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Nach einer Reihe bizarrer Prüfungen im Turm des Magiers Xagadeos gibt dieser dem jungen Paar einen Zauber, um den Quell der Schatten zu finden, den Ort, dem die Dämonen entspringen und an dem sie gebannt werden können. Der Zauber erfordert drei der Amulette, mit denen die Verräter im Dienste der Jattar die Dämonen befehligen. Doch selbst wenn sie die drei Amulette zusammentragen, bleibt es doch unsicher, ob Gunids rätselhafte Zauberkraft ausreicht, um den Quell der Schatten zu schließen. Denn ihre Macht kommt und geht, und immer dringlicher stellt sich Gunid die Frage, was die Natur dieses Zaubers ist, der sie befähigt, den Dämonen zu gebieten ...
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Seitenzahl: 780
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Für Brigitta
TEIL 1: Der Turm des Magier
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
TEIL 2: Raubritter
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
TEIL 3: Das dritte Amulett
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
„Horch!“
Eben noch hatte Ragald von dem Badezuber in dem Bauernhof geschwärmt, den sie an diesem Morgen verlassen hatten. Auf ihr Wort und ihre Handbewegung hin verstummte ihr junger Freund und hob aufmerksam den Kopf in den Wind, der ihm die schwarzen Locken zauste.
„Ein Wasserfall?“ Er sah sie fragend an. Gunid schaute verunsichert den Bach entlang, an dem sie gerade ihr Nachtlager hatten aufschlagen wollen.
Er schlängelte sich neben dem Reitweg her, gesäumt von dichtem Gehölz, dessen Blätter mit ihrem Rascheln im Wind das ferne Rauschen beinahe übertönten. Einige Hundert Schritt voraus bogen beide, der Weg und die Uferlinie aus Bäumen und Sträuchern, südwärts von ihrer bisherigen Richtung nach Westen ab und schmiegten sich an den Fuß einer niedrigen Hügelkette, über deren Schattenriss tief die orangerote Sonne stand.
„Ich weiß nicht“, murmelte Gunid, nachdem sie noch einmal auf das Rauschen gelauscht hatte. „Es klingt irgendwie … sonderbar.“
„Klingt vor allem ziemlich groß, wenn wir ihn bis hierher hören“, bemerkte Ragald müde. „Wahrscheinlich kommt da ein bisschen mehr Wasser runter als zuhause hinterm Mühlteich.“ Rasselnd ließ er das Kettenhemd zu Boden fallen, das er den ganzen Tag über getragen hatte.
Sicherlich lag dieses Ding schwer auf den Schultern, dachte Gunid, und unwillkürlich glitt ihr Auge über die kräftigen Muskeln ihres Jugendfreundes, die unter dem gepolsterten Unterzeug der Rüstung spielten.
Zum wohl tausendsten Male seit jenem schicksalhaften Tag im Frühling – wie lange war es jetzt her? Drei Monate? – fragte sie sich, wie sie so lange hatte übersehen können, dass der Knabe, mit dem sie einst als Kind die Wiesen und Wälder rund um ihr Heimatdorf unsicher gemacht hatte, zu einem stattlichen Mann gereift war.
Sie zwang sich, den Blick von ihm loszureißen, und schüttelte energisch den Kopf. Der Wind trug fremdartige Vogelschreie heran, die den Jagdvogel, den Ragald auf dem Stumpf einer geborstenen Buche abgesetzt hatte, zu gekreischten Antworten reizten. Lif war ein Bronzebussard, ein Greifvogel aus den Steppen des tiefen Südens und das wohl treueste Tier, das die Götter je erschaffen hatten. Ohne ihn, so ging es Gunid durch den Kopf, wäre Ragald seit Wochen tot. Sie musste daran zurückdenken, wie sie den Wald mitten im Kriegsgebiet nach ihrem Freund abgesucht hatte. Wäre nicht Lif aufgetaucht und hätte sie zu seinem verwundeten Herrn geführt, sie hätte Ragald in seinem Erdloch niemals rechtzeitig gefunden, um ihn zu einem Heiler zu schaffen.
Wieder kreischte Lif, und die Abendsonne zauberte auf sein dunkelbraunes Gefieder jenen rötlichen Schimmer, dem seine Art ihren Namen verdankte. Gunid betrachtete die ferne Linie der Hügel, deren Schattenriss von sonnendurchschienenem Gras und kargem Gestrüpp gesäumt wurde, und sie beobachtete die Vögel, die darüber ihre Kreise zogen. „Das ist kein Wasserfall“, sagte sie bestimmt. Sie wusste, wie der Bewuchs in der Nähe eines Wasserfalls aussah und wie sich Tiere an einem solchen Platz verhielten. Es passte einfach nicht.
Ragald hatte den Kopf gedreht und musterte sie aufmerksam aus seinen tiefblauen Augen. Seit sie als Kinder gemeinsam umhergetollt waren, hatte er als der Jüngere draußen im Gelände stets ihrem Urteil vertraut, und in den letzten Tagen, in denen sie sich vorsichtig den Weg durch das von den plündernden Horden der Jattar verwüstete Land gebahnt hatten, schien seine Achtung vor ihren Fähigkeiten noch gestiegen zu sein. „Was kann es sonst sein?“
„Keine Ahnung“, gab Gunid zögernd zu. Der Wind von der Hügelkette her spielte mit einer braunen Strähne, die ihr unter dem Kopftuch hervor in die Stirn gefallen war. „Aber ich möchte es gern wissen, bevor wir unser Lager in solcher Nähe aufschlagen.“
Seufzend hob er das Kettenhemd wieder auf und legte es dem fleckig braunen Streitross, in dessen Sattel er den ganzen Tag verbracht hatte, über den Rücken. Lif, der sich anscheinend schon auf seinen abendlichen Leckerbissen gefreut hatte, ließ sich nur unwillig und mit gutem Zureden von seinem Platz auf dem Baumstumpf zurück auf den Falknerhandschuh locken. Gunid ergriff die Zügel des zweiten Pferdes, des Falben, der bereits begonnen hatte, sein Abendessen abzuweiden, und gemeinsam führten sie ihre Tiere zurück zum Reitweg. Sie sahen beide keinen Grund, für das kurze Stück bis zur Hügelkette wieder aufzusitzen. Besonders Ragald bewegte sich ein wenig steif von dem Tag im Sattel und war vermutlich froh über die Gelegenheit, sich die Beine zu vertreten. Ein Streitross war kein Reisepferd, und so war Gunid überaus dankbar, dass Ragald ihr als der unerfahrenen Reiterin den Falben überlassen hatte, einen Zelter mit einer bequemen, weichen Gangart.
Je näher sie der Hügelkette kamen, desto lauter und deutlicher wurde das Rauschen. Immer weniger konnte sie sich einen Reim darauf machen.
Es schien aus keiner bestimmten Richtung zu kommen, sondern von überallher hinter der Anhöhe zugleich. Das dichte Gras oben auf dem Hügelkamm zitterte in einem kräftigen Wind, der hier unten auf dem Weg kaum spürbar war, der aber dennoch einen leicht fauligen Geruch mit sich führte. Gunid tauschte einen unbehaglichen Blick mit Ragald.
Sie überquerten den Bach an einer Reihe von Trittsteinen und gelangten kurz darauf an den Fuß des Hügels. Trotz des schwindenden Lichtes fand Gunid ohne Schwierigkeiten einen flachen Aufstieg, aber als sie den Falben hinaufführen wollte, erwies sich der Boden unter ihren bloßen Füßen als weich und nachgiebig. Zwischen den Zehen spürte sie das körnige Reiben von Sand.
„Da kommen die Pferde nie hinauf.“ Sie drückte Ragald die Zügel des Zelters in die Hand. „Warte hier, mein Großer. Ich gehe vor und sehe mir erst einmal an, wo dieses Rauschen herkommt.“
Ragald schaute neugierig an der sandigen Hügelflanke empor und nickte. Gunid glaubte zwar nicht, dass sich diese seltsam kreischenden Vögel in solchen Scharen hier getummelt hätten, wenn dahinter Gefahr gedroht hätte, doch das Geräusch, der Geruch, die ganze Umgebung war fremdartig, und in den letzten beiden Wochen hatte sie sich daran gewöhnt, als Späherin vorauszupirschen und allem Fremdartigen gegenüber misstrauisch zu sein.
Sie ließ den flachen Aufstieg links liegen und nahm, da sie nun keine Rücksicht mehr auf die Pferde nehmen musste, den direkten und steileren Weg. Unter ihren Füßen floss der Sand nach unten weg, und für jede zwei Schritte, die sie nach oben tat, rutschte sie einen wieder herab. Es zehrte an ihren Kräften, doch es bereitete ihr auch Spaß, sich mit diesem eigenwilligen Abhang zu messen, der so völlig anders war als jeder Hügel, den sie kannte. Auf dieser Reise, so schien es ihr, hatte sie jetzt schon mehr neue Erfahrungen gesammelt als in den ganzen neunzehn Jahren ihres Lebens davor im heimatlichen Lehen.
Dem nachgiebigen Hang zum Trotz gelangte sie bald auf das flachere Stück in der Nähe des Hügelkamms, wo das Gras und die Wurzeln vereinzelter Sträucher den lockeren Boden festhielten. Sie raffte den braunen Kittel und das Hemd und watete das letzte Stück geduckt durch den Sand. Der Wind blies ihr nun kühl und kräftig entgegen, und danach zu urteilen, wie laut das Rauschen inzwischen tönte, konnte der rätselhafte Wasserfall nicht mehr weit sein. In der Deckung eines kümmerlichen Strauchs mit trockenen, gelbbraunen Blättern pirschte sie sich an die Kante und spähte in das Land auf der anderen Seite hinab.
