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Theda, die junge Tochter eines Bauern, erlebt auf dem Jagdschloss des Kurfürsten eine Welt, von der sie nie zu träumen gewagt hatte. Eines Nachts, als der Himmel vom Sternschnuppenregen erhellt wird, kommt es zu einer folgendschweren Begegnung und Thedas Leben ändert sich schlagartig. Verzweifelt macht sie sich auf die Suche nach dem Kurfürsten und begegnet ihrer wahren Liebe. Doch wie wird der Kurfürst reagieren? Hat ihre Liebe eine Chance?
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Seitenzahl: 118
Sternschnuppenregen
Eine Novelle
Edition Alea Deseo
Auflage 1 │ Februar 2015
© 2015 Alea Libris Verlag, 72149 Neustetten Titelbildgestaltung: Marion Reinhardt
Satz: Michaela Harich
Lektorat: Tatjana Nikisch
ISBN 978-3-945814-02-4
Alle Rechte vorbehalten
Der Verlag
Wir sind kein Verlag, mit dem man schnell das große Geld machen kann, so viel sei von Anfang an gesagt. Wir sind ein frisch gegründeter Verlag, der einfach gute Bücher machen und den Grundstein für viele Autorenkarrieren legen will. Durch das individuelle Zusammenspiel von Autor, Lektor und Coverdesigner wollen wir garantieren, dass die Wünsche des Autors berücksichtigt werden und nur jene an diesem Projekt arbeiten, die das auch wirklich wollen.
Zunächst wird es bei uns nur E-Books geben, doch es ist der Ausbau zum Print-Verlag geplant.
Achtung! 2015 wird es definitiv Printbücher geben!
Unser Verlag, Alea Libris, ist vor allem ein Verlag für jene, die sich auf Neues einlassen können und bereit sind, etwas zu wagen. Wir sind jung! Wir sind abenteuerlustig! Wir wollen die Welt erobern!
Die Autorin
Aufgewachsen auf einem kleinen Barockschloss in den Tiefen des Emslandes, begann sie früh mit dem Schreiben über alte Gemäuer und ihre Bewohner. 1992 führte sie die Ausbildung zur Tanzlehrerin nach Osnabrück, wo sie noch heute lebt und arbeitet. Da der Wunsch, ein eigenes Buch zu schreiben, sie nie richtig losließ, schrieb sie seit 2008 mehrere Romane in verschiedenen Genres.
„Theda! Theda, komm her und hilf deinem Vater, die Milchkannen aufzuladen! Ist es denn so schwer, deinen Eltern eine Hilfe zu sein?“
Schwungvoll stieß Theda die Forke, mit der sie gerade noch frische Einstreu für die Kälber verteilt hatte, in den Heuhaufen und brüllte zur Stalltür hinaus:
„Für mich nicht! Ich bin seit fünf Uhr auf den Beinen und tue nichts Anderes! Aber warum kann Mattis sich nicht auch einmal nützlich machen?“
„Dein Bruder hilft unserem Nachbarn beim Aufstellen der Weidezäune", brüllte ihr Vater genauso laut zurück. "Also lass dich nicht lange bitten, Mädchen und pack endlich mit an!“ Theda seufzte ärgerlich, stapfte die Stallgasse entlang und zupfte sich dabei mit beiden Händen Heureste aus ihrem schulterlangen, braunen Haar. Laut knallten ihre Holzschuhe auf den Bodendielen.
„Guck dich nur mal an, wie du wieder aussiehst. Als ob du im Stall geschlafen hättest. Du weißt, was deine Mutter dazu sagen wird, wenn sie dich ohne Haube und mit Heu in den Haaren erwischt.“
Theda holte gerade Luft, um ihrem Vater die passende Antwort zu geben, verstummte aber, als ihr Blick von den vielen Milchkannen neben dem Leiterwagen zu ihrem Vater wanderte, der an einem ganz normalen Arbeitstag sein bestes Hemd und auffallend saubere Beinkleider trug.
Matthias Barrer war ein stattlicher Mann, groß und breitschultrig und einer der reichsten Milchbauern im Dorf. Doch, dass er im Sonntagsstaat die Milch auslieferte war eher ungewöhnlich.
Theda krauste ihr kleines Stupsnäschen und stemmte die Hände in die schlanke Taille.
„Du verrätst mir auf der Stelle, wo diese Fuhre hingeht, oder du kannst die schweren Kannen allein aufladen.“
„Freche Göre! Wie kommst du darauf, dass dich das irgendetwas angeht?“ Seine Stimme klang streng, doch seine Augen lachten.
