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Ein Städtchen, das das Herz am rechten Fleck hat: Willkommen zurück in Cedar Cove! In einer engen Gemeinschaft wie Cedar Cove gibt es nicht viele Geheimnisse. Als Emily Flemming also einen Ohrring in der Tasche ihres Mannes findet, ist sie verständlicherweise verwirrt. Der verlorene Ohrring gehört definitiv nicht ihr, und Emily ist besorgt, dass ihr Mann Dave eine Affäre haben könnte. Sie will nicht glauben, dass Dave sie betrügen könnte oder würde, aber er verhält sich in letzter Zeit so seltsam, dass sie sich einfach nicht sicher sein kann. Und dann erfährt sie auch noch, dass vor kurzem Schmuck aus dem Haus einer älteren Frau gestohlen wurde – und Dave die Dame häufiger besucht hat. Emily kann nicht glauben, dass Dave etwas Illegales getan hat – das liegt einfach nicht in seiner Natur. Irgendetwas stimmt nicht, und Emily ist entschlossen, herauszufinden, was es ist.
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Seitenzahl: 492
Zum Buch:
LIEBE LESER:
Ich muss Ihnen etwas anvertrauen. Und zwar glaube ich, dass mein Mann Dave eine Affäre haben könnte. Ich habe einen Ohrring in seiner Tasche gefunden, und er gehört nicht mir. Außerdem mache mir Sorgen, weil einer alten Frau kürzlich Schmuck gestohlen wurde - und Dave sie oft besucht hat.
Wissen Sie, er ist Pastor. Und ein guter Mann. Ich kann nicht glauben, dass er sich etwas zuschulden kommen lässt, aber warum will er mir nicht sagen, wo er war, wenn er erst so spät nach Hause kommt?
Ich würde gerne hören, was Sie denken.
EMILY FLEMING
Zur Autorin:
Spiegel-Bestsellerautorin Debbie Macomber hat weltweit mehr als 200 Millionen Bücher verkauft. Neben ihrer Arbeit als Autorin führt sie den Wollladen A Good Yarn, benannt nach dem gleichnamigen Geschäft aus ihren Romanen, und ein kleines Café in Port Orchard in Washington, wo sie gemeinsam mit ihrem Ehemann lebt und schreibt.
Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel 8 Sandpiper Way bei Harlequin MIRA, Toronto
© 2021 by Debbie Macomber Deutsche Erstausgabe © 2023 für die deutschsprachige Ausgabe by HarperCollins in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg Covergestaltung von Büro Süd GmbH Coverabbildung von living4media / Nordstrom, Annette, Olga Pink, underworld / Shutterstock E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN E-Book 9783749906093
www.harpercollins.de
Zur Erinnerung an Minda Butler. Gewidmet Karen Sweeney und Hyacinthe Eykelhof- Mitchell für ihren Mut, ihre Kraft und Inspiration. Besonderer Dank gilt meiner Freundin Emily Myles, der Textilkünstlerin, die mich zu Shirleys Drachen inspiriert hat.
Liebe Freunde,
willkommen zurück in Cedar Cove. Wenn ihr regelmäßig zu Besuch kommt, wird es euch freuen zu hören, dass Olivia, Jack, Grace und all die anderen darauf brennen, euch zu berichten, was sich in ihrem Leben tut. Und wenn ihr zum ersten Mal hier seid, könnt ihr euch darauf einstellen, eine Menge neuer interessanter Freunde zu finden.
Wie viele von euch bereits wissen, hat meine eigene Heimatstadt Port Orchard in Washington für Cedar Cove Pate gestanden. Ich habe die Straßen und Geschäfte ein wenig verfremdet, aber wenn ihr Port Orchard kennt, werdet ihr sie leicht wiedererkennen.
Auch wenn ich es nur selten erwähne, schaut euch bitte die Widmung an. Sie gilt drei wundervollen Frauen, die an Brustkrebs erkrankt waren – so wie Olivia. Minda Butler ist eine Freundin aus Florida, die leider den Kampf gegen den Krebs verloren hat und nicht mehr unter uns weilt. Bei Karen Sweeney, meiner Cousine aus Omaha, sind nach der Behandlung keine Tumorzellen mehr nachweisbar, ebenso bei Hyacinthe Eykelhof-Mitchell, der jüngeren Schwester meiner Lektorin. Alle drei Frauen bedeuten mir sehr viel und sind eine Inspiration für jeden.
Ich hoffe, ihr habt eure Freude an der Buchreihe. Natürlich bauen die einzelnen Bände aufeinander auf, aber trotzdem kann jeder Band auch für sich allein gelesen werden. Und jetzt lehnt euch zurück, macht es euch bequem und lernt Pastor Dave Flemming und seine Frau Emily näher kennen. Ich kann es kaum erwarten, von euch zu erfahren, was ihr über dieses Buch denkt. Erreichen könnt ihr mich über meine Webseite www.debbiemacomber.com.
Liebe Grüße
Debbie Macomber
Die Hauptpersonen
Olivia Lockhart-Griffin: Familienrichterin in Cedar Cove. Mutter von Justine und James. Verheiratet mit Jack Griffin, Chefredakteur des Cedar Cove Chronicle. Das Paar wohnt in der Lighthouse Road Nummer 16.
Charlotte Jefferson Rhodes: verwitwete Mutter von Olivia und Will Jefferson, verheiratet mit dem Witwer und pensionierten Marineoffizier Ben Rhodes. Ben hat zwei Söhne, David und Steven, die beide nicht in Cedar Cove wohnen.
Justine (Lockhart) Gunderson: Tochter von Olivia. Verheiratet mit Seth Gunderson, Mutter von Leif. Den Gundersons gehörte das Lighthouse Restaurant, das bei einem Brand zerstört wurde. Die Familie lebt im Rainier Drive Nummer 6.
James Lockhart: Sohn von Olivia, Justines jüngerer Bruder. James ist Angehöriger der US-Marine und lebt mit seiner Frau Selina, seiner Tochter Isabella und seinem Sohn Adam in San Diego.
Will Jefferson: Olivias Bruder, Charlottes Sohn. Lebte lange in Atlanta. Inzwischen geschieden und im Ruhestand, hat er beschlossen, wieder nach Cedar Cove zu ziehen.
Grace Sherman Harding: Olivias beste Freundin. Verwitwet. Bibliotheksleiterin. Mutter von Maryellen Bowman und Kelly Jordan. Verheiratet mit Cliff Harding, einem Ingenieur im Ruhestand, der sich der Pferdezucht gewidmet hat. Das Paar lebt in Olalla, in der Nähe von Cedar Cove. Grace gehört das Haus in der Rosewood Lane Nummer 204, in dem sie vorher gelebt und das sie jetzt vermietet hat.
Maryellen Bowman: älteste Tochter von Grace und Dan Sherman. Mutter von Katie und Drake. Verheiratet mit dem Kunstfotografen Jon Bowman.
Joseph und Ellen Bowman: Vater und Stiefmutter von Jon Bowman, Großeltern von Katie und Drake. Sie leben in Oregon.
Kelly Jordan: Maryellens jüngere Schwester. Verheiratet mit Paul. Mutter von Tyler.
Zachary Cox: Steuerberater. Geschieden von und wiederverheiratet mit Rosie Cox. Vater von Allison und Eddie Cox. Der Wohnsitz der Familie befindet sich im Pelican Court Nummer 311. Allison besucht die Universität von Seattle, ihr Freund Anson Butler ist zum Militär gegangen.
Cecilia Randall: Ehefrau des Marinesoldaten Ian Randall und Mutter von Aaron. Die Familie wohnte in Cedar Cove, bevor Ian nach San Diego versetzt wurde.
Rachel Pendergast: arbeitet im Frisier- und Kosmetiksalon Get Nailed. Verlobt mit dem Witwer Bruce Peyton, der eine Tochter hat: Jolene.
Bob und Peggy Beldon: beide im Ruhestand, ihnen gehört das Thyme and Tide, eine Pension im Cranberry Point Nummer 44.
Roy McAfee: pensionierter Polizist aus Seattle, jetzt Privatdetektiv. Verheiratet mit Corrie McAfee, die ihm als Assistentin das Büro führt. Sie haben drei erwachsene Kinder, Gloria Ashton, Mack und Linnette, und wohnen in der Harbor Street Nummer 50.
Linnette McAfee: Tochter von Roy und Corrie, wohnte nach ihrem Studium eine Weile in Cedar Cove und arbeitete dort als Assistenzärztin im neuen Gesundheitszentrum. Hat die Stadt verlassen und hält sich jetzt in einer Kleinstadt in North Dakota auf. Ihr Bruder Mack hat seine Ausbildung zum Feuerwehrmann abgeschlossen und zieht nach Cedar Cove.
Gloria Ashton: Hilfssheriff in Cedar Cove, leibliche Tochter von Roy und Corrie McAfee. Wurde nach der Geburt zur Adoption freigegeben und ist als Adoptivtochter der Ashtons aufgewachsen.
Troy Davis: Sheriff von Cedar Cove. Vater von Megan. Seine Frau Sandy ist kürzlich verstorben. Wohnt am Pacific Boulevard Nummer 92.
Faith Beckwith: ehemalige Highschool-Freundin von Troy Davis, inzwischen verwitwet.
Bobby Polgar und Teri Miller Polgar: Er ist internationaler Schachmeister, sie Haarstylistin im Get Nailed. Beide wohnen in der Seaside Avenue Nummer 74.
