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Ein Wettlauf gegen die Zeit
Die „Herren“ vom Planeten Sark unterdrücken die Bewohner des Planeten Florina, einer Agrarwelt. Dort wird Kyrt produziert, eine fluoreszierende Faser, die nirgendwo sonst im Universum hergestellt werden kann. Als ein Weltraumanalytiker von der Erde herausfindet, dass Florinas Sonne kurz davor steht, zu einer Supernova zu werden, wird er zu einem Risiko für die „Herren“. Sie verwandeln ihn mit einer Psychosonde in einen hilflosen Idioten und setzen ihn auf Florina aus. Doch nach einem Jahr kehrt seine Erinnerung zurück, und er beginnt, sich auf die Suche nach den Ursprüngen seiner scheinbar irrationalen Ängste zu machen …
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Seitenzahl: 372
Das Buch
Die »Herren« vom Planeten Sark unterdrücken die Bewohner des Planeten Florina, einer Agrarwelt, und beuten sie erbarmungslos aus. Die Floriner produzieren Kyrt, eine besondere Faser, die nirgendwo sonst im Universum hergestellt werden kann. Als ein Weltraumanalytiker von der Erde herausfindet, dass Florinas Sonne kurz davor steht, zu einer Supernova zu werden, wird er zu einem Risiko für die »Herren«. Sie verwandeln ihn mit einer Psychosonde in einen hilflosen Idioten und setzen ihn auf Florina aus. Den »närrischen Rik« nennen ihn die Dorfbewohner, die ihn aufnehmen. Doch nach und nach kehrt seine Erinnerung zurück, und er beginnt, zusammen mit seiner Freundin Valona, sich auf die Suche nach den Ursprüngen seiner scheinbar irrationalen Ängste zu machen …
Ströme im All ist, wie auch Sterne wie Staub und Ein Sandkorn am Himmel, der sogenannten »Frühen Foundation« Isaac Asimovs zuzurechnen: Viele Welten sind bereits kolonisiert, und Trantor ist bereits zum Zentrum eines galaktischen Imperiums aufgestiegen, hat den Zenit seiner Macht aber noch lange nicht erreicht – ganz zu schweigen vom Zerfall des Imperiums, der den Ausgangspunkt für die Foundation-Trilogie bildet.
»Wer immer sich an der nie endenden Diskussion über die Zukunft beteiligt, weiß, was wir Isaac Asimov zu verdanken haben.«
The New Yorker
Der Autor
Isaac Asimov zählt gemeinsam mit Arthur C. Clarke und Robert A. Heinlein zu den bedeutendsten SF-Autoren, die je gelebt haben. Er wurde 1920 in Petrowitsch, einem Vorort von Smolensk, in der Sowjetunion geboren. 1923 wanderten seine Eltern in die USA aus und ließen sich in New York nieder. Während seines Chemiestudiums an der Columbia University begann er, SF-Geschichten zu schreiben. Seine erste Story erschien im Juli 1939, und in den folgenden Jahren veröffentlichte er in rascher Folge die Erzählungen und Romane, die ihn weltberühmt machten. Neben der Science Fiction schrieb Asimov auch zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher zu den unterschiedlichsten Themen. Er starb im April 1992.
Mehr über Isaac Asimov und seine Romane auf:
ISAAC ASIMOV
STRÖMEIM ALL
ROMAN
WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN
Titel der amerikanischen Originalausgabe
THE CURRENTS OF SPACE
Deutsche Übersetzung von Irene Holicki
Copyright © 1952 by Nightfall Inc.