Im ersten Moment begriff sie kaum, was sie sah. Unter ihr erstreckte sich, so wollte es ihr scheinen, eine endlose, graue Ebene, ein vollkommen flaches, vollkommen kahles Land. Wäre nicht der glitzernde Streifen aus Licht gewesen, der sich unter der Sonne senkrecht auf sie zu zog, sie hätte nicht einmal sofort erkannt, dass sie Wasser vor sich hatte.
Langsam erhob sie sich aus der geduckten Haltung. Unterhalb der Hügel ging diese ungeheure Ebene aus Wasser in einen ebenso flachen Streifen Landes über, das wie der Hügel, auf dem sie stand, die Farbe des Sandes besaß. Von weiter draußen rollten gemächlich Wellen heran, schwollen in Ufernähe zu mannshohen Wänden und bekrönten sich mit langen Kämmen aus weißem Schaum. Schließlich brachen sie, fielen vornüber und liefen als dünne Wasserfläche weiter den sandigen Streifen herauf, Dutzende von Schritten weit, als trachteten sie danach, die Hügelkette zu erreichen, ehe sie schließlich doch an Kraft verloren.
Doch kaum zog sich die eine Welle widerwillig zurück, wurde sie schon von der nächsten überspült, die ihr auf dem Weg ins Land hinein entgegenkam. Gunid konnte kaum die Augen von diesem Schauspiel wenden. Der Wind griff nach ihrem Kopftuch, zerrte daran und rüttelte ein paar Strähnen ihres braunen Haares frei.
Fast überhörte sie unter dem beständigen Rauschen dieser mächtigen Wellen das Knirschen von Ragalds Schritten. Sie vergewisserte sich nur mit einem kurzen Blick über die Schulter, dass tatsächlich er es war, ehe sie das Gesicht wieder nach vorn wandte. „Ragald“, fragte sie mit ehrfürchtig bebender Stimme, als er neben ihr anlangte, „ist das das Meer?“
„Das muss es wohl sein“, erwiderte er. Auch seine sonst so lebhafte und verschmitzte Stimme klang ungewohnt gedämpft.
Sie dachte an seine Reisen nach Havegard, jenes Stück Welterfahrung, das er ihr voraushatte. „Hast du so etwas je zuvor gesehen?“
„Machst du Witze?“, entfuhr es ihm. „Von so etwas habe ich noch nicht einmal geträumt!“
Unvermittelt fühlte sie seine Finger nach ihrer Hand tasten. Der Wind wehte ihr die braunen Strähnen quer übers Gesicht, als sie es überrascht zu ihm hin drehte, doch er schaute nur weiter hinaus in die Weite des Wassers. Lif auf seiner Schulter spreizte die Schwingen im Wind und ließ ein Kreischen hören. Sie schloss für einen Moment die Augen, atmete tief die Mischung aus Salz und fauligen Pflanzen, die vom Wasser heraufwehte, und umfasste mit wild klopfendem Herzen Ragalds Hand.
Warum fiel ihr diese Geste neuerdings so schwer? Es war ihr immer so selbstverständlich erschienen, wenn sie einander als Kinder berührt hatten, und nie hatte es sie so sehr aus dem Gleichgewicht gebracht, wenn einer der Burschen im Dorf ihr den Hof gemacht und dabei ihre Hand ergriffen hatte. Warum, so fragte sie sich, mussten jetzt bei jeder Berührung zwischen ihnen beiden ihr Herz und ihre Gedanken gleichzeitig zu rasen anfangen? Warum mussten ihre Beine so weich werden, als sie dazu ansetzte, den einen Schritt zur Seite zu tun, der sie noch voneinander trennte?
Er schien überrascht, als sie sich gegen ihn lehnte. „Der Wind ist kühl“, sagte sie und fragte sich zugleich, seit wann sie eine Ausrede brauchte, um sich ihrem Jugendfreund zu nähern. Ein wohliger Schauder fuhr ihr durch den Leib, als er den Griff um ihre Hand löste und den Arm stattdessen um sie legte. Sie versuchte, nicht darüber nachzugrübeln, ob auch ihm diese Berührung jetzt mehr bedeutete als die vielen Male in Kindertagen, in denen sie sich so unschuldig aneinandergekuschelt hatten. Schweigend stand sie an ihn geschmiegt und trank seine Nähe, während die Sonne dem Meer entgegensank und allmählich die Form eines Eis und die Farbe rot glühenden Eisens annahm. Das Rauschen der Wellen füllte ihre Ohren, der salzige Wind ihre Nase und unausgesprochene Worte ihr Herz. Seit dem Feldlager hatte sie nicht mehr so dicht davor gestanden, ihm ihre Gefühle zu offenbaren.
Aber wieder einmal blieb es bei dem Vorsatz. Die Worte hingen ihr im Hals, hämmerten ihr mit jedem Herzschlag gegen die Kehle, doch sie brachte sie nicht über die Lippen. Sie war ihm allein ins Unbekannte gefolgt, hatte mit ihm gemeinsam gegen Krieger der Jattar gekämpft und Dämonen aus purem Schatten getrotzt, hatte dem Tod ins Auge gesehen und getötet; doch ihm ihre Liebe zu gestehen, fehlte ihr der Mut.
Die Schreie der Seevögel tönten ihr in den Ohren wie spöttisches Gelächter. Wo war die selbstsichere junge Frau geblieben, die sich stets der Verehrung der Burschen im Dorf hatte sicher sein können – selbst in Zeiten wie diesen, wo so viele Männer ins Feld zogen und auf je einen derer, die zuhause blieben, zwei Frauen kamen? Nie zuvor hatte sie solche Angst vor der Zurückweisung gekannt. Doch seit dem Tag, an dem sie Ragald mit seiner Braut ins Lehen hatte einreiten sehen, fühlte sie sich verunsichert wie eine Halbwüchsige, die zum ersten Mal verliebt war.
Und vielleicht, so dachte sie, war sie das auch. Verglichen mit dem, was Ragald in letzter Zeit in ihr auslöste, erschien ihr jede Verliebtheit, die sie je empfunden hatte, als kindische Schwärmerei. Und der Gedanke an seine Braut daheim, die wunderschöne Edeldame Witlinde, erfüllte sie mit einer Kälte, die auch seine Nähe nicht zu lindern vermochte.
Behutsam löste sie sich von ihm. „Wir sollten unser Lagerfeuer entfachen“, sagte sie, „solange wir noch Tageslicht haben.“
Ragald drückte ihre Schulter und nickte, ohne den Blick vom Schauspiel der majestätisch rollenden Wellen zu nehmen. Tiefrot berührte die flach gedrückte Sonne den Rand zwischen Himmel und Meer. Gunid begab sich an den Abstieg die sandige Hügelflanke hinab, zurück zu den Pferden, die am Ufer des Baches zu grasen begonnen hatten. Über den grünen Hügeln, aus denen sie gekommen waren, kündigte bereits ein silbriger Schimmer an der Unterseite der Wolken das Nahen des Mondes an.
Am Ende der Reise, bekräftigte sie sich innerlich, sobald sie am nächsten Morgen das Lager abbrachen. Bei unserer Heimkehr werde ich es ihm sagen. Als sie sich niedersetzte, die eingerollten Decken an sich gedrückt, und nach den Lederriemen griff, um sie zusammenzubinden, blieb ihr Blick kurz auf ihrem Gefährten ruhen, um danach am Bach und den Sandhügeln entlang nach Süden zu wandern. Es konnte nicht mehr weit sein bis zum Turm des Magiers, dachte sie und zog mit entschlossenen Rucken die Riemen um die Decken fest. Sobald sie den Brief des Königs überbracht hatten, konnten sie nach Hause, und dann, bei den Nebeln der großen Göttin Vesas, würde sie ihm sagen, wie sie für ihn empfand, oder ihre nutzlose Zunge zu Blutwurst verarbeiten.
Bis dahin würde sie ihm weiterhin die unbekümmerte Jugendfreundin vorspielen, die sich aus seinen Umarmungen nicht mehr machte als aus denen ihres Bruders Wulf. Grimmig zog sie sich, nachdem sie alles Gepäck aufgeladen hatten, in den Sattel des Falben. Eine Rolle darzustellen, hatte sie bei den Gauklern im Feldlager zur Genüge gelernt, und das nicht nur während der Vorführungen. Die Erinnerung an ihre Auftritte als Hexe – „die unvergleichliche Gunadola“ – ließ sie schmunzeln.
Vielleicht hätte sie das tief ausgeschnittene Kostüm behalten sollen. Ragald schien es zu gefallen.
Im nächsten Augenblick kam ihr sein Techtelmechtel mit der kleinen Fahrenden Marissa in den Sinn und jagte ihr einen Schub kochender Wut durch sämtliche Adern. Der Falbe geriet für einen Moment aus dem Tritt, als sich ihre Fäuste um die Zügel ballten.
