Die Foundation-Trilogie - Isaac Asimov - E-Book
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Die Foundation-Trilogie E-Book

Isaac Asimov

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Beschreibung

Das Buch zum großen TV-Serienevent!

Wie einst das Römische Reich steht das Galaktische Imperium kurz vor dem Zerfall. Doch der Psychohistoriker Hari Seldon ersinnt einen riskanten Plan, um die Menschheit durch das kommende »Dunkle Zeitalter« zu lenken …

Eine Vision, die Jahrtausende umspannt, ein Zukunftsbild, das die gesamte Galaxis mit einbezieht – mit den FOUNDATION-Romanen hat Isaac Asimov Literaturgeschichte geschrieben. Jetzt wurde dieses monumentale Epos als TV-Serie auf Apple TV+ adaptiert.

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Seitenzahl: 1096

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Das Buch

Wie einst das Römische Reich steht das Galaktische Imperium kurz vor dem Zerfall. Doch der Psychohistoriker Hari Seldon ersinnt einen atemberaubenden Plan, um die Menschheit durch das kommende »dunkle Zeitalter« zu lenken …

Isaac Asimovs Foundation-Trilogie ist das wohl bekannteste Werk der Science-Fiction des 20. Jahrhunderts. Durch die Einbeziehung historischer und politischer Prozesse und die Entwicklung einer neuen Wissenschaft – der Psychohistorik – eröffnete er dem Genre damit in den vierziger Jahren erstmals eine seriöse Dimension.

Die Foundation-Trilogie setzt sich aus mehreren Erzählungen zusammen, die zwischen 1942 und 1949 im Science-Ficion-Magazin Astounding publiziert und später zu den Romanen »Foundation« (1951), »Foundation und Imperium« (1952) und »Zweite Foundation« (1953) zusammengefasst wurden. 1966 wurde sie mit dem Hugo Award als beste Science-Fiction-Serie aller Zeiten ausgezeichnet.

Der Autor

Isaac Asimov zählt gemeinsam mit Arthur C. Clarke und Robert A. Heinlein zu den bedeutendsten Science-Fiction-Autoren, die je gelebt haben. Er wurde 1920 in Petrowitsch, einem Vorort von Smolensk, in der Sowjetunion geboren. 1923 wanderten seine Eltern in die USA aus und ließen sich in New York nieder. Bereits während seines Chemiestudiums an der Columbia University begann Asimov zu schreiben. Seine erste Kurzgeschichte erschien im Juli 1939, und in den folgenden Jahren veröffentlichte er in rascher Folge die Storys und Romanentwürfe, die ihn weltberühmt machen sollten: die Foundation-Erzählungen und die Robotergeschichten. Beide Serien verband er Jahrzehnte später zu einer großen »Geschichte der Zukunft«. Asimov starb im April 1992.

Mehr über Isaac Asimov und seine Romane auf:

diezukunft.de

ISAAC ASIMOV

Die Foundation-Trilogie

Mit einem Nachwortvon Sascha Mamczak

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Titel der amerikanischen Originalausgaben

FOUNDATION

FOUNDATION AND EMPIRE

SECOND FOUNDATION

Deutsche Übersetzung von Rosemarie Hundertmarck

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 1951, 1952, 1953 by Isaac Asimov

Copyright © 2012 des Nachworts by Sascha Mamczak

Copyright © 2012 der deutschsprachigen Ausgabeund der Übersetzungby Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Covergestaltung: Nele Schütz Design, München

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN 978-3-641-05736-7V005

www.heyne.de

Inhalt

Foundation

Foundation und Imperium

Zweite Foundation

Nachwort

ANMERKUNG:

Alle Zitate aus der Encyclopaedia Galactica wurden mit Erlaubnis des Verlages der 116. Ausgabe, Encyclopaedia Publishing Company, Terminus 1020 F. Ä., entnommen.

Foundation

ERSTER TEIL

Die Psychohistoriker

HARI SELDON – … geboren im Jahr 11988 der Galaktischen Ära, gestorben 12069. Üblicher ist es, die Daten in den Begriffen der gegenwärtigen Foundation-Ära als –79 bis zum Jahr 1 F. Ä. anzugeben. Seine Eltern gehörten dem Mittelstand an und lebten auf Helicon, Arcturus-Sektor (wo sein Vater laut einer Legende zweifelhafter Glaubwürdigkeit Tabakpflanzer in den hydroponischen Anlagen des Planeten gewesen sein soll). Schon früh zeigte er eine erstaunliche Begabung für die Mathematik. Es gibt darüber zahllose zum Teil widersprüchliche Anekdoten. Im Alter von zwei Jahren soll er …

… Zweifellos liegen seine größten Leistungen auf dem Gebiet der Psychohistorik. Seldon fand hier wenig mehr als einen Satz vager Axiome vor und ließ eine gesicherte statistische Wissenschaft zurück …

… Die erste Autorität, die es für die Einzelheiten seines Lebens gibt, ist die Biographie von Gaal Dornick. Als junger Mann lernte er Seldon zwei Jahre vor dem Tod des großen Mathematikers noch persönlich kennen. Die Geschichte ihrer Begegnung …

Encyclopaedia Galactica

1

Sein Name war Gaal Dornick, und er war nichts als ein Junge vom Lande, der Trantor noch nie gesehen hatte. Das heißt, nicht im wirklichen Leben. Gesehen hatte er es viele Male im Hypervideo und gelegentlich in packenden dreidimensionalen Übertragungen von einer Krönungszeremonie oder der Eröffnung des Galaktischen Rates. Obwohl er sein ganzes Leben auf dem Planeten Synnax verbracht hatte, der einen Stern am Rand der Blauen Drift umkreist, war er nicht von der Zivilisation abgeschnitten gewesen. Zu jener Zeit war das kein Ort in der Galaxis.

Damals gab es nahezu fünfundzwanzig Millionen bewohnte Planeten, und jeder Einzelne von ihnen war dem Kaiser untertan, der seinen Sitz auf Trantor hatte. Es war das letzte halbe Jahrhundert, in dem das behauptet werden konnte.

Für Gaal war diese Reise der unbestrittene Höhepunkt seines jungen Gelehrtenlebens. Er war zuvor schon im All gewesen, so dass der Raumflug als solcher ihm wenig bedeutete. Sicher, weiter als bis zu Synnax’ einzigem Satelliten, wo er sich die für seine Dissertation benötigten Daten über Meteor-Abdriften besorgt hatte, war er bisher noch nicht gekommen, aber es war alles eins, ob man über eine halbe Million Meilen oder ebenso viele Lichtjahre reiste.

Er hatte vor dem Sprung durch den Hyperraum ein kleines bisschen gebangt, ein Phänomen, das man bei einfachen interplanetaren Flügen nicht erlebt. Der Sprung bleibt die einzige praktizierbare Methode für den Verkehr zwischen den Sternen und wird es wahrscheinlich immer bleiben. Der normale Raum lässt sich mit keiner größeren Geschwindigkeit als der des Lichts durchqueren (eines der wenigen Stückchen Wissen, die seit der längst vergessenen Morgendämmerung der menschlichen Geschichte erhalten geblieben sind), und mit ihr würde eine Reise selbst zwischen den sich nächstliegenden bewohnten Systemen Jahre dauern. Durch den Hyperraum, diese unvorstellbare Region, die weder Raum noch Zeit, weder Materie noch Energie, weder etwas noch nichts ist, kommt man zwischen zwei sich benachbarten Augenblicken von einem Ende der Galaxis zum anderen.

Beim Warten auf den ersten dieser Sprünge hatte ein wenig Angst in Gaals Magen rumort, und dann kam nichts als ein kaum merklicher Ruck, ein kleiner innerer Fußtritt, der schon vorbei war, bevor Gaal sicher war, dass er ihn gespürt hatte. Das war alles.

Und danach war da nichts mehr als das Schiff, groß und glitzernd, das kühle Produkt von zwölftausend Jahren Fortschritt, und er selbst mit seinem frisch erworbenen Doktor der Mathematik und einer Einladung des großen Hari Seldon, nach Trantor zu kommen und an dem weitgespannten und irgendwie geheimnisvollen Seldon-Projekt mitzuarbeiten.

Nach der Enttäuschung, die der Sprung ihm bereitet hatte, wartete Gaal auf den ersten Blick auf Trantor. Ständig spukte er im Aussichtsraum herum. Die stählernen Läden wurden zu angekündigten Zeiten zurückgerollt, und er war dann immer da, betrachtete das harte Gleißen der Sterne, erfreute sich an dem dunstigen Schwarm eines Sternenhaufens, anzusehen wie eine riesige Wolke von Glühwürmchen, die man mitten in der Bewegung eingefangen und für immer zum Stillstand gebracht hatte. Einmal kam das Schiff bis auf fünf Lichtjahre an den kalten, blauweißen Rauch eines Gasnebels heran, der sich wie ferne Milch über die Fenster ausbreitete, den Raum mit einem eisigen Hauch erfüllte und zwei Stunden später, nach einem weiteren Sprung, außer Sicht verschwand.

Trantors Sonne zeigte sich zuerst als ein harter weißer Fleck, der in einer Myriade gleichartiger Flecken verlorenging und nur zu identifizieren war, weil das Handbuch seine Lage kenntlich machte. Die Sterne standen hier im galaktischen Zentrum dicht an dicht. Aber mit jedem Sprung leuchtete die Sonne heller, überstrahlte die übrigen, ließ sie verblassen und lichtete ihre Schar.

Ein Offizier kam durch und sagte: »Der Aussichtsraum wird für den Rest der Reise geschlossen. Bereiten Sie sich auf die Landung vor.«

Gaal folgte ihm und fasste den Ärmel der weißen Uniform, der das Raumschiff-und-Sonne-Emblem des Imperiums trug.

»Wäre es nicht möglich, mich hierzulassen?«, bat er. »Ich würde zu gern Trantor sehen.«

Der Offizier lächelte, und Gaal errötete ein bisschen. Es kam ihm zu Bewusstsein, dass er mit provinziellem Akzent sprach.

