Studienführer Jura - Ronja Serena Ringelstein - E-Book

Studienführer Jura E-Book

Ronja Serena Ringelstein

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Beschreibung

Die Pflichtlektüre für angehende Jurastudenten: Dieser praktische Ratgeber liefert Antworten auf die entscheidenden Fragen: Welche Inhalte erwarten mich? Wie finanziere ich mein Studium? Wie strukturiere ich die Semester sinnvoll? Was gilt es bei Auslandssemestern zu beachten? Und wollen eigentlich alle angehenden Juristen werden wie Ally McBeal? Zahlreiche Anekdoten geben einen unterhaltsamen Einblick in den Studienalltag. Das gnadenlos ehrliche Buch räumt mit gängigen Klischees auf und bereitet auf den erfolgreichen Abschluss vor.

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INHALTVERZEICHNIS

1EINLEITUNG
2DAS STUDIENFACH RECHTSWISSENSCHAFTEN
2.1Was ist Jura?
2.2Der Aufbau des Studiums
2.3Der Abschluss des Studiums: Das Staatsexamen – ein veraltetes System?
2.4Wie schwer ist Jura?
2.5Was kommt nach dem ersten Examen?
2.6Eine juristische Besonderheit: Die Notenskala
3DAS LIEBE GELD – DIE FINANZIERUNG DES STUDIUMS
3.1Kindergeld
3.2BAFÖG
3.3Nebenjob
3.4STUDIENKREDIT
3.5STIPENDIUM
4DIE WAHL DER RICHTIGEN HOCHSCHULE
4.1Jura an der Universität
4.2Jura an der Law School
5NEUE BUDE, NEUES GLÜCK? ALLES RUND UMS UMZIEHEN UND WOHNEN
5.1Die WG
5.2Das Studentenwohnheim
5.3Die eigene Wohnung
5.4Weg von Daheim: Umziehen in eine andere Stadt
6DEINE MITSTREITER – DIE KOMMILITONEN
6.1Das Klischee: Der Jurastudent
6.2Das Klischee: Die Jurastudentin
6.3Die innere Einstellung: Wie denken Juristen?
6.4Wie feiern Juristen?
6.5Die Sprache der Juristen – das ultimative Merkmal
6.6Die Wahrheit über Jurastudenten
7DIE STUDIENFÄCHER IM EINZELNEN
7.1Das Zivilrecht
7.2Das Strafrecht
7.3Das Öffentliche Recht
7.4Die Gesetze: Dein Arbeitsmaterial
8DAS GRUND- UND DAS HAUPTSTUDIUM
8.1Vorlesungen, AGs, Übungen
8.2Die Bibliothek – the place to be
8.3Praktika
9DAS SCHWERPUNKTSTUDIUM
9.1Wahl des Schwerpunktbereichs
9.2Die Benotung des Schwerpunktes
9.3Der Aufbau des Schwerpunktes: der universitäre Teil Deines Staatsexamens
10ANGEBOTE AN DEINER UNI – EIN WENIG EINSATZ KANN NICHT SCHADEN
10.1Der Fachschaftsrat
10.2Das Mentorenprogramm
10.3Der Moot Court
11ICH BIN DANN MAL WEG – MIT ERASMUS INS AUSLAND
11.1Das Erasmus-Programm
11.2Im Ausland angekommen
11.3Allgemeine Tipps für Deinen Aufenthalt
12DAS REPETITORIUM
12.1Die richtige Wahl treffen: Kommerzielles Rep oder Uni-Rep?
12.2Der Klausurenkurs
12.3Die Lerngruppe
12.4Allgemeine Lerntipps
12.5Zeitmanagement
12.6Die Lernsysteme: Karteikarten vs. Schreibblock
13ENTSPANN DICH MAL!
14DAS EXAMEN
14.1Der Freischuss
14.2Aufbau der Prüfung
15DIE ZUKUNFTSPERSPEKTIVE – DAS EXAMEN IN DER TASCHE UND JETZT?
15.1Der LL.M.: Ein Master für Juristen
15.2Die Promotion
15.3Das Referendariat
16DAS FAZIT
17WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN
18GLOSSAR
19QUELLENVERZEICHNIS

DANK GEHT AN

"Moritz, der mir mit Herz und Rat jederzeit zur Seite stand,

meine Eltern, deren liebevolle Unterstützung grenzenlos ist,

meine Uni für die schöne Studienzeit und meine Kommilitonen, ohne die die Studienzeit nicht so schön hätte sein können.

