Sylt Reiseführer LIEBLINGSORTE - Birgit Haustedt - E-Book

Sylt Reiseführer LIEBLINGSORTE E-Book

Birgit Haustedt

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Beschreibung

Sie planen einen Trip nach Sylt? Oder lieben Sie die nordfriesische Insel bereits und kennen sie wie Ihre Westentasche? Sie werden überrascht sein, was es auf Sylt (noch) alles zu entdecken gibt!

Wie könnte ein perfekter Tag auf Sylt aussehen?
Wir starten in Keitum mit einem Frühstück unter schattigen Bäumen in Nielsens Kaffeegarten mit weitem Blick aufs Wattenmeer. Gleich nebenan informieren Altfriesisches Haus und Heimatmuseum anschaulich über das Leben der Sylter in früheren Jahrhunderten. Dann bummeln wir gemütlich durch das alte Kapitänsdorf. Unverzichtbar: ein Besuch der ältesten Kirche der Insel: St. Severin.

Mittags gibt’s Sylter Royal direkt am Wasser in der Lister Austernperle, bevor wir durch die faszinierende Welt der Wanderdünen zum nördlichsten Zipfel Deutschlands am Ellenbogen aufbrechen. Eine fast unberührte, einsame Naturlandschaft aus Dünen, Salzwiesen, Watt und Schafen. Zurück in die Zivilisation bringt uns ein Stopp an der Eismanufaktur List, wo die Sylter Milch ihre geschmackvollste Verwendung findet.

Zeit für ein Bad in der Nordsee! Vierzig Kilometer Sandstrand locken mit Strandkörben und Familienleben in Wenningstedt oder einsamen Abschnitten zwischen Rantum und Hörnum. Zum Abendessen geht es in eines der vielen Strandbistros mit guter Küche in rustikalem Ambiente. Die langen nordischen Abende lassen wir am Meer ausklingen. Spektakulär der Sonnenuntergang am Roten Kliff.

Unser Reiseführer führt Sie auf Ihrer Reise zu Orten, von denen viele bald zu Ihren Lieblingsorten werden und zu denen Sie immer wieder zurückkehren möchten. Erkunden Sie beliebte und außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten, genießen Sie die besten Cafés, Restaurants und Bars, flanieren Sie über die schönsten Märkte und entdecken Sie versteckte Plätze und Parks.

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Sie planen einen Trip nach Sylt? Oder lieben Sie die nordfriesische Insel bereits und kennen sie wie Ihre Westentasche? Sie werden überrascht sein, was es auf Sylt (noch) alles zu entdecken gibt!

Wie könnte ein perfekter Tag auf Sylt aussehen?

Wir starten in Keitum mit einem Frühstück unter schattigen Bäumen in Nielsens Kaffeegarten mit weitem Blick aufs Wattenmeer. Gleich nebenan informieren Altfriesisches Haus und Heimatmuseum anschaulich über das Leben der Sylter in früheren Jahrhunderten. Dann bummeln wir gemütlich durch das alte Kapitänsdorf. Unverzichtbar: ein Besuch der ältesten Kirche der Insel: St. Severin.

Mittags gibt’s Sylter Royal direkt am Wasser in der Lister Austernperle, bevor wir durch die faszinierende Welt der Wanderdünen zum nördlichsten Zipfel Deutschlands am Ellenbogen aufbrechen. Eine fast unberührte, einsame Naturlandschaft aus Dünen, Salzwiesen, Watt und Schafen. Zurück in die Zivilisation bringt uns ein Stopp an der Eismanufaktur List, wo die Sylter Milch ihre geschmackvollste Verwendung findet.

Zeit für ein Bad in der Nordsee! Vierzig Kilometer Sandstrand locken mit Strandkörben und Familienleben in Wenningstedt oder einsamen Abschnitten zwischen Rantum und Hörnum. Zum Abendessen geht es in eines der vielen Strandbistros mit guter Küche in rustikalem Ambiente. Die langen nordischen Abende lassen wir am Meer ausklingen. Spektakulär der Sonnenuntergang am Roten Kliff.

Unser Reiseführer führt Sie auf Ihrer Reise zu Orten, von denen viele bald zu Ihren Lieblingsorten werden und zu denen Sie immer wieder zurückkehren möchten. Erkunden Sie beliebte und außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten, genießen Sie die besten Cafés, Restaurants und Bars, flanieren Sie über die schönsten Märkte und entdecken Sie versteckte Plätze und Parks.