»Wir werden morgen früh auf Trantor landen«, sagte der Offizier.

»Ich meine, ich würde Trantor gern vom Raum aus sehen.«

»Tut mir leid, mein Junge. Wenn das hier eine Raumyacht wäre, ließe es sich bewerkstelligen. Aber wir gehen sonnenwärts in einer Spirale hinunter. Sie möchten doch nicht gleichzeitig Brandwunden und Strahlungsnarben bekommen und dazu noch das Augenlicht verlieren?«

Gaal wandte sich zum Gehen.

Der Offizier rief ihm nach: »Trantor wäre sowieso nur ein verwischter grauer Fleck, Junge. Machen Sie doch eine Raum-Tour, sobald Sie dort sind. Das kostet nicht viel.«

Gaal sah zurück. »Danke vielmals.«

Es war kindisch, sich enttäuscht zu fühlen, aber es ist für einen Mann fast ebenso natürlich wie für ein Kind, kindisch zu empfinden, und in Gaals Kehle saß ein Klumpen. Noch nie hatte er Trantor in seiner ganzen Unglaublichkeit lebensgroß vor sich ausgebreitet gesehen, und er war nicht darauf gefasst gewesen, dass er noch länger warten musste.

2

Eine Vielfalt von Geräuschen begleitete die Landung des Schiffes. Man hörte das ferne Zischen der am Metall des Rumpfes vorbeigleitenden Atmosphäre. Man hörte das gleichmäßige Dröhnen der Klimaanlagen, die gegen die Reibungswärme ankämpften, und das langsame Grollen der Motoren, die das Schiff abbremsten. Man hörte die menschlichen Laute der Männer und Frauen, die sich in den Ausschiffungsräumen versammelten, und das Schleifen der Lastenaufzüge, die Gepäck, Post und Frachtstücke auf die Längsachse des Schiffes hoben, von wo sie später zu den Entladungsplattformen geschafft werden würden.

Ein leichter Stoß zeigte an, dass das Schiff sich nicht mehr aus eigener Kraft bewegte. Schon vor Stunden war die Schiffsschwerkraft von der planetaren Schwerkraft abgelöst worden. Tausende von Passagieren hatten geduldig in den Ausschiffungsräumen gesessen, die, in nachgebenden Kraftfeldern leicht schaukelnd, die Orientierung an die wechselnde Richtung der Gravitation anpassten. Jetzt krochen die Leute über geschwungene Rampen zu den großen, gähnenden Schleusen hinunter.

Gaals Gepäck war nicht der Rede wert. Er stand vor einem Tisch, während es schnell und fachmännisch auseinandergenommen und wieder zusammengefügt wurde. Sein Visum wurde geprüft und gestempelt. Nichts davon fand seine Aufmerksamkeit.

Das also war Trantor! Die Luft musste hier ein bisschen dichter, die Schwerkraft ein bisschen höher als auf seinem Heimatplaneten Synnax sein. Daran würde er sich gewöhnen – doch auch an die riesigen Ausmaße?

Das Ausschiffungsgebäude war gewaltig, das Dach so hoch, dass man es kaum sehen konnte. Gaal konnte sich recht gut vorstellen, dass sich unter ihm Wolken bildeten. Die gegenüberliegende Wand war nicht zu erkennen; er sah nur Männer und Tische und einen Fußboden, der konvergierte, bis er sich im Dunst verlor.

Der Mann am Tisch sprach ihn von neuem an. Es klang gereizt. »Weitergehen, Dornick.« Er musste den Pass aufschlagen und nachsehen, um sich an den Namen zu erinnern.

»Wo… wohin …?«, stotterte Gaal.

Der Mann hinter dem Tisch wies mit dem Daumen. »Zu den Taxis nach rechts und dann dritte links.«

Gaal setzte sich in Bewegung. Er entdeckte in der Luft hängende glühende Buchstaben und las: TAXIS IN ALLE RICHTUNGEN.

Eine Gestalt löste sich aus der Anonymität und blieb vor dem Tisch stehen. Der Mann dahinter hob den Kopf und nickte kurz. Die Gestalt nickte zurück und folgte dem jungen Einwanderer.

Gaal fand sich gegen ein Geländer gedrückt wieder.

Auf dem kleinen Schild stand AUFSEHER. Der Mann, der damit gemeint war, blickte nicht auf. Er fragte: »Wohin?«

Gaal war sich nicht sicher, und schon die paar Sekunden des Zögerns ließen eine Warteschlange hinter ihm entstehen. »Wohin?«, wiederholte der Aufseher.

Gaals Mittel waren gering, aber es war nur für diese eine Nacht, und dann würde er eine Stellung haben. Er versuchte, nonchalant zu sprechen. »Zu einem guten Hotel, bitte.«

Das beeindruckte den Aufseher nicht. »Sie sind alle gut. Nennen Sie eins.«

Gaal erwiderte verzweifelt: »Das nächste, bitte.«

Der Aufseher drückte einen Knopf. Eine dünne Lichtlinie bildete sich auf dem Fußboden und wand sich zwischen anderen dahin, die in verschiedenen Farbtönen aufleuchteten und wieder verblassten. Gaal wurde eine Karte in die Hand gedrückt. Sie glühte schwach.

»Einen Credit zwölf«, verlangte der Aufseher.

Gaal suchte nach den Münzen. »Wie muss ich gehen?«

»Folgen Sie dem Licht. Die Karte glüht, solange Sie die richtige Richtung verfolgen.«

Gaal marschierte los. Hunderte wanderten über den weiten Fußboden, folgten ihren Pfaden und fädelten sich durch Kreuzungspunkte, um an ihre individuellen Zielorte zu gelangen.

Gaals Pfad endete. Ein Mann in einer grellen blau-gelben Uniform, glänzend und neu aus schmutzabweisendem Plastotextil, fasste nach seinen beiden Koffern.

»Direkte Verbindung zum Luxor«, sagte er.

Das hörte der Mann, der Gaal folgte. Er hörte auch, wie Gaal antwortete: »Fein«, und dann sah er ihn in das stumpfnasige Fahrzeug einsteigen.

Das Taxi stieg senkrecht in die Höhe. Gaal sah aus dem gebogenen transparenten Fenster, konnte sich über einen Atmosphäreflug innerhalb eines geschlossenen Gebäudes nicht genug wundern und hielt sich instinktiv an der Rückenlehne des Fahrersitzes fest. Die Weite zog sich zusammen, und die Menschen wurden zu zufällig verteilten Ameisen. Das Bild zog sich noch mehr zusammen und rutschte allmählich nach hinten.

Vor ihnen war eine Wand. Sie begann hoch in der Luft und wuchs in die Höhe, bis sie außer Sicht verschwand. Die Löcher, mit denen sie durchsiebt war, waren Tunnelmündungen. Gaals Taxi flog auf eines davon zu und stürzte sich hinein. Gaal schoss die Frage durch den Kopf, wie es seinem Fahrer möglich war, eines von so vielen auszuwählen.

Jetzt gab es nichts mehr zu sehen als Schwärze, die nur von vorbeiflitzenden farbigen Lichtsignalen erhellt wurde. Ein Rauschen erfüllte die Luft.

Dann stemmte sich Gaal gegen die Abbremsung nach vorn. Das Taxi flog aus dem Tunnel und senkte sich auf Bodenniveau nieder.

»Das Luxor-Hotel«, verkündete der Fahrer unnötigerweise. Er half Gaal mit seinem Gepäck, nahm als selbstverständlich ein Trinkgeld von einem Zehntel Credit entgegen, ließ einen wartenden Fahrgast einsteigen und stieg von neuem in die Höhe.

Bei all dem war vom Augenblick der Ausschiffung an niemals das kleinste Stückchen Himmel zu sehen gewesen.

TRANTOR – … Zu Beginn des 13. Jahrtausends erreichte diese Entwicklung ihren Höhepunkt. Trantor, für Hunderte von Generationen ohne Unterbrechung Sitz der kaiserlichen Regierung und im Zentrum der Galaxis zwischen den am dichtesten bevölkerten und industriell fortgeschrittensten Welten gelegen, konnte kaum umhin, die dichteste und reichste Ballung menschlicher Bevölkerung zu werden, die die Menschheit jemals gesehen hatte.

Die stetig fortschreitende Verstädterung hatte schließlich den höchstmöglichen Stand erreicht. Die gesamte Landoberfläche Trantors – 75000000 Quadratmeilen – stellte eine einzige Stadt dar. Die Einwohnerzahl überstieg auf ihrem höchsten Stand die Vierzig-Milliarden-Grenze um ein Beträchtliches. Diese enorme Bevölkerung widmete sich fast vollständig den verwaltungstechnischen Notwendigkeiten des Imperiums und vertrat die Ansicht, es mangele für eine Aufgabe von derartiger Komplexität an Personal. (Es muss daran erinnert werden, dass die Unmöglichkeit, das galaktische Imperium unter der schwunglosen Führung der späteren Kaiser ordnungsgemäß zu verwalten, ein wesentlicher Faktor für den Zusammenbruch war.) Täglich brachten Flotten aus Zehntausenden von Schiffen die Produktion von zwanzig landwirtschaftlichen Welten für die Tische Trantors …

Die Abhängigkeit von den äußeren Welten, was Nahrungsmittel und im Grunde alle lebensnotwendigen Dinge betraf, machte Trantor immer verwundbarer dafür, durch eine Belagerung erobert zu werden. Die zahlreichen Aufstände im letzten Jahrtausend des Imperiums brachten dies einem Herrscher nach dem anderen zu Bewusstsein, und die kaiserliche Politik war kaum noch mehr als der Schutz von Trantors empfindlicher Versorgungsvene …

Encyclopaedia Galactica

3

Gaal hatte keine Ahnung, ob die Sonne schien oder überhaupt, ob es Tag oder Nacht war. Zu fragen genierte er sich. Offenbar lebte der ganze Planet unter Metall. Die Mahlzeit, an der er soeben teilgenommen hatte, wurde Luncheon genannt, aber auf vielen Planeten lebte man nach einer Standard-Zeiteinteilung, die auf den vielleicht unbequemen Wechsel von Tag und Nacht keine Rücksicht nahm. Die Dauer einer planetaren Umdrehung war unterschiedlich, und Gaal kannte die von Trantor nicht.