KAPITEL 1

EINLEITUNG

Hab immer ein Gesetz dabei und keine Panik!

Jura interessiert Dich? Gut, aber wenn Du frischgebackener Abiturient1 sein solltest, bezweifle ich, dass Du weißt, was mit dem Studium der Rechtswissenschaften auf Dich zukommt. Vielleicht hast Du Dich ja auch schon anderweitig informiert, in Broschüren geblättert? Nicht schlecht. Aber hier erfährst Du die Wahrheit über das Studienfach. Ich will Dich auf den kommenden Seiten auf das Studium der Rechtswissenschaften vorbereiten und Dir Einblicke gewähren, die sonst keiner bekommt, der das Fach nicht selbst studiert hat.

Manchmal habe ich mir gedacht: »Mann, wenn ich das vorher gewusst hätte, …!« Hab ich aber nicht. Dir kann ich es jetzt sagen, dann kannst Du vielleicht ein paar Fettnäpfchen und Studentenfallen umgehen. Alle verrate ich Dir aber nicht, wo bleibt denn sonst der Spaß für Dich? Dieser Studienführer erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. An einigen Stellen bin ich womöglich nicht ganz politisch korrekt. Sarkasmus ist bei Juristen der Renner!

Aber abgesehen von dem Spaß, uns Juristen ein wenig durch den Kakao zu ziehen, will ich Dir Tipps geben zum Fach selbst, zur Uni, zur Finanzierung des Studiums, zu Praktika und Nebenjobs und wie Du Dich auf dem Wohnungsmarkt zurechtfindest und Dir die ersten Schritte im Studentenleben erleichtern. Du erfährst hier, was das Studium der Rechtswissenschaften überhaupt umfasst und was Du dafür mitbringen musst. Ebenso soll Dir ein kleiner Ausblick darauf gegeben werden, welche Kommilitonen und Kollegen Dich erwarten und wie das Studentenleben sich gestalten wird.

Eines ist klar, so platt es auch klingt: ohne Fleiß kein Preis. Wer ein Jurastudium beginnt, der sollte wissen, dass er viel zu lernen hat. Stumpfes Auswendiglernen gehört genauso dazu wie das Verstehen und Anwenden des Gelernten. Aber das ist schließlich in den meisten Studiengängen so – also nur Mut! Gerade der Anfang an der Uni kann für Abiturienten schwierig sein: Das geregelte Schulleben weicht einem absolut frei zu gestaltenden Studentenleben. Es verlangt Selbstdisziplin, in einem Studium erfolgreich zu sein, vor allem, da beim Jurastudium selten Anwesenheitspflicht besteht. Spaß machen soll es schließlich auch und wahrscheinlich wirst Du nie wieder so flexibel in Deinem Leben sein wie während des Studiums – wenn Du es richtig anstellst. Du kannst diesen Ratgeber sofort von vorne bis hinten durchlesen, Du kannst ihn aber ebenso gut stellenweise lesen und dabei immer nur die Kapitel durchgehen, die in Deiner Situation für Dich wichtig sind.

Solltest Du schon etwas weiter im Studium fortgeschritten sein oder gar das erste Examen bereits hinter Dich gebracht haben, mach Dir die Tipps zu Weiterbildungen und Referendariat zunutze und schwelge mit mir in Erinnerungen an unsere Anfänge als frische »Erstis« an der Uni. Vielleicht erkennst Du Dich ja wieder.

Wie auch immer Du dazu gekommen bist, diesen Studienführer aufzuschlagen, er soll Dir mit Insiderwissen, Ehrlichkeit und Tipps helfen, für Dich richtige Entscheidungen zu treffen. Das hier ist keine Werbung für Jura! Ich selbst habe das Fach studiert und kenne damit die Vor-, aber auch die Nachteile, die es bietet, und möchte ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern.