Dave Flemming: Methodistenpastor, verheiratet mit Emily, zwei Söhne. Das Ehepaar wohnt im Sandpiper Way Nummer 8.
Shirley Bliss: Witwe und Textilkünstlerin. Mutter von Tannith (Tanni) Bliss.
Shaw Wilson: Freund von Anson Butler, Allison Cox und Tanni Bliss.
Es heißt, die Ehefrau erfährt es immer als Letzte.
Emily Flemming wusste jedoch Bescheid, und das schon seit über einer Woche. Ihr Mann Dave hatte ein Verhältnis mit einer anderen. Nun war er aber nicht einfach nur Dave Flemming. Sondern Pastor Dave Flemming. Der Gedanke, dass er eine andere Frau liebte, war inakzeptabel, undenkbar und unerträglich. Dass er sie betrog, war schon schlimm genug, aber dass er seine moralischen Verpflichtungen der Gemeinde und Gott gegenüber missachtete, konnte sie kaum glauben. Dieses schockierende Geheimnis passte absolut nicht zu dem Mann, den sie kannte.
Seit dem Abend, an dem sie zur Feier ihres Hochzeitstages essen gegangen waren, hatte Emily ihr Wissen sorgsam für sich behalten. Sie hatte im Büro der Kirche auf Dave gewartet und seine Anzugjacke, die an der Tür hing, in den Garderobenschrank räumen wollen. Dabei war ein Diamantohrring aus der Jackentasche gefallen. Später entdeckte sie den zweiten in der anderen Jackentasche. Emily hatte noch nie etwas so Extravagantes wie diese beiden großen, diamantbesetzten Ohrhänger besessen.
Zu Anfang war sie noch davon ausgegangen, dass Dave ihr die Ohrringe zum Hochzeitstag schenken wollte, war aber schnell zu dem Schluss gelangt, dass das nicht sein konnte, vor allem, weil sie lose in seinen Jackentaschen lagen statt in einem Schmuckkästchen. Aber auch so war es nicht möglich – Dave hätte sich angesichts ihrer angespannten finanziellen Lage niemals Diamantohrringe leisten können.
Sie hätte ihn sofort fragen sollen, was es mit dem Schmuck auf sich hat … und hatte es nicht getan, aus Angst, das Essen zum Hochzeitstag mit ihrem Verdacht zu ruinieren. Aber beinahe sofort fielen ihr andere Details auf, die ins Bild passten. Sie konnte nicht länger ignorieren, dass Dave so häufig bis in die Nacht hinein arbeitete, zumal auch ihre private Stunde nach dem Abendessen diesen Überstunden zum Opfer gefallen war. Vielleicht bildete sie es sich ja nur ein, aber er schien sich auch mehr Zeit für seine Körperpflege zu nehmen.
Ihr Verdacht verstärkte sich immer mehr. Sie behielt ihn für sich, ließ ihn sich immer wieder durch den Kopf gehen und versuchte, sich das Verhalten ihres Mannes zu erklären. Wann immer sie ihn fragte, wo er gewesen sei, fielen seine Antworten vage aus. Ein weiteres Warnzeichen …
»Mommy, wann kommt Daddy nach Hause?«, fragte Mark, der jüngere ihrer beiden Söhne, und blickte dabei von seinem Teller auf. Er war acht und hatte die gleichen dunkelbraunen Augen wie sein Vater.
Emily stellte sich dieselbe Frage. »Bald«, versicherte sie ihrem Sohn so zuversichtlich, wie sie konnte. Zwei- oder dreimal pro Woche kam Dave erst lange nach dem Abendessen nach Hause. Zuerst hatte sie sich für die Jungs Ausreden einfallen lassen, aber jetzt wusste sie nicht, was sie ihnen sagen sollte.
»Dad isst kaum noch mit uns zusammen«, beklagte sich Matthew und setzte sich neben seinen jüngeren Bruder an den Tisch.
Dass Dave zu spät kam, war relativ neu und hatte sich ganz allmählich eingebürgert. Früher war es ihm sehr wichtig gewesen, rechtzeitig zum gemeinsamen Essen zu Hause zu sein. Emily starrte ins Leere, während sie sich unwillkürlich fragte, ob er mit einer anderen Frau zu Abend aß … und einer anderen Familie. Entschlossen verscheuchte sie diesen Gedanken aus ihrem Kopf.
Um ihrer Kinder willen griff sie zu ihrer Standardausrede. »Euer Vater hat viel in der Kirche zu tun.«
»Jeden Abend?«
Ihre Söhne waren damit genauso wenig zufrieden wie sie. »Sieht ganz so aus«, erwiderte sie leichthin, tat dabei so, als wäre alles in bester Ordnung, und setzte sich zu ihnen an den Tisch. Automatisch fassten sie sich alle drei an den Händen und beugten die Köpfe, während Emily das Tischgebet sprach. Im Stillen hängte sie ein Gebet für sich selbst an und bat um den nötigen Mut, sich dem zu stellen, was die Zukunft für ihre Ehe bereithalten mochte.
»Sollten wir nicht wenigstens an einem Abend mit dem Essen auf ihn warten?«, fragte Mark und griff zögernd nach seiner Gabel.
»Ihr beide habt noch Hausaufgaben zu erledigen, richtig?«, gab sie zurück, ohne darauf einzugehen.
»Aber Dad –«
»Euer Vater wird später essen.«
»Kommt er nach Hause, bevor wir zu Bett gehen?«, fragte Matthew, der sensiblere der beiden Brüder.
»Das weiß ich nicht«, erwiderte sie und schluckte hart.
Sie tat mehr oder weniger nur so, als würde sie essen. Seitdem sie die Diamantohrringe entdeckt hatte, war ihr der Appetit vergangen. Der Fund hatte sie aufgerüttelt, nachdem sie alle anderen Verdachtsmomente monatelang ignoriert hatte. Natürlich kann es alle möglichen Erklärungen für den Schmuck geben, hatte sie sich eingeredet und sich vorgenommen, Dave gleich am nächsten Tag danach zu fragen … und es nicht getan.
Emily wusste, was sie davon abhielt. Sie wollte die Wahrheit nicht hören. Sie war dafür einfach nicht bereit, und ihr graute davor, welche Konsequenzen es haben könnte, wenn sie ihn darauf ansprach.
Mehr als einmal hatte sie ihren Mann gefragt, warum er jeden Abend so lange arbeite. Aber Dave hatte ihre Besorgnis als unbegründet abgetan und ihr vage Ausreden aufgetischt, Leute erwähnt, denen sie nie begegnet war, Besprechungen, von denen sie nichts wusste. Es schien ihn zu stören, dass sie fragte, also hatte sie es nach einer Weile sein lassen.
Jetzt kannte sie vermutlich die Antwort. Seit der Entdeckung der Diamantohrringe hatte sie ein völlig klares Bild von dem, was geschah – was bereits geschehen war. Leider waren Pastoren auch nicht besser gegen Versuchungen gefeit als alle anderen Menschen. Wie alle Sünder konnten sie dazu verführt werden, eine Affäre zu beginnen. Auch sie konnten schwerwiegende Fehler begehen.
Wenn Emily anfangs noch gehofft hatte, das alles sei nur ein Missverständnis, dem sie viel zu viel Bedeutung beimaß, waren ihre Hoffnungen inzwischen zunichtegemacht worden. Anfang der Woche war sie Bob und Peggy Beldon beim Einkaufen begegnet. Den beiden gehörte die Pension Thyme and Tide. Sie unterhielten sich eine Weile im Gang des Supermarktes, und Bob erwähnte beiläufig, dass ihm das Golfspielen mit Dave fehlte.
In den letzten drei Jahren hatten die beiden jede Woche zusammen gespielt, wann immer das Wetter es erlaubte. Innerhalb weniger Minuten entlockte sie Bob die Information, die sie so sehr fürchtete: Dave hatte sich bereits über ein Jahr nicht mehr im Golfclub blicken lassen. Ein ganzes Jahr! Und trotzdem hatte er im Sommer jeden Montagnachmittag seine Golfschläger ins Auto gepackt und war weggefahren, angeblich, um sich mit Bob zu treffen. Offensichtlich hatte er sich jedoch mit jemand anderem getroffen.
Emily seufzte. Sie konnte es sich einfach nicht erlauben, in Gedanken ständig diesem ausgetretenen Pfad aus Zweifeln und Verdächtigungen zu folgen. Die halbe Zeit spielte sie die Rolle der stillen, ahnungslosen Ehefrau. In der restlichen Zeit musste sie sich mit aller Macht zusammenreißen, um nicht eine Erklärung von Dave zu verlangen. Sie wollte die Wahrheit wissen, so schmerzhaft sie auch sein mochte – einerseits, andererseits aber auch nicht. Welche Ehefrau hätte das schon gewollt?
Bisher hatte sie geschwiegen und staunte selbst darüber, wie gut es ihr inzwischen gelang, so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Keiner ihrer Freunde hatte Verdacht geschöpft. Fast genauso sehr wie ihr eigener Argwohn beunruhigte sie die Tatsache, dass Dave nicht anzunehmen schien, sie könnte ihn durchschaut haben. Sie fragte sich, ob er von sich aus das Thema ansprechen würde. Vielleicht, wenn er wusste, dass sie hinter sein Geheimnis gekommen war … Womöglich hatte sie ja genau darauf gewartet, wollte, dass er sie von sich aus fragte.
