Strangers In The Night - Silvio Panosetti - E-Book

Strangers In The Night E-Book

Silvio Panosetti

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Beschreibung

"Strangers In The Night" ist einer der größten Hits in der Geschichte der Unterhaltungsmusik. Frank Sinatra und viele andere Sänger haben ihn gesungen, ein absoluter Millionenseller. Doch wer hat den Song komponiert und die Millionen für sich in Anspruch genommen? Der in den 60er Jahren berühmte Orchesterchef Bert Kaempfert. So lautet die offizielle Version. Dieses Buch erzählt erstmals die Geschichte eines anderen Mannes: Herbert Rehbein. Er war der beste Freund von Bert Kaempfert. Zwei Männer, die ein Leben lang vieles miteinander verband und die einander nicht los lassen konnten. Dabei saß eine Sache tief wie der Stich eines blanken Messers: "Strangers In The Night". Silvio Panosetti hat in den 70er Jahren mit Rehbein zusammen gearbeitet, ihn gut gekannt und dabei eine ganz anderen Version der Geschehnisse gehört, später einiges recherchiert und dies zu einem spannenden Buch verarbeitet. Was hat sich damals in der Abgeschiedenheit der Suite im Beverly Wilshire Hotel in Hollywood wirklich abgespielt? Lag Bert Kaempfert tatsächlich magenkrank auf der Couch, während sein bester Freund den Hit des Jahrhunderts schrieb? Wie hat alles angefangen, sich entwickelt, bis zum unaufhaltsamen Ende ...? "Willst Du Geld oder Ruhm?", hatte Kaempfert seinen Freund Rehbein gefragt. Und der antwortete ihm: "Ich will Gerechtigkeit."

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Silvio Panosetti

STRANGERS IN THE NIGHT

Die wahre Geschichte eines Welthits

© 2023 by Silvio Panosetti

Edition VIEW

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Inhalt

Vorwort     5

Prolog     17

Gespräch mit Ruth     19

Gib dem Menschen eine Uniform ...     24

Musik im Blut     29

Überlebenspraktiken     38

Das Tandem     44

Fuß fassen     51

Wenn die Kellnersonne aufgeht     56

Zärtliche Geigen und der erste Bruch     61

Getrennte Wege     66

Der Beweis     75

Arbeite doch für mich     80

Der Mann im Hintergrund     87

Red Roses for a Blue Lady     93

Höhenflug bis Hollywood     112

Der große Betrug     121

Was ist von wem?     130

Der Stempel     138

Es geht weiter ...     147

Der König und sein Einfluss     153

Feierabend?     161

Andere Zeiten     166

Die Fanfare     173

Tabus und Lokalkolorit     181

Die Teufelsinsel     187

»Beautiful Morning« und Abschied     192

Nachlese   200

»Ich sage immer, ich schreibe nur Hits,

nur die Leute wissen es nicht.«

Bert Kaempfert

»Nach diesem Song kann überhaupt nur noch eines passieren:

der Dritte Weltkrieg.«

Charlie Singleton

»Willst Du Ruhm oder Geld?«, fragte mich Kaempfert.

»Ich will Gerechtigkeit«, antwortete ich ihm.

Vorwort

»Dass am Ende der großen amerikanischen Swing-Ära ein deutscher Musiker, Komponist und Arrangeur mit seiner Musik die ersten Plätze der Hitlisten Amerikas beherrschte, war die Sensation am Ende der Fünfziger- und zu Beginn der Sechzigerjahre. Dieser Musiker kam aus Hamburg und hieß Bert Kaempfert.«

Dies sind die einführenden Worte in einem Fernsehfilm über Bert Kaempfert, den der deutsche Regisseur Ottokar Runze unter dem Titel Melodien, die man nie vergisst realisiert hat.

Am Tag, als dieser Film vom ZDF das zweite Mal – auf ausdrücklichen Wunsch vieler Zuschauer – ausgestrahlt wurde, kam ich gegen Mittag nach Hause und hörte den Anrufbeantworter ab. Ruth Rehbein, die Witwe des Komponisten Herbert Rehbein, hatte mir eine Nachricht aufs Band gesprochen: »Schau dir heute die Sendung über Kaempfert im ZDF an. Herbert wird darin wieder einmal mit keinem Wort erwähnt. Auch die Ausschnitte der Fotos, die gezeigt werden, sind so gewählt, dass Herbert darauf nie zu sehen ist!« Bis auf eine Ausnahme, wie ich später feststellte.

Herbert Rehbein kam, wie Kaempfert, aus Hamburg. Er war ebenfalls Musiker, Komponist und Arrangeur. Die beiden Männer kannten sich gut, sehr gut sogar. Über Jahrzehnte existierte ihre außergewöhnliche Freundschaft, die viele gemeinsame Arbeiten, aber auch viel Privatleben miteinschloss. Man könnte von einem Bund fürs Leben sprechen.