Deshalb richtet sich dieser Studienführer einerseits an diejenigen, die noch nicht entschieden haben, ob sie Jura wirklich studieren wollen. Er soll aber auch jenen, die »das schon immer machen wollten«, einen kleinen Einblick geben, ob das Studium tatsächlich das ist, was sie sich darunter vorstellen. Für bereits eingeschriebene Jurastudenten sei dieses Buch ein Wegweiser auf dem weiteren Pfad durch das Studium bis in den ersten Job.

1Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die zusätzliche Nennung der weiblichen Form verzichtet. Es sind aber stets beide Geschlechter gemeint.

KAPITEL 2

DAS STUDIENFACH RECHTSWISSENSCHAFTEN

Ich will Dich Schritt für Schritt an das Studium heranführen. Darum beginnen wir ganz am Anfang: Mit der Motivation überhaupt das eine und nicht das andere zu studieren. Erkennst Du Dich in diesem Kapitel wieder, so steht Deinem juristischen Glück nichts mehr im Weg und Du kannst Dich in die vertiefte Lektüre dieses Buchs stürzen und anfangen, Dein Studium zu planen.

Vorab: Die richtige Einstellung

Um mit dem bekanntesten und meist bemühten Klischee über Jura gleich von vornherein aufzuräumen: Jura ist nicht trocken. Es kann sogar sehr lebendig sein, es kommt wie oft im Leben darauf an, was Du selbst daraus machst. Es ist sicherlich Typsache, ob Dir das Studienfach liegt, trotzdem wird Dir die richtige Einstellung Deine Arbeit erleichtern, das garantiere ich Dir!

Vergiss die Statistiken! Schau Dir nicht die Abbruchquoten an und kümmere Dich nicht um Leute, die behaupten, Du müsstest im Abitur einen Einser-Schnitt gehabt haben. Das ist Blödsinn. Wenn Du allerdings einen Dreier-Durchschnitt im Abitur hattest, weil Du immer zu faul warst, Deine Hausaufgaben zu machen, dann solltest Du Deine Einstellung jetzt ändern oder etwas anderes studieren. Mit durchschnittlicher Intelligenz, aber einer guten Portion Fleiß – und zwar ab dem ersten Semester – ist das Studium samt Examen für jeden zu schaffen.2

Deine Motivation, Jura zu studieren

Nicht jeder studiert Jura, weil es schon immer sein Traum war, Anwalt zu werden. Ich behaupte sogar, die meisten Juristen sind in dieses Fach irgendwie hineingestolpert. In meiner ersten Vorlesung, der Einführungsveranstaltung, saß ich neben einem Typen, der etwa Anfang zwanzig war und mir fröhlich erklärte, er sitze hier nur, um irgendwo eingeschrieben zu sein. Seine Eltern bräuchten nämlich eine Studienbescheinigung, damit sie weiterhin Kindergeld für ihn bekämen. Eigentlich warte er noch auf den Platz für Medizin im Nachrückverfahren. Heute hat dieser Jemand sein erstes juristisches Examen mit Prädikat in der Tasche, bereitet sich auf das zweite Examen vor und will Richter werden. Eine schöne Erfolgsstory, oder?

Das Mädchen neben ihm hingegen erzählte eifrig, wie sehr sie schon immer Anwältin werden wollte und dass sie ein Jahr auf diesen Studienplatz gewartet habe. Nach zwei Semestern brach sie das Studium jedoch ab und wurde Erzieherin. Eine weitere Erfolgsstory, die aber in einen anderen Studienführer gehört.

Aus welchen Gründen Du Jura studierst, sagt also nicht viel darüber aus, wie erfolgreich Du im Studium schließlich sein wirst.

Die vier Motive für ein Jurastudium

Die Studienanfänger der Rechtswissenschaften lassen sich nach ihrer Motivation für den Beginn des Studiums in vier Gruppen aufteilen:

ØGruppe eins: »Ich wollte das schon immer studieren.« Du maltest Dir schon seit Deinen Kindertagen aus, wie Du hocherhoben über den Köpfen der anderen sitzt, den Hammer schwingst und »Schuldig!« rufst. Bist Du vielleicht das letzte vieler Geschwister und hattest immer das Gefühl, Dir hört keiner zu?

