Strindberg - Per Olov Enquist - E-Book

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Per Olov Enquist

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Beschreibung

Die große Strindberg-Biografie von Per Olov Enquist

August Strindberg (1849–1912) gilt als einer der wichtigsten schwedischen Autoren der Neuzeit. Der Dramatiker, der zugleich Lyriker, Romancier und Essayist war, beeinflusste nachhaltig die Literatur der Moderne und provozierte auch mit seinem Privatleben. Per Olov Enquist, einer der renommiertesten Autoren des zeitgenössischen Schweden, verwebt in seiner einzigartigen Biografie über Strindberg das private Leben des Schriftstellers mit seinen Werken und eröffnet so einen ganz neuen Blickwinkel auf das Leben des berühmten Dramatikers.

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Aus Freude am Lesen

August Strindberg gilt als einer der wichtigsten schwedischen Autoren der Neuzeit. Der Dramatiker, der zugleich Lyriker, Romancier und Essayist war, beeinflusste nachhaltig die Literatur der Moderne und provozierte auch mit seinem Privatleben. Per Olov Enquist verwebt in seiner einzigartigen Biografie über Strindberg das private Leben des Schriftstellers mit seinen Werken und eröffnet so einen ganz neuen Blickwinkel auf das Leben des berühmten Dramatikers.

PER OLOV ENQUIST, geboren 1934 in Schweden, arbeitete als Theater- und Literaturkritiker und zählt heute zu den bedeutendsten zeitgenössischen Autoren Europas. Unter anderem wurde er mit dem renommiertesten Literaturpreis Schwedens, dem August-Preis, ausgezeichnet. Enquist lebt in Stockholm.

Inhaltsverzeichnis

Aus Freude am LesenVorwort zur Neuausgabe 2012I - Der SittenschildererCopyright

Vorwort zur Neuausgabe 2012

Am 14. November 1887 erlebt Strindbergs Drama Der Vater in Kopenhagen seine Uraufführung. Strindberg besucht die Vorstellung, geht nach Hause und schreibt noch in der Nacht einen Brief an seinen Freund Axel Lundegård. In diesem Brief teilt er seinem Freund mit, dass er sich das Leben nehmen wolle, und fügt hinzu:

»Es kommt mir so vor, als wandelte ich im Schlaf; als vermischten sich Leben und Dichtung. Ich weiß nicht, ob das, was ich schrieb [Der Vater], Dichtung ist, oder ob mein Leben es war; doch mir scheint, als würde mir dies in einem gegebenen, kurz bevorstehenden Augenblick aufgehen, und dann stürze ich entweder in den Wahnsinn, voll Gewissensqualen, oder in den Selbstmord. Durch vieles Dichten ist mein Leben zu einem Schattendasein geworden; mich dünkt, ich gehe nicht mehr auf der Erde, schwebe vielmehr schwerelos in einer Atmosphäre nicht aus Luft, sondern aus Dunkelheit. Fällt Licht in dieses Dunkel, so falle ich zerschmettert herab. –Sonderbarerweise fühle ich mich in einem häufig wiederkehrenden nächtlichen Traum fliegen, schwerelos, und finde dies ganz natürlich, wie auch alle Begriffe von recht, unrecht, wahr, unwahr bei mir aufgelöst sind, und alles, was geschieht, wie ungewöhnlich es auch sei, erscheint mir so, wie es sein soll.«

Diese Stimmung – ein geheimnisvoller und verzweifelter Ausbruch Strindbergs im dänischen Exil – ist für ihn keineswegs eine Ausnahme. Sie ist auch nicht unproduktiv. In gut einem Jahr nach dieser Nacht wird er fünf zentrale Werke seines schriftstellerischen Schaffens verfasst haben, so auch den entsetzlichen Roman Tschandala, mit eindeutig rassistischem Gedankengut, lange nachdem Strindberg selbst dies eigentlich hinter sich gelassen hatte und klüger geworden war. Das kommende Jahr sollte aber auch das weltweit erste naturalistische Drama Fräulein Julie einschließen; in derselben Periode wird er wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen angeklagt werden, sich auf eine desperate Flucht nach Berlin begeben, sich scheiden lassen, und seine große Infernokrise wird sich bereits ankündigen.

Und er weiß nicht, ob sein Leben Dichtung war, oder ob seine Dichtung das einzige Leben ist, das er gelebt hat; und fällt Licht in diese Dunkelheit, glaubt er sich zermalmt.

Man kann dieses Lebensjahr verlängern und es zu einem generellen Ausgangspunkt werden lassen, wenn wir August Strindbergs Leben betrachten. Was war Leben, oder Dichtung, oder Traum, und was verbirgt sich hinter Strindbergs verschiedenen Gesichtern? In einzigartig hohem Grad flossen bei ihm Leben und Dichtung zusammen, und das hat jeder, der seine Texte deuten wollte, gern zu einem zentralen Punkt seiner Auseinandersetzungen gemacht. Einige sagen: Lest ausschließlich seine Texte. Andere haben behauptet, er habe sein Leben inszeniert, einschließlich der Katastrophen, um Material für die Erschaffung seiner Kunst zu erhalten; das ist bestimmt größtenteils Unsinn – vielmehr aber ein Ausdruck für die Verwirrung, in die oft derjenige geraten ist, der die Beziehung zwischen August Strindbergs Leben und Werk deuten wollte.