Mit freundlicher Genehmigung der Erben des Autors
Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München,
unter Verwendung von shutterstock 90250351
Umsetzung E-Book: Schaber Datentechnik, Wels
ISBN 978-3-641-13204-0
www.diezukunft.de
INHALT
Prolog
1 Der Findling
2 Der Schultheiß
3 Die Bibliothekarin
4 Der Rebell
5 Der Wissenschaftler
6 Der Botschafter
7 Der Gendarm
8 Die »Herrin«
9 Der »Herr«
10 Der Flüchtling
11 Der Kapitän
12 Der Detektiv
13 Der Raumsegler
14 Der Überläufer
15 Der Gefangene
16 Der Angeklagte
17 Der Ankläger
18 Die Sieger
Epilog
Nachwort
Prolog
Ein Jahr zuvor
Der Mann von der Erde war zu einer Entscheidung gelangt. Ein langwieriger Entstehungs- und Reifungsprozess war abgeschlossen. Nun war es so weit.
Wochen waren vergangen, seit er in der Geborgenheit seines geliebten Schiffs durch das kühle Dunkel des Alls geflogen war. Eigentlich hatte er dem Interstellaren Amt für Weltraumanalyse nur kurz Bericht erstatten wollen, um dann so rasch wie möglich wieder in den Weltraum zu entschwinden. Stattdessen wurde er hier festgehalten.
Fast wie ein Gefangener.
Er trank seinen Tee aus, sah den Mann auf der anderen Seite des Tisches an und sagte: »Ich bleibe nicht länger hier.«
Auch der andere war zu einer Entscheidung gelangt. Ein langwieriger Entstehungs- und Reifungsprozess war abgeschlossen. Nun war es so weit. Er brauchte Zeit, sehr viel Zeit. Auf seine ersten Briefe war so gut wie keine Reaktion erfolgt. Er hätte sie ebenso gut in die Sonne werfen können. Erreicht hatte er damit jedenfalls nichts.
Er hatte auch nicht mehr oder vielmehr nichts anderes erwartet. Dies war schließlich erst der Eröffnungszug.
Eins war sicher: Wenn sich das Spiel weiter entwickeln sollte, durfte er den Mann von der Erde nicht entwischen lassen. Er tastete nach dem glatten, schwarzen Stab in seiner Tasche.
»Die Sache ist heikler, als Sie denken, und erfordert viel Fingerspitzengefühl«, sagte er.
»Es geht um die Zerstörung eines Planeten, was soll daran so heikel sein?«, fragte der Mann von der Erde. »Ich möchte doch nur, dass Sie die Nachricht auf ganz Sark und an alle Bewohner des Planeten verbreiten.«
»Das können wir nicht tun. Damit würden wir eine allgemeine Panik auslösen.«
»Sie hatten es mir aber versprochen.«
»Ich habe es mir anders überlegt. Es ist einfach nicht machbar.«
Der Mann von der Erde ging zum nächsten Punkt über. »Der I.A.W.-Vertreter ist immer noch nicht eingetroffen.«
»Ich weiß. Man hat dort alle Hände voll zu tun, eine Strategie zur Bewältigung dieser Krise auszuarbeiten. Sie müssen sich noch ein bis zwei Tage gedulden.«
»Ein bis zwei Tage! Immer heißt es ein bis zwei Tage! Sind die Leute denn wirklich so beschäftigt, dass sie nicht wenigstens ein paar Minuten für mich erübrigen können? Sie haben sich nicht einmal meine Berechnungen angesehen.«
»Ich hatte mich erboten, Ihre Berechnungen dort abzuliefern, aber das wollten Sie ja nicht.«
»Und dabei bleibt es. Entweder das Amt kommt zu mir, oder ich gehe hin.« Er wurde heftig. »Ich habe den Eindruck, Sie glauben mir nicht. Sie glauben nicht, dass Florina vor der Vernichtung steht.«
»Ich glaube Ihnen.«
»Nein. Meinen Sie denn, ich merke das nicht? Ich sehe es Ihnen doch an. Sie wollen mich nur beschwichtigen. Meine Zahlen sagen Ihnen gar nichts. Sie sind kein Weltraumanalytiker. Ich glaube, Sie sind nicht einmal das, wofür Sie sich ausgeben. Wer sind Sie wirklich?«