Zu dieser Gruppe zählen aber auch diejenigen, die bereits seit der Pubertät amerikanische Anwaltsserien lieben. Boston Legal, Suits oder The Good Wife – unzählig sind die Serien, in denen dem Zuschauer vermittelt wird, dass Anwälte schicke Siegertypen ohne Skrupel oder Ängste sind.

Die Wahrheit: Es gibt keinen Hammer in deutschen Gerichtssälen. Wenn Deine Motivation von amerikanischen Serien herrührt, wird Dich das deutsche Recht möglicherweise enttäuschen. Weniger Tom Cruise in Eine Frage der Ehre, mehr Lenßen und Partner. Aber wenn Du tatsächlich schon immer Anwalt werden wolltest, dann lies hier weiter und finde heraus, ob Du Dich auch für das deutsche Rechtswesen begeistern könntest.

ØGruppe zwei: »Meine Eltern sind Juristen. Liegt ja nahe, dass ich das auch mache.« Als Gutenachtgeschichte wurde Dir Hänsel und Gretel vorgelesen. Im Anschluss haben Deine Eltern – begeisterte Juristen – Dir erklärt, dass das, was die Kinder da machen, Sachbeschädigung des Hexenhauses und Diebstahl von Lebkuchen ist. Letztendlich auch noch Totschlag, weil sie die Hexe verbrannt haben. Allerdings kommt Notwehr ins Spiel, schließlich hat die Hexe die Kinder essen wollen. Jura wurde Dir quasi in die Wiege gelegt. Und wenn man ganz ehrlich ist, denkt doch jeder darüber nach, das zu machen, was die Eltern gemacht haben. Es liegt nahe, dass es das Richtige für mich ist, wenn es das Richtige für die Menschen war, die mich aufgezogen haben, oder?

Die Wahrheit: Du bist nicht Deine Eltern. Wenn Du sie im Beruf beobachtet hast und bewunderst, wie ihre Arbeit aussieht, prima! Dann ist ihr Job auch ein guter Job für Dich. Aber wenn Du annimmst, sie nur glücklich zu machen, indem Du das studierst, was sie studiert haben, dann frag lieber noch einmal nach. Vielleicht würden sie es ja heute anders machen. Die Lust auf Jura sollte von Dir kommen.

ØGruppe drei: »Ich warte noch auf einen Platz in meinem Wunschstudiengang.« Hauptsache studieren! Du genießt schon mal das Uniflair und schaust Dir Jura oberflächlich ein wenig an, bevor Du endlich Architektur, Mediendesign oder Kunst studieren wirst. Irgendwann wirst Du schon einen besseren Studienplatz bekommen, bis dahin hast Du wenigstens den Studentenstatus, hast Du Dir gedacht. Jetzt hast Du Dein Semesterticket und Deine Eltern sind auch beruhigt, dass Du »etwas Sinnvolles« machst.

Die Wahrheit: Vorsicht! Wenn Du absolut ausschließen kannst, dass Jura für Dich interessant ist, dann lass das Studium bleiben. Die Semester, die Du an einer Universität eingeschrieben bist, zählen nicht als Wartesemester, um schneller in einen anderen Studiengang reinzurutschen. Auch finanzielle Unterstützungen wie etwa BAföG werden nicht mehr gewährt, wenn man zu oft den Studiengang wechselt. Andererseits, kannst Du auch einem Sinneswandel unterliegen (sofern Du Jura nicht absolut ablehnst) und merken, dass es spannend ist. Vielleicht entdeckst Du in den ersten Klausuren auch Dein Händchen für die Materie.