Sie dankte den Göttern, dass die fremden Länder, die sie durchreisten, mehr als genug Wunder bereithielten, um sie von ihrem Liebesleid abzulenken. Schon nach einem kurzen Stück strömte der Bach, dessen Lauf der Reitweg folgte, durch einen Einschnitt zwischen den Hügeln hindurch, und bald führte sie ihrer beider Weg nach Süden über das flache, sandige Ufer am Meer entlang. Von ebenem Grund aus betrachtet, erschienen ihr die Wellen, die sich in Ufernähe auftürmten, noch beeindruckender. Nun, im Tageslicht, strahlte das Wasser in einem ähnlich tiefen Blau wie Ragalds Augen.
Lif schraubte sich auf seinem täglichen Flug hoch in den klaren Himmel hinauf, zwischen die weißen Vögel, die in dichten Schwärmen über dem Landstreifen und dem Wasser kreisten. Sie zollten dem Raubvogel keine sonderliche Beachtung. Viele von ihnen übertrafen mit ihren spitzen Flügeln den Bussard an Spannweite und schienen nicht zu fürchten, dass er sie als Beute betrachtete.
Ragalds Stimme holte ihre Aufmerksamkeit zur Erde zurück. „Schau mal!“ Sein Arm, funkelnd im Ärmel des Kettenhemds, deutete nach rechts, auf das Meer hinaus. Gunid wandte den Kopf, und als der nächste Wellenkamm zusammenfiel und die Sicht freigab, gewahrte sie eine Handvoll weißer und brauner Formen, die aus dem Wasser emporragten. Auf den ersten Blick erschienen sie Gunid wie Schmetterlingsflügel. „Was ist das?“, fragte sie und rechnete nicht wirklich mit einer Antwort.
„Segel“, erwiderte ihr Freund. Überrascht sah sie ihn an, und er zuckte die Achseln. „Auf Burg Havegard gab es Bilder davon.“
Sie erinnerte sich daran, wie sie in ihrer Kindheit zum ersten Mal von der Flotte der Jattar gehört hatte. »Bunte Segel« hatte es geheißen, und seit jenem Tag hatte sie sich stillschweigend unter Segeln so etwas wie große Flaggen vorgestellt. Es war derselbe Tag gewesen, ging es ihr ungebeten durch Kopf und Herz, an dem sie dem kleinen Ragald das Leben gerettet hatte und sie beide Freunde geworden waren.
Sie schüttelte ärgerlich den Kopf, um nicht wieder ins Grübeln darüber zu geraten, welchem verschlungenen Pfad ihre Freundschaft seit drei Monaten folgte. „Könnten das Schiffe der Jattar sein?“, fragte sie, die Stimme erhoben, um das Rauschen zu übertönen, mit dem sich unten im Wasser eine besonders mächtige Woge überschlug.
„Wohl kaum“, meinte Ragald nach einem weiteren Blick hinaus. „Ihre Schiffe sollen groß genug sein für Dutzende von Kriegern. Das da draußen sind wahrscheinlich einfach Fischerboote.“ Während er noch sprach, leckte der Ausläufer der Woge immer weiter über den Sand herauf, bis er schließlich den Pferden um die Fesseln spülte. Schien es ihr nur so, oder kam das Wasser mit jeder Welle tiefer ins Land herein?
„Dann müsste hier in der Nähe ein Dorf sein.“
Sie behielt recht. Kurz nach der Mittagsstunde sichteten sie die Ansammlung von Hütten, die sich dahingewürfelt einen Abhang emporzog, auf der anderen Seite einer Bucht. Der Streifen aus Sand, über den sie den halben Tag dahingeritten waren, endete hier an einem Felsrücken. Ein enger Pfad führte hinauf, den der Falbe sich nur widerstrebend emporführen ließ, selbst nachdem das braune Streitross schon gleichmütig vorangetrottet war. Eine Zeit lang zog sich der Weg als schmaler Pass an einem steilen Ufer entlang, gegen das die Wellen mit Wucht anrannten, um an den Felsen zu Wolken von feinen Tropfen zu zerstieben. In kürzester Zeit waren Gunid und Ragald durchnässt wie von einem Regenguss.
Endlich wand sich der Weg wieder ein Stück landeinwärts und das Rauschen der Wellen wurde von Gehölz gedämpft, das zwischen Pfad und Ufer üppig wucherte. Für den Moment verbarg es zudem das Dorf vor ihren Blicken, auch wenn die Rauchfahnen aus den Schornsteinen ihnen weiterhin den Weg wiesen. Bei aller Fremdheit, die vom Meer ausging, erinnerte dieses friedliche Bild Gunid an Zuhause, und unwillkürlich fragte sie sich, ob dieses Fischerdorf vom Krieg ebenso gebeutelt und seiner Männer beraubt war wie ihr heimatliches Lehen. Ihr Blick ging über den Rücken ihres Gefährten, seine glänzend schwarzen Locken, seine kräftigen Schultern und seine schlanke, athletische Statur, und ein unschöner Gedanke keimte in ihr auf. Sie trieb den Falben an und kam an Ragalds Seite. „Wollen wir uns eigentlich weiter mit denselben falschen Namen vorstellen? Dass du Godrich heißt und ich Jope?“
Ragald, der wachsam die Hügel im Auge behalten hatte, sah sie verwundert an. „Natürlich. Wenn ich mich mit Ragald Adolar vorstelle, wird mein Freund Palder auf der Durchreise sofort erfahren, dass ich noch lebe. Vorausgesetzt, er nimmt zur Feste Kaskur den Landweg.“ Seine Miene hatte sich verdüstert, als er den Namen seines alten Kameraden ausgesprochen hatte, durch dessen Verrat mehr als zwanzig Mann ums Leben gekommen waren, darunter beinahe auch Ragald selbst. Doch das war es nicht, was Gunid im Moment beschäftigte. Sie holte tief Luft und sprach so beiläufig wie möglich ihren Vorschlag aus: „Wie wäre es, wenn wir uns als Ehepaar ausgeben?“
Er musterte sie mit einem Stirnrunzeln, als hätte sie den Verstand verloren, und hastig fügte sie hinzu: „Es wäre nur glaubwürdig. Der Standesunterschied zwischen uns beiden fällt im Moment ohnehin nicht auf. Den Adligen sieht man dir jedenfalls in dieser Aufmachung nicht an, mein Großer.“ Mit einem Lächeln, von dem sie hoffte, dass es nicht allzu verkrampft wirkte, langte sie hinüber und zupfte an seinem schmucklosen Waffenrock. „Außerdem wäre es weniger auffällig als die Erklärung, die du im letzten Lehen zum Besten gegeben hast. Dass wir uns im Feldlager kennengelernt haben und uns zusammengetan haben, weil wir zufällig beide nach Kaskur wollen …“
„Meinst du, ein Waffenknecht, der mit seiner Frau zusammen in den Krieg zieht, wäre weniger auffällig?“
Sie wich seinem zweifelnden Blick aus und wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger. „Du müsstest zumindest weniger reden. Wenn du einfach sagst, ich sei deine Frau, wirft das weniger Fragen auf und weckt weniger Neugier, als wenn du erst eine ganze Geschichte erzählst.“ Und außerdem, pochte ihr das Herz hoffnungsvoll in den Schläfen, hielte es vielleicht die Dorfschönen von ihm fern und ersparte es ihr, ein weiteres Mal sein Liebesgeflüster mit einer anderen anzuhören, wie mit diesem Flittchen Marissa.
Lif auf der Schulter seines Herrn sah, wie es ihr schien, fragend von ihm zu Gunid und wieder zurück. Als Ragald schließlich den Kopf schüttelte, fühlte sie sich hin- und hergerissen zwischen Erleichterung auf der einen Seite, dass sie sich die Schauspielerei nicht noch verwickelter gemacht hatte – die Jugendfreundin zu spielen, die die Geliebte spielte, und dabei gleichzeitig ihre wahre Liebe zu verbergen – und auf der anderen Seite Enttäuschung, dass er sich offenbar nicht vorstellen konnte, auch nur so zu tun, als wäre sie seine Liebste. „Wir haben doch nicht einmal Ringe“, rang er sich einen Vernunftgrund ab.
„Dann sind wir eben erst verlobt“, beharrte sie. „Wir befinden uns noch im Probejahr –“
„Gunid, bitte!“ Er schaute geradeaus auf den Reitweg, der sich zwischen dem Gestrüpp am Ufer und der gelbgrünen Wiese auf dem Hügelhang dahinzog. „Ich … ich möchte das nicht.“ Seine Miene wirkte verwirrt, geradezu bestürzt. Ohne sie anzusehen, fuhr er fort: „Ich möchte so dicht wie möglich an der Wahrheit bleiben. Wir sind Kameraden, Reisegefährten, Freunde. Einen anderen Namen, eine etwas andere Vorgeschichte … diese Rolle kann ich spielen. Das andere …“ Er verstummte.
An dem Kloß, der sich ihr im Hals bildete, hatte sie schwer zu schlucken. „Schön“, stieß sie schließlich hervor und hoffte, dass er ihrer Stimme die Verletztheit nicht anmerkte. „Also bleibt es dabei. Kameraden.“
Sie zügelte den Falben und ließ sich ein Stück zurückfallen, bis sie wieder hinter ihm ritt. Auf dem restlichen Weg bis zum Dorf wechselte sie kein weiteres Wort mit ihm.
