Strafrecht für die Polizei - Bijan Nowrousian - E-Book

Strafrecht für die Polizei E-Book

Bijan Nowrousian

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Beschreibung

In einem Band ist alles drin Das Buch stellt den gesamten strafrechtlichen Lernstoff in 3 Teilen dar: Grundlagen und Methodik des Strafrechts (inkl. Gutachtenstil) Allgemeiner Teil (Tatbestand, Schuld, Versuch, Täterschaft etc.) Die einzelnen Tatbestände der prüfungsrelevanten Straftaten Strafrecht ist Kernwissen Das Strafrecht gehört zum Kernwissen von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten – in der Ausbildung wie auch in der Praxis. Die Auszubildenden und Studierenden müssen also lernen, sowohl die strafrechtliche Methodik sicher zu beherrschen als auch eine Vielzahl von Straftatbeständen zu verstehen und anzuwenden. Zurechtkommen mit ungewöhnlichen Fällen Die Praxis muss darüber hinaus in der Lage sein, ungewöhnliche, neue Fallkonstellationen strafrechtlich zu bewerten und sich darauf einzustellen – einerseits polizeitaktisch, andererseits im Hinblick auf die verfügbaren eingriffsrechtlichen Maßnahmen. Maßgeschneidert für die Polizei Die Inhalte des Lehrbuchs sind auf die besonderen Erfordernisse der strafrechtlichen Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten abgestimmt und auf das Wesentliche fokussiert: Die Autoren vermitteln ein fundiertes Grundwissen über die einschlägigen Strafrechtsnormen. Darüber hinaus zeigen sie den Leserinnen und Lesern auf, wie man mit Hilfe des Normtextes und dieser Wissensbasis selbständig Rechtsprobleme löst. Praktische Bezüge erleichtern das Lernen Die Verfasser geben auch immer wieder spannende Einblicke in die alltägliche polizeiliche Arbeit, um so die Bezüge zwischen Lernstoff und Praxis zu veranschaulichen. Inhaltliche Zusammenhänge des Strafrechts mit den anderen Fächern des Lehrplans werden verdeutlicht. Geschrieben für ... ... Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte im Studium und in der Ausbildung.

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Strafrecht für die Polizei

Kompaktlehrbuch mit Praxistipps

Prof. Dr. Bijan Nowrousian

Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW

Luca Bahne

Polizeikommissar z. A.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Print-ISBN 978-3-415-07128-5‎

E-ISBN 978-3-415-07130-8‎

© 2022 Richard Boorberg Verlag

E-Book-Umsetzung: abavo GmbH, Buchloe

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz ­zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Titelfoto: © Maksim Kabakou – stock.adobe.com

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart

Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresden

www.boorberg.de

Vorwort

Statt eines Vorwortes: Gebrauchsanweisung zum Arbeiten mit dem Buch

Der reguläre Text: Strafrecht …

Das Buch enthält über den regulären Text hinaus Passagen, die jeweils als „Praxisbox“ überschrieben sind.

Der reguläre Text ist dabei das Strafrechtslehrbuch im engeren Sinne. Er umfasst das gesamtePflichtprogramm für das ganze Polizeistudium, von einer Einführung in die Methoden über allgemeine Fragen wie Vorsatz und Rechtswidrigkeit bis zu den relevanten Straftatbeständen[1] – und enthält dabei alles, was für den Studienerfolg im Strafrecht nötig ist.

Seinem Verständnis nach ist es dabei weniger ein Lehr-, sondern vor allem ein Lernbuch: Der Stoff wird also nicht einfach präsentiert, sondern anhand eines aktiven Arbeitens mit dem Normtext und der schrittweisen Lösung von Fällen mit dem Leser erarbeitet. Den maximalen Nutzen hat man daher, wenn man nicht nur mitliest, sondern aktiv mitdenkt, also selber mit Normtext, Systematik und gestellten Leitfragen arbeitet und so Schritt für Schritt nicht nur neues Wissen erwirbt, sondern zugleich immer mehr Sicherheit in der selbstständigen Arbeit mit juristischen Methoden.

DiePraxisbox

Der eilige Leser, etwa bei der Vorbereitung auf eine nahende Klausur, kann sich daher auf den regulären Text beschränken. Empfohlen ist dies aber ausdrücklichnicht!

Denn die Praxisbox schlägt die Brücke vom strafrechtlichen Studienstoff zum polizeilichenAlltag: Schlaglichtartig und themenbezogen finden sich dabei Hinweise auf begleitende eingriffsrechtliche Maßnahmen, Bezüge zur Anzeigenaufnahme und zur Aktenführung, Ausführungen zum Tatnachweis in der Praxis und zum gezielten Führen von Ermittlungen sowie immer ­wieder knifflige Fälle, die einem in der Praxis durchaus begegnen können.

Auf diese Art werden die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Studienfächern deutlich, zeigt sich die hohepraktischeRelevanz des Strafrechts auch für die schutzpolizeiliche Arbeit, wird der strafrechtliche Stoff auf originelle Art weiter eingeübt und vertieft – und wird von Anfang an Lustgemacht darauf, all das eines Tages selber in der Praxis umzusetzen.

Die Autoren wünschen daher eine Lektüre, die nicht nur bildet, sondern vor allem auch Freude und Vorfreude weckt. Ein Feedback und ­Anregungen für Verbesserungen nehmen sie dabei gerne entgegen.

Literatur und Rechtsprechung sind bis zum 25.06.2021 berücksichtigt.

Münster/Soest, im August 2021

[1]Enthalten sind alle Straftatbestände aus allen Pflichtmodulen im Studiengang PVD der HSPV NRW, ergänzt um die Delikte der Bedrohung, § 241 StGB, und der Geldwäsche, § 261 StGB.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil: Grundlagen und Methodik

1. Strafrecht – was ist das?

2. Strafrecht – wozu brauche ich das?

3. Strafrecht – wie geht das?

a. Normstruktur und Subsumtion

b. Deliktsaufbau

c. „Keine Strafe ohne Gesetz“

d. Gutachtenstil

Zweiter Teil: Allgemeiner Teil

1. Objektiver Tatbestand: Kausalität und objektive ­Zurechnung

a. Einleitung

b. Kausalität

c. (Mini-)Exkurs: Zur Einteilung der Delikte

d. Objektive Zurechnung

2. Subjektiver Tatbestand

3. Rechtswidrigkeit

a. Grundsätzliches zur Rechtswidrigkeit

b. Notwehr, § 32 StGB

c. Rechtfertigender Notstand gem. § 34 StGB

d. Notstandsregeln des BGB

aa. Einführung

bb. Defensivnotstand: § 228 Satz 1 BGB

cc. Aggressivnotstand, § 904 BGB

e. Das Festnahmerecht gem. § 127 I StPO

f. Einwilligung

g. Prüfungsreihenfolge der Rechtfertigungsgründe

h. Notwehr für Polizeibeamte

i. „Erlaubnistatbestandsirrtum“

4. Schuld

a. Einführung

b. Notwehrexzess, § 33 StGB

c. Entschuldigender Notstand, § 35 StGB

5. Versuch und Rücktritt

a. Einleitung und Prüfungsschema

b. Die Prüfungspunkte und Tatbestandsmerkmale des Versuchs

c. Rücktritt

6. Täterschaft und Teilnahme

a. Mittäterschaft

aa. Einleitung

bb. Formen der Täterschaft

cc. Formen der Mittäterschaft

dd. Mittäterschaft nach Variante 1 (MV 1)

ee. Mittäter nach Variante 2 (MV 2)

ff. Kombination von Mittätern nach Variante 1 und 2

b. Mittelbare Täterschaft

c. Anstiftung, § 26 StGB

d. Beihilfe, § 27 StGB

e. Ergänzungen

aa. Zum Wesen von Variante-2-Mittäterschaft, Anstiftung und Beihilfe

bb. Zur Terminologie

cc. Rangfolge der Beteiligungsarten

dd. „Mittäterexzess“

7. Fahrlässiges Delikt

a. Einführung und Prüfungsschema

b. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen

c. Zu den weiteren Fallgruppen bei der objektiven Zurechnung

8. Erfolgsqualifikation

a. Zum Charakter der erfolgsqualifizierten Delikte

b. Zum Prüfungsschema und den Tatbestandsvoraussetzungen

9. Unterlassungsdelikte

a. Echte Unterlassungsdelikte

aa. Allgemeines zum „echten Unterlassungsdelikt“ (und zu § 323c StGB)

bb. Näheres zu § 323c StGB

b. Unechte Unterlassungsdelikte

aa. Einführung I: Tun und Unterlassen

bb. Einführung II: Wesen und Konstruktion der unechten ­Unterlassungsdelikte

cc. Zu den Merkmalen der unechten Unterlassungsdelikte

10. Irrtumslehre

a. Einführung

b. Tatbestandsirrtum

c. Verbotsirrtum

d. Irrtum über das Tatobjekt

e. Fehlgehen der Tat

Dritter Teil: Die einzelnen Straftatbestände

1. Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit (zugleich: „Grunddelikt und Qualifikation“ sowie „Antragsdelikte“)

a. Grundlagen: Grunddelikt und Qualifikation

b. Die Tatbestandsmerkmale des § 223 StGB

c. (Mini-)Exkurs: Antragsdelikte

d. Die Tatbestandsmerkmale des § 224 StGB

e. Körperverletzung im Amt, § 340 StGB

f. Schwere Körperverletzung gem. § 226 StGB

aa. Einführung

bb. § 226 II StGB

cc. Die Merkmale des § 226 StGB

dd. § 226 I StGB

g. Misshandlung Schutzbefohlener, § 225 StGB

h. Verletzung der Fürsorgepflicht, § 171 StGB

i. Beteiligung an einer Schlägerei, § 231 StGB (zugleich: Objektive Bedingung der Strafbarkeit)