ØGruppe vier: »Ich wusste nicht, was ich sonst studieren soll.« Ein wenig planlos hast Du in Studienführern geblättert, Deine Freunde gefragt, was sie denn eigentlich nach dem Abitur machen wollen und dann versucht, einen Studiengang zu finden, mit dem man sich nicht unbedingt auf einen einzigen Beruf festlegen muss. »Mit Jura kann man doch so vieles machen«, haben Dir sicher einige Bekannte gesagt und Dich in Deinem Vorsatz bestärkt, Jura zu studieren. Was das alles sein kann, wirst Du ja sicherlich noch herausfinden. Irgendwann. Das Studium ist schließlich lang.

Die Wahrheit: Wahrscheinlich geht es jedem zweiten Jurastudenten so wie Dir. Die wenigsten träumen seit ihrer Kindheit vom Anwaltsberuf. Und der muss auch nicht zwangsweise das Ziel Deiner Ausbildungszeit sein. Mit Jura kann man wirklich viele verschiedene Dinge machen, welche, erfährst Du in Kapitel 15 Die Zukunftsperspektive – das Examen in der Tasche und jetzt?

Hast Du Dich in einer dieser vier Gruppen wiedererkannt? In dem Hörsaal, in dem Deine Einführungsveranstaltung stattfinden wird, werden Vertreter aller vier Gruppen sitzen. Die Erfolgschancen stehen bei allen gleich gut. Wenn Du aber schließlich dort sitzt, wirst Du einen Vorteil haben, wenn Du wenigstens schon eine Ahnung hast, was Dich erwartet. Jura – was ist das eigentlich?

2.1WAS IST JURA?

Rechtswissenschaften lautet der eigentliche Name des Studiums – »Jura« ist zwar umgangssprachlich, aber der gängige Begriff für das Studium. Er stammt ursprünglich vom lateinischen »ius«, was »Recht« bedeutet, die Mehrzahl heißt »iura«.

Der Plural passt gut, denn es gibt nicht nur ein Recht, es gibt viele. Ich will Dir gleich die drei großen Gebiete vorstellen, mit denen Du es ab dem Studienbeginn zu tun hast: dasPrivatrecht, das Öffentliche Recht und das Strafrecht.

Was diese drei Teilgebiete beinhalten, wird in Kapitel 7 Die Studienfächer im Einzelnen ausführlich dargestellt. Jetzt sei Dir aber schon gesagt: Sie decken jede nur denkbar rechtliche Beziehung in Deutschland ab. Zwischen Staat, Menschen und Sachen bleibt dank Jura nichts ungeklärt.

Die Uni Göttingen fasst es so zusammen: »Die Rechtswissenschaft befasst sich mit der Erkenntnis des geltenden Rechts und den geschichtlichen, sozialen, wirtschaftlichen, politischen und rechtsphilosophischen Grundlagen der Rechtsordnung. Im rechtswissenschaftlichen Studium werden die wissenschaftlichen Methoden und Kenntnisse vermittelt, die zur Anwendung des Rechts befähigen. Diese orientieren sich an den Grundsätzen der Rechtssicherheit, Gerechtigkeit und Wahrheit.«3

Erst die Wissenschaft, dann die Praxis

Und warum ist »Rechtswissenschaften« der korrekte Begriff? Weil Dein gesamtes Studium bis zum ersten Staatsexamen absolut wissenschaftlicher Natur ist. Das Studium besteht zum großen Teil aus Theorien von Altmeistern der Rechtswissenschaft. Diese Theorien musst Du schließlich auswendig lernen und ihre Argumente wirst Du in den Klausuren wiedergeben müssen.

Die Praxis erwartet Dich erst nach dem ersten Examen. In der Zeit des Referendariats lernst Du wie Juristen arbeiten, als Anwälte oder Richter oder in der Verwaltung, welche Anträge wie und wann gestellt werden, wie ein Gerichtsverfahren abläuft, wie Du ein Urteil schreibst und so weiter. Im echten Leben eines Juristen sind die Theorien weniger relevant. Um möglichst früh zu sehen, ob Dir der Beruf eines Juristen Spaß macht, sind Praktika schon im Grundstudium sehr empfehlenswert. Wann, wie und wo genau, erfährst Du in Kapitel 8 Das Grund- und das Hauptstudium.