August Strindberg hatte tatsächlich viele Gesichter. Ein Bild – aber nicht das einzige – seines Werks erhält man, wenn man ausschließlich seine belletristischen Texte liest: seine unzähligen Theaterstücke, einige davon miserabel, andere bahnbrechend für die Weltdramatik. Oder diese seine Prosa, die für die Entwicklung des modernen nordischen Romans epochengestaltend war, und die leider außerhalb von Schwedens Grenzen weniger bekannt ist. Ein anderes Bild bekommt man jedoch, wenn man sich seinen Briefen widmet: Er war ein manischer Briefeschreiber, mittlerweile sind alle publiziert.

In den Briefen ist er ein anderer.

Die Briefe sind ungemein und ununterbrochen fesselnd, er ist rasend, befindet sich in einer Verteidigungslage, ist amüsant, desperat, eigentlich sehr jung: ein Jüngling, der »einsam, schmalschulterig, frierend« ist, wie Stig Dagerman einmal schrieb, ein ungeschützter und ergreifender und oft ziemlich komischer Mensch. Aber in jedem Fall sehr menschlich. Man kann sich leicht mit ihm identifizieren. August Strindbergs Briefe öffnen auch viele neue Zugangsweisen zu seinen Texten, liest man sie, scheint es unmöglich, in seinem Werk zwischen Leben und Dichtung zu unterscheiden.

August Strindberg hat in seinen Publikationen viele Verteidigungsreden gehalten. Oft fällt es schwer zu erkennen, was die eigentlichen Anklagepunkte sind. Wenn er erregt erklärt, das Mädchen in dem Stück Ostern sei nicht am Diebstahl von Osterglocken schuldig, dient dies in irgendeiner Weise auch dazu, eine andere Schuld in seinem eigenen Leben zu vertuschen (vielleicht die, dass er und seine erste Ehefrau Siri ihr erstes Kind zu einer Engelmacherin schickten, um eine allzu frühe Schwangerschaft zu verbergen – kurz gesagt Kindsmord). Aber man weiß es nie genau. Die Quintessenz ist jedoch immer: Ich bin unschuldig! Unschuldig!

Aber woran? Die Angst und die Schuld, sie können jedoch niemals kaschiert werden. Sie verleihen dem Text eine brennende Intensität.

Und er hatte Grund genug, sich verzweifelt zu fühlen. War er mitunter paranoid, kann das daran liegen, dass er wirklich verfolgt wurde. Das hängt damit zusammen, dass er tatsächlich –auch! – ein homo politicus war, ständig in politischen Fragen engagiert, ständig in Konfrontation mit einem Machtestablishment, von dem er spürte, dass es im Begriff war, ihn zu zermalmen, und das er ebenso beharrlich selbst in Frage stellen wollte. Doch die Welt der Politik war für ihn nichts Hässliches, mit dem ein edler Schriftsteller sich nicht beschmutzen sollte, sondern im Gegenteil etwas, womit er sich herumschlagen musste.

Auf diese Weise wurde er ein Vorbild für viele nordische Schriftsteller. Politische Texte zu schreiben war nichts Hässliches. Es gehörte zum Auftrag des Schriftstellers. Er nahm diesen Auftrag irrsinnig ernst. Die Nachwelt hat ihn oft ungerechterweise mit Frauenhass verknüpft; besser wäre es zu sagen, dass er ein Mann war, der manchmal dazu neigte, private Enttäuschungen zu verallgemeinern. Verletzt, wütend und verwundbar war er vom Typ her eher ein Mann, der von Frauen abhängig war, als einer, der sie hasste.

Dieser Fernsehroman – ich finde kein besseres Wort – lag einer TV-Serie in sechs Abschnitten zugrunde, die Sveriges Television 1985 sendete. Der Roman handelt von seinem Leben. Dass sich dann für August Strindberg »Leben und Dichtung vermischten«, wissen wir ja.

Per Olov Enquist

I

Der Sittenschilderer

Zuerst alles weiß; nichts als weiß. Nur eine langsam tröpfelnde Melodie, ein Hammerklavier, ein kleines Lied. »Adieu, Mignon, Courage«. Eine Gestalt tritt langsam aus dem Weiß hervor: kleine Bleistiftstriche, graue Schattierungen, ein Gesicht. Ein Mann in Hut und Mantel. Es ist Winter, es schneit. Ein Mann, der durch den Schnee geht, wir sehen es immer deutlicher. Wir erkennen ihn: August Strindberg, wie auf der berühmten letzten Fotografie, beim Spaziergang im Schneetreiben auf der Drottninggatan.