2. Diebstahlsdelikte

a. Diebstahl, § 242 StGB

aa. Einleitung

bb. Das Prüfungsschema des Diebstahls

cc. Zu den Merkmalen des objektiven Tatbestands I: Das Tatobjekt

dd. Zu den Merkmalen des objektiven Tatbestands II: Die Tathandlung „Wegnahme“

ee. Zusammenfassung: Prüfung „Wegnahme“

ff. Subjektiver Tatbestand I: Vorsatz

gg. Subjektiver Tatbestand II: Absicht rechtswidriger Zueignung

hh. Rechtswidrigkeit und Schuld

ii. Komplettes Prüfungsschema für § 242 StGB

jj. Ausnahmen: Diebstahl trotz Rückgabeabsicht

kk. Prüfung des versuchten Diebstahls

b. Besonders schwerer Fall des Diebstahls gem. § 243 StGB (­zugleich: Regelbeispiele)

aa. Bedeutung, Charakter und Prüfungsort „besonders schwerer Fälle“

bb. Zu den Prüfungspunkten des § 243 StGB I: Standort, Einleitung der Prüfung und mögliche Unanwendbarkeit des § 243 StGB nach § 243 II StGB

cc. Zu den Prüfungspunkten des § 243 I StGB: Die im Fall ­vorkommenden Varianten des § 243 I StGB

dd. Zu den Prüfungspunkten des § 243 I StGB: Subjektive Seite des Regelbeispiels

ee. Zu den anderen Varianten des § 243 StGB

ff. §§ 242, 243, 22, 23 StGB

c. Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl, ­Wohnungseinbruchsdiebstahl, § 244 StGB

aa. Einführung

bb. § 244 I Nr. 1a StGB

cc. § 244 I Nr. 1b StGB

dd. § 244 I Nr. 2 StGB: Bandendiebstahl

ee. § 244 I Nr. 3 und IV StGB: Wohnungseinbruchsdiebstahl (WED)

d. Schwerer Bandendiebstahl, § 244a StGB

e. Unterschlagung, § 246 StGB

f. §§ 247, 248a StGB

3. Delikte gegen das Leben

a. Systematik der Tötungsdelikte

b. Totschlag, § 212 StGB

c. Mord, § 211 StGB

aa. Aufbau und Prüfungsschema des § 211 StGB

bb. Zur Rechtsfolge bei Mord

cc. Mordmerkmale I: Heimtücke und „niedere Beweggründe“

dd. Mordmerkmale II: Grausam/zur Verdeckung einer anderen Straftat/niederer Beweggrund

ee. Mordmerkmale III: gemeingefährliches Mittel/Habgier

ff. Mordmerkmale IV: zur Befriedigung des Geschlechtstriebs/­Mordlust/Heimtücke/(„Motivbündel“)

d. Tötung auf Verlangen, § 216 StGB

aa. Zur Sperrwirkung der Privilegierung

bb. Zum Prüfungsschema und zu den Tatbestandsmerkmalen

4. Delikte gegen die Freiheit

a. Freiheitsberaubung, § 239 StGB

b. Nötigung, § 240 StGB

aa. Einführung und Prüfungsschema

bb. Zu den Tatbestandsmerkmalen

cc. Exkurs: Nötigung im Straßenverkehr

c. Nachstellung, § 238 StGB

d. Bedrohung, § 241 StGB

5. Delikte gegen die Ehre

a. Systematik

b. Beleidigung, § 185 StGB

c. Üble Nachrede, § 186 StGB

d. Verleumdung, § 187 StGB

6. Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung

a. Sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, § 177 StGB

aa. Systematik des § 177 StGB

bb. Zu § 177 I StGB (Prüfungsschema und Definitionen)

cc. Zu § 177 VI StGB (Regelbeispiel „Vergewaltigung“)

b. Strafbarkeit von „nicht erheblichen“ sexuellen Handlungen: § 184i StGB

c. Weitere Sexualstraftaten: §§ 174, 176, 184b StGB

7. (Weitere) Delikte gegen Eigentum und Vermögen

a. Raub, § 249 StGB

b. Erpressung und räuberische Erpressung, §§ 253, 255 StGB

aa. Einleitung

bb. Erpressung und räuberische Erpressung, §§ 253, 255 StGB: Prüfungsschemata und Definitionen

cc. Streitstand: Abgrenzung Raub und räuberische Erpressung

c. Räuberischer Diebstahl, § 252 StGB

d. Qualifikationen gem. § 250 StGB

e. Raub mit Todesfolge, § 251 StGB

f. Betrug, § 263 StGB

aa. Einführung und Prüfungsschema

bb. Zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen

cc. Der Betrug als reines Vermögensdelikt

dd. Betrug durch Unterlassen

ee. Abgrenzung zum Trickdiebstahl

ff. Sonderfälle (Persönlicher Schadenseinschlag, Zweckverfehlung, Dreiecksbetrug)

gg. Regelbeispiele und Qualifikation

g. Computerbetrug, § 263a StGB

aa. Normzweck und Prüfungsschema

bb. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen

h. Erschleichen von Leistungen, § 265a StGB

i. Sachbeschädigung, § 303 StGB

j. Gemeinschädliche Sachbeschädigung, § 304 StGB

k. Hausfriedensbruch, § 123 StGB

8. Urkundsdelikte

a. Urkundenfälschung § 267 StGB

aa. Einführung

bb. Urkundsbegriff und Tathandlung „Herstellen einer unechten ­Urkunde“

cc. Verfälschen einer echten Urkunde; subjektiver Tatbestand

dd. Zum Tatbestandsmerkmal des „Gebrauchen“

ee. Sonderformen der Urkunde

ff. Zur Urkundsqualität von Reproduktionen

gg. Regelbeispiele und Qualifikationen

b. Fälschung technischer Aufzeichnungen, § 268 StGB

c. Fälschung beweiserheblicher Daten, § 269 StGB

d. Urkundenunterdrückung, § 274 StGB

e. §§ 278, 281 StGB

9. Nachtatdelikte

a. Einführung

b. Hehlerei, § 259 StGB

c. Geldwäsche, § 261 StGB

d. Strafvereitelung und Strafvereitelung im Amt, §§ 258, 258a StGB

aa. Strafvereitelung als Begehungsdelikt

bb. Strafvereitelung durch Unterlassen, §§ 258, (258a), 13 StGB

e. Begünstigung, § 257 StGB

10. Widerstandsdelikte

a. Einführung

b. Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, § 114 StGB

c. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, § 113 StGB

d. Regelbeispiele

e. Zusammenfassung zur Systematik

11. Brandstiftungsdelikte

a. Systematik der Brandstiftungsdelikte

b. Die drei Grunddelikte

c. Qualifikationen, Erfolgsqualifikationen, Fahrlässigkeit

d. Die Tathandlungen

e. Tätige Reue

12. Delikte gegen die Rechtspflege

a. Einführung

b. Falsche Verdächtigung, § 164 StGB

c. Vortäuschen einer Straftat, § 145d StGB

13. Korruptionsstraftaten

a. Einführung

b. Bestechlichkeit/Bestechung, §§ 332, 334 StGB

c. Vorteilsannahme/Vorteilsgewährung, §§ 331, 333 StGB

14. Politisch motivierte Kriminalität (PMK)

a. Einführung

b. Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, § 86a StGB

c. Volksverhetzung, § 130 StGB

Annex: Strafverfahren und Strafarten

Erster Teil:Grundlagen und Methodik

1.Strafrecht – was ist das?

Was ist „Strafrecht“ eigentlich überhaupt? Womit befasst es sich? Was unterscheidet es von anderen Rechtsgebieten? Darum soll es zuerst gehen. Die Frage ist also zunächst: welche Rechtsgebiete gibt es überhaupt? Was macht diese dabei aus? Und vor allem: was macht das Strafrecht dabei aus? Zur Illustration dient dabei nachfolgender

Fall 1:

Der B hat sich seinen Traum von einem Haus im Grünen verwirklicht und außerhalb der Stadt ein Haus gebaut. Leider hat er die erforderliche Baugenehmigung nicht eingeholt und hätte sie aus Landschaftsschutzgründen auch nicht erhalten. Als das Bauamt davon erfährt, schickt der zuständige Sachbearbeiter S dem B ein Schreiben, in dem steht, dass B das Haus beseitigen müsse. B, der weiß, wo der ihm flüchtig bekannte S wohnt, ist so verärgert, dass er zum Haus des S fährt und dort so lange gegen den Briefkasten tritt, bis dieser viele Beulen hat. Welche Rechtsgebiete sind berührt?

Als Hinführung soll folgende erste Überlegung dienen: Was im Fall hat überhaupt alles rechtliche Relevanz und wenbetrifft es jeweils?

Es gibt zunächst die Beseitigungsanordnung (und vorangehend den Schwarzbau durch B). „Beteiligt“ an der Beseitigungsanordnung sind B und die Baubehörde.

Rechtlich relevant ist ferner die Zerstörung des Briefkastens:

Zum einen kommt es durch die Tritte des B zur Entstehung eines materiellen Schadens bei dem S als Privatperson; beteiligt sind insoweit B und S.

Ferner steht eine Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung (§ 303 StGB) im Raum. Auch hier ist S als Geschädigter irgendwie beteiligt, aber es ist auch das Feld von Polizei, Staatsanwaltschaft und Strafgerichten.

Nach den Beteiligten lassen sich diese Rechtsverhältnisse nun systematisieren:

Die Beseitigungsanordnung betrifft das Verhältnis Bürger – Staat.

Es geht also um eine Hierarchie und damit ein vertikales Verhältnis bzw. eine Über- und Unterordnung.

Rechtsfragen, die dieses Verhältnis betreffen, gehören zum öffentlichen Recht.

Weitere Beispiele öffentlich-rechtlicher Regeln wären: Erteilung eines Aufenthaltstitels für Ausländer, Erteilung einer Gewerbeerlaubnis, Erteilung eines Waffenscheins.

Beim Schadensersatz für den zerstörten Briefkasten stehen sich – wieder im Fall – mit B und S zwei Bürger gegenüber.

Es geht also um eine Rechtsfrage zwischen rechtlich gleichgestellten Bürgern, also ein horizontales Rechtsverhältnis.

Das Rechtsgebiet, in dem sich Bürger mit Forderungen gegenüberstehen, heißt Zivilrecht(oder auch „bürgerliches Recht“).

Weitere Beispiele sind: Kaufverträge, Mietverträge, Beauftragung eines Handwerkers (sogenannte Werkverträge).

Im Fall kann S von B Schadensersatz verlangen.

Soweit es die Sachbeschädigung als Straftat betrifft, gilt Folgendes:

Zwar ist eine Sache des S zerstört worden, S ist also Geschädigter. Die strafrechtliche Rechtsfolge ist aber nicht der Ersatz des entstandenen Schadens, sondern eine Bestrafung. Der B wird also vom Staat bestraft, etwa mit einer an den Staat (!) zu zahlenden Geldstrafe.

Die Bestrafung erfolgt dabei durch den Staat in Form eines Gerichts, und dies in einem vertikalen Verhältnis bzw. einem Über- und Unterordnungsverhältnis.