»Ich glaube, das, was Bert Kaempfert heraushebt aus der Masse anderer Komponisten in seinem Alter und in seiner Ära«, sagt der Sänger René Kollo in Runzes Fernsehfilm, »ist, dass er sehr melodiöse, große, gesanglich große Nummern geschrieben hat, die eigentlich heute nicht mehr geschrieben werden. Der Beweis, dass diese Nummern vom Publikum gewünscht werden, ist sein großer Erfolg. Die ganz großen Tenornummern oder -lieder, die es früher gab, die bis zu Granada gehen, werden eigentlich heute nicht mehr geschrieben. Und er war noch einer, der beides verbunden hat: ein bisschen den Swing-Sound, den amerikanischen, mit einem großen, gesanglich großen Lied.«

Aber war Bert Kaempfert überhaupt in der Lage gewesen, eine gesanglich große Nummer zu schreiben?

Sicher, eine gewagte Frage, nicht zuletzt, wenn man folgendes Zitat aus der vor 3 Jahren erschienenen Kaempfert-Biographie von Marc Boettcher bedenkt: »Betrachtet man den deutschen Anteil im Bereich der Unterhaltung auf internationaler Ebene, so findet man unter den bedeutenden Namen des 20. Jahrhunderts eine Reihe großer Regisseure wie Ernst Lubitsch und Fritz Lang und Schauspielerinnen wie Marlene Dietrich und Romy Schneider – aber nur einen einzigen Komponisten des großen Formats, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg neben seinen ausländischen Kollegen durchsetzen konnte: Bert Kaempfert.«

Nur, wer sich die Mühe macht, Kaempferts frühe Hits wie zum Beispiel Afrikaan Beat oder A Swingin Safari mit späteren Songs wie Strangers In The Night oder The World We Knewzu vergleichen, wird eine auffällige Wandlung feststellen. Gut, ein Musiker, Komponist, Arrangeur entwickelt sich, wird besser, lernt dazu und schöpft sein kreatives Potenzial mehr und mehr aus. Dazu kommt der in dieser Branche schnelle Wandel des Zeitgeistes, verbesserte Aufnahmetechniken, die Motivation des Erfolgs usw. All das könnte Kaempfert dazu gebracht haben, die wirklich großen Nummern geschrieben zu haben. Doch hat er es wirklich getan?

»Ich kann mich gut daran erinnern«, sagt die Sängerin Anita Kerr in Runzes Film, »als ich das erste Mal eine Platte von Bert Kaempfert hörte. Wir waren alle begeistert von diesem neuen Sound. Es war neu, Stimmen zu verwenden zu den Geigen und Posaunen, Stimmen, die rhythmische Akzente setzten, ohne Worte. Es war wie eine frische Brise, nach Elvis und nach den Beatles. Es war grandios, endlich wieder gute Arrangements, Violine, Violas, Cellis, Posaunen, Trompeten  –  endlich wieder großes Orchester!«

Sie spricht von einer Musik, die zwar den Namen Kaempfert trägt, die jedoch nicht von ihm stammt, sieht man von seinem typischen Rhythmus einmal ab.

Kaempfert schaffte es, mit seinen Produktionen an die Spitze der Hitparaden in der ganzen Welt zu gelangen, einschließlich seiner großen Erfolge in den USA. Sein Name wird noch heute mit vielen Evergreens verbunden, und er hat zu seinen Lebzeiten nicht weniger als 150 Millionen Schallplatten verkauft! Er war ein Mann, der wusste, was er wollte. Ohne Bert Kaempfert gäbe es kein Wunderland By Night, kein Spanish Eyes, kein Dankeschön und einige andere weltberühmte Hits. Und ohne Bert Kaempfert gäbe es vermutlich auch keine Songs wie Strangers In The Night, The World We Knew, Lonely Is The Name, Welcome To My Heart, I Can’t Help Remembering You und einige mehr, eben all diese großen, gesanglich großen Nummern, von denen René Kollo spricht und die von Weltstars wie Frank Sinatra, Sammy Davis jr., Dean Martin, Jonny Mathis, Wayne Newton, Nat King Cole gesungen wurden. Nur hat er diese orchestralen Nummern nicht geschrieben.

Strangers In The Night, einer der berühmtesten Songs in der Geschichte der Unterhaltungsmusik, war der innere Bruch und gleichzeitig der äußere Wendepunkt in der Beziehung Kaempfert–Rehbein. Doch genau betrachtet, veränderte sich nichts. Rehbein hatte, wie all die anderen berühmten Songs danach, Strangers In The Night allein komponiert. Nach dem Bruch gab es, gleichgültig wer komponierte, nur noch Kaempfert–Rehbein. Das ist auf allen veröffentlichten Schallplatten nachzulesen.

Das Musikgeschäft kennt keine Gnade, wenn einer weiß, wie es geht. Und Kaempfert wusste, wie es geht. Rehbein wusste es nicht. Oder er wollte es nicht wissen. Schließlich waren sie Freunde!