Als er die Schilder ZUM SONNENRAUM entdeckte, war er ihnen eifrig gefolgt. Doch er hatte nichts weiter als einen Saal gefunden, in dem man sich unter künstlicher Strahlung bräunen konnte. Er verweilte einen Augenblick und kehrte dann in das Foyer des Luxor zurück.

Er erkundigte sich beim Empfangschef: »Wo bekomme ich eine Karte für eine Planetenbesichtigung?«

»Gleich hier.«

»Wann beginnt sie?«

»Sie haben sie gerade verpasst. Morgen startet wieder eine. Kaufen Sie Ihre Karte jetzt, und wir werden einen Platz für Sie reservieren.«

»Oh.« Morgen war es zu spät, da musste er in der Universität sein. »Gibt es vielleicht einen Aussichtsturm oder so etwas?«, fragte er. »Ich meine, im Freien.«

»Natürlich! Ich verkaufe Ihnen eine Karte dafür, wenn Sie möchten. Doch lassen Sie mich besser nachprüfen, ob es regnet oder nicht.« Der Empfangschef schloss einen Kontakt neben seinem Ellbogen und las die Buchstaben, die über einen mattierten Schirm rasten. Gaal las mit.

Der Empfangschef erklärte: »Gutes Wetter. Ich glaube, wir sind jetzt in der Trockenzeit.« Im Plauderton fügte er hinzu: »Ich selbst kümmere mich nicht um die Welt draußen. Es ist drei Jahre her, dass ich das letzte Mal im Freien war. Hat man das einmal gesehen, kennt man es, und mehr ist nicht daran … Hier ist Ihre Karte. Eigener Aufzug hinten. ZUM TURM steht daran. Den nehmen Sie.«

Der Aufzug war von der neuen Sorte, die durch Antigravitation betrieben wurde. Gaal stieg ein, und andere folgten ihm. Der Fahrstuhlführer schloss einen Kontakt – die Schwerkraft fiel auf null. Gaal hing im Raum, der Fahrstuhl beschleunigte nach oben, und er hatte wieder ein bisschen Gewicht. Dann kam das Abbremsen, und Gaals Füße verließen den Fußboden. Gegen seinen Willen schrie er auf.

Der Fahrstuhlführer rief: »Stecken Sie die Füße unter eine Schiene! Können Sie das Schild nicht lesen?«

Die anderen hatten es getan. Sie lächelten über Gaal, als er wie verrückt und doch vergeblich versuchte, die Wand wieder hinabzuklimmen. Ihre Schuhe drückten aufwärts gegen die Chromschienen, die sich in parallelen Reihen mit zwei Fuß Abstand voneinander über den Fußboden zogen. Gaal hatte diese Schienen beim Eintreten wohl bemerkt, aber sich nichts dabei gedacht.

Dann streckte sich eine Hand nach ihm aus und zog ihn herunter.

Er keuchte seinen Dank. Der Aufzug hielt.

Gaal trat auf eine offene Terrasse hinaus, die von weißem Glanz übergossen dalag. Es tat seinen Augen weh. Der Mann, der ihm eben geholfen hatte, kam unmittelbar hinter ihm.

Der Mann sagte freundlich: »Eine Menge Sitze.«

Gaal schloss den Mund, der ihm offengestanden hatte, und erwiderte: »Sieht ganz so aus.« Automatisch ging er auf die Sitze zu und blieb wieder stehen. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte er, »möchte ich nur einen Augenblick am Geländer stehenbleiben. Ich … ich möchte mich ein bisschen umsehen.«

Der Mann winkte ihm gutmütig zu, das zu tun. Gaal beugte sich über das schulterhohe Geländer und badete sich in dem Panorama.

Er konnte den Boden nicht erkennen, der sich in der Komplexität der von Menschenhand geschaffenen Strukturen verlor. Er konnte keinen anderen Horizont erkennen als den von Metall vor dem Himmel, der sich zu beinahe gleichförmigem Grau ausdehnte, und er musste sich sagen, dass es so auf der gesamten Landoberfläche des Planeten aussah. Es war kaum irgendeine Bewegung zu entdecken. Ein paar Vergnügungsboote gondelten über den Himmel, aber der ganze rege Verkehr von Milliarden Menschen wickelte sich unter der metallenen Haut der Welt ab.

Nirgendwo gab es etwas Grünes; kein Grün, keine Erde, kein anderes Leben als menschliches. Irgendwo auf dieser Welt, ging es Gaal durch den Kopf, stand der Palast des Kaisers inmitten einhundert Quadratmeilen natürlichen Bodens, grün von Bäumen, in allen Regenbogenfarben von Blumen prangend. Das war eine kleine Insel in einem Ozean aus Stahl, doch von da, wo Gaal stand, war sie nicht sichtbar. Sie mochte zehntausend Meilen entfernt sein. Er wusste es nicht.

Bald, bald musste er eine wichtige Besichtigungstour machen!

Er seufzte geräuschvoll, und endlich erfasste er, dass er auf Trantor war, auf dem Planeten, der den Mittelpunkt der ganzen Galaxis und den Kern der menschlichen Spezies darstellte. Er sah keine seiner Schwächen. Er sah keine Schiffe mit Lebensmitteln landen. Er führte sich nicht vor Augen, dass eine einzige verletzliche Vene die vierzig Milliarden Bewohner Trantors mit dem Rest der Galaxis verband. Er war sich nur der gewaltigsten Tat des Menschen bewusst, der vollständigen und beinahe verächtlich endgültigen Eroberung einer Welt.

Er trat zurück, und die Überwältigung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Sein Freund aus dem Aufzug deutete auf den Platz neben sich, und Gaal folgte der Aufforderung.

Der Mann lächelte. »Mein Name ist Jerril. Zum ersten Mal auf Trantor?«

»Ja, Mr. Jerril.«

»Habe ich mir gedacht. Jerril ist übrigens mein Vorname. Trantor packt einen, wenn man das poetische Temperament hat. Aber die Trantorianer kommen nie hier herauf. Das mögen sie nicht. Es macht sie nervös.«

»Mein Name ist Gaal … Nervös? Warum macht es sie nervös? Es ist herrlich.«

»Das liegt an der subjektiven Beurteilung, Gaal. Wenn einer in einer Wabe geboren wird und in einem Korridor aufwächst und in einer Zelle arbeitet und seine Freizeit in einem überfüllten Sonnenraum verbringt und dann ins Freie kommt, wo er nichts als den Himmel über sich hat, kann er durchaus einen Nervenzusammenbruch erleiden. Man schickt die Kinder einmal im Jahr herauf, nachdem sie fünf geworden sind. Ich weiß nicht, ob das gut für sie ist. Es reicht ja nicht, und die ersten paar Male brüllen sie sich in einen hysterischen Anfall hinein. Man müsste damit anfangen, sobald sie entwöhnt sind, und den Ausflug einmal in der Woche veranstalten … Natürlich kommt es im Grunde nicht darauf an. Was wäre, wenn sie überhaupt niemals nach draußen kommen würden? Sie sind glücklich da unten, und sie verwalten das Imperium. Was meinen Sie, wie hoch oben wir sind?«

»Eine halbe Meile?«, gab Gaal zurück und fürchtete, es klang naiv.

Das musste es wohl, denn Jerril lachte ein bisschen. »Nein. Nur fünfhundert Fuß.«

»Was? Aber der Aufzug hat ungefähr …«

»Ich weiß. Die meiste Zeit brauchte er jedoch dazu, auf Bodenniveau zu kommen. Trantor ist auf mehr als eine Meile nach unten untertunnelt. Es ist wie ein Eisberg. Neun Zehntel davon sind außer Sicht. Es arbeitet sich sogar ein paar Meilen in das vor, was einmal der Meeresgrund entlang der Küste war. Tatsächlich leben wir so weit unten, dass wir den Unterschied in der Temperatur zwischen dem Bodenniveau und ein paar Meilen darunter zur Gewinnung aller Energie nutzen können, die wir brauchen. Haben Sie das gewusst?«

»Nein, ich habe gedacht, Sie hätten Atomgeneratoren.«

»Früher einmal. Aber das ist billiger.«

»Das kann ich mir vorstellen.«

»Was halten Sie von alldem?« Für einen Augenblick wich die Gutmütigkeit des Mannes dem Ausdruck von Schlauheit. Er wirkte beinahe listig.

Gaal zögerte. »Es ist herrlich«, sagte er zum zweiten Mal.

»Auf Urlaub hier? Sie machen Reisen? Besichtigungen?«

»Eigentlich nicht. Allerdings habe ich mir immer gewünscht, Trantor zu besuchen, aber ich bin hauptsächlich einer Stellung wegen hergekommen.«

»Oh?«

Gaal fühlte sich zu weiteren Erklärungen verpflichtet. »Bei Dr. Seldons Projekt an der Universität von Trantor.«

»Bei Raven Seldon?«

»Wie? Nein. Der, den ich meine, ist Hari Seldon – der Psychohistoriker Seldon. Von irgendeinem Raven Seldon weiß ich nichts.«

»Ich spreche auch von Hari. Man nennt ihn den Raben. Slang, verstehen Sie. Immerfort sagt er Katastrophen voraus.«

»Tatsächlich?« Gaal war ehrlich erstaunt.

»Sicher, das müssen Sie doch wissen.« Jerril lächelte nicht. »Sie wollen doch bei ihm arbeiten, oder?«

»Nun ja, ich bin Mathematiker. Warum sagt er Katastrophen voraus? Was für Katastrophen?«

»An was für Katastrophen würden Sie denken?«, fragte Jerril.

»Leider habe ich nicht die geringste Ahnung. Ich habe die Artikel gelesen, die Dr. Seldon und seine Gruppe veröffentlicht haben. Sie befassen sich mit mathematischen Theorien.«

»Ja, diejenigen, die sie veröffentlichen.«

Das ärgerte Gaal. »Ich werde jetzt wohl mein Zimmer aufsuchen. Sehr erfreut, Sie kennengelernt zu haben.«

Jerril schwenkte zum Abschied gleichgültig den Arm.