Es geht im Strafrecht also um öffentliches Recht, dass die Bestrafung des Bürgers zur Rechtsfolge hat.

Strafrecht ist also eigentlich ein Unterfall des öffentlichen Rechts, dass sich aber wegen seiner besonderen Inhalte zu einem eigenen Rechtsgebiet verselbstständigt hat.

Es gibt mithin drei große Rechtsgebiete: Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht.

Entsprechend ergibt sich zur Beschreibung dessen, was Strafrecht ist, die folgende

Definition „Strafrecht“:

Das Strafrecht umfasst diejenigen öffentlich-rechtlichen Normen, die die Voraussetzungen und Folgen eines mit Strafe bedrohten Verhaltens regeln.

Die Funktion des Strafrechts besteht dabei im Rechtsgüterschutz. Der Straftatbestand der Sachbeschädigung etwa schützt das Eigentum (vor Beschädigung und Zerstörung), der Straftatbestand des Totschlags, § 212 StGB, schützt das Leben, der der Körperverletzung gem. § 223 StGB die Gesundheit.

2.Strafrecht – wozu brauche ich das?

Mit welchen der genannten Rechtsgebiete befassen sich nun Polizeibeamte?

Natürlich: mit dem Strafrecht, soweit es um die Aufklärung begangener Straftaten geht: Die Polizei ist zusammen mit der Staatsanwaltschaft (die gegenüber der Polizei weisungsbefugt ist) Ermittlungsbehörde; sie ermittelt alle Fakten, die nötig sind, um zu entscheiden, ob eine Straftat begangen und dem Beschuldigten nachweisbar ist.

Dies ist (in der Regel zumindest) die Aufgabe der Kriminalpolizei.

Mit dem öffentlichen Recht befasst sich die Polizei, soweit es um die Verhütung (zukünftiger) Straftaten und allgemein die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geht. Hier ist die Polizei zwar nicht alleine zuständig, viele andere Behörden befassen sich ebenfalls mit der Durchsetzung des öffentlichen Rechts, etwa das Bauamt, das Ordnungsamt pp. Aber neben diesen diversen anderen Behörden setzt eben auch die Polizei öffentlich-rechtliche Normen gegenüber dem Bürger durch. ­Beispiele wären: Verkehrskontrolle, Begleitung von Demonstrationen mit dem Ziel, dafür zu sorgen, dass dort nicht gegen Auflagen oder gegen Gesetze ­verstoßen wird, Streifenfahrt.

Dies ist die Aufgabe der Schutzpolizei.

Wie ist es aber mit dem Zivilrecht? Befasst die Polizei sich auch damit?

Von einigen wenigen Ausnahmekonstellationen abgesehen lautet die Antwort darauf eindeutig: Nein!

Zivilrechtliche Ansprüche muss der Bürger vor einem Zivilgericht selber geltend machen.

Entsprechend werden Sie in Ihrem Studium auch mit Strafrecht und öffentlichem Recht in hohem Maße und als Kernfächer befasst werden. Zivilrecht lernen Sie als angehende Polizeibeamte aber nicht, weil Sie es für Ihren Beruf nicht brauchen.

3.Strafrecht – wie geht das?

a.Normstruktur und Subsumtion

Fall 1 (Fortsetzung):

Der B ist zwischenzeitlich wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB verurteilt worden, weil er den Briefkasten des S zusammengetreten hat. Wie ist das Gericht dazu gekommen, darin eine Sachbeschädigung zu sehen?

Hierfür muss nun auf den einschlägigen, also den in Frage kommenden Straftatbestand aus dem Strafgesetzbuch geschaut werden. Dies ist hier wie oben bereits genannt § 303 I StGB, Sachbeschädigung. Der Straftatbestand der Sachbeschädigung gem. § 303 I StGB, um den es also geht, lautet:

„Wer (rechtswidrig) eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird (…) bestraft.“

Welche Elemente enthält diese Norm? (Über das eingeklammerte „rechtswidrig“ lesen Sie bitte hinweg, dies hat keine eigenständige Funktion.)

„Wer (rechtswidrig) eine fremdeSachebeschädigt oder zerstört, wird (…) bestraft.“

Die enthaltenen Elemente sind also:

Sache

Fremdheit der Sache

Beschädigen oder

Zerstören

Vorgesehene Strafe

Entscheidend zum Verständnis der Norm ist nun die folgende Frage: Wie ist die Verknüpfung dieser Elemente?

Die Verknüpfung erfolgt nach einem „Wenn…, dann…“-Schema: „Wenn jemand eine fremde Sache zerstört oder beschädigt, dann wird er bestraft.“

Die Norm enthält also bestimmte Voraussetzungen, nämlich das „Wenn“, und eine bestimmte Folge, nämlich das „Dann“. So sind alle Normen aufgebaut!

Das „Dann“ in einer Norm heißt dabei Rechtsfolge.

Das „Wenn“ heißt Tatbestand.

Die Struktur ist also: Wenn jemand den Tatbestand erfüllt, dann tritt die Rechtsfolge ein.

Der Tatbestand besteht nun aus mehreren Elementen (bei § 303 StGB: ­Sache, Fremdheit, Beschädigen oder Zerstören).

Diese heißen Tatbestandsmerkmale.

Normen bestehen also (immer) aus Tatbestandsmerkmalen und einer Rechtsfolge. Dies ist keine Besonderheit des Strafrechts. Es gilt in allen Rechtsgebieten.

Zu beachten – und ganz zentral zum Verständnis – ist ferner noch etwas, was ebenfalls in allen Rechtsgebieten gilt:

Die Rechtsfolge tritt nur ein, wenn alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind; fehlt auch nur eines, tritt die Rechtsfolge nicht ein!

Einzige Ausnahme von dieser Regel sind alternative Tatbestandsmerkmale, im Gesetz leicht an dem Wort „oder“ zu erkennen. Hier reicht es, wenn eines der alternativen Merkmale erfüllt ist. Bei § 303 I StGB etwa muss die fremde Sache beschädigt oder zerstört werden. Es reicht also eines von beidem, aber jedenfalls eins muss dann auch erfüllt sein, damit die Rechtsfolge eintritt.

Zurück zum Fall: Es soll nun – nach dem Blick auf die Norm – auf den Sachverhalt, also die (erzählte bzw. in der Praxis: geschehene) Geschichte, geschaut werden. Welche inhaltlichen Elemente hat dieser Sachverhalt, soweit es den Briefkasten betrifft?

Enthalten sind folgende tatsächlichen Elemente:

Es gibt einen Briefkasten.

Dieser ist Eigentum des S.

B hat so lange dagegengetreten, bis der Briefkasten kaputt war.

Die Aufgabe juristischer Falllösung besteht jetzt darin, zu prüfen, ob sich die – konkreten, in jedem Fall individuellen – Sachverhaltselemente unter die – abstrakten – Tatbestandsmerkmale einer Norm – im Strafrecht: eines Straftatbestandes – fassen lassen. Man vergleicht also quasi Lebenssach­verhalt und Norm und prüft, ob es für jedes Tatbestandsmerkmal eine Entsprechung im Lebenssachverhalt gibt.

Dieser Vorgang heißt Subsumtion. Man subsumiert einen konkreten ­Lebenssachverhalt unter eine Norm.

Gibt es zu jedem Tatbestandsmerkmal ein Sachverhaltselement, tritt die Rechtsfolge ein. Wenn nicht, tritt sie nicht ein.

Im Strafrecht bedeutet dies: Gibt es zu jedem Tatbestandsmerkmal eines Strafgesetzes ein Sachverhaltselement (und liegen keine Ausnahmen vor, die sich aus anderen Normen ergeben, dazu später mehr), hat sich der Beschuldigte strafbar gemacht.

Um nun richtig zu subsumieren, muss der Reihe nach für jedes einzelne Tatbestandsmerkmal untersucht werden, ob es durch ein Sachverhalts­element erfüllt ist.

Mögliche tatsächliche Entsprechungen zu den Tatbestandsmerkmalen des § 303 StGB sind im Fall nun:

Sache: Es gibt den Briefkasten.

Fremdheit der Sache für B: Der Briefkasten gehörte S.

Zerstören: B hat den Briefkasten vollständig demoliert.

Das Ergebnis ist also: Zu allen Tatbestandsmerkmalen gibt es ein Sachverhaltselement. Die Rechtsfolge kann also eintreten.

Dazu ein weiteres Beispiel zur Übung:

Fall 2:

Der B will seinem Erzfeind O eine Abreibung verpassen. Er geht zu ihm und schlägt ihm ins Gesicht. O erleidet dadurch eine Beule an der Stirn. Strafbarkeit des B?

Einschlägige Norm ist § 223 I StGB, Körperverletzung: „Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird (…) bestraft.“

Tatbestandsmerkmale sind:

Andere Person

Körperlich misshandeln oder

An der Gesundheit schädigen

Sachverhaltselemente im Fall sind:

Es gibt also zu jedem Tatbestandsmerkmal der Norm ein Sachverhalts­element. B hat mithin alle Tatbestandsmerkmale des § 223 I StGB erfüllt.

b.Deliktsaufbau

Um die Frage, ob eine Person sich strafbar gemacht hat, abschließend be­jahen zu können, reichen die Tatbestandsmerkmale, die sich in dem ­konkreten Straftatbestand finden, indes alleine nicht aus. Die Liste der ­erforderlichen Tatbestandsmerkmale auf der „wenn“-Seite, damit dass „dann“, also die Rechtsfolge der Strafbarkeit, tatsächlich eintritt, ist vielmehr noch etwas zu verlängern – etwa um Aspekte wie den Vorsatz. Was noch dazukommen muss und wie mithin ein vollständigerDeliktsaufbau für einen vollendeten (vorsätzlichen) Straftatbestand aussieht, soll nun Thema sein.

Der Deliktsaufbau sei an folgendem Fall illustriert:

Der B, der in einem Mehrfamilienhaus mit Garage mit Stellplätzen für alle ­Bewohner lebt, ist wütend und will sich abreagieren, indem er ein Auto durch Tritte verbeult.

•Variante 1: Er tritt heftig gegen sein Auto.•Variante 2: Er will heftig gegen sein Auto treten, verwechselt dies aber mit dem Auto eines Nachbarn, das vom gleichen Typ ist und die gleiche Farbe hat. Er tritt daher Beulen in das Auto des Nachbarn.•Variante 3: B tritt heftig gegen das Auto von Nachbar N, der ihm am Vortag erzählt hatte, der Wagen sei nach einem Unfall nur noch wenig wert und solle in drei Tagen abgeschleppt und verschrottet werden, weswegen B sich an ihm, so er denn müsse, „abreagieren“ könne.•Variante 4: B fasst seinen Entschluss, ein Auto zu zerbeulen, weil er ständig Stimmen hört, die es nicht gibt, er aber für real hält und die ihm dies befehlen.