Birgit Haustedt ist promovierte Literaturwissenschaftlerin, lehrte mehrere Jahre an der Universität in Salerno und lebt seit über 30 Jahren als freie Autorin in Hamburg. Seit ihrer Kindheit verbringt sie immer wieder Ferien auf Sylt.

INHALTSVERZEICHNIS

WESTERLAND

Der Bahnhof

Himmelsleiter zum Strand

Im Strandkorb

Das Café Wien

Eine Führung mit Silke von Bremen

Die Sonnenuhr von St. Niels

Der Stolperstein vor dem Westerländer Rathaus

Der Friedhof der Namenlosen

WENNINGSTEDT

Das Rote Kliff

Der Denghoog

Die Friesenkapelle

Der Dorfteich

Die neue Kurpromenade

KAMPEN

Die Uwe-Düne

Haus Kliffende

Eine Wattwanderung

Die Kupferkanne

Das ehemalige Suhrkamphaus

Die Kampener Vogelkoje

LIST

Die frühere Inselbahntrasse

Die Akademie am Meer

Sylter Royal

Der Friedhof in den Dünen

Naturgewalten erleben

Wanderdünen

Die Sylter Eismanufaktur

Spaziergang am Ellenbogen

BRADERUP UND MUNKMARSCH

Die Braderuper Heide

Die Lügenbrücke in der Jückersmarsch

KEITUM

Die Kirche St. Severin

Die Keitumer Orgel und die Mittwochskonzerte

Der Friedhof am Meer

Weinberge

Das Altfriesische Haus

Heimatmuseum I: Kapitäne und Walfänger

Heimatmuseum II: Valeska Gerts »Ziegenstall«

Nielsens Kaffeegarten

Tipkenhoog und Harhoog

MORSUM, ARCHSUM, TINNUM

Das Morsumer Kliff

Die Kirche St. Martin

Das Eisboot

Das Dammwärterhaus

Der Nössedeich

Das kleinste Museum Sylts im Alten Schöpfwerk

Die Tinnumburg

Die Sylter Schokoladenmanufaktur

RANTUM

Eine vogelkundliche Führung am Rantumbecken

Die Reetdachkirche St. Peter

Die Sylter Kaffeerösterei

Hafenkiosk 24: die besten Fischbrötchen

Der Mittelpunkt der Welt in Puan Klent

Die Straße der Höflichkeit

HÖRNUM

Die Arche Wattenmeer

Das Straend

Die Segelkirche

Wahrzeichen mit Innenleben: der Leuchtturm

Die Kersig-Siedlung

Die Hörnum-Odde

Eine Halligfahrt

Danksagung

Register

Westerland

ALLE BUSLINIEN ZOB WESTERLAND

Der Bahnhof

BAHNHOF WESTERLAND

KIRCHENWEG 1

25980 WESTERLAND

Wenn der Zug endlich in den Westerländer Bahnhof einfährt, kennen die meisten Feriengäste nur ein Ziel: ins Hotel, ins Ferienhaus oder gleich zum Strand. Das Bahnhofsgebäude nehmen wir kaum wahr, auch die Sylter selbst ignorieren den Bau mehr oder weniger. Als er errichtet wurde, war das anders. Man schwärmte von der neuen »Zierde Westerlands«, die Sylter Zeitung lobte ihn als »den größten und vor allen Dingen modernsten Bahnhof an der schleswig-holsteinischen Westküste«.

Verglichen mit heutigen Bauzeiten, wurde der Bahnhof jedenfalls im Rekordtempo erbaut. Nach weniger als zwei Jahren war er pünktlich zur Eröffnung des neuen Bahndammes fertig. Am 1. Juni 1927 konnten die ersten Zugreisenden zusammen mit Ehrengast Reichspräsident Hindenburg den nagelneuen Bahnhof der Insel betreten.

Alles war ausgerichtet auf den zukünftigen Reiseverkehr mit modernen Zügen aus Hamburg und Berlin. Die Technik war auf dem neusten Stand, auch das Gebäude bot zeitgemäßen Komfort für die Fremden: Einen großzügigen Speisesaal, hervorragende sanitäre Anlagen, selbst einen Friseur gab es hier. Für das Zugpersonal standen Schlafräume zur Verfügung. Der Oberbahnhofsvorsteher wohnte mit Familie direkt unter dem Dach und arbeitete in einem Büro im Ostflügel. Dort befand sich ein großer Gepäckraum mit einem Seiteneingang, wo die Hoteldiener die Koffer ihrer Gäste abholen konnten.