Er ist alt. Sein Gesicht hat manchen Schlag abbekommen. Am eindringlichsten die Augen: furchtsam, aggressiv, hell. Doch, er hat einiges mitgemacht.

Er geht durch den Schnee, ins Theater hinein. Er sitzt unten im Zuschauerraum, der nahezu leer ist. Oben auf der Bühne wird Ein Traumspiel geprobt. Es ist das Schwedische Theater in Stockholm.

Er ist nicht allein: Neben ihm sitzt der Regisseur, Herr Castegren. Herr Castegren ist ein nervöser kleiner Mann mit großen, unbegreiflichen Gesten und einem hektisch zuckenden Gesicht. Er redet zuviel. Offenbar ist er auch ein bisschen besorgt, ob der große Dichter womöglich nicht zufrieden sein könnte.

»Herr Strindberg«, flüsterte er, »wir konnten leider! leider! die Lichtbildapparate aus Dresden nicht verwenden … und daher … und daher …«

Strindberg schweigt gequält und verfolgt hartnäckig das Spiel auf der Bühne. Indras Tochter wandert unter den Kindern der Welt umher, das Leben ist Schmutz, alles ist Schmutz. Er schweigt, doch Herr Castegren flüstert nervös weiter: Ref. 1

»Gefällt Ihnen das Bühnenbild, Herr Strindberg … der Theatermaler Grabow hat versucht, diesen Traumcharakter zu gestalten … aber es ist ein schwieriges Stück, Herr Strindberg, schwierig … sehr schwierig …«

Dort oben auf der Bühne holpert die Probe weiter, der Offizier sagt Wenn man mich aber doch ungerecht behandelt. Und die Mutter sagt Du spielst auf das eine Mal an, als du zu Unrecht bestraft wurdest, weil du angeblich einen Groschen genommen hattest, der sich später wiederfand! Und der Offizier antwortet Ja! Und diese Ungerechtigkeit gab meinem ganzen Leben eine verkehrte Richtung… Es klingt nicht besonders gut.

Herr Castegren schielt unruhig zur Seite, flüstert weiter monoton:

… schwierig … ein schwieriges Stück …«

Es zuckt in Strindbergs Gesicht. Er sagt leise, beinahe feindselig:

»Das Kind meines größten Schmerzes, Herr Castegren.«

»Selbstverständlich, Herr Strindberg. Selbstverständlich.«

Es ist, als höre Strindberg ihn nicht. Er sagt leise, wie zu sich selbst:

»Mir ist … als hätte dies nie gespielt werden dürfen. Es ist vermessen. Eine Lästerung. Es ist doch… mein ganzes Leben.«

»Ihr Leben, Herr Strindberg?«

Auf der Bühne steht der Offizier jetzt vor einer Tür. Die Tür ist mattgrün, und ein Luftloch in Form eines vierblättrigen Kleeblatts ist hineingeschnitten. Herr Castegren schwitzt jetzt, er flüstert:

»Wir haben es genau nach Ihren Angaben gemacht, Herr Strindberg, ein vierblättriges Kleeblatt an der Tür. Da es so wichtig war …«

Er verstummt, starrt Strindberg an und fragt schließlich, wie unter Zwang:

»Warum … war es so wichtig?«

Keine Antwort. Aber da oben sagt der Offizier:

Und diese Tür habe ich zweitausendfünfhundertfünfundfünfzigmal angesehen, ohne herauszufinden, wohin sie führt! Und dieses Kleeblatt, das Licht hereinlassen soll … Ist jemand da drinnen? Wohnt da jemand? … Diese Tür, die mir keine Ruhe lässt … was ist dahinter? Die Tür muss geöffnet werden.

Langsam, fast unbewusst, erhebt sich Strindberg. Sein Gesicht ist angespannt. Den Blick auf die Tür mit dem vierblättrigen Kleeblatt gerichtet, flüstert er leise, fast wie ein Zischen zwischen halb geschlossenen Lippen:

»Nein!«

Und dann:

»Mein Leben.«

Hinter dem vierblättrigen Kleeblatt – ein Zimmer voller Gegenstände. Tisch, Kerzenleuchter, Stuhl, ein Bild an der Wand, Lampe, Sofa: ein Wohnzimmer in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Wohnung ist nicht groß, doch recht komfortabel. Alles, was zur üblichen Einrichtung gehört, ist vorhanden.

Das Gesicht eines Jungen. Er ist etwa dreizehn Jahre alt, dunkles Haar, ernste Augen. Behutsam, konzentriert betastet er ein Ornament: lässt den Finger daran entlanggleiten, in jeden Schnörkel hinein, langsam, fast zärtlich. Es ist das vierblättrige Kleeblatt, eingelassen in die Tür.

Hinter ihm ein Mann, der an einem Tisch sitzt. Der Junge heißt August Strindberg, der Mann ist sein Vater.

