schon? Ich genüge mir selbst. Ich bin ja wahr, gut und schön und habe volle Selbsterkenntnis. Das reicht mir vollkommen aus. Was will ich noch mehr, ich habe ja alles in Fülle! Oder fehlt mir vielleicht etwas?«
Woher wissen wir, dass Gott Selbsterkenntnis hat? Das ergibt sich aus den Axiomen unseres Modells. Und wieso ist er wahr? Gott muss wahr sein, sonst hätte er ein falsches, lügnerisches, also destruktives Element in sich, das gegen ihn selbst gerichtet ist. Ein neurotischer oder psychotischer Gott könnte jedoch als absolutes Wesen nicht existieren. Er würde sich sowohl bejahen als auch sofort verneinen, und das würde ihn aufgrund seiner Absolutheit und Zeitlosigkeit augenblicklich ins Nichts stürzen. Warum ist er schließlich nicht nur wahr, sondern damit auch gut und schön? Die absolute Wahrheit Gottes bedeutet zwangsläufig auch absolute Harmonie, Reinheit und ästhetische Vollkommenheit.
Selbstverständlich kann Gott in dieser Situation sagen: »Ich genüge mir selbst absolut.« Das war es dann aber auch. Danach kommt nichts mehr. Wenn er sich selbst genügt, braucht und wird er auch nichts erschaffen. Da es aber offensichtlich etwas gibt, beispielsweise das uns bekannte Universum, die Natur und uns Menschen, kann er es bei dieser Antwort nicht belassen haben.
Ein vollkommen selbstgenügsamer Gott würde seine Kräfte nach innen bündeln, in Richtung seines Gravitationszentrums. Er würde absolut um sein Inneres kreisen. In seiner Totalität und Absolutheit wäre er das Schwarze Loch schlechthin. Nichts käme aus ihm heraus. Er wäre absolut beziehungsunfähig, der totale Autist. In alle Ewigkeit würde es niemals etwas anderes geben als ihn selbst in seiner vollkommenen Einsamkeit. Absoluter Narzissmus, ein schrecklicher Gedanke! Mit Wahrheit, Güte und Schönheit wäre es nichts geworden, und stattdessen gäbe es nur Leere und Langeweile.
Da jedoch das Universum und die Natur in ihrer Vielfalt existieren, da es uns gibt und wir uns selbst erfahren, können wir mit Sicherheit behaupten: Auf die Frage »Und was fange ich jetzt mit mir an?« muss sich Gott eine andere Antwort gegeben haben. Sein Dialog, den er vor aller Schöpfung mit sich selbst führt, kann nur ein dynamischer, offen organisierter Prozess auf der Basis absoluter Selbsterkenntnis und Selbstbejahung sein. Wäre es anders, hätte er auch nichts Neues hervorgebracht. Weder das Universum und die Evolution noch die Geschichte und uns selbst.
Außer Gott und dem Nichts gäbe es buchstäblich nichts.
Vater und Sohn
Selbstreflexion bedeutet, dass man gleichzeitig Subjekt und Objekt des Erkenntnisprozesses ist, Betrachter und Betrachteter zugleich. Man versucht, sich von außen anzuschauen, als wäre man jemand anderes, der einem selbst in sämtlichen Eigenschaften gleicht.
Uns Menschen als relativen, an Raum und Zeit gebundenen Wesen kann das nur ansatzweise gelingen, als bloße Denk- und Imaginationsleistung. Aufgrund der Naturgesetze können wir uns nicht wirklich in zwei Personen aufteilen. Subjekt und Objekt der Selbstreflexion bleiben an ein und denselben Körper gebunden. Und wer eine solche mentale Entzweiung längere Zeit aufrechterhält, riskiert, an einer Persönlichkeitsspaltung zu erkranken.
Bei einer absoluten Person würde das zur Auflösung ihrer selbst führen. Damit wäre alles zu Ende. Doch Gott unterliegt als reiner Geist nicht den Einschränkungen körperlicher Wesen (die es in diesem Stadium ohnehin noch nicht gibt). Was sich in seinem Geist vollzieht, ist unmittelbar Wirklichkeit. Wenn er in einem dynamischen, offen organisierten Prozess über sich selbst nachdenkt oder mit sich selbst einen Dialog führt, dann teilt er sich nicht nur gleichsam oder scheinbar in Betrachter und Betrachteten auf. Vielmehr bringt er als fragendes Subjekt eine zweite Person hervor, das ihm antwortende Objekt.