»Und dann Hollywood«, fährt der Sprecher in dem Film über Kaempfert fort. »Er schrieb die Musik für einige große amerikanische Filme. So entstand zum Beispiel Strangers In The Night. Aber Hollywood lag ihm nicht. Der Leistungsdruck entsprach nicht seinem Arbeitsrhythmus.«

Nichts dergleichen! Kaempfert war einfach nicht in der Lage, Filmmusik à la Hollywood zu schreiben. Er verstand etwas vom Timing zur Synchronisation. Komponiert und arrangiert hat Rehbein.

Die amerikanische Musikbusiness-Maschine, in die sich Kaempfert von Deutschland aus mit geradezu famoser Treffsicherheit katapultiert hatte, funktionierte für ihn ab einem gewissen Punkt reibungslos. Kompositionen und Arrangements, die Kaempfert brachte, hatten bei der Schallplattenfirma Decca absolute Priorität. Es war die Aufgabe von Milt Gabler, dem damaligen Artist & Repertoire-Direktor des Unternehmens, Songs mit dem Etikett Kaempfert an die Spitze der Hitlisten zu bringen. Was auch gelang.

Wie viel zählte im Angesicht solcher Erfolge der Mann hinter Kaempfert, der die meisten dieser Songs komponiert und arrangiert hatte! Er machte sich auch nicht bemerkbar. Und Verträge, die existierten, wurden nicht eingehalten. Die Vernetzung breitete sich aus. Denn Rehbein und Kaempfert hingen in einer fast schon symbiotischen Art aneinander. Das prägte unaufhaltsam das Schicksal der Beteiligten. Der Welterfolg war eine Sache. Es gab aber auch eine menschliche Seite, eine Herausforderung, die schließlich nicht angenommen wurde.

Ist es die alte Geschichte der Diskrepanz zwischen Künstlertum und Kommerz?

Damit ließe sich zwar einiges erklären, doch wenn man ernsthaft in die Lebensgeschichte eines Menschen eintaucht, die wie bei Rehbein so eng mit dem Leben eines anderen Menschen verknüpft ist, kann vieles nicht mehr auseinandergehalten werden.

»Warum hat Rehbein das alles mit sich machen lassen?« Diese Frage wurde mir während der Arbeit an diesem Buch immer wieder gestellt. Eine Frage, die jedem Außenstehenden dazu sofort in den Sinn kommt. Schließlich leben wir in einer Welt, in der Cleverness und Geldverdienen einen hohen Stellenwert haben. Wieso lässt sich einer hemmungslos ausbeuten, dazu noch von seinem besten Freund?

Man kann bei vielen Künstlern eine Zwiespältigkeit entdecken: Auf der einen Seite wollen oder müssen sie sich bemerkbar machen, auf der anderen Seite wird viel dazu unternommen, um möglichst nicht aufgespürt zu werden.

Vielleicht wollte Rehbein nicht aufgespürt werden. Musik war seine ganze Welt. Alles andere hing bloß damit zusammen. Eine schlechte Voraussetzung fürs Geschäft mit der Unterhaltungsmusik! Die Kreativitätsräume sind dort zudem viel enger gesteckt als zum Beispiel in der so genannten Ernsten Musik. Oder besser: Die Unterhaltungsmusik verfügt mehrheitlich über keinerlei geistige Inhalte. Rehbein war aber ein geistiger Mensch, geistig im Sinn einer starken, intuitiven Begabung. Seine Musik war nie Geschäft, sondern Gefühl. Gerade das haben Leute aus Kaempferts Umfeld, die Millionen mit seiner Begabung verdienten, nie wirklich begriffen.

Jetzt haben natürlich Ausbeutung und Betrug in der Kunst eine lange Geschichte, sie sind so alt wie die Kunst selbst. Wolfgang Amadeus Mozart erhielt für die vollständige Partitur des Figaro 450 Gulden, Johann Sebastian Bachs Witwe lebte von Almosen und endete im Armenhaus, Franz Schubert nagte am Hungertuch, Carl Maria von Weber erhielt von seinem Verleger 120 Gulden für ein Klavierkonzert, eine Symphonie und sechs Sonaten, Johann Strauß verkaufte die Rechte seiner Blauen Donau für 15 Pfund. Die Liste ließe sich problemlos weiterführen. Künstler neigen eben dazu, sich mehr um Kunst als um Brot zu kümmern.

Es gab aber auch immer Gewinner, in der Klassik waren es Künstler wie Richard Wagner, Gioacchino Rossini, Giuseppe Verdi, Christoph Willibald Gluck oder Giacomo Puccini. Um Wagner herauszugreifen, der es einfach verstand, sein Genie gewinnbringend einzusetzen, ungeniert und rücksichtslos, gewissermaßen als die perfekte Kombination von Kunst und Geschäft. Doch mit der romantischen Weltentrücktheit gekrönter Häupter, die allein durch ihre Abstammung – wie Ludwig der II. bei Wagner – Kunst im großen Stil unterstützen konnten, hat das Musikgeschäft längst nichts mehr zu tun.

Die Giganten heißen heute anders, und das war auch schon zu den Zeiten der großen Kampfert–Rehbein-Erfolge so. Es fehlte damals zwar die totale Medienvernetzung, trotzdem hatten einige wenige zu bestimmen, was dem Publikum vorgeführt werden sollte und was nicht.

