Suchtprävention und -intervention mit der besonderen Berücksichtigung der Alkoholsucht unter dem Aspekt des Betriebssicherheitsmanagemens - Thomas Bosselmann - E-Book

Suchtprävention und -intervention mit der besonderen Berücksichtigung der Alkoholsucht unter dem Aspekt des Betriebssicherheitsmanagemens E-Book

Thomas Bosselmann

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Beschreibung

Dieses Buch will den Personalverantwortlichen im Betrieb eine Hilfestellung sein, ein effektives Suchthilfssystem im Unternehmen im Rahmen der Arbeitsschutznorm OHSAS 18001 zu initiieren und zu etablieren.

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Univ. Dipl.-Ing. Thomas Bosselmann

Suchtprävention und –intervention mit der besonderen Berücksichtigung der Alkoholsucht unter dem Aspekt des Betriebssicherheitsmanagements

Ein Leitfaden zur Umsetzung in die OHSAS 18001

© 2014 Thomas Bosselmann

Autor: Thomas, Bosselmann

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-7323-1794-3 (Paperback) ISBN: 978-3-7323-1795-0 (Hardcover) ISBN: 978-3-7323-1796-7 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

Widmung

Dieses Buch ist meiner Mutter

Cordula Bosselmann gewidmet

Wir haben hier einen, der kann ohne Alkohol gar nicht arbeiten…!“1

„Unser Chefarzt trinkt immer vor den Operationen eine halbe Flasche Wodka, damit er nicht so zittert…!“2

„Einer geht noch, einer geht noch rein…!“3

1 Bosselmann, Th.: Zitat aus einem Interview mit einem Montagearbeiter, aus: „Differenzierte und parameteroptimierte Unfallstatistik in der Automobilteile-Zulieferindustrie“, Studienarbeit an der Bergischen Universität Wuppertal, 2000

2 Zitat aus einem Interview mit dem Intensivkrankenpfleger Reinhold Kockert, 2006

3 Textzitat aus einem s.g. „Ballermann-Schlager“ (Einst Fußballlied, jetzt umgewandelt in „Sauflied“), Autor: Högl, L,abel: Polydor (867250-7) Format(e): 7″, 12″ & CDS Veröffentlicht: 1991

Danksagung

Als erstes bedanke ich mich bei Herrn Professor Dr.-Ing. Dirk Sohn für die für die Anregung zu diesem Thema. Des Weiteren gilt mein Dank Frau Dr. med. Antje Niedersteberg, die sich dankenswerterweise neben ihrer zeitaufwändigen Arbeit als Chefärztin der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen und Psychotherapie der LVR-Kliniken in Düren, die Zeit genommen hat, engagiert und motivierend dieses Buch zu begleiten.

Mein zweiter Dank gilt meinem Freund, Herrn Professor Dipl.-Ing. Bernd Tenckhoff, der ebenfalls mit Anregungen und guten hilfreichen Ratschlägen diese Zeilen Begleitet hat.

Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. jur. Meyerhoff, der mir in Fragen der betrieblichen Sanktionen im Hinblick auf Suchtmittelkonsum und Arbeit gute Informationen und in dem - oftmals verwirrenden – Feld des Arbeitsrechtes einen gewissen Durchblick verschafft hat.

Ein kleines „Dankeschön“ gilt auch meinen Verlagen und Chefredakteuren, die mich in der Zeit des Recherchierens und Schreibens vor Aufträgen schonten und mir so die Zeit und Ruhe gaben, mich voll auf dieses Buch zu konzentrieren.

Meine Lebensgefährtin, Frau Nicole Friedrich M.A., hat mit mir in fast endlosen Gesprächen Aspekte meines Buches diskutiert und mit ihren kritisch-konstruktiven Vorschlägen ein Ausufern meinerseits verhindert.

Mein Freund, Prof. Dr.-Ing. Andreas Wittmann hat mein Werk in großen Teilen nach Schreibfehlern untersucht und mir Anregungen gegeben.

Mein letzter und größter Dank gilt meinen Eltern, Frau Cordula Bosselmann und Herrn Dipl.-Ing. Heinz Theo Bosselmann, die meinen akademischen Werdegang emotionell und fördernd begleitet haben, mich stets ermunterten „weiter zu machen“ und mir immer wieder ihre liebe- und verständnisvolle Hand gereicht haben.

Ihnen/euch danke ich!