Ihre Schatten fielen lang gezogen zur Seite, als sie endlich die Bucht umrundet hatten und zwischen den ersten Hütten einritten. Unten am Ufer lagen in langen Reihen Boote auf dem Sand. Vor jedem Haus standen Darren, behangen mit Hunderten von Fischen, oder es hingen Netze zum Trocknen im Wind. Am Ortseingang erblickte Gunid zum ersten Mal in ihrem Leben einen Schrein für die Meeresgöttin Uvanea, die Herrin der Tiefe. Der Name dieser Gottheit war jedem geläufig, der schon einmal einem reisenden Geschichtenerzähler gelauscht hatte, doch bislang war sie für Gunid kaum mehr gewesen als ein Motiv aus dem Märchen. Schon oft hatte sie gehört, dass die geschnitzten Figuren die Göttin immer im Liegen darstellten und nackt bis auf ein Tuch, das ihr über dem Leib lag.Nun eine solche Figur hier zu sehen, an der Seite einen Korb für Opfergaben, beides beschattet von einem kleinen Strohdach und ebenso wirklich wie daheim der Schrein der Vesas, hätte sie normalerweise mit Neugier und Begeisterung erfüllt. Doch noch immer war sie bedrückt von ihrem Gespräch mit Ragald, und dass sie zwischen den Hütten fast nur Frauen umhergehen sah, die den stattlichen Krieger sofort mit ihren Blicken verfolgten, hob nicht gerade ihre Stimmung.
Ragald fragte eine dürre Magd, die auf einer Wiese am Wegesrand Gänse hütete, nach ihrem Herrn, und bald wurden sie von einem großen, stämmigen Mann mit struppigem, rotbraunem Bart in seine Hütte eingelassen und mit dem traditionellen Trunk für den Reisenden empfangen. Der Apfelmost schmeckte sauer und alles an diesem Ort roch nach Fisch, doch Gunid war dankbar, dass ihnen Gastfreundschaft geboten wurde. Die Annehmlichkeit, mit einem Dach über dem Kopf zu schlafen, hatte sie auf dieser Reise sehr zu schätzen gelernt, und auch über Abwechslung von der eintönigen Verpflegung aus Zwieback, Hartwurst, Käse und Dörrfrüchten war sie froh, selbst wenn es sich nur um Fischeintopf handelte.
Das Essen fand beengt im Kreise der Familie statt. Jolf, der Fischer, hatte eine Schar von einem halben Dutzend Kindern, die von einem fünfjährigen Schreihals bis zu einem dreizehnjährigen, stillen Mädchen reichte. Hinzu kamen drei Mägde, ein einzelner Knecht, der noch nicht für den Krieg eingezogen worden war, Jolfs klapprige, alte Eltern, seine mondgesichtige Frau und er selbst. Obwohl die Hütte für die Verhältnisse dieses Dorfes recht groß war, fühlte sich Gunid an der Abendessenstafel eingezwängt.
„Das Heer war schon hier?“, schreckte Ragalds Ausruf neben ihr sie aus ihrem Brüten hoch, als sie gerade mit einem Stück Brot die dünne Brühe des Eintopfs aus der Schale tupfte.
Jolf nickte schwerfällig, als wöge sein Kopf so viel wie ein Fass. „Vor zwei Tagen schon. Ein paar Hundert Ritter und Waffenknechte, dazu das Dreifache an Tross. Sie lagerten an der Heerstraße oben in den Hügeln, aber eine Abordnung kam hierher und trieb einen Zehnten an Vorräten ein.“ Mit einem Knurrlaut nahm er einen Schluck aus seinem Bierhumpen und wischte sich mit einer kräftigen Pranke den Schaum aus dem Bart. „Verfluchtes Heer, mit Verlaub gesagt! Das war schon das dritte Mal dieses Jahr!“
Ragald führte seinen Becher zum Mund, um das Gesicht zu verbergen, doch Gunid merkte ihm an, wie sehr er um Fassung rang. Sie hatten sich die ganze Zeit darauf verlassen, dass Palder mit seiner Truppe erst nach ihnen in dieser Gegend vorbeikäme. Die Heereseinheit hatte das von den Jattar besetzte Gebiet in weitem Bogen umgangen, während Gunid und Ragald quer hindurchgereist waren. Sie hatten geglaubt, nachdem sie den Magier aufgesucht hatten, könnten sie den Durchzug der Einheit abpassen und sie vor Palders Verrat warnen.
„Vor zwei Tagen schon, sagst du?“, meinte Ragald beherrscht, als er den Becher wieder absetzte. „Sie müssen sich sehr beeilt haben. War ein Angehöriger des Hauses Ugaval dabei?“ Auf Jolfs fragenden Blick hin beschrieb er Palders Wappen: „Sein Schild zeigt einen goldenen Adler im grünen Feld.“
Das verlegene Kichern und Erröten der halbwüchsigen Tochter sagten Gunid alles, noch bevor Jolf zur Antwort Luft geholt hatte. „Ach, den Leutnant meinst du“, bestätigte der Fischer. „Noch recht jung, ungefähr so wie du, Godrich? Sommersprossen und rotblondes Haar bis auf die Schultern? Ja, der war hier. Er führte die Leute an, die den Zehnten eintrieben. Gar kein übler Bursche, das muss ich zugeben. Er hat wirklich nur mitgenommen, was ihm aufgetragen war.“
Ragalds Hand krampfte sich um den Kelch. „Tausend Schatten!“, fluchte er, bevor er sich ein säuerliches Lächeln abrang. „Ich hatte gehofft, dass ich ihm meine Botschaft vielleicht schon hier übergeben könnte.“
„Nach Kaskur hätten wir so oder so weiterreisen müssen, Godrich“, warf Gunid ein und legte ihm eine Hand auf den Arm. Sie sah die Sorge in seinen Augen, als er sich zu ihr umdrehte, und lächelte ihn aufmunternd an. Ihr Lohn war ein dankbarer Blick und eine flüchtige Berührung seiner Finger, die ihr ein wohliges Kribbeln auf der Hand zurückließ.
„Ja, so sieht es aus“, wandte er sich wieder an Jolf. „Gibt es auf dem Weg nach Kaskur irgendwelche Gefahren, die wir meiden sollten? Wir haben gehört, entlang der Küste soll ein Magier hausen.“
„Xagadeos“, nickte Jolf und verzog das Gesicht. „Er bewohnt einen Turm oben in den Katzenklippen, einen knappen Tagesmarsch südlich von hier. Um den macht ihr besser einen Bogen.“
„Wieso?“ Gunid beugte sich vor. „Was ist so schlimm an ihm?“
Während der nächsten Stunde erfuhren sie alles, was Jolf über den Magier Xagadeos wusste oder zu wissen glaubte. Einige Dinge hatte er mit eigenen Augen gesehen, etwa die Diener, von denen der Zauberer begleitet wurde, wenn er sich, was selten genug vorkam, ins Dorf begab. „Sie tragen lange, graue Kutten. Im Schatten ihrer Kapuzen sieht man nie ein Gesicht, und bei Uvanea, ich bezweifle, dass sie überhaupt eines haben! Sie sprechen nie ein Wort, und wenn sie nicht gerade einen Befehl ihres Herrn ausführen, stehen sie starr wie Steine.“ Der kräftige Fischer schauderte sichtlich.
Andere Dinge schienen Gunid das übliche Gerede über Hexen und Zauberer zu sein: dass es in den Katzenklippen spuken solle, dass der Wind manchmal vom Turm her das Wehklagen gemarterter Seelen herantrage, dass der Zauberer ohne Rücksicht auf die Fischerboote Unwetter beschwöre, wann immer ihm danach sei. Ragald beging den Fehler, Jolf zu fragen, ob unter den Geistern in den Katzenklippen auch riesige, schwarze Schattengestalten seien, und einen Bierkrug später hatte sich der Fischer selbst überzeugt, dass tatsächlich auch solche Kreaturen dort umgingen. Gunid und Ragald tauschten einen belustigten Blick.
Auch über die Reisenden, die den Magier aufsuchten, wusste Jolf eine Menge zu berichten. „Zwielichtiges Volk“, sagte er. „Söldner und Schatzsucher. Manchmal auch ehrbare Leute, doch sie müssen wohl sehr verzweifelt sein, sich an ihn zu wenden. Viele kommen vom Aufstieg in die Katzenklippen unverrichteter Dinge zurück, ohne den Turm je erreicht zu haben. Manche“, so fügte der Fischer bedeutungsschwer, mit vom Bier glasigen Augen hinzu, „kommen gar nicht zurück!“
„Weiß man, was ihnen geschieht?“ Ragald hatte sich an den sauren Apfelmost gehalten und war immer noch recht klar im Kopf.
Der Fischer breitete die Arme aus und rülpste eine Bierfahne. „Es heißt nur“, erzählte er heiser, „der Magier habe den Weg zu seinem Heim mit zahllosen Fallen gesichert.“
In das Schweigen, das auf diese Worte folgte, warf Gunid ein: „Godrich, meinst du nicht, wir sollten uns langsam schlafen legen?“ Bevor er etwas entgegnen konnte, reckte sie sich und fügte hinzu: „Wir haben morgen eine lange Strecke vor uns.“ Der dürren Magd, die den halben Abend schon Ragald aus großen Hundeaugen angegafft hatte, warf sie einen warnenden Blick zu.