Aber Dave fragte nicht. Genau wie sie selbst schien er ein fabelhafter Schauspieler zu sein. Am letzten Sonntag hatte er sogar eine Predigt über die Bedeutung der Ehe gehalten, darüber, wie wichtig es sei, seinen Ehepartner zu lieben.
Emily fühlte sich wie die am wenigsten geliebte Frau der Welt. Es gelang ihr nur mit Mühe, sich so weit zu beherrschen, dass sie nicht vor der versammelten Gemeinde in herzzerreißendes Schluchzen ausbrach. Natürlich musste jeder davon ausgegangen sein, dass die Gefühle sie überwältigt hatten, weil Dave ihr mit seiner Predigt indirekt eine Liebeserklärung machte. Am liebsten wollte sie den Leuten sagen, dass, so schön seine Worte auch waren, sie eben auch nicht mehr als das waren: bloße Worte.
Es fiel ihr schwer zu glauben, dass ausgerechnet Dave und ihr das geschah. Emily war sich immer so sicher gewesen, dass ihre Ehe gefestigt und er ihr bester Freund war. Anscheinend hatte sie sich geirrt.
Die Tür, die in die Garage führte, wurde geöffnet, und zu ihrer Überraschung betrat Dave das Haus.
»Dad!« Mark sprang von seinem Stuhl auf und rannte zu seinem Vater, als hätte er ihn ein Jahr lang nicht mehr gesehen.
»Hallo, kleiner Mann, wie geht’s, wie steht’s?« Dave beugte sich vor und hob ihn hoch. Mark war eigentlich schon zu groß, um wie ein kleines Kind auf den Arm genommen zu werden, aber er brauchte diese väterliche Zuwendung offensichtlich.
Dave küsste Emily auf die Wange, strubbelte dann Matthews Haare durch, bevor er sich setzte. »Ich bin froh, dass ich es heute rechtzeitig zum Abendessen geschafft habe.«
»Ich auch«, erklärte Mark mit leuchtenden Augen.
Trotz allem wurde auch Emily wieder froh. Sie stand auf, um ein viertes Gedeck aufzulegen.
Als sie ihm die Schüssel mit dem Enchilada-Auflauf reichte, füllte er sich eine ordentliche Portion auf und grinste sie fröhlich an. »Du hast eins meiner Lieblingsgerichte gekocht«, sagte er. »Danke.«
»Gern geschehen.« Sie erwiderte seinen Blick und zeigte ihm mit den Augen, wie sehr sie ihn liebte. Vielleicht lag sie ja trotz aller Indizien falsch.
»Kannst du mir nach dem Abendessen bei den Hausaufgaben helfen, Dad?«, wollte Mark wissen.
Ihr jüngster Sohn war der Klassenbeste und seinen Mitschülern in der zweiten Klasse weit voraus. Er brauchte keine Hilfe. Was er sich wirklich wünschte, war Zeit mit seinem Vater.
»Du hast versprochen, mit mir ein paar Bälle zu werfen, weißt du noch?«, meldete sich Matthew zu Wort. Auch er wollte Zeit mit Dave verbringen, und da spielte es keine Rolle, dass es bereits Ende November und draußen längst dunkel war.
Die Kinder waren nicht die Einzigen – auch Emily brauchte so viel Beruhigung und Bestätigung, wie er ihr nur geben konnte. Sosehr sie sich auch bemühte, die nagenden Zweifel zum Schweigen zu bringen, sie wollten einfach nicht verstummen. Sie wollte ihren Mann nicht verlieren, denn sie liebte ihn – unter allen Umständen – und war entschlossen, ihre Ehe zu retten oder sich doch zumindest mit allen Kräften darum zu bemühen.
»Moment, Moment!« Lachend hob Dave beide Hände. »Lasst mich erst mal ein paar Minuten zur Ruhe kommen, ja?«
Beide Jungs schauten ihren Vater erwartungsvoll an. Emily konnte es kaum ertragen, in ihre strahlenden Gesichter zu sehen. Die Liebe zu ihm, die sie in den Augen ihrer Söhne leuchten sah, brachte sie fast zum Weinen.
»Lasst euren Vater in Ruhe essen«, sagte sie.
»Danach helfe ich euch beiden, aber vorher hätte ich gern noch ein paar Minuten allein mit eurer Mutter«, setzte Dave mit einem kurzen Blick zu Emily hinzu.
Es überlief sie eiskalt, und sie hatte Angst, seinem Blick zu begegnen.
»Ach, Dad«, jammerte Mark.
»Es wird nicht lange dauern«, beschwichtigte Dave ihn. »Jetzt iss deine grünen Bohnen.«
»Okay.«
Emily reichte Dave die Schüssel mit den Butterbohnen und Mandelblättchen. Er nahm sich eine kleine Portion. Grüne Bohnen waren nicht sein Lieblingsgemüse, und auf diese Weise gab sie ihm zu verstehen, er solle mit gutem Beispiel vorangehen.
Nach dem Abendessen räumten die Jungs den Tisch ab und gingen dann auf ihre Zimmer, um zu lernen. Das war Daves Idee gewesen. Ganz gleich, ob Hausaufgaben zu erledigen waren oder nicht, Matthew und Mark sollten jeden Abend eine Stunde lang lesen, schreiben oder ihren Unterrichtsstoff durchgehen. In dieser Zeit durfte der Fernseher nicht laufen, und auch Videospiele waren untersagt.
Als die Jungs sich in ihre Zimmer zurückgezogen hatten, brühte Emily eine Kanne Kaffee auf und wandte ihrem Mann dabei den Rücken zu. Dass er ankündigte, mit ihr reden zu wollen, war ungewöhnlich für ihn. Wenn ihm etwas auf dem Herzen lag, besprach er das normalerweise mit ihr, nachdem die Jungs zu Bett gegangen waren.
Noch bevor sie ihnen beiden Kaffee einschenken konnte, fragte Dave: »Bist du glücklich?« Es klang eindringlich. Sehr ernst. Er schien es unbedingt wissen zu wollen.
Dutzende Fragen, die er ihr möglicherweise stellen wollte, waren ihr durch den Kopf gegangen, aber mit dieser hatte sie nicht gerechnet.
»Glücklich?«, wiederholte sie und drehte sich zu ihm um. Ohne seinem Blick zu begegnen, trug sie die beiden dampfenden Becher zum Tisch und stellte sie ab. »Ob ich glücklich bin?« Sie schob die Hände in die Gesäßtaschen ihrer Jeans und überlegte, was sie entgegnen sollte.
»Ich hätte nicht gedacht, dass du so lange brauchst, um diese Frage zu beantworten«, sagte Dave. Mit seinen dunklen Augen musterte er sie eindringlich. Er wirkte enttäuscht von ihrem Zögern.
»Gibt es einen Grund, warum ich nicht glücklich sein sollte?«, antwortete sie mit einer Gegenfrage. »Ich lebe in einem schönen Haus und kann zu Hause bei den Jungs bleiben, wie wir beide das wollten … Und mein Mann ist bis über beide Ohren in mich verliebt«, setzte sie hinzu, als ihr seine Predigt vom letzten Sonntag wieder einfiel. Hoffentlich hatte das jetzt nicht sarkastisch geklungen. Ohne ihm Gelegenheit zu einer Antwort zu geben, vielleicht, weil sie fürchtete, was er sagen könnte, fragte sie: »Was ist mit dir, Dave? Bist du glücklich?«
»Natürlich bin ich das.« Seine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen und voller Überzeugung.
»Dann bin ich es auch.« Statt sich zu ihm an den Tisch zu setzen, begann sie, die Spülmaschine einzuräumen.
»Setz dich«, sagte er. »Bitte.«
Widerwillig tat sie das.
»Du hast in letzter Zeit nicht gut geschlafen.«
Das war ihm also aufgefallen. Sie hatte zwar keine Probleme, schnell einzuschlafen, aber nach einer oder zwei Stunden war sie wieder hellwach, um sich für den Rest der Nacht in unruhigem Schlaf hin und her zu wälzen und nicht mehr einzuschlafen. Die Grübeleien, die ihr nachts durch den Kopf gingen, machten einen erholsamen Schlaf unmöglich. Ihr Mann war vermutlich in eine andere verliebt. Er betrog sie vielleicht sogar mit einer anderen.
Emily betrachtete sich als eine gefühlsmäßig gefestigte Frau, als eine starke Frau, die in einer Krise die Ruhe bewahrte. Eine Frau, auf deren Rat und Unterstützung andere zählten. Und doch, als es jetzt darum ging, ihrem Mann zu sagen, welchen Verdacht sie hegte, erwies sie sich als Feigling.
»Wenn dich etwas belastet, kann ich dir vielleicht helfen«, meinte er. Sie erkannte diesen Tonfall, diese einfühlsame, besorgte Art, die er so oft anderen gegenüber an den Tag legte. Aber sie war schließlich nicht nur ein Mitglied seiner Gemeinde, sie war seine Frau!
»Was sollte mich denn belasten?«, fragte sie leichthin. Sie rechnete nicht mit einer Antwort.