Musik ist in den letzten Jahrzehnten zu einem Wirtschaftsfaktor geworden, der sich nicht mehr wegdenken lässt. Ein Unterschied zwischen E-Musik (Klassik) und U-Musik (Unterhaltungsmusik) existiert von der Vermarktung her nicht mehr. In der Klassik sind die meisten großen Komponisten verstorben und können daher nicht mitbestimmen (viele von ihnen konnten das ja auch nicht zu ihren Lebzeiten). Die Unterhaltungsmusik schafft sich ihre Namen, die immer kurzlebiger werden, direkt im Prozess der Vermarktung. Eine Kaempfert–Rehbein-Komposition wurde allerdings von verschiedenen Stars in ebenso verschiedenen Interpretationen gesungen, das heißt, diese Musik hat zumindest in diesem Sinn eine Verwandtschaft zur Klassik. Was zählte, war der Song, nicht das momentane Image eines Newcomers mit einer möglichst ausgefallenen Show.

Auf die Frage, ob denn ein Orchester einen im Original gesungenen Titel instrumental nachspielen sollte, antwortete Rehbein in seinem letzten Radiointerview: »Wenn ein Orchester gerne Misserfolg haben will, dann spielt es nicht nach. Was soll man denn machen! Wir müssen doch die großen Erfolge nachspielen.«

Rehbein meinte vermutlich nicht in erster Linie die großen Erfolge aus seiner Feder, sondern er drückte, wie es seine Art war, damit vor allem seine Achtung vor der Arbeit und dem Erfolg anderer aus.

Vielleicht lebte Rehbein auch eine Form von Verweigerung. Was nicht seinem Gefühl entsprach, wollte er nicht zur Kenntnis nehmen. Aus Gefühlen macht man kein Geschäft! Da blieb er sich konsequent treu, und es kostete ihn viel!

Nichts wäre nun aber oberflächlicher, als eine solche Haltung heldenhaft zu nennen. Der Held stirbt schlimmstenfalls im Kampf mit dem Bösen. Rehbein ließ sich aushöhlen, weil er nach außen stumm blieb, sich nicht wehrte, nicht selten sogar in eine Trotzhaltung überging. Das zeigt sich an einem banalen Beispiel aus dem Alltag. Als einmal eine Jazzsängerin bei Rehbeins zu Besuch war, bat Ruth ihren Mann, er solle sich doch selber ein Bier im Kühlschrank holen. Rehbein kam mit einem angebrochenen Sechserpack zurück, aus dem dann auch prompt eine der losen Flaschen auf den Glastisch fiel und zerbrach. Rehbeins Kommentar zu seiner Frau: »Du schickst mich nie mehr Bier holen!«

In solchen Dingen ließ er sich auf nichts ein und ignorierte, was nicht zu seiner Welt gehörte. Da er aber alles andere als gleichgültigen Durchschnitt verkörperte, zog er damit in jeder Phase seines Lebens so genannte Praktiker mit teilweise nicht minderer Begabung auf ihrem Gebiet an. Das war bei ihm schon im Krieg so und erreichte in der langjährigen Freundschaft mit Kaempfert den Höhepunkt.

Diese Teilung mag in einer idealen Konstellation ja funktionieren (wir werden uns später solche Verbindungen an den Beispielen George–Ira Gershwin und Duke Ellington –Billy Strayhorn näher anschauen), doch bei Rehbein–Kaempfert war, um Rehbein zu zitieren, »die Freundschaft einseitig«. Und eine solche Einseitigkeit wirkt auf die Dauer wie eine Krankheit.

Wir werden uns natürlich auch mit der Stellung der Unterhaltungsmusik beschäftigen müssen, die ja schon immer sehr eng an das jeweilig vorherrschende Lebensgefühl gebunden war. Gerade die Arbeit in einem doch stark von außen gesteuerten Medium prägte Rehbein mit. Für Leute ohne Einblick in diese Branche ist es schwer nachzuvollziehen, wie sehr der Macher von der Reaktion auf sein Werk abhängig ist. Dabei hat der kreative Aspekt meistens zurückzutreten, denn die Formel »nur was sich verkauft, ist gut« steht über allem. Gerade weil die Unterhaltungsmusik keine geistigen Inhalte transportiert, hängt sie allein von der Vermittlung einer möglichst eingängigen Stimmung ab.

Wer es also mit einem eigenen Sound schaffen will, hat es in diesem Geschäft doppelt so schwer. Im Gegensatz zur Beat- und Rockmusik, die parallel zu Kaempferts großen Erfolgen ihren Aufstieg hatte und die (besonders in den Anfängen) von der Individualität einzelner Musiker geprägt war, blieb die Unterhaltungsmusik an ein bestimmtes Raster gebunden. Mochte Kaempfert sich diesem Druck durch seine bahnbrechenden Erfolge auch größtenteils entzogen haben, Rehbein besaß diesen äußerlichen Rückhalt nie. Gerade bei den Auftragsarbeiten, die er (neben den Produktionen mit Kaempfert) zahlreich ausführte, wusste er, was man da von ihm erwartete. Schließlich engagierte man ihn auch deshalb.