»Jetzt ereifern Sie sich.«
»Richtig, ich ereifere mich. Ist das ein Wunder? Sie denken vielleicht: Armer Teufel, das All war zu viel für ihn. Sie halten mich für verrückt.«
»Unsinn.«
»Aber natürlich. Aus diesem Grunde möchte ich ja jemanden vom I.A.W. sprechen. Dort kann man nämlich beurteilen, ob ich bei Verstand bin oder nicht. Dort, und nur dort.«
Der andere dachte wieder an seine Entscheidung. »Sie sind nicht in besonders guter Verfassung«, sagte er. »Ich werde Ihnen helfen.«
»Nein, das werden Sie nicht!« Der Mann von der Erde wurde hysterisch. »Ich spiele nämlich nicht länger mit. Wenn Sie mich aufhalten wollen, müssen Sie mich schon umbringen, aber das wagen Sie nicht, denn wenn Sie das tun, klebt das Blut einer ganzen Weltbevölkerung an Ihren Händen.«
Nun musste auch der andere schreien, um sich verständlich zu machen. »Ich werde Sie nicht töten. Hören Sie doch! Ich werde Sie nicht töten! Es ist nicht erforderlich, Sie zu töten.«
»Sie wollen mich fesseln«, sagte der Mann von der Erde. »Um mich am Weggehen zu hindern. So stellen Sie sich das wohl vor. Und was machen Sie, wenn das I.A.W. anfängt, nach mir zu suchen? Schließlich erwartet man, dass ich mich regelmäßig melde.«
»Das Amt weiß, dass Sie bei mir in Sicherheit sind.«
»Tatsächlich? Ich frage mich allmählich, ob das Amt überhaupt weiß, dass ich gelandet bin. Ob es meine erste Nachricht erhalten hat.« Dem Mann von der Erde war schwindlig geworden, und seine Gliedmaßen fühlten sich an, als seien sie aus Blei.
Der andere stand auf. Seine Entscheidung war keinen Augenblick zu früh gefallen, so viel war klar. Langsam ging er um den langen Tisch herum und näherte sich seinem Gegenüber.
»Es ist nur zu Ihrem Besten«, tröstete er und zog den schwarzen Stab aus der Tasche.
»Das ist eine Psychosonde«, lallte der Mann von der Erde heiser. Das Sprechen fiel ihm schwer, und als er aufstehen wollte, versagten ihm Arme und Beine den Dienst.
»Betäubt!«, presste er mühsam hervor. Er brachte kaum noch die Zähne auseinander.
»Betäubt«, bestätigte der andere. »Passen Sie auf, ich will Ihnen nicht wehtun. Aber Sie sind völlig außer sich vor Sorge, und in diesem Zustand können Sie nicht abschätzen, wie heikel die ganze Sache wirklich ist. Ich will Ihnen nur die Unruhe nehmen. Nur die Unruhe, sonst nichts.«
Jetzt konnte der Mann von der Erde gar nicht mehr sprechen. Er saß da wie gelähmt und dachte nur immer wieder: Beim endlosen All, er hat mich betäubt. Dabei hätte er am liebsten geschrien und getobt und wäre einfach weggelaufen.
Dann hatte ihn der andere erreicht, blieb vor ihm stehen, schaute auf ihn herab. Der Mann von der Erde sah zu ihm empor. Die Augäpfel konnte er noch bewegen.
Die Psychosonde brauchte nirgendwo angeschlossen zu werden. Es genügte, die Drähte an bestimmten Stellen am Schädel zu befestigen. Der Mann von der Erde war jetzt in heller Panik, aber er musste tatenlos zusehen, bis auch seine Augenmuskeln erlahmten. Den feinen Stich, mit dem die scharfen, dünnen Leitungen Haut und Fleisch durchbohrten und sich an die Schädelnähte hefteten, spürte er nicht.
Innerlich schrie er sich förmlich die Seele aus dem Leib: Nein, schrie er, Sie haben mich nicht verstanden! Der Planet ist doch voller Menschen! Sehen Sie denn nicht ein, dass Sie nicht Millionen von Menschenleben aufs Spiel setzen dürfen?