»Ich weiß es nicht. Deshalb frage ich ja. Verlangen die Damen von der Missionsgesellschaft zu viel von dir?«
»Nein.« Das Kochbuch-Komitee hatte von ihr erwartet, dass sie das Projekt vollständig organisierte, und sie hatte abgelehnt mit der Begründung, einfach keine Zeit dafür zu haben, was der Wahrheit entsprach. Offenbar war das ganz und gar nicht gut angekommen. Die Gemeinde schien zu glauben, dass Emily, nur weil sie keiner bezahlten Arbeit nachging, jederzeit zu ihrer Verfügung zu stehen hätte, genau wie Dave. Emily hatte aber nicht die Absicht, als Hilfskraft ohne Bezahlung für die Gemeinde zu arbeiten, und hatte das klargestellt, bevor sie gemeinsam die Versetzung nach Cedar Cove annahmen. Ihre Rolle bestand darin, Dave zu unterstützen und als Mutter für ihre Söhne da zu sein.
»Du würdest mir sagen, wenn du dich über etwas ärgerst oder dich etwas belastet, oder?«
»Natürlich«, sagte sie und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee, um die Lüge zu verschleiern.
Mark schaute zur Küchentür herein. »Hast du schon genug mit Mom geredet?«, fragte er seinen Vater. »Ich brauche deine Hilfe bei meinen Matheaufgaben.«
Dave sah sie fragend an.
»Mir geht es gut«, erklärte sie nachdrücklich.
Er schien ihr das nicht abzukaufen. Sie war keine geübte Lügnerin und verabscheute ihre Angst davor, ihre Bedenken und Sorgen offen anzusprechen.
Dave trank seinen Kaffee und stand auf. »Na schön, Mark, zeig mir, was dir Probleme bereitet.«
Emily sah ihrem Mann und ihrem Sohn nach, als sie die Küche verließen, und schluckte schwer. Sie hatte darauf gewartet, dass er ihr eine solche Frage stellte. Bist du glücklich? Das war die perfekte Gelegenheit gewesen, ihren Verdacht anzusprechen – aber sie hatte zu viel Angst, ihn zu äußern.
Das Problem lag darin, dass sie nicht vorbereitet war. Zu ihrem eigenen Schutz brauchte sie Fakten und Details, bevor sie ihn mit ihrem Argwohn konfrontierte. Er musste begreifen, dass sie nicht so naiv war, wie er offensichtlich glaubte.
Um neun an diesem Abend lagen beide Jungs in ihren Betten und schliefen. Wenn Dave zu Hause war, war es ein Kinderspiel, dafür zu sorgen, dass die beiden sich bettfertig machten, aber wenn Emily mit ihnen allein war – wie meistens in letzter Zeit –, fielen ihnen jede Menge Ausreden ein, um das Schlafengehen hinauszuzögern.
Eine halbe Stunde später saß sie in ihrem Nähzimmer, wo sie an einem Quilt für Matthew arbeitete. Sie bügelte die Quadrate aus Stoff, zufrieden mit dem Schnäppchen, das sie gemacht hatte. Kostenbewusst, wie sie war, hatte sie den farbenfrohen Baumwolldruck bei einer Rabattaktion im Laden The Quilted Giraffe gekauft. Als sie das Bügeleisen ausschaltete, hörte sie, wie Dave das Zimmer betrat. Er schlang ihr von hinten die Arme um die Taille. »Endlich allein«, flüsterte er und küsste sie seitlich auf den Hals, ließ seine Lippen dort ruhen.
Emily lächelte – sie konnte nicht widerstehen. So waren sie früher miteinander umgegangen, es hatte spontane Zärtlichkeiten und Neckereien gegeben, bis … Sie war sich nicht sicher, wann sich das geändert hatte. Anfang des Jahres? »Oh, Dave, ernsthaft jetzt?« Sie lachte kurz auf.
»Ich liebe meine Frau«, murmelte er.
Sie legte ihre Hände auf seine, umfasste seine Finger fest. »Tust du das, Dave?« Das leise Flehen in ihrer Stimme ließ sie innerlich zusammenzucken.
»Von ganzem Herzen.« Ein letzter Kuss auf ihren Hals, dann wandte er sich zur Tür.
»Wohin gehst du?«, fragte sie.
»Ich dachte, ich arbeite schon mal an meiner Predigt für Sonntag.«
»Oh.« Früher hatte er seine Predigten im Kirchenbüro geschrieben. Emily wartete, bis er das Nähzimmer verlassen hatte, bevor sie sich vom Bügelbrett abwandte und in den Türrahmen trat. Sie sah Dave nach, wie er durch den Flur zu seinem kleinen Arbeitszimmer ging. Ohne sich nach ihr umzusehen, schloss er die Tür hinter sich.
Bis vor Kurzem hatte diese Tür immer offen gestanden. Soweit sie sich entsinnen konnte, hatte er sie noch nie zuvor geschlossen. Langsam wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu, konnte sich aber nicht mehr auf die Quiltdecke konzentrieren. Sie wollte wissen, warum ihr Mann es plötzlich für nötig hielt, die Tür seines Büros zu schließen.
Er musste einen Grund dafür haben. Natürlich – vermutlich telefonierte er. Und wollte nicht, dass sie etwas davon mitbekam. Sie wartete eine Stunde, um sicherzugehen, dass er das Gespräch beendet hatte, und betrat dann sein Büro unter dem Vorwand, ihm eine frische Tasse Kaffee bringen zu wollen.
Sie klopfte an und trat ein, bevor er reagieren konnte. Wie erwartet, saß er an seinem Schreibtisch, die Bibel aufgeschlagen vor sich, und machte sich Notizen auf einem Schreibblock.
»Ich bringe dir noch einen Kaffee«, sagte sie.
»Wie aufmerksam. Danke, mein Schatz.«
»Gern geschehen.« Sie stellte die Tasse auf den Untersetzer, eine Keramikfliese, die Matthew in der ersten Klasse bemalt hatte, verließ das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich.
Tief Luft holend, ging sie in die Küche, hob den Hörer des Telefons dort ab und drückte auf Wahlwiederholung. Am anderen Ende der Leitung klingelte es dreimal, dann meldete sich eine Frau mit leiser, leicht rauchiger und durch und durch aufreizender Stimme. »Bist du das noch mal, Davey?«
Davey?
»Ups, verwählt«, erwiderte Emily schroff und legte wieder auf.
Jetzt hatte sie ihn also ertappt. Dave hatte eine andere Frau angerufen. Von ihrem eigenen Zuhause aus! Er hatte die Frechheit besessen, vor ihrer Nase die Frau zu kontaktieren, die drohte, ihre Ehe zu zerstören. Mit zitternder Hand umklammerte sie immer noch den Hörer. Zu wissen, dass sie recht gehabt hatte, erfüllte sie nicht mit Befriedigung – das hatte sie aber auch nicht erwartet.
»Hi, Daddy.« Lächelnd öffnete Megan die Haustür und küsste Sheriff Troy Davis auf die Wange.
»Hallo, Schatz, wie geht es dir?« Troy folgte seiner Tochter in die Küche. Hoffentlich klang seine Frage nicht zu besorgt, aber er machte sich nun mal Gedanken. Erst vor Kurzem war Megan auf Multiple Sklerose getestet worden, eben die Krankheit, an der seine Frau Sandy vor mehreren Monaten gestorben war. Ihre kleine Familie hielt eng zusammen, und die bloße Vorstellung, seine Tochter, sein einziges Kind, könnte an derselben zehrenden Krankheit leiden, jagte ihm Angst ein. Megan hatte vor ein paar Monaten ihr erstes Kind durch eine Fehlgeburt verloren, und dieser Verlust hatte sie so kurz nach dem Tod ihrer Mutter entsetzlich schwer getroffen. Und jetzt hing diese neue Bedrohung wie ein Damoklesschwert über ihr …
»Hör bitte auf damit«, tadelte Megan ihn, ging zum Herd hinüber und schaltete die Temperatur herunter. Was da vor sich hin köchelte, roch gut – der Duft der hausgemachten Mahlzeit stellte ihn vor die quälende Frage, was er sich zum Abendessen machen sollte. Chili aus der Dose vermutlich. Sofern er noch eine Dose zu Hause hatte. »Die Tests haben nichts Eindeutiges ergeben«, fuhr seine Tochter fort, »also besteht kein Grund zur Sorge.«
Noch nicht, setzte Troy in Gedanken hinzu.
Er wollte sie nicht mit unwillkommener Fürsorge und unbegründeten Ängsten überschütten, aber er musste wissen, ob sie mit der Möglichkeit, an MS zu leiden, zurechtkam, ob sie wirklich verkraften konnte, was das im Einzelnen bedeutete. Vor allem, wenn Multiple Sklerose erblich bedingt sein konnte. Nachgewiesen war bisher nichts, aber es gab Indizien für beide Möglichkeiten.
Um die Sache noch komplizierter zu machen, war es häufig schwierig, überhaupt eine eindeutige Diagnose zu stellen. Auch in Megans Fall waren die Testergebnisse nicht eindeutig. Einerseits erfüllte ihn das mit Erleichterung, andererseits kam es ihm so vor, als warteten sie immer noch auf das Unausweichliche. Er ermahnte sich selbst, sich keine übereilten Sorgen zu machen, aber genau so
hatte auch Sandy immer geredet, und das erfüllte ihn mit böser Vorahnung.
Troy war stolz darauf, dass Megan zu ihrer inneren Ruhe zurückgefunden hatte, stolz darauf, wie gelassen sie mit der Ungewissheit ihrer Situation fertigwurde. Er wusste, wie schwer sie darum hatte kämpfen müssen und wie viel ihr Mann dazu beigetragen hatte, dass sie das schaffte.
Glücklicherweise hatte sie ihren Lebenspartner klug gewählt. Craig war ein stiller, ausgeglichener, von Natur aus fröhlicher Mann, der Megan treu ergeben war und sie von Herzen liebte, genau wie Troy seine Frau Sandy geliebt hatte.