Theda grinste spitzbübisch wurde jedoch ernst, als ihre Mutter, mehrere in Tücher eingeschlagene Käseleiber auf dem Arm, durch die Tür des Wohnhauses trat und sich mit schnellen Schritten näherte. Mit der Mutter war nicht gut Kirschen essen.
„Theda! Sieh dich nur an! Sofort gehst du ins Haus und setzt deine Haube auf! Und beeile dich! Dein Vater braucht eine helfende Hand!“
Dem Vater zu widersprechen war Eines, der Mutter jedoch etwas völlig Anderes. Nicht, dass Theda ihr nicht dennoch gerne widersprochen hätte. Doch in diesem Moment hätte ein Streit mit der Mutter nur dem Vater die gute Laune verdorben und das war nicht in Thedas Sinne. Und so klapperte Theda rasch und mit gesenktem Kopf ins Wohnhaus, nahm in der langen, weiß getünchten Diele eine schlichte helle Haube von einem der Wandhaken und schob ihre volle, lockige Haarpracht unter die Schute. Missmutig band sie eine feste Schleife unter dem Kinn, lief wieder hinaus zum Leiterwagen und begann schnell und ohne Wiederworte mit dem Aufladen der Milchkannen.
Als ihr Vater und sie gleichzeitig die letzten Kannen auf die Ladefläche schoben, raunte er ihr zu:
„Ich fahre zum Jagdschloss hinaus. Willst du mitkommen?“ Theda riss die Augen auf und spürte, wie ihr Herz einen Satz machte.
„Zum Schloss? Oh ja, bitte! Ich habe es nicht mehr gesehen, seit der Bauherr seine Arbeit für beendet erklärt hat und das ist ja schon Jahre her.“
„Nur zwei.“
„Trotzdem würde ich es gern sehen! Ist es endlich bewohnt?
Ist der Kurfürst da? Hat er Gäste mitgebracht?“
„Freilich ist er da. Wem würde ich sonst die Milch bringen?
Zwei Jahre hat das Schloss im Wald geschlafen wie ein neugeborenes Baby. Jetzt ist der Herr da und mit ihm unzählige Gäste, die die Gästehäuser füllen und sie alle haben noch ihre Diener dabei. In diesen Tagen geht es dort draußen zu wie auf dem Wochenmarkt und die feine Gesellschaft will natürlich versorgt sein. Von der Jagd auf den Hirsch allein kann ja niemand leben, nicht wahr?“
„Werden wir die Gäste sehen, Vater? Die feinen Damen in ihren edlen Kleidern und die Jäger in ihren roten Röcken?“
„Du nicht, mein Kind. Du bleibst hier, kümmerst dich um die Kälber und um deine Schwester. Die kleine Lieselotte hängt mir sonst den ganzen Tag am Rockzipfel“, mischte sich da die Mutter mit energischer Stimme ein, während sie weitere Käseleiber herantrug.
„Und wer soll mir helfen, die Milch und den Käse wieder abzuladen? Du weißt doch, mir schmerzt so schnell das Kreuz. Und war Theda in den letzten Tagen nicht ausgesprochen folgsam? Ich denke, das können wir belohnen.“ Die Stimme des Vaters hatte einen schmeichelnden Unterton bekommen. Er wusste, wie er seine Frau zu nehmen hatte.
„Matthias! Versuch nicht mich einzuwickeln! Es geht dir gar nicht um dich und deinen Rücken, sondern nur um Theda. Du verziehst das Mädchen vor meinen Augen und du weißt sehr wohl, was ich davon halte.“
Theda wollte aufbegehren, doch ihr Vater stieß sie in die Seite und warf seiner Frau einen Blick zu, den außer ihm nur noch die Kühe im Stall beherrschten.
„Deine Tochter hat den Kopf voller Flausen. Eskapaden dieser Art machen es nicht besser.“
Theda spürte, wie ihr die heiße Röte in die Wangen schoss.
Die Mutter war ungerecht, wie fast immer. Sie öffnete den Mund, um sich zu verteidigen und spürte erneut den Ellenbogen des Vaters in der Seite. Die Intensität des Blickes, mit dem er seine Frau bedachte, steigerte sich weiter. Einen Moment lang herrschte Stille.
Theda wagte kaum zu atmen, während sie ihrer Mutter beim Nachdenken zusah. Und kaum schlug die große, stämmige Bauersfrau die Augen nieder, da entfuhr Theda ein lauter Jubelschrei.