Der Finger gleitet um das Ornament herum: Es ist, als suche er nach einer Unregelmäßigkeit oder nach einem Geheimnis. Wonach sucht er wirklich? Der Vater hat den Tisch mit Reagenzgläsern vollgestellt; nein, nicht den ganzen Tisch, rechts liegt ein Kassenbuch, in das er Einträgungen macht. Langsam, methodisch füllt er die Seite mit einer langen Zahlenkolonne. Die Reagenzgläser rührt er nicht an. Dann sagt er, ohne von dem Kassenbuch aufzusehen:

»Geh zu Mama hinein, August.«

Der Junge antwortet nicht. Er scheint es nicht gehört zu haben, oder er will nicht hören. Er geht zum Tisch vor, tippt vorsichtig an einen der Kolben. Darin ein gelber, matt schimmernder Staub. Hingerissen betrachtet er das Pulver.

»Geh zu Mama hinein«, sagt der Vater. »Hast du nicht gehört, was ich sagte?«

Der Junge fragt atemlos:

»Ist das … Gold?«

Der Vater schreibt ruhig weiter, sagt nach einer Weile nachdenklich:

»August … niemand kann Gold machen… schon gar nicht solche Amateurchemiker wie ich. Gold … mein Gott, lernt ihr denn gar nichts in der Schule? Aber du solltest … du solltest… in deiner Freizeit etwas mehr forschen. Die Wissenschaftler werden die großen Männer der neuen Zeit sein. Die neuen Könige. Die Entdeckungsreisenden … die Wissenschaftler … das sind die großen Männer der Zukunft. Wie … wie …«

Er hält inne, der Federhalter stockt, er sieht vor sich hin wie in tiefe Gedanken versunken und fügt hinzu, als spreche er zu sich selbst:

»Die Helden des neunzehnten Jahrhunderts.«

Dann schreibt er weiter. August geht still an ihm vorbei, zur Tür mit dem vierblättrigen Kleeblatt, streckt die Hand nach der Türklinke aus. Hinter seinem Rücken hört er die Stimme des Vaters:

»Du musst jetzt lieb zu Mutter sein, denn sie hat Schmerzen.«

Da öffnet er vorsichtig die Tür mit dem vierblättrigen Kleeblatt.

Als der Junge die Tür öffnet, schreckt die Mutter aus dem Schlaf hoch: bleich, hohlwangig, trotzdem irgendwie jung. Sie starrt ihn einen Augenblick mit einem wilden, wirren Blick an, erinnert sich dann plötzlich, wo sie ist, richtet sich mühsam auf, fischt das Gebiss aus dem Glas mit Salzwasser, beugt sich zur Seite, verbirgt hinter der Hand, was sie tut.

Den Rücken hat sie August zugewendet. Mit einer scheuen, hastigen, fast verschämten Gebärde steckt sie das Gebiss in den Mund. Setzt sich vorsichtig auf die Bettkante, sieht ihn an, sagt entschuldigend:

»Ich will nicht, dass du mich ohne sie siehst, kleiner August. Du sollst deine Mutter nicht so hässlich in Erinnerung behalten.«

Er steht still und verlegen vor ihr und weiß nicht, was er sagen soll.

»Mama, solltest du nicht im Bett bleiben?«

»Doch.«

Schweigen.

»August«, sagt sie. »Kleiner August. Irgendwie habe ich nie so recht die Zeit gefunden, mit dir zu reden. Es war doch so viel zu tun, August, aber du warst immer lieb zu mir. Hol den Zettel.«

»Was?«

»Den Zettel! In der Schublade!«

Während er sich vorbeugt, um die Schublade herauszuziehen, setzt sie murmelnd ihren Monolog fort.

»Immer betrügen sie einen, August, du musst mir versprechen, dass du dich nie von ihnen betrügen lässt. Versprich es mir. Und du musst versprechen, ein richtiger Christ zu werden. Du sollst Pfarrer werden, aber kein Heuchler, du musst glauben, was du sagst. Kleiner August. Ich möchte wissen, ob man mich in Onkel Axels Grab legen wird.«

»Mama … du darfst nicht …«

»Die Strindbergs meinten immer, ich sei für ihre Familie nicht fein genug. Aber du schämst dich meiner doch nicht, August. Onkel Axels Grab ist so schön, das mit dem Eisengitter. Hast du den Zettel, kleiner August?«

Der Zettel ist zerknittert. Ihre Schrift ist fahrig, strebt in verschiedene Richtungen, aber sie hat es zweifellos selber geschrieben. Er liest mühsam, während sie nickend jedes Wort zu bestätigen scheint.