In seinem Zimmer fand Gaal einen Mann vor, der auf ihn wartete. Für einen Augenblick war Gaal so verblüfft, dass es ihm nicht gleich gelang, die unvermeidliche Frage »Was machen Sie hier?« zu formulieren.

Der Mann stand auf. Er war alt, sein Kopf war beinahe kahl, und er hinkte, aber seine Augen waren sehr klar und blau.

»Ich bin Hari Seldon«, sagte er, noch ehe Gaals verwirrtes Gehirn das Gesicht mit der Erinnerung an die vielen Male, die er es auf Bildern gesehen hatte, vergleichen konnte.

PSYCHOHISTORIK – … Gaal Dornick hat die Psychohistorik unter Benutzung mathematischer Konzepte als den Zweig der Mathematik definiert, der sich mit den Reaktionen menschlicher Konglomerate auf bestimmte soziale und ökonomische Stimuli befasst …

… Alle diese Definitionen setzen voraus, dass das untersuchte menschliche Konglomerat groß genug für eine gültige statistische Aussage ist. Die erforderliche Größe eines solchen Konglomerats kann mittels Seldons Erstem Theorem bestimmt werden, das … Eine weitere notwendige Annahme ist, dass das menschliche Konglomerat sich der psychohistorischen Analyse nicht bewusst ist, damit seine Reaktionen wirklich vom Zufall bestimmt werden …

Die gesamte ernstzunehmende Psychohistorik basiert auf der Entwicklung der Seldon-Funktionen, deren Merkmale bestimmten sozialen und ökonomischen Kräften kongruent sind wie zum Beispiel …

Encyclopaedia Galactica

4

»Guten Tag, Sir«, sagte Gaal. »Ich … ich …«

»Sie dachten, wir würden uns erst morgen sehen? Das hätten wir normalerweise auch. Es ist nur so, wenn wir von Ihren Diensten Gebrauch machen wollen, müssen wir schnell handeln. Es wird ständig schwerer, Mitarbeiter zu rekrutieren.«

»Das verstehe ich nicht, Sir.«

»Sie haben auf dem Aussichtsturm mit einem Mann gesprochen, nicht wahr?«

»Ja. Sein Vorname ist Jerril. Mehr weiß ich nicht über ihn.«

»Sein Name ist gleichgültig. Er ist Agent der Kommission für öffentliche Sicherheit und ist Ihnen vom Raumhafen aus gefolgt.«

»Aber warum? Ich muss gestehen, dass ich ziemlich verwirrt bin.«

»Hat der Mann auf dem Turm nichts über mich gesagt?«

Gaal zögerte. »Er sprach von Ihnen als Raven Seldon.«

»Hat er auch erklärt, warum?«

»Er meinte, Sie sagten Katastrophen voraus.«

»Das tue ich … Wie finden Sie Trantor?«

Anscheinend wollte jedermann seine Meinung über Trantor hören! Gaal sah sich zu keiner anderen Antwort imstande als dem einzigen Wort: »Herrlich.«

»Das sagen Sie, ohne nachzudenken. Was ist mit der Psychohistorik?«

»Ich habe nicht daran gedacht, sie auf das Problem anzuwenden.«

»Bevor ich Sie laufenlasse, junger Mann, werden Sie lernen, die Psychohistorik mit Selbstverständlichkeit auf alle Probleme anzuwenden. Passen Sie auf.« Seldon zog einen Taschenrechner aus dem Beutel an seinem Gürtel. Es hieß, er habe für Augenblicke der Schlaflosigkeit einen unter dem Kopfkissen liegen. Die graue, glänzende Oberfläche war leicht abgenutzt vom Gebrauch. Seldons geschickte, altersfleckige Finger spielten auf dem harten Plastikrand. Rote Symbole leuchteten in dem Grau auf.

»Das repräsentiert den gegenwärtigen Zustand des Imperiums«, sagte Seldon.

Er wartete.

Schließlich sagte Gaal: »Das ist doch sicher keine vollständige Repräsentation.«

»Nein, keine vollständige«, räumte Seldon ein. »Ich freue mich, dass Sie mein Wort nicht blindlings akzeptieren. Dies ist jedoch eine Annäherung, die genügt, die Behauptung zu beweisen. Sind Sie damit einverstanden?«

»Ja, unter dem Vorbehalt, dass ich die Ableitung der Funktion später verifizieren werde.« Gaal würde sich hüten, in eine mögliche Falle zu tappen.

»Gut. Fügen Sie dem hier die Wahrscheinlichkeiten hinzu, die bekannt sind für: ein Attentat auf den Kaiser, den Aufstand eines Vizekönigs, das Zusammentreffen von Zeiten wirtschaftlicher Depression, die fallende Rate von Planetenerkundungen, die …«

Seldon sprach weiter. Bei jedem Punkt, den er erwähnte, erwachten unter seiner Berührung neue Symbole zum Leben und verschmolzen mit der ursprünglichen Funktion, die sich erweiterte und veränderte.

Gaal unterbrach ihn ein einziges Mal. »Ich erkenne die Gültigkeit dieser Umwandlung nicht.«

Seldon wiederholte sie langsamer.

Gaal sagte: »Aber das geschieht mittels einer verbotenen Sozio-Operation.«

»Gut. Sie sind schnell, aber noch nicht schnell genug. In diesem Zusammenhang ist sie nicht verboten. Lassen Sie es mich durch Expansionen machen.«

Die Prozedur dauerte viel länger, und als sie zu Ende war, erklärte Gaal demütig: »Ja, jetzt verstehe ich es.«

Schließlich war Seldon fertig. »Das ist Trantor in fünf Jahrhunderten. Wie interpretieren Sie das?« Er neigte den Kopf zur Seite und wartete.

Gaal sagte ungläubig: »Als völlige Zerstörung! Aber … aber das ist unmöglich. Trantor ist noch nie …«

Seldon war von der heftigen Erregung eines Mannes erfüllt, bei dem allein der Körper alt geworden war. »Sie haben gesehen, wie wir zu diesem Ergebnis gekommen sind. Fassen Sie es in Worte. Vergessen Sie für einen Augenblick den Symbolismus.«

Gaal antwortete: »Je spezialisierter Trantor wird, desto verwundbarer wird es, desto weniger kann es sich selbst verteidigen. Außerdem wird es als Beute umso wertvoller, je stärker es sich zum Verwaltungszentrum des Imperiums entwickelt. Da die kaiserliche Nachfolge immer ungewisser wird und die Fehden unter den großen Familien an Zügellosigkeit zunehmen, verschwindet die soziale Verantwortlichkeit.«

»Das reicht. Und was ist mit der numerischen Wahrscheinlichkeit einer völligen Zerstörung innerhalb von fünf Jahrhunderten?«

»Das kann ich nicht sagen.«

»Sie können doch sicher eine Feldableitung durchführen?«

Gaal fühlte sich unter Druck gesetzt. Seldon gab ihm den Taschenrechner nicht, sondern hielt ihn einen halben Meter von seinen Augen entfernt. Gaal rechnete wie ein Wahnsinniger. Seine Stirn wurde feucht vom Schweiß. »Etwa 85 Prozent?«, fragte er.

»Nicht schlecht.« Seldon schob die Unterlippe vor. »Aber auch nicht gut. Der tatsächliche Wert ist 92,5 Prozent.«

»Und deshalb werden Sie Raven Seldon genannt?«, fragte Gaal. »Ich habe in den Zeitschriften nichts darüber gefunden.«

»Natürlich nicht. Das lässt sich nicht drucken. Glauben Sie, das Imperium könne auf diese Weise enthüllen, wie wackelig es steht? Das ist eine sehr einfache Demonstration in Psychohistorik. Aber einige unserer Ergebnisse sind in die Aristokratie durchgesickert.«

»Das ist schlimm.«

»Nicht unbedingt. Alles wird mit einberechnet.«

»Ist das der Grund, weshalb über mich Nachforschungen angestellt werden?«

»Ja. Über alles, was mit meinem Projekt zusammenhängt, werden Nachforschungen angestellt.«

»Sind Sie in Gefahr, Sir?«

»O ja. Es besteht eine Wahrscheinlichkeit von 1,7 Prozent, dass man mich hinrichtet, aber natürlich würde das Projekt dann trotzdem weitergeführt werden. Wir haben auch das mit einberechnet … Nun gut. Sie werden doch morgen zu mir in die Universität kommen?«

»Das werde ich«, antwortete Gaal.

KOMMISSION FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT – … Die aristokratische Clique kam nach der Ermordung von Cleon I., dem Letzten der Entuns, an die Macht. In den Jahrhunderten der Instabilität und Unsicherheit stellte sie vor allem ein Element der Ordnung im Imperium dar. Für gewöhnlich unter der Kontrolle der großen Familien der Chens und der Divarts, degenerierte sie allmählich zu einem Instrument, mit dem blindlings der Status quo aufrechterhalten werden sollte … Als Macht im Staate wurde sie erst nach dem Amtsantritt Cleons II., des letzten starken Kaisers, vollständig beseitigt. Der erste Hauptkommissar …

… In gewisser Hinsicht lässt sich der Verfall der Kommission bis zu dem Prozess gegen Hari Seldon zurückverfolgen, der zwei Jahre vor dem Beginn der Foundation-Ära stattfand. Gaal Dornick beschreibt diesen Prozess in seiner Biographie Hari Seldons …

Encyclopaedia Galactica

5

Gaal konnte sein Versprechen nicht halten. Am nächsten Morgen wurde er von einem Summer geweckt. Er meldete sich, und die Stimme des Empfangschefs teilte ihm so gedämpft, höflich und entschuldigend, wie man sie sich nur wünschen konnte, mit, er sei auf Befehl der Kommission für öffentliche Sicherheit vorläufig festgenommen.

Mit einem Satz war Gaal an der Tür – und entdeckte, dass sie sich nicht länger öffnen ließ. Ihm blieb nichts übrig, als sich anzuziehen und zu warten.

