Sustainable - nachhaltig investieren - Terrence Keeley - E-Book

Sustainable - nachhaltig investieren E-Book

Terrence Keeley

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Beschreibung

Mit Investments Geld zu verdienen UND gleichzeitig die Welt zu einem besseren Ort zu machen wird für viele Menschen immer wichtiger. Dafür wurden die ESG-Investment-Grundsätze entwickelt – Environment, Social, Governance. Inzwischen sind in den USA 120 Billionen Dollar in Aktien jener Unternehmen geflossen, die sich den ESG-Kriterien verschrieben haben. So weit, so gut? Keineswegs, sagt Terrence Keeley, Ex-Topmanager bei BlackRock, dem größten Vermögensverwalter der Welt. Keeley erklärt, weshalb mit den derzeit genutzten Mitteln die ESG-Ziele verfehlt werden, und zeigt auf, wie echtes Impact Investing wirklich gelingt. Ein spannender Diskussionsbeitrag zu einem brandaktuellen Thema, welches uns alle angeht.

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TERRENCE KEELEY

SUSTAINABLE –NACHHALTIGINVESTIEREN

Erfolg an der Börse undein gutes Gewissen – so gehts!

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

Sustainable: Moving Beyond ESG to Impact Investing / Terrence Keeley

ISBN 978-0-231-20680-8

Copyright der Originalausgabe 2023:

Copyright © 2023 Terrence R. Keeley. All rights reserved.

Published by Columbia University Press, New York, Chichester, West Sussex.

Copyright der deutschen Ausgabe 2024:

© Börsenmedien AG, Kulmbach

Übersetzung: Börsenmedien AG

Gestaltung Cover: Johanna Wack

Coverbild: iStock

Gestaltung und Satz: Sabrina Slopek

Vorlektorat: Egbert Neumüller

Lektorat: Elena Koslow

Korrektorat: Rotkel e. K.

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86470-938-8

eISBN 978-3-86470-939-5

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Postfach 1449 • 95305 Kulmbach

Tel: +49 9221 9051-0 • Fax: +49 9221 9051-4444

E-Mail: [email protected]

www.boersenbuchverlag.de

www.facebook.com/plassenbuchverlage

www.instagram.com/plassen_buchverlage

Für Saskia, die alles möglich gemacht hat … und für Julian und Calum, die allem einen Sinn gegeben haben.

INHALT

VORWORT

EINFÜHRUNG

TEIL 1DAS VERSPRECHEN …

1Die Einsätze

2Stakeholder versus Aktionäre (Shareholder)

3Aktivisten, ihre Argumente – und eine kleine Maschine, die es kann

4Aufrührer in der Chefetage

6Was haben die Vereinten Nationen damit zu tun?

7Wesentlichkeit

8Ein paar Worte über Indizes

TEIL 2DIE GEFAHREN …

9Werte versus Bewertungen

10Die Festverdrahtung unternehmerischer Güte

11Das ESG-Wettrüsten

12Überlaufene Märkte

13Lassen Sie uns unter vier Augen sprechen

14Kämpfen oder fliehen?

TEIL 3LÖSUNGEN

15Staatsbürgerkunde

16Impact Investing in großem Maßstab

17Die 1,6-Prozent-„Lösung“

FAZIT(oder: Wie wir unsere gescheiterte Zukunft abwenden können)

DANKSAGUNGEN

ANHANG:Vorbilder der Hoffnung

ANMERKUNGEN

VORWORT

Ich begann meine berufliche Laufbahn auf dem Hypothekenmarkt in den 1970er-Jahren, als dieser sich gerade zu entwickeln begann. In jenen frühen Tagen, als Hypothekendarlehen zum ersten Mal in Form von Anleihen verbrieft wurden, gab es viele Fragen – von Anlegern darüber, wie man effektiv in den Markt investieren konnte, von politischen Entscheidungsträgern über das Potenzial, die Wohneigentumsbildung zu fördern, und von anderen darüber, ob die Verbriefung von Hypotheken überhaupt eine gute Idee sei.

Der Markt für hypothekarisch gesicherte Wertpapiere hat seither große Höhen und Tiefen erlebt. Heute übersteigt der Markt jedoch fast zehn Billionen Dollar und spielt bei angemessenen Zeichnungsstandards eine wichtige Rolle bei der Erzielung attraktiver Renditen für Investoren, während er gleichzeitig für Millionen von Amerikanern den Erwerb von Wohneigentum erschwinglicher macht. In mehr als vier Jahrzehnten hat der Markt für hypothekarisch gesicherte Wertpapiere amerikanischen Hauskäufern über eine Billion Dollar erspart, indem er dazu beigetragen hat, die Zinssätze für ihre Hypotheken zu senken.

Nachdem ich das Wachstum und die Entwicklung des Hypothekenmarkts in seinen Anfängen beobachtet habe, sehe ich einige Parallelen zum heutigen Markt für nachhaltige Investitionen. Die Berücksichtigung dieser Parallelen könnte helfen, Exzesse zu vermeiden, wie wir sie in der Subprime-Krise 2008 erlebt haben. Nachhaltiges Investieren war in den letzten Jahren eines der am schnellsten wachsenden Segmente der Vermögensverwaltungsbranche, und es ist nach wie vor eines der häufigsten Themen, zu denen wir bei BlackRock von vielen unserer Kunden befragt werden.

Unsere Aufgabe bei BlackRock ist es, unseren Kunden (die die eigentlichen Eigentümer der von uns verwalteten Vermögenswerte sind) eine Reihe von Möglichkeiten zu bieten, aus denen sie wählen können, um ihre individuellen finanziellen Ziele zu erreichen. Einige entscheiden sich für nachhaltige Anlagemöglichkeiten, andere nicht. Die Entscheidung liegt bei ihnen. In den letzten Jahren hat die Zahl der Kunden, die Nachhaltigkeit in ihre Portfolios integrieren wollen, weiter zugenommen, gleichzeitig aber auch die der Kritiker nachhaltiger Anlagen. Das hat eine lebhafte Debatte ausgelöst. Eine Debatte, die ich begrüße. Ich war schon immer der Meinung, dass große und wichtige Fragen am besten durch eine offene und umfassende Debatte geklärt werden können – durch das Hinterfragen konventioneller Ideen und das Finden neuer Lösungen. Nur so können wir die Ergebnisse für unsere Kunden kontinuierlich verbessern. In der Debatte über nachhaltiges Investieren ist es auch wichtig, dass wir Anlagethesen nicht mit sozialen oder ökologischen Zielen verwechseln.

Mit „Sustainable“ hat der ehemalige BlackRock-Manager Terry Keeley einen ehrgeizigen Versuch unternommen, die heutige Debatte über nachhaltige Investitionen voranzutreiben. Keeley verfügt über jahrelange Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Kunden aller Art auf der ganzen Welt, und sein Buch ist sowohl für erfahrene Anleger als auch für Neulinge auf diesem Gebiet relevant. Er konzentriert sich sowohl auf die Geschichte, wie wir dorthin gekommen sind, wo wir heute stehen, als auch auf einige der wichtigsten Fragen, mit denen sich jeder, der sich aufrichtig mit der nachhaltigen Geldanlage befasst, auseinandersetzen und zu deren Lösung er beitragen muss. In den mehr als zwei Jahrzehnten, seit denen ich mit Terry zusammenarbeite, habe ich immer wieder festgestellt, dass er alles, wofür er sich stark engagiert, mit einer einzigartigen Leidenschaft angeht. Das tut er auch in „Sustainable“ – oft mit Humor, manchmal mit Respektlosigkeit.

Bei BlackRock konzentrieren wir uns darauf, unseren Kunden zu helfen, ihre Anlageziele zu erreichen. In „Sustainable“ befasst sich Terry mit noch umfassenderen Themen rund um die Rolle der Wirtschaft in der Gesellschaft und wie die Gesellschaft die dringendsten Probleme der Menschheit angehen kann. In seiner Schlussfolgerung bietet er eine provokante Lösung – die er als „1,6-Prozent-Lösung“ bezeichnet – an, die Vermögensinhaber bei der Zusammenstellung ihrer Portfolios berücksichtigen sollten. Ich bin nicht mit allen Ansichten und Schlussfolgerungen in Terrys Buch einverstanden, aber ich begrüße seinen Beitrag und den vieler anderer zu diesem kritischen Dialog.

Ein Thema, bei dem Terry und ich uns einig sind, ist die Ansicht, dass zuverlässige Daten und Analysen für die Zukunft des nachhaltigen Investierens entscheidend sein werden. Eine der wichtigsten Erkenntnisse, die ich zu Beginn meiner Karriere in den Anfangstagen des Hypothekenmarkts gewonnen habe, war, dass die Anleger mehr Transparenz, Daten und Analysen benötigen, um die Risiken und Chancen der Wertpapiere zu verstehen, in die sie investieren. Das war der Grundstein, auf dem meine Partner und ich BlackRock gründeten, um unseren Kunden eine technologiegestützte Risikoanalyse zu bieten.

Besitzer von Geldanlagen, die Nachhaltigkeitsfaktoren in ihre Portfolios einbeziehen wollen, verfolgen heute eine Vielzahl von Zielen. Einige wollen das Risiko minimieren, andere versuchen, die Rendite zu maximieren, und wieder andere verfolgen auch nicht finanzielle Ziele – was Terry als „Gutes tun und gut damit fahren“ charakterisiert. Die kontinuierliche Weiterentwicklung von Daten und Analysen im Bereich nachhaltiger Investitionen ist entscheidend, um all diesen Anlegern zu helfen, ihre individuellen Ziele zu erreichen.

Im Laufe seiner Karriere bei BlackRock war Terry für das Geschäft mit öffentlichen Institutionen zuständig, leitete unsere Bildungsinitiativen, kümmerte sich um einige unserer wichtigsten institutionellen Kunden und rief unser Financial Inclusion Team ins Leben, ein Mitarbeiternetzwerk, das sich dafür einsetzt, Menschen am Rande der Gesellschaft zu mehr finanziellem Wohlstand zu verhelfen.

Die eine Konstante, die Terry in all diesen Rollen immer wieder an den Tag legte, war sein Engagement, anderen dabei zu helfen, ihre Ziele zu erreichen. In diesem Buch setzt Terry dieses Engagement in noch größerem Umfang fort.