Warum ist das so? Als relative und kontingente Wesen können wir diesen Vorgang nur näherungsweise beschreiben. Gott öffnet sich und drängt in einem offenen Dialog mit sich selbst über sich hinaus, denn er ist sich selbst gegenüber total bejahend. Anderenfalls hätte er, wie schon gesagt, nichts erschaffen. Dieses Drängen über sich selbst hinaus führt in das ihn ebenfalls bejahende Subjekt hinein. Es handelt sich jedoch nicht um einen Schöpfungsakt, sondern um einen dynamischen Vorgang, aus dem sich ein personales Gegenüber ergeben muss und damit eine sich wechselseitig bejahende und durchdringende Gesprächs- und Beziehungspartnerschaft.
Diese zweite Person muss mit der ersten Person wesensgleich sein. Denn nach unserem Modell findet dieser Vorgang innerhalb der Absolutheit Gottes statt. Beide göttlichen Personen gleichen sich in ihrem Wert, ihrer Selbsterkenntnis und Selbstbejahung. Sie sind wesensgleich, aber nicht ununterscheidbar identisch. Innerhalb der göttlichen Person sind sie das wechselseitige Gegenüber von Ich und Du in einem ewigen Dialog gegenseitiger Bejahung und Erfahrung.
Fällt es Ihnen schwer, sich das vorzustellen? Dann versuchen wir es einmal anders: Versetzen Sie sich bitte in die Lage unserer absoluten Person. »Ich will, dass da außer mir noch jemand ist«, denkt sie. »Dieser Jemand soll so wahr, gut und schön sein wie ich. Ich will alles mit ihm teilen, ihm alles, was ich habe, zukommen lassen. Alles, was ich bin, soll auch er sein. Ich will ihn immer als mein eigenes Selbst betrachten. Ich will mich immer an ihm freuen, so wie er sich an mir.« So erkennt Gott den Wert des Du und antwortet positiv darauf.
Sie kennen bestimmt auch dieses Gefühl Ihrem Partner gegenüber. Wenn Sie einen guten Tag haben, sich glücklich fühlen, finden Sie ihn oder sie dann nicht auch besonders schön? Möchten Sie Ihrem Partner dann nicht alles geben, was ihn glücklich macht? Ihr alles, was Sie haben, zur Verfügung stellen, nichts für sich zurückbehalten?
So etwa sieht das der absolute Gott. Und so entsteht aus ihm heraus das ihm wesensgleiche zweite Ich: der Sohn. Er existiert ganz einfach als Person. Er kann nicht erschaffen worden sein, sonst wäre er kein gleichwertiges zweites Ich, sondern von seinem Schöpfer hierarchisch abhängig. Das aber wäre für den Gott unseres Modells zutiefst unbefriedigend.
Er wäre dann doch wieder in der totalen Einsamkeit gefangen. Er hätte sich sozusagen einen Spielkameraden geschaffen, um der Depression zu entgehen. Das wäre jedoch eine jämmerliche Hilfskonstruktion und weder wahr noch gut oder schön. Es wäre der Absolutheit Gottes unangemessen. Besser zwar als nichts, aber weder befriedigend noch vollkommen. Und diese Unvollkommenheit würde bei einem absoluten Gott eben wieder ins Nichtsein führen.
In einem statischen, geschlossen organisierten Prozess hätte Gott kein zweites Ich hervorgebracht, sondern bestenfalls sich selbst verdoppelt. Das Du wäre lediglich ein Abbild des Ich. Ein Spiegelbild und kein wert- und wesensgleicher Dialogpartner. Statt Selbstreflexion würde eine solche Doublette nur narzisstische Selbstbespiegelung erlauben, aus der nichts Neues hervorgehen kann. Das Ergebnis wäre erneut ein Schwarzes Loch, nur diesmal als duales System.
Was sagt der Sohn zu dieser Situation? Er ist vollkommen erfüllt von der Partnerschaft mit dem Vater. Er weiß sich im Du des Vaters völlig existent, angenommen und bejaht. Er weiß, dass sein Vater ihm in seiner Absolutheit alles überlässt und alles durch ihn wirkt. In der Beziehung zu dem Du des Vaters bejaht auch er seine Existenz absolut: »Es ist wahr, gut und schön, dass und wie du bist. Genauso, wie es wahr, gut und schön ist, dass und wie ich bin.« So antwortet der Sohn auf den Wert des Vaters. Der Sohn durchdringt den Vater und nimmt dessen Willen als den seinigen an. Diese Gemeinschaft ist von Glücksgefühl und gegenseitiger unendlich großer Freude durchdrungen.