Hat B sich jeweils wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB strafbar gemacht?

Variante 1:

Das Tatobjekt ist hier zwar eine Sache, aber keine für B fremde Sache. B erfüllt schon die Tatbestandsmerkmale des § 303 StGB nicht. B ist nicht strafbar.

Variante 2:

B erfüllt hier die Tatbestandsmerkmale des § 303 StGB. B weiß und will dies aber nicht, denn er denkt, die zerstörte Sache sei seine eigene. Ihm fehlt also das Wissen um das Tatbestandsmerkmal „fremd“.

B fehlt damit der Vorsatz dafür, eine fremde Sache zu zerstören. Auch hier ist B nicht strafbar, ihm fehlt der Vorsatz.

Die Notwendigkeit des Vorsatzes ergibt sich dabei nicht aus § 303 StGB. Sie ergibt sich – für alle Straftatbestände, falls nicht ausnahmsweise auch die fahrlässige Begehung strafbar ist – aus § 15 StGB.

Variante 3:

B erfüllt auch hier die Tatbestandsmerkmale des § 303 StGB. B weiß und will dies auch, da er diesmal auch wusste, dass die Sache fremd ist. B handelte also auch vorsätzlich.

N hat B aber die Zerstörung erlaubt. B darf daher – ausnahmsweise – eine fremde Sache beschädigen. B handelt mit Einwilligung des Nachbarn als Eigentümer der beschädigten Sache und daher nicht rechtswidrig. Denn mit der Einwilligung des N liegt eine Rechtfertigung dafür vor, dass B den Tatbestand verwirklicht. Für eine Strafbarkeit fehlt mithin die Rechtswidrigkeit.

Variante 4:

B erfüllt wieder die Tatbestandsmerkmale des § 303 StGB und weiß und will dies auch. N hat ihm dies auch nicht erlaubt, sodass B auch rechtswidrig handelt.

B ist sein Handeln aber nicht vorzuwerfen, weil er umgangssprachlich „nicht zurechnungsfähig“ (korrekt: „schuldunfähig“) handelt. B handelt nicht schuldhaft. Für eine Strafbarkeit fehlt also hier die Schuld.

Ein vollständiger Straftatbestand besteht also aus…

…dem objektiven Tatbestand (= Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Norm),

…dem subjektiven Tatbestand (= Vorsatz),

…der Rechtswidrigkeit (= keine Rechtfertigung) und

…der Schuld (= keine Schuldunfähigkeit).

Gemeint ist damit jeweils Folgendes:

Objektiver Tatbestand: Erfüllt der Täter die jeweiligen ­Tatbestandsmerkmale des einschlägigen Straftatbestands?

Subjektiver Tatbestand (Vorsatz): Will der Täter die Merkmale des Straftatbestands erfüllen?

Rechtswidrigkeit: Handelt der Täter dabei ohne Rechtfertigungsgründe (Notwehr, Einwilligung pp.)?

Schuld: Ist der Täter schuldfähig?

Das Ganze lässt sich nun wieder in ein „Wenn-dann-Schema“ fassen:

Wennder Täter…

...den objektiven Tatbestand verwirklichtund…...den subjektiven Tatbestand verwirklichtund…...rechtswidrig handeltund…...schuldhaft handelt,...dannwird er bestraft!

So entsteht ein Prüfungsschema:

Prüfungsschema Vorsatzdelikt:

Objektiver Tatbestand

(= Tatbestandsmerkmale der konkreten Norm)

Subjektiver Tatbestand: Vorsatz

Rechtswidrigkeit

Schuld

Damit das „Dann“ (Rechtsfolge) eintritt, müssen alle Elemente des „Wenn“ erfüllt sein, also alle Elemente des Prüfungsschemas. Fehlt auch nur eines, ist der Täter nach der geprüften Norm nicht strafbar!

Beachte also: Das „Wenn“ für die Rechtsfolge „wird bestraft“ steht nicht nur in einem Paragrafen.

Prüfungsschemata für vorsätzliche Delikte werden mithin wie folgt „gebastelt“:

Den objektiven Tatbestand entnehmen Sie dem jeweiligen Straftatbestand, indem Sie alle Tatbestandsmerkmale aus der jeweiligen Norm herausfinden und zusammentragen. Der objektive Tatbestand ist daher von Straftat­bestand zu Straftatbestand unterschiedlich.

Als Nächstes ergänzen Sie die Punkte „subjektiver Tatbestand“, „Rechtswidrigkeit“ und „Schuld“. Diese sind für alle (vorsätzlich-vollendeten) Straftatbestände gleich.

Dies sei an der folgenden Norm illustriert:

Prüfungsschema § 303 StGB:

Objektiver Tatbestand:

–Sache–fremd–beschädigen oder–zerstören

Subjektiver Tatbestand: Vorsatz

Rechtswidrigkeit

Schuld

Sie können so aus jedem Tatbestand ein vollständiges Prüfungsschema „herstellen“!

Praxisbox:

Prüfungsschemata und Subsumtionen werden Sie Ihr gesamtes Berufsleben lang begleiten. Denn bevor Sie als Schutz- oder Kripobeamter entscheiden, welche Maßnahmen Sie treffen wollen, müssen Sie immer zuerst klären, wie das Geschehene überhaupt rechtlich zu werten ist. Dazu müssen Sie unter Normen, die in Betracht kommen, also juristisch gesprochen, „einschlägig sind“, subsumieren.

Wie bei einer Fremdsprache, die man irgendwann sicher beherrscht, werden Sie dies oft nur im Kopf in Sekunden machen. Aber falls Sie mit sehr komplexen Sachverhalten oder mit Ihnen neuen Normen zu tun haben, kann die rechtliche Einordnung auch in der Praxis durchaus mal recht „schulmäßig“ vorgenommen werden müssen.

So oder so gilt aber: Sie prüfen rechtlich, bevor Sie handeln. Denn Sie sind ­Polizeibeamter und nicht nur Laie in Uniform!

Schemata und Definitionen sind bei alledem keineswegs nur eine umständliche Förmelei. Sie dienen der Rechtssicherheit – und damit letztlich dem Freiheitsschutz. Denn ihr Zweck ist, eine Technik zu haben, mit der sich der Anwendungsbereich einer Norm so präzise wie möglich und damit so willkürfrei wie möglich bestimmen lässt. So soll erreicht werden, dass es nicht vom konkreten Richter abhängt, was am Ende strafbar ist und was nicht, sondern sich dies allgemein und im Voraus klären lässt. Schemata und Definitionen haben also eine zentrale rechtsstaatliche Funktion: Sie dienen dem Willkürschutz!

c.„Keine Strafe ohne Gesetz“

Lässt sich ein Verhalten unter kein (zum Tatzeitpunkt geltendes) Gesetz subsumieren, ist es straflos. Denn es gilt der eherne Grundsatz: Keine Strafe ohne Gesetz! Dies findet sich auch ausdrücklich in § 1 StGB, folgt aber auch aus der Idee des Rechtsstaats. Nachträglich geschaffene Straftatbestände, die ein zur Tatzeit noch strafloses Verhalten erfassen würden, können daher auch nicht rückwirkend angewandt werden, sondern nur für Täterverhalten ab dem Zeitpunkt, zu dem die neue Norm in Kraft tritt. Es gilt also auch ein Rückwirkungsverbot. Der Sinn ist, dass der Bürger immer sicher wissen können muss, was er jetzt und hier darf und was unter Strafe verboten ist. Rückwirkende „Überraschungen“ darf es daher nicht geben.

d.Gutachtenstil

Die Abarbeitung des Prüfungsschemas erfolgt in einem bestimmten, streng festgelegten Aufbau und Stil, der Gutachtenstil heißt.

Der Stil verlangt die Prüfung auf folgende Art in vier Schritten:

Hypothese

: Hier benennen Sie das Tatbestandsmerkmal, unter das Sie subsumieren wollen.

Definition

: Hier stellen Sie dar, wie das Tatbestandsmerkmal zu ver­stehen ist.

Subsumtion

: Hier erfolgt dann die eigentliche Prüfung, ob das Sachverhaltselement dem Tatbestandsmerkmal entspricht.

Ergebnis

: Hier stellen Sie fest, ob das Tatbestandsmerkmal erfüllt ist oder nicht.

Im „Briefkasten-Fall“ aus dem Beginn des Buches klingt dies dann so (was kursiv und in Anführungszeichen ist, ist im Folgenden das, was Sie in der Klausur hinschreiben würden, wenn auch dort natürlich ohne Anführungszeichen):

„Der B könnte sich einer Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB strafbar gemacht haben, indem er den Briefkasten des S demoliert hat.“

Das ist die Einleitung der Prüfung des Straftatbestands, also hier der Sachbeschädigung. Sie nennen das Delikt mit Paragrafennummer und mit der Bezeichnung sowie – mit nur einem Satz – was passiert ist.

Sodann beginnen Sie mit dem Abarbeiten des Prüfungsschemas von oben nach unten, also zunächst mit dem objektiven Tatbestand. Sie schreiben als (Zwischen-)Überschrift:

„Objektiver Tatbestand:“

Hier genügt dieses Schlagwort ohne Fließtext.

Sodann sind die Tatbestandsmerkmale durchzuprüfen – und dies nun nacheinander für jedes Merkmal im Gutachtenstil, also im Fließtext der oben beschriebenen Art.

„Der Briefkasten müsste eine Sache gewesen sein.“

Das ist im Fall für das erste Tatbestandsmerkmal, dass Sie prüfen – Sache – die Hypothese, die Sie klären wollen.

„Sachen sind körperliche Gegenstände.“

Das ist die Definition des Begriffs „Sache“.

„Der Briefkasten war aus festem Material und somit ein körperlicher Gegenstand.“

Das ist ihre Subsumtion. Hier ist diese denkbar einfach.

In Prüfung und Praxis können hier aber erhebliche Probleme liegen, die es zu lösen gilt; dazu später mehr. Schon hier aber ein wichtiger Hinweis: Die Subsumtion darf sich nicht einfach in einer Wiederholung der Definition erschöpfen! Es wäre zu wenig, einfach nur zu schreiben: „Der Briefkasten war ein körperlicher Gegenstand“. Sie müssen vielmehr – und sei es auch kurz – erläutern, warum das TB-Merkmal erfüllt ist (bzw. nicht erfüllt, wenn dies der Fall sein sollte).