»Ich wollte fragen, was ich zum Thanksgiving-Dinner mitbringen soll«, sagte er. Das war eine passende Ausrede, um einfach so vorbeizuschauen, ohne sich allzu offensichtlich um Megan zu sorgen, auch wenn Craig und Megan ihn vermutlich durchschauten.
»Hey, Troy.« Craig betrat die Küche, den Cedar Cove Chronicle in der Hand. »Kaum zu glauben, dass schon diese Woche Thanksgiving ist, oder?« Er schüttelte den Kopf. »Sieh dir das an – mehr Werbung als Nachrichten.«
Megan lachte leise und wedelte mit den Händen, um die beiden Männer aus der Küche zu scheuchen. »Hört auf zu jammern, ihr zwei! Als Nächstes beklagt ihr euch darüber, was für eine kommerzielle Angelegenheit Weihnachten ist.«
»Weihnachten!«, stöhnte Craig und zwinkerte Troy zu.
Genau wie ihre Mutter war Megan total vernarrt in alles, was mit Weihnachten zu tun hatte. Die Reste vom Thanksgiving-Dinner waren kaum im Gefrierschrank verstaut, da schmückte sie schon das Haus für die Weihnachtszeit. Das hieß, dass Craig und Troy Lichterketten außen am Haus anbringen und das beleuchtete Rentier im Vorgarten aufstellen mussten.
»Warte, ich hole noch einen Teller für dich«, sagte Megan und trat an den Küchenschrank. »Es gibt mit Reis gefüllte Fleischbällchen und einen grünen Salat.«
Troy war versucht, das Angebot anzunehmen. Das Rezept – in Tomatensauce gekochte Fleischbällchen mit Stampfkartoffeln – war eines der Lieblingsgerichte ihrer Familie aus der Zeit, als Megan noch klein gewesen war. Der Salat dazu war ihm egal, er aß ihn, aber er konnte auch darauf verzichten.
»Nein, danke, Schatz.« Trotz des verführerischen Dufts hatte Troy nicht die Absicht, sich seiner Tochter und ihrem Mann aufzudrängen. »Wie schon gesagt, ich bin nur vorbeigekommen, um zu fragen, was ich zum Abendessen am Donnerstag beitragen kann.«
Megan schien im Geiste ihren Speiseplan für Thanksgiving durchzugehen. »Ich glaube, ich habe alles im Griff«, sagte sie. »Natürlich gibt es Truthahn, und die Füllung mache ich nach Moms Rezept aus Reis und Würstchen. Dazu bereite ich ein paar Salate vor und den Auflauf aus Süßkartoffeln und getrockneten Aprikosen, den ich letztes Jahr ausprobiert habe und der bei allen so gut angekommen ist.«
Letztes Jahr.
Erst zwölf Monate war es her. Damals hatte Sandy noch gelebt und Thanksgiving mit ihnen allen verbracht. Es war kaum vorstellbar, dass sie wirklich nicht mehr unter ihnen weilte. Sie hatten sie aus dem Pflegeheim geholt, sie im Rollstuhl mit an den Tisch gesetzt und ihr beim Essen geholfen.
Ein Jahr nur, und so viel hatte sich geändert. Troy hatte Sandy beerdigt und war kurze Zeit später Faith Beckwith wiederbegegnet. Der Gedanke an seine Freundin aus der Highschool-Zeit erfüllte ihn mit Traurigkeit. Im Sommer hatten sie sich erneut ineinander verliebt, er und Faith, und alles sah so vielversprechend aus – bis Megan ihre Fehlgeburt erlitt.
Als seine Tochter erfuhr, dass Troy mit einer Frau ausging, war sie schockiert. Nein, mehr als nur schockiert – zutiefst verletzt und zornig. Sie wusste nichts über Faith, kannte nicht einmal ihren Namen, aber in ihrem emotional aufgewühlten Zustand ertrug Megan den Gedanken nicht, dass ihr Vater sich mit einer Frau verabredete. Troy liebte seine Tochter und konnte nicht riskieren, dass es zwischen ihnen zu einer Entfremdung kam. An dem Abend, an dem sie ihr Baby verlor, war er mit Faith zusammen gewesen. Weil er sich an diesem Abend nicht durch einen Anruf von Megan stören lassen wollte, hatte er sein Handy ausgeschaltet – und diese Entscheidung seitdem immer und immer wieder bereut.
Als der Verdacht aufgekommen war, Megan könnte MS haben, hatte Troy die schmerzliche Entscheidung getroffen, seine Beziehung mit Faith zu beenden. Sie fehlte ihm, er vermisste ihre langen Telefongespräche und die gemeinsame Zeit, aber er hatte keine andere Wahl. Sosehr es ihm auch wehtat, das zu akzeptieren: Faith gehörte nicht mehr zu seinem Leben.
Ironischerweise hatte Megan erst kürzlich angedeutet, dass es für ihn an der Zeit sei, in seinem Leben ein neues Kapitel aufzuschlagen. Troy wünschte, er könnte glauben, dass sie das ernst meinte, aber er traute dem Ganzen nicht. Ja, sie war anscheinend reifer geworden und hatte sich vielleicht sogar damit abgefunden, mit MS zu leben. Aber ihre Reaktion auf die Vorstellung, er könne eine neue Frau treffen, hatte ihm nur zu deutlich gezeigt, dass seine Tochter noch lange nicht bereit war, zu akzeptieren, dass er eine neue Beziehung einging. Eine Frau in seinem Leben, eine andere Frau als Sandy, kam ihr wie ein Verrat an ihrer Mutter vor. Auch wenn Megan jetzt sagte, was er hören wollte, kam er widerwillig zu dem Schluss, dass er nicht dementsprechend handeln durfte.
Andererseits, ganz gleich, ob sie sich wirklich mit dieser Vorstellung angefreundet hatte oder nicht, war Megan nicht die Einzige, die meinte, er solle sich wieder mit Frauen verabreden. Einer seiner Mitarbeiter und Freunde hatte vorgeschlagen, ihn mit seiner Schwiegermutter bekannt zu machen – Sally … wie hieß sie noch gleich? Egal, Troy war absolut nicht an einem Blind Date interessiert. Er interessierte sich nur für eine Frau, nämlich Faith, und diese Chance hatte er sich gründlich verbaut.
»Letztes Jahr«, wiederholte Megan langsam und unterbrach damit seine Grübeleien. »Da war Mom noch hier …« Die Tatsache, dass Sandy Thanksgiving mit ihnen verbracht hatte, war ihr offenbar gerade erst bewusst geworden. »Mom hat die Festtage immer geliebt, nicht wahr?«
Troy nickte. Trotz ihrer körperlichen Einschränkungen hatte Sandy die Familientraditionen stets hochgehalten und alles getan, um daran teilhaben zu können. Es tröstete ihn, dass seine Tochter fortführte, was ihre Mutter hatte aufgeben müssen.
»Es wird doch auch Stampfkartoffeln und Sauce geben, oder?« Die Frage diente als Ablenkungsmanöver, damit ihre Gedanken nicht länger um Sandy kreisten.
»Natürlich!«
»Und Kuchen?«
»Kürbis- und Pecannusskuchen. Ach ja, eine kleine Überraschung zum Abendessen habe ich auch noch.«
»Verrätst du mir, was es ist?«
Megans Augen funkelten vergnügt. »Ich habe noch ein Glas von dem süßsauren Gemüse, das Mom und ich im vorletzten Sommer eingelegt haben. Das hatte ich für eine besondere Gelegenheit aufgehoben.«
Sandy hatte sich nicht mehr an der Arbeit beteiligen können, aber Megan hatte ihre Mutter aus dem Pflegeheim zu Troy nach Hause geholt. Zusammen hatten sie den Tag damit verbracht, Gurken süßsauer einzulegen. Sandy leitete ihre Tochter dabei an, und die beiden hatten viel gelacht. Jener Nachmittag war einer der besten des ganzen Jahres für seine Frau gewesen. Sie hatte die Zeit mit Megan genossen und sich gefreut, wieder einmal in ihrem alten Zuhause zu sein, wenn auch nur kurz.
»Deine Mutter wird bei uns sein, ob wir nun süßsauer eingelegtes Gemüse haben oder nicht«, sagte Troy.
»Ich weiß.« Megan zuckte hilflos mit den Schultern. »Es ist nur so …«
Er wollte nicht zusehen, wie seine Tochter von Gefühlen übermannt wurde. »Was hältst du davon, wenn ich am Donnerstag die Brötchen mitbringe? Und eine Flasche Wein?«, fragte er rasch.
Sie schien einen Moment um Fassung zu ringen, dann lächelte sie. »Das wäre perfekt.«
Ein paar Minuten später brach er auf. Der Abend lag lang, leer und einsam vor ihm. Statt direkt nach Hause zu fahren, schlug er die Richtung zum Safeway-Supermarkt ein, immer noch in Uniform. Er brauchte ein paar Lebensmittel, und wenn er sowieso schon hier war, konnte er auch gleich den Wein und die Brötchen kaufen.
Er holte sich einen Einkaufswagen und schob ihn zum Gemüsestand. Damit begann er seinen Einkauf in derselben Abteilung, in der Sandy immer angefangen hatte. Er war sich nicht sicher, warum er sich die Mühe machte, frisches Obst und Gemüse zu kaufen, denn die Sachen würden doch nur in seinem Kühlschrank liegen, bis sie nicht mehr genießbar waren. Er schaute sich gerade die Bananen an, als er sie entdeckte.