Kurz darauf ließen sie sich in ihr Lager auf dem Heuboden in Jolfs Stall sinken. „Du hast recht“, seufzte Ragald, während er sich die Hosen abstreifte. „Aus dem hätten wir heute Abend kein sinnvolles Wort mehr herausgebracht.“ Lif hatte schon lange auf dem Dachbalken, auf dem ihn sein Herr angebunden hatte, den Kopf unter den Flügel gesteckt und schlief.
Verstohlen ließ Gunid den Blick über die muskulösen Waden ihres Gefährten wandern, ehe sie sich abwandte und den Kittel auszog. „Was glaubst du, wie viel an seinem Gerede dran war?“
Mit einem Ächzen streckte sich Ragald lang im Heu aus. „Zumindest pflegt der Magier Umgang mit seinen Nachbarn, wenn auch selten und in zweifelhafter Begleitung. Das täte er wohl kaum, wenn er zu jener Sorte Zauberer gehörte, die jeden Fremden ohne Vorwarnung in Kröten verwandeln.“
Sie strich ihr langes Hemd glatt und zog ihren Rucksack zu sich, um ihren Kamm hervorzukramen. Nun, wo sie tatsächlich kurz davorstanden, den Magier aufzusuchen, bemerkte sie erst, wie viel Angst ihr die Aussicht auf diese Begegnung einjagte. Zauberer und Hexen genossen einen Ruf, der Fahrende wie unschuldige Kinder aussehen ließ. „Ich wünschte nur“, entschlüpfte es ihr, „wir wüssten, was diejenigen falsch gemacht haben, die nicht zurückgekommen sind.“
„Dann lass uns zu Vesas beten, dass wir es nicht herausfinden.“ Er zog sich die grobe Decke über den athletischen Körper, und sie war erleichtert und enttäuscht zugleich.
„Sollten wir da nicht eher zu Ligander beten?“, fragte sie scherzhaft, um ihr Unbehagen zu überspielen. Ragald grinste.
„Zum Gott der Weisheit bete ich, wenn ich etwas wissen möchte. Wenn ich etwas nicht wissen möchte, bleibe ich doch lieber bei der Herrin der Nebel.“ Raschelnd drehte er sich im Heu auf die Seite. „Gute Nacht – Jope.“
Sie schnob ein leises Lachen hervor. „Gute Nacht, Godrich.“
Noch lange lag sie wach, das Rauschen des Meeres in den Ohren, und fragte sich wieder einmal, ob sie tatsächlich wissen wollte, wie es in seinem Herzen aussah. Ihre Gebete, er möge ihre Gefühle erwidern, gingen nach wie vor zu Vesas.
Den knappen Tagesmarsch, von dem Jolf gesprochen hatte, legten sie beritten ohne sonderliche Hast in der halben Zeit zurück. Kurz nach dem Morgengrauen hatten sie sich auf den Pfad begeben, der sich südwärts aus dem Dorf in die öden, steinigen Hügel oberhalb der Küste hinaufschlängelte. Jetzt, als vor ihnen die Katzenklippen in Sicht kamen, brannte die Sommersonne vom höchsten Punkt ihrer Bahn herab und brachte die Luft über dem dürren, gelben Gras zum Flirren.
Obwohl Gunid die Augen zusammenkniff, tränten sie ihr vom Licht, in das die gleißende Sonne das durstende Grasland tauchte. Sie brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, woher die Klippen ihren Namen hatten. Ihr dunkler Schattenriss schwang sich in einem kühnen Buckel dem wolkenlos blauen Himmel entgegen, und dort, wo sie ins Meer hinausragten, liefen sie in zwei Gipfel aus, die einem Paar spitzer Ohren glichen.
Sie wandte den Kopf und betrachtete sorgenvoll ihren Gefährten, dem aus dem blauen Schal, den er sich zum Schutz vor dem Sonnenstich um den Kopf gewickelt hatte, ein beständiges Rinnsal aus Schweiß in den Nacken tropfte. „Ragald, bitte“, beharrte sie einmal mehr, „zieh deine Rüstung aus. Du musst ja gesotten werden in dem Ding!“ Sie selbst hatte schon vor geraumer Zeit ihren Kittel über den Gürtel herabgeschlagen und die Ärmel ihres Hemdes aufgekrempelt und war trotzdem schweißgebadet. Der Einzige von ihrer kleinen Gruppe, der sich in der Hitze pudelwohl zu fühlen schien, war Lif.
Ragald schüttelte den Kopf. „Wenn wir in einen Hinterhalt geraten –“
„Von wem? Dein Freund Palder hat zwei Tage Vorsprung, hast du das schon vergessen? Selbst wenn er wüsste, dass wir hier sind – und tausend Schatten, woher soll er das wissen? –, er reist mit einer Heereseinheit des Königs. Da kann er sich nicht einfach davonstehlen und uns auflauern.“
„Und was, wenn wir auf seine Kumpane stoßen?“ Ragald hielt sich eine Hand vor die Stirn, die Finger nach oben gestreckt, in Anspielung auf die Stirnplatten an den Helmen der Jattar. Gunid seufzte.
„Dann wirst du uns auch nicht besser verteidigen können, wenn du schon beim Versuch, das Schwert zu ziehen, mit einem Hitzschlag aus dem Sattel kippst.“
Ragald schüttelte den Kopf. „Ich bin das Kettenhemd gewohnt. Die Hitze macht mir nichts, glaub mir.“ Gunid bedachte sein schweißüberströmtes, gerötetes Gesicht mit einem halb spöttischen, halb besorgten Blick. „Außerdem“, fuhr er fort und deutete auf die Klippen, „wissen wir nicht, was uns dort erwartet.“
„Ich mag ja nur eine dumme Hörige sein …“
„Fang bitte nicht wieder damit an!“
„… aber wollen wir den Magier nicht eigentlich in friedlicher Absicht aufsuchen?“
Er verdrehte die Augen. „Das ist noch lange kein Grund, leichtsinnig zu werden. Wir haben keine Ahnung, wie Xagadeos Besucher zu empfangen pflegt. Genauso wenig wissen wir, ob er Wachen aufgestellt hat und ob sie nicht möglicherweise etwas übereifrig sind. Außerdem können in diesen Bergen doch durchaus noch Dinge hausen, die nichts mit dem Magier zu tun haben, oder?“
Statt einer Antwort hielt sie ihrem schwitzenden Freund ihren Wasserschlauch hin. Er machte keine Anstalten, ihn zu nehmen. Seufzend über seine Sturheit, trank sie selbst einen Schluck und hängte das Gefäß wieder an ihren Sattel.
Bei einem Meilenstein zweigte ein schmaler Trampelpfad vom Hauptweg ab und schlängelte sich abwärts, der Steilküste entgegen. Ein erfrischender Wind vom Meer her verschaffte ihnen beiden Linderung, als sie sich der Stelle näherten, an der die Katzenklippen das Ufer erreichten und steil ins Wasser abfielen. Eine Zeit lang begleitete sie das Geräusch der Wellen, dem Atem eines gewaltigen Tieres gleich, wie sie wieder und wieder mit ungeheurer Gewalt gegen die steinernen Füße des Landes brandeten. Der weiche Tritt des Zelters wandelte sich zu harten Stößen, als der Weg die verdorrte Wiese verließ und in einen Pass an der Flanke der steil aufragenden Felsen überging. Flechten in schmutzigem Weiß, Blassgelb und Hellgrün sprenkelten die dunklen, fast schwarzen Wände, und die weißen Vögel – Möwen, hatte Jolf sie genannt – bevölkerten die Spalten und Überhänge in kreischenden Scharen.
Der Pass neigte sich allmählich aufwärts und führte nun auf die Bucht zu, hinter der sich der »Kopf« der Katzenklippen über das Meer erhob. Kurz vor der ersten Kehre meinte Gunid, auf dem einen »Ohr« einen länglichen Umriss zu erkennen. Während sich der Weg in Serpentinen die Felsen hinanschlängelte, warf sie immer wieder Blicke in diese Richtung. Wenn dieser gedrungene Dorn tatsächlich der Turm war, dann hatte Xagadeos von dort aus eine hervorragende Sicht auf den ganzen Pass.
Wie als Antwort auf ihre Überlegung schob sich hinter der nächsten Kehre ein hoher Felsrücken zwischen den Weg und den Turm. Sie atmete auf, als sie endlich aus der prallen Sonne heraus in den Schatten ritten und es merklich kühler wurde. Zu ihrer Linken ragte nach wie vor die Steilwand empor, während sich zur Rechten vereinzelte Kiefern und Dornbüsche in die Felsritzen krallten. Nur noch gedämpft ertönte tief unter ihnen das Rauschen der Brandung, wohingegen der Hufschlag ihrer Pferde auf dem steinigen Boden ihr nun überlaut in den Ohren klang.
Lif war der Erste von ihnen, der bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Unvermittelt stieß der Vogel einen kehligen Laut aus und beugte sich mit gespreizten Schwingen auf der Schulter seines Herrn vor. Gunid und Ragald waren beide genug mit ihm vertraut, um seine Warnung zu deuten und sofort wachsam um sich zu spähen. Als hinter der nächsten Wegbiegung am Boden ein gerüstetes Beinpaar in Sicht kam, zügelten sie beide gleichzeitig die Pferde und tauschten einen kurzen, angespannten Blick.