»… und den Ring, den ich in die linke untere Schublade vom Schreibtisch gelegt habe, den soll August bekomen, und da ich …«

Er verstummt, er kann nicht mehr. Die Mutter wiegt sich langsam vor und zurück, sagt wie zu sich selbst:

»Wie schade, dass wir nie richtig zum Reden gekommen sind, solange … ich Zeit hatte … den Ring sollst du bekommen. Gib mir ein wenig Wasser, August.«

Der Wassereimer in der Ecke, die Schöpfkelle. Er hält sie ihr an den Mund, sie versucht zu trinken, dann fließt etwas in die Kelle zurück: rot. Er starrt es an wie verhext. Sie sieht ihn an, atmet rasch mit offenem Mund. Hebt die Hand, berührt behutsam seine Wange.

Stille. Völlige Stille. Da kommt der Vater herein, bleibt in der Tür stehen: ein Standbild, ein Schatten. Dann bettet er sie in die Kissen.

August rennt schnell, schnell über den leeren Schulhof, die Treppe hinauf, durch den Korridor. Keucht. Die Tür zum Klassenzimmer. Er öffnet sie vorsichtig.

Die ganze Klasse schaut ihn an.

Der Lehrer ist ein komischer Kauz. Ein bisschen deklassiert, ein bisschen heruntergekommen, versucht er trotzdem in seinem schmutzigen Hemd nach etwas Besserem auszusehen. Vielleicht ist er etwas angetrunken. Er lächelt den Sünder freudlos an.

»Soso, Strindberg kommt zu spät. Was soll aus dir werden, Strindberg? Kein Benehmen. Das ist kein Spaß. Auf das Verbrechen folgt die Strafe. Ist nicht zu umgehen, Freundchen. Gilt für alle, ohne Ausnahme. Manche glauben, nur die Unschuldigen würden bestraft, aber das stimmt nicht. Wenn die Stunde vorbei ist, wird der Direktor persönlich die Karbatsche schwingen. Er mag das. Setzen, Strindberg. Danach kannst du vielleicht nicht mehr so gut sitzen. Johansson wird auch die Karbatsche kriegen. Jedem das Seine. Das Gesetz ist gerecht.«

Alle schauen ihn an, als er sich setzt. Sie lächeln alle.

Der Direktor bedeutet den beiden Opfern schweigend, sich bäuchlings aufs Katheder zu legen; die Hosen sind heruntergelassen. Hebt nachdenklich die Karbatsche über dem jungen Johansson.

Er schlägt lange.

Dann ist August dran.

Doch dem Direktor scheint plötzlich etwas in den Sinn zu kommen. Er saugt an einem Zahn. Er blickt auf die Namen an der Tafel. Die Klasse wartet atemlos.

»Strindberg? Strindberg, Strindberg, Strindberg. Strindberg! Ist der Vater nicht Schiffskommissionär?«

Langsam begreift August, dass er angesprochen ist. Dreht den Kopf nach oben, schielt nach seinem Peiniger.

»Doch…«

Die Karbatsche wird nachdenklich gesenkt, doch nicht auf Strindbergs Hintern.

»Ein feiner Kerl. Vertrauenswürdig. Ach so, er stammt aus guter Familie. Kommt aber zu spät.«

Er verfinstert sich und schlägt nachdenklich auf den noch entblößten Hintern des jungen Johansson. Worauf dieser, der die Prüfung überstanden glaubte, zusammenzuckt und vorwurfsvoll jammert.

»Man soll nie zu spät kommen! Strindberg. Hat er nicht einen Onkel bei Hofe? Gehört nicht Samuel Owen zur Familie? Gute Familie. Unnötig also, zu spät zu kommen. Hat wohl einen weiten Schulweg. Das erklärt die Sache. Dann braucht er nicht so dazuliegen, Strindberg. Dann wurden nicht alle Umstände berücksichtigt. Herr Lindberg!«

Der deklassierte Lehrer erkennt zu seinem Schrecken und seiner Verbitterung, dass ihm etwas aus den Händen gleitet. Er sagt verbissen:

»Johansson hat einen längeren Schulweg!«

»Ich spreche von Prinzipien! Strindberg hat einen langen Weg und stammt aus guter Familie!«

»Selbstverständlich. Selbstverständlich.«

Der Direktor verpasst Johansson noch einige Hiebe, um zu unterstreichen, dass das Gespräch beendet ist, und sagt:

»Strindberg, für diesmal ist ihm die Strafe erlassen.«

Das Gesicht des Lehrers: devot, zornentbrannt. Nachdem der Direktor gegangen ist und alle Schulkinder brav in Reih und Glied hinausströmen, zerrt er Strindberg plötzlich aus der Reihe, schließt die Tür, drückt August in eine Ecke. Leichter Schnapsgeruch, aber noch etwas anderes. Nüchterner, eiskalter Hass, wie von einem, auf dem man lange herumgetrampelt hat.