„Der Briefkasten war eine Sache.“

Das ist im Fall das Ergebnis zur Prüfung dieses Tatbestandsmerkmal.

Sie gehen dann zum nächsten Tatbestandsmerkmal über:

„Der Briefkasten müsste für B fremd gewesen sein.“ (Hypothese)

„Fremd ist eine Sache, die dem Täter nicht oder nicht alleine gehört.“ (­Definition)

„Der Briefkasten gehörte dem S.“ (Subsumtion)

„Der Briefkasten war für B fremd.“ (Ergebnis der Prüfung dieses Tatbestandsmerkmales)

„B müsste den Briefkasten beschädigt haben.“ (Hypothese zum nächsten Tatbestandsmerkmal)

„Beschädigen ist jede Verletzung der Sachsubstanz oder jede dauerhafte Einschränkung der Brauchbarkeit.“ (Definition)

„B hat den Briefkasten zerbeult und damit die Sachsubstanz verletzt.“ (Subsumtion)

„B hat den Briefkasten beschädigt.“ (Ergebnis)

„B hat den objektiven Tatbestand des § 303 StGB erfüllt.“ (Gesamtergebnis Ihrer Prüfung aller Tatbestandsmerkmale)

Beachte noch mal: Die Klammerzusätze dienen nur der Erläuterung, schreiben müssten Sie hier nur das, was kursiv gesetzt ist!

Woher stammen nun die Definitionen?

Teils stammen sie aus dem Gesetz. Ein Beispiel: „Sache“ ist in § 90 BGB legal (also: durch das Gesetz) definiert. Solche „Legaldefinitionen“ sind aber sehr selten.

Im Regelfall „entstehen“ die Definitionen aus der Auslegung der Norm durch die Strafgerichte oder durch die Rechtswissenschaft.

Sie werden alle fürs Pflichtstudium nötigen Definitionen im Buch erhalten. Sie müssen sie nur auswendig lernen!

Praxisbox:

Auch wenn das Lernen strafrechtlicher Definitionen eine nicht nur unwesentliche Mehrarbeit in Ihrem Studium bedeutet, ist es nicht nur zum Erfolg in der Klausur notwendig. Es ist auch für die genaue Einordnung von strafrechtlichen Sachverhalten in der polizeilichen Praxis mehr als hilfreich. Oft unterscheiden Nuancen in Definitionen zwischen strafbarem Handeln und zivilrechtlichen Streitigkeiten oder auch strafbarem und schlicht erlaubtem Handeln. Also gilt – einmal mehr –: Lernen lohnt sich! Denn Sie lernen sie fürs (Berufs-)Leben.

Beachte: Mit der beschriebenen Technik können Sie nun einzelne ­Straftatbestände prüfen. Wie ein kompletter Fall aufzubauen ist, dazu später mehr.

Zweiter Teil:Allgemeiner Teil

1.Objektiver Tatbestand: Kausalität und objektive ­Zurechnung

a.Einleitung

Der objektive Tatbestand ergibt sich grundsätzlich aus den Merkmalen des jeweils konkret geprüften Straftatbestands. Er ist also von Delikt zu Delikt verschieden.

Zu diesen jeweils im Gesetz stehenden Merkmalen kommen indes zwei ungeschriebene (also: gar nicht im Gesetz stehende) Tatbestandsmerkmale hinzu, und zwar bei (fast) allen Straftatbeständen: die Kausalität und die objektive Zurechnung.

b.Kausalität

Zum Darstellen der Kausalität soll folgender Fall dienen:

Fall 1:

Der B gibt dem O Gift, um diesen zu töten.

•Variante 1: O verstirbt unmittelbar nach der Einnahme, aber nicht an dem Gift, sondern an einem Blutgerinnsel im Gehirn, das mit dem Gift nichts zu tun hat.•Variante 2: O verstirbt an dem Gift.•Variante 3: O verstirbt an dem Gift, wäre aber wenige Sekunden später an einem Blutgerinnsel im Gehirn verstorben.

Ist B jeweils wegen vollendetem Totschlag (§ 212 StGB) strafbar?

Variante 1:

Nach § 212 StGB gilt: Wer einen (anderen) Menschen tötet, wird bestraft.

Zwar ist O in Variante 1 tot, aber getötet wurde er nicht durch B.

Der Gesetzeswortlaut „…einen Menschen tötet…“ enthält eine Handlung (die konkrete Tötungshandlung) und einen Effekt, den sogenannten „Erfolg“, das heißt den eingetreten Schaden (hier: der Tod des Opfers).

Genauso ist es etwa auch bei § 223 StGB: Dieser enthält die Körperver­letzungshandlung und den „Erfolg“, also die Beeinträchtigung der Gesundheit des Opfers.

Dies steht jeweils im Gesetz. „Handlung“ und „Erfolg“ sind dabei keine zusätzlichen Merkmale des objektiven Tatbestands. Die Begriffe sind lediglich eine Art gedankliche Systematisierung der im Gesetz vorhandenen Tatbestandsmerkmale.

Ungeschriebene Voraussetzung des objektiven Tatbestands ist aber nun eine bestimmte Beziehung zwischen Handlung und Erfolg:

Der Erfolg muss Folge der Handlung des Täters sein, juristisch gesprochen: die Handlung muss für den Erfolg kausal sein!

O ist in Variante 1 nicht durch das von B verabreichte Gift verstorben. B hat Os Tod mithin nicht verursacht. Bs Handlung war demnach nicht kausal für den Tod des O.

Die Kausalität wird dabei nach der sogenannten Äquivalenztheorie bestimmt.

Danach ist jedes Verhalten kausal, dass nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele.

In Variante 1 könnte die Gabe des Gifts hinweggedacht werden und der Erfolg (Tod des O) bliebe bestehen, daher fehlt es an der Kausalität.

In Variante 1 könnte B also nicht wegen vollendetem Totschlag bestraft werden (lediglich eine Strafbarkeit wegen versuchten Totschlags käme in Betracht, da B den O ja vergiften wollte. Dazu erst im späteren Verlauf des Buches mehr).

Variante 2:

Hätte B nicht Gift verabreicht, wäre der O nicht verstorben.

Bs Handlung war in Variante 2 für den Erfolg (Tod des O) also kausal.

Variante 3:

Hätte B nicht Gift verabreicht, wäre O nicht an dem Gift verstorben.

O wäre aber Sekunden später aufgrund einer anderen Ursache verstorben. Der Tod des O wäre also auch ohne das Gift eingetreten, wenn auch aus anderem Grund.

Aber: Ereignet hat sich der Tod durch das Gift. Ein Tod durch das Blutgerinnsel hat sich nicht ereignet, sondern ist nur hypothetisch.

Hypothetische andere Kausalverläufe sind nun für die Beurteilung der Kausalität irrelevant. Es ist stets nur auf das abzustellen, was sich tatsächlich ereignet hat!

Die Definition für „Kausalität“ lautet daher: Es ist jedes Verhalten kausal, dass nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.[2]

Diese „Kausalität“ kommt also zu den Tatbestandsmerkmalen des ­konkreten Straftatbestands als Teil des objektiven TB hinzu.

Das – bereits bekannte – Prüfungsschema des vorsätzlichen Delikts erfährt also eine erste Erweiterung:

Objektiver Tatbestand:

–Tatbestandsmerkmale des konkreten Straftatbestands–Kausalität

Subjektiver Tatbestand: Vorsatz

Rechtswidrigkeit

Schuld

Es kann (in Klausuren öfter als in der Praxis) nun noch Fälle geben, in denen man die obige Kausalitätsformel modifizieren muss, um zu sachgerechten Ergebnissen zu kommen. Dazu

Fall 2:

B1 und B2 wollen unabhängig voneinander den O töten und montieren während einer mehrwöchigen Abwesenheit des O jeweils unabhängig voneinander eine Bombe, die hochgeht, sobald der O das Licht anmacht. Jede der beiden Bomben hat eine tödliche Sprengkraft. Als O nach Hause kommt und das Licht anmacht, explodieren beide gleichzeitig und O stirbt.

Würde man hier die normale Kausalitätsdefinition anwenden, könnte man weder B1, noch B2 wegen vollendeter Tötung verurteilen: Denn denkt man jeweils die Bombe des einen weg, wäre der Erfolg durch die Bombe des anderen genauso eingetreten und würde mithin nicht entfallen. Denkt man sich indes beide Bomben weg, entfällt der Erfolg. In solchen Fällen alternativer Kausalität (oder auch: Doppelkausalität) gilt daher folgende

Definition „alternative Kausalität“:

Von mehreren Handlungen ist jede ursächlich, wenn die Handlungen zwar alternativ, nicht aber kumulativ hinweggedacht werden könnten, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.[3]

Aber wie gesagt: Das ist ein Ausnahmefall, normalerweise kommen Sie mit der „gängigen“ Kausalitätsformel zum Ziel.

c.(Mini-)Exkurs: Zur Einteilung der Delikte

Beachte dabei noch:

Nicht alle Straftatbestände verlangen, dass als Erfolg ein Schaden wirklich eingetreten ist. Die meisten verlangen dies zwar, und Delikte, die im objektiven Tatbestand einen Erfolg erfordern, heißen Erfolgsdelikte. Manchmal reicht aber auch die Verursachung einer bloßen Gefahr, etwa eines Bei­naheunfalls bei der Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c StGB. Delikte, bei denen die Verursachung einer konkreten Gefahr reicht, heißen konkreteGefährdungsdelikte. Gelegentlich gibt es sogar Delikte, die das schlichte Handeln ohne jede konkrete Folge unter Strafe stellen, diese heißen Tätigkeits- oder auch abstrakte Gefährdungsdelikte. Ein Beispiel wäre die Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB, bei der das schlichte alkoholisierte Fahren bestraft wird, auch wenn sonst „nichts passiert ist“.[4]

Ob ein Erfolgsdelikt bzw. ein konkretes Gefährdungsdelikt vorliegt oder nicht, ergibt sich aus dem konkreten Tatbestand und hier der Frage, ob dort ein eingetretener Schaden oder zumindest eine konkrete Gefahr Tatbestandsmerkmal ist oder nicht.