Larry FinkGeschäftsführender DirektorBlackRock

EINFÜHRUNG

Was wäre, wenn jeder Dollar des globalen Kapitals falsch verwendet wurde, weil er aufgrund veralteter oder irgendwie fehlgeleiteter Risikomodelle falsch eingesetzt wurde? Diese Sorge überkam mich, nachdem ich einer weltbekannten Klimaexpertin auf einer großen Anlagekonferenz im Frühjahr 2021 eine scheinbar harmlose Frage gestellt hatte.

„Wir schreiben das Jahr 2070, also etwa 50 Jahre in der Zukunft. Wie viel wärmer sind die globalen Temperaturen genau?“

Ihre Antwort war ein Schlag ins Gesicht.

Meine Klimaexpertin war maßgeblich am Zustandekommen des Pariser Abkommens beteiligt, bei dem sich alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen bis auf sechs darauf geeinigt haben, Maßnahmen zu ergreifen, um die globale Erwärmung auf etwa 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Wie kaum eine andere kannte sie die gewaltigen Aufgaben, die zu bewältigen waren, um die Ziele von Paris zu erreichen. Kurz gesagt, wir Menschen müssen aufhören, Kohlenstoff in die Luft zu pumpen, und/oder einen wirtschaftlichen Weg finden, einen großen Teil des bereits vorhandenen Kohlenstoffs wieder herauszuziehen. Sie hat ihre gesamte berufliche Laufbahn der Unterstützung von politischen Entscheidungsträgern, Unternehmen und lokalen Gemeinschaften bei der Vorbereitung auf die bevorstehende Energiewende gewidmet. Meine Aufgabe war es, sie vor einem großen Publikum von Anlageberatern zu interviewen.

„Nun“, begann sie zögerlich, „die Antwort ist – wir wissen es einfach nicht. Es könnte weniger sein als das, wozu wir uns im Pariser Abkommen verpflichtet haben. Aber es könnte auch viel mehr sein, vielleicht bis zu 4,5 Grad Celsius.“

Es war eine verblüffende, wenn auch ehrliche Antwort. Sie schlug bei den Zuhörern ein wie eine Neutronenbombe. Um es klar zu sagen: Ein Anstieg um 4,5 Grad Celsius würde uns in die Nähe des Übergangs vom Paläozän zum Eozän vor etwa 56 Millionen Jahren versetzen, als es kein Polareis gab und der Meeresspiegel mindestens 20 Meter höher lag. Unsere Welt wäre dann nicht mehr wiederzuerkennen.

„Oh mein Gott“, dachten wir alle. „Was sollen wir nur unseren Kunden sagen?“

Es war keine hypothetische Frage. Die Aufgabe aller Anwesenden, mich eingeschlossen, bestand darin, die weltweit größten Staatsfonds, Versicherungsgesellschaften, öffentlichen Pensionspläne und Stiftungen zu beraten, wo sie ihr Geld in den kommenden Jahrzehnten sicher anlegen sollten. Die überwiegende Mehrheit ihrer Vermögenswerte wurde für langfristige Verbindlichkeiten verwaltet – oft für den Ruhestand, aber auch für die Auszahlung von Versicherungsansprüchen, die Deckung künftiger Gesundheitskosten oder die Finanzierung philanthropischer Projekte wie etwa Hochschulstipendien. Diese Vermögenswerte gehörten ihnen und ihren Begünstigten. Unsere Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass sie auf Teufel komm raus ganz bestimmte Renditen erzielen. Plötzlich wurde uns klar, dass wir beides erreichen könnten – Höllenglut und Hochwasser.

Ich machte mir Gedanken darüber, was meiner Gastrednerin durch den Kopf ging, aber noch mehr Gedanken machte ich mir darüber, was die Zuhörer dachten. Sie sollten aus diesem Interview verwertbare Erkenntnisse mitnehmen. Angeblich war ich der Experte für Interviews. Tausenden von Kunden zu sagen „Tut mir leid, aber der Planet ist erledigt, und all Ihre Ersparnisse könnten sich in Rauch auflösen“ kam einfach nicht infrage. Außerdem hatte mein Gast die meisten der Leute, die sie ansprach, noch nie getroffen. Ich musste einen Ausweg aus diesem Abgrund finden.

„Ihre Aufgabe“, fuhr sie zum Glück fort, „ist es, Ihre Kunden zu beraten, wie sie sich auf die Zukunft vorbereiten können. Ungewissheit ist ein fester Bestandteil jeder Investition. Sie müssen ihnen helfen, es richtig zu machen. Natürlich müssen Sie sie auch daran erinnern, dass ihre Investitionsentscheidungen das Ergebnis beeinflussen können.“

Diese längere Antwort dämpfte die Befürchtungen ein wenig, aber sie enthielt auch einen wichtigen Punkt: Die Anleger sind keine unschuldigen Zuschauer. Wo die Menschen ihr Geld letztlich anlegen, hat Konsequenzen. Diese Konsequenzen können am Ende den Unterschied ausmachen.

Die existenzielle Bedrohung des Klimas ist nicht die einzige Herausforderung, mit der die Menschheit im 21. Jahrhundert konfrontiert ist, auch wenn sie sicherlich im Vordergrund steht. Es gibt eine erschreckende Liste weiterer geopolitischer und sozialer Herausforderungen, die von Russlands unverschämtem militärischen Abenteurertum und einem aufstrebenden China bis hin zu wachsenden sozialen Unruhen reicht, die durch die zunehmende Ungleichheit zwischen den Besitzenden und den Habenichtsen verursacht werden. Ebenso wichtig ist, dass sich die menschliche Familie noch immer von einem einmaligen Schicksalsschlag erholt – der scheinbar nicht enden wollenden weltweiten Covid-19-Pandemie. Länder, die ins militärische Kreuzfeuer geraten sind und/oder keinen Zugang zu Impfstoffen und medizinischer Grundversorgung haben, könnten für Generationen gezeichnet sein. Diese Narben könnten alle zurückbleiben. Viren sind dem Krieg sehr ähnlich, sie respektieren keine nationalen Grenzen. Wir müssen uns den bestehenden Herausforderungen stellen und gleichzeitig die zukünftigen angehen.

Diejenigen von uns, die das Privileg haben, ihren Lebensunterhalt in der Finanzdienstleistungsbranche zu verdienen, haben noch eine weitere Herausforderung zu bewältigen. Von uns wird zunehmend erwartet, dass wir nicht mehr Teil der Probleme der Welt sind, sondern ein wichtiger Teil ihrer Lösungen.

Seit der berüchtigten Tulpenzwiebelblase zu Beginn des 17. Jahrhunderts wird immer wieder der Vorwurf erhoben, die Finanzdienstleistungsbranche kümmere sich ausnahmslos um sich selbst, während sie für andere Ungleichgewicht und Chaos schaffe. Dies war eine der wichtigsten Schlussfolgerungen, die sich aus der globalen Finanzkrise ergab: Die Wall Street florierte, während der Mann auf der Straße zu leiden hatte. Heute ist die Meinung weitverbreitet, dass die Finanzdienstleistungsbranche die großen Öl- und Kohlekonzerne aktiv unterstützt, die Einkommensungleichheit absichtlich verschärft und nur eines im Sinn hat: sich selbst und ihre Gewinne zu schützen. Einige dieser Anschuldigungen haben zu Gewalt geführt. Vor einigen Jahren wurden Hunderte von Occupy-Wall-Street-Demonstranten gewaltsam aus Zeltlagern vertrieben, was zu drei Todesfällen und zahlreichen Krankenhausaufenthalten führte. In jüngster Zeit sind Demonstranten in Büros von Unternehmen eingebrochen, darunter auch in das meines ehemaligen Arbeitgebers, und haben Kunstblut auf Schreibtische und Flure vergossen. Einige klebten sich sogar an die Türen der Firmenzentrale und versuchten, die weltgrößte Vermögensverwaltung und andere Finanzinstitute dazu zu zwingen, von ihren vermeintlich bösen Machenschaften abzulassen. Was auch immer und wo auch immer Schlimmes passiert, Finanziers werden als mitschuldig betrachtet. Das gehört einfach zum Job dazu.

In den vergangenen vier Jahrzehnten meiner Karriere im Finanzwesen habe ich eine klare berufliche Verantwortung übernommen. Diese Verantwortung besteht darin, ein Treuhänder zu sein. Treuhänder zu sein bedeutet, dass ich dafür verantwortlich bin, meine Kunden – Stiftungen, Staatsfonds, Zentralbanken und andere, die irgendwie auf mich hören – durch eine sehr unsichere Zukunft zu navigieren. Genauer gesagt besteht meine Aufgabe darin, dafür zu sorgen, dass sie und alle ihre Begünstigten ihre finanziellen Ziele innerhalb klar definierter und angemessener Risikogrenzen erreichen. Ihre finanziellen Interessen haben immer Vorrang vor meinen eigenen. Ich helfe ihnen, die finanziellen Mittel zu beschaffen, die sie brauchen, um das zu tun, was sie tun müssen.

Aber als Mann mit Gewissen habe ich auch persönliche Verantwortung. Lange bevor ich Treuhänder wurde, habe ich mich verpflichtet, ein prinzipienorientiertes Leben zu führen, das von den katholischen Traditionen, die mich geprägt haben, inspiriert ist. Meine eigentliche „Aufgabe“ besteht darin, für meine Familie und die gesamte menschliche Familie zu sorgen und dabei meinen Grundüberzeugungen treu zu bleiben. Diese persönlichen Verpflichtungen beeinflussen und verstärken meine beruflichen Verpflichtungen. Sie erfordern unter anderem, dass ich meine Handlungen und Worte sowie die Handlungen und Worte jeder Organisation, der ich angehöre, auf moralische Konsistenz hin prüfe. Ich habe immer versucht, dies privat und öffentlich zu tun. So habe ich beispielsweise nach der globalen Finanzkrise über die Exzesse in der Finanzdienstleistungsbranche geschrieben und meine persönliche Schuld daran untersucht.1 Daraufhin habe ich eine freiwillige Bewegung für den hippokratischen Eid im Finanzbereich ins Leben gerufen, in der ich mich zusammen mit Tausenden anderen verpflichtet habe, die goldene Regel strikt einzuhalten, das heißt, andere nur so zu behandeln, wie ich selbst behandelt werden möchte. Dieses Gelübde halte ich bis heute aufrecht, als Ergänzung zu meinen anderen treuhänderischen Verpflichtungen. Wenn die Vermögensverwaltungsbranche an Umweltschändung, egoistischer Geschäftemacherei oder anderen schändlichen Machenschaften beteiligt war, bin ich bereit, diese Übertretungen aufzudecken und alles in meiner Macht Stehende zu tun, um sie zu beenden. Schließlich ist mein oberster Richter nicht von dieser Welt. Mein oberstes Ziel in diesem Leben ist es, das nächste Leben irgendwie zu verdienen.