Ragald setzte wortlos Kapuze und Helm auf, streifte sich den Schild über und zog das Schwert, bevor er mit sanftem Schenkeldruck den Braunen zum Weitertrotten trieb. Gunid blieb an seiner Seite. Hinter der Biegung offenbarte sich ihnen beiden der Anblick eines Ritters, der lang hingestreckt auf dem felsigen Boden lag. Blut sickerte aus seinem blonden Haarschopf und befleckte die Steine. Er trug einen weißen Wappenrock mit einem Muster aus roten Salamandern, die sich zu Kreisen bogen und so in den eigenen Schwanz bissen. Der Kettenpanzer darunter war mit vergoldeten Ringen durchsetzt und musste deutlich teurer gewesen sein als die Rüstung von Ragald. Selbst die Beine, für die fast jeder Kämpfer mit einem nietenbesetzten Lederschutz vorlieb nahm, steckten in Hosen aus Kettengeflecht. Nicht weit von dem Ritter entfernt lag ein lederner Beutel, aus dessen aufgeplatzter Naht sich eine Handvoll bunter Edelsteine über den Weg ergossen hatten.
„Bei Vesas“, murmelte Ragald und schaute sichernd um sich. „Was ist ihm geschehen?“
„Wahrscheinlich hat er in seiner Rüstung einen Hitzschlag erlitten und ist vom Pferd gefallen“, bemerkte Gunid bissig, während sie sich aus dem Sattel schwang. Als ihre bloßen Füße den rauen, harten Steinboden berührten, bereute sie fast sofort, dass sie keine Schuhe trug. Eilig kramte sie den Arzneibeutel aus dem Rucksack, der an ihrem Sattel hing, und wandte sich dem reglosen Ritter zu.
„Sei vorsichtig“, entfuhr es Ragald. „Wenn das eine Falle ist –“
„Wir müssen ihm helfen, oder nicht?“ Auf schmerzenden Sohlen stolperte sie über die spitzen Steine zu dem Liegenden hin. Ragald trieb sein Pferd an ihre Seite, den Schild erhoben, um sie notfalls gegen alles abzuschirmen, was sich aus dem Hinterhalt auf sie stürzen mochte. Gunids Herz schlug schneller, als sie neben dem Ritter in die Hocke ging. Er konnte noch nicht lange hier liegen; das Blut in seinem Haar war noch frisch und leuchtend rot. Der Gedanke, dass, was auch immer ihn hier gefällt hatte, auch auf sie beide warten mochte, gefiel ihr überhaupt nicht. Sie griff dem Verletzten unter das blonde Haar an den Hals, um nach dem Puls zu tasten.
Mit einem Aufschrei fuhr sie zurück, als unter ihren Fingern die Gestalt des Ritters in Rauch aufging, wie ein überreifer Pilz zu einer Wolke von Sporen zerstob. Schmerzhaft landete sie mit dem Gesäß auf dem harten Felsboden. Hinter ihr stieg der Braune wiehernd auf die Hinterläufe und fluchend riss ihn Ragald herum, damit seine Hufe so weit wie möglich von Gunid entfernt wieder auf die Steine schlugen. Auch der Falbe wieherte und stampfte und sie konnte Lif kreischen hören, doch anstatt sich nach ihm umzudrehen, starrte sie wie gebannt auf die Stelle, an der eben noch der aufgeplatzte Lederbeutel gelegen hatte. Anstelle des verlockenden Glitzerns der Edelsteine fand Gunid nun ein sonderbares Tier, das sie im ersten Moment für eine handgroße, schwarze Spinne hielt. Doch es besaß zwei Scheren, und über den Rücken hatte es drohend einen Stachelschwanz erhoben.
„Wird dir so nicht zu warm an den Beinen?“, grinste Ragald.
Gunid zog sich den zweiten Strumpf bis zum Knie hinauf und faltete sich den Schuh um den Fuß. „Halt die Klappe, hoher Herr!“ Ihr Blick irrte wieder zu der Ritze in den Felsen ab, in der das Spinnentier mit dem Stachel Zuflucht gesucht hatte, nachdem das Trugbild verflogen war. Mit zusammengepressten Lippen schnürte sie die Schuhriemen an der Wade empor und verknotete sie. „Ich weiß ja nicht, was sich der Magier bei diesem Gaukelspiel gedacht hat“, presste sie hervor, „aber ich finde es nicht komisch.“ Noch immer lief es ihr beim Gedanken an den Moment, in dem sich der vermeintliche Verletzte unter ihren Fingern verflüchtigt hatte, eisig den Rücken hinunter.
„Das wird wohl eine der Fallen gewesen sein, von denen Jolf geredet hat.“ Ragald spähte wachsam in beiden Richtungen den Weg entlang. „Und so gesehen finde ich, dass der Magier noch richtig nett war.“
„Nett?“ Gunid rieb sich versonnen das schmerzende Gesäß.
„Nett.“ Ragald hielt ihr die Hand hin, um sie wieder auf die Füße zu ziehen. „Er hätte uns auch ein Trugbild schicken können, bei dem wir unweigerlich in den Skorpion gegriffen hätten.“
„Skorpion?“ Sie klopfte sich den Felsstaub vom Kittel. Nachdem sie einen vorsichtigen Schritt getan hatte, stellte sie zufrieden fest, dass ihr in den Schuhen das Auftreten auf dem rauen Steinboden keine Schmerzen mehr bereitete.
„Das Tier von gerade.“ Er deutete mit einer Kopfbewegung auf die Felsritze. „Die Dinger sollen tödlich giftig sein. Wenn wir uns zuerst auf die Edelsteine gestürzt hätten …“ Gunid spürte die Farbe aus ihrem Gesicht weichen. Noch einmal schaute sie dorthin, wo das Tier verschwunden war.
„Lass uns weiterreiten“, murmelte sie und trat hastig auf den Falben zu.
Der Weg zog sich weiter den Felsrücken hinan und als sie den Scheitel erreichten, ließen sie den Schatten wieder hinter sich. Vor ihnen schlängelte sich der Pfad durch die Glut der Nachmittagssonne zu einem wahren Labyrinth aus Felszacken hinab, das Gunid spontan zum gesträubten Nackenfell der Katzenklippen erklärte. Die beiden Gipfel erhoben sich jenseits davon und sie waren nun nah genug heran, um den Turm auf dem einen davon deutlich zu erkennen. Das Gemäuer vollbrachte es, selbst im gleißenden Sonnenlicht düster zu wirken.
Der dunkle Fels hatte sich gnadenlos aufgeheizt und während sie durch die flimmernde Luft hinabritten, schien es Gunid, als durchquerten sie einen Backofen. Besorgt behielt sie Ragald im Auge, der im Sattel allmählich nach vorn sackte, und als sie ihm diesmal ihren Wasserschlauch hinhielt, nahm er ihn mit einem dankbaren Lächeln an. „Willst du wirklich nicht die Rüstung ausziehen?“, fragte sie ihn.
Er schüttelte den Kopf, während er ihr den Schlauch zurückgab. „Wer weiß, was sich dieser Magier als Nächstes ausdenkt?“ Lif auf seiner Schulter rieb ihm tröstlich den Kopf an der schweißnassen Wange. Sie seufzte.
„Ragald, was es auch ist, in diesem Zustand kannst du nicht kämpfen!“ Sein Gesicht glühte hochrot, und seine Augen erschienen ihr bereits glasig. „Es geht schon“, beharrte er.
„Es geht nicht, du sturer Bock! Ich seh’ es dir doch an!“ Sie beugte sich zu ihm hinüber und legte ihm eine Hand auf den Arm. Sofort zuckte sie vor dem heißen Metall wieder zurück. „Vielleicht bist du die Rüstung in normaler Sommerhitze gewöhnt, aber das hier – ist nicht normal!“ Sie schaute um sich. Im Flirren der Hitze über dem Gestein verschwammen die weiter entfernten Klippen zu waberndem Grau. Die Wellen auf dem Meer warfen die Sonne in Tausenden funkelnder Facetten zurück.
Sie betrachtete wieder das erschöpfte, trotzige Gesicht ihres jungen Freundes, und plötzliche Erkenntnis durchzuckte sie. „Ragald, du – du musst mir nicht mehr beweisen, dass du kein kleiner Junge mehr bist.
Du bist jetzt ein Mann und hart im Nehmen. Das hast du in den letzten Tagen oft genug gezeigt, mein Großer. Tausend Schatten, allein, dass du mit drei Pfeilwunden tagelang in diesem Erdloch überlebt hast, bis ich dich gefunden habe, würde manchen gestandenen Ritter beschämen!“
Sie rang sich ein Lächeln ab, als sie hinzufügte: „Wäre es da nicht einfach … dumm, dich jetzt von der Sonne niederstrecken zu lassen?“
Einen Augenblick lang schienen ihn ihre Worte zu verärgern. Selbst sein Stirnrunzeln erschien ihr träge und fahrig. Dann weitete plötzlich ein verlegenes Lächeln seine Züge, und er schlug die Augen nieder. „Du kennst mich einfach zu gut“, murmelte er und zügelte den Braunen.
Er hatte sich immer noch weit genug im Griff, um aus eigener Kraft aus dem Sattel zu steigen. Auch den Waffenrock konnte er noch allein abstreifen. Als er sich jedoch vorbeugte, um das Kettenhemd vom Oberkörper rutschen zu lassen, musste sie ihn stützen. Glücklicherweise, so dachte sie bei der Berührung des glühenden Panzers, war sie es gewohnt, mit heißen Kochtöpfen zu hantieren.