„Aber, dass ihr zwei mir bald zurück seid! Und sprich nicht mit den feinen Herren! Das gehört sich nicht für dich, Theda. Nur knicksen und nicken, hörst du?“
Theda schwang sich neben ihren Vater auf den Bock und nickte probehalber schon einmal eifrig. Sie hätte der Mutter alles versprochen, wenn sie sie nur mitfahren ließ.
Ihre Mutter rief noch gute Ratschläge, während das Pferdefuhrwerk sich bereits in Bewegung setzte. Kaum waren sie vom Hof gerollt, da riss Theda sich die kratzende Haube vom Kopf, stopfte sie unter ihr Schürzenband und jauchzte vor Freude.
Matthias Barrer schüttelte den Kopf. „Theda, Theda. Musst du die Vorwürfe deiner Mutter immer im Handumdrehen bestätigen?“ Theda begehrte auf: „Sie ist nicht gerecht! Ich schufte den lieben langen Tag, mache alles, was man mir sagt und bin ein wahres Musterexemplar an Gehorsam. Aber sie verlangt immer noch mehr von mir! Ich kann es ihr einfach nicht recht machen. Wen kümmert es, ob ich eine Haube trage, ob ich sauber und sittsam bin, solange ich im Stall sitze und die Kühe melke?“
„Die Mutter will nur dein Bestes. Das Leben wird dir leichter fallen, wenn du dich an die Regeln hältst, Theda. Deine Mutter macht sich Sorgen wegen deiner ungestümen Art und deinem Temperament.“
„Ich frage mich manchmal, ob sie selber immer brav und vernünftig war. Hat sie einfach nur vergessen, wie es ist jung zu sein? Ich kann einfach nicht tagein, tagaus arbeiten und fromme Gedanken pflegen. Schon gar nicht, wenn die Sonne scheint.“ Schmunzelnd legte sich ihr Vater die Zügel in den Schoß, lehnte sich zurück und ließ sich vom Rumpeln der Räder schaukeln.
Der Maitag war warm und als sie die letzten Häuser des Dorfes hinter sich ließen und Theda die Schmetterlinge am Wegrand tanzen sah, begann sie laut und fröhlich zu singen. Was für ein wundervoller Tag. Sie war dem dunklen Kuhstall und seinen scharfen Gerüchen entronnen, ebenso wie dem gestrengen Blick ihrer Mutter. Der Tag gehörte ihr und mit etwas Glück, würde sie sogar einen Blick auf die Jagdgesellschaft des Kurfürsten werfen können.
Träge zockelte der graue Zosse über den breiten Sandweg. In der Ferne erspähte Theda eine schmale Gestalt am Wegrand. Sie trug einen Korb über dem Arm, ein Schultertuch und dunkle Röcke trotz des warmen Tages. Als Gestalt und Fuhrwerk sich einander näherten, erkannte Theda ihre Freundin Christine, die Tochter des Bäckers. Christine, ein eher stilles Mädchen, war seit Kindesbeinen an Thedas engste Verbündete. Übermütig riss Theda beide Arme in die Höhe und winkte wild.
„Christine! Wir fahren zum Schloss! Ich werde Edelleute und Damen der Gesellschaft sehen!“ Aus den Augenwinkeln bemerkte Theda das nachsichtige Kopfschütteln ihres Vaters, doch Christine reagierte so, wie sie es erhofft hatte. Das Mädchen ließ fast den Korb fallen, riss Mund und Augen auf und starrte Theda mit einer Mischung aus Neid und Ehrfurcht an.
Während der Leiterwagen an ihr vorbei ruckelte, war Christine stehengeblieben, sah zu Theda hinauf und brachte kein Wort heraus. Theda war schon fast an ihr vorüber als Christine rief:
„Erzählst du mir später alles?“
„Heute Abend!“ rief Theda über die Schulter und winkte noch einmal. Dann stieß sie ihrem Vater in die Seite:
„Können wir nicht ein wenig schneller fahren? Ich bin ja so aufgeregt!“
„Vielleicht hätte ich dich doch nicht mitnehmen sollen. Am Ende bringst du nichts, als verrückte Ideen mit heim. Und die arme Christine wirst du auch verrückt machen.“
„Aber nein! Ich werde ihr die Kleider und Frisuren der Damen beschreiben und ob es auch junge und gut aussehende Herren gab. Und dann werden wir ein wenig mit unseren Haaren herumprobieren und mit den Schnitten unserer Sonntagskleider...“
„Siehst du, das ist exakt das, was deine Mutter befürchtet.