Rehbein verfügte über eine fundierte klassische Ausbildung, spielte selber mehrere Instrumente, darunter Geige auf einem hohen professionellen Niveau. Er sagte aber auch: »Unterhaltungsmusik kann man eigentlich nicht lernen. Und komponieren, nun ja, heutzutage muss das auch nicht mehr im üblichen Sinn gelernt sein. Man denke nur an die Beatles, die nicht einmal Noten lesen konnten und trotzdem hervorragende Musik komponiert haben.«

In seiner Arbeit streifte Rehbein immer wieder die Klassik, in der er auch seine Vorbilder hatte. Die Trennung zwischen E- und U-Musik interessierte ihn wenig. Für ihn gab es nur gute oder schlechte Musik.

Kehren wir zu Kaempfert–Rehbein zurück. Die Probe, auf die diese Freundschaft im grellen Licht des Erfolgs gestellt wurde, war hart. Hinter den Kulissen spielte sich viel ab, was der Sieger Kaempfert der Öffentlichkeit nie zeigte. Er kannte die Regeln und hielt sie eisern ein. Kaempfert und Rehbein waren wie Erde und Sphäre, das zeigen auch ihre unterschiedlichen Physiognomien. Kaempferts energische, zupackende Art, sein »Wille zur Macht«, vertrug sich nur in bestimmten Momenten mit dem Wesen Rehbeins. Diese Dynamik wurde nie durchbrochen und forderte am Schluss ihre Opfer. Auch wenn Rehbein der um Geld und Ruhm Betrogene war, Kaempfert hat sich selber genauso betrogen. Er brauchte Rehbein, um überhaupt weitermachen zu können. Und kam davon nicht mehr los.

Zwischenzeitlich ist nun auch eine Bert-Kaempfert-Biografie mit dem Titel Stranger In The Night/Die Bert Kaempfert Story erschienen. Ich habe mich mit dem Autor Marc Boettcher im April 2002 getroffen, da er bei seinen Recherchen von meinem damals noch in Arbeit befindlichen Manuskript (übrigens bereits mit dem Titel Strangers in the Night) erfahren hatte.

Warum eine Kaempfert-Biografie mit dem Titel Stranger in the Night? Boettcher hat mir bei unserem Treffen davon nichts erzählt. Vielleicht wusste er es da ja selber noch nicht. Er schrieb die Biografie im Auftrag der Kaempfert-Töchter. Und die hatten schlussendlich zu enscheiden, was gesagt und was verschwiegen werden musste. Auch wenn Boettcher auf mich den Eindruck eines um Wahrheit bemühten Autors machte, seine Hände waren gebunden. Seine Bemühungen, in dem Buch teilweise einige kritische Elemente einfließen zu lassen, sind zwar spürbar. Aber mehr durfte nicht sein!

War Kaempfert wirklich der Fremde in der Nacht? Er machte jedenfalls nie diesen Eindruck, weder privat noch beruflich. Nein, ein Fremder war er nie, schon gar nicht in dem Geschäft, in dem er so erfolgreich wirkte.

Wir werden uns das später noch genauer anschauen!

Die Idee zu diesem Buch hier entstand schon zu Rehbeins Lebzeiten. Er selbst hatte darunter gelitten, dass er kein Ventil fand, um den Menschen draußen das zu erzählen, was wirklich passiert war. Wäre ihm das gelungen, hätte es eine innere Reinigung für ihn sein können.

Da ich Rehbein persönlich gut gekannt habe, hat er mir viel aus seinem Leben erzählt. Manchmal verbrachten wir ganze Nächte im Gespräch, und es war immer ein großes Vergnügen, ihn erzählen zu hören. Sein schauspielerisches Talent war beeindruckend. Nicht umsonst hatte ihm die berühmte Schauspielerin Grete Weiser (nachdem sie Rehbein bei den Dreharbeiten zu einem Film sah, in dem er O.W. Fischer beim Geigenspiel doubelte) ein Angebot für eine Rolle – an Stelle des jungen Karl-Heinz Böhm – gemacht und, als Rehbein abschlug, sogar persönlich seine Mutter aufgesucht, damit diese ihn umstimme. Er wollte seine Erfahrungen aber auch schriftlich festhalten und machte dann, bereits schwer krank, einen Versuch. Es blieb ihm aber nicht die Zeit dazu. Jahre später griff ich das Thema aus einiger Distanz auf.

Mein Dank für die Entstehung dieses Buches gilt in erster Linie Ruth Rehbein und ihren beiden Söhnen, Herbert und Jürg Rehbein. Viele Stimmen sind dazugekommen, Kriegserlebnisse, Musikergeschichten, viel Privates, Gedanken zu Geld und Berühmtsein, zu Freundschaft, Erfolg und den Auswirkungen eines Betruges, die fast ein ganzes Leben lang gedauert haben. Bedanken möchte ich mich auch bei Heinz Schubert, der keine Mühe scheute, mich mit Informationen aus »ganz alten Zeiten« zu versorgen.