Bedeutung hat dies im Wesentlichen nur für die Prüfung der Kausalität: Bei reinen Tätigkeitsdelikten entfällt diese – weil eben die schlichte Handlung bereits strafbar ist, ohne dass diese kausal einen Erfolg oder eine Gefahr verursacht haben muss.

d.Objektive Zurechnung

Fall 1:

Der O wird von seinem Erzfeind E angegriffen, wobei der E dem O heftig und in Tötungsabsicht mit einem Hammer auf den Kopf schlagen will. In letzter Sekunde schubst der B den E so beiseite, dass der Schlag des E nur Os Schulter trifft und den O nicht lebensgefährlich verletzt. Damit, dass der E den O noch woanders treffen könnte, hatte der B bei dem Wegschubsen gerechnet; es ging ihm aber darum, ein Treffen von Os Kopf zu verhindern. Strafbarkeit des B?[5]

Zu prüfen ist eine Strafbarkeit des B nach § 223 StGB:

Objektiver Tatbestand:

Der O ist an der Schulter verletzt und so an seiner Gesundheit beschädigt. Der Erfolg liegt mithin vor.

Es gibt auch eine Tathandlung des B; diese ist hier das Wegschubsen des E.

Fraglich ist, ob die Kausalität vorliegt:

Würde man das Wegschubsen wegdenken, wäre O nichtan der Schulter verletzt worden. Damit ist die Kausalität zu bejahen.

Spielt es dabei nun eine Rolle, dass O ohne das Wegschubsen eine schwere Kopfverletzung bekommen und womöglich daran vielleicht sogar gestorben wäre?

Dies ist zu verneinen: Es ist auf den Erfolg in seiner konkreten Gestalt abzustellen, also auf die Verletzung durch das Wegschubsen. Hypothetische andere Kausalverläufe, also ein etwaiger Tod oder jedenfalls eine sehr viel schwerere Verletzung durch den Angriff des E, sind irrelevant.

Nach dem bisherigen Ergebnis hätte B mithin den objektiven Tatbestand der Körperverletzung erfüllt.

Aber: Ist dieses Ergebnis sachgerecht?

Nein! B hat durch sein Verhalten das anders unabwendbare Risiko für den O verringert – und dies, ohne selbst ein neues Risiko zu schaffen. Dass O auch dabei verletzt wurde, ändert nichts daran, dass O dank B nur leicht und vor allem nicht lebensgefährlich verletzt wurde und dass das Risiko schon da war, als B eingriff, und eben nur noch minimiert werden konnte.

Die weite Kausalitätsformel führt manchmal also dazu, dass auch solche Handlungen in eine Strafbarkeit einbezogen würden, die wertungsmäßig nicht strafwürdig sind. Dies gilt namentlich bei einer Risikoverringerung, also wenn der Täter ohnehin unvermeidbare Gefahren nicht steigert, sondern wie im Fall sogar minimiert.

Um dieses Ergebnis bereits auf der Ebene des objektiven Tatbestands zu korrigieren, sind nun diejenigen kausalen Handlungen gleichwohl nicht strafbar, die nicht strafwürdig erscheinen.

Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es die objektive Zurechnung.

Es geht dabei also darum, zu prüfen, ob der Täter für kausale Erfolge wirklich strafrechtlich haften soll. Juristisch gesprochen geht es darum, ob dem Täter der Erfolg zugerechnet werden soll (daher der Name „objektive ­Zurechnung“).

Nicht objektiv zurechenbar sind daher solche Erfolge, die zwar (in ihrer konkreten Gestalt) dadurch entstanden sind, dass der Täter ein Risiko geschaffen hat, die Risikoschaffung aber rechtlich nicht missbilligt war.

So liegt es im Fall 1:

Durch das Wegschubsen hat B zwar das Risiko geschaffen, das O woanders als am Kopf von dem E getroffen wird. Die Risikoschaffung war aber nicht rechtlich missbilligt, sondern der einzige Weg, dem O überhaupt noch zu helfen und einen lebensgefährlichen Schlag auf den Kopf zu verhindern. B hat also zwar ein (neues) Risiko geschaffen (nämlich für die bis dahin „ungefährdete“ Schulter). Er hat aber kein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen, weil er nur auf alternativlose Art und Weise ein ohnehin bestehendes, viel größeres Risiko verringert hat.

Nicht rechtlich missbilligt meint so viel wie „von Rechts wegen gewollt“.

Der Erfolg ist also nur objektiv zurechenbar, wenn der Täter ihn dadurch verursacht, dass er ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen hat. Dies ist bei einer reinen Risikoverringerung jedenfalls dann zu verneinen, wenn eine andere Option nicht mehr bestand.

Die objektive Zurechnung hat aber noch einen zweiten Anwendungsfall. Zu dessen Illustration dient der folgende Fall:

Fall 2:

B sticht den O in Tötungsabsicht nieder. O wird schwer verletzt, kommt aber rechtzeitig ins Krankenhaus, wo er notoperiert wird. Danach ist er außer Lebensgefahr, liegt aber noch auf der Intensivstation. Einen Tag nach der OP bekommt O einen Pudding serviert, auf den er – für alle völlig überraschend – mit einem allergischen Schock reagiert, an dessen Folgen der O verstirbt. Mit dem Stich durch den B und der Not-OP hat diese allergische Reaktion nichts zu tun. Strafbarkeit des B wegen vollendetem Totschlag?

Auch hier ist nun also § 212 StGB zu prüfen:

Objektiver Tatbestand:

Mit dem Tod des O und dem Stich des B liegen Erfolg und Handlung (jedenfalls letztendlich) vor.

Hätte B den O nicht niedergestochen, wäre O am Tage nach der OP nicht auf der Station gewesen, hätte dort keinen Pudding gegessen, hätte daher auch keinen allergischen Schock erlitten und wäre nicht gestorben. Auch die Kausalität liegt daher vor.

Wie steht nun um die objektive Zurechnung?

Hat B eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen?

Das Niederstechen war rechtlich natürlich nicht gewollt und hat auch die Todesgefahr erzeugt. B hat also eindeutig eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen.

Aber: O ist nicht an der Stichverletzung gestorben, sondern an dem allergischen Schock.

Es hat sich also letztlich nicht die von B geschaffene Gefahr in dem Erfolg realisiert, sondern eine ganz andere, sehr atypische Gefahr.

Auch dann entfällt die objektive Zurechnung.

Dies ergibt dann die folgende Definition„objektive Zurechnung“: Der Täter muss eine rechtlich missbilligte Gefahr schaffen und gerade diese Gefahr muss sich im Erfolgseintritt realisieren.

Die rechtlich missbilligte Gefahrschaffung entfällt, wenn die Schaffung des Risikos eine (anders nicht mögliche) Risikoverringerung darstellt.

Entfallen kann sie auch, wenn die Gefahrschaffung schlicht rechtlich erlaubt ist. Wer etwa als Händler unter Einhaltung aller Vorschriften eine Waffe an einen Kunden verkauft, der ebenfalls alle Vorschriften erfüllt und insbesondere eine entsprechende Waffenerlaubnis hat, haftet nicht, wenn dieser Kunde später jemanden mit der Waffe erschießt.

Die Gefahr-Realisierung entfällt, wenn sich nicht die rechtlich missbilligte Gefahr im Erfolg realisiert hat. Dies ist der Fall bei ganz atypischen Geschehensabläufen (Beispiel Fall 2: Allergischer Schock aufgrund einer Unverträglichkeit im Krankenhaus, in das das Opfer kommt).

Bei zwar ungewöhnlichen, aber nicht gänzlich atypischen Verläufen entfällt die objektive Zurechnung indes nicht! Dies gilt auch, wenn ein Verhalten Dritter für den Erfolg mitursächlich ist.

Wäre im Fall 2 der O etwa deshalb gestorben, weil es bei dessen Transport ins Krankenhaus mit dem Krankenwagen zu einem schweren Unfall kam, wäre die objektive Zurechnung zu bejahen. Es solcher Verlauf ist nicht völlig atypisch und Teil des Risikos, das man schafft, wenn man eine andere Person lebensgefährlich verletzt.

Das – bereits bekannte – Prüfungsschema des vorsätzlichen Delikts erfährt also einezweite, abschließende Erweiterung:

Objektiver Tatbestand:

–Tatbestandsmerkmale des konkreten Straftatbestands–Kausalität–ObjektiveZurechnung

Subjektiver Tatbestand: Vorsatz

Rechtswidrigkeit

Schuld

Die objektive Zurechnung ist wie dargestellt eine wertende Ergebniskorrektur für Ausnahmefälle. Daraus folgt, dass sie (zumindest beim Vorsatzdelikt) nur angesprochen werden muss, wenn dazu Anlass besteht, weil ausnahmsweise (wegen reiner Risikoverringerung) der Gefahrschaffung oder (wegen atypischem Verlauf) die Gefahrrealisierung fraglich ist. In allen anderen Fällen muss (beim Vorsatzdelikt) auf die objektive Zurechnung nicht eingegangen werden. Nur beim Fahrlässigkeitsdelikt ist dies anders; Näheres dazu dort.[6]

2.Subjektiver Tatbestand

Zu prüfen ist (wie beim Deliktsaufbau bereits dargestellt) beim subjektiven Tatbestand, ob der Täter Vorsatz hatte.

Zur Illustration, wann Vorsatz vorliegt und welche Vorsatzformen es gibt, dient folgender Fall:

Sachverhalt „Lukona-Fall“ (nach einem Originalfall):

Der B ist Reeder und Eigentümer des Frachters „Lukona“. Als die Geschäfte immer schlechter laufen, beschließt er, sich durch einen Versicherungsbetrug zu sanieren. Er lässt daher den Frachter „Lukona“, als seine Reederei mit diesem eine teure und hochversicherte Spezialmaschine von Hamburg nach Indien transportieren soll, mit wertlosem Schrott beladen und bringt eine Sprengladung mit Zeitzünder im Laderaum an. Der Zeitzünder ist dabei so eingestellt, dass die Explosion stattfinden soll, wenn die Lukona über einer Meerestiefe von 5500 Metern fährt. B selber ist bei der Fahrt nicht an Bord; die Besatzung besteht aus sechs Seeleuten. An der vorgesehenen Stelle explodiert die Bombe. Die Lukona geht binnen weniger Minuten unter; alle Seeleute sterben.

•Variante 1: B ging davon aus, dass die Seeleute sterben und wollte dies auch, um keine Zeugen zu haben.•Variante 2 (Originalfall): B war es gleichgültig, ob die Seeleute sterben, hielt es aber für unmöglich, dass sie überleben werden.•Variante 3: B hielt ein Ertrinken der Seeleute ebenso für möglich wie ein rechtzeitiges Springen in die Rettungsboote, interessieren tat ihn dies aber nicht.•Variante 4: B war sich bewusst, wie riskant sein Plan für die Seeleute war, meinte aber, diese würden es in die Rettungsboote schaffen.