1. Einführung

„Unser Chefarzt trinkt immer vor den Operationen eine halbe Flasche Wodka, damit er nicht so zittert…!“ Ein Zitat eines Intensivkrankenpflegers. Ist das ein Einzelfall? Nein!

Substanzmissbrauch bis hin zur Abhängigkeit ist beileibe kein Einzelfall und ebenfalls nicht an bestimmte Personen- oder Berufsgruppen gebunden. Die Bereitschaft zum Missbrauch hängt dabei von vielen Einflussparametern wie z.B. Sozialisationsmechanismen ab (siehe Abbildung 1) und entzieht sich somit einer eindimensionalen Ursachenforschung.

Abb. 1: Bedingungsgeflecht des Substanzmissbrauchs, Quelle: Stimmer, 1999, S. 555, [1], vom Verfasser für das Thema der Arbeit modifiziert.

Die hier vorgestellten Parameter greifen bei jeder Suchterkrankung, gleich ob Missbrauch mit sogenannten „legalen Substanzen“ oder eben mit den Illegalen betrieben wird.

Fakt ist, dass legale Drogen wie Alkohol und Nikotin am signifikantesten in die Drogenstatistik in Deutschland eingehen (siehe Abbildung 2). Ursache hierfür ist unter anderem die einfache – eben legale – Beschaffung der Suchtmittel, die zu jeder Tageszeit und zudem mit relativ geringem finanziellen Aufwand nahezu überall zu erstehen sind.

Abb. 2: Drogenstatistik in Deutschland, 2014, Quelle: http://www.brandigg.de/verein/FSG-Freie-Selbsthilfegruppe-fuer-Alkohol-und-Me., Stand: 30.06.2014, [INT1],

Nikotin nimmt hier die erste Stelle ein; dass für diese legale Droge in der vorliegenden Statistik jedoch keine Abhängigkeit und keinerlei Behandlung aufgeführt wird, erscheint dem Verfasser zweifelhaft. Nikotinabhängigkeit und daraus resultierende Therapien werden in den Medien – und nicht nur medizinischen – ständig thematisiert.

Aufgrund der zweithäufigsten Suchterkrankung (nämlich der Alkoholsucht) beschäftigt sich diese Arbeit primär mit der Alkoholsucht in Deutschland und den sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeit sowie mit den notwendigen Präventions- und Interventionsmaßnahmen im Betrieb unter dem Aspekt des Betriebssicherheitsmanagements.

Trotzdem ist es interessant, den Alkoholkonsum auch in den anderen OECD-Staaten (1980 und 2007 im Vergleich) zu betrachten (siehe Abbildung 3).

Abb. 3: Alkoholkonsum (Liter pro Kopf) in den OECD-Staaten 1980 und 2007 im Vergleich, Quelle: http://haetten-sie-gewusst.blogspot.co.at/2011_03_01_archive.html, Stand: 30.6.2014 [INT2]

Deutschland liegt hier im Mittelfeld, wobei im Jahr 2007 deutlich mehr Alkohol konsumiert wurde als 1980.

Die Prävalenz des Alkoholkonsums in Deutschland wurde 2010 von KRAUS und PAPST [2] untersucht. Lebenslang abstinent waren demnach 2,9 % der Befragten; Abstinent in den letzten 12 Monaten waren noch 7,3 %, die letzten 30 Tage lebten 13,4 % abstinent und einen riskanten Alkoholkonsum betrieben schließlich 16,5 % der Gesamtbefragten. Männer verhielten sich dabei wesentlich riskanter und konsumierten häufiger in riskantem Maße Alkohol. Der problematische Alkoholkonsum wurde 2009 vom STATISTISCHEN BUNDESAMT bei Männern mit 32,4, bei Frauen mit 21,1 % der Befragten angegeben [3].

2005 wurden nach RÜBENACH et al. 2007 74.000 Todesfälle, bedingt durch Alkoholkonsum und kombinierten Konsum von Tabak und Alkohol registriert [4]. Dabei war der Anteil der 35- bis 64-Jährigen mit 21 % am höchsten. Betroffen waren hier laut JOHN und HANKE hauptsächlich Männer (76 %) [5]. Psychische oder verhaltensbezogene Auffälligkeiten bzw. Störungen durch Alkoholkonsum wurden vom STATISTISCHEN BUNDESAMT im Jahr 2011 als zweithäufigste Diagnose in Krankenhäusern mit 338.400 Behandlungsfällen festgestellt [6]. 26.349 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zwischen zehn und zwanzig Jahren wurden im Jahr 2011 stationär behandelt, dies aufgrund akuten Alkoholmissbrauchs. Im Jahr 2000 waren es noch 9.500 Fälle in dieser Altersgruppe. Die Steigerung dieser Behandlungsfälle beträgt demnach erschreckende 177 % [7].