Strangers In The Night ist die Spitze des Eisbergs. Doch wir wollen tiefer tauchen, hinein ins Wasser der Zeit, um einen Teil des Fundaments zu entdecken. Werfen wir etwas Licht dagegen! Kaempferts Ruhm sei ihm unbenommen. Er hat ihn sich auf seine Weise verdient. Diese Geschichte ist längst geschrieben. Und Rehbein war für sich selbst verantwortlich.

Boettcher stellt in seiner Kaempfert-Biografie am Anfang folgende Frage: »Wie kam es aber dazu, dass der damals dem Namen nach unbekannte Produzent und Bandleader aus seiner Anonymität herausgehoben wurde und sich in den Vereinigten Staaten gegen die Konkurrenz weltbekannter Orchester behaupten konnte? Wer war dieser zurückhaltende Mann, dessen zahlreiche Evergreens bis heute unvergessen sind? Was ist dran an den jahrelangen Gerüchten, Strangers In The Night hätte ein anderer komponiert? Warum starb Bert Kaempfert im Alter von erst 56 Jahren? Vielleicht kann diese Biografie etwas Licht in das Dunkel bringen.«

Dies ist nun Rehbeins Geschichte.

Prolog

Das Haus steht an einem Hang. Ich gehe darauf zu. Links sehe ich das villenartige Gebäude eines Nobelrestaurants, dessen Fenster beleuchtet sind. Die Garage, die zu dem Haus gehört, ist verschlossen. Nacht. Hinter mir fährt eine Straßenbahn vorbei. Ich erreiche den Briefkasten. Er ist mit H. R. angeschrieben. Eine Steintreppe führt zur Haustür.

Ich bleibe einen Moment lang stehen. Kein Mensch ist zu sehen. Meine Hand berührt die Haustür. Sie ist unverschlossen, geht auf. Im Flur brennt Licht. Ich biege links ab, komme am Fuß einer Holztreppe vorbei, betrete ein Zimmer, in dem hellblaue Polstermöbel stehen. Farbige Bilder an den Wänden. Direkt vor mir führt eine Glastür nach draußen, wo die Dunkelheit der Nacht wie eine schwarze Fläche ruht.

Ich wende mich ab und steige die Treppe hoch. Bad, Zimmer, Schlafzimmer, ein kleines Zimmer, und wieder Treppe, einen Stock höher.

Der Raum direkt unter dem Dach ist lang. Ich trete ein. Rechts, direkt an der Wand neben der Tür, steht ein Klavier. Auf dem Boden liegen Notenblätter. Auf einem Tisch steht ein Spulen-Tonbandgerät. Das erhöhte Fenster reflektiert das Licht der Deckenlampe. Hinter den Scheiben liegen die Dächer der Stadt. Wie sehr hatte er diesen Ausblick gemocht!

Die Stille hier drinnen ist unerträglich. Ich strecke die Hand aus, will den Klavierdeckel anheben, lasse es bleiben.

Langsam steige ich die Treppe hinunter. Die Tür des kleinen Zimmers steht offen. Näharbeiten liegen herum. An der einen Wand hängen Fotografien, alle mit Widmungen versehen, meist schwarze, geschwungene Schriften, die teilweise übers halbe Bild hinwegfliegen.

Plötzlich ertönt eine gesungene Melodie. Laut bricht es durch die Wände, rollt wie Wind die Treppe hoch, fließt von oben die Treppe herab, strömt durch offenstehende und geschlossene Türen.

Strangers in the night exchanging glances, wond’ring in the night what were the chances, we’d be sharing love before the night was through.

Ich gehe ins untere Stockwerk, steige weiter in den Keller hinunter. Dort gibt es, da das Haus in einen Hang gebaut ist, eine Tür zur weiter vorne liegenden Garage.

Die Musik klingt unvermindert laut weiter. In der Garage steht ein dunkelroter Jaguar.

»Herbert!«, rufe ich. »Bist du da?«

Nur Musik.

Ich gehe nach oben. Es ist Zeit, um das Haus zu verlassen.

Strangers in the night, two lonely people we were. Strangers in the night up to the moment, when we said our first hello.

Draußen tauche ich in Stille ein. Die Tür hat die Musik wie eine Schleuse abgeschnitten. Nach einigen Schritten drehe ich mich um. Das Fenster oben unter dem Dach ist hell.

Gespräch mit Ruth

Wir sitzen auf der Veranda hinter dem Haus und essen italienische Teigwaren. Leichte Kost, wie Ruth sagt. Es ist August, und seit Tagen rollen wir die Vergangenheit auf. Manchmal rennen die Hunde die Hecke entlang, bellen wie verrückt und sind kaum zu beruhigen. Die Gespräche spannen sich um ein ganzes Leben. Vieles habe ich gekannt. Neues kommt hinzu, füllt Lücken oder verwirrt. Oft geraten die Zeiten durcheinander. Alte Gefühle tauchen auf, wir suchen nach Worten, nach Wahrheiten, die in uns klar sind. Es ist nicht leicht, alles zu ordnen. Es ist ein warmer Sommerabend. Die Hunde haben sich beruhigt.