Man holte ihn und brachte ihn woandershin, aber es war immer noch eine vorläufige Festnahme. Ihm wurden außerordentlich höflich Fragen gestellt, es war alles sehr zivilisiert. Er erklärte, er stamme aus der Provinz Synnax, er habe diese und jene Schulen besucht und an dem und dem Datum den Grad eines Doktors der Mathematik verliehen bekommen. Er habe sich um eine Stellung in Dr. Seldons Stab beworben und sei angenommen worden. Immer wieder und wieder nannte er diese Einzelheiten, und immer wieder und wieder kehrten sie zu der Frage seiner Mitarbeit am Seldon-Projekt zurück. Wie hatte er davon gehört? Welche Pflichten hätte er übernehmen sollen? Welche geheimen Anweisungen hatte er erhalten? Um was ging das alles?

Gaal antwortete, er wisse es nicht. Er hatte keine allgemeinen Anweisungen erhalten. Er war Wissenschaftler, er war Mathematiker. Er interessierte sich nicht für Politik.

Schließlich fragte der freundliche Inquisitor: »Wann wird Trantor zerstört werden?«

Gaal stammelte: »Das könnte ich aus eigenem Wissen nicht sagen.«

»Könnten Sie es aus dem Wissen eines anderen sagen?«

»Wie kann ich für einen anderen sprechen?« Gaal wurde heiß, sehr heiß.

Der Inquisitor fragte: »Hat irgendjemand Ihnen von einer solchen Zerstörung erzählt, ein Datum genannt?« Und als Gaal zögerte, fuhr er fort: »Man ist Ihnen gefolgt, Doktor. Wir waren am Flughafen, als Sie ankamen, auf dem Aussichtsturm, als Sie auf Ihre Verabredung warteten, und natürlich waren wir imstande, Ihr Gespräch mit Dr. Seldon abzuhören.«

»Dann kennen Sie seine Ansicht in dieser Sache«, stellte Gaal fest.

»Mag sein. Aber wir würden sie gern von Ihnen hören.«

»Dr. Seldon ist der Meinung, Trantor werde innerhalb von fünf Jahrhunderten vernichtet.«

»Er hat das … äh … mathematisch bewiesen?«

»Ja, das hat er!«

»Und Sie halten diesen … äh … mathematischen Beweis für gültig, nehme ich an.«

»Wenn Dr. Seldon sich dafür verbürgt, ist er gültig.«

»Dann wollen wir von vorn anfangen.«

»Einen Augenblick. Ich habe das Recht auf einen Anwalt. Ich bestehe auf meinen Rechten als Bürger des Imperiums.«

»Sie sollen sie bekommen.«

Und er bekam sie.

Der Mann, der schließlich eintrat, war groß. Sein Gesicht bestand ganz aus senkrechten Linien und war so schmal, dass man sich fragte, ob darauf auch Platz für ein Lächeln sei.

Gaal blickte auf. Er fühlte sich ganz aufgelöst. So viel war geschehen, und doch befand er sich erst dreißig Stunden auf Trantor.

Der Mann sagte: »Ich bin Lors Avakim. Dr. Seldon hat mich beauftragt, Sie zu vertreten.«

»So? Dann hören Sie. Ich verlange eine sofortige Eingabe an den Kaiser. Ich werde hier ohne Grund festgehalten. Ich habe nichts verbrochen. Gar nichts.« Gaal stieß die Hände vor, die Handflächen nach unten gerichtet. »Sie müssen eine Anhörung beim Kaiser erwirken, auf der Stelle.«

Avakim leerte sorgfältig den Inhalt einer flachen Aktentasche auf den Fußboden – wenn Gaal in der Stimmung dazu gewesen wäre, hätte er juristische Cellomet-Formulare erkannt, dünne Metallbänder, dazu gedacht, in eine kleine Kapsel eingelegt zu werden. Vielleicht wäre ihm auch ein Taschenrecorder aufgefallen.

Avakim beachtete Gaals Ausbruch nicht. Er blickte auf und sagte: »Die Kommission hat natürlich einen Spionstrahl auf unser Gespräch gerichtet. Das ist gegen das Gesetz, aber es geschieht trotzdem.«

Gaal knirschte mit den Zähnen.

»Der Recorder, den ich auf den Tisch gelegt habe« – Avakim setzte sich bedachtsam – »sieht zwar äußerlich wie ein gewöhnlicher Recorder aus und erfüllt seine Aufgabe auch bestens. Er hat jedoch die zusätzliche Eigenschaft, dass er den Spionstrahl ausblendet. Aber das wird man nicht gleich herausfinden.«

»Dann kann ich sprechen.«

»Natürlich.«

»Dann will ich eine Anhörung beim Kaiser.«

Avakim lächelte frostig – es war auf seinem Gesicht also doch Platz dafür. Er sagte: »Sie kommen aus der Provinz.«

»Ich bin trotzdem ein Bürger des Imperiums. Ein ebenso guter wie Sie oder einer der Männer aus dieser Kommission für öffentliche Sicherheit.«

»Zweifellos, zweifellos. Es ist nur so, dass Sie, der Sie aus der Provinz kommen, nicht verstehen, wie es auf Trantor zugeht. Es gibt keine Anhörungen vor dem Kaiser.«

»Bei wem sonst kann man sich über diese Kommission beschweren? Gibt es eine andere Prozedur?«

»Nein. Es gibt im praktischen Sinn keine Zuflucht. Rein juristisch betrachtet, könnten Sie an den Kaiser appellieren, aber Sie würden nicht vorgelassen werden. Der Kaiser von heute ist kein Kaiser der Entun-Dynastie, verstehen Sie. Trantor befindet sich leider in der Gewalt der adligen Familien, aus deren Mitgliedern sich die Kommission für öffentliche Sicherheit zusammensetzt. Diese Entwicklung wurde von der Psychohistorik genau so vorhergesagt.«

»Tatsächlich? In diesem Fall, wenn Dr. Seldon die Geschichte Trantors auf fünfhundert Jahre voraussagen kann …«

»Er kann sie auf eintausendfünfhundert Jahre voraussagen.«

»Von mir aus auf fünfzehntausend. Warum konnte er gestern nicht voraussagen, was heute Morgen passieren würde, und mich warnen? Nein, entschuldigen Sie.« Gaal setzte sich und stützte den Kopf in eine schwitzende Handfläche. »Ich weiß ja, dass die Psychohistorik eine statistische Wissenschaft ist und die Zukunft eines einzelnen Menschen nicht mit einiger Genauigkeit voraussagen kann. Sie werden verstehen, dass ich aufgeregt bin.«

»Aber Sie irren sich. Dr. Seldon war der Meinung, Sie würden heute Morgen festgenommen werden.«

»Was?«

»Es ist traurig, aber wahr: Die Kommission hat gegenüber seinen Aktivitäten eine immer feindseligere Haltung eingenommen und sich immer stärker mit neuen Mitgliedern beschäftigt, die zu der Gruppe stoßen. Die Graphiken zeigten, dass es für uns am besten ist, die Entwicklung jetzt auf den Höhepunkt zu bringen. Die Kommission selbst bewegte sich etwas langsam, so dass Dr. Seldon Sie gestern zu dem Zweck besuchte, sie zum Handeln zu zwingen. Aus keinem anderen Grund.«

Gaal stockte der Atem. »Ich bedaure …«

»Bitte. Es war notwendig. Sie sind nicht aus irgendwelchen persönlichen Gründen ausgewählt worden. Sie müssen einsehen, dass Dr. Seldons Pläne, die mit der in achtzehn Jahren entwickelten Mathematik aufgestellt wurden, alle Eventualitäten mit signifikanten Wahrscheinlichkeiten einschließen. Dies ist eine davon. Ich bin allein deswegen hergeschickt worden, um Ihnen zu versichern, dass Sie keine Angst zu haben brauchen. Es wird gut ausgehen, fast mit Sicherheit für das Projekt und mit zumutbarer Wahrscheinlichkeit für Sie.«

»Wie lauten die Zahlen?«

»Für das Projekt: über 99,9 Prozent.«

»Und für mich?«

»Mir wurde gesagt, diese Wahrscheinlichkeit liege bei 77,2 Prozent.«

»Das bedeutet eine höhere Quote als eins zu fünf, dass ich zu einer Gefängnisstrafe oder zum Tod verurteilt werde.«

»Letzteres liegt unter einem Prozent.«

»Was Sie nicht sagen! Für einen einzigen Menschen angestellte Berechnungen haben überhaupt keine Bedeutung. Schicken Sie Dr. Seldon zu mir.«

»Unglücklicherweise kann ich das nicht. Dr. Seldon ist selbst festgenommen worden.«

Die Tür wurde aufgestoßen, bevor der aufspringende Gaal mehr als den Ansatz zu einem Schrei fertigbrachte. Ein Wachposten trat ein, ging zum Tisch, nahm den Recorder, sah ihn sich von allen Seiten an und steckte ihn in die Tasche.

Avakim sagte ruhig: »Ich brauche dieses Gerät.«

»Wir werden Sie mit einem ausstatten, Herr Rechtsanwalt, das kein statisches Feld erzeugt.«

»In diesem Fall ist mein Gespräch beendet.« Avakim ging, und Gaal war allein.

6

Der Prozess (Gaal nahm an, es handele sich um einen solchen, obwohl er juristisch wenig Ähnlichkeit mit den ausgefeilten Techniken besaß, von denen er gelesen hatte) dauerte noch nicht lange. Heute war erst der dritte Tag. Doch schon gelang es Gaal nicht mehr, sich an seinen Anfang zu erinnern.

Auf ihm war nur ein bisschen herumgehackt worden. Die schweren Geschütze richteten sich gegen Dr. Seldon persönlich. Hari Seldon saß jedoch seelenruhig da. Für Gaal war er der einzige feste Punkt, der in der Welt übrig blieb.