Faith.
Abrupt blieb er stehen und starrte sie an. Seit zwei Wochen hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Dieses letzte Gespräch war eines der unangenehmsten seines Lebens gewesen. Als sie ans Telefon ging, hatte sie sich so sehr gefreut, seine Stimme zu hören. Sie hatte ihm erzählt, dass sie einen Käufer für ihr Haus in Seattle gefunden hatte, und noch bevor er irgendetwas erwidern konnte, verkündete sie, dass sie nach Cedar Cove ziehen würde. Das sagte sie voller Begeisterung, in der Erwartung, dass er sich genauso freuen würde. Und dann hatte er ihr eröffnet, dass sie einander nicht mehr sehen würden.
Noch jetzt sah er deutlich vor Augen, wie schmerzlich sie das getroffen hatte. Er erinnerte sich, wie ruhig sie zugehört hatte, während er ihr stockend von Megan erzählte. Sie war weder laut geworden, noch hatte sie argumentiert. Am Ende hatte sie ihm alles Gute gewünscht.
In diesem Moment blickte Faith auf und entdeckte ihn, keinen Meter von ihr entfernt. Sie reagierte genauso wie er – erstarrte völlig, als ihre Blicke sich über dem Stapel Bananen trafen.
Troy konnte gut in den Mienen anderer lesen. Ihre erste Reaktion war Schock, dem folgte ein kurzes Aufflackern tiefsten Kummers. Doch sie fing sich schnell, holte sichtlich Luft und setzte eine neutrale Miene auf.
»Hallo, Troy«, grüßte sie freundlich.
»Faith.« Er neigte leicht den Kopf und fragte sich, ob sie wohl das Bedauern in seiner Stimme hörte.
Ein Blick auf ihren Einkaufswagen zeigte ihm zu seiner Überraschung, dass er mit Grundnahrungsmitteln gefüllt war: Mehl, Zucker, Kaffee, Milch, Obst und Gemüse. Das ließ darauf schließen, dass sie bereits in Cedar Cove lebte. Er wusste, dass sie ihr Haus verkauft hatte, war aber davon ausgegangen, dass es Monate dauern würde, bis er ihr wieder begegnen würde – Monate, in denen er sich auf ihre Anwesenheit in der Stadt vorbereiten konnte. Jedenfalls war er in keiner Weise mental oder emotional darauf vorbereitet, ihr schon so bald nach dem Ende ihrer Beziehung von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen.
»Du bist nicht in Seattle?«, fragte er.
»Ich habe dir gesagt, dass ich mein Haus verkauft habe.«
»Ja, das hast du, aber –« Seine Zunge wollte einfach nicht mitspielen. Er war drauf und dran, mit ihr zu streiten, ihr zu sagen, dass das einfach nicht fair war. Aber wenn es um Fairness ging, dann hatte er nicht wirklich das Recht, sich zu beklagen. Er hatte sie wirklich schlecht behandelt.
Seine Reaktion brachte sie offenbar dazu, sich erklären zu wollen. »Eine der Vertragsklauseln war, dass die Übergabe vor Ende November erfolgen sollte, am besten noch vor Thanksgiving.«
»Du meinst, du lebst jetzt hier in der Stadt?«
»Ich … ja.« Ihr war offenbar genauso unbehaglich zumute wie ihm. »Ich hätte nur nicht gedacht, dir so schnell über den Weg zu laufen – an meinem ersten Tag hier. Ich hatte gehofft –« Sie brachte den Satz nicht zu Ende.
Troy wusste genau, was sie sagen wollte. Auch er hatte gehofft. Gehofft, dass sie sich lange nicht wiedersehen würden, denn er wusste, wie schwer es ihm fallen würde, den Schmerz darüber, sie verloren zu haben, und die Enttäuschung vor ihr zu verbergen. Zumal er sich das alles selbst zuzuschreiben hatte.
Sie beide verband eine gemeinsame Geschichte. In der Highschool waren sie ein Paar gewesen. Nach dem Schulabschluss war Troy zur Polizei gegangen, um nicht eingezogen und nach Vietnam geschickt zu werden. Er hatte vor, Faith einen Heiratsantrag zu machen, sobald er seine Grundausbildung abgeschlossen hatte. Aber ohne ihr Wissen hatte Faiths Mutter ihre Beziehung torpediert, indem sie die Briefe, die sie einander schrieben, abfing. Mrs. Carroll hatte entschieden, die beiden seien noch zu jung für eine so ernsthafte Beziehung.
Troy hatte sich später in jenem Sommer damit abgefunden, dass Faith ihn vergessen hatte, und Sandy kennengelernt. Faith war aufs College gegangen, wo sie ihren späteren Ehemann kennenlernte. Fast vierzig Jahre vergingen, bevor sie wieder Kontakt zueinander aufnahmen – und dann wurden sie durch die Umstände erneut getrennt. Nur diesmal war es nicht Faiths Mutter, die sich ihnen in den Weg gestellt hatte.
»Ich habe Grace Sherman getroffen«, murmelte sie und wandte den Blick ab.
»Sie heißt jetzt Harding.«
Faith nickte. »Richtig. Sie hat wieder geheiratet. Und ich habe Cliff kennengelernt. Sie waren mir beide eine große Hilfe. Ich hatte einfach keine Zeit, mich nach einem Haus umzusehen, und ich wollte keine übereilte Entscheidung treffen, die ich später bereue.«
»Natürlich.« Er war sich nicht sicher, ob das eine versteckte Anspielung auf ihre Beziehung sein sollte.
Sie sprach rasch weiter: »Letzte Woche habe ich meinen Sohn und seine Familie besucht. Scottie hat die Kleinanzeigen in der Zeitung gelesen und erwähnte das Haus in der Rosewood Lane, das zur Miete angeboten wurde.« Sie holte tief Luft. »Kurz darauf bin ich zufällig Grace begegnet. Ich wollte mit meinen Enkelkindern ins Kino, und Grace und Olivia kamen gerade heraus. Als ich ihnen erzählte, dass ich nach Cedar Cove ziehen will, meinte Grace, das Haus, das sie vermietet, wäre gerade frei geworden. Und siehe da, es handelte sich um dasselbe Haus wie in der Anzeige.«
Trotz der heiklen Situation musste Troy grinsen.
Faith runzelte die Stirn, offensichtlich verwirrte es sie, dass er lächelte.
Also beschloss er, den Grund zu erklären. »Grace hatte ziemlich üble Mieter, die das Grundstück vermüllt haben und herunterkommen ließen. Es sah ganz so aus, als würde sie Monate brauchen, diese Leute auf legalem Weg aus dem Haus zu kriegen.«
»Das wusste ich nicht. Also … was ist passiert?«
»Cliff und Olivias Mann Jack Griffin bedienten sich einer … ziemlich einfallsreichen Methode, die Mieter davon zu überzeugen, auszuziehen – noch am selben Abend.«
»Ach, deshalb sind die Wände alle frisch gestrichen«, sagte sie. Er sah, wie sie den Griff des Einkaufswagens fester packte, und vermutete, dass sie aufbrechen wollte.
Trotz seines eigenen Unbehagens wollte er nicht, dass sie ging. Sie fehlte ihm mehr, als er zuzugeben wagte. Sie so unerwartet zu treffen, bereitete ihm Höllenqualen und erfüllte ihn zugleich mit Freude. Es fühlte sich fast so an, als würde man seine steif gefrorenen Finger an einem Lagerfeuer wärmen – schmerzhaft und wohltuend zugleich.
»Du kaufst ein für Thanksgiving?«, fragte er und deutete auf ihren Einkaufswagen, in dem unter anderem Süßkartoffeln und eine Tüte frische Cranberrys lagen.
Sie griff nach einer kleinen Hand Bananen und legte sie in den Wagen. »Nein, ich kaufe nur ein paar Vorräte für meine Küchenschränke und den Kühlschrank. Im Moment sind meine Tochter und meine Schwiegertochter im Haus und packen aus. Ich hatte nicht vor, sie lange allein zu lassen.«
Ihm wurde bewusst, dass er sie gehen lassen sollte, und er nickte stumm.
»War nett, dich zu sehen«, sagte sie, aber das war offensichtlich nur eine höfliche Floskel. Sie schob ihren Wagen ein paar Schritte weiter und zögerte dann. »Hör mal, Troy, ich möchte, dass du dir keine Sorgen machst.«
»Keine Sorgen?« Bezog sie sich auf Megan? Er hatte darauf geachtet, das Thema nicht anzusprechen, und war dankbar, dass Faith es ebenfalls gemieden hatte.
»Ich habe nicht die Absicht, dir ständig zu begegnen, und ich bin sicher, dir geht es genauso.«
»Das war reiner Zufall.« Schließlich war er ihr nicht etwa in den Laden gefolgt.
»Ich weiß. Aber ich werde meine Einkäufe erledigen, wenn du Dienst hast, und ich bezweifle, dass wir ansonsten dieselben Orte aufsuchen.« Sie straffte die Schultern, als wäre das ihr letztes Wort zu der Angelegenheit.
Er brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Es war schön, dich wiederzusehen, Faith.«
»Danke, ebenso.« Entschlossen schob sie ihren Einkaufswagen an ihm vorbei.
Troy sah ihr nach, bemüht, ihr nicht hinterherzustarren, und musste sich davon abhalten, nicht hinter ihr herzulaufen.