Für das Jahr 2002 wurde von REHM, TAYLOR und PATRA geschätzt, dass der Konsum von Alkohol in den europäischen Staaten den Verlust von mehr als 10 Millionen Lebensjahren bedingt [8]. Gesundheitsökonomen (ADAMS und EFFERTZ) schätzten dabei für das Jahr 2007, dass die volkswirtschaftlichen Kosten (direkte und indirekte) durch Alkoholkonsum in Deutschland sich auf 26,7 Milliarden Euro belaufen [9].

Wie eingangs erwähnt, ist dies nicht ein partielles Problem einzelner Berufsgruppen, vielmehr gibt es in allen Institutionen und deren Arbeitsbereichen Missbrauchbetreibende und schließlich Abhängigkeitserkrankte.

Dies schafft Probleme betriebssozialer Art, bedingt aber auch Qualitätsverluste und begünstigt Arbeitsunfälle. Mangelnde Betriebsorganisation, hier besonders im Hinblick auf das gerade im Rahmen der Suchtproblematik am Arbeitsplatz so wichtige betriebliche Gesundheits-management, federt suchtbedingte Probleme im Betrieb nicht ab, sondern verstärkt diese.

Gefragt sind also effektive Suchtpräventions- und interventionsmaßnahmen am und im Umfeld des Arbeitsplatzes. Diese Maßnahmen können intern oder extern organisiert und durchgeführt werden.

Wichtig ist jedoch, dass das Unternehmen in seiner Arbeits- und Gesundheitsschutzkultur Suchtprävention und –intervention integriert und proaktiv „lebt“. Solche Maßnahmen gibt es nunmehr seit ca. 30 Jahren als Bestandteil moderner Personalpolitik.

Wichtig ist also ein gut organisiertes – sprich: strukturiertes – Unternehmens-management, dass sich nicht nur formal den Interessen und Bedürfnissen seiner Mitarbeiter annimmt, sondern aktiv Fragen und Aspekte des Arbeits- aber auch des gesamtsozialen Lebens mit einbezieht, berücksichtigt und positiv beeinflusst.

Zugegeben: Die Aktions- und Regelkreise eines Unternehmens sind komplex und entziehen sich einer nicht zur Reflexion bereiten Betrachtung und Analyse. Trotzdem sollten sich Arbeitswissenschaftler und im Betrieb tätige Arbeits- und Organisationspsychologen mit den Wechselspielen betrieblicher Partialinstitutionen auseinandersetzen und Interaktionen im Sinne einer menschengerechten Arbeitsgestaltung erkennen und fördern.

Die auf der nächsten Seite folgende Grafik 5 stellt beispielsweise die Komplexität des Steuerungskreises „Gesundheitsmanagement“ dar, der sich (in diesem Fall) zudem mit Aspekten der betrieblichen Suchtprävention auseinander setzt und sie gleichsam als integralen Bestandteil einer funktionierenden Organisationsphilosophie in unterschiedliche Managementkomplexe und Aktionsgruppen mit einbezieht.

Auch hier kann man wieder davon ausgehen, dass solche Strukturen zwar wünschenswert, jedoch nicht häufig anzutreffen sind. Dies scheitert oftmals nicht zuletzt an der Betriebs- bzw. Unternehmensgröße, die aufwändige Organisationsarchitekturen aus personellen oder finanziellen Defiziten heraus nicht realisieren können.

Letztendlich sind hierfür auch flache Hierarchien und kooperative bzw. partizipative Führungsstile und –philosophien gefragt, die – gerade in tradierten Unternehmen – die oftmals favorisierten, archaischen Befehlsstrukturen auch im aufgeklärten 21. Jahrhundert häufig nicht abzulösen vermochten.

Suchthilfe- bzw. Suchtinterventionsprogramme tragen weitgehend zum besseren Verständnis von Suchtmittelabhängigkeit und den sich daraus ergebenden Krankheiten im Unternehmen bei, zudem den Betroffenen auf diese Art Perspektiven und Alternativen aufgezeigt werden können. Sinnvoll wäre es, diese Aktivitäten jährlich auf ihre Rechtkonformität und ihre Aktualität hinsichtlich der neusten Erkenntnisse der Suchtforschung hin zu überprüfen. Gleichfalls sollte man das Geplante und das Erreichte kritisch untersuchen und im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (Qualitätsmanagement) voran treiben.