Das gepolsterte Unterzeug triefte wie ein vollgesogener Schwamm. Das Hemd klebte ihm klatschnass am Leib und hob jeden einzelnen seiner Muskeln hervor. Gunid ließ das Auge einen Moment auf diesem Anblick verweilen, ehe sie sich niederhockte und ihm die Verschnürung der ledernen Beinschützer löste. Immerhin, so hoffte sie, würde ihm das vollgeschwitzte Hemd jetzt, wo es dem Wind ausgesetzt war, auch etwas Kühlung verschaffen.
Mit vereinten Kräften luden sie die Rüstung auf den Braunen. Dass sich Ragald, als er in den Sattel stieg, wie jeder normale Sterbliche am Sattelknauf festhielt, anstatt einfach aufzuspringen, war für Gunid eines der deutlichsten Anzeichen dafür, wie sehr ihn die Hitze schon geschwächt hatte. „Dummer, geliebter Sturkopf“, murmelte sie, sobald er wieder außerhalb ihrer Hörweite vorneweg ritt.
Wie lange der weitere Abstieg durch diese Gluthölle dauerte, vermochte sie nicht zu schätzen. Vermutlich war es weniger als eine Stunde, doch ihr kam es wie eine Ewigkeit vor, bis sie endlich die Felszacken des »Nackenfells« erreichten.
Bei zwei spitz aufragenden Pfeilern, die Gunid wie Torpfosten erschienen, tauchte der Pfad in den Schatten ein. Eine wohltuende Brise wehte ihnen entgegen und sobald sie die Sonne endgültig hinter sich gelassen hatten, überkam sie im ersten Moment sogar ein Frösteln. Ragald, der auf dem letzten Stück unter freiem Himmel zusammengesunken im Sattel gehangen hatte, hob träge den Kopf und straffte mit sichtlicher Anstrengung die Schultern. Zumindest aber hielt er sich jetzt wieder aufrecht.
Das Echo der Hufe hallte hohl durch dieses steinerne Labyrinth, in dem der Wind alle paar Schritte aus einer anderen Richtung wehte. Dünn pfiff er um die Felszacken, manchmal kaum hörbar über dem Rauschen der Wellen, das gedämpft von überallher zu tönen schien.
Obwohl Gunid normalerweise stolz auf ihren Orientierungssinn war, hätte sie schon nach den ersten hundert Schritten nicht mehr zu sagen vermocht, ob sie weiterhin nach Süden ritten, nach Westen oder vielleicht auch nach Norden. Selbst Licht und Schatten oben auf den Felsspitzen bildeten ein zu wirres Muster, um ihr noch verlässliche Anhaltspunkte zu bieten. Sie konnte nur hoffen, dass die breite Rinne im Stein, der sie folgten, tatsächlich zum Turm führte.
Auf ihrer Schulter hampelte Lif von einem Lauf auf den anderen. Sie hatte darauf bestanden, Ragald auch diese Bürde abzunehmen, allein schon, weil sich unter dem ledernen Schulterstück für die Krallen des Bussards noch einmal die Hitze staute. Zunächst glaubte sie, den Vogel dränge es nach einem Flug, und so löste sie ihm die Fußriemen und griff nach dem Handschuh. Lif aber blieb, wo er war, und reckte sich stattdessen lauernd nach vorn. Seine gespreizten Flügel streiften Gunids Wange.
Im nächsten Augenblick erhob sich über die Felszacken eine Stimme wie Donner: „Wer da?“ Hundertfach hallte sie aus dem Labyrinth um sie her wider. Gunid entglitten die Zügel, als unter panischem Wiehern ihr Pferd stieg und sie dem Tier die Arme um den Hals schlang, um nicht aus dem Sattel zu rutschen. Von ihrer Schulter flatterte Lif auf und war fort.
Sie schrie. Für den Moment wusste sie kaum, wo oben und unten war. Der Zelter schien auf den Hinterläufen zu tanzen, und sie konnte nichts tun, als sich festzuklammern, während um sie her der Himmel, der Boden und die Felspfeiler schwankten. Aus dem Augenwinkel bekam sie mit, dass Ragald den Braunen an ihre Seite lenkte. „Ruhig“, hörte sie ihn mit tiefer Stimme sagen. „Ruhig.“ Sie war sich nicht sicher, ob er sie meinte oder das Pferd.
Unvermittelt ließ das wilde Schütteln nach. Der Zelter blieb schräg in der Luft hängen und bäumte sich noch immer zitternd gegen den Zügel auf, den Ragald nun mit eiserner Faust niederhielt. „Ruhig“, sprach er noch einmal auf das Pferd ein und sein gelassener Ton zeigte Wirkung. Langsam, sehr langsam, senkte der Falbe die Hufe wieder dem Boden entgegen und ohne die Zügel loszulassen, stieg Ragald aus dem Sattel und zog ihn weiter herab. „Ganz ruhig. Steig ab. Ganz ruhig.“ Gunid brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass die mittleren Worte ihr gegolten hatten, und noch einmal mindestens doppelt so lang, um ihre zitternden Arme von dem Pferdehals zu lösen.
Beinahe wäre sie vor Schreck aus dem Sattel gefallen, als noch einmal die Stimme über die Felsen donnerte: „Wer da?“ Der Zelter wollte wieder steigen, doch diesmal hatte ihn Ragald von vornherein am kurzen Zügel. „Ruhig.“ Seine Stimme klang kaum lauter als zuvor. In diesem Moment bemerkte Gunid allzu deutlich den Unterschied zwischen ihr, die sich erst seit ein paar Wochen ans Reiten gewöhnte, und ihrem Freund, der sich seit Jahren darin übte, ein Pferd selbst im Kampfgetümmel im Griff zu behalten.
Sie angelte mit dem einen Fuß nach dem Steigbügel und zwang das andere zitternde Bein, über den Pferderücken empor- und zu Boden zu schwingen. Mit weichen Knien stolperte sie ein paar Schritte von dem Falben weg und wäre beinahe gegen den Braunen geprallt, der mit angelegten Ohren, aber folgsam am Wegesrand stand. Auf der Spitze einer nahen Felszacke erblickte sie Lif, der wachsam etwas im Auge behielt, das sich hinter der nächsten Wegbiegung befinden musste.
„Zeigt euch!“, hallte erneut die Stimme über den Weg und wieder musste Ragald mit Kraft den Falben am Steigen hindern.
„Hört auf, so zu schreien!“, rief er über die Schulter. Breitbeinig stand er da und hielt mit einer Hand die Zügel des Falben nieder, während er dem Tier die andere auf die Nüstern gelegt hatte. „Ihr macht unsere Pferde scheu. Wir zeigen uns gleich.“ Von der Hitze klang seine Stimme noch immer rau und ein wenig schleppend, wie trunken. Aus glasigen Augen warf er einen besorgten Blick zu Gunid, ohne das tänzelnde Pferd loszulassen. „Alles in Ordnung?“
Sie nickte und wischte sich die Tränen der eben überstandenen Angst aus den Augen. „Ich führe den Braunen“, stammelte sie und rang sich ein Lächeln ab. „Lass uns weitergehen, bevor der Unbekannte mit seinem Gebrüll noch die Felsen zum Einsturz bringt.“
Hinter der Wegbiegung schien sich das »Nackenfell« der Katzenklippen zu lichten. Stück für Stück fiel das Sonnenlicht tiefer an den Felsnadeln herab, bis es schließlich wieder in voller Stärke den Boden erreichte. Die Rinne im Stein neigte sich hier deutlich bergab und Gunid musste aufpassen, wohin sie die Füße setzte, während sie mit immer noch zitternden Knien Ragald hinterherschritt. Die Pferde mussten sich auf dem unebenen Grund doppelt vorsichtig vorantasten, sodass es Gunids ganze Aufmerksamkeit forderte, den Braunen am Zügel zu führen. Mit baumelnden Fußriemen folgte Lif seinen beiden menschlichen Gefährten in luftiger Höhe von einer Felszinne zur nächsten.
Sie stand bereits mitten im prallen Sonnenlicht und hatte zwei Schritte nahezu rückwärts zurücklegen müssen, um das Streitross sicher herabzulotsen, sodass sie nicht hatte sehen können, was vor ihnen lag. So überraschte es sie, dass sich der Braune plötzlich mit ängstlichem Wiehern weigerte, weiterzugehen, und sogar zum Zurückweichen ansetzte. Mit stetigem Zug am Zügel beruhigte sie ihn so weit, dass sie es wagen konnte, selbst den Blick nach vorn zu heben. Im nächsten Moment hätte sie am liebsten selbst kehrtgemacht und wäre den Weg zurück zum Fischerdorf gerannt. „Vesas, Herrin der Nebel, steh uns bei“, kam es ihr heiser über die gesprungenen Lippen. Auch Ragald war im Schritt erstarrt wie eine Statue, die Linke um die Schwertscheide gekrampft.
Vor ihnen stand ein Riese. Allein die Axt, auf deren Schaft er sich stützte, war länger als ein ausgewachsener Mann. Er selbst ragte sicherlich zehn Fuß empor, eine abscheuliche Gestalt aus knotigen Muskeln unter fleckiger, graugrüner Haut. Von einem Gürtel an seiner Hüfte, ungefähr auf der Höhe von Ragalds Kopf, baumelte vor einem Schurz aus grauem Fell ein großes, bronzenes Horn. Borstiger, rotbrauner Pelz bedeckte seine Arme und sein Haupt, aus dem kleine, blasse Augen den Ankömmlingen verschlagen entgegenfunkelten. Aus den wulstigen Lippen unter den riesigen Nüstern sahen zwei spitze Eckzähne hervor. „Wer da?“, fragte er noch einmal. Diesmal schrie er nicht, doch der kehlig grollende Klang seiner Stimme jagte Gunid fast noch größere Angst ein.