Es kostete ihn eine Menge Selbstbeherrschung, aber er zwang sich, seine Einkäufe fortzusetzen, eilte durch den Laden und packte in den Wagen, was er brauchte: Bananen, Papierhandtücher. Suppen und Chili in Dosen, ein paar Tiefkühlgerichte. Brötchen und Wein für Donnerstag. Als er alles hatte, schob er den Wagen zur Kasse.
Wie der Zufall so wollte, stand Faith an der Kasse neben ihm und wartete darauf, an die Reihe zu kommen. Es bereitete ihm Gewissensbisse, zu ihr hinüberzusehen, aber er ertappte sie dabei, dass auch sie zu ihm schaute.
Schließlich hielt er es nicht länger aus. Er ließ seinen Wagen stehen und trat neben sie. »Hör mal, Faith, lass uns reden.«
Ihre Augen weiteten sich.
»Lass uns einen Kaffee trinken, ja? Wenn es jetzt nicht passt, dann vielleicht morgen. Oder wenn du das lieber erst nach Thanksgiving tun möchtest, ist es mir auch recht.« Er hatte bis zu diesem Moment nicht gewusst, was er ihr sagen wollte, aber ihm war etwas eingefallen. Jedenfalls konnte er nicht einfach nur dastehen und sie anschauen.
Er erkannte sofort, dass Faith seine Begeisterung nicht teilte. »Danke, aber ich halte das für keine gute Idee.«
Natürlich hatte sie recht. Im Nachhinein betrachtet, war sein Vorschlag idiotisch. Er bat sie darum, sich heimlich mit ihm zu treffen, und das schien ihr offenbar verachtenswert. Aber sosehr er auch Zeit mit Faith verbringen wollte, Megan durfte nichts davon erfahren. Seine Motive waren durch und durch egoistisch.
Sein Vorschlag war vielleicht nicht gerade ehrenwert, aber wenn er Faith sehen wollte, blieb ihm keine andere Wahl. Er liebte sie, und er war überzeugt, dass auch sie ihn liebte. Doch sie würde ihn kein drittes Mal in ihr Leben lassen, nachdem er ihr schon zwei Mal das Herz gebrochen hatte.
Das konnte er ihr nicht verübeln.
»Schöne Feiertage, Faith.«
»Das wünsche ich dir auch«, flüsterte sie stockend.
Troy bezahlte seine Einkäufe und trug die Tüten zum Auto. Wenn es ihm bisher nicht völlig klar gewesen war, dann wusste er es jetzt mit Gewissheit: Er hatte jede Chance verloren, die er bei Faith jemals gehabt hatte.
Tannith Bliss hatte keine Lust, am Donnerstagabend das Thanksgiving-Lagerfeuer an der Highschool zu besuchen. Sie hasste die Schule. Es gab nur einen Grund dafür, dass sie sich überhaupt dazu bereit erklärt hatte, hinzugehen: Ihre Mutter ging ihr auf die Nerven. Alles war besser, als zu Hause zu bleiben und so zu tun, als wäre ihr Leben völlig normal.
Nichts würde je wieder normal werden. Manchmal verhielt ihre Mutter sich so, als wäre ihr Dad nicht gestorben, als würde er jeden Moment zur Tür hereinkommen, und das regte Tanni schrecklich auf. Sie verstand einfach nicht, warum ihre Mom sich so abmühte, um dieses dämliche Thanksgiving-Festmahl zuzubereiten. Es war sinnlos, Truthahn, Sauce und all das andere Zeugs aufzufahren, wenn sie nur noch zu dritt waren.
Dabei war Thanksgiving nur der Anfang. Bald danach kam Weihnachten, und das würde ebenfalls zum Albtraum werden. Ihr erstes Weihnachten ohne Dad.
Sie war spät dran, und der Schulparkplatz war bereits voll. Tanni wusste nicht, warum sie hier überhaupt suchte. Wunschdenken vermutlich. Ihr blieb nur, den Wagen am Straßenrand abzustellen, und selbst dazu hatte schon Glück gehört. Die Hände tief in den Taschen ihres langen schwarzen Mantels vergraben, zog sie die Schultern hoch, um sich gegen den bitterkalten Wind zu schützen, und stapfte den Hügel zum Footballfeld hinauf.
Als sie sich der Umzäunung näherte, konnte sie die anderen lachen und rufen hören. Das würde noch schlimmer werden, als sie befürchtet hatte.
»Tanni, hier sind wir!«, rief Kara Nobles, als Tanni das Spielfeld erreichte.
Sie tat so, als hätte sie nichts gehört. Kara gehörte zu den immer fröhlichen, gut gelaunten Mädchen, die Tanni auf die Nerven gingen. Mit gesenktem Kopf schlängelte sie sich durch die Menge zum anderen Ende des Spielfelds, um so viel Abstand wie möglich zu allen zu halten, die sie möglicherweise erkennen würden. Hier achtete niemand auf sie, und das war ihr gerade recht.
Eine Gruppe von Gothics stand in der Nähe. Tanni gehörte nicht zu ihnen. Sie kleidete sich zwar meistens schwarz, aber das lag nur daran, dass die Farbe ihr gefiel. Sie passte zu ihrer Stimmung und Gemütslage. Schließlich trauerte sie. Mochte ihre Mutter auch so tun, als wäre alles wie immer, Tanni dachte gar nicht daran. Ihr Vater war tot. Er würde nicht wie sonst nach einem Flug nach Hause kommen, sie alle in die Arme nehmen und ihr ein kleines Geschenk überreichen. Auch wenn die anderen in ihrer Familie Dad am liebsten vergessen würden, sie tat das nicht.
Ein wenig abseits stehend, starrte Tanni in das Feuer. Die tanzenden Flammen hatten etwas Hypnotisierendes, das Feuer knisterte und züngelte orange und gelb zum Nachthimmel hinauf.
Einer der Jungs aus der Gothic-Gruppe löste sich von den anderen und kam auf sie zu. Sie wollte ihn nicht ansehen, um ihn nicht zu ermuntern, sie anzusprechen. Trotzdem warf sie ihm einen kurzen, verstohlenen Blick zu. Sie kannte ihn nicht. Das hatte allerdings nicht viel zu bedeuten, denn sie gab sich größte Mühe, nicht aufzufallen. Weder wollte noch brauchte sie die Aufmerksamkeit anderer. Wenn sie einen Weg gefunden hätte, der Schule ganz den Rücken zu kehren, hätte sie das mit Freuden getan. Alles, was sie wollte, war, in Ruhe gelassen zu werden.
Der Junge sagte nichts. Hätte er auch nur ein Wort gesprochen, hätte sie ihn aufgefordert, zu verschwinden.
Aber er stand nur da, stumm wie ein Fisch.
Wütend funkelte sie ihn an.
Er ignorierte sie.
»Hey, Shaw, das musst du dir ansehen!«, rief ihm einer der Gothics zu.
Das war also Shaw Wilson? Tanni hatte schon viel von ihm gehört. Er ging nicht mehr auf die Cedar Cove High, und wenn man den Gerüchten glaubte, dann hatte er nie seinen Abschluss gemacht. Er hing in der Stadt herum und fuhr einen blauen Ford Kombi, den jeder für cool zu halten schien. Das Wenige, das Tanni über Shaw wusste, gefiel ihr.
Die ganze Schule hatte Partei ergriffen, als Anson Butler vor zwei Jahren beschuldigt wurde, das Lighthouse Restaurant in Brand gesteckt zu haben. Damals war Tanni in ihrem ersten Jahr an der Highschool. Monatelang war die Brandstiftung das Hauptgesprächsthema gewesen.
Shaw war Ansons bester Freund. Er hatte ihn verteidigt, ganz gleich, was andere sagten. Auch Allison Cox hatte ihn verteidigt, da sie Ansons Freundin war.
Später, als sich herausstellte, dass Anson tatsächlich unschuldig war und ein betrügerischer Bauunternehmer das Feuer gelegt hatte, behaupteten die meisten Schüler, dass sie Anson von Anfang an geglaubt hätten. Na, klar doch. Dieselben Leute, die sich eben noch gegen ihn gestellt und ihn im Stich gelassen hatten, behaupteten jetzt, eng mit ihm befreundet zu sein.
Außer Allison hatte nur Shaw von Anfang an loyal zu ihm gestanden. Er hatte sich als der einzige wirkliche Freund erwiesen, den Anson hatte, und auch wenn das sonst offenbar jedem entfallen war, Tanni erinnerte sich gut. Sie rechnete ihm diese Loyalität hoch an und hoffte, dass Anson zu schätzen wusste, was Shaw für ihn hatte erdulden müssen.
»Du bist Shaw?«, fragte sie ihn und nahm ihn fest in den Blick.
»Ja. Und du bist Tanni, richtig? Tanni Bliss.«
Sie nickte. Unauffällig trat sie näher.
»Ich habe dich schon öfter gesehen«, sagte er. Genau wie sie hatte er seine Hände tief in den Manteltaschen vergraben.
»Ich habe dich schon öfter gesehen« – das hieß so viel wie: »Du bist mir aufgefallen.« Trotz allem freute Tanni sich darüber. Wenn sie schon jemandem auffiel, dann zog sie es vor, dass sie jemandem wie ihm auffiel.
»Warum bist du nicht bei deinen Freunden?«, wollte er wissen.