Vergiss nicht, wohin du gehörst, Theda! Weder die Kleider noch die Frisuren der feinen Damen werden von euch in irgendeiner Weise nachgeahmt. Bin ich verstanden worden? Mich trifft der Schlag, wenn ich euch in einer solchen Kostümierung auf dem Dorfplatz sehen muss. Und deine Mutter sperrt dich für Wochen im Haus ein.“
Theda gab ihrem Vater einen flüchtigen Kuss.
„Natürlich, Papa. Ich mach doch nur Spaß.“ Ihr Vater gab ein Brummeln von sich, schien aber beruhigt.
Theda wusste jedoch genau, dass sie gelogen hatte. Konnte es etwas Aufregenderes geben, als die Jagdgesellschaft des Kurfürsten zu sehen und sei es auch nur für einen kurzen Augenblick aus der Ferne? Natürlich würden hinterher die Sonntagskleider für ein paar Experimente herhalten müssen. Ändern konnte man sie ja immer noch wieder.
Bald darauf rumpelte der Leiterwagen eine künstlich angelegte Allee aus Laubbäumen hinauf, an deren Ende ein hoher Backsteinbau mit rotem Kupferdach durch das zarte Grün der jungen Bäume schimmerte.
„Diese Bäume sind alle noch so zart. Wie wird es wirken, wenn sie sich hoch in den Himmel erheben und ein gewaltiges Laubdach bilden?“ überlegte Theda laut und betrachtete die kleinen Linden und Eichen fast liebevoll.
„Sie werden sich niemals hoch in den Himmel erheben. Diese Bäume werden gestutzt gehalten, solange es sie gibt. So hat es der Architekt beschlossen, so wird es geschehen“, antwortete ihr Vater und hielt jetzt achtsam die Zügel fest, als habe er Angst, das Pferd könnte unbesonnen die Allee hinauf stürmen.
„Das klingt traurig, findest du nicht? Niemals so groß werden zu dürfen, wie man könnte?“
„Es sind Alleebäume, Theda. Sie haben auch ihren Platz im Leben.“
Theda richtete den Blick nach vorn und sah das Schloss.
„Warum, um Himmels Willen, hat es ein Kupferdach? Ich meine, das passt doch so gar nicht zu dem roten Backstein. Die Farben beißen sich regelrecht!“
„In ein paar Jahren werden die Kupferplatten grün angelaufen sein. Das wird wunderschön aussehen.“
„In ein paar Jahren? Der Kurfürst scheint ein geduldiger Mensch zu sein.“
Den Schlosshof erreichend, faszinierte Theda sofort das sternförmig angelegte Terrain. Acht gleiche Gebäude umstanden das vierflügelige Hauptschloss inmitten eines gepflegten Rasens, der von acht Wegen durchteilt wurde, die strahlenförmig auf den Mittelbau zuliefen.
„Wie sollen wir jetzt nur das Küchengebäude finden? Es ist von den umstehenden Gästehäusern nicht zu unterscheiden“ seufzte Matthias Barrer.
Theda ließ den Blick schweifen. Überall auf den Sandsteinwegen herrschte reges Treiben. Bedienstete liefen hin und her, trugen Gegenstände und Koffer von Gästehaus zu Gästehaus, riefen sich etwas zu und schienen guter Dinge. Da entdeckte Theda einen jungen Mann in brauner Livree, der ganz in ihrer Nähe an der Mauer eines Gästehauses lehnte und lächelnd zu ihr herüber blickte.
„Heda! Du! Bursche! Wo finden wir die Küche?“
„Theda, was ist in dich gefahren? Du kennst den Herrn doch gar nicht. Was, wenn er kein Diener ist?“ Doch der junge Mann mit dem im Nacken zu einem Zopf geflochtenen Haar trat mit einem freundlichen Lächeln näher und musterte Theda aufmerksam. Theda hielt seinem Blick mühelos stand. „Also?“ fragte sie. „Die Küche? Wo finden wir sie. Alle Gebäude sehen gleich aus.“
„Das stimmt nicht ganz, wertes Fräulein. Seht Ihr das zweite Gebäude zur Linken? Es hat einen langen Anbau, der den anderen Gästehäusern fehlt.“
„Ah, dann befindet sich dort die Küche.“
„Nein. Denn bei genauerer Betrachtung weist das Gebäude einen Kirchturm auf. Es handelt sich um die Kapelle. Könnt Ihr eine Küche nicht von einer Kapelle unterscheiden?“ Das Lächeln des jungen Mannes wurde frecher, während Theda eine leichte Röte in die Wangen schoss. Der Mann fuhr fort:
„Die Küche hat einen ähnlich langen Anbau, aber keinen Turm. Sie befindet sich jetzt genau hinter dem Hauptschloss.