Du als Problemlöser

Es geht bei Jura immer um Akteure, wie Du und ich es sind, die gegenüber ihren Mitmenschen oder dem Staat Rechte und Pflichten haben. Dass diese Rechte und Pflichten bestehen, ist klar – Jura kommt aber immer dann ins Spiel, wenn Probleme auftauchen. Etwa wenn der eine findet, dass der andere einer Pflicht nicht nachgekommen ist. Du wirst also zum Problemlöser. Ob Dir das am Ende immer gerecht vorkommen wird, ist eine andere Frage, wie auch ein altes Jura-Sprichwort sagt: »Recht haben und Recht bekommen sind zwei verschiedene Dinge.«

Und wer hilft Dir dabei, diese Probleme zu lösen? Natürlich Dein Gesetz. Es wird ab dem ersten Semester Dein ständiger Ratgeber sein. »Lernst Du eigentlich Gesetze auswendig?«, werden Dich Nichtjuristen fragen. Da diese Frage so oft gestellt wird, fällt es fast schwer, nicht genervt mit den Augen zu rollen, wenn man antwortet: »Nein. Ich lerne das ganze Drumherum, um die Gesetze anwenden zu können.« Du kannst und musst Dein Gesetz in Klausuren und später im Arbeitsalltag benutzen. Es ist Dein Werkzeug und Du wirst es brauchen.

Der Sachverhalt und das Gutachten – Dein täglich Brot

Die Klausuren bestehen selten aus reinen Wissensfragen. Spätestens ab dem zweiten Semester wirst Du bis zum ersten Examen ausschließlich Gutachten schreiben. Das heißt, Dir wird ein Fall vorgelegt, der sogenannte Sachverhalt, in dem eine Geschichte erzählt wird. Du schreibst dann dazu ein Gutachten mit Deiner rechtlichen Einschätzung der Situation.

Um Dir zu veranschaulichen, was ein Sachverhalt ist, hier ein einfaches Beispiel aus dem Zivilrecht: A verkauft B ein Auto. Das ist der Sachverhalt. Den versteht jeder, ob Jurist oder Nichtjurist. Deine Aufgabe in der Klausur besteht darin, die dahinterstehende rechtliche Beziehung aufzudröseln: Du prüfst in einem Gutachten, ob es einen Kaufvertrag gab, denn der muss dem Verkauf des Autos zugrunde liegen. So einfach wie obiges Beispiel wird es dabei eher nicht, sonst gäbe es ja keine Probleme, die Du lösen kannst. Wenn einer der Akteure in Deinem Klausursachverhalt aber zum Beispiel minderjährig oder der Pkw geklaut wäre, sähe die Problematik schon ganz anders aus – dann wären dies die Probleme, die Du in Deinem Gutachten erkennen und bearbeiten müsstest. In Klausuren sind Sachverhalte oft mehrere Seiten lange Geschichten.

Gutachtenschreiben mit Stil

Der sogenannte Gutachtenstil wird Dir zum Schreiben Deiner Klausuren ab dem zweiten Semester antrainiert. Die Art, wie man diese Gutachten verfasst, ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber im Grunde eine Formalität, die sich üben lässt. Zu Beginn stellst Du immer eine These auf, zum obigen Beispiel etwa: »A und B könnten einen Kaufvertrag gemäß § 433 BGB geschlossen haben.« Ob der Kaufvertrag wirklich zustande gekommen war, prüfst Du anschließend in Deinem Gutachten. Gutachten schreibt man in allen Fächern, also auch im Strafrecht und im Öffentlichen Recht. Erst ab dem zweiten Examen geht es in den Urteilsstil über.

Noch mal in Kürze: Jura ist …

Øwenn Du wissenschaftlich mit Theorien arbeitest.

Øwenn Du Argumente von anderen benutzt, um Deine Lösung in der Klausur zu begründen.

Øwenn Du Probleme lösen sollst, mit denen Du eigentlich nichts zu tun hast.

Øwenn Du immer ein Gesetz dabei hast.

Øwenn Du Gutachten in einem Sprachstil schreiben musst, der wie Deutsch klingt, aber irgendwie anders ist.