Die Vorteile betrieblicher Suchtprävention und –intervention liegen zunehmend im Fokus der innovativen Unternehmen. Man „erhofft sich was“ und teilt dies auch bei einer Unternehmensbefragung im Jahr 2008 den Mitarbeitern der Universität Karlsruhe mit (siehe Abbildung 4).

…spielt keine Rolle – bis - …spielt die größte Rolle

Abb. 4: Gründe für das Einführen von Alkoholpräventionsprogrammen in Unternehmen, ngesamt=unbekannt, Quelle: Universität Karlsruhe (2008) „Gründe und Vorgehensweisen bei betrieblicher Suchtprävention“, Grafik: Verfasser

Im Rahmen der gleichen Untersuchung wurden die Unternehmen gefragt, welche Präventions- aber auch welche Interventionsmaßnahmen sie im Betrieb anbieten bzw. durchführen. Die folgende Abbildung 5 zeigt, dass die Firmen durchaus innovative Wege beschreiten; das Angebot ist bei den Befragten vielfältig und bezieht interne und externe Maßnahmen mit ein.

Abb. 5: Angebotene Präventions- und Interventionsmaßnahmen, Mehrfachnennungen, ngesamt=unbekannt, Quelle Universität Karlsruhe (2008) „Gründe und Vorgehensweisen bei betrieblicher Suchtprävention“, Grafik: Verfasser

Die Ziele dieser Maßnahmen waren dabei ebenfalls vielfältig und keineswegs von rein monetären Gesichtspunkten geprägt. Abbildung 6 zeigt, dass auch der Aspekt der „Wahrnehmung sozialer Verantwortung“ sogar mit der drittgrößten Gewichtung von insgesamt 8 genannten Zielen zum Tragen kam. Die „Reduzierung alkoholbedingter Kosten“ wurde erst an zweitletzter Stelle genannt.

…spielt keine Rolle – bis - …spielt die größte Rolle

Abb. 6: Ziele der Präventions- und Interventionsmaßnahmen, ngesamt=unbekannt, Quelle: Universität Karlsruhe (2008) „Gründe und Vorgehensweisen bei betrieblicher Suchtprävention“, Grafik: Verfasser

Eine effektive Suchtprävention und –intervention im Betrieb erfordert Engagement und Fachkenntnis aller Beteiligten. Personalverantwortliche müssen zunächst sensibilisiert, danach qualifiziert und beraten werden. Dies kann von Seiten der Betriebsärzte, Betriebssicherheitsmanager oder auch von externen Suchtberatungsstellen geleistet werden. Abbildung 7 zeigt eine (grobe) Strukturierung einer möglichen betrieblichen Suchtprävention und – intervention.

Abb. 7: Strukturierte Darstellung einer möglichen betrieblichen Suchtprävention und –intervention, Grafik: Verfasser

In diesem Buch wird das Thema „Betriebliche Suchtprävention und –intervention“ noch genauer beleuchtet werden, dies unter der vorrangigen Berücksichtigung der Alkoholsucht und besonders unter dem Aspekt des Betriebssicherheitsmanagements und hier in Bezug auf das Arbeitsschutzmanagementsystem OHSAS 18001.

2. Abhängigkeitserkrankungen und ihre Auswirkungen im Betrieb

Allgemeines

Der Deutsche Lottoverband überschreibt die folgende, eingefügte Grafik (Abbildung 8) aus dem Internet [INT3] etwas reißerisch „Suchtrepublik Deutschland“. Das Tortendiagramm zeichnet dabei nach statistischen Erhebungen ausgesuchte Suchtformen nach medizinischen Diagnosekriterien in Deutschland (2013) auf. Bemerkenswert ist der hohe Anteil der Tabak- bzw. Nikotinabhängigen mit 4,2 Millionen Betroffenen bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 81 Millionen.

Abb. 8: Substanzabhängigkeit und Verhaltenssüchte in Deutschland, Quelle: Deutscher Lottoverband (DLV), Stand: 07.07.2014 auf: http://seinswandel.wordpress.com/anm/sucht-in-zahlen/, [INT3]

4 Millionen Kaufsuchtgefährdete sind ebenfalls erschreckend. Die Möglichkeit, im Internet bei Amazon oder eBay kostenlos und bequem mit einem Mausklick Bestellungen von mehreren Hundert Euro zu tätigen, mag hier entscheidend dazu beitragen.