Jetzt verstehen Sie also, wie dieses Buch entstanden ist. Es ist das Ergebnis einer tiefen, untrennbar verwobenen persönlichen und beruflichen Verantwortung. In gewisser Weise hat es 40 Jahre gedauert, denn so lange dauert meine Karriere im Finanzdienstleistungssektor schon an. Es hat drei unbescheidene, aber miteinander verbundene Ziele.

Erstens soll es der Debatte über den „Stakeholder-Kapitalismus“ mehr Klarheit und Substanz verleihen. Heute besteht ein breiter Konsens darüber, dass Unternehmen mehr tun sollten, als sich um die finanziellen Interessen ihrer Aktionäre zu kümmern. Ich stimme dem zu. Unternehmen haben nicht nur eine Verantwortung gegenüber ihren Aktionären, sondern auch gegenüber ihren Mitarbeitern, ihren Lieferanten, den Gemeinden, in denen sie tätig sind, und unserer Umwelt. Ein wesentlicher Teil dieses Buches befasst sich mit der Frage, wie die Unternehmenswelt mehr für die Gesellschaft tun könnte und was Finanziers tun können und sollten, um bessere Unternehmensergebnisse zu fördern. Doch hier werden die Dinge schnell kompliziert. Unternehmen müssen vor allem wirtschaftliche Vitalität schaffen. Das ist ihre conditio sine qua non. Wenn nicht Unternehmen das Wirtschaftswachstum fördern, dann tut es niemand. Und ohne wirtschaftliches Wachstum sind auch nur wenige andere Formen des Fortschritts möglich. Das Finanzwesen seinerseits optimiert die Abwägung von Risiko und Ertrag. Wenn das Finanzwesen versagt, versagt das gesamte System. Finanziers und Vorstandsvorsitzende von Unternehmen sind keine Kämpfer für soziale oder ökologische Gerechtigkeit, die den Interessengruppen auf lange Sicht auf Kosten ihrer Aktionäre immer Vorrang einräumen, und sollten dies auch niemals sein. Das ist nicht ihre primäre Verantwortung. Nach einem ersten Kapitel, in dem ich darlege, was alles auf dem Spiel steht, untersuche ich die hitzige Debatte zwischen Stakeholdern und Aktionären und unterstreiche die dringende Notwendigkeit eines umfassenderen, längerfristigen Denkens. Die meisten Rentner brauchen ihr Vermögen in 30 Jahren, nicht in 30 Minuten. Wir sind ihnen gegenüber verpflichtet. Glücklicherweise verändert ein 30-Jahres-Horizont viele Entscheidungen, die wir heute treffen müssen, sehr zum Positiven.

Zweitens wird versucht, das Phänomen der ESG-Investitionen zu entmystifizieren und zu erläutern, wobei „ESG“ für Umwelt-, Sozial- und Governance-Ziele steht („Environmental“, „Social“, „Governance“). Der Grund dafür ist einfach: ESG-Investitionen sind das neueste, anspruchsvollste und am schnellsten wachsende Instrument, das die Finanzdienstleistungsbranche entwickelt hat, um zur Lösung der dringendsten Probleme der Welt beizutragen. Wenn das Finanzwesen ein entscheidender Teil der Lösung und nicht des Problems sein soll, müssen ESG-Investitionen funktionieren. Da mein gewählter Beruf sie hervorgebracht hat, bin ich zumindest indirekt für ihren Erfolg verantwortlich. Das bedeutet natürlich auch, dass ich dazu beitragen muss, dass sie nicht mehr Schaden als Nutzen anrichten – eine nicht rein akademische Sorge. Allzu oft wachsen gut gemeinte, von der Regierung abgesegnete Finanzinnovationen exponentiell, bevor sie platzen. Der sprichwörtliche Weg zur Hölle ist allzu oft mit guten Absichten gepflastert. Es ist durchaus möglich, allen Zielen von ESG-Investitionen zuzustimmen und gleichzeitig einige Bedenken hinsichtlich der wahrscheinlichen Auswirkungen zu haben – aber jetzt greife ich mir selbst vor.

Drittens wird das Prinzip des komparativen Vorteils hervorgehoben und verdeutlicht. Eine grundlegende Prämisse dieses Buches ist, dass das Finanzwesen und die Wirtschaft eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung eines integrativeren, nachhaltigeren Wachstums spielen müssen, dass sie aber nicht allein erfolgreich sein können und werden. Wenn ein inklusiveres, nachhaltigeres Wachstum unser oberstes Ziel ist, wovon ich zutiefst überzeugt bin, dann brauchen Wirtschaft und Finanzwesen Regulierungsbehörden, öffentliche Politik, private Unternehmen, die Zivilgesellschaft und Einzelpersonen, die spezifische, sich ergänzende Rollen spielen. Finanziers und Unternehmen haben keine besonderen Befugnisse, die Fehler anderer zu korrigieren oder die Kohlenstoff-Uhr zurückzudrehen. Wenn Steuergesetze, Regulierungssysteme und/oder persönliche Konsummuster nicht gleichzeitig bessere soziale und ökologische Ergebnisse unterstützen, können Wirtschaft und Finanzen diese Versäumnisse nicht ausgleichen. Der komparative Vorteil hilft uns zu verstehen, wie wir den entsprechenden Akteuren die richtigen Rollen zuweisen können. Er hilft uns auch, uns umfassende Lösungen vorzustellen. Ein letzter damit zusammenhängender und erhoffter Bonus dieses Buches ist die Hervorhebung vielversprechender Finanzstrategien und Organisationen – einschließlich grüner Anleihen, neuer Formen des Impact Investings und vieler außergewöhnlicher Nichtregierungsorganisationen (NRO), die ich als Vorbilder der Hoffnung bezeichne. Diese Aktivitäten, Investitionen und Organisationen können inklusiveres nachhaltiges Wachstum fördern, tun es bereits und werden es weiterhin tun. Sie sind für das Erreichen unserer angestrebten langfristigen Ziele unerlässlich. Ich glaube, dass es einen optimalen Weg in die Zukunft gibt – aber er wird mehr erfordern als unser derzeitiges Sammelsurium an ESG-Strategien und das endlose Beschimpfen von börsennotierten Unternehmen. Viel mehr.

Der mit dem Nobelpreis ausgezeichnete und zu Recht verehrte Professor für Wirtschafts- und Finanzwissenschaften in Yale, Robert Shiller, hat ein Buch geschrieben, das für meinen Berufsstand mit Sicherheit das maßgebliche Buch über die Rolle ist, die das Finanzwesen bei der Schaffung der „guten Gesellschaft“ spielen kann und sollte. Professor Shiller geht nicht im Detail darauf ein, was die gute Gesellschaft ausmacht. Dennoch lässt sich leicht ableiten, dass wirtschaftliche Effizienz und die aristotelischen Vorstellungen von Fairness – das heißt die Förderung des sozialen Gleichgewichts durch Korrektur aller Ungerechtigkeiten – wesentliche Grundlagen sind. Shillers Hauptthese lautet, dass das Finanzwesen eine besondere Verantwortung dafür trägt, das Vermögen der Gesellschaft effizient und gerecht zu verwalten und gleichzeitig ihre tiefgreifendsten Bestrebungen zu fördern. Eine Folge dieser Behauptung ist, dass keine Gesellschaft gut sein kann – das heißt, keine Gesellschaft kann fair und effizient sein –, wenn das Finanzwesen die ihm zugewiesenen wesentlichen Aufgaben nicht erfüllt. In seinem Buch beschreibt Shiller in hilfreicher Weise viele spezifische Fähigkeiten und Wahrnehmungen, die mehr als ein Dutzend Arten von Finanzfachleuten leisten müssen, wenn das Finanzwesen dazu beitragen soll, allgegenwärtiges Wohlbefinden zu erreichen. Diese reichen von Hypothekenkreditgebern und Buchhaltern bis hin zu Derivatehändlern. Eine besonders wichtige Rolle weist er den Investmentmanagern zu:

„Vermögensverwalter – also diejenigen, die Portfolios aus Unternehmensbeteiligungen, Anleihen und anderen Anlagen verwalten – gehören zu den wichtigsten Verwaltern unseres Vermögens und sind somit äußerst wichtige Akteure im Dienste gesunder und florierender Marktdemokratien – alles im Dienste der guten Gesellschaft.“2

Natürlich bin ich mir darüber im Klaren, dass viele mit Professor Shillers Darstellung von Anlegern als lebenswichtigen Akteuren, die zum gesellschaftlichen Wohlergehen beitragen können, müssen und sollten, nicht einverstanden sein werden. Sie glauben wahrscheinlich, dass jeder, der etwas mit Geld zu tun hat, für immer zur Welt des Mammons gehört. In gewissem Sinne richtet sich dieses Buch speziell an diese größten Skeptiker der Finanzwelt. Die Finanzwelt hat uns allen im Laufe der Jahre viele Gründe für Zweifel und Verachtung gegeben. Glauben Sie mir, ich weiß es! Ich habe viele solcher Fehlschläge aus nächster Nähe und persönlich miterlebt. Shiller behauptet jedoch nicht, dass das gesamte Finanz- und Anlagewesen zur Verwirklichung der guten Gesellschaft beiträgt. Er argumentiert vielmehr, dass die gute Gesellschaft nur dann gedeihen kann, wenn Finanzen und Investitionen eine besondere Rolle spielen. Ich stimme mit Shiller überein. Ich hoffe, dass ich Sie auf den folgenden Seiten unter anderem davon überzeugen kann, dass Sie Shiller ebenfalls zustimmen. Finanzfachleute und Investoren spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die Chancen der Menschen zu maximieren und optimale ökologische, soziale und wirtschaftliche Ergebnisse zu erzielen. Die wichtigste Frage, die in diesem Buch behandelt wird, ist, welche konkrete Rolle die Wirtschaft und das Finanzwesen bei der Schaffung einer guten Gesellschaft spielen sollten – und was alle anderen tun müssen, damit das menschliche Experiment gelingt. Ich glaube, dass es möglich ist, die gute Gesellschaft zu schaffen, aber wir müssen mit gutem Willen beginnen und ein Gefühl für ein gemeinsames Ziel entwickeln. Wir müssen uns auch klarer darüber werden, wer was tun sollte. Ich hoffe, Sie werden mir zustimmen.