Auch diese Erfahrung kennen wir alle im Grunde aus einer Partnerschaft: Der eine tritt dem anderen gegenüber, beide bejahen sich und durchdringen einander und wollen dem anderen alles geben. Nur fehlt uns eben die Totalität und Absolutheit, wie sie in Gott existiert.
Die dritte göttliche Person
Außerhalb von Raum und Zeit schauen Vater und Sohn sich im jeweils anderen an, bejahen und durchdringen einander in einem ewigen, dynamischen Prozess. Sie stehen in gegenseitiger bejahender Beziehung und tauschen so immerfort die Botschaft aus: »Es ist gut, wahr und schön, dass du bist.«
Diese dynamische Wechselbeziehung wird durch eine Art positiver Bindungsenergie zeitlos stabil im Gleichgewicht gehalten. Daraus ergibt sich im Absoluten eine Bezugskonstante, die aus beiden Personen gleichermaßen kommen und sich gleichfalls als Person konkretisieren muss. Die Bindungskonstante bewirkt im Absoluten und Unendlichen eine nie endende Erfahrung und Durchforschung des anderen, die zu immer mehr Erkenntnis des anderen führt. Das Absolute kann in diesem Zustand der gegenseitigen bejahenden Durchdringung nur sich selbst wiederum als absolute Person hervorbringen.
Alles andere wäre ein Schöpfungsakt. Aber dafür gäbe es in diesem Moment noch keinen Grund. Außerdem wäre es widersinnig und eines absoluten Gottes unwürdig. Der absolute Gott als wesensgleicher Vater und Sohn würde sich seine eigene Bindungsenergie selbst schaffen, um die Gemeinschaft stabil zu halten. Ein solcher Gott wäre plötzlich relativ, da er auf seine selbst geschaffene Bindungsenergie angewiesen wäre. Somit würde er gegen Axiom 3 verstoßen. Wir wären schon wieder am Ende. Deshalb muss die Bindung zwischen Vater und Sohn auch ihrerseits personal sein, absolut und vom gleichen Wesen und Wert wie die Personen, aus denen sie hervorgeht.
Der absolute und allmächtige Gott ist also notwendigerweise ein trinitarischer (dreieiniger) Gott, der sich selbst vollkommen erkennt und bejaht. Anderenfalls hätten wir es wieder mit dem Schwarzen Loch zu tun, diesmal in Form eines geschlossenen trinitarischen Systems. Dann wäre es, wie gesagt, nie zur Schöpfung gekommen.
Die Erschaffung der Welt
Die Frage unseres Gottes im Modell: »Was fange ich mit mir an?«, ist nach wie vor nicht beantwortet. Auf einer höheren Ebene besteht hier erneut das Risiko, dass die nunmehr drei wesensgleichen Personen in einer Endlosschleife narzisstischer Selbstbespiegelung und Selbstbejahung um sich selbst kreisen.
Die Logik des dynamischen Prozesses erfordert an dieser Stelle einen weiteren Entwicklungsschritt: die erneute Selbstübersteigung des absoluten trinitarischen Gottes. Dieser Schritt kann nicht lediglich darin bestehen, dass Gott weitere ihm wesens- und wertgleiche Personen hervorbringt, also sich selbst unendlich dupliziert. Das nämlich würde an der Grundproblematik nichts ändern. Die göttlichen Personen, ob drei oder mehr, blieben in einem narzisstischen System gefangen. Dieses System wäre sinnlos, ineffizient und unproduktiv, würde sich daher selbst ad absurdum führen und folglich ins Nichts aufheben.
In dieser Situation beschreitet Gott, um sich selbst treu zu bleiben, einen neuen Weg: Er erschafft außerhalb seiner Person etwas Neues. Etwas, das ihm nicht wesensgleich ist. Diese Schöpfung wird also relativ sein, da sie in einer Abhängigkeitsbeziehung zu ihrem Schöpfer steht.
Wie kann und wie sollte diese Schöpfung aber konkret aussehen? Welchen Anforderungen soll sie genügen? Worin bestehen ihr Zweck und Ziel?
Gott als Visionär
Der nunmehr trinitarische Gott unseres Modells ist eine strukturierte – keine chaotische – Person, die sich selbst vollkommen erkennt und bejaht. Folglich muss alles, was er erschafft, gleichfalls sinnvoll und strukturiert sein. Seine Schöpfung kann ihm logischerweise nicht wesensgleich sein, da Schöpfer und Geschöpf, Ursache und Wirkung niemals identisch sind. Aber sie wird ihm ebenso notwendigerweise ähnlich sein.