Die wenigen Zuschauer setzten sich ausschließlich aus Peers des Imperiums zusammen. Presse und allgemeines Publikum waren ausgeschlossen, und es war zu bezweifeln, ob eine wesentliche Zahl von Außenseitern auch nur wusste, dass Seldon vor Gericht stand. Es herrschte eine Atmosphäre uneingeschränkter Feindseligkeit gegen die Angeklagten.

Fünf Mitglieder der Kommission für öffentliche Sicherheit saßen hinter dem erhöhten Pult. Sie trugen Uniformen in Scharlach und Gold und die glänzenden, engsitzenden Plastikkappen, die das Zeichen ihres Richteramtes waren. In der Mitte saß der Hauptkommissar Linge Chen. Gaal hatte noch nie zuvor einen so hohen Herrn gesehen und betrachtete ihn fasziniert. Chen sprach während des Prozesses selten ein Wort; er machte ganz deutlich, dass es unter seiner Würde war, viel zu sprechen.

Der Anwalt der Kommission zog seine Notizen zu Rate, und die Befragung – Seldon war immer noch im Zeugenstand – wurde fortgesetzt.

F: Wie ist das nun, Dr. Seldon – wie viele Leute befassen sich im Augenblick mit dem Projekt, dessen Leiter Sie sind?

A: Fünfzig Mathematiker.

F.: Einschließlich Dr. Gaal Dornick?

A.: Dr. Dornick ist der einundfünfzigste.

F.: Oh, dann haben wir also einundfünfzig? Forschen Sie in Ihrem Gedächtnis, Dr. Seldon. Vielleicht sind es zweiundfünfzig oder dreiundfünfzig? Oder vielleicht noch mehr?

A.: Dr. Dornick ist noch nicht offiziell in meine Organisation aufgenommen. Wenn das geschieht, wird sich die Mitgliederzahl auf einundfünfzig erhöhen. Jetzt beträgt sie fünfzig, wie ich gesagt habe.

F.: Nicht vielleicht nahezu hunderttausend?

A.: Mathematiker? Nein.

F.: Ich habe nicht ›Mathematiker‹ gesagt. Sind es hunderttausend in allen Bereichen?

A.: In allen Bereichen mag Ihre Zahl korrekt sein.

F.: Mag korrekt sein? Ich sage, sie ist korrekt. Ich sage, dass Sie achtundneunzigtausendfünfhundertundzweiundsiebzig Leute bei Ihrem Projekt beschäftigen.

A.: Ich glaube, Sie zählen die Frauen und Kinder mit.

F. (mit erhobener Stimme): Achtundneunzigtausendfünfhundertundzweiundsiebzig Personen habe ich gesagt. Es ist nicht notwendig, Haare zu spalten.

A.: Ich akzeptiere die Zahl.

F. (mit Blick auf die Notizen): Lassen wir das für den Augenblick und greifen wir noch einmal ein Thema auf, das wir bereits in einiger Ausführlichkeit diskutiert haben. Würden Sie, Dr. Seldon, bitte Ihre Gedanken über die Zukunft Trantors wiederholen?

A.: Ich habe gesagt, und ich sage es von neuem, dass Trantor innerhalb der nächsten fünf Jahrhunderte in Trümmer fallen wird.

F.: Sie halten Ihre Behauptung nicht für illoyal?

A.: Nein, Sir. Die wissenschaftliche Wahrheit steht jenseits von Loyalität und Illoyalität.

F.: Sie sind sicher, dass Ihre Behauptung eine wissenschaftliche Wahrheit darstellt?

A.: Das bin ich.

F.: Auf welcher Basis?

A.: Auf der Basis der Mathematik der Psychohistorik.

F.: Können Sie beweisen, dass diese Mathematik gültig ist?

A.: Nur einem anderen Mathematiker.

F. (mit einem Lächeln): Damit sagen Sie, Ihre Wahrheit sei von so esoterischer Natur, dass sie über das Begriffsvermögen eines einfachen Menschen hinausgeht. Mir scheint es, eine Wahrheit sollte klarer sein als das, weniger geheimnisvoll, leichter zu fassen.

A.: Sie bedeutet für den Verstand bestimmter Menschen keine Schwierigkeiten. Die Physik der Energieumwandlung, die wir als Thermodynamik kennen, ist in der ganzen Menschheitsgeschichte klar und wahr gewesen, und doch mag es unter den heute Lebenden solche geben, die es unmöglich finden, eine Kraftmaschine zu entwerfen. Auch unter Leuten von hoher Intelligenz. Ich bezweifele, ob die gelehrten Kommissare …

An dieser Stelle beugte sich einer der Kommissare zu dem Anwalt hinüber. Seine Worte waren nicht zu verstehen, aber das Zischen der Stimme vermittelte eine gewisse Schärfe. Der Anwalt bekam einen roten Kopf und unterbrach Seldon.

F.: Wir sind nicht hier, um uns Reden anzuhören, Dr. Seldon. Sie sollen in diesem Punkt Recht haben. Doch möchte ich der Vermutung Ausdruck geben, dass Sie mit dem Prophezeien von Katastrophen die Absicht verfolgen, das öffentliche Vertrauen in die kaiserliche Regierung zu zerstören, um selbst daraus Nutzen zu ziehen.

A.: Das ist nicht der Fall.

F.: Behaupten Sie nicht, dass dem sogenannten Untergang von Trantor eine Zeit vorausgehen wird, in der es Unruhen verschiedener Art geben wird?

A.: Das ist richtig.

F.: Und wollen Sie diese Zeit nicht durch die bloße Vorhersage herbeiführen und dann, wenn sie kommt, eine Armee von hunderttausend Mann zur Verfügung haben?

A.: Erstens einmal ist das nicht der Fall. Und selbst wenn: Eine Untersuchung würde Ihnen zeigen, dass kaum zehntausend Männer im militärfähigen Alter sind und dass nicht einer von ihnen mit der Waffe ausgebildet ist.

F.: Handeln Sie als Agent eines anderen?

A.: Ich stehe nicht im Sold irgendeines Menschen, Herr Anwalt.

F.: Sie verfolgen überhaupt keine eigenen Interessen? Sie dienen lediglich der Wissenschaft?

A.: Das tue ich.

F.: Dann wollen wir einmal sehen, wie. Kann die Zukunft verändert werden, Dr. Seldon?

A.: Offensichtlich. Dieser Gerichtsraum mag in den nächsten paar Stunden explodieren oder auch nicht. Wenn er es täte, würde die Zukunft zweifellos in einigen nebensächlichen Punkten verändert.

F.: Das ist Haarspalterei, Dr. Seldon. Kann die Geschichte der Menschheit im Ganzen verändert werden?

A.: Ja.

F.: Leicht?

A.: Nein. Mit großer Schwierigkeit.

F.: Warum?

A.: Der psychohistorische Trend einer Menschenmasse, die einen ganzen Planeten füllt, besitzt eine große Trägheit. Um ihn zu verändern, bedarf es einer ebenso großen Trägheit. Entweder muss es durch eine gleiche Zahl von Personen bewirkt werden, oder, wenn die Zahl klein ist, muss man der Veränderung sehr viel Zeit zubilligen. Verstehen Sie das?

F.: Ich glaube schon. Trantor braucht nicht unterzugehen, wenn eine große Zahl von Menschen sich entschließt, so zu handeln, dass es nicht geschieht.

A.: Das ist richtig.

F.: Zum Beispiel hunderttausend Personen?

A.: Nein, Sir. Das ist bei weitem zu wenig.

F.: Sind Sie sicher?

A.: Bedenken Sie, dass Trantor eine Bevölkerung von mehr als vierzig Milliarden hat. Bedenken Sie weiter, dass der zum Untergang führende Trend sich nicht auf Trantor allein bezieht, sondern auf das Imperium als Ganzes – und das bedeutet fast eine Quintillion menschlicher Wesen.

F.: Ich verstehe. Vielleicht können dann hunderttausend Menschen den Trend verändern, wenn sie und ihre Nachkommen fünfhundert Jahre lang daran arbeiten.

A.: Nein, tut mir leid. Fünfhundert Jahre sind eine zu kurze Zeit.

F.: Ah! In dem Fall, Dr. Seldon, sind wir gezwungen, diese Folgerung aus Ihren Ausführungen zu ziehen: Sie haben im Rahmen Ihres Projekts einhunderttausend Leute zusammengezogen. Diese genügen nicht, um die Geschichte Trantors innerhalb von fünfhundert Jahren zu verändern. Mit anderen Worten, sie können die Zerstörung Trantors nicht verhindern, ganz gleich, was sie tun.

A.: Unglücklicherweise haben Sie Recht.

F.: Und andererseits verfolgen Sie mit Ihren hunderttausend Leuten kein illegales Ziel.

A.: Genau.

F. (langsam und mit Befriedigung): In diesem Fall, Dr. Seldon – nun passen Sie sehr genau auf, Sir, denn wir möchten eine wohlerwogene Antwort haben – was ist der Zweck Ihrer hunderttausend Leute?

Die Stimme des Anwalts war schneidend geworden. Er hatte seine Falle zuschnappen lassen, er hatte Seldon in die Enge getrieben, hatte ihm raffiniert jede Möglichkeit zu einer Antwort genommen.

Das Gemurmel, das durch die Bänke der Peers im Zuschauerraum gelaufen und sogar in die Reihe der Kommissare vorgedrungen war, stieg an. Die Richter in ihrem Scharlach und Gold beugten sich zueinander; nur der Hauptkommissar ließ sich nicht beeindrucken.

Hari Seldon bewahrte Ruhe. Er wartete, bis das Stimmengewirr sich legte.

A.: Es ist der Zweck, die Wirkungen dieser Zerstörung zu minimieren.

F.: Und was genau meinen Sie damit?

A.: Die Erklärung ist einfach. Die kommende Zerstörung Trantors ist kein Ereignis, das isoliert innerhalb der menschlichen Entwicklung steht. Sie wird der Höhepunkt eines verwickelten Dramas sein, das vor Jahrhunderten begann und ständig schneller fortschreitet. Ich meine damit, Gentlemen, den sich entwickelnden Abstieg und Fall des galaktischen Imperiums.