Wie es sich für ein Buch von solch unbescheidenem Umfang gehört, ist die Präsentation bewusst modular aufgebaut. Bestimmte Kapitel werden einige Leser mehr ansprechen als andere. Die Kapitel 1 bis 6 sind zum Beispiel hauptsächlich historischer Natur. Sie bilden die Grundlage für eine eher technische Vertiefung. Sie helfen zu erklären, wie und warum Stakeholder-Kapitalismus und ESG-Investitionen in ihrer heutigen Form entstanden sind und was sie bewirken sollen. Sie beleuchten die Debatte „Stakeholder gegen Shareholder“ und analysieren die gängigsten Argumente der modernen Aktivisten. Sie gehen auch darauf ein, was viele Vorstandsvorsitzende in letzter Zeit versprochen haben, anders zu machen, stellen kurz die zentrale Rolle der Vereinten Nationen bei der Förderung verantwortungsbewussterer Anlagegrundsätze vor und legen die lähmenden finanziellen Zwänge des Klimawandels offen. Laien werden diesen Hintergrund zu schätzen wissen, aber auch Finanzfachleute sollten ihn kennen. Die Vergangenheit ist Prolog. Wir werden nicht in der Lage sein, die Welt zu gestalten, die wir uns wünschen, wenn wir uns nicht über all das im Klaren sind, was uns dorthin geführt hat, wo wir jetzt sind.

Die Kapitel 7 bis 11 sind die eher technischen Teile des Buches. Sie sind zwar etwas schwieriger zu navigieren, erklären aber sorgfältig, wie ESG-Investitionen heute funktionieren. Ein Verständnis des Konzepts der Materialität, der Erstellung und Aktualisierung von Börsenindizes, der Herausforderungen für die Unternehmensführung beim „hardwiring“ des Guten in Unternehmen, der dynamischen Beziehung zwischen Wert und Bewertung und einer Reihe von indexbasierten und aktiven Handelsstrategien, die ESG-Themen einbeziehen, sind für das Verständnis dessen, was modernes ESG-Investing ist und was nicht, sowie dessen, was es tun kann und was nicht, unerlässlich. Wenn das Finanzwesen Ihr Fachgebiet ist, sollten Sie sich diese Kapitel nicht entgehen lassen.

Die Diskussion in den Kapiteln 12 bis 14 bringt einige der Herausforderungen auf den Punkt, mit denen ESG-Investitionen konfrontiert sind, einschließlich des nicht zu vernachlässigenden Risikos unbeabsichtigter Folgen und des Mangels an nachprüfbaren Auswirkungen. Dazu gehören die begrenzte Wirksamkeit des „Kapitalkosten-Transmissionsmechanismus“, das Risiko von Investitionsblasen, die wachsende Wahrscheinlichkeit, dass unerwünschte Unternehmensaktivitäten von börsennotierten Unternehmen in private oder staatliche Hände verlagert werden, grobe Kapitalfehlallokation und die gefährliche Verschleierung der Rolle, die Regulierung und Verbraucherverhalten spielen. Bitte lassen Sie sich von diesen Begriffen nicht einschüchtern; sie werden alle klar erläutert. In diesen Kapiteln wird auch die wachsende Bedeutung von „Investment Stewardship“ hervorgehoben. Wenn ESG all das leisten soll, was gefordert wird, müssen die in den Kapiteln 12 bis 14 beschriebenen spezifischen Gefahren angegangen werden. Ich hoffe, dass die Aufsichtsbehörden, die Insider der Finanzbranche und die Vorstandsvorsitzenden der Unternehmen diesen Bedenken besondere Aufmerksamkeit schenken werden. Ich hoffe auch, dass alle die Bedeutung einer aufgeklärten Unternehmensführung verstehen werden. Der beste Weg, das Verhalten von Unternehmen zu verbessern, geht von innen heraus. Und der beste Weg, das Verhalten von Unternehmen von innen heraus zu verbessern, besteht darin, den richtigen Verwaltungsrat und den richtigen Vorstand zu haben, die eifrig auf langfristige Ziele hinarbeiten, die alle gesellschaftlichen Interessen einschließlich der Rentabilität ihres Unternehmens fördern.

In den letzten drei Kapiteln des Buches geht es um Lösungen. Sie heben die Bedeutung der Zivilgesellschaft und einige der vielversprechendsten Investitionstechniken hervor, die nachweislich zu besseren ökologischen und sozialen Ergebnissen führen und gleichzeitig marktbezogene Renditen erzielen. Sie werfen ein helles Licht auf eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen, die über bewährte, skalierbare Lösungen zur Förderung eines integrativeren, nachhaltigen Wachstums verfügen; dies sind meine Vorbilder der Hoffnung. In diesen Kapiteln werden auch mehrere Impact-Investment-Strategien wie Green Bonds und Social Impact Bonds beschrieben, die Anlageerträge generieren und gleichzeitig nachweislich Gutes bewirken. Es nützt nichts, eine Litanei gesellschaftlicher und ökologischer Probleme aufzustellen, ohne auch praktikable Lösungen aufzuzeigen. Ich bündele alle diese Argumente in einem abschließenden Kapitel mit dem großspurigen Titel „Die 1,6-Prozent-‚Lösung‘“, wobei „Lösung“ passenderweise in Anführungszeichen steht. Lassen Sie mich die Erwartungen dämpfen, indem ich gleich erkläre, was ich damit meine.

In einer grundlegenden Hinsicht ist die Bewältigung unserer aktuellen sozialen und ökologischen Herausforderungen eine Frage der Mobilisierung der richtigen Menge und Art von Investitionen. Zufälligerweise verfügt die Menschheit gemeinsam über mehr als genug Kapital, um alle Probleme zu lösen, die wir angehen wollen. Wenn wir die übermäßigen Emissionen, den wirtschaftlichen Stillstand, die verschmutzten Ozeane, die schlechten Gesundheitsstandards und den Wiederaufbau kriegsgeschädigter Länder in den Griff bekommen wollen, müssen wir einige Vermögenswerte von ihrer derzeitigen, weniger wirkungsvollen Verwendung auf bewusstere und produktivere Zwecke umverteilen. Dies ist sowohl einfacher als auch schwieriger, als es klingt. Dennoch ist es machbar, und ich erkläre am Ende, wie es geht. Meines Erachtens wäre eine Lösung wie die von mir vorgeschlagene „1,6-Prozent-Lösung“, bei der ein bescheidener Anteil des Finanzvermögens bewusst in explizite Impact-Investment-Strategien umgeschichtet wird, der beste Weg für das moderne Finanzwesen, seine äußerst wichtige Rolle bei der Schaffung einer guten Gesellschaft zu spielen. Natürlich wäre es verzeihlich, wenn man die früheren Kapitel überspringt und direkt zu diesen abschließenden Seiten übergeht, um zu sehen, ob sie Sinn ergeben; ich mache das normalerweise! Wenn ich meine Arbeit jedoch gut gemacht habe, könnten meine Schlusskapitel Sie dazu anregen, zu den vorherigen Kapiteln zurückzukehren, um zu sehen, was Sie vielleicht verpasst haben. Ich hoffe es jedenfalls.

Es gibt einen irischen Witz, der von einem Touristen erzählt, der Dublin besucht. Er hält einen vorbeieilenden Einheimischen an und fragt höflich, wie er einen der berühmtesten Pubs der Stadt, die Temple Bar, finden kann.

„Oh“, scherzt der Geselle, „dorthin würde ich sicher nicht von hier losgehen.“ Dann schüttelt er niedergeschlagen den Kopf und schlurft davon.

Nun, wir gehen von hier aus los. Eigentlich ist „hier“ der einzige Ort, an dem wir jemals beginnen können. Wie Sie wissen, ist „hier“ voller Probleme und Sorgen, darunter Umweltprobleme, von denen wir wünschten, wir hätten sie nie verursacht, ein weiterer unnötiger Krieg in Europa und soziale Herausforderungen, für die wir einen umfassenden Weg finden müssen. „Hier“ ist nicht der Ort, an dem wir sein wollen.

Aber „hier“ ist alles, was wir haben. Und wenn wir nicht das Beste aus dem „Hier“ machen, werden wir nie „dort“ ankommen. Offensichtlich ist „dort“ der Ort, an den wir gehen müssen.

Es ist besser, wenn wir loslegen!

TEIL 1

DAS VERSPRECHEN …

KAPITEL 1

DIE EINSÄTZE

Lassen Sie uns nicht eher ruhen, als bis jeder Mensch auf dieser Erde ein angemessenes Auskommen hat.

SWAMI AGNIVESH

Wir sollten mehr für die Zurückgebliebenen tun – aber ich finde nicht, dass wir dabei das kapitalistische System zerstören sollten.

WARREN BUFFETT

Wir leben in einer Zeit, für die es keinen Präzedenzfall gibt, obwohl Charles Dickens’ berühmte Schilderung der Jahre vor der Französischen Revolution – „Es war die beste aller Zeiten, es war die schlimmste aller Zeiten … es war der Frühling der Hoffnung, es war der Winter der Verzweiflung“ – mit Sicherheit nachhallt.

Tausende von Akademikern, Aktivisten und Social Influencern behaupten, es sei die schlimmste aller Zeiten. Ihrer Meinung nach haben unsere sorglose Haltung und unsere „Profit ist wichtiger als der Mensch“-Mentalität die Umwelt ruiniert, Millionen in die Armut getrieben und nur einige wenige an der Spitze bereichert. Zum ersten Mal in der Geschichte glauben die meisten jungen Amerikaner, dass der Sozialismus besser funktionieren würde – der Sozialismus, das Wirtschaftssystem, für dessen Vermeidung Generationen ihrer Vorfahren ihr Blut vergossen haben. Für eine wachsende Zahl scheint es nur noch eine schwache Hoffnung zu geben.

Vielleicht – nur vielleicht – kann der moderne Kapitalismus das wirtschaftliche Äquivalent einer Bekehrung auf dem Sterbebett erfahren.