Jetzt hast Du hoffentlich einen ersten Einblick und ein Gefühl dafür bekommen, was Jura umfasst und was es eigentlich ist. Nun soll es ein wenig strukturierter weitergehen, um Dir zu zeigen, wie Dein Studium aufgebaut ist. Es gestaltet sich als ein kleiner Hürdenlauf. Hier der Aufbau in Kürze.

2.2DER AUFBAU DES STUDIUMS

Schritt eins: Das Grundstudium und die Zwischenprüfung

Du beginnst das Studium und musst zunächst die Zwischenprüfung absolvieren. Je nach Uni hast Du dafür zwei bis fünf Semester Zeit. Die Zwischenprüfung ist aber keine richtige Abschlussprüfung wie das Examen, sondern setzt sich zusammen aus Klausuren und Hausarbeiten, die Du immer während des Semesters schreiben musst. Die Grundfächer Strafrecht, Zivilrecht und Öffentliches Recht sowie ein Sprachkurs und an manchen Unis ein weiteres Grundlagenfach wie etwa Rechtsgeschichte gehören meist zum Stoff. An manchen Unis werden die Prüfungsnachweise der Zwischenprüfung auch kleine Scheine genannt. Dies ist das Grundstudium.

Schritt zwei: Die großen Scheine

Ist die Zwischenprüfung geschafft, geht das Scheinesammeln los: ein Schein pro Hauptfach, also einer im Strafrecht, einer im Zivilrecht und einer im Öffentlichen Recht. Pro Schein nimmt man sich meist ein Semester Zeit, schreibt während des Semesters eine bis drei Klausuren (je nach Uni) und am Ende jeweils eine Hausarbeit. Dies wird an den meisten Unis als Hauptstudium klassifiziert, an manchen Unis nennt man diese Lehrveranstaltungen auch »Übung für Fortgeschrittene«.

Schritt drei: Schlüsselqualifikation, Sprachkurs und Praktika

Nebenher ist eine Schlüsselqualifikation zu erwerben, etwa »Recherchieren in juristischen Datenbanken« oder »Mediation«. Und in den Semesterferien sind Praktika bei Anwalt, Gericht oder Verwaltung zu absolvieren. Wenn Du die Scheine, die Praktika, den Sprachkurs und die Schlüsselqualifikation zusammenhast, dann kannst Du zum ersten Examen zugelassen werden.

Während des Grund- oder Hauptstudiums kannst Du ins Ausland gehen und musst Deine dreimonatige Praktikumszeit absolvieren. Hast Du Grund- und Hauptstudium, die Praktika, die Schlüsselqualifikation und den Sprachkurs absolviert, kannst Du zum Examen zugelassen werden. Der sogenannte Schwerpunkt zählt etwa ein Drittel Deines Examens. Er ist vor oder nach dem Examen zu absolvieren. Ausführliche Informationen hierzu gibt es in Kapitel 9 Das Schwerpunktstudium.

2.3DER ABSCHLUSS DES STUDIUMS: DAS STAATSEXAMEN – EIN VERALTETES SYSTEM?

Das Staatsexamen ist der Abschluss, der bislang noch überwiegend an den deutschen Unis am Ende des Tunnels winkt. Es setzt sich aus einem staatlichen und einem universitären Teil zusammen. Den universitären Teil nennt man Schwerpunkt und Du kannst ihn Dir selbst aussuchen – immerhin macht er dreißig Prozent Deiner Gesamtexamensnote aus. Doch das Staatsexamen polarisiert: Es wurde angeregt und begonnen, auch für das Rechtswissenschaftsstudium Bachelor- und Masterstudiengänge einzuführen, das nennt man Bologna-Modell.4

Das Bologna-4-Stufen-Modell für Rechtswissenschaften mit Abschluss Staatsexamen und Bachelor/ Master sähe Folgendes vor:5

ØStufe 1: einen Bachelorabschluss nach drei oder vier Jahren

ØStufe 2: ein einheitliches Staatsexamen

ØStufe 3: das Referendariat mit dem Abschluss Zweites Staatsexamen

ØStufe 4: einen Master zur Spezialisierung

Dieses Modell integriert also Bachelor und Master direkt in das Staatsexamensmodell. Doch spalten Bologna und das alte System der zwei Staatsexamina die Gemüter von Juristen. Es gibt gleichermaßen Verfechter beider Richtungen.