Ästhetisch präsentierte sich der neue »Staatsbahnhof« ebenfalls auf der Höhe der Zeit. Nach dem Vorbild moderner S-Bahnhöfe, die zur selben Zeit in Berlin entstanden, und der Wohnungsbauten Fritz Schumachers in Hamburg verzichtete man auf Jugendstil- oder sonstige Ornamente und setzte auf klare, schlichte Formen. Im Sinne der damals populären Heimatschutzarchitektur wurden auch typisch friesische Stilelemente wie weiße Sprossenfenster verwendet.

Dieser Bahnhof war ein Sehnsuchtsort, allerdings wohl weniger für Berliner oder Hamburger, die auf der Insel ja gerade das Großstadtleben hinter sich lassen wollten, als vielmehr für die Sylter und ihre eigenen großen Ambitionen.

Heute steht das Gebäude etwas einsam vor einem großen Platz. Innen gruppieren sich das DB-Reisecenter, ein Kiosk und ein sehr nettes Café mit dem schönen Namen »Sylt Entrée« um die riesige original erhaltene Eingangshalle. Meist menschenleer, ist sie mehr als nur einen Blick wert: Die aufwändig gearbeitete Decke mit grünen Holzfacetten und zwei extravaganten Leuchtern mit expressionistischem Dekor erinnert an Zeiten, als Reisen noch Sache weniger und wohlhabender Menschen war. Der Spruch über der Bahnhofsuhr aber hat auch für uns noch Geltung und bietet eine passende Einstimmung auf die Ferien: IST NOCH … ZEIT.

BUS A SCHÜTZENPLATZ STRANDÜBERGANG 53: BUS A, BUS 2 CAMPINGPLATZ ODER FKK-STRAND

Himmelsleiter zum Strand

HIMMELSLEITER

GAADT

25980 WESTERLAND

STRANDZUGANG 53

RANTUMERSTRASSE/FISCHERWEG

Der Weg in den Himmel führt auf Sylt rund 100 Stufen bzw. 26 Meter aufwärts. Das klingt wenig, aber oben angekommen, ist so mancher außer Atem. An klaren Tagen wird die Anstrengung mit einem fantastischen Ausblick in alle Richtungen belohnt. Die »Himmelsleiter« im Südwesten Westerlands ist die höchste Strandtreppe auf Sylt. Hier liegt der Himmel aber nicht nur oben, sondern auch unten – zum Strand, dem eigentlichen Ziel, geht es wieder hinab. Überall führen Wege und Treppen aus Holz durch die Dünenlandschaft zum Wasser. Manche wie die »Himmelsleiter« sind viel frequentiert, auf anderen trifft man selbst in der Hochsaison wenig Menschen. Sie schützen die Dünen und dienen seit dem 19. Jahrhundert zugleich der Bequemlichkeit der »Badegäste«. Die ersten Strandwege bauten die Westerländer selbst, weitere ließ ein Herr Dr. Pollacsek errichten, der 1884 das gesamte »Seebad« kaufte.

Davor waren die Sylter quer durch die Dünen zum Strand gegangen und dann ins Wasser gesprungen – wohl nicht nur zu Reinigungszwecken, sondern auch aus Vergnügen an der Meeresbrandung, wie der Inselchronist Christian Peter (C. P.) Hansen berichtete. Mit Beginn des Tourismus wurde ein solches spontanes Bad im Meer allerdings unmöglich. Jetzt regelte eine Badeordnung, wo man sich aufhalten und wann man ins Wasser durfte, vor allem aber, was man anzuziehen hatte. Männer und Frauen besuchten getrennte Strände, zwischen Damen- und Herrenstrand lag eine »neutrale« Zone zum Spazierengehen und Flanieren. Im Süden des Ortes warnte ein Schild: »Halt! Damenbad! Halt!« Das Baden selbst war eine komplizierte Angelegenheit unter Aufsicht einer Badewärterin. In voller Kleidung bestieg man einen Badekarren, der vom Kurpersonal ganz dicht an den Flutrand geschoben wurde. Dort zog man sich im Karren einen Ganzkörperbadeanzug an, dann ging es auf der strandabgewandten Seite ins Wasser, um – als Nichtschwimmer mit einer starken Leine gesichert – ein paar Mal in den Wellen unterzutauchen. Als 1902 in Westerland der erste Strandabschnitt für Familien eingerichtet wurde (für Junggesellen verboten), befürchtete man einen großen Sittenverfall, der allerdings nicht eintrat. Alles habe »ein Bild unendlicher Harmlosigkeit« geboten, konstatierte die SylterKurzeitung enttäuscht.