Existenzielle Sorgen im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen im Mittelpunkt vieler dieser Bedenken. Auf beiden Seiten des Atlantiks sind Millionen von Menschen der Meinung, dass das Gedeihen der Menschheit – ja sogar das Überleben des Planeten – davon abhängt, dass der Umwelt Vorrang vor allen anderen Interessengruppen, insbesondere den Aktionären, eingeräumt wird. Große Worte. Im Klartext: Eine wachsende Zahl von Menschen, von Kindern im Schulalter bis zu ihren Großeltern, will, dass Unternehmen aufhören, geldgierige, kurzfristig denkende Opportunisten zu sein. Stattdessen, so fordern sie, sollten die Unternehmen ihre enormen Fähigkeiten und reichhaltigen Ressourcen dafür einsetzen, den Klimawandel zu stoppen – und zwar sofort! Wenn sie schon dabei sind, fügen viele Kritiker hinzu, sollten Unternehmen auch die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, die Rassenungerechtigkeit und die immer größer werdenden Einkommensunterschiede bekämpfen. Mit anderen Worten: Unternehmen sollten sich um ihre Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Gemeinden und die Umwelt genauso kümmern wie um ihre Gewinne und Aktionäre. Jeder von ihnen ist ein Stakeholder. Jeder von ihnen verdient es, mit Würde behandelt zu werden.

Und wissen Sie, es scheint, dass da etwas dran ist: Eine wachsende Zahl genau der Firmenchefs und Finanziers, die des Fehlverhaltens beschuldigt werden, stimmt dem zu!

Der Kapitalismus steht unter Beschuss. Wenn er nicht für mehr Menschen besser funktioniert oder wenn er weiter ungebremst auf eine Klimakatastrophe zusteuert, könnte die Evolution einer Revolution weichen. Staatliche Verordnungen könnten die freie Marktwirtschaft verbieten. Im extremsten Fall könnte sich die Menschheit buchstäblich selbst opfern.

In der Zwischenzeit gibt es eine verwandte Initiative nach dem Motto „Show me the money“, die sich an eigensinnige Unternehmen wendet, um deren CEOs auf Trab zu halten. Sie wird von einer ebenso engagierten Armee gleich gesinnter Investoren angeführt, die geloben, nur Aktien und Anleihen von Unternehmen zu kaufen, die den Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter, ihrer Gemeinden und der Umwelt bewusst Priorität einräumen. Diese Gruppe unterscheidet sich jedoch von den Aktivisten und Akademikern. Gemeinsam verwaltet sie zig Billionen Dollar. Sie hat mehr als Theorien, Megafone und Podcasts: Sie hat richtig viel Geld. Diese aufkeimende Investitionspraxis, die aufgrund ihrer Ausrichtung auf ökologische, soziale und Governance-Ziele als „ESG-Investitionen“ bezeichnet wird, umfasst bereits Hunderte Millionen von Einzelanlegern und Tausende von Pensionsplänen, Staatsfonds und Stiftungen. ESG-Investitionen könnten das größte Ereignis im Finanzwesen seit der ersten Aktienemission der Niederländischen Ostindien-Kompanie im Jahr 1602 sein. Kein Unternehmen, kein Land und kein Markt wird davon unberührt bleiben. Der Erfolg oder Misserfolg von ESG könnte sich buchstäblich auf jedes Lebewesen auf der Erde auswirken.

Es ist offensichtlich, dass etwas getan werden muss, und zwar etwas Großes. Der „Stakeholder-Kapitalismus“ klingt, als könnte er die Lösung sein, aber es ist nicht klar, wie er praktiziert würde oder wer genau ihn praktizieren würde. Auch ESG-Investitionen erscheinen verlockend. Können diese dazu beitragen, den Planeten zu retten, den sozialen Zusammenhalt zu fördern und gleichzeitig hohe Renditen zu erzielen?

Auf den ersten Blick scheint es, dass der Wohlstand breiter verteilt und nachhaltiger sein sollte und wäre, wenn sich die Unternehmen weniger auf die Zahlung höherer Dividenden an reiche Leute und mehr auf dringende soziale Prioritäten konzentrieren würden. Wohlhabende Menschen leben bereits komfortabel, und jeder, der bereit ist, ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen, verdient auch die Möglichkeit, dies zu tun. Noch wichtiger ist, dass die Menschheit die Erde nicht weiter verheizen kann: Es gibt keinen Planeten B. Es scheint auch, dass Unternehmen, die ihre Prioritäten von der Maximierung der vierteljährlichen Gewinne auf die Optimierung ihrer technischen „ESG-Scores“ ausweiten, langfristig viel bessere Investitionen wären.

Oder? Ich meine, liegt das nicht alles auf der Hand?

Ja, es liegt auf der Hand. Aber leider ist es nicht im Entferntesten zutreffend.

Auch wenn es unbestreitbar scheint, dass Unternehmen, wo immer und wann immer sie können, von Problemverursachern zu Problemlösern werden sollten, bedeutet dies nicht, dass Stakeholder-Kapitalismus und ESG-Investitionen sichere Wetten sind. Werden sie falsch umgesetzt, können beide scheitern – und zwar spektakulär. Das ist äußerst problematisch, wenn man bedenkt, was alles auf dem Spiel steht. Ein flüchtiger Blick auf die zugrunde liegenden Daten zeigt, dass einige der schrillsten Behauptungen der Stakeholder-Kapitalisten und ESG-Investoren leicht zu widerlegen sind. Beispielsweise tun viele Unternehmen viele wünschenswerte Dinge – sie schützen den Planeten, reduzieren ihren CO2-Fußabdruck, kümmern sich um ihre Mitarbeiter und unterstützen ihre Gemeinden –, alles lobenswerte Initiativen, die durchgeführt werden müssen. Gleichzeitig sind sie aber auch miserable Investitionen. Ein gutes Unternehmen zu sein, macht einen nicht automatisch „großartig“, jedenfalls nicht im finanziellen Sinne. Es gibt auch eine ganze Reihe von Stakeholder-Kapitalismus- und ESG-Behauptungen, die auf große Skepsis stoßen. Fragen Sie nur Professor Brad Cornell von der UCLA (University of California, Los Angeles), der sagte: „Das ESG-Konzept wird überbewertet und übermäßig verkauft. Es stützt sich auf schwache bis nicht vorhandene Beweise für die versprochenen Vorteile für Unternehmen und Investoren – und ist voller innerer Ungereimtheiten, die seine Glaubwürdigkeit untergraben.“1 Tariq Fancy, ehemaliger Leiter der Abteilung für nachhaltiges Investieren bei BlackRock, ist sogar noch kritischer: „Die Finanzdienstleistungsbranche täuscht die amerikanische Öffentlichkeit mit ihren umweltfreundlichen, nachhaltigen Anlagepraktiken. Die Wall Street betreibt Greenwashing des Wirtschaftssystems und schafft eine tödliche Ablenkung.“2 Fancy zufolge ist das Finanzwesen das Problem. Niemand bezweifelt, dass ESG noch in den Kinderschuhen steckt oder dass noch viel mehr Forschung und Daten erforderlich sind, bevor endgültige Schlussfolgerungen gezogen werden können. Aber es wurden bereits mehrere Billionen Dollar in Produkte mit überzeugenden ESG-Siegeln investiert. Vieles hängt nun von ihrem Erfolg ab.

Sollten sich die Unternehmen auf Kosten der Herstellung überlegener, begehrenswerter Produkte auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse konzentrieren? Welchen Algorithmus sollten sie anwenden, um ein Optimum zwischen dem Wachstum ihres Marktanteils und der Zahlung höherer Löhne zu erreichen? Die Priorisierung mehrerer Interessengruppen wirft schwierige Fragen wie diese auf. Optimalität beruht auf Annahmen und Ergebnissen, die nicht im Voraus bekannt sein können. CEOs unterscheiden sich nicht vom Rest von uns: Auch sie „blicken durch ein dunkles Glas“. Unternehmensleiter müssen ohne den Vorteil einer perfekten Voraussicht Entscheidungen treffen, die mit erheblichen Kompromissen verbunden sind. Sie können die Zukunft gewiss nicht vorhersehen. Keiner kann das.

Sind Unternehmen mit einem kleineren CO2-Fußabdruck bessere Investitionen als solche mit einem größeren? Wenn Sie in einen Fonds mit ESG-Siegel investieren, machen Sie dann die Erde sicherer und besser? Offensichtlich gehen viele Anleger davon aus, weil man ihnen das implizit gesagt hat. Ich stimme mit Tariq Fancy in vielen Dingen nicht überein, aber in einem Punkt hat er recht: Wenn ESG-Produkte die Weltwirtschaft nicht nachhaltiger und gerechter machen, muss etwas anderes her.3 Außerdem lässt sich derzeit viel Geld damit verdienen, dass man behauptet, seine Produkte seien „nachhaltig“, doch es herrscht viel zu wenig Klarheit darüber, was das wirklich bedeutet. Ja, einige ESG-Investitionen dienen bedeutenden sozialen Zwecken, und ich werde sie aufzeigen. Bei anderen ist der Nutzen jedoch nicht erwiesen. Schlimmer noch: Allzu optimistische finanzielle Behauptungen sind fast immer die Quelle von Marktverwerfungen. Warum sollte es dieses Mal anders sein?

Es gibt reichlich Grund zur Sorge. Die Nachfrage nach Anlagestrategien, die gewissenhaften Unternehmen den Vorzug geben – also Unternehmen, die Gutes tun und die gut laufen –, war noch nie so groß wie heute. In den letzten Jahren sind täglich fast acht Milliarden Dollar in spezielle ESG-Strategien geflossen. Dies ist ein erstaunlicher Trend, der sich noch verstärken wird. Es scheint nur vernünftig, sich Sorgen zu machen, wenn die Nachfrage nach „nachhaltigen Investitionen“ das Angebot an nachweislich aufgeklärten Unternehmen mit einer belegten sozialen und ökologischen Erfolgsbilanz übersteigt. Die Nachfrage der Anleger nach Qualitätsunternehmen, die die anstehende Energiewende erfolgreich bewältigen können – die Energie und die Produkte der Schwerindustrie produzieren, die wir brauchen, und gleichzeitig die Kohlenstoffmenge in der Luft senken –, ist besonders groß. Die Folgen dieses Ungleichgewichts liegen auf der Hand, müssen aber dennoch hervorgehoben werden: Die Bewertungen vieler großartiger Unternehmen mit beeindruckenden ESG-Kennzahlen sind in schwindelerregende Höhen getrieben worden. Man muss nicht viel Zeit mit dem Studium der Finanzwissenschaften verbringen, um zu wissen, dass Investitionsblasen Vorboten von weitaus größeren Problemen sind. Schwächende Überlaufeffekte können die Realwirtschaft schädigen und tun dies auch oft. In ihrem Gefolge werden oft Menschenleben ruiniert. Zu Börsencrashs kommt es, wenn die Ergebnisse die unerfüllbar hohen Erwartungen nicht erfüllen.