Sie zuckte mit den Schultern, weil sie keine Lust hatte, ihm zu erklären, dass sie keine echten Freunde hatte. Natürlich hatte sie ein paar Bekannte, Kara zum Beispiel, aber diese Leute betrachtete sie nicht als enge Vertraute. Ihre alten Freunde hatten sich zurückgezogen, nachdem ihr Vater bei dem Motorradunfall ums Leben gekommen war. Um ehrlich zu sein, hatte Tanni sie von sich gestoßen, weil die meisten von ihnen zu glauben schienen, jedem sei eine gewisse Zeit der Trauer zuzubilligen, aber dann müsse man alles abschütteln und nach vorn schauen. Dabei lag der Tod ihres Vaters noch kein ganzes Jahr zurück. Offenbar brauchte Tanni mehr Zeit, um das zu verarbeiten, als sie für nötig hielten.
Eine sogenannte Freundin hatte ihr ins Gesicht gesagt, sie solle endlich darüber hinwegkommen. Aber Tanni wollte nicht darüber hinwegkommen, dass sie ihren Vater verloren hatte. Sie wollte an jeder kostbaren Erinnerung festhalten, kein Detail jemals vergessen.
»Ich habe deine Bleistiftzeichnung gesehen«, sagte Shaw in ihre Grübelei hinein. »Du bist gut.«
»Danke.« Seine Worte machten sie nervös. Die Zeichnung vom Friedhof war ein Projekt, das ihre Kunstlehrerin in höchsten Tönen gelobt hatte. Ohne dass Tanni davon wusste, hatte Mrs. White die Zeichnung bei einem lokalen Wettbewerb eingereicht, und Tanni hatte bei einer von der Stadt geförderten Kunstmesse den ersten Preis gewonnen. Im Grunde bedeutete ihr das nichts. Die Aufmerksamkeit, die ihr zuteilwurde, brachte sie in Verlegenheit. Außerdem war ihre Mutter eine Textilkünstlerin, die ihre Werke in der örtlichen Kunstgalerie anbot, und Tanni fürchtete, eine Freundin ihrer Mutter könnte in der Jury gesessen und ihr den Preis aus Mitleid zugesprochen haben. Sie brauchte kein Mitleid, sie brauchte ihren Vater.
Obendrein zog sie es vor, nach Möglichkeit nicht mit ihrer Mutter in Verbindung gebracht zu werden. Sie hatten sich noch nie besonders gut verstanden, und zurzeit war es schlimmer denn je. Das Letzte, was sie wollte, war, dass jemand ihre Kunst mit den Werken der großen Shirley Bliss verglich.
»Ich zeichne auch«, sagte Shaw, schien seine Worte aber sofort zu bereuen. »Meine Zeichnungen sind aber längst nicht so gut wie deine«, setzte er hastig hinzu.
Tanni schwieg. Zeichnen fiel ihr leicht, das war schon immer so gewesen. Manche Leute waren gut in Algebra, und andere hatten ihre liebe Not damit. Zeichnen war zufällig ihr besonderes Talent – und ihre Möglichkeit, der Wirklichkeit zu entkommen.
Sie konnte im Unterricht sitzen, ganz gleich in welchem Fach, und so tun, als machte sie sich umfangreiche Notizen, während sie in Wirklichkeit lauter kleine Zeichnungen anfertigte. Gekritzel – geometrische und spiralförmige Muster – und winzige Porträts der Leute um sie herum. Bäume und Blumen und Pferde und Hunde. Mit diesen Zeichnungen füllte sie ein Notizbuch nach dem anderen. Niemand hatte sie je zu Gesicht bekommen, nicht einmal ihre Mutter. Insbesondere nicht ihre Mutter. Wenn ihr Dad noch am Leben gewesen wäre, hätte sie ihm die Skizzen vielleicht gezeigt, aber niemandem sonst. Kurz nach seinem Tod hatte sie in einem Akt blinder Trauer und Wut einen ganzen Stapel der Notizbücher vernichtet.
»Hey, Shaw, kommst du nun oder nicht?«
Er warf einen Blick über die Schulter und sah sie dann wieder an. »Man sieht sich, Tanni.«
»Klar.« Als er sich abwandte, wurde ihr bewusst, dass sie nicht wollte, dass er ging. »Wie geht es Anson?«, fragte sie rasch.
Shaw zögerte, drehte sich dann schulterzuckend wieder zu ihr um. »Es geht ihm gut.«
»Ich habe gehört, er arbeitet für den militärischen Nachrichtendienst.«
»Stimmt.«
»Das ist beeindruckend. Und Allison?«
»Wird diese Woche in der Stadt sein. Du weißt, dass sie an der Universität von Washington studiert, oder? In Seattle.«
»Ja.« Auch Tannis Bruder würde zu Thanksgiving vom College nach Hause kommen, und ihre Mutter machte ein gewaltiges Aufhebens darum. Trotzdem freute Tanni sich darauf, Nick wiederzusehen. Er hatte sich für diesen Abend angekündigt und würde mit dem Auto von der Washington State University in Pullman herfahren. Wenn Tanni zu Hause ankam, war Nick vermutlich schon da.
Sie vermisste ihren Bruder, obwohl sie nie damit gerechnet hatte. Früher hatten sie sich permanent gestritten, aber nach dem Unfall hatten sie einen brüchigen Frieden miteinander geschlossen, während sie versuchten, den Umbruch in ihrem Leben zu verarbeiten. Nick war der Einzige, mit dem sie über ihren Dad redete, der Einzige, der so empfand wie sie.
Shaw trat einen Schritt näher. »Ich dachte mir, weißt du, wenn du möchtest, dann könnte ich dir ein paar meiner Zeichnungen zeigen.«
»Ja, klar, gern.«
»Cool.«
»Wann?«, fragte sie.
»Was hast du nach dem Feuer vor?«
Um zu antworten, musste sie nicht erst in ihren leeren Terminkalender schauen. »Eigentlich nichts.«
»Wir könnten uns im Mocha Mama’s treffen, in einer Stunde.«
Tanni warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Das Mocha Mama’s war neu in der Stadt. Sie war noch nicht in dem Lokal gewesen, wusste aber, wo es lag. »Okay.«
Er lächelte sie an, und sie lächelte zurück. Trotz des kalten Windes erfüllte sie eine Wärme, die nichts mit dem lodernden Feuer zu tun hatte.
Ein paar Minuten später gingen Shaw und seine Freunde. Tanni schaute noch etwa zwanzig Minuten den Flammen zu. Ihre Stimmung hatte sich gebessert, seitdem sie mit Shaw gesprochen hatte, also ging sie hinüber zu Kara und ihren Freundinnen.
Tanni war sich nicht sicher, warum sie überhaupt mit Kara herumhing. Sie und ihre Freundinnen waren allesamt Cheerleader-Typen, obwohl es vermutlich keine von ihnen schaffen würde, in ein Team aufgenommen zu werden. Sie alle gehörten nicht zur populären Clique, aber Tanni ja auch nicht.
Eine halbe Stunde später parkte sie ihr Auto vor dem Mocha Mama’s in der Harbor Street. Sie betrat das Lokal und sah sich interessiert um. Eingerichtet war es wie ein typisches Café – viel dunkles Holz und altmodische Lampen. Nur wenige Gäste saßen an den Tischen: ein Pärchen, das offenbar in ein vertrauliches Gespräch vertieft war und die Köpfe eng zusammensteckte, und zwei ältere Männer. Shaw saß an einem der sechs Tische am Fenster und wärmte sich die Hände an einer Tasse Kaffee. Seine Haare waren schwarz gefärbt, aber der blonde Ansatz zeigte sich. Früher hatte er sie zu Spitzen hochgegelt, jetzt nicht mehr. In seiner Zeit an der Cedar Cove High hatte er sich mitunter sehr auffallend geschminkt, auch das tat er nicht mehr.
Er hob den Kopf, als sie sich dem Tisch näherte. »Möchtest du etwas bestellen?«, fragte er.
Das wollte sie, wenn er bezahlte. »Ein Kaffee wäre nett.«
Er stand auf, ging zum Tresen und kam mit einem dampfenden Becher zurück an den Tisch. »Der geht aufs Haus.«
»Danke.« Sie zog die Nase kraus. »Warum aufs Haus? Arbeitest du hier?«
»Ja. Wenn du jemals einen Frappuccino oder so was möchtest, sag’s mir einfach.«
Shaw sah ganz und gar nicht aus wie ein Barista. »Wie lange arbeitest du schon hier?«, fragte sie. Der Kaffee, den er ihr gebracht hatte, war schwarz, so wie seiner, aber sie beschloss, weder Zucker noch Sahne hinzuzugeben.
»Seit der Eröffnung. Der Laden gehört meiner Tante und meinem Onkel. Ich leite ihn für sie.«
»Cool.«
Er holte ein Skizzenbuch aus seinem Rucksack, der unter dem Fenster auf dem Boden stand. »Verglichen mit deinen Arbeiten sind meine ziemlich dilettantisch.«
Tanni hasste es, wenn Leute so etwas sagten. Sie würdigten ihre eigenen Bemühungen herab, weil sie als so sagenhaft talentiert galt.
Sie nippte an ihrem Kaffee, während sie sein Skizzenbuch durchblätterte. Der erste bittere Schluck wärmte sie sofort. Jede einzelne Seite nahm sie genau unter die Lupe. Shaw hatte Talent, obwohl seine ersten paar Zeichnungen, allesamt in Kohle, düster und bizarr waren. Zerfallene Gebäude, verwüstete Landschaften, ein Schlachtfeld.