Das Gemurmel wurde zu einem dumpfen Brausen, in dem der Aufschrei des Anwalts unterging: »Sie erklären offen, dass …« Er brach ab, weil der Ruf »Verrat« laut wurde, was bewies, dass die Zuschauer schon verstanden hatten und er nicht mehr nachzufassen brauchte.

Langsam hob der Hauptkommissar seinen Hammer und ließ ihn einmal fallen. Der Klang war der eines melodischen Gongs. Mit dem Widerhall verstummte auch das Gebrabbel der Zuschauer. Der Anwalt holte tief Atem.

F. (theatralisch): Ist Ihnen klar, Dr. Seldon, dass Sie von einem Reich sprechen, das zwölftausend Jahre lang durch alle Wechselfälle der Generationen bestehen geblieben ist und das die guten Wünsche und die Liebe einer Quadrillion menschlicher Wesen hinter sich hat?

A.: Ich bin mir sowohl des gegenwärtigen Status als auch der Vergangenheit des Imperiums bewusst. Ohne jemandem zu nahetreten zu wollen, kann ich behaupten, darüber weit größere Kenntnisse zu besitzen als irgendein anderer in diesem Raum.

F.: Und Sie sagen seinen Untergang voraus?

A.: Diese Voraussage geschieht mittels der Mathematik. Ich fälle kein moralisches Urteil. Persönlich bedauere ich die zu erwartende Entwicklung. Selbst wenn man von der Voraussetzung ausginge, das Imperium sei etwas Schlechtes – was ich nicht tue –, wäre der Zustand der Anarchie, der seinem Zusammenbruch folgen wird, schlimmer. Gegen diesen Zustand der Anarchie soll mein Projekt ankämpfen. Der Fall des Imperiums, Gentlemen, ist jedoch etwas Gewaltiges, gegen das nicht leicht anzukämpfen ist. Er wird diktiert von einer immer mächtiger werdenden Bürokratie, einem Rückgang der Initiative, dem Erstarren der Kasten, dem Nachlassen der Neugier – und hundert anderen Faktoren. Er bahnt sich, wie ich gesagt habe, seit Jahrhunderten an und ist eine zu majestätische und gewaltige Bewegung, als dass man sie aufhalten könnte.

F.: Kann nicht jedermann erkennen, dass das Imperium so stark ist wie eh und je?

A.: Alles rings um Sie macht den Eindruck von Stärke. Es hat den Anschein, als werde das Imperium ewig währen. Aber, Herr Anwalt, der verfaulte Baumstamm scheint bis zu dem Augenblick, wenn der Sturm ihn fällt, die gleiche Kraft wie immer zu haben. Der Sturm pfeift jetzt durch die Zweige des Imperiums. Lauschen Sie mit den Ohren der Psychohistorik, und Sie werden das Krachen hören.

F. (unsicher): Wir sind nicht hier, Dr. Seldon, um zu lau…

A. (fest): Das Imperium wird verschwinden und alles, was Gutes an ihm ist, mit ihm. Dann verfällt sein angehäuftes Wissen, und die Ordnung, die es geschaffen hat, bricht zusammen. Endlos toben interstellare Kriege, der interstellare Handel kommt zum Erliegen, die Bevölkerung nimmt ab, Welten verlieren den Kontakt mit dem Hauptkörper der Galaxis … Und so wird es bleiben.

F. (eine dünne Stimme inmitten tiefen Schweigens): Für immer?

A.: Die Psychohistorik, die den Fall voraussieht, kann auch Aussagen über das folgende dunkle Zeitalter machen. Das Imperium, Gentlemen, besteht, wie eben gesagt wurde, seit zwölftausend Jahren. Das kommende dunkle Zeitalter wird nicht zwölf-, sondern dreißigtausend Jahre dauern. Ein Zweites Imperium wird sich erheben, aber zwischen ihm und unserer Zivilisation werden eintausend Generationen einer leidenden Menschheit liegen. Das müssen wir verhindern.

F. (sich etwas erholend): Sie widersprechen sich. Vorhin sagten Sie, Sie könnten die Zerstörung Trantors nicht verhindern und deshalb auch nicht den Fall … den sogenannten Fall des Imperiums.

A.: Ich sage nicht, dass wir den Fall noch verhindern könnten. Aber es ist noch nicht zu spät, das Interregnum, das ihm folgen wird, zu verkürzen. Es ist möglich, Gentlemen, die Dauer der Anarchie auf ein einziges Jahrtausend zu reduzieren, falls meiner Gruppe erlaubt wird, jetzt zu handeln. Wir sind an einem empfindlichen Augenblick der Geschichte angelangt. Die große, auf uns herabstürzende Masse der Ereignisse muss ein bisschen – nur ein kleines bisschen – abgelenkt werden. Es kann nicht viel sein, aber es mag genug sein, um neunundzwanzigtausend Jahre des Elends aus der menschlichen Geschichte zu entfernen.

F.: Was muss Ihrer Meinung nach getan werden?

A.: Das Wissen der Menschheit muss gerettet werden. Die Summe des menschlichen Wissens geht über den Verstand eines einzelnen Menschen, über den von tausend Menschen hinaus. Mit der Zerstörung unseres sozialen Gefüges wird die Wissenschaft in eine Million Stücke zerbrechen. Einzelpersonen werden eine Menge über winzige Facetten dessen wissen, was es zu wissen gibt. Alleingelassen, werden sie hilflos und nutzlos sein. Das bedeutungslose bisschen an Lehre wird nicht weitergegeben. Im Laufe der Generationen geht es verloren. Aber –wenn wir jetzt eine gigantische Zusammenfassung allen Wissens vorbereiten, wird es niemals verlorengehen. Kommende Generationen werden darauf aufbauen und nicht gezwungen sein, es neu zu entdecken. Ein einziges Jahrtausend wird die Arbeit von dreißigtausend Jahren tun.

F.: All das …

A.: All das ist mein Projekt. Meine dreißigtausend Leute mit ihren Frauen und Kindern widmen sich der Vorbereitung einer Encyclopaedia Galactica. Sie werden sie nicht in ihrer Lebenszeit vollenden. Ich werde nicht einmal so lange am Leben bleiben, dass ich einen richtigen Anfang sehe. Aber zu der Zeit, wenn Trantor fällt, wird sie fertig sein, und in jeder größeren Bibliothek der Galaxis wird es Kopien davon geben.

Der Hammer des Hauptkommissars hob sich und fiel. Hari Seldon verließ den Zeugenstand und setzte sich ruhig auf seinen Platz neben Gaal. Er lächelte. »Wie hat Ihnen die Show gefallen?«

»Sie haben sie ihnen gestohlen«, antwortete Gaal. »Aber was wird jetzt geschehen?«

»Man wird die Sitzung vertagen und versuchen, zu einer privaten Vereinbarung mit mir zu gelangen.«

»Woher wissen Sie das?«

»Ich will ehrlich sein«, sagte Seldon. »Ich weiß es nicht. Es hängt von dem Hauptkommissar ab. Ich habe ihn seit Jahren studiert. Ich habe versucht, sein Tun zu analysieren, aber Sie wissen, wie riskant es ist, die Kaprizen eines Individuums in die psychohistorischen Gleichungen einzusetzen. Und doch habe ich Hoffnung.«

7

Avakim näherte sich, nickte Gaal zu, beugte sich vor und flüsterte Seldon etwas zu. Die Vertagung wurde ausgerufen, und Wachposten trennten sie. Gaal wurde abgeführt.

Die Anhörungen des nächsten Tages waren völlig anders. Hari Seldon und Gaal Dornick waren mit der Kommission allein. Sie saßen zusammen an einem Tisch, und es war kaum eine Trennung zwischen den fünf Richtern und den beiden Angeklagten. Man bot ihnen sogar Zigarren an. Sie lagen in einer Kiste aus schillerndem Plastik, das das Aussehen endlos fließenden Wassers hatte. Die Augen wurden getäuscht, Bewegung zu sehen, obwohl die Finger meldeten, dass das Material hart und trocken sei.

Seldon nahm sich eine Zigarre; Gaal lehnte ab.

Seldon stellte fest: »Mein Anwalt ist nicht anwesend.«

Ein Kommissar erwiderte: »Das ist keine Gerichtsverhandlung mehr, Dr. Seldon. Wir sind hier, um über die Sicherheit des Staates zu diskutieren.«

Linge Chen sagte: »Ich will sprechen«, und die anderen Kommissare lehnten sich auf ihren Stühlen zurück, bereit, zuzuhören. Stille bildete sich um Chen, in die er seine Worte fallen lassen konnte.

Gaal hielt den Atem an. Mager und hart, älter aussehend, als er wirklich war, war Chen der eigentliche Kaiser der ganzen Galaxis. Das Kind, das diesen Titel trug, war nur ein von Chen fabriziertes Symbol – übrigens nicht das erste.

Chen sagte: »Dr. Seldon, Sie stören den Frieden im Reich des Kaisers. Nicht einer von den Menschen, die heute zwischen den Sternen der Galaxis leben, wird in einem Jahrhundert noch am Leben sein. Warum sollten wir uns dann den Kopf über Ereignisse zerbrechen, die fünf Jahrhunderte in der Zukunft liegen?«

»Ich werde schon in einem halben Jahrzehnt nicht mehr am Leben sein«, erwiderte Seldon, »und doch ist es für mich ungeheuer wichtig. Nennen Sie es Idealismus. Nennen Sie es eine Identifizierung meiner Person mit dieser mystischen Verallgemeinerung, für die wir den Begriff ›Menschheit‹ benutzen.«

»Ich habe nicht den Wunsch, mich um das Verstehen von Mystizismus zu bemühen. Können Sie mir sagen, warum ich mich nicht von Ihnen und einer unbequemen und unnötigen, fünf Jahrhunderte von uns entfernten Zukunft, die ich nicht mehr erleben werde, befreien soll, indem ich Sie heute Nacht hinrichten lasse?«

»Vor einer Woche«, sagte Seldon unbeschwert, »hätten Sie das tun können, und es hätte vielleicht eine Wahrscheinlichkeit von eins zu zehn bestanden, dass Sie bis Jahresende am Leben bleiben. Heute beträgt diese Wahrscheinlichkeit kaum noch eins zu zehntausend.«

Die Anwesenden stießen den Atem aus und rückten voller Unbehagen hin und her. Gaal spürte, wie die Härchen in seinem Nacken kribbelten. Chens Augenlider senkten sich ein bisschen.