»August Strindberg, tüchtiger Junge. Er wird es weit bringen. Wird es schaffen. Jetzt weißt du, wozu Gesetze da sind. Das ist eine Erfindung der Oberklasse, um die Unterklasse unten zu halten. Die Gesetze der Starken gegen die Schwachen. Ein Onkel bei Hofe, wie. Feiner Vater. Dann hast du die Gesetze auf deiner Seite. Brauchst keine Prügel einzustecken. Keine Strafe. Jetzt weißt du, was die Gesetze sind. Humbug.«

Er spuckt fast.

»Du wirst es weit bringen. Viel weiter als ich. Ich gehöre zur Unterklasse.«

Das Gesicht des Jungen ist starr vor Schrecken, verwirrt. Dann wird er losgelassen, steht einen Augenblick still, sieht, wie der Lehrer seinen Jähzorn wieder unter Kontrolle bringt.

Er geht in den Korridor hinaus. Dort warten seine Mitschüler, schweigend. Sie stehen in einem feindseligen Haufen da, mit stummem, eisigem Lächeln und einhellig geballten Fäusten.

Einer von ihnen flüstert:

»Du Scheißkerl. Du Scheißkerl.«

Und dann schließt er sich den wartenden Mitschülern an.

Der Vater geht zur Uhr, klappt den Uhrenkasten auf und bringt die Uhr zum Stehen. Langsam, fast zeremoniell. Eine plötzliche Stille. Eine ungeheure Stille.

Dann geht er ins Zimmer der Jungen. Das Licht fällt über den Boden, der Vater in der Tür, August setzt sich schlaftrunken auf, und der Vater sagt still:

»Kommt jetzt herein zu Mutters Totenbett.«

Sie gehen in ihren Nachthemden hinein. Das Zimmer ist kalt. Sie frieren. Setzen sich auf Stühle rings ums Bett.

Das Kinn ist ihr heruntergefallen, die verfilzten Haare sind noch nass und kleben an der Stirn. Axel, der Bruder, beginnt plötzlich zu weinen. Da sagt der Vater still:

»Gott hat uns heimgesucht. Jetzt wollen wir zusammenhalten wie Freunde.«

Axel schluchzt immer heftiger. Doch der Vater fährt fort:

»Sie stammte aus einfachen Verhältnissen, wurde aber in unsere Familie aufgenommen. Sie war eine gute Mutter. Sie war gut. Gut.«

In das folgende Schweigen hinein sagt August:

»Dann darf sie im Familiengrab liegen. Das wollte sie.«

»Was?«

»In Onkels Grab. Dem mit dem Zaun und der Marmorurne.«

Der Vater, überrumpelt und leicht gereizt:

»Das hat doch noch Zeit, und jetzt wollen wir …«

»Wenn sie also fein genug wäre.«

Am Begräbnistag grauer Regen. Die kleine Schwester weint hysterisch, Axel beruhigt sie. Alle sind bewegt. Und die Tante sagt so leise zum Vater, dass nur August es versteht:

»Denk mal an, so hoch ist sie gestiegen. dass sie jetzt bei uns begraben wird.«

Augusts Gesicht: starr im Regen.

Und solchermaßen erhöht wird sie jetzt hinabgesenkt.

Tageslicht grell durchs Fenster. Rufe vom Hof herauf. Um den Tisch sitzen einige Personen. Die Kinder, darunter August, der Vater und eine unbekannte junge Frau.

Der Vater liest mit dumpfer Stimme von einem Zettel ab.

»Ich lese weiter aus Mutters Testament, das sie eigenhändig für euch aufgesetzt hat: An meine Söhne …«

Die Mädchen schauen ihn düster, aber ohne Überraschung an.

»Werdet Männer im wahren Sinne des Wortes, doch baut niemals auf die eigenen Kräfte, sondern betet zu Gott. Außerdem warne ich euch vor zwei Lastern, als da sind: die Trunksucht und der Besuch von Hurenhäusern, diese Laster sind es, die…«

August, der neben ihm sitzt, schaut immer verwirrter drein. Er beugt sich schräg nach vorn, schielt auf den Zettel, studiert ihn von der Seite, immer aufmerksamer. Dann streckt er sich plötzlich vor, zeigt mit dem Finger und sagt unschuldsvoll und tonlos:

»Das ist nicht Mamas Schrift!«

Totenstille.

»Das ist nicht Mamas Schrift!«

Der Vater starrt den Sohn sprachlos vor Staunen an. Dann flammt sein Zorn rasch auf, und er donnert los:

»Ruhe, solange ich Mamas Testament vorlese!«

»Das ist nicht Mamas Schrift. Und sie würde so was nicht schreiben.«

Die anderen Kinder sind wie gelähmt, aber höchst interessiert. Das Gesicht des Vaters spricht Bände.

»Ruhe! Ich dulde keine naseweisen Bemerkungen!«

»Aber Mama hat gesagt, man soll sich nicht betrügen lassen, und …«

»Ruhe! Jetzt bist du still!«

Er kann seine Wut kaum beherrschen, und plötzlich kocht noch etwas anderes hoch.