Fakt ist, dass sich substanzgebundene aber auch substanzungebundene Suchterkrankungen auf das Miteinander, das Arbeitsergebnis und die Arbeitssicherheit im Betrieb auswirken.

2.1.  Auswahl substanzungebundener Süchte

2.1.1.  Allgemeines

In den folgenden Unterkapiteln des Kapitel 2.1. fällt auf, dass nur eine relativ geringe Auswahl (2) an nicht-stoffbezogenen Süchten getroffen wurde. Dies ist dem erträglichen Umfang dieses Buches geschuldet. Der folgende Abschnitt ist ein Zitat aus Wikipedia:

„Als substanzungebundene Abhängigkeit bezeichnen Psychologie und Psychotherapie jene Formen psychischer Zwänge und Abhängigkeiten, die nicht an die Einnahme von Substanzen – wie Alkohol, Nikotin oder anderer Drogen – gebunden sind. Sie ist durch wiederholte Handlungen ohne vernünftige Motivation gekennzeichnet, die nicht kontrolliert werden können und die meist die Interessen des betroffenen Patienten oder anderer Menschen schädigen. Betroffene berichten von impulshaftem Verhalten. Die Abhängigkeit kann die Lebensführung beherrschen und zum Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen führen…

Laut GRÜSSER [10] leiden Betroffene unter psychischen Entzugserscheinungen, wenn sie an dem von ihnen exzessiv ausgeübten bestimmten Verhalten gehindert werden. Das exzessive Verhalten stimuliere das limbische System im Gehirn, wodurch Hormone wie Endorphine ausgeschüttet werden, was als angenehm erlebt wird. Die Verhaltenssucht werde dazu benutzt, unangenehme Gefühle wie Ängste und Frustration sowie Stress zu verdrängen und die Auseinandersetzung damit zu vermeiden (vgl. auch Eskapismus). Auch dadurch ähnele eine Verhaltenssucht einer stoffgebundenen Abhängigkeit wie beispielsweise Alkoholismus.“4

2.1.2.  Pathologischer Computer- /Internet-Gebrauch

Das Internet bietet nicht nur Vorteile, sondern ist abgesehen von seinen datenschutztechnischen Unwägbarkeiten auch Gegenstand der modernen Suchtforschung.

Denn wer kennt nicht auch das Phänomen, dass Jugendliche oder Erwachsene, aber auch Kinder, stunden- und nächtelang vor dem Computer sitzen, spielen, chatten und persönliche und intime Geheimnisse in sozialen Netzwerken preisgeben…

Studien aus Deutschland schätzen die Anzahl der Online-Süchtigen auf 2,5 Millionen Personen. Es sind dies Personen, die in ihrer Freizeit mehr als 35 Stunden pro Woche problematischen Online-Konsum betreiben. Dabei ist die Online-Sexsucht am häufigsten bei Männern anzutreffen; unter der Online-Chatsucht leiden hauptsächlich weibliche User.

Seit dem Jahr 2006 ist die Zahl der, wegen des pathologischen Computer- bzw. Internetgebrauchs sich in stationäre Rehabilitation begebender Betroffener kontinuierlich gestiegen. Es war also zwingend notwendig, ein entsprechendes Krankheitsverständnis und eine spezifische Behandlungs-kompetenz zu erarbeiten [11, 12, 13]. Dieses Krankheitsbild wird derzeit nur in wenigen Kliniken als besonderer Schwerpunkt behandelt.

Zu den Kliniken, die bereits 1998 die ersten von heute über 700 Patienten behandelten, gehören dien AHG-Kliniken Münchwies und Schweriner See. PETRY [14] stellte dabei bereits 2003 die erste nosologische (die Nosologie betreffend; Krankheiten systematisch beschreibend) Einordnung mit konkreter Falldarstellung in Deutschland bereit. Derzeit liegen bereits ausgearbeitete Behandlungsanleitungen [12, 15], sogar mit empirischer Effektivitätsprüfung [16] sowie eine therapiebegleitende Anleitung für Betroffene [11] vor.

Zunächst muss unterschieden werden, ob normaler, problematischer oder eben pathologischer Computer-/Internet- Gebrauch vorliegt. Hierbei werden folgende Erscheinungsformen unterschieden:

■  Als Gaming, vornehmlich Mehrpersonen–Online-Rollenspiele, Ego-Shooter, aber auch unvernetzte Konsolenspiele.