Ein Gott, der sich selbst bejaht, kann nichts schaffen, was destruktive Elemente enthält. Das ist auch aus unserer eigenen Erfahrung heraus leicht zu verstehen: Unseren Kindern wünschen wir doch auch die Fülle des Glücks, das wir selbst besitzen.
Das gilt natürlich um so mehr für unseren dialog- und wertorientierten Gott der Wahrheit, Güte und Schönheit. Alles, was er aus sich heraus erschafft, muss ihm selbst ähnlich sein. Diese Selbstähnlichkeit finden wir überall im Universum und der Natur. Mathematisch, naturwissenschaftlich lässt sie sich als Fraktale beschreiben – eine Eigenschaft, der wir in unserem Modell noch oft begegnen werden.
Was sind Fraktale?
Der Begriff wurde 1975 von dem Mathematiker Benoit Mandelbrot geprägt und bezeichnet bestimmte natürliche oder künstliche Gebilde bzw. geometrische Muster mit hoher »Selbstähnlichkeit«. »Fraktal« leitet sich vom lateinischen fractus, »gebrochen«, her: Fraktalen lässt sich keine ganzzahlige Dimension, sondern durchweg nur eine gebrochene Zahl zuordnen.
Kennzeichnend für diese Objekte ist außerdem, dass sie aus mehreren verkleinerten Kopien ihrer selbst bestehen. Ein Baumzweig beispielsweise sieht in etwa so aus wie der Baum selbst, nur in klein. In den Naturwissenschaften dient das Konzept der Fraktale als Erklärungsmodell unter anderem für chemische Reaktionen, das Kristallwachstum oder die Entstehung von Flüssigkeitsmischungen.
Wäre die Schöpfung mit ihren komplexen, dynamischen und stabilen Strukturen Gott völlig unähnlich, dann würde das bedeuten: Gott hat etwas erschaffen, das besser ist als er selbst. Er wäre dann, gemessen an seinem Werk, sozusagen minderwertig. Das ist jedoch aufgrund seiner Absolutheit logisch ausgeschlossen. Wir müssten sonst annehmen, dass es in seinem Inneren ein destruktives Element gäbe – mit der bereits erörterten Konsequenz: Gott würde sich selbst und seine Schöpfung ins Nichts auflösen.
Also war es vielleicht andersherum: Möglicherweise hat Gott ja etwas erschaffen, das nicht seiner Vollkommenheit entspricht? Das würde bedeuten, dass er selbst ein destruktives Element in seine Schöpfung hineingelegt hätte. Er hätte dann seine Schöpfung absichtlich minderwertig gemacht, damit sie ihm nicht zu nahe kommt oder damit er später nicht auf seine eigenen Geschöpfe neidisch werden muss. Damit würde er aber gleichfalls gegen den Grundsatz der Wahrheit, Schönheit und Güte verstoßen.
Aus diesen Überlegungen folgt zwingend, dass es im Handeln Gottes kein destruktives Element geben kann. Also kann auch seine Schöpfung keinen destruktiven Grundzug haben.
Aufgrund der Selbstähnlichkeit muss diese Schöpfung zudem ebenso wie der Schöpfer selbst als offenes, dynamisches System organisiert sein. Bei einem Gott, der sich selbst total erkennt und bejaht, ist auch das Ziel seiner Schöpfung logisch gegeben: Sie soll letztlich imstande sein, Gott zu erkennen und zu bejahen. Ohne dieses Schöpfungsziel würde Gott sich selbst widersprechen.
Nur eine psychotische Person könnte sich selbst bejahen, gleichzeitig aber von dem Willen getrieben sein, ihren Geschöpfen eine destruktive Komponente mitzugeben. Als absolut konstruktive Person, deren eigener Sinn gerade im Bejahen des Du liegt, kann Gott gar nicht anders handeln. Er will schon aus Treue zu sich selbst, dass seine Schöpfung im Verlauf des dynamischen Entwicklungsprozesses zu einer vollkommenen Partnerschaft mit ihm gelangt.