»Und überhaupt! Du hast gar nichts zu sagen! Wie man sich deiner schämen muss! Fast der Schlechteste in der Klasse! Nummer 27 von 37! Unglaublich schlechte Noten! Vierer und Fünfer und kaum etwas darüber. Eine Vier in Chemie! Es ist entsetzlich! Wenn du wenigstens auf irgendeinem Gebiet begabt wärst … aber diese graue Mittelmäßigkeit! Ich schäme mich! Ich schäme mich!«

Alle sitzen da wie gelähmt. Langsam gewinnt der Vater seine Selbstbeherrschung wieder. Es ist offensichtlich nicht der richtige Zeitpunkt, über Zeugnisse zu reden. Der Vater nimmt sich zusammen und sagt mit einem etwas unsicheren Lächeln, das versöhnlich sein soll:

»Nun möchte ich euch erzählen, liebe Kinder, dass Emilia jetzt bei uns die Haushaltsführung übernehmen wird. Sie ist eine gute Frau. Sie wird für euch und den Haushalt die Verantwortung tragen, nachdem Mutter fort ist.«

Emilia erhebt sich. Leicht angefeuchtete Lippen, sinnlich und fromm. Geht mit sicheren Schritten zum Stuhl des Vaters und legt ihre Hand sanft und selbstbewusst auf seine Schulter.

Sie lächelt den Kindern zu.

Von seinem Beobachtungsposten aus sieht August, wie Emilia und der Vater sekundenlang im halbdunklen Flur dicht beieinander stehen: eine rasche Liebkosung, ein Kichern. Dann sagt Emilia mit leiser Stimme:

»Nein. Noch nicht.«

Das Auge des Jungen. Es blinzelt nicht einmal. Er hört sie sagen:

»Du musst dir August vornehmen. Man wird unmöglich aus ihm schlau. Was soll bloß aus ihm werden?«

Der Junge schließt leise, leise die Tür hinter sich. Geht in der Dämmerung durchs Zimmer, zum Spiegel hin. Mustert eingehend sein Gesicht.

Dann nimmt er den schwarzen Kohlenstift aus dem Retortenschrank des Vaters und zieht langsam einen schwarzen Strich senkrecht über sein eines Auge, einen Clownstrich. Dann noch einen über das andere Auge. Dann einen Kinnbart. Einen Schnurrbart.

Mustert sein Gesicht, immer eindringlicher, als habe er plötzlich etwas entdeckt.

Der Achtzehnjährige geht durch die große; fantastische Kulisse und starrt fasziniert zum Schnürboden mit seinem Gewirr von Seilen und Winden hinauf. Ein Logenschließer mit der Statur eines Metzgergesellen stellt sich ihm in den Weg, und August sagt rasch:

»Ich heiße August Strindberg. Um elf sollte hier ein Vorsprechen für Schauspieler sein, und ich …«

»Hier entlang.«

Er bekommt einen Platz hinter ein paar riesigen Löwen aus Pappmaché zugewiesen, die vermutlich für ein Abenteuerstück vorgesehen sind. Da sitzen schon drei Personen, offenbar Mitbewerber oder Konkurrenten. Einer davon ist sehr groß, sehr selbstbewusst und äußerst affektiert: Er setzt sich gern in Szene.

»… und für mich ist auch die äußere Positur formend … ich meine, sie formt den Künstler auf der Bühne … die Innerlichkeit, die ich in mir heraufbeschwören will, ist in den Augen… im schmetterlingshaften Beben der Hände… in Gesten der Angst … des Entsetzens … der Wille, sich vom banalen Alltagsrealismus zu entfernen … und der Künstler, der zu werden ich mir erträume …«

Der riesenhafte Metzger taucht auf und ruft dröhnend:

»Strinnlund! Kommen Sie!«

Sie gehen auf die Bühne. Der Logenschließer voran, er geht zur Rampe vor und ruft dröhnend wie zuvor:

»Nach Strinnlund sind es noch drei.«

Die beiden Männer unten im Zuschauerraum sehen nicht von ihren Papieren auf. Sie sitzen in der achten beziehungsweise zwölften Reihe. Sie schreiben. Der erste ruft, ohne aufzuschauen:

»Anfangen!«

Strindberg schwitzt. Die Bühne ist riesig. Er holt Luft und sagt mit brüchiger Stimme:

»Ich möchte eine Szene aus Schillers Räuber spielen.«

Der Mann da unten scheint nichts gehört zu haben.

»Anfangen!«

Und Strindberg fängt an. Doch seine dünne, nervöse Stimme trägt nicht weit, und mit der Schauspielerei ist es nicht weit her. Ein kleiner Schritt zur Seite, eine erschrockene Geste, ein flehentliches Achselzucken. Er deklamiert, schwitzend. Der vordere der beiden Männer lehnt sich zu dem anderen zurück, fragt:

»Hat er angefangen?«

»Ich glaube. Ich meine, der Mund bewegt sich ein wenig.«

Der erste ruft mit kräftiger Stimme:

»Lauter!«

Strindberg verstummt mitten in einer Tirade, leckt sich die Lippen, fängt von vorn an, nur wenig lauter.