»Wieso?«, fragte er.

»Der Fall Trantors«, erklärte Seldon, »kann durch keine vorstellbare Anstrengung aufgehalten werden. Man kann ihn jedoch beschleunigen. Die Geschichte meines abgebrochenen Prozesses wird sich in der Galaxis verbreiten. Eine Behinderung meiner Pläne, die Folgen der Katastrophe zu mildern, wird die Leute überzeugen, dass die Zukunft ihnen nichts mehr zu bieten hat. Schon jetzt denken sie mit Neid an das Leben ihrer Großväter. Sie werden erleben, dass es häufiger zu Revolutionen kommt und dass der Handel immer mehr stagniert. Die Galaxis wird von dem Gefühl durchdrungen werden, dass nur das zählt, was ein Mensch im Augenblick für sich selbst ergattern kann. Ehrgeizige Männer werden nicht warten, und skrupellose Männer werden nicht zögern. Mit jeder ihrer Handlungen werden sie den Zerfall der Welten beschleunigen. Lassen Sie mich töten – und Trantor wird nicht in fünf Jahrhunderten, sondern in fünfzig Jahren fallen, und Sie, Sie selbst in einem einzigen Jahr.«

»Das sind Worte, um Kinder zu schrecken«, gab Chen zurück. »Und doch ist Ihr Tod nicht die einzige Antwort, die uns zufriedenstellen kann.« Er hob seine schlanken Hände von den Papieren, auf denen sie geruht hatten, so dass nur noch zwei Finger das oberste Blatt leicht berührten. »Sagen Sie mir: Wird Ihre einzige Aktivität in der Vorbereitung dieser Enzyklopädie, von der Sie sprachen, bestehen?«

»Ja.«

»Und muss das auf Trantor sein?«

»Trantor, mein Lord, besitzt die kaiserliche Bibliothek sowie die wissenschaftlichen Quellen der Universität von Trantor.«

»Und doch, wenn Sie anderswo leben würden, sagen wir, auf einem Planeten, wo die Gedanken eines Gelehrten nicht von der Hast und den Ablenkungen einer Metropole gestört werden, wo Ihre Leute sich völlig und ausschließlich ihrer Arbeit widmen könnten – hätte das nicht Vorteile?«

»Vielleicht kleine.«

»Eine solche Welt ist für Sie ausgewählt worden. Doktor, Sie können mit Ihren Hunderttausend um sich arbeiten, wie es Ihnen beliebt. Die Galaxis wird wissen, dass Sie gegen den Zusammenbruch arbeiten. Die Leute werden sogar gesagt bekommen, dass Sie den Zusammenbruch verhindern werden.« Chen lächelte. »Da ich an so vieles nicht glaube, ist es nicht schwierig für mich, auch an den Zusammenbruch nicht zu glauben, und deshalb bin ich voll und ganz überzeugt, dass ich den Leuten die Wahrheit sagen werde. Und Sie, Doktor, werden Trantor inzwischen nicht beunruhigen, und der Friede des Kaisers wird nicht gestört werden … Die Alternative ist Ihr Tod und der Tod so vieler Ihrer Gefolgsleute, wie es notwendig erscheint. Ihre vorhin geäußerten Drohungen sind für mich ohne Belang. Sie haben von diesem Augenblick an für eine Zeitspanne von fünf Minuten die Möglichkeit, zwischen dem Tod und dem Exil zu wählen.«

»Welches ist die ausgewählte Welt, mein Lord?«, fragte Seldon.

»Sie wird, glaube ich, Terminus genannt«, antwortete Chen. Spielerisch drehte er die Papiere auf seinem Schreibtisch mit den Fingerspitzen um, so dass sie Seldon die Vorderseite zukehrten. »Sie ist unbewohnt, aber durchaus bewohnbar und kann so umgestaltet werden, dass sie den Bedürfnissen von Wissenschaftlern entspricht. Sie liegt etwas abgelegen …«

»Sie liegt am Rand der Galaxis, Sir.«

»Wie ich sagte, etwas abgelegen. Das wird Ihrem Bedarf nach Konzentration entgegenkommen. Sie haben noch zwei Minuten.«

»Wir brauchen Zeit, um eine solche Reise vorzubereiten. Es sind zwanzigtausend Familien betroffen.«

»Sie werden die Zeit bekommen.«

Seldon dachte einen Augenblick lang nach. Die letzte Minute verrann. Er sagte: »Ich akzeptiere das Exil.«

Gaals Herz setzte bei diesen Worten aus. Ihn erfüllte eine gewaltige Freude, dass er dem Tod entrann. Aber in all seiner Erleichterung fand er Platz für ein kleines Bedauern, dass Seldon geschlagen worden war.

8

Das Taxi heulte durch die Hunderte von Meilen wurmähnlicher Tunnel auf die Universität zu. Lange Zeit saßen sie schweigend nebeneinander. Dann regte sich Gaal. Er fragte: »War das, was Sie dem Kommissar gesagt haben, wahr? Hätte Ihre Hinrichtung den Fall tatsächlich beschleunigt?«

»Ich lüge niemals, was psychohistorische Erkenntnisse angeht«, erklärte Seldon. »Auch hätte es mir in dem Fall gar nichts genützt. Chen wusste, dass ich die Wahrheit sprach. Er ist ein sehr kluger Politiker, und die Art ihrer Arbeit bringt es mit sich, dass Politiker ein instinktives Gefühl für die Wahrheiten der Psychohistorik entwickeln.«

»Dann hätten Sie das Exil nicht zu akzeptieren brauchen«, sagte Gaal verwundert, aber Seldon antwortete nicht.

Als sie auf das Gelände der Universität hinausschossen, verweigerten Gaals Muskeln ihm den Gehorsam. Er musste fast aus dem Taxi getragen werden.

Die ganze Universität lag in blendendem Licht. Gaal hatte beinahe vergessen, dass es eine Sonne gab. Aber die Universität stand nicht im Freien. Ihre Gebäude wurden von einer monströsen Kuppel überdacht, die Glas und doch kein Glas war. Sie war polarisiert, so dass Gaal direkt in den flammenden Stern dort oben blicken konnte. Und trotzdem wurde das Licht nicht gedämpft, und die metallenen Gebäude warfen es zurück, so weit das Auge reichte.

Sie waren nicht von dem harten Stahlgrau, wie der Rest Trantors es zeigte, sondern eher silbrig. Der metallische Glanz hatte fast die Farbe von Elfenbein.

»Vermutlich Soldaten«, bemerkte Seldon.

»Was?« Gaal richtete seine Augen wieder auf den prosaischen Boden. Vor ihnen stand ein Wachposten.

Sie blieben stehen, und aus einem Eingang in der Nähe erschien ein Captain mit gewinnenden Manieren.

»Dr. Seldon?«, fragte er.

»Ja.«

»Wir haben auf Sie gewartet. Sie und Ihre Leute stehen von jetzt an unter Kriegsrecht. Ich habe Anweisung, Ihnen mitzuteilen, dass Ihnen für die Vorbereitung Ihrer Reise nach Terminus sechs Monate zugebilligt werden.«

»Sechs Monate …«, begann Gaal, aber Seldon legte die Finger mit leichtem Druck auf seinen Ellbogen.

»So lauten meine Anweisungen«, wiederholte der Captain.

Er ging, und Gaal wandte sich Seldon zu. »Was lässt sich in sechs Monaten denn schon schaffen? Das ist nichts als ein langsamer Mord.«

»Ruhig, ruhig. Gehen wir erst in mein Büro.«

Es war kein großes Büro, aber es war völlig abhörsicher, und das war nicht einmal zu entdecken. Auf diesen Raum gerichtete Spionstrahlen empfingen weder eine verdächtige Stille noch weitaus verdächtigere statische Geräusche, sondern eine Unterhaltung, für die unter einem großen Vorrat aus unschuldigen Sätzen in verschiedenen Tönen und Stimmen eine Zufallsauswahl getroffen wurde.

»Sechs Monate genügen«, stellte Seldon in aller Gemütsruhe fest.

»Das kann ich mir nicht vorstellen.«

»Sehen Sie, mein Junge, bei einem Plan wie dem unseren werden die Handlungen anderer unseren Notwendigkeiten angepasst. Habe ich Ihnen nicht bereits gesagt, dass Chens Wesensart genauer untersucht worden ist als die irgendeines anderen Menschen der Geschichte? Dem Prozess wurde erst erlaubt zu beginnen, als wir Zeit und Umstände für passend hielten.«

»Aber konnten Sie es denn arrangieren …«

»Dass wir ins Exil nach Terminus geschickt würden? Warum nicht?« Seldon legte die Finger auf eine bestimmte Stelle seines Schreibtischs, und ein kleiner Abschnitt der Wand hinter ihm glitt zur Seite. Das konnte er nur mit den eigenen Fingern bewerkstelligen, weil allein durch seine Fingerabdrücke der Scanner unter der Platte den Mechanismus freigab.

»Sie werden da drinnen verschiedene Mikrofilme finden«, sagte Seldon. »Nehmen Sie den, der den Buchstaben T trägt, heraus.«

Gaal tat das. Seldon legte den Film in den Projektor ein und reichte dem jungen Mann ein Paar Okulare. Gaal justierte sie und sah den Film vor seinen Augen ablaufen.

»Aber dann …«, begann er.

»Ja?«

»Bereiten Sie sich seit zwei Jahren auf die Abreise vor?«

»Seit zweieinhalb. Natürlich konnten wir nicht sicher sein, dass er Terminus wählen würde, aber wir hofften es, und wir handelten aufgrund dieser Annahme.«

»Aber warum, Dr. Seldon? Wenn Sie selbst auf das Exil hingearbeitet haben – warum? Könnten die Ereignisse nicht weitaus besser hier auf Trantor kontrolliert werden?«