Ebenso offensichtlich ist ein Übermaß an akademischer Literatur und schlagzeilenträchtigen Büchern über den Stakeholder-Kapitalismus, die alle seine selbstverständlich Heil bringenden Kräfte verkünden. Die Professoren Rebecca Henderson von der Harvard Business School und Raj Sisodia vom Babson College regen uns beispielsweise dazu an, über „Reimagining Capitalism in a World on Fire“ nachzudenken und einen „Conscious Capital Field Guide“ zu befolgen. Letzteres ist ein moderner Leitfaden für die Umgestaltung der Welt – ein Unternehmen nach dem anderen. Ein anderes Buch, „Completing Capitalism“, das von führenden Managern des Süßwaren-Riesen Mars geschrieben wurde, verspricht eine „geheilte Welt“, wenn die Unternehmen sich zunächst selbst heilen. Mit anderen Worten „Exorzismus der Führungskräfte in großem Maßstab“. Ein viertes, „Mission: Auf dem Weg zu einer neuen Wirtschaft“, propagiert einen ehrgeizigen „kühnen Leitfaden“ zur Veränderung des Kapitalismus durch eine massive Umstrukturierung der miteinander verknüpften Rollen von Regierungen, Unternehmen und der Gesellschaft, von oben nach unten. Die brillante und produktive Autorin, Mariana Mazzucato, vergleicht unsere derzeitige Situation mit der ersten erfolgreichen Mondlandung des Menschen. Zentralisierte staatliche Planung und massive Investitionen machten das Unvorstellbare zur Realität: menschliche Fußabdrücke auf dem Mare Tranquillitatis. Bedauerlicherweise hat die von ihr vorgeschlagene Lösung – dass wir aufgeklärte Bürokraten ausbilden und uns dann darauf verlassen, dass sie alles aufbringen, die Menschen überzeugen und schließlich diktieren, was nötig ist – in der Geschichte nicht sonderlich gut funktioniert.4 Warum nicht? Es hat sich herausgestellt, dass Regierungsbeamte nicht vorausschauender sind als die eben erwähnten CEOs, die durch verdunkelte Scheiben blicken. Tatsächlich sind sie oft noch weniger vorausschauend, denn sie setzen das Geld anderer Leute ein, nicht ihr eigenes. Anreize sind wichtig. Falsche Anreize sind ein so gut wie sicheres Rezept für Korruption und Katastrophen. Sogar die 800 Jahre alte Universität von Cambridge hat sich zu Wort gemeldet. Ihr renommierter Verlag hat eine Reihe von Handbüchern über „The Art of Stakeholder Theory“ veröffentlicht, in denen globale Unternehmen angewiesen werden, ihre Prioritäten über die vierteljährlichen Gewinne hinaus zu erweitern und sich mehr um die Herzen der Menschen zu kümmern, indem sie gesellschaftliche Missstände beheben.

Der größte Teil dieser zunehmenden Menge an Literatur zum Stakeholder-Kapitalismus ist unglaublich überzeugend. Ihr breiter Konsens ist, dass der moderne Kapitalismus einen Neustart braucht, bei dem der Fokus weg von den Aktionären und hin zu anderen Stakeholdern gelenkt wird. Auf den ersten Blick scheint dies schwer zu widerlegen zu sein. Institutionen und Beratungsunternehmen, die sich verpflichtet haben, ihre Investitionen mit sogenannten ESG-integrierten Strategien zu verwalten, managten Ende 2021 zusammen mehr als 120 Billionen US-Dollar. Da jeden Tag neue Vertragsstaaten die UN-Prinzipien für verantwortungsbewusstes Investieren unterzeichnen, wird diese unglaubliche Summe bis 2025 voraussichtlich auf über 140 Billionen Dollar ansteigen. In Anbetracht dieser immensen Summen scheint es nur fair zu fragen: Gibt es weltweit gewissenhafte Unternehmen und bewährte ESG-Strategien im Wert von über 120 Billionen Dollar, in die man investieren kann?

Nein, das ist nicht der Fall. Und hierin liegt ein zutiefst beunruhigendes Rätsel.

ESG-Investitionen werden weitgehend von Idealismus und dem wachsenden Konsens angetrieben, dass große Geldströme das Verhalten von Unternehmen direkt verändern können. Leider ist diese Behauptung nachweislich unwahr. Desinvestitionen halten Unternehmen nicht davon ab, unerwünschte Entscheidungen zu treffen. Sie wirken sich lediglich auf die Kapitalkosten aus und verlagern das Eigentum von denjenigen, die ein bestimmtes Managementteam und eine bestimmte strategische Ausrichtung nicht unterstützen, auf diejenigen, die sie im Großen und Ganzen unterstützen. Um unerwünschtes Unternehmensverhalten zu unterbinden, ist etwas weitaus Entscheidenderes erforderlich als höhere Kapitalkosten. Die Wahrheit ist, dass die Veräußerung ein stumpfes Instrument mit begrenzter Wirksamkeit ist. Das mag der Grund sein, warum Bill Gates vor nicht allzu langer Zeit sagte: „ESG-Investitionen haben bisher wahrscheinlich nicht eine Tonne Kohlenstoff aus der Luft geholt.“ Nicht eine Tonne, selbst nachdem 120 Billionen Dollar ESG-integriert wurden? Wenn diese Aussage wahr ist, bedarf es keiner weiteren Kritik an ESG-Investitionen; sie haben sich dann selbst verurteilt. In Kapitel 14, „Kämpfen oder fliehen?“, werden Sie sehen, warum der Verkauf von Aktien von Unternehmen, deren Verhalten Sie ändern wollen, das Letzte ist, was Sie tun sollten. Sie werden auch sehen, wie private Unternehmen unter weniger anspruchsvollen Regelungen agieren, was zeigt, dass man bestimmte börsennotierte Unternehmen nur bis zu einem gewissen Grad unter Druck setzen kann, bevor sie privatisiert werden. Wer Anteile verkauft, kann das Verhalten von Unternehmen nicht systematisch ändern, sondern nur Aufsichtsbehörden, engagierte Aktionäre und aufmerksame Verbraucher.

In seinem Kern ist dies ein Finanzbuch. Ein Großteil des Buches widmet sich den möglichen Vorteilen, Gefahren und unwahrscheinlichen Verheißungen von ESG-Investitionen. Um die Bühne für die kommenden Diskussionen zu bereiten, stelle ich allen ESG-Investoren und denjenigen, die ESG-Strategien fördern, zwei entscheidende Fragen: (1) Welche nachprüfbaren Auswirkungen hatten Ihre Investitionen bisher auf die Geschäftswelt, die reale Welt und Ihre Finanzen – also Auswirkungen, die Sie wirklich messen können? Und (2): Werden die schlimmsten ökologischen und sozialen Probleme der Menschheit gelöst, wenn Sie genau das tun, was Sie jetzt tun? Wenn diese Fragen sorgfältig durchdacht und ehrlich beantwortet werden, bezweifle ich, dass viele mit den Antworten zufrieden sein werden.

Der ESG-Enthusiasmus beruht weitgehend auf der impliziten Annahme, dass ESG-Investitionen die ökologische Nachhaltigkeit und den sozialen Fortschritt direkt fördern. Bedauerlicherweise ist diese Behauptung bestenfalls teilweise zutreffend. Einige tun es, andere nicht. Anlageberater, die optimale Impact-Investments und nachhaltige Anlagestrategien identifizieren – also diejenigen, die letztendlich das gewinnen, was ich später als „ESG-Wettrüsten“ bezeichnen werde –, werden wahrscheinlich in diesem Leben und vielleicht auch im nächsten Leben gut belohnt werden. Umgekehrt werden Unternehmensführer und Anlageexperten, die ökologische und soziale Fortschritte versprechen, die sie letztlich nicht erreichen oder erreichen können, möglicherweise einen höllischen Tag der Abrechnung erleben. Das haben sie auf jeden Fall verdient! Doch dieses Mal sollten wir dafür sorgen, dass wir nicht mit ihnen in die Hölle hinabgerissen werden.

Vor nicht allzu langer Zeit hat eine ebenso einflussreiche Gruppe von Finanzalchemisten, die mit vier vermeintlich vorausschauenden, staatlich akkreditierten Agenturen – Fannie Mae, Freddie Mac, Moody’s und S&P – Hand in Hand arbeiten, die Welt während der globalen Finanzkrise 2008 durch die Hölle und zurück geführt. Erinnern Sie sich noch genau daran, was damals geschah? Ein Haufen guter Absichten ging, wie so oft, nach hinten los. Angeblich makellose, mit AAA bewertete Subprime-Wertpapiere infizierten unsere Bankensysteme und verursachten die größte Finanzkrise seit den 1930er-Jahren. Millionen von Menschen verloren ihren Arbeitsplatz, und Billionen von Dollar an Ersparnissen wurden entwertet. Vorhersehbarerweise traf es diejenigen am härtesten, die ganz unten standen. Wie Rumpelstilzchen behauptete eine Gruppe technisch versierter Finanziers, die eng mit staatlich zugelassenen Immobilien- und Ratingagenturen zusammenarbeiteten, einen magischen Weg gefunden zu haben, um Stroh zu Gold zu spinnen.5 Wohnungsbaudarlehen, die an sogenannte NINJAs vergeben wurden – Menschen ohne Einkommen, ohne Arbeit und ohne Vermögen (no income, no job, and no assets) und damit mit geringer Aussicht auf Rückzahlung –, wurden neu verpackt und als risikofreies Gold mit AAA-Bewertung verkauft. Am Ende war es ein Schwindel im Wert von mehreren Billionen Dollar! Es war schon immer eine Schnapsidee, aus hochriskanten Subprime-Krediten Gold mit AAA-Rating zu machen. Unsere Bankensysteme und die Wirtschaft brachen auf tragische Weise zusammen, als der ganze Schwindel aufgedeckt wurde. Sind ESG-Investitionen wie Subprime-Wertpapiere? Sicherlich nicht. Der Kern der Subprime-Krise war ein Haufen unsinniger Wohnungsbaudarlehen, die niemals hätten vergeben werden dürfen. Angesichts der Tatsache, dass sich die Geschichte so oft wiederholt, müssen wir uns dennoch fragen: Was kann verhindern, dass ein weiteres staatlich abgesegnetes, offiziell sanktioniertes Anlageparadigma – nämlich akkreditierte ESG-Investitionen – vor unseren Augen in die Luft fliegt?