Der Mann da unten seufzt, kehrt zu seinen Aufzeichnungen zurück, sagt halblaut zu seinem Partner:

»Raus mit dem Stümper.«

Der Assistent steht auf, ruft sehr laut:

»Wir danken vielmals.«

August, hochrot im Gesicht und verwirrt:

»Was ist … wie bitte?«

»Wir danken vielmals.«

Der Metzger schlurft herein und sagt erklärend, mit der gleichen dröhnenden Stimme wie zuvor:

»Wir danken vielmals.«

Dreht sich dann um und ruft:

»Der nächste! Lindqvist!«

Der Schauspieler Lindqvist schenkt Strindberg ein sanftes, bedauerndes Lächeln, holt Luft, schlängelt sich auf die Bühne, hält inne, wie erstarrt vor Staunen, Innerlichkeit und Verzweiflung, presst die Hände aufs Herz, schließt die Augen. Er ist bereit, er kann anfangen.

Die beiden Männer unten im Zuschauerraum lassen ihre Bleistifte sinken und betrachten mit wachsendem Interesse die schwankende Blüte auf der Bühne, die jetzt ihren dramatischen Monolog beginnt. Ein großer Auftritt bahnt sich an.

Strindberg wird hinausgebracht. Er murmelt vor sich hin:

»Nur die Kretins haben Erfolg.«

Und der Metzger sagt polternd:

»Da ist die Hintertür, Strinnblom.«

Als August das Armenspital betritt, schlägt ihm Gestank ins Gesicht, und er bleibt stehen. Es ist wie in der Hölle. Einer hat seinen Nachttopf auf dem Boden ausgekippt, die Armenhäusler jammern, es herrscht Apathie und Verzweiflung.

Die Vorsteherin weiß, dass er Kind besserer Leute ist, und behandelt ihn mit Respekt.

»Das ist aber nett von Ihnen, Herr Strindberg, dass Sie Ihre alte Amme besuchen wollen. Ja, es geht ihr ziemlich schlecht… sie ist nicht ganz… nicht ganz… aber wie nett von Ihnen, dass Sie …«

Er geht suchend zwischen den Betten durch. Schließlich findet er sie. Es ist seine alte Amme. Mittlerweile ist sie fast blind. Die Hände, in schmutzige Lumpen gewickelt, zittern unablässig.

Er beugt sich vor, ganz dicht zu ihr hin.

»Ich bin es, August. Ich soll ganz herzlich von allen grüßen.«

Sie verzieht das Gesicht zu einer Art von Lächeln, es wird breiter und breiter.

»So ’ne Freude … so ’ne Freude … hast du deine Mutter dabei … so ’ne Freude, dich zu sehn.«

»Mutter ist tot! Schon seit sechs Jahren. Mutter ist schon lange tot!«

Ihr Mund kaut unaufhörlich, das Lächeln wird breiter, August beugt sich immer weiter vor, flüstert, damit die andern es nicht hören, in ihr zahnloses Lächeln hinein, aus dem nur noch zwei butterblumengelbe Zähne hervorleuchten:

»… Mutter ist tot … und ich habe Abitur gemacht … Abitur, Tante Alma! Ich möchte was werden, ich weiß nur noch nicht genau, was. Arzt vielleicht. Oder Forscher. Oder Entdeckungsreisender. Oder Journalist. Oder Schriftsteller. Irgendwas. Tante Alma, verstehst du, dass ich es nicht weiß? Ich weiß überhaupt nichts. Ich habe eine Verlobte, sie heißt Maria. Ich liebe sie. Tante …«

Doch er kann nicht zu ihr vordringen, sie wiederholt nur, mit irrem Lächeln, immer wieder dasselbe:

»… so ’ne Freude … so ’ne Freude … so ’ne Freude …«

»… aber keiner glaubt dran, dass etwas aus mir wird, und ich habe solche Angst, verstehst du, Tante Alma, dass ich …« Sie versteht. Mit ihrer klauenartigen Hand zerrt sie an dem grauen Laken und entblößt eine Brust, schlaff und längst versiegt, doch diese Brust hat August Strindberg oft gestillt. Und

Die schwedische Originalausgabe erschien 1984 unter dem Titel »Strindberg: ett liv« im Verlag P. A. Norstedts & Söners Förlag, Stockholm.

1. Auflage Genehmigte und aktualisierte Neuausgabe März 2012, btb Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Copyright © 1984 by Per Olov Enquist Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 1985 by Luchterhand Literaturverlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München Umschlaggestaltung: semper smile, München Umschlagmotiv: © August Strindberg, foto by Magnus Wester 1912, Strindbergmuseet, Stockholm Satz: Uhl + Massopust, Aalen

LW · Herstellung: BB

eISBN 978-3-641-08135-5

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