„Wir bringen eine Botschaft für den Magier Xagadeos“, weckte Ragalds erschöpfte Stimme sie aus ihrer Lähmung. „Von seiner Majestät, König Halrik dem Vierten.“ Hinter dem Riesen konnte Gunid eine steinerne Brücke sehen, die einen tiefen, schattigen Abgrund überspannte. Von tief unten meinte sie, das Rauschen der Brandung zu hören. Auf der anderen Seite schien sich der Pfad durch das Labyrinth der Felsnadeln fortzusetzen, über das sich zum Greifen nahe der Gipfel mit dem Turm erhob.
„Nennt eure Namen!“, forderte der Riese. Während er sprach, konnte Gunid in seinem Mund zwei Reihen von Reißzähnen erkennen, die sie an das Gebiss eines Bären erinnerten. Inständig betete sie zu Vesas, dass weder sie noch Ragald diese Zähne zu spüren bekommen mochten.
Mit dem letzten Rest Mut, den sie aufzubringen vermochte, ruckte sie am Zügel des Braunen und lenkte ihn auf die Höhe ihres Freundes, sodass sie Seite an Seite standen. „Mein Name ist Ragald Adolar“, beantwortete er die Frage des Riesen. „Ich bin Edelknecht im Dienste seiner Majestät. Meine Begleiterin …“ Er zögerte.
„Ich heiße Gunid“, rief sie dem Riesen mit, wie sie hoffte, fester Stimme zu. Ihre Angst vor dem monströsen Wächter ließ allmählich etwas nach. Bis jetzt stützte er sich nur auf seine Axt und hatte keine Anstalten gemacht, sich ihnen zu nähern.
Ihre Namen zu kennen, schien dem Riesen zu genügen. Er löste eine Hand von der Axt und griff nach dem Bronzehorn, um es an die wulstigen Lippen zu setzen. Ragald legte dem Falben beruhigend eine Hand auf die Nüstern, und hastig folgte Gunid mit dem Braunen seinem Beispiel, bevor der Ton des Horns ungeheuer laut über das Meeresrauschen hinwegtönte. Auf einen lang gezogenen Ton folgten zwei kürzere und, nach einer Pause, noch ein kurzer Stoß.
In dem anschließenden Schweigen wandte Gunid besorgt das Gesicht zu ihrem Freund. Hier bei der Brücke brannte die Sonne mit unverminderter Kraft, und unter dem blauen Schal um seine Stirn und Schläfen sickerten Schweißbäche hervor. Auch ihr wurde es schon wieder ungemütlich warm unter dem Kopftuch. Ragald aber behielt unbeirrt den Riesen im Blick, der das Horn sinken ließ und einen Schritt zur Seite tat. Er stand jetzt nicht mehr vor der Brücke, sondern mit dem Rücken zum Abgrund.
Als vom fernen Turm her der Klang eines ähnlichen Horns antwortete, konnte es Gunid kaum fassen, dass der Riese sich halb danach umdrehte und sie und Ragald aus den Augen ließ. Noch immer erschien der Wächter ihr bedrohlich und einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, seine Unachtsamkeit zu nutzen. Selbst für sie, die alles andere als eine Kämpferin war, wäre es ein Leichtes gewesen, ihn in diesem Augenblick rücklings in den Abgrund zu stoßen. Danach wäre der Weg über die Brücke frei gewesen.
Doch sie ließ die Gelegenheit ungenutzt verstreichen. Sie kamen in friedlicher Absicht, rief sie sich ins Gedächtnis. Der Wächter, so monströs er aussehen mochte, hatte bislang nichts getan, um einen Angriff zu rechtfertigen. Sie wusste nicht, was das lange, komplizierte Hornsignal vom Turm her bedeutete, doch wenn dieser Magier ihnen beiden übelwollte, hatte er gewiss andere Mittel zur Verfügung als einen Wächter, der zu dumm war, auf seinen eigenen Rücken achtzugeben.
Schließlich wandte sich der Riese wieder ihnen beiden zu. „Meister Xagadeos empfängt euch“, knurrte er mit seiner kehligen Stimme. Gunid seufzte erleichtert und fasste sich bereits ein Herz, um an ihm vorbei auf die Brücke zu treten, als der Wächter fortfuhr: „Geht zurück. Zählt von diesem Felsen aus“ – er deutete auf einen Zacken in der Nähe des Abgrunds – „bis zum neunten. Daneben zweigt ein Pfad zu eurer Linken ab. Folgt ihm. Der Meister erwartet euch bei der richtigen Brücke über die Schlucht.“
Verwirrt sah Gunid ihn an, bis sie begriff. Unschlüssig verharrte sie und schaute von dem reißzahnbewehrten Wächter, der nun wieder seinen Platz vor der Brücke einnahm, zur schattigen jenseitigen Wand des Abgrunds. „Was wäre uns geschehen, wenn wir diese Brücke hier genommen hätten?“
„Geht zur richtigen Brücke“, grollte der Riese nur. „Der Meister empfängt euch.“
Vor Erleichterung, Xagadeos’ ungeheuerlichen Diener und die glühende Sonne hinter sich zu lassen, verzählte sich Gunid zuerst, sodass sie einen Moment brauchte, um den verborgenen Pfad zu finden. Die Rinne im Fels, der sie nun folgten, war schmaler als der vorherige Weg und wand sich mindestens genauso wirr zwischen den Zacken hindurch.
Lif kam zu ihnen herabgesegelt und ließ sich auf dem Sattel des Braunen nieder, sobald der Riese außer Sicht war. Gunid hakte seine Fußriemen nicht wieder ein. Was immer ihnen noch begegnen mochte, für jetzt erschien es ihr sinnvoller, dem Vogel seine Handlungsfreiheit zu lassen, als ihn davor bewahren zu wollen, sich zu verausgaben. Das, so ging es ihr durch den Kopf, wäre bei Ragald vorhin sinnvoller gewesen. Besorgt legte sie ihm eine Hand auf den Arm. „Wie fühlst du dich?“
Mit angestrengtem Lächeln wandte er ihr träge den Kopf zu. „Scheußlich“, gab er zu. „Wie betrunken, nur ohne das Angenehme daran. Mir ist furchtbar schwindelig. Du hattest recht, ich hätte die Rüstung eher ablegen sollen.“
Sie drückte ihm aufmunternd den Arm, dessen stramme Muskeln sie ohne den Panzer darüber erst richtig würdigen konnte, und lächelte. „Wir haben es ja nicht mehr weit, mein Großer.“
„Ich war sicher, ich könnte es aushalten“, sprach er in schleppendem Ton weiter. „Während der Waffenübungen hat uns Meister Friel das Kettenhemd bei jedem Wetter anbehalten lassen, im Schnee wie am heißesten Sommertag, bis wir das Ding für eine zweite Haut hielten. Einmal, nach einem Bier zu viel, hat sich Lennard sogar darin schlafen gelegt, und am nächsten Morgen …“
„Schau!“
Sie deutete voraus. Zwischen den Felspfeilern schimmerte der Hang des Hügels hindurch, ein Flickwerk aus gelbbraunem Gestrüpp und grauen Felsen.
Kurz darauf traten sie wieder in die Sonne hinaus, auf einen Abhang aus Steinplatten und Grasflecken, der nach vorne hin ein paar Dutzend Schritte sanft abfiel und jäh an einer Kante abriss. Eine steinerne Brücke überspannte von dort aus den Abgrund und endete auf der anderen Seite an einem breiten Weg, der sich in Serpentinen den Hügel hinauf zum Turm schlängelte. Gunid musste den Kopf in den Nacken legen, um den dornartigen Schattenriss vor dem Himmel zu betrachten.
Vor der Brücke stand ein Mann. Er trug eine wallende, dunkle Robe, die im Wind flatterte wie ein Banner, und hielt in der einen Hand einen mannslangen Stab. Den Kopf bedeckte eine kreisrunde, silbergraue Kappe, die so eng anlag, dass er darunter vollkommen kahl sein musste. Mund und Kinn hingegen umgab ein weißer, vom Wind gezauster Rauschebart. Aus seinem runzligen Gesicht blickten ihnen zwei blassblaue Augen entgegen.
Als sie in einigen Schritten Abstand vor ihm stehen blieben, fand sich Gunid auch in ihrer Einschätzung seiner Statur bestätigt. Er war um einige Fingerbreit kleiner als sie und etwas beleibt, wie selbst das weite Gewand nicht völlig verbergen konnte. Aus der Nähe erkannte sie, dass es in Schwarz und einem sehr dunklen, ebenfalls fast schwarzen Purpur gehalten war, einer Farbe, die normalerweise dem Hochadel vorbehalten blieb. Sie wusste nicht recht einzuschätzen, ob es sich dabei um Anmaßung handelte oder ob es tatsächlich auf seinen Stand schließen ließ.
„Seid gegrüßt“, hob Ragald die von Erschöpfung raue Stimme über das Meeresrauschen, das aus dem Abgrund emportönte. „Wir suchen Meister Xagadeos, den Magier.“