Das Anforderungsprofil
Damit steht das Anforderungsprofil für das göttliche Start-up Genesis fest:
Benötigt wird ein Raum – und damit zwangsläufig auch die Zeit – als Rahmen;innerhalb der Schöpfung müssen sich geistbegabte Lebewesen entwickeln, denn nur intelligente Geschöpfe können Gott erkennen;das erfordert ein offenes, stabiles Universum mit evolutionärem Prozess und zeitlosen Naturkonstanten;die geistbegabten Wesen müssen frei entscheiden können, ob sie Gott bejahen.Für den allmächtigen Gott wäre es ein Leichtes, seine Geschöpfe schlicht zur Bejahung seiner selbst zu zwingen. Er könnte die Möglichkeit der Verneinung ganz einfach aus seiner Schöpfung ausschließen. Aus Respekt und Ehrfurcht vor sich selbst und dem eigenen Werk kommt das aber für ihn nicht in Betracht. Ebenso wenig wäre es mit seiner eigenen Dynamik vereinbar, die Schöpfung als fertiges Produkt herzustellen, also ohne das Moment der Freiheit und evolutionären Entwicklung in Richtung einer geistbegabten Natur. Aus Respekt vor sich selbst schafft sich Gott kein Marionettentheater. Er braucht die Schöpfung nicht zum Spielen.
Auf unsere menschliche Ebene heruntergebrochen, denkt und plant dieser Gott als Visionär nicht wie ein Ingenieur oder ein Designer, sondern am ehesten wie ein Künstler – oder eben wie ein Unternehmer, der seine schöpferische Vision verfolgt.
Das Ziel der Schöpfung
Versetzen wir uns in den Gott unseres Modells hinein. Warum nimmt er die Mühe und die Risiken auf sich, die mit dem Unternehmen Genesis zwangsläufig verbunden sind? Das Ziel kann aus seiner Sicht nur darin bestehen, dass sich innerhalb der Schöpfung Wesen entwickeln, die dazu berufen sind, das partnerschaftliche Gegenüber Gottes zu sein, eine Gesinnungsgemeinschaft von bejahenden Wesen. Und das müssen notwendigerweise intelligente Wesen sein. Ich werde später noch darauf zu sprechen kommen, dass die natürliche Evolution zu intelligenten Wesen – dem Menschen – führen muss.
Dieses Gegenüber soll Gott so erkennen und bejahen, wie er seinerseits die Schöpfung erkennt und bejaht. Die Schöpfung wird damit gleichsam zum Vierten im bislang dreieinigen Bund. Auch wenn sie und die Geschöpfe von ihrem Schöpfer abhängig bleiben, also hierarchisch nicht gleichwertig sein können, bilden sie eine Gemeinschaft mit dem selbst als Gemeinschaft lebenden Gott.
In seiner Allmacht kann Gott auch außerhalb des Raum-Zeit-Kontinuums schöpferisch tätig werden, indem er reine Geistwesen erschafft, die ihm selbst ähnlich sind.
Diese reinen Geistwesen müssen über Entscheidungsfreiheit verfügen, da sie von einem dialogorientierten Gott erschaffen worden sind, der seine Geschöpfe respektiert. Einige von ihnen entscheiden sich im Moment ihrer Erschaffung unwiderruflich gegen Gott und bereiten fortan erhebliche Probleme. Darauf komme ich im folgenden Kapitel noch ausführlich zu sprechen.
Bleiben wir aber vorerst bei der materiellen Schöpfung, dem Universum: Gott entlässt die von ihm erschaffene Welt in einen dynamischen, offenen Entwicklungsprozess, jedoch mit dem Ziel, dass sich die Schöpfung, zu intelligenten Personen emporentwickelt, aus eigener Entscheidung ihrem Schöpfer wieder annähert. Hätte er gewollt, dass sie sich immer weiter von ihm entfernt oder gar endgültig von ihm abwendet, hätte sich der Gott der totalen Selbstbejahung in seiner Schöpfung total verneint. Ein Widerspruch in sich, der zur Selbstauflösung Gottes im Nichts führen würde.
Um sein Ziel zu erreichen, muss er also die Schöpfung evolutionär anlegen. Wie das offene, dynamische System der trinitarischen Personen muss auch der evolutionäre Prozess durch einen Überfluss an Vielfalt, wechselseitiger Bereicherung und Erneuerung geprägt sein. Im Verlauf der Evolution müssen sich geistbegabte Lebewesen entwickeln, die imstande sind, Gott zu erkennen und zu bejahen. Das Universum muss so beschaffen sein, dass die intelligenten Wesen den Schöpfer, seinen Wert und seine Motivation entdecken können, um sich dann in Freiheit für oder gegen ihn und sein Werk zu entscheiden.