Strafbarkeit des B nach § 212 StGB? (Andere Straftatbestände sind – natürlich – verwirklicht, aber nicht zu prüfen.)

Objektiv ist jeweils ein Totschlag nach § 212 StGB verwirklicht:

B tötet andere Menschen durch Anbringen der Sprengladung, wobei diese auch nicht hinweggedacht werden könnte, ohne dass der Tod der Seeleute entfiele (in der Klausur wäre jede Variante für sich alleine komplett durchzuprüfen und der objektive Tatbestand jeweils Punkt für Punkt im Gutachtenstil festzustellen).

Wie steht es um die subjektive Seite im Fall? Wusste B in den jeweiligen Varianten um die Gefahr des Erfolgseintritts und wollte er diesen?

Variante 1: B wusste sicher, dass die Seeleute sterben werden und wollte gerade den Tod der Seeleute.

Variante 2: B ging es zwar nicht um den Tod der Seeleute, aber er wusste sicher, dass diese sterben werden.

Variante 3: B erkannte, dass die Seeleute sterben könnten, was ihm aber egal war.

Variante 4: B erkannte zwar die theoretische Gefahr des Todes der Seeleute, aber er war sicher, dass diese gleichwohl überleben werden.

In Variante 1 und 2 handelte B eindeutig im Wissen um die Tatbestandsverwirklichung. In Variante 1 wollte er diese auch, in Variante 2 akzeptierte er sie zumindest.

In Variante 4 glaubte B hingegen sicher, dass es – trotz des Risikos – zur Tatbestandsverwirklichung nicht kommen werde.

In den Varianten 1 und 2 handelte B vorsätzlich; in Variante 4 hingegen nur fahrlässig.

In Variante 1 handelte B dabei absichtlich.

In Variante 2 handelte B wissentlich.

Wie ist das Verhalten von B in Variante 3 zu bewerten?

B wusste in Variante 3 um die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung und nahm diese billigend in Kauf („na, wenn schon“).

Dem Unrechtsgehalt nach liegt dies über der Fahrlässigkeit, da B der Rechtspflicht gegenüber bewusst gleichgültig ist. In Variante 4 ist B eben wichtig, dass die Seeleute nicht sterben und er glaubt daran auch (wenn auch zu Unrecht). In Variante 3 hingegen ist es ihm letztlich schlicht egal.

Auch in Variante 3 handelte B daher vorsätzlich, nämlich bedingt vorsätzlich bzw. mit Eventualvorsatz.

Vorsatz ist dabei grundsätzlich also wie folgt zu verstehen (Definition Vorsatz): Wissen und Wollen (Akzeptieren) der Tatbestandsverwirklichung.

Dagegen handelt fahrlässig, wer nur „aus Versehen“ gegen eine Norm verstößt.

Der Vorsatz muss sich dabei auf alle Merkmale des objektiven Tatbestandes beziehen!

Der Vorsatz enthält – wie auch aus der Definition ersichtlich – jeweils ein Wissens- und ein Willenselement und dies kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Danach unterscheiden sich dann auch die Vorsatzformen.

Es gibt dabei drei Vorsatzformen, nämlich Absicht, Wissentlichkeit und bedingten Vorsatz, die wie folgt definiert werden und jeweils wie folgt ein Wissens- und ein Willenselement enthalten:

Definition Absicht:

Dem Täter kommt es gerade darauf an, den Tatbestand zu verwirklichen (= zielgerichtetes Wollen).

Absicht ist also zielgerichtetes Wollen der TB-Verwirklichung (in der Regel wird dabei auch ein sicheres Wissen vorliegen, die TB-Merkmale zu verwirklichen; maßgeblich ist aber bereits das angestrebte Ziel).[7]

Definition Wissentlichkeit:

Dem Täter geht es zwar nicht darum, aber er weiß sicher, den Tatbestand zu verwirklichen.

Wissentlichkeit ist also sicheres Wissen der TB-Verwirklichung und Akzeptieren als unvermeidliche Folge.[8]

Definition bedingter Vorsatz:

Der Täter erkennt die Gefahr, den Tatbestand zu verwirklichen und nimmt dies billigend in Kauf.

Bedingter Vorsatz ist also Erkennen der Möglichkeit der TB-Verwirklichung und In-Kauf-Nehmen dieser Folge.[9]

Bei allen drei Vorsatzformen liegt also Vorsatz vor und ist der subjektive TB zu bejahen. Mit der Annahme, dass auch bei bedingtem Vorsatz der subjektive Tatbestand erfüllt ist und Vorsatz vorliegt, nimmt der Bundesgerichtshof dabei eine erhebliche Ausweitung der Vorsatzstrafbarkeit vor.

Abzugrenzen ist der bedingte Vorsatz dabei aber von der bewussten Fahrlässigkeit (die keine Vorsatzform mehr ist, sondern eben nur eine Form der fahrlässigen Begehung).

Bewusste Fahrlässigkeit ist das Erkennen der theoretischen Möglichkeit der TB-Verwirklichung, aber kombiniert mit einem Darauf-Vertrauen, dass die Gefahr im konkreten Fall nicht eintritt.

Zur Abgrenzung bewährt hat sich dabei die folgende Hilfe:[10]

Bei bedingtem Vorsatz denkt der Täter: „

Na, wenn schon!

Bei bewusster Fahrlässigkeit denkt er: „

Es wird schon gut gehen

!“

In der Klausur ist nicht nur zu klären, ob überhaupt Vorsatz vorliegt, sondern immer auch die Vorsatzform. Dies kann sprachlich so eingeleitet werden:

„Der B müsste vorsätzlich gehandelt haben. Vorsatz ist Wissen und ­Akzeptieren der TB-Verwirklichung. Vorliegend kommt Absicht/Wissentlichkeit/­bedingter Vorsatz in Betracht. Absicht/Wissentlichkeit/bedingter Vorsatz ist…“

Beachte noch: Für die drei Vorsatzformen finden sich in rechtswissenschaftlichen Werken oft noch die früher üblichen lateinischen Namen. Absicht heißt lateinisch dabei Dolus directus 1. Grades, Wissentlichkeit Dolus directus 2. Grades und bedingter Vorsatz heißt Dolus eventualis. Inhaltlich gemeint ist dabei das Gleiche; Sie können also frei wählen, ob Sie die deutschen oder die lateinischen Namen verwenden.

Praxisbox:

Wenn der Täter nicht gerade geständig ist und den Vorsatz nicht zugibt, ist dessen Nachweis in der Praxis oft ein Problem.

Als Beweismittel gibt es dann neben etwaigen Äußerungen des Täters über seine Tatmotive gegenüber Zeugen oft nur die Möglichkeit, anhand von Indizien auf die Tätervorstellung zu schlussfolgern.

Besonders bedeutsam ist dabei einerseits, wie objektiv riskant das Täterverhalten ist, sowie andererseits, ob der Täter etwas tut, um das Risiko für etwaige Opfer abzuschirmen. Wer also etwa dem Opfer mit einem Schrotgewehr in die Brust schießt, begeht eine objektiv derart riskante Tat, dass man diesem Täter die Aussage, er habe fest vertraut, dass das Opfer nicht sterben werde, nicht glauben wird. Wer hingegen in einem Café eine Bombe zündet, aber außerhalb der Öffnungszeiten und mit einer Warnung zur Evakuierung an Polizei und Betreiber eine halbe Stunde vor der Explosion, mag durchaus ernsthaft darauf vertraut haben, dass es nur zu Sachschäden kommen wird.

Bei den Ermittlungen sind daher alle Umstände, die irgendwie Rückschlüsse auf den Vorsatz zulassen, zu erheben, namentlich alles, was die Gefährlichkeit der Tat auf der einen und mögliche Abschirmhandlungen des Täters auf der anderen Seite betrifft.

Aber bedenken Sie dabei stets: Die genannten Aspekte sind immer nur Indizien! Sie müssen letztlich in jedem Fall fallbezogen entscheiden, ob die Indizien für den Nachweis von Vorsatz ausreichen oder nicht.

3.Rechtswidrigkeit

a.Grundsätzliches zur Rechtswidrigkeit

Sind der objektive und der subjektive Tatbestand verwirklicht, ist zu prüfen, ob der Täter rechtswidrig handelte.

Zu weiteren Erläuterung soll nachfolgender Fall dienen:

Fall:

Der korpulente, unsportliche B liegt zu Hause im Bett und schläft, als er von Geräuschen geweckt wird. Er wacht auf und stellt fest, dass der junge, kräftig gebaute Dieb D im Schlafzimmer steht und in einer Kommode nach Wertsachen sucht, in der sich auch wertvoller, geerbter Schmuck des B befindet. Gefunden hat D diesen aber noch nicht. Als B „He, was machen Sie da?“ ruft, dreht D sich um, läuft dann aber nicht etwa weg, sondern geht auf B zu und hebt dabei die Faust. Dabei grinst er und sagt zu B: „Keine Angst, nur einmal weiterschlafen, und wenn Du aufwachst, bin ich weg!“ B, der legal eine Schusswaffe besitzt, die immer griffbereit am Kopfende des Bettes versteckt ist, zieht nun blitzartig seine Waffe und schießt D, als dieser noch etwa ein Meter entfernt ist, in die Brust. Den Tod des D hält er dabei für möglich und billigt ihn auch. D verstirbt. Strafbarkeit des B?

Strafbarkeit des B gem. § 212 StGB:

Objektiver Tatbestand:

B hat den D mit einer für dessen Tod ursächlichen Handlung getötet. Handlung, Erfolg und Kausalität liegen daher vor (gegeben ist auch die objektive Zurechnung. Insbesondere verringert der B nicht nur eine bestehende Gefahr, sondern schafft für den D durch den Schuss eine neue Gefahr. Ob er das ausnahmsweise durfte, ist bei der Rechtswidrigkeit zu erörtern, nicht bei der objektiven Zurechnung).

Subjektiver Tatbestand:

B erkannte, dass D durch den Schuss sterben könnte und nahm dies billigend in Kauf. Er handelte daher mit bedingtem Vorsatz.

Rechtswidrigkeit:

Für die Rechtswidrigkeit gilt ganz allgemein folgender Grundsatz:Die Tatbestandsmäßigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit.