Ganz schwach, wie vom anderen Ende eines langen Tunnels, durch den der Wind pfiff, drang die Stimme des anderen zu ihm: »Es tut nicht weh. Ich verspreche Ihnen, in einer Stunde fühlen Sie sich rundum wohl. Dann werden wir gemeinsam über die ganze Geschichte lachen.«
Der Mann von der Erde spürte noch, wie die Drähte an seinem Schädel zu vibrieren begannen, dann spürte er gar nichts mehr.
Eine allumfassende Finsternis brach über ihn herein, die sich nie wieder vollends lichten sollte. Und bis auch nur Teile davon sich auflösten, verging ein ganzes Jahr.
1 Der Findling
Rik legte sein Essgerät beiseite und sprang auf. Er zitterte so heftig, dass er sich gegen die kahle, milchweiße Wand lehnen musste.
»Ich erinnere mich!«, rief er.
Alle Köpfe gingen in die Höhe, und das dumpfe Stimmengemurmel an den Tischen wurde etwas leiser. Im matten Schein der Wandleuchten sahen ihn aus halbwegs sauberen, halbwegs glatt rasierten Gesichtern helle, glänzende Augen an. Sie spiegelten jedoch nicht etwa lebhaftes Interesse, höchstens eine gewisse Aufmerksamkeit, die unwillkürliche Reaktion auf einen jähen, unerwarteten Aufschrei.
Wieder erhob Rik die Stimme. »Ich erinnere mich an meinen Beruf! Ich hatte einen Beruf!«
Jemand rief: »Schnauze!«, und aus einer anderen Ecke schallte es: »Hinsetzen!«
Die Köpfe senkten sich, das Gemurmel schwoll wieder an. Blicklos starrte Rik den Tisch entlang. Er hörte die Bemerkung: »Der närrische Rik« und sah auch das dazugehörige Achselzucken. Ein Mann tippte sich sogar mit dem Finger an die Schläfe. Nichts von alledem hatte etwas zu bedeuten. Nichts davon drang zu ihm durch.
Langsam setzte er sich und griff wieder nach seinem Essgerät, einem löffelähnlichen Gegenstand mit scharfen Kanten und kleinen Zinken im vorderen Teil der Wölbung. Man konnte damit schneiden, schaufeln und aufspießen, alles gleich schlecht. Aber für einen Fabrikarbeiter gut genug. Er drehte das Ding um und starrte die Nummer auf der Rückseite des Griffs an, ohne sie wahrzunehmen. Wozu auch, er kannte sie auswendig. Die anderen hatten ebenfalls eine Kennzahl, genau wie er, nur hatten die anderen auch einen Namen. Er aber nicht. Er wurde nur Rik genannt, was im Jargon der Kyrtfabriken so viel wie »Schwachkopf« bedeutete. Und oft genug hieß es auch »der närrische Rik«.
Vielleicht würde von nun an immer mehr von seinem Gedächtnis zurückkehren. Seit seinem Eintritt in die Fabrik war dies das erste Mal überhaupt, dass er sich an etwas aus der Zeit davor erinnert hatte. Vielleicht, wenn er sich sehr anstrengte! Wenn er seinen ganzen Verstand zusammennahm!
Mit einem Mal hatte er keinen Hunger mehr, der Appetit war ihm vergangen. Mit einer heftigen Bewegung stieß er das Essgerät in den Glibberwürfel mit Fleisch- und Gemüsestückchen und schob den Teller weg. Dann hielt er sich mit beiden Händen die Augen zu, wühlte mit den Fingern in seinem Haar und versuchte mit aller Kraft, noch einmal in den schwarzen Sumpf seines Geistes hinabzusteigen, aus dem er eine Vorstellung – ein einziges, undeutliches, kaum zu entschlüsselndes Bild herausgezogen hatte.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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