Wir trinken Tee, lehnen uns zurück, genießen den Garten.

»Sie waren wie Brüder«, sagt Ruth. Und fügt hinzu: »Vielleicht wie Kain und Abel.«

»Dann hat der eine den anderen umgebracht?«, frage ich.

»Nein«, antwortet Ruth. »So kann man es nicht sehen.« Sie denkt nach. »Es bestand eine starke Beziehung zwischen den beiden. Das lief jahrelang so. Und als Herbert sich endlich von ›Fips‹(Kaempfert wurde von Freunden Fips genannt) lösen wollte, war es zu spät. Beide wollten sich voneinander lösen, doch es funktionierte nicht.«

»Warum nicht?«

»Es war wie bei einem alten Ehepaar: Keiner will den anderen mehr sehen, und trotzdem bleiben sie zusammen, vielleicht, weil es einfach die beste Lösung ist.«

Ich schweige.

»Für Herbert war der Erfolg nicht so wichtig«, sagt Ruth. »Es war für ihn so etwas wie ein Freiraum. Darüber hinaus wollte er nichts. Dass er die ganzen Jahre hinter Fips stand, machte ihm im Grunde nichts aus. Bis auf diese Geschichten ...«

Wir schweigen.

»Weißt du, was Herbert einmal sagte?«, fragt Ruth plötzlich. »Gutmütigkeit wird oft mit Dummheit gleichgesetzt. Herbert war nicht dumm. Darum kränkte es ihn mehr, dass er in seiner Gutmütigkeit betrogen wurde.«

»Aber er überspielte das auch, oder?«

»Ja. Vergessen hat er es jedoch nie.«

»Und das nagte in ihm.«

»Ja, es nagte in ihm, bis zuletzt. Der letzte Vorfall geschah noch wenige Tage vor seinem Tod.«

Davon später.

»Wie verlief deine erste Begegnung mit Kaempferts?«, will ich von Ruth wissen.

»Mit Kaempfert selbst verstand ich mich auf Anhieb«, sagt sie. »Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Mit seiner Frau Hanne entwickelte sich das problematischer. Sie hatte einmal einen enormen Wortschatz. Hochdeutsch war für mich ja eine Fremdsprache, in der ich nicht so schnell reagieren konnte. Und bei Hanne musste man reagieren, denn sie suchte diese verbale Form von Auseinandersetzung. Sie verstand es, mich in Situationen zu bringen, in denen ich mich irgendwann hilflos fühlte. Sicher nutzte sie das nicht aus, denn sie sprach auch so mit Herbert und Fips. Heute könnte ich besser damit umgehen. Dafür war ich damals zu jung. Ich befand mich plötzlich in einem Kreis von Menschen, die alle – schon vom Krieg her – viel erlebt hatten. Auch Hanne hatte viel durchgemacht, in Berlin, nach dem Krieg, als die Russen ihren Sieg auskosteten. Ich kam aus der Schweiz, wo es mir immer recht gut gegangen war. Herbert, Fips und Hanne mussten ums Überleben kämpfen, wovon ich keine Ahnung hatte. Allein schon deshalb wollte oder konnte sie mich nicht akzeptieren.«

»Darum auch dieser Ehrgeiz bei den Kaempferts?«, frage ich.

»Richtig«, bestätigt Ruth. »Solche Erlebnisse formen gewisse Menschen. Kaempferts wollten raus aus dem Dreck. Hanne wollte eine tolle Wohnung. Es war ihr gleichgültig, ob ein Tisch mehr kostete als Fips im Moment verdiente. Dann gab es eben nichts zu essen. Ihr Kommentar dazu: ›Wenn du nichts arbeitest, hast du nichts zu  essen.‹«

»Das klingt hart.«

»Sie war hart. Sie verglich sich mit einer aggressiven Journalistin aus Berlin – eine Art Elsa Maxwell –, die ganz schön die Leute in der Hand hatte. Hanne hatte mir auch in bezug auf Herbert gedroht. Klar und deutlich: Ich müsse aufpassen, sonst mache sie mich fertig! So in dem Sinn, dass sie es nicht zuließe, wenn ich ihm irgendwie schaden würde.«

»Steckte Eifersucht dahinter?«

»Herbert kam damals mit mir als junges Ding an«, erinnert sich Ruth. »Das hat sie sicher gestört. Doch sie war einfach so. Es war für mich schwer, mit ihr zurechtzukommen. Was ich von Fips nicht sagen kann.«

»Du mochtest Fips also?«

»Ja.«

»Trotz der ganzen Betrügereien?«

»Damals gab es ja noch nichts, das man ihm hätte vorwerfen können.«

»Und später?«, frage ich weiter.