Heute gibt es zwar spezielle Strände für Hunde, für FKK, für Sport, aber an nicht wenigen Abschnitten mischen sich sogar Bekleidete und Nackte. Und überall führen diese schönen Holzwege und Treppen zum Wasser. Mein Lieblingsweg in Westerland ist der Strandzugang Nr. 53 zwischen Strandoase und dem Campingplatz. Vom Parkplatz aus geht es erst eine steile Treppe hinauf, dann ein langes Stück durch Heide, Sand und Strandhafer. Morgens und abends trifft man kaum jemanden, bei Sonne duftet es verheißungsvoll nach warmem Holz, würziger Heide und nach Meer, wenn Westwind weht. Ganz oben liegt eine spärlich bewachsene Babydüne, bequeme Bänke laden zum Ausruhen ein, bevor es 92 Stufen hinab zum Strand geht.

Im Strandkorb

VERMIETUNG VON STRANDKÖRBEN

WWW.INSEL-SYLT.DE/STRANDKORB-VERMIETUNG

TIPP

STRANDKORB-VERKAUF BEI DER

SYLT-STRANDKÖRBE GMBH

HAFENSTRASSE 10

25980 RANTUM

WWW.MEINSTRANDKORB.DE

Die FrankfurterAllgemeineZeitung nannte ihn einmal eine »Kreuzung von Wäschekorb, Kleiderschrank und Lokus« mit der »Individualität eines Reihenhäuschens«. Doch wer je bei Sonne, aber steifer Brise an einem Nordseestrand weilte, weiß die Vorzüge eines Strandkorbs zu schätzen: Er schützt vor Wind, Sand und zu viel Sonne. Man kann darin lesen, schlafen, dösen, sogar bequem essen – und das alles zu zweit. Tausende Strandkörbe stehen am Sylter Strand in der Saison und sind so beliebt bei den Gästen, dass man sie rechtzeitig (am besten schon im Winter) reservieren sollte.

Seit mehr als 100 Jahren sind Strandkörbe eine deutsche Institution. Die ersten standen wohl an der Nordsee. 1873 bestellte die Gemeinde Norderney »Strandstühle mit Überdachung«. Auf Sylt tauchten sie spätestens 1877 auf, wie ein Foto vom Herrenstrand in Westerland zeigt. Als Erfinder setzte sich jedoch der Rostocker Hofkorbmacher Wilhelm Bartelmann durch. Er entwickelte 1883 einen Prototypen, der im Prinzip heute noch gilt, einen Zweisitzer mit Markisen, ausziehbaren Fußstützen und Seitentischchen. Durch das Verkaufsgeschick seiner Ehefrau Elisabeth setzte sich der Strandkorb im Osten, in Warnemünde, an der Müritz und in anderen Orten rasch durch. Ab 1900 belieferte die Firma auch die Nordseeorte. Im Lauf der Zeit entwickelten sich eine Ostsee- und eine Nordseevariante: Die Seitenteile der Strandkörbe an der Ostsee sind geschwungen, die an der Nordsee gerade.

Seit 1947 werden auf Sylt eigene Strandkörbe in der Rantumer Strandkorbmanufaktur produziert. Besitzer Paul Schardt landete hier im Zweiten Weltkrieg als Marinesoldat, blieb und machte sich in Rantum mit seinem alten Beruf als Korbmacher selbstständig. Inzwischen fabriziert man zehn Modelle mit 64 verschiedenen Stoffbezügen. Die vielen Varianten sind eher für Menschen bestimmt, die sich einen Strandkorb in den Garten stellen. Auf Sylt bevorzugt man die klassischen Nordseestrandkörbe mit graden Linien und meist blau-weiß gestreiftem Stoff. Trotz einiger maschineller Erleichterungen und Verwendung von PVC steckt in ihnen noch viel Handwerkskunst: An der Herstellung beteiligt sind Korbmacher, Tischler, Polsterer und Korbflechter. Auch im Gebrauch machen Strandkörbe viel Arbeit: Im Winter müssen sie wieder abtransportiert werden und kommen zum Schutz vor Sturmfluten, Regen und Schnee in große Lagerhallen. Das ist immer ein etwas trauriger Moment, weil es das Ende der Sommersaison bedeutet.