Gemeint ist damit: Wer den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, ist dazu regelmäßig nicht berechtigt – und handelt damit rechtswidrig. Man darf eben normalerweise niemanden vorsätzlich töten oder verletzen oder ihm sein Eigentum wegnehmen oder Ähnliches.

Es gibt davon indes eine Ausnahme: Es liegt ein Rechtfertigungsgrund vor. Wenn ein solcher vorliegt, heißt dies, dass der Täter den objektiven und subjektiven Tatbestand eines Strafgesetzes – ausnahmsweise – ­verwirklichen darf! Er ist dann gerechtfertigt.

Wichtige Rechtfertigungsgründe sind dabei die auch Laien dem Namen nach bekannte Notwehr, der rechtfertigende Notstand, die Einwilligung und das Festnahmerecht. Strafrechtliche Rechtfertigungsgründe sind aber auch hoheitliche Eingriffsermächtigungen: Wer als Polizeibeamter einen Beschuldigten (rechtmäßig) festnimmt und in eine Gewahrsamszelle einsperrt, begeht objektiv eine Freiheitsberaubung und will dies auch. Diese ist aber durch die Eingriffsermächtigung erlaubt – und damit gerechtfertigt.

Da im Regelfall keine Rechtfertigungsgründe vorliegen, gilt hinsichtlich der Frage, ob diese angesprochen werden müssen, in der Klausur Folgendes:

Kommen Rechtfertigungsgründe nicht in Betracht, schreiben Sie zum Prüfungspunkt „Rechtswidrigkeit“ nur: „B handelte auch rechtswidrig (da die Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit indiziert und keine Rechtfertigungsgründe vorliegen).“

Nur wenn Rechtfertigungsgründe in Betracht kommen, ist mehr zu schreiben.

Mit „in Betracht kommen“ ist dabei nicht gemeint, dass ein Rechtfertigungsgrund am Ende auch bejaht wird. Gemeint ist nur, dass eine Fallkonstellation vorliegt, bei der man ernsthaft darüber nachdenken kann, ob der Täter nicht vielleicht gerechtfertigt sein könnte. Schon wenn das der Fall ist, müssen Sie also die Rechtfertigung im Fall prüfen, auch wenn Sie am Ende das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes verneinen!

b.Notwehr, § 32 StGB

Im Fall käme als Rechtfertigungsgrund nun Notwehr gemäß § 32 StGB in Betracht.

Die dem Normtext entnehmbaren Tatbestandsmerkmale sind dabei:

§ 32 StGB

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigenrechtswidrigenAngriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Elemente des Prüfungsschemas nach dem Gesetzestext sind also: Ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff; eine Verteidigungshandlung; die Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung; die Gebotenheit der Verteidigungshandlung und als Ziel der Verteidigungshandlung die Abwehr des Angriffs.

Dies ergibt – leicht ergänzt und etwas anders „sortiert“ – folgendes Prüfungsschema Notwehr:

Notwehrlage:

–Angriff–Gegenwärtig–Rechtswidrig

Notwehrhandlung:

–Erforderliche Verteidigungshandlung–Gegen den Angreifer–Gebotenheit

Subjektives Rechtsfertigungselement: Verteidigungswille

Diese Prüfungspunkte sind in das Schema zur Prüfung des vorsätzlichen vollendeten Delikts als Unterpunkte des Prüfungspunktes „Rechtswidrigkeit“ einzubauen – und dort jeweils Punkt für Punkt im Gutachtenstil abzuarbeiten.

Liegen alle Voraussetzungen der Notwehr vor, ist der Täter gerechtfertigt, handelt also nicht rechtswidrig – und ist damit nach dem geprüften Straftatbestand nicht strafbar. Die Prüfung dieses Straftatbestandes muss dann abgebrochen werden.

Fehlt auch nur eine Voraussetzung der Notwehr, ist der Täter nicht nach § 32 StGB gerechtfertigt! Die Prüfung, ob er sich nach der geprüften Norm strafbar gemacht hat, ist dann fortzusetzen – ggf. mit anderen im Fall in Betracht kommenden Rechtfertigungsgründen und, falls solche ebenfalls nicht komplett vorliegen, mit der Schuld.

Praxisbox:

Auch das mögliche Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes hat unmittelbare Auswirkungen auf die praktische Arbeit im Polizeialltag. Dies gilt jedenfalls in zweierlei Hinsicht:

Kommen in einem Fall Rechtfertigungsgründe in Betracht, muss – natürlich – auch in diese Richtung ermittelt werden, denn Polizei und Staatsanwaltschaft haben von sich aus auch alles Entlastende zu ermitteln.

Das Vorliegen eines Rechtsfertigungsgrundes kann aber auch dazu führen, dass gar kein Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten besteht oder dieser im Laufe der Ermittlungen entfällt. Ein Anfangsverdacht verlangt zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat – und zwar eine verfolgbare Straftat. Eine „verfolgbare Straftat“ im Sinne des § 152 II StPO liegt nicht vor, wenn der Täter gerechtfertigt ist. Allerdings gilt dies nur, wenn der Rechtfertigungsgrund sicher gegeben ist. Namentlich zum Beginn von Ermittlungen wird man dies kaum sagen können. Ist ein Rechtfertigungsgrund nur möglich, bleibt der Anfangsverdacht bestehen und kann und muss weiterermittelt werden, aber eben auch in entlastender Richtung. Steht der Rechtfertigungsgrund indes fest, entfällt ein Tatverdacht als Grundlage weiterer Ermittlungen.

Diese rechtliche Bewertung ist dabei abschließend indes nicht Aufgabe der Polizei, sondern der Justiz. Halten Sie als polizeilicher Sachbearbeiter einen Rechtfertigungsgrund für gegeben, müssen Sie den Fall der Staatsanwaltschaft vorlegen (durch Aktenübersendung oder auch mittels Sachvortrag per Telefon). Die Staatsanwaltschaft entscheidet dann, ob die Ermittlungen weitergeführt werden sollen und falls ja, wie.

Im Fall ist also zunächst zu klären, ob eine Notwehrlage vorlag.

Nötig dafür ist zunächst ein Angriffauf B.

D hat bereits unerlaubt Bs Wohnung betreten. Ferner hatte D vor, B Wertsachen wegzunehmen, darunter nach Auffinden auch den Familienschmuck, sowie den B körperlich zu verletzen, indem er ihn bewusstlos schlägt.

D wollte damit Rechtsgüter des B (körperliche Unversehrtheit, Eigentum) verletzen und hat ein Rechtsgut, nämlich das Hausrecht, bereits verletzt.

D wollte B angreifen.

Ein Angriff ist also (Definition Angriff): Die unmittelbare Bedrohung rechtlich geschützter Güter durch menschliches Verhalten.[11]

Kein Angriff i. S. d. § 32 StGB wäre danach, wenn ein Wildtier Rechtsgüter zu verletzen droht (die Abwehr dieser Gefahr kann nur nach §§ 228, 904 BGB gerechtfertigt sein).[12] Ein Angriff läge aber vor, wenn ein Hundehalter seinem Hund befiehlt, einen anderen Menschen zu beißen („Hasso, fass!“).[13]

Geholfen werden darf auch, wenn Rechtsgüter Dritter angegriffen werden, aber nur, wenn der Dritte Hilfe will (Nothilfe). Ansonsten sind die Voraussetzungen für Notwehr und Nothilfe identisch.

Im Fall als Nächstes erforderlich wäre die Gegenwärtigkeit des Angriffs.

Der Angriff auf Bs Hausrecht und auf das Eigentum war schon im Gange. Zum Angriff auf Bs Gesundheit setzte der D indes gerade erst an, sodass dieser noch nicht stattfand. Der Angriff auf die Gesundheit stand aber binnen Sekunden und damit unmittelbar bevor. Auch dann darf derjenige, der in den nächsten Sekunden angegriffen werden würde, sich schon in Notwehr wehren.

Die Definition für „gegenwärtig“ lautet: Gegenwärtig ist ein Angriff, der unmittelbar bevorsteht, stattfindet oder fortdauert.[14]

Beachte aber:Vorweg-Notwehr ist nur bei unmittelbar bevorstehenden Angriffen erlaubt!

Ist ein Angriff geplant, aber noch nicht kurz vor der Ausführung, besteht kein Notwehrrecht. Wetzt der B also gerade das Messer, um übermorgen den A damit anzugreifen, ist dieser Angriff noch nicht gegenwärtig. Ein Notwehrrecht hätte der A also jetzt noch nicht (was nicht heißt, dass A gar nichts tun kann. Gegebenenfalls kämen andere rechtlich zulässige Abwehrmöglichkeiten in Betracht, z. B. Notstand, dazu später mehr).

Ist der Angriff beendet, besteht ebenfalls kein Notwehrrecht mehr.

Ein Beispiel ist: Der Angreifer liegt nach der Abwehrhandlung kampfunfähig am Boden.

Kann das verletzte Rechtsgut aber in – zeitlich-räumlich direktem Zusammenhang – noch gerettet werden, ist der Angriff noch nicht beendet (Bsp.: Dieb flüchtet mit der Beute, hier ist Notwehr noch möglich).[15]

Notwehr ist also zeitlich eng begrenzt: Besteht die Gefahr noch nicht akut oder nicht mehr, ist keine Notwehrlage gegeben! Notwehr ist zeitlich also beschränkt auf den „Moment der unmittelbaren Gefahr“.[16]

Im Fall wäre als Nächstes die Rechtswidrigkeitdes Angriffs (!) zu prüfen.

D hatte seinerseits kein Recht, den B anzugreifen.

Die Definition für „Rechtswidrigkeit (des Angriffs)“ lautet: Rechtswidrig ist ein Angriff, der nicht selbst gerechtfertigt ist.[17]

Es kommt also darauf an, ob der Angreifer seinerseits gerechtfertigt ist; dazu bei Fall 2 zur Notwehr mehr.

Liegt eine Notwehrlage vollständig vor, heißt dies, dass der Angegriffene sich verteidigen darf. Was er zur Verteidigung dann tun darf, betrifft den nächsten Prüfungspunkt, nämlich die Notwehrhandlung.

Im Fall ist also nun die Notwehrhandlung zu prüfen.

Es müsste eine erforderliche Verteidigungshandlung vorliegen.

Dazu ist im Fall Folgendes vorweg zu überlegen:

Ist der Schuss in die Brust zur Abwehr geeignet? Ja, er beendet diesen dauerhaft.

Gäbe es mildere Mittel?