»Fips hat das vielleicht alles ja auch nicht gewollt«, antwortet mir Ruth. »Irgendwann konnte er nicht mehr zurück. Er hätte einfach zu viel zugeben müssen. Und er wurde auch von den Amerikanern gedrängt, von dem Verleger und Manager Hal Fein und dem Produzenten Milt Gabler.«

»Herbert hat früher einmal gesagt: Eines Tages werde ich eine Nummer für Sinatra schreiben. Kaempfert hat ihm das dann im richtigen Moment ermöglicht. Nimmt diese Tatsache den ganzen Vorfällen ein bisschen den Schrecken? Ich meine: Strangers In The Night ist der SinatraHit überhaupt. Auch wenn das Sinatra selber nie richtig zugab (es störte ihn, dass die Nummer aus deutscher Hand kam). Aber Strangers ist eine der berühmtesten Nummern in der Unterhaltungsmusik.«

»Es schaffte ihn dermaßen ...« Ruth wirkt nachdenklich. »Er konnte das Ding nicht mehr hören, ›diese Scheißnummer‹, wie er sagte.«

»War es denn wirklich die Geschäftspolitik der Amerikaner, die Kaempfert in diese Rolle drängte?«, will ich wissen.

»Die wollten eben eine Kaempfert-Filmmusik und keine Rehbein-Filmmusik. Und für Herbert war es natürlich eine einmalige Chance, eine Filmmusik zu schreiben. Da hat doch kein Mensch an Sinatra oder gar einen Hit gedacht. Das lief einfach und kam völlig anders heraus.«

»Kaempfert ist im entscheidenden Moment aber nicht für seinen Freund eingestanden«, werfe ich ein.

»Fips hielt Herbert bewusst materiell dumm, wenn man das so sagen kann«, fährt Ruth fort. »Er nutzte gezielt seine Schwächen aus. Musikalisch, literarisch und in vielen anderen Dingen war Herbert Fips total überlegen.«

»Was waren diese Schwächen, die Kaempfert ausnutzte?«

»Herberts Desinteresse an materiellen Dingen«, erklärt Ruth. »Wenn unser Konto leer war, sagte er: ›Na ja, es kommt ja wieder was herein.‹ Es interessierte ihn auch nicht, wie viel Geld ich jeweils abhob. Er ging einmal zur Bank, um eine kleinere Summe für ein Weihnachtsgeschenk abzuheben. Da ihn dort niemand kannte, musste er seinen Pass zeigen. Das war ihm zu viel, und er sagte zu mir: ›Auf diese Bank gehe ich nie mehr.‹ So war das einfach. «

»Das war seine Mentalität«, sage ich, »wie ich sie auch an ihm erlebt habe. Geschäftliche Sachen interessierten ihn nicht.«

»Er hätte einfach nicht die Kraft gehabt, sich mit den Leuten aus der harten Geschäftswelt herumzuschlagen. Fips konnte das, er war wie geschaffen dafür. Wäre Fips selber nicht so clever gewesen, hätten ihn andere – zum Beispiel Hal Fein – beschissen.«

»Das war Herbert zu profan?«

»Es war unwichtig für ihn. Er dachte nicht so. Das zeigt sich auch darin: Wenn ich ihm mal sagte, ›Wasch doch das Auto‹, antwortete er: ›Was soll das! Bring den Wagen zum Waschen. In dieser Zeit schreibe ich eine Nummer.‹ Diese alltäglichen Dinge waren für ihn Nebensächlichkeiten. Und wenn das jemand weiß, kann er das natürlich bewusst ausnutzen.«

»Die erste Begegnung zwischen Herbert und Kaempfert ist ja bezeichnend für ihr späteres Verhältnis.«

»Richtig«, bestätigt mir Ruth. »Diese erste Begegnung ist typisch. Kaum war der Krieg vorbei, hatte Fips schon ein Motorrad. Herbert kam mit dem Geigenkasten an. Fips: ›Mensch, wo musst denn du hin? Komm, kannst aufsitzen.‹ Dort zeigte sich schon alles. Herbert sitzt hinten, den Geigenkasten unter dem Arm, Fips sitzt vorne am Steuer. So ging das mit den beiden ein Leben lang weiter, denn Fips saß immer am Steuer und ließ es nie los.«

»Es war ein hoher Preis, den Rehbein für diese Abhängigkeit zahlte.«

»Hanne sagte mir einmal«, erinnert sich Ruth, »dass Herbert ihr eigentlich den Mann weggenommen habe. Verstehst du, was ich meine? Fips war in gewisser Weise mehr daran interessiert, diese führsorgende Stellung bei Herbert als bei seiner Frau einzunehmen. In diesem Bereich fühlte er sich seinem Freund gegenüber sehr verpflichtet.«

»Und was war deine Rolle in diesem Spiel?«, frage ich Ruth.

»Ich darf sagen, dass ich Herbert vor einigen Situationen bewahrt habe. Er konnte sich manchmal für jemanden begeistern, und ich spürte intuitiv, dass ein solcher Kontakt gefährlich werden könnte. Da sagte ich ihm dann: ›Pass auf!‹«

»Warum bei Kaempfert nicht?«