Die Antwort: einfach gesunder Menschenverstand. Die Art von gesundem Menschenverstand, die dieses Buch in reichlichem Maße zu vermitteln hofft.

Es steht natürlich viel auf dem Spiel. Unser ultimatives Ziel ist es herauszufinden, ob und wie Wirtschaft und Finanzen das menschliche Wohlergehen fördern können – indem wir reparieren, was repariert werden kann, unerwünschte Verhaltensweisen eindämmen und dazu beitragen, eine neue, integrativere Form des Marktkapitalismus einzuführen –, und gleichzeitig sicherstellen können, dass die Weltwirtschaft weiter wächst. Um dies zu erreichen, müssen wir uns jedoch zunächst auf Ziele einigen. Erst wenn wir uns darüber einig sind, wohin wir wollen, können wir zu einer ausführlicheren Diskussion über die Mittel übergehen – also darüber, wie wir am besten dorthin gelangen. Ich muss Sie jedoch warnen, dass Debatten über so gewichtige Themen ein wenig technisch werden, bevor die richtigen Lösungen angemessen beurteilt werden können. Eine Diskussion über die Vorzüge und Risiken von Stakeholder-Kapitalismus und ESG-Investitionen kann nur dann produktiv geführt werden, wenn die Bedingungen klar sind und beide Seiten zustimmen. Die Stakeholder-Kapitalisten haben eine Menge namhafter Kritiker, die solide gegen sie argumentieren können und dies oft auch tun. Nach Ansicht dieser Status-quo-Anhänger sind Zeitpunkt und Zweck der hitzigen Stakeholder-gegen-Aktionär-Debatte falsch gewählt. Ein nüchterner Blick auf die lange Linse der Geschichte, so sagen sie, zeigt, dass die ganze Aufregung um die Schaffung eines besseren Wirtschaftssystems als das im letzten halben Jahrhundert vorherrschende schlicht vermessen ist. Warum etwas reparieren, was nicht kaputt ist? Stramme Verfechter des derzeitigen Systems können ihre Ablehnung der kapitalistischen Argumente der Interessenvertreter auch mit einigen überzeugenden Statistiken untermauern. Wenn wir wirklich lernen wollen, wie wir ein besseres Wirtschafts- und Finanzsystem schaffen können – eines, das die besten Aussichten hat, Shillers gute Gesellschaft zu schmieden –, dann ist es entscheidend, dass wir zuerst das Status-quo-Lager ausreden lassen.

In den letzten fünf Jahrzehnten war der menschliche Fortschritt in fast allen wirtschaftlichen und sozialen Bereichen atemberaubend. Das reale Pro-Kopf-BIP der Babyboomer ist im Laufe ihres Lebens um mehr als das Fünffache gestiegen, das der Generation X um mehr als das Vierfache. Im Vergleich dazu hat sich das Pro-Kopf-Einkommen in den ersten 100 Jahren der US-Geschichte, die sich über vier Generationen erstrecken – von 1774 bis 1860, um genau zu sein –, nicht einmal verdoppelt.6

Bevor ich fortfahre, möchte ich im gemeinsamen Interesse des gegenseitigen Verständnisses und der Achtung der Wahrheit den letzten Absatz wiederholen. Das Pro-Kopf-Einkommen in den Vereinigten Staaten ist in den letzten beiden Generationen um das Vierfache gewachsen, während es in den ersten vier Generationen des Landes nur um das Zweifache gestiegen ist. Doppelt so schnell in der Hälfte der Zeit. Haben Sie das verstanden?

Stellen wir uns nun folgende Frage: Macht es Sinn, alles über Bord zu werfen, was im letzten halben Jahrhundert so erstaunlich gut funktioniert hat und zu beispiellosem Wohlstand und Reichtum geführt hat, nur um mit etwas Unerprobtem und Unbewährtem zu experimentieren? Es steht außer Frage, dass wir vor großen, vielleicht sogar existenziellen Herausforderungen stehen. Zweifelsohne sind neue Lösungen und Ansätze erforderlich. Aber vom materiellen Standpunkt aus betrachtet, hat es die menschliche Familie noch nie so gut gehabt. Wenn wir sauberere Luft, weniger katastrophale Stürme, bessere Arbeitsplätze, mehr soziale Gerechtigkeit und eine bessere Gesundheit wollen, müssen wir mehr Geld ausgeben, vielleicht sogar 275 Billionen Dollar in den nächsten 50 Jahren, wie man uns sagt. Und wenn ja, woher sollen diese Billionen kommen?

Und um es ganz klar zu sagen: Es geht nicht um Geld an sich, sondern darum, was Geld bringt. Die Befürworter des Status quo können mit Fug und Recht darauf verweisen, dass die erstaunliche Schaffung von Wohlstand und das Wirtschaftswachstum der letzten drei bis vier Jahrzehnte den langersehnten Fortschritt in vielen sozialen Bereichen und bei der Lebensqualität vorangetrieben haben. So hat sich beispielsweise die weltweite Alphabetisierungsquote seit 1980 fast verdoppelt – von 48 Prozent auf 90 Prozent –, während die Lebenserwartung weltweit um mehr als 26 Prozent gestiegen ist, von 56 auf 71 Jahre. Gleichzeitig stiegen die IQ-Werte um mehr als drei Punkte pro Jahrzehnt, was in erster Linie auf eine bessere Ernährung und eine bessere Gesundheit zurückzuführen ist. Die Kindersterblichkeit ist um das Zehnfache gesunken, und der Zugang zu Informationen über das Internet, Smartphones und mobile Geräte hat sich von praktisch null auf über 80 Prozent der Weltbevölkerung verbessert. Wenn wir uns der Wahrheitsfindung verschrieben haben, sollten wir zunächst einmal anerkennen, dass der sozioökonomische Fortschritt im letzten halben Jahrhundert einfach phänomenal war. Aktivisten auf der ganzen Welt setzen sich immer lauter für mehr zivilgesellschaftlichen und ökologischen Fortschritt ein – und trotz all ihrer Proteste gab es nie eine bessere Zeit, um geboren zu werden. Und auch wenn es vielen von ihnen nicht bewusst zu sein scheint, sind Millennials und Angehörige der Generation Z weitaus gesegneter als alle Menschen vor ihnen. Macht es Sinn, ein System niederzureißen, das einen solchen Überfluss möglich gemacht hat? Sollten wir nicht stattdessen analysieren, was all diese unglaublichen Gewinne möglich gemacht hat, und nur das ändern, was wir ändern müssen, um unsere neuen, sich weiterentwickelnden Prioritäten zu erfüllen? Die Befürworter des Status quo belassen es jedoch nicht dabei. Sie zeigen auch auf, wie und warum die Verfechter der sozialen Gerechtigkeit einen besonderen Grund haben, überschwänglich zu sein. Während sich die Lage aller Einkommensgruppen weltweit, von den Reichsten bis zu den Ärmsten, in den letzten 40 Jahren gebessert hat, hat sie sich für die Menschen am unteren Ende der Skala – das heißt für diejenigen, die in extremer Armut leben, was von der Weltbank als Lebensunterhalt von weniger als 1,91 Dollar pro Tag definiert wird – am meisten gebessert. Nicht nur ein bisschen, wohlgemerkt. Im Gegenteil, die ganz unten haben sehr viel gewonnen.

Im Jahr 1980 lebte fast die Hälfte der Weltbevölkerung in extremer Armut, genauer gesagt 46 Prozent. Im Jahr 2020 waren es nur noch etwa 9 Prozent. Natürlich sind neun Prozent immer noch viel zu hoch – ein verarmter Mensch ist einer zu viel! Dennoch sind neun Prozent ein kleiner Bruchteil dessen, was seit Jahrtausenden bestand, und der niedrigste jemals verzeichnete Wert. Um dieser Leistung ein menschliches Gesicht zu geben: Von 1990 bis zum Ausbruch der Covid-19-Pandemie lebten jeden Tag 128.000 Menschen weniger in extremer Armut.7 Mit anderen Worten: Es dauerte mehr als 1.000 Jahre, um die erste Milliarde Menschen aus der bitteren Armut zu befreien, aber nur die letzten 20 Jahre, um die letzte Milliarde zu befreien.

Denken Sie einmal darüber nach. 1.000 Jahre materieller menschlicher Fortschritt – allein in den letzten 20 Jahren!

Es ist sehr wichtig, dass wir eine vollständige Bestandsaufnahme machen. Es gibt auf allen Seiten unserer aktuellen wirtschaftlichen und politischen Debatten vernünftige und ehrenwerte Menschen – aber alle müssen dieses außergewöhnliche Phänomen anerkennen und feiern: Derselbe Kapitalismus, den viele jetzt anprangern, hat die bittere Armut fast besiegt. Milliarden von Menschen, die früher ständig von Nahrung und Obdach besessen waren, sind jetzt in der Lage, andere Verbesserungen in ihrem Leben anzustreben, etwa eine bessere Gesundheitsversorgung für ihre Kinder, höhere Bildung und eine erfüllendere Arbeit. Dieser wundersame Wandel wäre ohne den modernen Kapitalismus niemals möglich gewesen; in der Tat ist die nahezu vollständige Ausrottung der Armut das einzigartige und größte Geschenk des modernen Kapitalismus. Und obwohl die Covid-19-Pandemie diesen Trend im Jahr 2020/21 auf tragische Weise unterbrochen hat – zig Millionen Menschen fielen in die bittere Armut zurück, vor allem aufgrund der von der Regierung verursachten wirtschaftlichen Shutdowns –, kann und wird die bittere Armut noch weiter zurückgehen, wenn die politischen Entscheidungsträger die globalen Märkte offen halten und wir den Kurs der wirtschaftlichen Expansion beibehalten. Die Vereinten Nationen sprechen sogar offen von dem Tag – vielleicht schon 2030, spätestens aber 2035 –, an dem die extreme Armut im Wesentlichen beseitigt sein wird und nur noch in kriegsgeschüttelten Ländern wie Afghanistan und vielleicht in einigen schlecht regierten Teilen Afrikas südlich der Sahara anzutreffen sein wird. Die Beseitigung der weltweiten Armut war noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar. Heute scheint die Überwindung der weltweiten Armut fast unausweichlich. Alles, was wir tun müssen, ist, die Weltwirtschaft wachsen zu lassen. Wirtschaftswachstum beseitigt die Armut – zuverlässig und in großem Umfang. Das allein macht es unschätzbar.