Bis dahin aber freuen wir uns, wenn wir abends zur Blauen Stunde, nachdem die Sonnenanbeter den Strand verlassen haben, uns endlich in einen der frei gewordenen Körbe setzen können, die die Sylter Strandkorbvermieter dankenswerterweise nicht verschließen. Einfach im Strandkorb zu sitzen und der Sonne beim Untergehen im Meer zuzuschauen, ist vielleicht der größte Luxus auf Sylt. Dazu passt Champagner.

BUS A, B SYLTNESS CENTER

Das Café Wien

CAFÉ WIEN

STRANDSTRASSE 13

25980 WESTERLAND

WWW.CAFÉ-WIEN-SYLT.DE

Im Juni 1966 eröffneten die frischvermählten Eheleute Ingrid und Willi Langmaack in Westerland ihr erstes eigenes Kaffeehaus. Dass sie es »Café Wien« und nicht etwa »Kleine Friesenstube« nannten, zeugt von Selbstvertrauen und dem Wunsch, sich mit der weltberühmten Kaffeehauskultur der österreichischen Hauptstadt messen zu können. Doch rasch erhielt ihr Enthusiasmus einen Dämpfer. Die gemütliche Strandstraße sei der falsche Standort, so die Vertreter der Stadtverwaltung. Innerhalb weniger Jahre spiele sich der Tourismus ganz woanders ab: im neuen Kurzentrum, für das eben erst, am 11. Mai1966, der Grundstein gelegt worden war. Die geplanten drei Hochhäuser mit exklusiven Kureinrichtungen und über 500 Appartements, dazu Boutiquen, Restaurants und Cafés, würden sich zum neuen Treffpunkt entwickeln, zeigten sich die Beamten überzeugt. Wer käme dann noch in die altmodische Strandstraße?

Doch entgegen aller Unkenrufe etabliert sich das »Café Wien« innerhalb weniger Jahre. Die exzellenten Torten kommen gut an, und immer ist dort etwas los. In den 1970er Jahren wird es zu einem Ort für die Reichen und Schönen, die sonst Kampen bevorzugen. Selbst ein Paradiesvogel wie Arndt von Bohlen und Halbach lässt sich von vier Männern auf einer goldenen Sänfte ins »Café Wien« tragen, um bei »Rüdesheimer Kaffee« an einem großen Tisch Hof zu halten, erinnert sich Ingrid Langmaack.

Solche Extravaganzen sind heute nicht mehr die Regel.

Die Prominenz zieht es wieder nach Kampen, andere gutbetuchte Gäste wohnen lieber in heimeligen Friesenhäusern in Keitum oder Wenningstedt als in einem der Hochhäuser des Kurzentrums. Sie bestimmen zwar bis heute die Silhouette Westerlands, konnten jedoch die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Einheimische wie Touristen meiden die anonymen Gebäude, durch die stets der Wind pfeift. Viele Geschäfte und Restaurants von damals haben aufgegeben.

Das »Café Wien« aber hat überlebt, sogar als Familienbetrieb. Jede Generation setzt ihre eigenen Akzente. Tochter Tania gründete die »Sylter Schokoladenmanufaktur«, Enkel Tom, diplomierter »Schokoladensommelier«, experimentiert mit neuen Eiscremesorten. Das Interieur im Wiener Kaffeehausstil hat sich kaum verändert: Leuchter, viel Blattgold und Biedermeiersessel. Dazu die meterlange Kuchentheke mit den vielen Kuchenklassikern. Beliebt ist »Torte bis zum Abwinken«, und neben dem guten alten »Rüdesheimer Kaffee« (mit Asbach Uralt) gibt es aber mittlerweile Chai Latte und Smoothies. Die gelungene Mischung aus Moderne und Tradition, das Nebeneinander von trendigen Getränken und alten Rezepten wie »Qualle auf Sand« (Nusskuchen, Obst und Quark) und vor allem die freundlich-herzliche Atmosphäre machen das Erfolgsrezept dieses Cafés aus, das daran erinnert, dass es in Westerland auch Bewahrenswertes aus den 1960er und 1970er Jahren gibt.