Pro Bologna: Für viele Jurastudenten wäre es erleichternd, wenn der Bachelor vor dem ersten Examen verliehen werden würde, denn dann stünden sie nicht vor der jetzt noch überwiegend bestehenden Alles-oder-Nichts-Situation des Examenssystems. Die beiden Examina in Kombination machen den Jurastudenten zum Volljuristen als Einheitsjuristen, also abgesehen vom Schwerpunktbereich, zu einem Juristen ohne besondere Qualifikation oder Spezialisierung, der (im Idealfall) »alles kann«. Das wiederum ist für manche Berufe gar nicht nötig, etwa wenn man nicht Richter, Notar oder Anwalt werden möchte.

Aber: Das Staatsexamen genießt nach wie vor großes Ansehen. Der Schwierigkeitsgrad ist bekannt. Die Befürworter des Examens ohne Bachelor argumentieren unter anderem mit dem Verlust an Wissenschaft mit Einführung des Bachelorsystems.

Hier hat sich in den letzten Jahren trotzdem ein wenig getan: Etwa die Universität Potsdam und die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) haben schon ihre ersten Bachelorzeugnisse verliehen – den »LL.B.«.

Die Studenten können sich zu Beginn des Studiums für beide Abschlüsse einschreiben und dann einheitlich für diese studieren. Dann wartet vor dem ersten Examen die Möglichkeit, eine Bachelorarbeit zu verfassen. Zusammen mit ein paar Zusatzkursen hat man also nach etwa sechs bis acht Semestern den ersten Abschluss in der Tasche. Im Anschluss kann man dann das Staatsexamen machen. Oder eben nicht. Das ist der große Vorteil vom Bachelor-dann-Examen-Modell: Wer kein klassischer Volljurist werden will, kann an den Bachelor einen Master »ranhängen« und etwa in Rechtsabteilungen von Unternehmen arbeiten. Die klassischen Berufe wie Richter, Anwalt oder Staatsanwalt stehen einem aber natürlich nach wie vor nur mit beiden bestandenen Examina zur Wahl.6

Erst Bachelor, dann Examen?

Du willst besonders schlau sein und denkst Dir: »Ha! Ich trickse das System eben aus und studiere erst auf Bachelor. So habe ich einen Abschluss in der Tasche und wenn ich mag, mache ich danach das Staatsexamen, so ganz auf eigene Faust.« Da rate ich Dir zu großer Vorsicht.

Leider sind die Studiengänge oft überhaupt nicht aufeinander abgestimmt. Das heißt, es kann Dir passieren, dass Du von Deinem dreijährigen Bachelorstudiengang im Examensstudiengang fast nichts angerechnet bekommst. Das würde bedeuten, Du hättest von vorne mit dem ganzen Studium anzufangen.

Und wenn ich dann einen LL.M. (das ist die gängige Abkürzung für den Master of Laws) dranhänge? Dann muss Deine Bachelornote auch entsprechend gut sein. Auch bei Aufnahme in den LL.M.-Studiengang werden Juristen mit erstem Examen wohl meist bevorzugt.

Willst Du klassischer Jurist werden? Dann musst Du das Staatsexamen machen. So ist das. Das wird sich so bald nicht ändern. Wie das mit alteingesessenen Systemen nun mal oft so ist. Trotzdem gehen die Diskussionen um den Vor-Examens-Bachelor weiter und er wird sich hoffentlich früher oder später an mehreren Unis durchsetzen. Was man aber mit einem Jurabachelor anfangen kann, ist eher fraglich. Es kommt für Deine Bewerbung bei einem potentiellen Arbeitgeber letztendlich nicht nur auf Deinen Abschluss, sondern ebenso auf Deine Zusatzqualifikationen und Nebenverdienste an, die Dich für die Firma interessant machen könnten. Wahrscheinlich ist aber, dass Du nach dem Bachelor noch einen Master machen müsstest.