Die moderne Rhetorik ist routinemäßig leichtsinnig. Fantasievolle Theorien werden allzu oft zum Mainstream. Die jüngsten Angriffe auf die Wahrheit haben viele Fakten unkenntlich gemacht. Ist dies eine Erklärung dafür, dass heute so wenige verstehen, wie das allgegenwärtige Wachstum die Armut in großem Umfang beseitigt hat und wahrscheinlich auch weiterhin beseitigen wird? In der jüngsten Vergangenheit hat es dies wie keine andere Kraft in der Geschichte getan.

Die Weltbevölkerung wird ihren Höchststand erst gegen Ende dieses Jahrhunderts erreichen.8 Fortgesetztes Wirtschaftswachstum ist die beste Chance für die Menschheit, weitreichende Fortschritte im Kampf gegen Hunger, Not und Obdachlosigkeit zu erzielen. Mehr Wachstum bedeutet, dass auch andere wichtige soziale Erfordernisse wie bessere Gesundheit, umfassendere Bildung und menschliche Entfaltung möglich werden. Nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist besonders wünschenswert. Wenn wir mehr Wirtschaftswachstum haben, können wir auch mehr soziale Fortschritte erzielen. Diejenigen, die behaupten, dass wir unsere Umweltprobleme lösen müssen, indem wir die Wirtschaft schrumpfen lassen, oder dass wir die Einkommensungleichheit allein durch eine Umverteilung unseres derzeitigen feststehenden Vermögens beseitigen können, verkennen die Anforderungen, die eine wachsende Bevölkerung mit sich bringt. Selbst wenn das Pro-Kopf-Einkommen stagniert – was seit Jahrzehnten nicht mehr der Fall war –, wird die steigende Bevölkerung mehr wirtschaftliche Aktivität erzeugen. Mehr zu ernährende Mäuler bedeuten, dass mehr Lebensmittel hergestellt werden müssen. Mehr Menschen, die sich ausruhen, bedeuten, dass mehr Betten und Häuser gebaut werden müssen. Die uninformierten Kritiker des Wachstums unterschätzen auf fatale Weise auch die politischen Herausforderungen, die Sparmaßnahmen immer mit sich bringen. Wenn man eine Revolution anzetteln will, muss man nur allen gleichzeitig die Gehälter kürzen. Unruhen sind die Stimmen der nicht Gehörten. Verärgere alle, und du wirst von allen hören. Es würde hässlich werden. Die Menschheit braucht kontinuierliches Wirtschaftswachstum, um alle Formen des Fortschritts voranzutreiben, sei es in materieller, sozialer oder – wie wir noch früh genug sehen werden – in ökologischer Hinsicht.

Aber wie ich bereits erwähnt habe, ist dies nur eine Seite der Debatte – die Sichtweise derjenigen, die den Status quo verteidigen. Meistens ist es eine rückwärtsgewandte. Daten sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Ermittlung optimaler Ergebnisse und der Mittel zu deren Erreichung. Über den Erklärungswert von Daten und ihre Auswirkungen zweiter, dritter und vierter Ordnung muss jedoch noch diskutiert werden. Die Anhänger des Stakeholder-Kapitals können all das Gute, das unsere derzeitige Marktwirtschaft erreicht hat, anerkennen und tun dies oft auch. Stakeholder-Kapitalisten sind schließlich immer noch Kapitalisten! Im Gegenzug bestehen sie jedoch darauf, dass die Befürworter des Status quo ebenso aufgeschlossen dafür bleiben sollten, wie und wo moderne Unternehmen mehr für die Menschheit tun könnten. Bei der Gestaltung der kommenden Debatte verdient der Standpunkt der Stakeholder-Kapitalisten die gleiche Aufmerksamkeit. Schließlich sind ihre Ziele unbestreitbar verdienstvoll: die Aussichten der Menschheit im kommenden Jahrhundert zu optimieren und möglichst vielen Mitgliedern der Menschheitsfamilie so lange wie möglich wirtschaftliche, soziale und spirituelle Vorteile zu bringen. Mehr für alle und mehr für länger. Das hört sich für mich gut an. Stakeholder-Kapitalisten und aufgeklärte Mitglieder der Status-quo-Bewegung sind sich auch weitgehend über die Ziele einig; nur bei den Mitteln gehen ihre Meinungen auseinander. Und schließlich scheinen sich die Stakeholder-Kapitalisten im Gegensatz zu vielen Shareholder-Kapitalisten offener für den Schutz des Planeten vor den wachsenden Klimarisiken einzusetzen. Es ist schwer vorstellbar, wie wir die grundlegendsten Bedürfnisse der Menschheit befriedigen können, wenn wir unser Land, unsere Luft und unser Wasser weiterhin unbewohnbar machen. Wie also könnten engagierte Stakeholder-Kapitalisten argumentieren?

Sie beginnen mit dem Offensichtlichen: Unternehmen können tiefgreifende Kräfte für soziale Verbesserung sein. Viele sind es bereits. In Anbetracht der Tatsache, dass ein großer Teil des menschlichen Fortschritts von achtsamen Unternehmen fast ohne Kosten oder Aufwand erreicht werden könnte, sollten sie es nach Ansicht von Stakeholder-Kapitalisten versuchen. Denken Sie zum Beispiel an all die Unternehmen, die heute in ihren Lieferketten Unternehmen, die sich im Besitz von Minderheiten befinden, einen höheren Stellenwert einräumen; in vielerlei Hinsicht erinnern sie an die Tausenden von Feinkostläden und anderen kleinen Unternehmen in den Südstaaten der USA, die in den 1950er- und 1960er-Jahren endlich ihre „Whites only“-Schilder abmontierten. Die Beendigung hasserfüllter und diskriminierender Praktiken erweitert die wirtschaftlichen Möglichkeiten für diejenigen, die sie am dringendsten benötigen – die Besitzlosen, die Vergessenen und die Ausgegrenzten. Darüber hinaus sind diskriminierungsfreie Maßnahmen wie diese oft mit keinen oder nur minimalen zusätzlichen Kosten verbunden. In großem Maßstab umgesetzt, würde die Beseitigung impliziter und expliziter diskriminierender Praktiken in der Lieferkette viel mehr Menschen mit geringen Mitteln zu finanziellem Wohlstand verhelfen. Aus all diesen Gründen sollten alle Unternehmen, die ihre Lieferketten achtsamer gestalten können, dies auch tun. Punkt.

Neben der Unterstützung vielfältigerer Lieferketten, so die Stakeholder-Kapitalisten, gibt es auch viele andere soziale Probleme, die Unternehmen und weitsichtige Unternehmensführer in einzigartiger Weise angehen können. Dazu gehören die Vielfalt in den Führungsetagen sowie die Zufriedenheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter. Die meisten Studien zeigen jedoch, dass sich die Ausgaben für die Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit in der Regel durch höhere Produktivität bezahlt machen.9 Tatsächlich ist die Loyalität der Mitarbeiter in den meisten Fällen im Vergleich zu dem, was sie einbringt, sehr günstig zu haben. Ein Blick auf Costco und Delta Air Lines in den Vereinigten Staaten oder Abcam im Vereinigten Königreich liefert den aktuellen Beweis.

Aber wie die Achtsamkeit in der Lieferkette sind auch die Vielfalt und das Wohlbefinden der Mitarbeiter niedrig hängende Früchte. Unternehmen können relativ einfach und zu vernachlässigbaren Nettokosten die Vielfalt in der Lieferkette, die Loyalität der Mitarbeiter und eine größere Gleichstellung der Geschlechter und Rassen in ihren Führungsetagen fördern. Wenn sie es können, sollten sie es tun. Punkt. Aber was ist mit anderen, eher systemischen Themen? Gibt es nicht auch kompliziertere und tief verwurzelte Probleme, die den menschlichen Fortschritt gefährden und zu deren Lösung Unternehmen und Finanzwelt ebenfalls beitragen sollten?

Ja, die gibt es – die komplexeste und dringlichste davon dürfte der Klimawandel sein.

Die wütende Klimadebatte ruft viele Emotionen hervor. Wenn man die Extreme – Leugnung und Hysterie – herausfiltert, bleibt eine Tatsache unbestritten: Menschliche Aktivitäten, einschließlich industrieller Praktiken, moderner Agrarwirtschaft und kohlenstoffintensiver persönlicher Konsummuster, werden die globalen Temperaturen im Laufe der Zeit weiter ansteigen lassen. Um wie viel und wie schnell ist völlig unklar. Es ist möglich, dass der Temperaturanstieg nicht sehr bedeutend sein wird, aber es ist auch möglich, dass der Anstieg letztendlich bis zu 4,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau betragen könnte. Die meisten seriösen Wissenschaftler gehen davon aus, dass ein Temperaturanstieg dieses Ausmaßes – mit anderen Worten: eine Treibhauswelt – katastrophal wäre.10 Ein solcher Anstieg würde früher seltene, katastrophale Wetterereignisse zur Norm machen. Dürren, Waldbrände, Wirbelstürme, Kälteeinbrüche und Hitzewellen, die gemeinhin als einmalige Ereignisse in einem Jahrhundert angesehen wurden, sind anscheinend bereits zu alltäglichen saisonalen Ereignissen geworden. Bleibt der Klimawandel ungebremst, könnte er auch das Leben von Milliarden Menschen aus dem Gleichgewicht bringen und zu einer beispiellosen und vielleicht sogar gewalttätigen Migration führen. Sachschäden in Höhe von mehreren Billionen Dollar und Einbußen bei der Wirtschaftsleistung wären unvermeidlich. Wenn man all dies zusammenzählt, sind die Bruttokosten und das Ausmaß der immer wahrscheinlicher werdenden klimabedingten Katastrophen verblüffend. Wenn die extremsten Prognosen eintreten, wird die Welt, die wir heute kennen, nicht mehr dieselbe sein.

Da es sich hierbei um ein bekanntes Risiko handelt – wohlgemerkt, ich wähle das Wort „Risiko“, nicht „Gewissheit“ –, bekommen zumindest in diesem Buch die Klimaleugner in ähnlicher Weise ihr Fett weg wie die Gegner des Wachstums. Um optimal zu gedeihen, sollte die Menschheit meiner Meinung nach ein grüneres, viel weniger kohlenstoffintensives Wirtschaftswachstum anstreben. Ja, die Weltwirtschaft muss weiter wachsen, aber im Idealfall sollte dies auf nachhaltige Weise geschehen. Ein nicht nachhaltiges Wachstum könnte sich als tödlich erweisen. Nicht nachhaltig zu wachsen bedeutet, dass wir