Eine Führung mit Silke von Bremen

INFORMATIONEN ZU DEN FÜHRUNGEN:

WWW.GUIDEAUFSYLT.DE

TIPP

SILKE VON BREMEN, STUMME ZEIT.

DÖRLEMANN 2024.

UNTERHALTSAMER UND BERÜHRENDER ROMAN ÜBER FAMILIENGEHEIMNISSE, NACHKRIEGSZEIT UND TOURISMUSBOOM AUF DER INSEL

Sobald die Sprache auf Westerland kommt, heißt es bei vielen Liebhabern der Insel: »Sylt ist ja schön, aber Westerland …« Hier kommen zwar die meisten Gäste an, viele fahren dann aber möglichst schnell weiter. Oft reicht ein Blick auf das Hochhaus-Kurzentrum und die überfüllte Fußgängerzone, um Westerland ein für alle Mal links liegen zu lassen. Die größte Stadt ist heute eher die große Unbekannte der Insel. Wer kennt schon das alte Westerland?

Grund genug für eine Führung, am besten mit Silke von Bremen. Seit über 20 Jahren bietet die Gästeführerin, Diplomgeografin und Autorin mehrerer Sylt-Bücher, Führungen überall auf der Insel an, immer wieder auch in Westerland. Nach einem solchen Spaziergang findet man den Ort vielleicht nicht schöner oder sympathischer, blickt aber doch mit anderen Augen auf ihn. Das gilt selbst bei einem Rundgang »Auf den Spuren des Dritten Reiches«. Ein schwieriges Thema, für das Silke von Bremen Archive und Zeitungsartikel durchforstet, vor allem aber mit vielen Syltern, Zeitzeugen, Freunden und Bekannten, gesprochen hat. Zu fast jedem zweiten Haus in der Strand- oder Friedrichstraße erzählt sie eine Geschichte über die Bewohner in jenen Zeiten: wer wen aus welchen Gründen denunziert hat und wie die Politik Familien auseinanderriss. Manchmal mischt sie in die historischen Erläuterungen auch eine interessante Geschichte aus der Gegenwart oder macht auf ein besonderes architektonisches Detail aufmerksam. Daraus entsteht die lebendige Topografie einer vorher anonymen Fußgängerzone, und man bekommt das Gefühl, einbezogen zu sein in einen lebendigen Dialog mit dieser Insel, seinen Gebäuden und vor allem seinen Bewohnern.

Dabei ist Silke von Bremen keine Sylterin. Sie stammt aus dem Alten Land und zog erst 1989 nach ihrer Heirat mit dem Sylter Fotografen Hans Jessel auf die Insel. Leicht machten es die Einheimischen der Zugezogenen nicht, lange war sie eine Außenseiterin. Inzwischen gehört Silke von Bremen dazu, hat sich jedoch eine liebevolle Distanz bewahrt. Vielleicht macht sie genau das zur modernen Chronistin Sylts. Ihr Verhältnis zu Westerland? Lange mochte sie den Ort nicht, inzwischen wohnt sie aber sogar dort und sagt: »Heute will ich nicht mehr von hier weg.«

BUS B, C ALTE DORFKIRCHE

Die Sonnenuhr von St. Niels

ST. NIELS

KIRCHENWEG 37

25980 WESTERLAND

WWW.KIRCHE-WESTERLAND.DE

DIE SONNENUHR AM LORNSENHAUS:

KASTANIENWEG 1

25980 KEITUM

TIPP

RUND UM DIE KIRCHE STEHEN NOCH EINIGE SCHÖNE FRIESENHÄUSER. DAS HAUS MIT DER ÄLTESTEN SONNENUHR VON 1750 LIEGT IN DER STADUMSTRASSE 17.

Als 1789 die Franzosen die Pariser Bastille stürmten, stritten die Westerländer erbittert über die Reparatur ihrer Kirche. Angesichts der Französischen Revolution erscheint ein Streit um die Kirche als Indiz besonderer Rückständigkeit der Insulaner. Doch bei näherem Hinsehen ergibt sich ein anderes Bild.